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Das 6. Gebot - Die Sexualmoral der katholischen Kirche

In einer Betrachtung der 10 Gebote wird meistens unter der Überschrift "Das 6. Gebot: Du sollst nicht die Ehe brechen!" alles zusammengefasst, was irgendwie mit Sexualität zu tun hat - ohne dass die direkte Verbindung zur Ehe noch deutlich wird. Vielleicht kommt es daher, dass die Kirche den Ruf hat, sexualfeindlich zu sein - aus dem Gebot "Du sollst nicht die Ehe brechen!" scheint so etwas ähnliches geworden zu sein wie "Du sollst keinen Sex haben".

In Wirklichkeit steht im Mittelpunkt des 6. Gebotes die Ehe. Diese höchste Form der menschlichen Beziehung soll geschützt werden - und der Weg dorthin. Alle Sexualnormen der Kirche haben hier ihren Ursprung und ihre Berechtigung.

Dieser Zusammenhang ist aus dem verkündeten Glauben weitestgehend verschwunden, auch wenn die Verbindung intuitiv noch spürbar ist. Die Sexualnormen der Kirche scheinen irgendwie im luftleeren Raum zu schweben; scheinbar existieren sie nur, weil sie von der Kirche irgendwann einmal so festgelegt wurden.

Normen haben aber niemals ihre Berechtigung nur deshalb, weil sie existieren. Alle Gebote und Vorschriften der katholischen Kirche haben eine Absicht: Das Glück der Menschen zu sichern, die sich an die Gebote halten wollen.

Es wird also Zeit, die verborgenen Verbindungen zwischen Glück, Liebe, Ehe und der Sexualmoral der katholischen Kirche wieder hervorzuheben.

 

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Diese Katechese ist auch als gedrucktes Heft (Nr. 060) erhältlich: Kostenlose Bestellung

Der Grund der Moral

Bevor wir uns dem 6. Gebot zuwenden, möchte ich daran erinnern, was die Grundlage aller christlichen Moral ist. Nicht die Tatsache, dass Gott, Jesus oder die Bibel Normen verkündet, rechtfertigt die Gebote. Eine solche Einstellung nennen wir "positivistisch" (von lateinisch ponere: setzen, stellen, legen): Ein Gebot sei allein dadurch schon gerechtfertigt, weil eine Autorität diese moralische Norm erlassen und festgelegt habe.
Viele - sehr viele - Menschen glauben, genauso würde Religion funktionieren: Gott erlässt Gebote, weil er eben ein Gebotsfanatiker ist. Und diese Gebote werden nicht hinterfragt, weil sie ja von Gott stammen. Dass jedes der Zehn Gebote keine willkürliche Festlegung Gottes ist, sondern alle einen Sinn haben - ein Gut schützen - und somit dem Menschen gut tun, ist heute leider nur selten bekannt.
Wenn "der Vatikan" mal wieder eine Norm in Erinnerung ruft, beschweren sich alle, damit würden Denkverbote erlassen - weil sie glauben, der Vatikan denkt nicht, sondern verkündet nur. Aber tatsächlich ist jede Norm (!) vernünftig und gedanklich überprüfbar.
Es gilt also: Jede christliche Moral hat ihren Grund nicht in der Autorität Gottes, sondern in der Wirklichkeit. Das Gute in unserer Wirklichkeit soll geschützt und bewahrt werden (also eine umfassende "Bewahrung der Schöpfung"). Ja: Die gesamte Moral der Kirche dient einzig und allein dem Glück und Wohl (und Heil) des Menschen. Sogar die gesamte Sexualmoral will nichts anderes, als eine erfüllte Sexualität, die dem Menschen Freude macht.

Kasuistik, Fundamentalismus und Naturrecht

Wer in einem alten Beichtbüchlein (z.B. dem "Jone" von 1914) nachschaut, findet dort eine kaum übersehbare Sammlung von Anweisungen und Bestimmungen - geordnet nach den Zehn Geboten. Aber es ist eben nur eine Sammlung von Vorschriften, keine Erklärung, WARUM es diese Gebote gibt.
Man kann darin ein Versäumnis der Kirche sehen - "Über Jahrhunderte", so scheint es, "wurden Gebote nur weitergegeben. Alles nur inzwischen verstaubte Tradition." Aber das wäre ein vorschnelles Urteil - denn die Kirche (und damit meine ich in diesem Fall die Theologen, Priester und Bischöfe) antworten meistens nur auf die Fragen, die an sie gerichtet werden. Lange Zeit war aber alles, was mit Ehe und Sexualität zu tun hatte, im Bewusstsein der Menschen völlig klar und eben nicht fraglich.
Auch heute erhalte ich zahlreiche Anfragen - oft per eMail - ob diese oder jene sexuelle Praxis in Ordnung sei; die fragenden Menschen sind oft gar nicht an einer grundsätzlichen Klärung interessiert, sondern wollen nur Gewissheit, dass sie nicht sündigen. Eine solche Einstellung nennen die Theologen (und Juristen) "Kasuistik": Für jeden Fall (daher das Wort "Kasuistik" von lat. casus - der Fall) eine eindeutige Handlungsanweisung. Das erspart eigenes Denken und gibt Verantwortung ab.

Die mosaischen Gebote des Alten Testamentes sind eine solche kasuistische Gebots-Sammlung, die allein deshalb befolgt werden sollte, weil sie von Gott stammt.
Wir Christen allerdings halten uns nicht mehr an das mosaische Gesetz; Jesus hat uns Freunde genannt, und nicht Knechte. "Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe." (Joh 15,15) Das ermöglicht uns Christen, Gut und Böse eigenständig zu erkennen, indem wir einen Blick auf die Wirklichkeit richten - und nicht allein auf die erlassenen Vorschriften.

Allerdings sollte man zwischen dem mosaischen Gesetz (dem Gesetz des Mose) und dem göttlichen Gesetz unterscheiden: Das Gesetz Gottes, die Zehn Gebote, ist nicht überholt. Es ist für alle Zeiten gültig.

Genauso erspart eigenes Denken das einfache Aufstellen von Geboten und Verboten - ohne sie begründen zu müssen. Angeblich stehen sämtliche Moralvorschriften in der Bibel drin und sind somit ausreichend begründet. "Wenn es Gottes Wille ist..." Mit dieser Begründung rechtfertigen die Zeugen Jehovas die Ablehnung von Bluttransfusionen und die Adventisten die Ablehnung des Sonntags als Feiertag. Weitere Begrüdnungen sind über den Nachweis, dass Gott es doch so angeordnet hat, nicht mehr nötig - und zum Teil auch nicht erwünscht.
Aber solch ein Gottesbild, das Gott als absolutistischen Gesetzgeber sieht, der nur Gehorsam verlangt (ein solches Bild ist in vielen fundamentalistischen Kreisen verbreitet), ist nicht katholisch.

Gott ist anders. Seine Hilfe zu einem erfüllten Leben besteht nicht darin, dass er überall Verbotsschilder aufstellt und Wegmarkierungen anbringt, sondern dass er uns die Augen öffnet und unsere Sinne schärft, damit wir den Weg selber erkennen und Schluchten, Treibsand und Sackgassen vermeiden, weil wir Gefahren verstehen und Gutes erkennen können. Unser Blick sollte sich also nicht allein in die Anweisungen Gottes vertiefen, sondern auf die Wirklichkeit richten. Nicht Auswendiglernen von Geboten, sondern verstehen von Zusammenhängen ist das, was uns wirklich hilft.

( hier findest Du mehr zum Verhältnis vom Moral und Offenbarung)

Die katholische Sexualmoral: Der Weg zur erfüllten Sexualität

Vor einiger Zeit wurde ich zur Sendung "Sex nach Neun" auf der RBB-Welle Radio Eins zur katholischen Sicht der Sexualität interviewt (inzwischen ist die Sendung abgesetzt worden - aber daran bin ich nicht schuld!). Ich gebe zu, dabei keine allzu gute Figur gemacht zu haben: Ich hatte übersehen, dass mein Beitrag maximal 90 Sekunden dauern durfte - und die waren um, noch bevor ich einen Faden gefunden hatte. Dabei hatte ich mir vorher diesen (meiner Meinung nach schönen) Gedankengang zurechtgelegt:

Bei der katholischen Sexualmoral wird oft nur das gesehen, was verboten ist, aber kaum das, was durch die Verbote geschützt werden soll: Nämlich eine erfüllte Sexualität.

Wie immer muss man sich jedoch klar machen, wie die Wirklichkeit beschaffen ist, bevor daraus Gebote, Normen und Moral abgeleitet werden. Wer nicht weiß, was Sexualität überhaupt ist, kann weder von einer erfüllten Sexualität sprechen - noch Vorstellungen entwickeln, wie eine solche denn zu erreichen ist. (Erinnert Euch: Moral ergibt sich aus der Wirklichkeit, nicht aus den Geboten und Verboten. Erst muss man also die Wirklichkeit verstehen, um daraus die Gebote abzuleiten!).

In meiner Katechese zur Sexualität habe ich entfaltet, dass Sexualität die Sprache der liebenden Beziehung ist. Eine "erfüllte Sexualität" bedeutet also (so, wie eine "erfüllte Sprache"), dass sie mit dem besten Inhalt gefüllt ist - also der Liebe und Hingabe.
Das ergibt sich nicht von alleine, denn jede Sprache (auch die Sexualität) kann auch für Unsinn oder sogar Zerstörung von Beziehung missbraucht werden kann. Eine Sprache kann auch zum Selbstzweck werden - man redet, weil man Freude am Reden hat; aber ohne wirklich etwas zu sagen. "Smalltalk" nennt man das, so, wie man inhaltsleeren Sex als "Smallsex" bezeichnen könnte.

Natürlich kann auch eine sinnlose Sprache lustig sein und Spass machen (denk zum Beispiel an die geniale Szene des ferngesteuerten Nachrichtensprechers in "Bruce allmächtig"). Aber die Sprache ist dann eben nur noch spaßig - aber nicht mehr erfüllt. Und irgendwann wird auch der Spaß langweilig - weil er keine Beziehung mehr zum Inhalt und zur Person hat.

Die katholische Moral will nun dabei helfen, dass aus der genialen Gabe der Sexualität und der sexuellen Lust nicht "Smallsex" wird. Die katholische Sexualmoral hat als Ziel eine erfüllte Sexualtität.

Natürlich ist die katholische Sexualmoral kein Kamasutra für besonders lustvollen Sex. Es geht ihr ja nicht um eine Technik zur Luststeigerung, sondern um die Erfüllung. Wer Sexualität praktiziert, um seine grenzenlose Liebe zu vermitteln, findet die Erfüllung, die derjenige ewig suchen wird, der diese sexuelle Erfüllung lediglich durch technischen Anleitung und Lust-Steigerungs-Mittel erzwingen will.

Der Kabarettist Konrad Beikircher erzählte einmal in einem Interview, dass er - um für die Ehe gewappnet zu sein - als junger Mann in einem Bordell um "sexuellen Nachhilfeunterricht" gebeten habe. Er gesteht (schließlich aus eigener Erfahrung), dass jede noch so professionelle Technik, die er dort gelernt hat, nicht an die tiefe Erfüllung und Freude herangekommen ist, die ihm beim Anblick der Frau überströmte, die er geheiratet hat.

Ich weiß, ich wiederhole mich, aber es kann nicht oft genug gesagt werden: Eine jede Norm der katholischen Sexualmoral will die sexuelle Erfüllung des liebenden Menschen schützen und bewahren; denn diese liegt nicht in der Art und Weise, wie er Sex hat, sondern in dem Sinn, den er durch die Sexualität vermitteln will: Der grenzenlosen Liebe und Selbsthingabe.

( hier findest Du mehr zum Wesen der Sexualität)

Was soll durch das 6. Gebot geschützt werden?

Bevor wir uns nun den einzelnen Gefahren widmen, die eine erfüllte Sexualität bedrohen, müssen wir nun, nach den vorbereitenden Überlegungen, noch die letzte Frage beantworten: Was soll durch das 6. Gebot eigentlich geschützt werden? Nur die Ehe?

Nein, nicht nur die Ehe. Sondern unsere Beziehungsfähigkeit überhaupt. Und damit sind nicht nur die Beziehungen gemeint, die wir von Mensch zu Mensch knüpfen - sondern auch die, die wir zu Gott haben. Alles, worauf es in dieser Welt ankommt, ist eine Frage unser Fähigkeit, zu lieben.

Wenn wir versuchen, die Sprache des Leibes mit der Sprache der Liebe in Einlang zu bringen, damit wir zu höchsten Beziehung zwischen Menschen fähig bleiben - dann strahlt das aus; nach "unten" und nach "oben".

Nach "unten": Weil derjenige, der zur höchsten Beziehung (der Ehe) fähig ist, auch die vielen kleineren Beziehungen (Freundschaften, Bekanntschaften, Begegnungen für wenige Augenblicke und Treue über Jahrzehnte) leben kann.

Nach "oben": Weil derjenige, der zur höchsten Beziehung - der unbedingten Liebe zwischen zwei Menschen - fähig ist, gottähnlich wird. Und - nicht erst irgendwann, sondern schon hier auf Erden - eingeladen wird zum ewigen Hochzeitsmahl... mit der größten Liebe, die es gibt. Gott.

( hier findest Du mehr zum Verhältnis von Ehe und Glauben)

Der große Sinn und die Einzelnen Gebote
"Vorehelicher Geschlechtsverkehr" - Worauf sollen wir warten?

Wohl kaum eine Norm der katholischen Moral wird so falsch verstanden wie das angebliche Gebot, vor der Ehe keinen Geschlechtsverkehr ("Sex") zu haben. Das liegt allerdings nicht nur an der religiösen Unkenntnis der Kritiker, sondern auch an der mangelnden Einsicht in das wahre Wesen des "ehelichen Aktes" bei denen, die die "wartenden Liebe" verteidigen wollen.Auch die Verkündiger des christlichen Glaubens (die Priester, Bischöfe, Lehrer und Katecheten) haben eine gewisse Schuld dadurch, dass sie diesen Bereich in ihrer Verkündigung schlicht und einfach auslassen (ein Mitbruder meinte zu mir, darüber können man einfach nicht mehr predigen...). Ein Versäumnis allerdings, das auch aus einer Hilflosigkeit geboren wird: Viele verstehen selbst nicht so richtig, was eigentlich zu verkündigen wäre.

Der "eheliche Akt" - also der Geschlechtsverkehr - wird oft begriffen als etwas, dass man eben noch nicht tut, solange man nicht miteinander verheiratet ist.

Das klingt dann oft so, als würde jemand die Norm aufstellen: "Bevor ihr nicht verheiratet seid, dürft ihr euch kein Auto schenken - vor allem kein Ferrari. Das tut man erst, wenn man verheiratet ist." - "Warum?" - "Weil man es eben vorher nicht tut!" In einer Zeit jedoch, in der Autos billiger geworden sind und die Leute vermögender - und zudem erst heiraten, wenn sie bereits gutes Geld verdienen - können Kritiker dieser erfunden Auto-Norm natürlich schnell einwenden, dass dieses Auto-Verschenken-Verbot aus einer anderen Zeit stammt und inzwischen durch die gesellschaftliche Realität überholt sei. Und damit hätten die Kritiker vermutlich auch Recht.

Der Fehler liegt jedoch in der Deutung des Begriffes "ehelicher Akt". Denn damit ist keineswegs etwas gemeint, dass erst in die Ehe gehört, "das man vorher nicht tut". Sondern der eheliche Akt ist diejenige Ausdrucksweise von Liebe, die eine Ehe begründet.

Von Blutsbrüdern, Handfasting und der frühen Eheschließung

Die Pflicht, sich das Sakrament der Ehe vor einem Priester (oder Diakon) in der Kirche zu spenden, wurde erst im 16. Jahrhundert eingeführt (durch das Konzil von Trient) - sie ist also noch keine 500 Jahre alt. Zuvor wurde eine Ehe so geschlossen, wie es ihrem Wesen entspricht: Durch die gegenseitige Willensbekundung der Eheleute (und üblicherweise nachträglich auch durch den Segen des Priesters).

Bis heute gilt, dass die Eheleute sich das Ehe-Sakrament "gegenseitig spenden". Nicht der Priester traut die Brautleute, sondern die Beiden trauen sich. Und auch heute noch gilt, dass sie sich das Sakrament in extremen Notsituationen auch gegenseitig spenden können, wenn kein Priester erreichbar ist.

Das ist ja auch einleuchtend: Das Eheversprechen richtet sich ja nicht an Kirche, Staat oder Obrigkeit, sondern an den Ehepartner: "Ich will Dich lieben, achten, ehren..." Der Staat (oder auch die Kirche) schützen diesen Bund; aber geschlossen wird er von den Eheleuten allein - für einander. Nicht für den Staat, und auch nicht für die Kirche.

Und so, wie Winnetou und Old Shatterhand Blutsbrüder geworden sind, entsteht auch der Bund der Ehe durch gesprochene Worte und einer leiblichen Besiegelung. Der "eheliche Akt" heißt also deshalb so, weil er den Bund der Ehe begründet - und Siegel, Bestätigung und Ausdruck der ehelichen Liebe ist.

Mit anderen Worten: Wer mit einem anderen Geschlechtsverkehr hat, vollzieht das, was derjenige tut, der eine Ehe schließt.

Im mittelalterlichen Schottland gab es den Brauch des "Handfasting": Ein Paar, dass sich gegenseitig ewige Liebe und Treue verspricht und diesen Bund mit ihrem Leib besiegelt, galt als verheiratet - auch, wenn dies nur heimlich geschah. Die katholische Kirche hat solche Ehen als "klandestine Ehen" bezeichnet (als "heimliche Ehen") und lange Zeit auch anerkannt.

Bei wikipedia heißt es zum "Handfasting": "Im Mittelalter war in Schottland für eine gesetzlich anerkannte Ehe bis zur Reformation keine kirchliche Trauung durch einen Priester notwendig, es genügte das Eheversprechen und der Vollzug der Ehe in der Hochzeitsnacht. Trauzeugen waren nur nötig, um die Gültigkeit der Ehe vor Gesetz besser beweisen zu können, allerdings war die Sprechung von Segen für die Ehe und die Hochzeitsnacht üblich."
Und, um Missverständnisse zu vermeiden, heißt es weiter: "Dieses Brauchtum wurde im 19. Jahrhundert in neuheidnischen Kreisen wiederbelebt und fälschlicherweise als „Handfasting" bekannt."
Die Aufgabe der Kirche: Retten - löschen - bergen - schützen...

Aber warum ist die Kirche (und in Folge auch die weltliche Gesellschaft) von dieser Art der Eheschließung abgerückt? Warum wird heute die Ehe erst vor einem Priester bzw. einem Standesbeamten gültig geschlossen?

Im wikipedia-Artikel zum Handfasting wurde es schon angedeutet: Eine klandestine Ehe - also eine Ehe, die heimlich oder zumindest nicht öffentlich geschlossen wurde - war zwar auch vor dem Gesetz gültig; aber was passierte, wenn einer der Ehepartner nachträglich bestritt, die zur Eheschließung notwendigen Handlungen tatsächlich vollzogen zu haben? Oder - was auch vorkam - wie wollte sich jemand wehren, dem von einer verschmähten Liebe diese Handlungen einfach nachgesagt wurden und eine Ehe somit nur behauptet wurde? Ohne Zeugen für die Eheschließung führten heimliche Ehe zu zahlreichen Fällen von bewusster (und auch unbewusster) Bigamie.

Zur "besseren Beweisbarkeit" wurden also zwei Trauzeugen verlangt (um wiederum Missbrauch zu vermeiden, musste jeweils ein Trauzeuge vom Mann und ein Trauzeuge von der Frau bestimmt werden); und als sich auch dieses Modell als anfällig für Betrug und Unsicherheit erwies, wurde die öffentliche Eheschließung vor einem Amtsträger der Kirche verbindlich.

Bei der Einführung der sogenannten "Formpflicht" - also der Pflicht, das Eheversprechen in einer bestimmten Form abzugeben (in diesem Fall vor zwei Trauzeugen und einem Geistlichen) - ging es der Kirche also nur darum, die rechtlichen Folgen für eine Ehegemeinschaft zu sichern. In den meisten Fällen wurden so die Frauen vor der Willkür der Männer geschützt, weshalb die Ehe auch die lateinischen Bezeichnung "Matrimonium" erhielt, was soviel bedeutet wie "Mutterschutz".

Wann wird eine Ehe geschlossen?

Nun, für die Frage nach dem Sinn der Norm "kein Sex vor der Ehe" ist diese Verschiebung der Eheschließung ganz wesentlich. Denn aus diesem kleinen historischen Rückblick wird deutlich, dass rechtlich gesehen eine Ehe erst mit der Zeremonie in der Kirche bzw. auf dem Standesamt geschlossen wird. Aber diese Regelung dient nur dem Schutz der Ehepartner, davon unberührt bleibt, dass vom Wesen her eine Ehe durch das gegenseitige Versprechen und dem Vollzug der Ehe (also dem Geschlechtsverkehr) begründet wird.

Die Frage: "Warum dürfen wir eigentlich vor der Eheschließung keinen Sex haben?" ist also falsch gestellt und unsinnig. Richtiger ist die Frage: "Warum warten wir mit der Ehe-Zeremonie, nachdem wir doch schon vom Wesen her eine Ehe eingegangen sind, als wir mit einander geschlafen haben?"

Warum warten?

Die Frage: "Warum warten?" wird zwar meist von ungeduldigen Paaren an die Moral der Kirche gerichtet und fragt, warum sie mit der vollen Ausübung der Sexualität bis zur Ehezeremonie warten sollen. Umgekehrt muss die Kirche aber auch fragen: "Warum wartet ihr, die ihr doch schon durch Euer Tun die Ehe begründet und im Privaten vollzogen habt, mit der öffentlichen Anerkennung? Warum verwehrt ihr Eurer Beziehung und Eurem Partner die Rechtssicherheit, die durch eine Eheschließung begründet wird?"

Natürlich ist durch diese Gegenfrage die Situation noch nicht geklärt; aber eine wichtiger Änderung des Blickwinkels vorgenommen. Vermutlich werden junge (oft sehr, sehr junge) Paare antworten, dass sie sich noch nicht sicher sind, eine solche rechtliche Beziehung einzugehen ("Aber Ihr seid eine solche Beziehung schon eingegangen: Ihr habt Euch einander geschenkt! Wieso denn, wenn ihr Euch noch nicht sicher seid?"), oder dass sie noch in einer unsicheren Lebenssituation sind, z.B. noch in der Ausbildung oder im Studium ("Aber, die Eheschließung dient doch gerade diesem Zweck, Euch die nötige Sicherheit zu geben!").
Gelegentlich wird auch darauf hingewiesen, dass Brautpaare eine entsprechende Feierlichkeit noch nicht finanzieren können oder Zeit für die Vorbereitung brauchen. Aber würde ein Abiturient sein Abitur verschieben, nur weil er sich noch keinen Anzug für die Abiturfeier leisten kann? Eine solche Akzentverschiebung legt nur noch Wert auf die äußere Hochzeits- oder Abiturfeier und opfert ihr das Eigentliche.

Es war ja nicht so gemeint!

Eine andere Antwort, die auf die Frage "Warum wartet ihr mit der rechtlichen Eheschließung und der gegenseitigen Gewährung des Rechtsschutzes für die Ehe?" gegeben wird, leugnet die ehebegründende Wirkung des Geschlechtsverkehrs. "Es war doch nur ein Vergnügen; keiner von uns wollte mit dem Sex eine Eheschließung besiegeln...!"
Mit dieser Ansicht sind wir aber wieder auf der unteren Ebene, die der Moral zugrunde liegt: Die Frage nach der Wirklichkeit. Ist es möglich, Zärtlichkeit umzufunktionieren? Dem Geschlechtsverkehr eine selbstdefinierte Bedeutung zu geben - also z.B. nur zum Spaß miteinander zu schlafen? Oder zum Kennenlernen?
Dieser Frage bin ich in der ausführlicheren Katechese zur Sexualität nachgegangen. Das Fazit einer unvoreingenommen Betrachtung des Wesens der Sexualität und der Stufenleiter der Sexualität hat Arthur Miller in seinem Bühnenstück "Hexenjagd" durch den Mund von Elizabeth Procter so ausgedrückt: "Du hast eine falsche Vorstellung von jungen Mädchen. In jedem Bett wird ein Versprechen gegeben... Ausgesprochen oder unausgesprochen, in jedem Fall ist es ein Versprechen, und deshalb macht sie sich Hoffnungen."

Das "Verbot" der künstlichen Empfängnisverhütung

Auch bei dieser, von nur ganz wenigen Menschen wirklich verstandenen "Vorschrift", geht es nicht nur um eine isolierte Moralvorstellungen, sondern auch bei dieser Norm soll das Wohl des Menschen - also die erfüllte Sexualität - geschützt werden. Allerdings haben wir uns inzwischen den Blick dafür verstellt, um das intuitiv zu erfassen.
Wir denken dafür leider noch zu technisch - und meinen, es sei nur eine Art biologischer Schalter, den wir umlegen, wenn wir verhüten; angeblich bliebe doch das sexuelle Erleben davon unberührt. Einmal abgesehen davon, dass das schon allein hormonell nicht ganz korrekt ist (je nach Verhütungsethode) - Sexualität ist eben nicht nur eine Technik. Und der angebliche Schalter, der umgelegt wird (von "fruchtbar" auf "unfruchtbar"), hat eine enorme inhaltliche Bedeutung. Und das, was die Sexualität erfüllt, ist doch gerade der Inhalt!

Tatsächlich glauben wir, dass die Sexualität eine ganz andere Tiefe bekommt, wenn sie offen bleibt für die Mitwirkung an der Erschaffung von neuem menschlichen Leben. Natürlich wirkt sich die unverhinderte Fruchtbarkeit nicht technisch auf die sexuelle Lust aus. Aber sie gibt allem, was sich die Eheleute aus Liebe gegenseitig schenken, einen tieferen Sinn: Aus geschenkter Liebe wird neues Leben! Letztlich ist es eben dieser Sinn, der die Erfüllung der Sprache und der Sexualität bewirkt.
Aber ich gebe zu - das ist kein Argument. Sondern eine Erfahrung. Sinn, Schönheit und Erfüllung lassen sich eben nicht argumentativ darlegen. Wer sich aber auf das Zusammenwirken von menschlicher und göttlicher Liebe einlässt und die Einheit von körperlicher und spiritueller Ekstase erfahren möchte, kommt ohne die Frage nach diesem Sinn nicht weit.

Daraus entnehmen wir, dass es eben nicht darum geht, den Geschlechtsakt auf die Produktion von Nachkommen zu reduzieren. Oft hört man nämlich (auch aus dem Munde derer, die die katholische Moral rechtfertigen wollen), dass die eigentliche Begründung für das Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung sei: Jeder Sex diene letztlich nur dem Zeugen von Kindern. Ansonsten sei Sex Sünde.

Nichts liegt der katholischen Lehre ferne als dieser leibfeindliche Gedanke - der zwar zu manchen Zeiten in der christlichen Gesellschaft Verbreitung gefunden hat, aber vornehmlich außerhalb der katholischen Kirche. Vielmehr ist der Sex in der Ehe gleichermaßen "Mitteilung der Liebe", "Stärkung des Ehebandes", "Freude des Anderen" und selbstverständlich auch erlaubt, wenn die Eheleute vorübergehend oder dauerhaft keine Kinder zeugen können. (Sonst wäre Sex im Alter oder an den unfruchtbaren Tagen der Frau nicht erlaubt - ein seltsamer Gedanke).

Aber Gott hat diesen Ausdruck der Liebe mit der Gnade verbunden, an Seiner schöpferischen Liebe teilzuhaben. Leben ist Frucht der Liebe! Der Liebe diese Frucht zu nehmen, heißt nicht nur, ihr einen unendlich kostbaren Inhalt zu rauben, sondern auch, Beziehung zu schenken, ohne die Welt zu verändern.

( hier findest Du mehr zum "Verbot" der künstlichen Empfängnisverhütung)

Die Unauflöslichkeit der Ehe

Im Grunde ist die Frage, ob eine Ehe geschieden werden kann, keine Frage der Sexualmoral. Genauso wenig ist die Frage, ob man die Zahl Pi mit einem ganzzahligen Bruch ausdrücken kann, auch keine Frage der mathematischen Moral. Entweder es geht - oder es geht nicht. Einem Schüler, der die Zahl Pi einfach aufrundet, dies als Fehler anzustreichen und es ihm für zukünftige Klassenarbeiten zu "verbieten", ist auch keine Frage der Moral - obwohl es sich um ein "Verbot" zu handeln scheint.

Die Frage, ob eine Ehe geschieden werden kann, ist eine Frage, ob es zum Wesen der Ehe gehört, unauflöslich zu sein. Nun, die Antwort ist einfach: Für eine christliche Ehe gehört die Unauflöslichkeit wesentlich dazu; eine Ehe, die nur auf Zeit geschlossen wird, mag eine gültige staatliche Ehe sein - vielleicht auch eine orthodoxe oder protestantische Ehe oder sonst eine, aber sie ist keine christliche Ehe nach Auffassung der katholischen Kirche.

Menschen, die Sex nur so zum Spass haben wollen, glauben, sie könnten selbst definieren, was mit der Sexualität und dem Geschlechtsverkehr gemeint sei. Das gleiche glauben diejenigen, die eine Ehescheidung für angebracht halten, wenn die Eheleute ihre Ehe nicht mehr fortsetzen wollen. Sie definieren selbst, wie eine Ehe beschaffen sein soll - auflösbar oder unauflöslich.
Letztlich ist es wieder keine Frage der Moral, also ob "Gott oder die Kirche es so festgelegt haben", sondern eine Frage, ob wir im Blick auf die Realität, die Wirklichkeit, erkennen können, dass zur Ehe auch die Unbedingtheit und zeitliche Unbegrenztheit dazugehört.

Nach unserer Auffassung ist die Ehe die höchste Form der Beziehung zwischen zwei Menschen und Bild der Beziehung Gottes zu uns. Eine Ehe auf Zeit oder Abruf ist aber mit Sicherheit nicht die höchste Form - es gäbe also noch die höhere Form der unauflöslichen Ehe. Genau nur diese aber meinen wir, wenn wir "Ehe" sagen.

Klar - das bedarf einer längeren Erklärung und Erwägung. Diese habe ich wiederum in einer anderen Katechese versucht - in der grundlegenden Katechese zur Ehe.

Selbstbefriedigung

Selbstbefriedigung ist wie Schokolade...
...die Du Deiner Schwester ins Krankenhaus bringen sollst und dann selber ißt. Das heißt im Klartext: Sexualität und Freude an der Zärtlichkeit, Orgasmus und Erregung sind nichts Schlechtes; genauso wenig wie Schokolade. Aber alle diese Früchte der Sexualität sind Dir nicht zur eigenen Befriedigung geschenkt worden (ja, Du hast richtig gehört: Orgasmus ist ein Geschenk!), sondern als Geschenk für andere. Sexualität soll anderen Deine Liebe ausdrücken; das ist seine Bestimmung.

Nun gibt es Erwachsene, die sagen: «Ein junger Mensch muss seinen eigenen Körper kennenlernen und auch einmal ausprobieren können..." - und damit haben sie im gewissen Sinne recht: Es ist wichtig zu wissen, was für meinem Körper gut ist, und was unangenehm ist; wie mein Körper auf bestimmte Ereignisse reagiert. Dennoch ist das gezielte Onanieren kein "Jugend-forscht"-Programm, sondern eine Zweckentfremdung mit der Gefahr, eine hohe Sprache zu banalisieren.

Ich sollte vielleicht hier anfügen, dass diese Sicht der Selbstbefriedigung (als Schokoladen-Klau) auch bedeutet, dass es sich dabei nicht schon deshalb um eine besonders schlimme Sünde handelt, weil sie sexueller Natur ist. "Sexuelle Selbstbefriedigung" sollte genauso eingeschätzt werden, wie "soziale Selbstbefriedigung" (ich suche mir nur Freunde, die mir etwas bringen), "verbale Selbstbefriedigung" (Eigenlob oder "fishing for compliments"), "automobile Selbstbefriedigung" (ich brauche den Porsche zwar nicht... aber das Gefühl ist so geil) - usw. Der Glaube und die Vermutung, dass Sünden gegen das Sechste Gebot besonders schlimme Sünden seien, hat vielleicht auch psychologische Gründe - dem sollte aber widersprochen werden. Schließlich ist die Zweckentfremdung von guten Dingen aus egoistischen Gründen immer gleich schlecht. Sogar Thomas von Aquin (der mit witzigen Äußerungen ansonsten sehr sparsam war) schrieb: «Die Sünden gegen das 6. Gebot sind keineswegs die schlimmsten - aber die klebrigsten.»

Ob es sich bei einer Triebbefriedigung um einen schweren oder leichten Verstoß gegen die gute Bestimmung einer Sache handelt, sollte also vielmehr danach beurteilt werden, was zur Befriedigung der eigenen Triebe benutzt und evtl. missbraucht wird. Es ist ein Unterschied, ob ich zur "sozialen Selbstbefriedigung" (der Angeberei) nur ein paar teure Klamotten kaufe oder ob ich Tausende Euro für eine unübersehbare Reihe von Schönheitsoperationen ausgebe, die schließlich meinen Körper restlos verzwecken.
Für die sexuelle Selbstbefriedigung gebe ich zu bedenken, dass die bewusste Führung des eigenen Körpers zum Orgasmus - zur eigenen Lustbefriedigung - der Missbrauch des höchsten Gutes ist, das wir Menschen haben. Der Körper als Ausdruck der Liebe wird zum Mittel der Selbstliebe.
Durch Selbstbefriedigung laufen wir Gefahr, abzustumpfen und - weil wir es irgendwann nicht mehr anders kennen - auch den Partner nur noch als Mittel zur eigenen Lustbefriedigung benutzen. Klar - sooo schnell stumpft man nicht ab und verlernt man nicht den Respekt vor anderen Menschen. Aber wenn wir die Gefahr leugnen und die Selbstbefriedung zu einer angeblich guten täglichen Gewohnheit erklären, dann ist der Weg nicht mehr weit zur Herabsetzung des Partners als die "bessere Selbstbefriedigung".

Fazit

Das Sechste Gebot dient dem Schutz der Ehe und der Familie. Eine Ehe kann heutzutage durch viel Dinge bedroht und zerstört werden - nicht nur durch eine verirrte Sexualität. Wir dürfen mit unserem Blick auf die Sexualmoral der Kirche nicht übersehen, dass das 6. Gebot noch mehr von uns erwartet: Nämlich auch das aktive Schützen und Unterstützen der bereits bestehenden Ehen. Was tun wir, um eine kriselnde Beziehung zu stärken? Helfen wir, indem wir Mut machen, aufbauen, zuhören, Zeit haben? Leben wir vor, dass jede Beziehung auch durch Verzicht, Versöhnung und Hingabe lebt? Bete ich für Eheleute und Familien?

Auch unsere Sprache sollten wir überprüfen. Wir sollten uns bewusst sein, dass wir - ähnlich wie im Gottesdienst bei Wandlung und Kommunion - im Hinblick auf die Sexualität nicht nur über einen rein technische Vorgänge reden, sondern über etwas "Heiliges". Die manchmal vorsichtige Sprache mit Umschreibungen und Andeutungen dient der Wahrung des Heiligen - nicht etwa der Distanz zu Unheiligem!

Deshalb ist es auch nicht nötig, die Handlungen im Einzelnen zu besprechen und immer wieder nach "erlaubt" und "unerlaubt" und deren Grenzen zu fragen. Wichtig ist zunächst das Gewissen, Denken und Empfinden der Eheleute. Das sollten wir Priester und Theologen schulen - vor allem durch die Betonung von Sinn und Schönheit der Sexualität. Wir sind von Gott zur Liebe berufen; und diese Berufung schließt ausdrücklich unseren Leib mit ein. Wer um diese Gnade weiß und sie zu schätzen gelernt hat, der braucht eigentlich keine Gebote mehr. Wahre Liebe ist der Beste Wegweiser zum Glück.

Möchtest Du mir schreiben? Für diese Katechese ist Peter verantwortlich.