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Das fünfte Gebot - Du sollst nicht töten

1. Begründung, Formulierung und Ausnahmen

Über die Zehn Gebote und deren Gültigkeit gibt es Meinungsverschiedenheiten; wir haben uns zum Beispiel daran gewöhnt, dass sich inzwischen der überwiegende Teil der Bevölkerung (mit manchmal großer Selbstverständlichkeit) gegen die Aufrechterhaltung des sechsten Gebotes ("Du sollst nicht die Ehe brechen") ausspricht.

Aber beim fünften Gebot ("Du sollst nicht töten!") wägen wir uns in großer Einmütigkeit. Vor allem, wenn in Krimis, Antikriegsfilmen oder Verfilmungen von "Wahren Begebenheiten" der Böse den Unschuldigen meuchelt, kommt keiner auf den Gedanken, Andere umzubringen sei "irgendwie in Ordnung".
Das fünfte Gebot, so meinen wir, sei die Grundlage unserer Gesellschaft und in den Köpfen und Herzen der Menschen fest verankert.

Meinen wir.

Der klassische Mord, so wie er im Krimi vorkommt, ist uns selbstverständlich zuwider. Doch wie sieht es mit PID aus (darf man unerwünschte Embryonen "verwerfen"?), oder Klonen (als menschliches Ersatzteillager?), Abtreibung (nach einer Vergewaltigung?), Selbstmord (zum Beispiel der rituelle japanische Selbstmord?), Krieg (gibt es einen gerechten Krieg?), dem "Finalen Rettungsschuss" oder dem Abschuss von Terroristen-Flugzeugen á la 09/11, Notwehr und Nothilfe, Todesstrafe, Sterbehilfe, Gnadentod, Witwenverbrennungen in Indien und Tyrannenmord zur Zeit Hitlers? Wie sieht es in einer Dilemma-Situation aus, in der ich durch die Tötung eines Unschuldigen Hunderte Menschenleben retten könnte (zum Beispiel als V-Mann bei der Mafia)?

"Oh oh...! - Das wird eine lange Nacht...!" - Ja, diese Katechese könnte länger werden. Das verwundert - der "breite Konsens, dass in unserer Kultur niemand willkürlich getötet werden darf" scheint eine Illusion zu sein. Die Achtung vor dem menschlichen Leben bröckelt an zahlreichen Stellen...

2. Teil: Die Abtreibung
3. Teil: Euthanasie, Selbstmord,  Fortpflanzungsmedizin und Menschenopfer

 

 

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Diese Katechese ist auch als gedrucktes Heft (Nr. 071) erhältlich: Kostenlose Bestellung

1. Die Begründung des Gebotes

Ich wiederhole mich zu Beginn aller Katechesen, die sich mit der Moral beschäftigen: Die Begründung für ein Gebot ist niemals allein die Tatsache, dass es in der Bibel steht; ja, nicht einmal die Behauptung, Gott selbst habe dieses Gebot erlassen, reicht für einen guten Katholiken aus (ich muss hier leider "Katholik" schreiben, weil viele unserer protestantischen Mitbrüder eine andere Auffassung haben). Ein wahrhaft verpflichtendes Gebot muss eine innere Vernünftigkeit besitzen; das Gebot muss etwas wirklich Gutes schützen, um verpflichtend zu sein.

Wir erinnern uns daran: Gebote sind nicht "fundamentalistische Wertsetzungen", also nicht nur deshalb zu befolgen, weil es jemand festgelegt hat. Eine solche Überzeugung nennen wir auch "positivistisch" (von lat.: ponere: setzen, stellen, legen). Manche Menschen sind überzeugte Positivisten: Gut und Böse gibt es nicht in Wirklichkeit, sondern menschliche (oder göttliche) Gesetzgeber haben diese Unterscheidungen einfach (aus Lust und Laune oder aus Überzeugung) festgelegt.
Dann könnte man Gebote nicht hinterfragen - sie wären "voluntaristisch" - willkürlich. Das hieße, es läge allein im (uns vielleicht unbegreiflichen) Willen des Gesetzgebers, ob etwas als "gut" oder "böse" bezeichnet werden kann.
Aber wir Christen sind überzeugt: Der Sinn der Gebote liegt außerhalb der Gebote! Durch die Offenbarung Gottes wird nämlich nicht festgelegt, was gut und böse ist, sondern erstens wird ein Wert in Erinnerung gerufen, damit die Erkenntnis, die im Mensch seit der Erbsünde verdunkelt ist, wieder erhellt wird; und zweitens wird der freie Wille des Menschen gestärkt, dieses Gut tatkräftig zu schützen (bzw. das Übel tatsächlich zu meiden). Das sind daher auch die beiden bevorzugten Weisen, um gegen die Sünde und das Böse in der Welt vorzugehen: Aufklärung und strafbewährtes Verbot.

Welches Gut soll geschützt werden?

Nun - diese Frage scheint beim fünften Gebot relativ einfach zu beantworten sein: Geschützt werden soll das Leben. Das ist doch offensichtlich ein Wert - vermutlich der höchste Wert, den es auf Erden gibt. Denn das Leben des Menschen ist die Voraussetzung für alle anderen Werte wie Freundschaft, Freiheit, Gesundheit, Wohlstand und Wohlfahrt.

Hm... das klingt so klar und einleuchtend, dass wir nicht lange darüber nachzudenken brauchen. Aber auch nur solange, wie wir tatsächlich nicht länger darüber nachdenken. Denn bei einem zweiten Blick gerät unsere Argumentation schnell ins Wanken: Die Behauptung, das menschliche Leben sei der höchste Wert, ist gleichbedeutend mit der Behauptung, der Sinn des Lebens sei es "zu leben".
Wir müssen also zwischen dem "höherem Wert" und den "notwendigen Voraussetzungen" unterscheiden.

Selbstverständlich ist der Genuss eines Mozart-Klavierkonzertes ein weitaus höherer Wert als der einer einfachen Nahrungsaufnahme - beispielsweise einer Currywurst mit Pommes und Majo (CPM). Aber wer auf längere Sicht auf die Nahrungsaufnahme immer zugunsten von Klavierkonzerten verzichtet, wird irgendwann auch nichts mehr von Mozarts Musik haben.

Das Leben ist also eine Voraussetzung für fast alle Güter, die wir erreichen können - ja, das Leben ist die Voraussetzung dafür, überhaupt etwas zu erreichen.
Aber das menschliche Leben ist kein Wert an sich - nicht umsonst kommen Menschen in verschiedenen Grenzsituationen zu der Auffassung, ihr Leben habe keinen Sinn mehr oder sei nicht mehr lebenswert. Sie haben zwar das Leben - aber sie haben das verloren, was dem Leben Sinn gibt.

Also: Worin liegt denn der Sinn des Lebens?

Der Sinn des Lebens

In manchen Kreisen gilt es geradezu als verpönt zu behaupten, man kenne den Sinn des Lebens. Geduldet wird allerhöchstens noch die rein subjektive Feststellung, man habe den Sinn des Lebens "für sich selbst" gefunden (sei es im Briefmarkensammeln oder im Kampf gegen die Unwissenheit des Nachbarn). Besonders allergisch reagieren Menschen allerdings, wenn wir behaupten, den Sinn des Lebens auch für andere - gar für alle Menschen - zu kennen.
Aber nur weil es unschicklich (politisch nicht korrekt) ist, von der Erkenntnis des Sinns des Lebens zu sprechen, dürfen wir nicht einfach schweigen. Denn die Erkenntnis stammt ja nicht von uns, sondern von Gott - und sie ist so großartig, dass wir davon einfach reden müssen.
Fragen wir also noch einmal: Warum ist das Leben so schützenswert ist? Worin liegt der Wert, der Sinn des Lebens? Nun, die Antwort ist zunächst nur ein einziges Wort: Der eigentliche Wert ist nicht das Leben selbst, sondern Gott. "Ich bin das Leben!" (Joh 11,25 und Joh 14,6).
Das mag zunächst wie eine Wortspielerei klingen, "...Gott ist das Leben selbst..". Aber dahinter steckt mehr: Wir sind auf Gott hin geschaffen; der Sinn unseres Lebens ist Gott zu erkennen und ihn zu lieben (Joh 17,3).

Das war ja auch die allererste Frage im alten Schul-Katechismus der 50-er Jahre. In diesem Katechismus wurden kurze Fragen mit kurzen Merksätzen beantwortet, weshalb vor allem die Theologen der 80-er und 90-er Jahre darin grundsätzlich eine Verkürzung des Glaubens sahen... als wenn alles, was kurz ist, sofort auch eine Verkürzung wäre.
Dort heißt die erste Frage: "Wozu sind wir auf Erden?" - Und die leicht zu lernende Antwort lautete: Wir sind auf Erden, 1) um Gott zu erkennen, ihn zu lieben und ihm zu dienen und 2) dadurch in den Himmel zu kommen.

Dabei besteht die Erkenntnis Gottes nicht nur in einer verstandesmäßigen Annäherung, sondern in der zunehmenden Gleichförmigkeit mit Gott. Kirchenväter nannten das die "Herausbildung der ursprünglichen Ebenbildlichkeit des Menschen" oder "die Wiederherstellung der Gottebenbildlichkeit". Man kann auch (kurz, aber deswegen nicht falsch) sagen: Wir sind hier auf Erden, um heilig zu werden.
Unsere ursprüngliche Heiligkeit (Gottebendbildlichkeit, Erfüllung, Lebensfreude und Lebenssinn) besteht darin, Gott zu lieben und in IHM alle seine Geschöpfe; dazu ist uns unserer Geistigkeit - unserer Freiheit - geschenkt worden. Irgendwann ging das paradiesische Zusammenspiel von Freiheit und Liebe verloren; seitdem ist unsere irdische Lebenszeit Gelegenheit, die volle Freiheit, Gott zu lieben, wiederzuerlangen und zu verwirklichen.
Es geht in unserem Leben also darum, in unserer Geistigkeit und Gottebenbildlichkeit zu wachsen. Das heißt, Du sollst zunehmend an Freiheit und Fähigkeit gewinnen, um zu lieben: Gott, den Nächsten und Dich selbst.

Warum ist Töten von Menschen Unrecht?

Jetzt ergibt sich ein gut begründetes Gebot, das wir auch einsehen können: Da wir niemals wissen, wie es im Inneren eines anderen Menschen aussieht und welche Reife seine Beziehung zu Gott hat - und ob diese Reife nicht noch weiter wachsen kann - gilt, dass wir niemand vorsätzlich und direkt die Möglichkeit nehmen dürfen, in der Liebe zu wachsen.

Ein grausames Beispiel finden wir im Tod von Jochen Klepper, einem evangelischen Schriftsteller und bedeutendem Liederdichter (zahlreiche seiner Lieder finden sich auch im katholischen Gesangbuch), der angesichts des Nationalsozialismus sowohl den "Freitod" für sich und seine Frau als auch den "Gnadentod" für seine Kinder gewählt hat, um so der Deportation der Frau und der Töchter vorzubeugen.
Jochen Klepper und seine Familie haben diesen Weg gewählt in der Annahme, dass er und seine Familie jetzt noch zu Liebe, Glaube und Hoffnung fähig sind, aber durch das bevorstehende Schicksal vielleicht zum Hass verleitet werden. Eine solche Einschätzung ("Jetzt sind wir Gott näher, später werden wir vielleicht Gott oder unseren Glauben verlieren!"), ist uns Menschen jedoch nicht möglich. Wir wissen nicht, was Kommen wird und was das Kommende in uns bewirkt. Zu sagen "Jetzt sind wir Gott am Nächsten! Alles, was kommt, kann uns nur noch schwächen" hieße, eine momentane Entscheidung zu zementieren - das wäre nur möglich, wenn wir uns selbst bis in alle Schichten der Seele kennen könnten - und die Zukunft obendrein. Das kann allerdings nur Gott. Und daher ist Wahl unseres eigenen Todeszeitpunktes - und des Gnadentodes anderer - allein Gott vorbehalten.

2. Ein Gebot - und viele, viele Ausnahmen...?

Das Gebot "Du sollst nicht töten!" gilt nicht absolut. Dafür müssen wir nicht erst die Bibel bemühen, in der Gott Menschen ausdrücklich die Anweisung zum Töten gibt. Auch das Einschalten des gesunden Menschenverstandes lässt schnell erkennen, dass es Situationen gibt, in denen der Tod eines Menschen moralisch sogar gefordert sein kann.

Deswegen übersetzen einige Theologen das 5. Gebot mit "Du sollst nicht morden" anstelle von "Du sollst nicht töten". Andere schreiben etwas umständlicher: "Du sollst nicht ungerechtfertigt töten."
Aber die veränderte Übersetzung erklärt zwar, dass das 5. Gebot nicht absolut gemeint ist, aber sie klärt nicht, welche Ausnahmen wann und unter welchen Umständen gelten. Deshalb (so finde ich) belassen wir es lieber bei der ursprünglichen Übersetzung und entwickeln in dieser Katechese eine klare Definition des Tötungsverbotes.
Dabei widerspricht diese Ausnahme nur auf den ersten Blick dem Tötungsverbot. Denn im fünften Gebot "Du sollst nicht töten" geht es ja um den Schutz des menschlichen Lebens. Was aber, wenn wir Leben nur schützen können, indem wir gleichzeitig Leben nehmen...?
Viele Pazifisten - darunter auch die Zeugen Jehovas oder die Amish - meinen, mit jeder Ausnahme vom Tötungsgebot würde eine verbotene Tür geöffnet, so dass schließlich nichts mehr verboten und alles irgendwie gerechtfertigt wird. Aber das ist nur ein flüchtiger Eindruck, denn die angeblich vielen, vielen Ausnahmen sind alle auf ein einziges Prinzip zurückzuführen: Das Dilemma. (Dazu weiter unten.)
Es ist schlicht utopisch zu glauben, wir könnten uns einfach einer jeden Tötungshandlung enthalten. Es kann nämlich sein, dass es geradezu meine moralische Pflicht ist, um unschuldiges Leben zu retten, zur Waffe zu greifen.
Nothilfe und Notwehr

Die Tötung eines Menschen ist vor allem dann gefordert, wenn wir in die Situation der Nothilfe geraten. Dieser juristische Begriff meint, dass wir einem im Leben bedrohten Menschen (zum Beispiel einer Frau in der Situation einer Vergewaltigung) auch dann zur Hilfe kommen müssen, wenn diese Hilfe nur durch die Tötung des ungerechten Angreifers geschehen kann.
Ähnliches gilt auch für die Notwehr: Wenn ich selbst in der Situation bin, von einem ungerechten Angreifer mit dem Tode bedroht zu werden, darf ich mich auch dann zur Wehr setzen, wenn das den Tod des Angreifers bedeutet.

Während wir in der Nothilfe moralisch zur Hilfe verpflichtet sind, dürfen wir in der Notwehr in einem freiwilligen Akt der Selbstlosigkeit darauf verzichten, uns auf eine Weise zu wehren, die den Angreifer tötet, selbst wenn es unseren Tod bedeutet. In der Nothilfe dürfen wir dagegen nicht zögern - das wäre dann keine Selbstlosigkeit, sondern Feigheit.
Das ist ein bedeutsamer Unterschied zwischen Notwehr und Nothilfe.
Dabei ist selbstverständlich zu beachten, dass die Gegenwehr (1.) gerechtfertigt sein muss:.Die Bedrohung muss also real sein - und nicht nur vermutet; außerdem muss die Bedrohung schwerwiegend sein, es muss also das Leben und die Würde (z.B. durch eine Vergewaltigung) des Menschen bedroht sein. Außerdem muss (2) die Tötung des Angreifers das einzige mögliche Mittel sein. Wenn man den Angreifer auf andere Weise (zum Beispiel durch eine Verletzung am Bein oder durch Betäubungsmittel, Nervengas oder ähnliches) unschädlich machen kann, ist weder die Tötung in Notwehr noch in Nothilfe erlaubt.
Allerdings sind diese Bedingung nur theoretisch gefordert. In der realen Situation ist es oft nicht möglich, alle Bedingung endgültig zu überprüfen. Ein Richter hat also noch zusätzlich die Aufgabe, die zur Leistung von Notwehr oder Nothilfe zu treffenden Entscheidungen auf ihre Redlichkeit zu überprüfen... keine leichte Sache.
Das gilt übrigens für alle Beispiele, die noch folgen werden: Es ist wichtig, sich über die Bedingungen einer moralischen Handlung theoretisch klar zu sein. Ob in der entsprechenden Bedrohungssituation die Überprüfung aller Bedingungen auch praktisch zumutbar ist, ist eine ganz andere Frage.

Nun, da wir also keine absoluten Pazifisten sind (wie zum Beispiel die beeindruckenden Amish-People in Amerika), stehen wir in der Gefahr, das Tötungsverbot aufzulösen - wenn wir nicht eine klare Regel formulieren können, die zwar Notwehr und Nothilfe zulässt, aber ansonsten die Tötung von Menschen ausschließt.

Nun - das ist möglich.

Ein unbemerktes Dogma von Johannes Paul II. - Eine Annäherung

Eine solche Formulierung hat uns der verstorbene Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika "Evangelium Vitae" aus dem Jahre 1995 gegeben (die er sich jedoch nicht selbst ausgedacht, sondern aus der Tradition der Kirche abgeleitet hat). Dort findet sich unter der Nr. 57 folgende Formulierung:

Mit der Petrus und seinen Nachfolgern von Christus verliehenen Autorität bestätige ich daher in Gemeinschaft mit den Bischöfen der katholischen Kirche, dass die direkte und freiwillige Tötung eines unschuldigen Menschen immer ein schweres sittliches Vergehen ist. Diese Lehre, die auf jenem ungeschriebenen Gesetz begründet ist, das jeder Mensch im Lichte der Vernunft in seinem Herzen findet (vgl. Röm 2, 14-15), ist von der Heiligen Schrift neu bestätigt, von der Tradition der Kirche überliefert und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt gelehrt.
Wir halten also - als Annäherung - fest: Es ist immer und unter allen Umständen verboten, einen unschuldigen Menschen zu töten.
Die Todesstrafe - Die Staats-Notwehr

Einen unschuldigen Menschen dürfen wir nicht töten... also einen Schuldigen schon? Ist die Kirche etwa eine Befürworterin der Todesstrafe?
Nun, es mag (angesichts von Inquisition und Ketzerprozessen) überraschen - aber die Kirche ist keine Freundin der Todesstrafe. Aber sie lehnt sie auch nicht grundsätzlich ab.

In vielen Gesellschaften wird die Todesstrafe zur Abschreckung vollzogen - häufig öffentlich besonders inszeniert. Schon die Römer kreuzigten gerne die Verbrecher an den Ein- und Ausgängen der Städte. Damit zeigten sie, womit eventuelle Krawallmacher rechnen mussten - in der Hoffnung, dass diese es sich anders überlegen.
Die Todesstrafe zur Abschreckung vor weiteren Gewalttaten lehnt die Kirche jedoch ab.

In anderen Gesellschaften glauben die Menschen, durch bestimmte Verbrechen hätten die Täter ihr eigenes Recht auf Leben verwirkt - und müssten konsequenterweise für das sterben, was sie getan haben. Vor allem in Amerika wird die Todesstrafe oft so gerechtfertigt. Die Todesstrafe als gerechte Strafe, als legitime Rache oder Vergeltung einer schrecklichen Tat lehnt die Kirche jedoch ab. Auch Schwerverbrecher behalten ihre Würde als Menschen, sie wird niemals verwirkt (Evangelium Vitae, Nr. 9).

Desweiteren wird die Todesstrafe als eine Vorwegnahme des ewigen Gerichtes gerechtfertigt (Calvinisten) - oder als ultimative Drohung, sich angesichts der Ewigkeit der Wahrheit zu stellen und die Tat zu bereuen... ("Dead Man Walking") - oder als die anstelle Gottes vollzogene Sühne und Gerechtigkeit. Alles dies lehnt die Kirche ab.

Der einzige Grund, weshalb die Kirche mit der Hinrichtung von Schwerverbrechern einverstanden sein kann, ist die sogenannte staatliche Notwehr. Es muss vom inhaftierten Verbrecher eine anhaltende, reale und schwerwiegende Bedrohung ausgehen, die sich nur abwenden lässt, indem der Verbrecher getötet wird. Dafür gelten aber die gleichen Regeln wie bei der individuellen Notwehr: Realität der Bedrohung, Verhältnismäßigkeit und - wenn möglich - Alternativen.

So wird zum Beispiel von Kolumbien berichtet, dass eine sichere Inhaftierung der dortigen Drogenbarone die Möglichkeiten des Staates übersteigt - die Drogenkartelle seien so mächtig, dass eine gesicherte Unterbringung der verurteilten Drogenhändler nicht gewährleistet ist.

Allerdings - und das spricht dann wiederum gegen eine Hinrichtung - ist Kolumbien teilweise dazu übergegangen, diese den Staat gefährdenden Gefangenen in Texas zu inhaftieren.

Es gibt eine weitere Bedingung, die hinzukommen muss, damit eine Todesstrafe moralisch vertretbar ist: Die Instanzen, die die Todesstrafe verhängen und die ausführen, müssen legitim sein - und nicht etwa selbsternannte oder gar verbrecherisch.
Da die heutigen Staaten in den allermeisten Fällen jedoch über ein gut funktionierendes Gerichtswesen und genügend Sicherheitskräfte verfügen, die Gefängnisse sicher sind und die Gefahr eines Bürgerkrieges aufgrund eines einzelnen Verbrechers selten, lehnt die katholische Kirche in der heutigen Zeit die Ausführung der Todesstrafe faktisch immer ab.

Wenn es keinen Grund zur Staats-Notwehr gibt, dann ist das Leben auch des Verbrechers zu schützen und zu schonen: Denn auch der größte Verbrecher ist dazu berufen, heilig zu werden. Mag sein Weg dazu auch länger sein und voller Umwege: Das ist eher ein Grund, sein Leben besonders zu behüten.

Ein Dilemma

Batman hat es schwer. Der böse Joker stellt ihm immer wieder neue Fallen; und auch den anderen Superhelden (Spiderman, Superman, Daredevil oder Catwoman) wird das Leben und vor allem die Entscheidung nicht leicht gemacht. Auch in modernen Horrorfilmen ("Saw") gibt es ausgeklügelte Mechanismen oder Situationen, in denen sich niemand gerne befindet: Die Dilemma-Situationen.

Nehmen wir den Fall einer schwer kranken und gleichzeitig schwangeren Mutter, die erfährt, dass sie die bevorstehende Geburt vermutlich nicht überleben wird; es sei denn, sie nimmt zuvor ein bestimmtes Medikament, das aber wiederum das Kind in ihrem Leib umbringen wird. Was tun? Entweder bringt sie das Kind zur Welt und stirbt selbst dabei - oder sie nimmt ein Medikament, dass dann für das Kind tödlich ist, aber ihr Leben rettet.
Diese Frau ist - genauso wie wir alle - kein Superheld, der durch einen pfiffigen Trick einfach alles rettet, was zu retten ist. Unser Leben besteht immer wieder aus solchen Situationen, in denen wir nicht alles, was wünschenswert ist, erreichen - und uns für das eine und gegen das andere entscheiden müssen.
Angenommen, die schwangere Frau würde sich für die Einahme des Medikamentes entscheiden - vielleicht, weil sie Zuhause noch weitere Kinder zu versorgen hat - ist sie dann eine Mörderin? Immerhin ist das Kind kein "ungerechter Angreifer", den sie in Notwehr töten dürfte. Das Kind ist genauso unschuldig wie die Mutter selbst an dieser Situation.

Deswegen lohnt es sich, nochmals einen genaueren Blick auf die Definition von Papst Johannes Paul II. zu werfen:

Mit der Petrus und seinen Nachfolgern von Christus verliehenen Autorität bestätige ich daher in Gemeinschaft mit den Bischöfen der katholischen Kirche, dass die direkte und freiwillige Tötung eines unschuldigen Menschen immer ein schweres sittliches Vergehen ist.
Direkte Tötung heißt, ich vollziehe eine Handlung, deren erstes und vielleicht einziges Ziel die Tötung eines Menschen ist. Indirekt ist eine Tötung dann, wenn ich mit meiner Handlung ein anderes, legitimes Ziel wie zum Beispiel die Rettung der Mutter verfolge - und als nicht gewünschte, aber in Kauf genommene Nebenwirkung das Kind zu Tode kommt.
An dieser Stelle sollte ich vielleicht auch die andere Seite der Erlaubnis zur indirekten Tötung erwähnen: Selbstverständlich ist damit eine direkte Tötung des Kindes moralisch niemals erlaubt.
Auch hier gilt, wie bei der Notwehr, dass das angestrebte Ziel (die Rettung der Mutter) in einem angemessenen Verhältnis zum in Kauf genommenen Nebeneffekt steht (dem Tod des Kindes); zudem muss die berechtigte Hoffnung auf Rettung der Mutter bestehen (oder des Kindes, falls die Mutter auf das Medikament verzichtet). Keinesfalls darf eine Mutter das Leben ihres Kindes riskieren, um einen relativ geringen Vorteil zu haben - zum Beispiel durch einen Hustensaft, eine Schönheitsoperation oder weil sie nun mal gerne raucht.

Wenn wir ein klassisches Beispiel verwenden, wird noch deutlicher, worin der Unterschied zwischen direkter und indirekter Tötung liegt.
Einmal angenommen, ein herrenloser Waggon rollt auf seinen Gleisen einen Abhang hinunter und droht in eine Gruppe von Kindern zu rasen, die gerade auf den Gleisen Blumen pflücken.
Wenn ich im Stellwerk der Bahnanlage sitze und den Waggon durch Betätigung einer Weiche auf ein anderes Gleis umlenken kann, das zwar wieder auf das Hauptgleis zurückführt und den Waggon weiter auf die Kinder zurollen lässt, auf dem aber zufällig ein schwerer Stein liegt und den Waggon stoppen wird, bevor er wieder auf das Hauptgleis zurückführt, bin ich natürlich dazu verpflichtet. (Version Nr. 1)
Auch dann, wenn sich dummerweise vor dem Stein gerade ein sehr korpulenter Mann aufhält und vermutlich zu Tode kommt.
Aber es ist mir nicht erlaubt, den Waggon auf das Nebengleis umzuleiten, wenn sich dort nur der sehr korpulente Mann und kein Stein befindet. (Version Nr. 2)
In der ersten Version benutze ich den Mann nicht, um den Waggon aufzuhalten - ich würde den Waggon auch umlenken, wenn sich dort kein Mann, sondern nur der Stein befindet. Der Tod des Mannes wird also nicht direkt gewollt oder als Mittel zum Aufhalten des Waggons benutzt.
In der zweiten Version ist der Tod des Mannes notwendige Bedingung, um die Kinder zu retten; der Tod des Mannes wird also nicht nur in Kauf genommen als "Kollateral-Schaden", sondern ist das Mittel, die Kinder zu retten. Der Tod wird also durch das Umlegen der Weiche direkt angezielt.

Das mag spitzfindige Moraltheologie sein. Aber Untersuchungen und Befragungen von Menschen aller Kulturen, Altersgruppen und sozialer Schichten zeigen, dass das natürliche Empfinden der Menschen hier einen enormen Unterschied sieht. Die Unterscheidung von direkter und indirekter Tötung ist also kein Erfindung des Papstes, sondern hat einen wirklichen Unterscheidungsgrund im Gewissen.

Ein solches Dilemma liegt auch dann vor, wenn es sich nicht um zwei verschiedene Personen handelt (Mutter und Kind), sondern um ein und dieselbe Person: Darf ich einer schwer kranken und leidenden Person ein schmerzstillendes Mittel geben, auch wenn ich weiß, dass die Person deswegen über kurz oder lang an Nierenversagen sterben wird?

Eine solche Handlung nennen wir "indirekte Sterbehilfe" - und diese ist unter den gleichen Umständen erlaubt wie auch die indirekte Tötung des ungeborenen Kindes - wenn die Verhältnismäßigkeit der gegeneinander abzuwägenden Güter (Schmerzfreiheit gegen Lebensverlängerung, Leben des Kindes gegen Leben der Mutter) gewahrt bleibt. Wiederum gilt: Die Abwägung ist im konkreten Fall oft sehr schwer zu entscheiden und erweist sich manchmal im Nachhinein als falsch. Das soll uns aber nicht davon abhalten, eine indirekte Tötung in Kauf zu nehmen, sondern vielmehr ermutigen, die Situation genau zu prüfen.

Bedenken wir aber: Ebenso wie bei der Notwehr sind wir nicht verpflichtet, unser Leben zu retten. Die Mutter, die um das eigene Risiko bei der Geburt ihres Kindes weiß, ist selbstverständlich frei, ihr eigenes Leben zu riskieren, um ihr Kind zu retten.

Gerechter Krieg

Aber - leider, so muss man sagen - sind das immer noch nicht alle Ausnahmen. Denn es gibt nicht nur Einzelpersonen, die von einem ungerechten Angreifer attackiert werden (Notwehr und Nothilfe); und auch nicht nur Staaten, die von Einzelpersonen bedroht sind (Todesstrafe), sondern oft genug Staaten, die einander bedrohen und sich schließlich bekriegen.

Die Kirche hat auch in dieser Hinsicht (ähnlich wie bei der Todesstrafe) einige Schuld auf sich geladen, weil sie sich faktisch und praktisch nicht an ihre eigene Lehre gehalten hat. Aber in der Theologie und Lehre hat sie sich immer deutlich und klar gegen den Krieg ausgesprochen - und gerade deshalb die Landesverteidigung unter bestimmten, klar definierten Umständen zugelassen.

Das mag wie ein Widerspruch klingen: Krieg zulassen, um Krieg zu verhindern. Aber diese widersprüchliche Weisheit klingt schon in dem alten lateinischen Sprichwort an: "Si vis pacem para bellum" - "Wer den Frieden will, bereite den Krieg vor". (Der Autor dieses Wortes ist allerdings unbekannt, es sei denn, man nimmt den 23. Band der Asterix-Werke als Quelle, in dem dieses Wort von Technokratus zu Absolutus gesprochen wird).

Tatsächlich kann die permanente Bereitschaft zum Krieg genau diesen verhindern. Ob das allerdings schon mit einem wirklichen Frieden gleichzusetzen ist, ist eine andere Frage. (Ist Frieden nur das Fehlen von kriegerischer Gewalt?). Nicht umsonst war der Rüstungswettstreit zwischen Ost und West in den 70-er Jahren ein "Kalter Krieg" - und nicht etwa ein "Kalter Friede".

Ein Soldat, der im Krieg tötet, hat nicht die Freiheit, über Krieg und Frieden zu entscheiden. Er ist aufgefordert, sein Land und damit seine Freunde, Familie und Mitbewohner zu verteidigen - aber eben nur dies. Angriffskriege sind ebenso wenig zulässig wie Eroberungskriege oder vorbeugende Feldzüge oder Vernichtungskriege.

Das heißt aber nicht, dass innerhalb eines Verteidigungskrieges einzelne Feldzüge aus Angriffen bestehen können.

Ich will hier die Lehre vom gerechten Krieg nicht im Einzelnen auflisten. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen dem ius ad bellum (dem Recht zum Krieg) und dem ius in bellum (dem Recht im Krieg).

Zum ius ad bellum - den notwendigen Voraussetzungen, um einen Krieg gerechterweise beginnen zu dürfen - gehört:

  • Gerechter Grund (dazu weiter unten mehr)
  • Legitime Autorität - Den Krieg kann nur eine rechtmäßige Regierung erklären
  • Verhältnismäßige Gerechtigkeit (Ersichtlichkeit)
  • Gerechte Absicht der Kriegführenden (nicht Rache, Vergeltung, Vernichtung)
  • Letztes Mittel zur Wiederherstellung des Rechts (ultima ratio)
  • Begründete Hoffnung auf Erfolg (nicht Ehre, Heldentum)
  • Verhältnismäßigkeit der Folgen (auch der Nachwirkungen)
Das ius in bellum - die angemessene Kriegsführung durch die Kriegführenden Parteien - gehört:
  • Verhältnismäßigkeit der angewandten militärischen Mittel
  • Zum Beispiel ist der Einsatz von Massenvernichtungswaffen verboten (Atombombe)
  • Unterscheidung von Soldaten und Zivilisten (Diskriminierungsgebot) bzw. Kombattanten und Nicht-Kombattanten
  • Schutz der Zivilisten während der Kampfhandlungen (Immunitätsprinzip).
  • Angemessene Behandlung der Kriegsgefangenen (Genfer Konvention)
  • Beendigung der Kriegshandlung bei Kapitulation des Gegners

Als gerechter Grund gilt zum Beispiel: Menschen werden gefangen gehalten, Eigentum wird beschlagnahmt, Land besetzt oder Verbündete angegriffen.
Ein nicht-gerechter Grund wäre dagegen: Krieg aus Rache oder zur Vergeltung, die Aussicht auf wirtschaftlichen, politischen oder territorialen Gewinn, Kriegshandlungen zur Abschreckung von möglichen Angreifern.

Ebenfalls ist ein Krieg nicht als Präventivmaßnahme erlaubt (für viele Beobachter war daher der zweite Golfkrieg als Präventivkrieg kein gerechtfertigter Krieg).

Nun sind wir an einer Stelle angelangt, wo wir erkennen, dass die Definition der Tötungsverbotes, die Johannes Paul II. vorgelegt hat, auch diese Fälle ausgrenzt:

Mit der Petrus und seinen Nachfolgern von Christus verliehenen Autorität bestätige ich daher in Gemeinschaft mit den Bischöfen der katholischen Kirche, dass die direkte und freiwillige Tötung eines unschuldigen Menschen immer ein schweres sittliches Vergehen ist.
Ein Soldat tötet - direkt und eventuell auch andere Soldaten, die sich im Moment gar nicht als Angreifer gebären (selbst, wenn sie zu einer angreifenden Nation gehören). Aber so lange er einer legitimen Autorität untersteht, die einen gerechten, d.h. auf Verteidigung ausgerichteten Krieg führt, solange ihm keine Menschenrechtsverletzungen im Krieg durch seine Kameraden oder Vorgesetzten bekannt sind - solange ist es seine traurige, aber leider moralisch gerechtfertigte Aufgabe, Land und Landsleute auch durch den Tod der Angreifer zu verteidigen.
Tyrannenmord

Die letzte Ausnahme vom Tötungsverbot ist die umstrittenste und gleichzeitig abenteuerlichste - der Tyrannenmord.

Denn die Frage, ob ein Angreifer ein ungerechter Angreifer ist, richtet sich normalerweise nach der herrschenden Rechtslage. Ich kann also in einem Staat, der Abtreibungen erlaubt, nicht mit dem Hinweis, Nothilfe zu leisten, Abtreibungskliniken in die Luft sprengen. Ich muss in solchen Fällen immer die Rechtslage respektieren und den Weg durch die Instanzen gehen.

Natürlich darf ich Hilfe leisten - z.B. bei der Rettung von ungeborenen Leben oder bei Rassendiskrimierungen oder staatlichen Übergriffen. Aber Nothilfe, die Menschen tötet, die sich auf eine geltende Rechtslage berufen, ist nicht erlaubt.

Was aber, wenn die Regierung selbst ungerechtfertigte Tötungen anordnet und gesicherte Menschenrechte systematisch außer Kraft setzt? Und was, wenn die höchsten Regierungsvertreter diese Morde selbst veranlassen und nicht bereit sind, rechtsstaatliche Mittel dagegen zuzulassen?

Nun, in solchen Fällen kommt die Frage des Tyrannenmordes ins Spiel. Dabei ist die jeweilige historische Situation immer sehr komplex und schwierig einzuschätzen. Im Nachhinein ist sie viel leichter zu bewerten - so z.B. bei den Attentaten auf Hitler. Aber aus der Sicht der Attentäter war vieles, was wir heute wissen, unbekannt und so machten sie sich ihre Tat alles andere als leicht.

Am 25. Dezember 1989 wurde der rumänische Diktator Nicolai Ceausescu und seine Frau Elena hingerichtet. Nur ein kleines Revolutionskommando hatte ihn gefangen genommen, und man befürchtete, dass die weitverzweigte und allgegenwärtige "Securitate" - der brutale Geheimdienst in Rumänien - den Diktator jeden Augenblick befreien konnte und das Land in einen langwierigen Bürgerkrieg verwickeln würde.
Inzwischen ist diese Version angezweifelt worden, und angeblich gibt es Hinweise, dass die Securitate selbst für die Hinrichtung Nicolai Ceausescus verantwortlich war. Aber, einmal angenommen, die Hinrichtung wäre unter den angegebenen Umständen und aus Angst vor unsagbarer Gewalt geschehen - dann wäre das einer der wenigen Fälle, in denen die katholische Kirche den Fall des erlaubten Tyrannen-Mordes gelten lassen würde.
Wir sollten festhalten, dass die Kirche eine solche Tat unter ganz bestimmten Umständen für moralisch vertretbar hält. Aber wir müssen auf der anderen Seite auch zugestehen, dass es sich dabei um sehr, sehr seltene Fälle handelt und diese für den Alltag in unseren Breiten zur Zeit keine Rolle spielen.

Töten von Tieren

Zuletzt enthält die Definition den wichtigen Zusatz, dass das Tötungsverbot sich auf die Tötung von Menschen bezieht. Aber das heißt nicht, dass Tiere grundsätzlich "zum Abschuss freigegeben" sind und zum Objekt von sadistischen oder perversen Tötungsorgien werden dürfen - ohne hier jetzt eine Theorie des Tierschutzes zu entwickeln.

Grundsätzlich gilt, dass wir Gottes Schöpfung nicht willkürlich zerstören dürfen - weder aus Lust, noch aus irgendwelchen Launen heraus. Zur Tötung von nicht-menschlichem Leben muss immer ein angemessener, rechtfertigender Grund vorliegen. Einige Philosophen haben vorgeschlagen, dass man Tiere nur töten darf, "wenn sie Dich angreifen oder Du sie essen willst" (wobei hier schon zahlreiche Vegetarier widersprechen würden). Aber selbst diese Regelung gilt nur für Tiere, die einer biologisch höheren Gattung angehören - kein Mensch, der auf seinem Auto einen Aufkleber "Ich bremse auch für Tiere" kleben hat, würde für jede Fliege, die ihm vor seine Windschutzscheibe gerät, eine Vollbremsung machen.

Insekten, die uns (vor allem im Haus oder sogar Schlafzimmer) lästig fallen oder sogar (wegen Krankheitsübertragungen) gefährlich werden, dürfen sicherlich genauso getötet werden wie kleine Einzeller, die Auslöser von Krankheiten sind.

Auch, wenn in einzelnen Fällen (vor allem bei der Frage nach Tierversuchen - oder z.B. beim Einschläfern von gesunden Tieren, für deren Ernährung das Geld fehlt - z.B. in Tierschutzheimen) noch großer Diskussionsbedarf besteht, können wir festhalten: Das fünfte Gebot bezieht sich nur auf menschliches Leben; dennoch ist leichtfertiges und grundloses Töten von Tieren ebenso wenig moralisch zu rechtfertigen wie das grundlose Quälen und Misshandeln von Tieren jeglicher Art (Insekten inklusive).

Fazit

Wir halten fest, dass eine rigorose Auslegung des Tötungsverbotes, die unterschiedslos jede Handlung verbietet, die - wie auch immer - den Tod eines Menschen zur Folge hat, nicht durchzuhalten ist. Gerade in Dilemma-Situationen kann das Unterlassen einer Tötungshandlung die schlimmere Tat sein.

Auf der anderen Seite ist damit der Aufweichung des Fünften Gebotes ins Beliebige nicht direkt Tor und Tür geöffnet; denn es gibt eine klare und praktische Neu-Formulierung des "Du sollst nicht töten", die alle notwendigen Ausnahmen ermöglicht und dennoch jede willkürliche Tötung weiterhin klar verurteilt: "Es ist immer und unter allen Umständen schweres Unrecht, freiwillig und direkt einen unschuldigen Menschen zu töten."

Möchtest Du mir schreiben? Für diese Katechese ist Peter verantwortlich.