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Jesus Christus

Es mag verwundern, dass wir auf einer katholischen Webseite zwar den Anspruch erheben, unseren Glauben umfassend darzulegen - aber bislang noch keine Katechese zu Jesus Christus verfasst haben. Schließlich spiegelt dieses Kuriosum aber nur wider, was in unserer Gesellschaft diskutiert wird: Da erscheinen Nebensächlichkeiten oftmals wichtiger und interessanter als das Zentrum unseres Glaubens: Jesus von Nazareth, der Christus. (Da kann der Papst im Buch "Das Licht der Welt" noch so viel über Jesus sagen - in den Zeitungen erscheint nichts davon; aber ganzseitig jeder Nebensatz zur Kondomfrage).

Aber so oberflächlich interessiert sind nicht alle Menschen, und den immer häufigeren Fragen, die sich gezielt mit der Person Jesu Christi beschäftigen, will ich diese Katechese widmen.

 

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Diese Katechese ist auch als gedrucktes Heft (Nr. 074) erhältlich: Kostenlose Bestellung

1. Hat Jesus überhaupt gelebt?

Historiker betrachten diese Frage eigentlich als längst geklärt - und äußern sich oft nicht mehr dazu. Das ermutigt immer mal wieder Verschwörungstheoretiker (siehe z. B. "www.zeitgeist.com") zu der abwegigen Behauptung, es sei inzwischen erwiesen, dass Jesus niemals gelebt habe.

Das Schweigen der Zeitgenossen

Zugegeben: Schriftliche Aufzeichnungen von Zeitgenossen Jesu sind kaum erhalten geblieben - abgesehen von den Texten, die in der Bibel stehen. Aber dies verwundert nur den Laien, der sich in den Geschichtswissenschaften nicht sonderlich auskennt. Warum sollten große und berühmte Geschichtsschreiber zur Zeit Jesu von einem jüdischen Wanderprediger in einem der abgelegensten Bereiche des römischen Reiches Notiz von seinem Leben nehmen? Für Geschichtsschreiber spielten schon immer Kriege, Feldherren und Politiker eine größere Rolle als Prediger und fromme Gottesmänner.

Mit großer Sicherheit fanden sich Hinweise zur Person Jesu in den Akten römischer Gerichte und Bürokraten; Justin und Tertullian zitieren im Jahre 200 n. Chr. daraus. Aber mit dem römischen Reich sind auch diese Schriften untergegangen.

Auch die jüdischen Geschichtsschreiber, die es zur Zeit Jesu sehr wohl gab - z.B. Philo von Alexandria und Justus von Tiberias - erwähnen Jesus nicht. Das mag zum einen daran liegen, dass deren politische Gesinnung (als Herodianer) oder Angehörige der politischen jüdischen Oberschicht eher dazu verleitete, Jesus zu ignorieren - vielleicht provozierte der Anspruch Jesu sogar deren jüdische "Gegengeschichte". Das kann aber auch darin seinen (wahrscheinlicheren) Grund haben, dass die Schriften der jüdischen Historiker insgesamt nur sehr bruchstückhaft überliefert sind.

Auch die Tatsache, dass Jesus in seinem Leben Aufsehen erregende Wunder vollbrachte, dürfte die damaligen Geschichtsschreiber nicht dazu bewegt haben, Jesus noch zu Lebzeiten mit einem Eintrag in ihr Geschichtswerk zu würdigen. Täuschen wir uns nicht: Damals waren Wunder ebenso wie heute nicht an der Tagesordnung. Das führte bei seriösen Geschichtsschreibern, die selbst keinen direkten Kontakt zu Jesus gehabt haben,  ebenso wie heute dazu, solche Wunderberichte eher als "Geschwätz" von aufgebrachten und ungebildeten Juden abzutun - von einer (angeblichen) Wunderhysterie ließen sich solche Herren nicht anstecken (vor allem, wenn der Wundertäter schmählich am Kreuz endete).

Selbst die ersten christlichen Gemeinden, die Jesus noch selbst erlebt hatten, waren in den ersten Jahrhunderten weltgeschichtlich und politisch völlig unbedeutend.

Auch, wenn uns die Missachtung der Zeitgenossen Jesu überrascht, für Historiker ist das nicht verwunderlich: Häufig finden sich in antiken Quellen kein einziger Hinweis zu bestimmten Personen, die durch anderen Quellen als unbezweifelbar historisch belegt sind. So berichtet Philo (von Alexandrien) nichts über Johannes den Täufer, den Josephus und die Mandäer erwähnen. Josephus, der sich zum Pharisäismus bekannte, berichtet wiederum nichts über Paulus und über Rabbi Hillel.

Außerchristliche Erwähnungen

Aber dennoch gibt es Jesus-Erwähnungen durch nichtchristliche Autoren - die allerdings alle keine Augenzeugen sind und deren Informationen auf Hörensagen beruhen:

Die wichtigste Erwähnung ist die durch den jüdischen Historiker Flavius Josephus, der Jesus in seinen Antiquitates Judaicae (um 93/94) zweimal erwähnt. Dabei wird oft behauptet, dass die wichtigere Stelle - das „Testimonium Flavianum“ (18,63f) - als Fälschung gilt - was nicht ganz korrekt ist. Vermutlich wurde diese Stelle nachträglich von Christen überarbeitet; aber die Historiker sind sich zum größten Teil einig, dass es eine authentische Urversion gibt, die tatsächlich von Josephus stammt.

Außerdem berichtet Tacitus um 117 in seinen Annales von „Chrestianern“, denen Kaiser Nero die Schuld am Brand Roms im Jahr 64 zugeschoben habe: „Der Mann, von dem sich dieser Name herleitet, Christus, war unter der Herrschaft des Tiberius auf Veranlassung des Prokurators Pontius Pilatus hingerichtet worden.“

Sueton schrieb um 120 in seiner Biografie des Kaisers Claudius, dieser habe „die Juden, welche, von einem gewissen Chrestos aufgehetzt, fortwährend Unruhe stifteten“, aus Rom vertrieben.

Ebenso gibt es eine Erwähnung im jüdischen Talmud (ab 95 n. Chr..), bei Plinius d. J. (um 110 n. Chr..)  und bei Julius Africanus (der sich wiederum gegen eine unbelegte Behauptung des Thallus - ab 52. n. Chr. - wendet). Nicht zu unterschlagen ist die Erwähnung bei Mara bar Serapion (zwischen 73 und 135 n. Chr..) und Lukian von Samosata.

Obwohl wir also keine Biographie Jesu aus nicht-christlicher Feder haben, sind diese Quellen dennoch aufschlussreich und keineswegs leicht abzutun - denn sie stammen aus Umfeldern, die kein Interesse an einer Geschichtsfälschung haben bzw. sich verächtlich über Jesus äußern und sind bis in die jeweilige Wortwahl christlich-distanziert und deshalb erst recht unverdächtig.

Die Texte im Einzelnen kannst Du hier nachlesen, eine gute Übersicht und Einschätzung gibt wikipedia.
Das Schweigen der Gegenstimmen

Für seriöse Historiker sind solche Zeugnisse und selbst fragmentarische Erwähnungen von Personen so lange glaubwürdig, wie es keine gegenteiligen zeitgenössische Quellen gibt, die zum Beispiel die Existenz Jesu leugnen oder nur als Erfindung von Verrückten behaupten (oder andere Hinweise auf eine Fälschung - wie z.B. anachronistisches Vokabular oder Schrift). Das vollständige Fehlen irgendwelcher entlarvenden Hinweise - selbst durch die Gegner Jesu und der jüdischen Oberschicht - ist durchaus bedeutsam.
Selbst, wenn die Existenz Jesu erst Jahrhunderte später erfunden worden wäre - noch mehr aber, wenn Jesus im ersten Jahrhundert "nach Christus" erfunden worden wäre - hätten die Kritiker der Christen (und davon gab es mehr als genug) mit Sicherheit das absolute Fehlen von Hinweisen auf seine Existenz als Argument vorgebracht. Aber das gab es nicht.

Natürlich gibt es jetzt die Verschwörungstheoretiker unter uns, die behaupten, das liege daran, dass alle Hinweise auf die Nicht-Existenz Jesu von gläubigen Christen vernichtet worden wären. So etwas behaupten Verschwörungstheoretiker eben. Aber dagegen spricht, dass ansonsten alle Arten von Kritiken an Jesus, den Christen und der frühen Kirche erhalten geblieben sind - nur eben nicht die Behauptung, er habe nicht existiert. Diese Behauptung kommt erst im 18. Jahrhundert auf.
Nicht zu verachten: Die Evangelien

Ein letztes Argument aber ist viel entscheidender: Nämlich die Erwähnung in den Evangelien. Natürlich sind die Evangelien keine neutrale Quellen - sie haben ein deutliches Interesse, den Leser zur Verehrung Jesu zu animieren.
Aber auf der anderen Seite sind die Evangelien schon sehr früh entstanden - neueste Schätzungen (z.B. durch Klaus Berger, Carsten Peter Thiede und A. T. Robinson) sprechen für eine Abfassung noch vor 70 n. Chr.., vermutlich sogar noch deutlich früher. Wer zu dieser frühen Zeit etwas von einem gewissen Jesus behauptete, obwohl dieser Jesus lediglich frei erfunden wäre, musste mit Widerspruch rechnen - denn die Zeitzeugen lebten noch. Ein Evangelist wie Matthäus, der sein Evangelium auch für Judäa schrieb, konnte nicht die Existenz eines Jesus behaupten, wenn dort noch niemals jemand von ihm gehört gehabt hätte.

Natürlich - das, was über Jesus in den Evangelien erzählt wird, ist so erstaunlich, dass wir geneigt sind, die Evangelien grundsätzlich nicht ernst zu nehmen. So erscheint es uns ja auch als müßig, alle Berichte von UFOs, Yeti-Kontakten, Wunderheilungen in aller Welt, Erscheinungen von Lichtgestalten und Marienbildern auf Toastbroten nachzuprüfen: Die Erfahrung lehrte uns bislang, dass solche Berichte in jeder Hinsicht unglaubwürdig sind.

Aber spätestens, wenn ein Bericht auftaucht, der trotz des Unfassbaren, dass darin behauptet wird, in jeder anderen Hinsicht glaubwürdig ist - spätestens dann wäre es unvernünftig, die Glaubwürdigkeit dieses Textes weiterhin pauschal abzulehnen, nur aufgrund unserer Vorentscheidung, die Existenz von Übernatürlichem in unserer Welt nicht in Erwägung zu ziehen.

Wenden wir uns also der Frage zu, wie glaubwürdig die Evangelien "in jeder anderen Hinsicht" sind.

2. Die historische Glaubwürdigkeit der Evangelien

Wer einen x-beliebigen Text auf dessen Glaubwürdigkeit hin untersuchen will, sollte die gleichen Kriterien anwenden, die für jeden historischen Text gelten: Die Frage nach der grundsätzlichen Möglichkeit, dass ein solcher Text noch historisch Verwertbares enthält ("Das stille Post Prinzip"); die Frage nach der inneren Glaubwürdigkeit ("innere Widersprüche"); die Suche nach äußeren Belegen aus Archäologie und Geografie; eine Untersuchung, ob es gute Gründe gibt, den Autoren des Textes betrügerische Absichten zu unterstellen; eine Betrachtung der Weitergabe (Tradition) des Textes - und so weiter. Wenn alle diese Analysen positiv ausfallen, dann gilt der Grundsatz des Sherlock Holmes: "Wenn alle Möglichkeiten ausgeschlossen wurden, dann muss das Verbleibende die Lösung sein, auch wenn es noch so unwahrscheinlich ist."
Aber noch ist es nicht so weit. Schauen wir erst einmal, was wir über die Jesus-Geschichte sagen können.

1. Stille Post

Es ist zwar schade, aber für einen jüdischen Prediger auch nicht ungewöhnlich, dass Jesus selbst keinen einzigen Text verfasst hat. Das galt ja auch für die meisten der Propheten im Alten Bund, deren Hauptaufgabe die Predigt gewesen ist. Für sie und ebenso für Jesus gilt, dass alles, was wir heute noch von ihren Taten und ihren Lehren wissen, durch die Jünger aufgeschrieben worden ist - das aber oft erst Jahre später.

Der Vergleich Jesu mit den Propheten des Alten Testamentes ist noch aus einem anderen Grunde sehr aufschlussreich: Falls die Juden Jesus zunächst für einen weiteren Propheten gehalten haben (was sehr wahrscheinlich ist), werden sie - genauso wie sie es schon bei den vorangegangenen Propheten getan haben - seine Worten und Taten aufgeschrieben und gesammelt haben. So sind die Prophetenbücher entstanden, und vermutlich auch die ersten Aufzeichnungen, aus denen später die Evangelien entstanden sind.

Sogar das apokryphe Jakobus-Evangelium, das viele Legenden und märchenähnliche Wundergeschichten enthält, ist wahrscheinlich aus dem Brauch entstanden, Aufzeichnungen über besondere Personen zu sammeln. Nur, dass das Jakobus-Evangelium vermutlich von der Großfamilie in Nazareth zusammengestellt und dort weitergegeben wurde, weshalb es vor allem der dörflichen-familiären Tradition folgte und nicht so sehr dem christlich-historischen Anspruch genügt - darum wurde es auch nicht in die Bibel aufgenommen.

Nun ist es allgemein bekannt, dass etwas, was mündlich weitergegeben wird, sich mit jeder Person, die daran beteiligt ist, wandelt. Bekannt ist das Spiel "Stille Post": Kinder flüstern sich einen Satz zu und geben das, was sie verstanden haben, flüsternd an einen Nächsten weiter. Aus einem einfachen und klaren Satz wird so schon nach wenigen Stationen ein ganz anderer.
Die Frage stellt sich also: Ist es überhaupt denkbar, dass ein so umfangreicher Text wie ein Evangelium, frühestens 20 Jahre nach dem Tod Jesu aufgeschrieben, noch den Anspruch auf Wahrheit erheben kann?

So einleuchtend wie das Stille-Post-Prinzip ist, es kann nicht auf die Weitergabe von historischen Begebenheiten angewandt werden. Denn während das Stille-Post-Prinzip darauf setzt, dass immer nur ein einziges Kind weiß, was es gehört hat und was es weitergibt und es keine zusätzliche Kontrolle gibt, so ist die Weitergabe von Wissen über Ereignissen durch eine größere Gruppe sehr konstant: Denn das, was erzählt wird, wird schon während der Erzählung von der Gruppe korrigiert.

Bedenken wir vor allem, von welcher Kultur wir reden: Rabbiner waren dafür bekannt, dass sie das ganze Alte Testament auswendig kannten, jeder Jude wurde in der Tradition der Schriften erzogen (was dazu führte, dass die Juden in der damaligen Zeit das Volk mit der größten Alphabetisierungsquote war!) und im Zitieren von Gesetzen, Geboten und der Geschichte des Volkes Israel.

Außerdem ging es beim Weitererzählen der jesuanischen Worte um ein für alle Beteiligten höchst bedeutsames Gut, es wurde also - ganz im Gegenteil zum Stille-Post-Prinzip - sehr sorgfältig auswendig gelernt und weitergetragen. Wir kennen aus ganz anderen Zusammenhängen äußerst zuverlässige Traditionen über Jahrhunderte hinweg: So wurde zum Beispiel die Biografie von Alexander dem Großen erst 400 Jahre (!) nach seinem Tod geschrieben - und bis heute geht man von der historischen Glaubwürdigkeit der Biografie aus. Die märchenhaften Legenden um Alexander entstanden erst nach der schriftlichen Niederlegung seines Lebens.

2. Innere Widersprüche

Die innere Glaubwürdigkeit wird geprüft, indem der Text in sich analysiert und untersucht wird - zum Beispiel auf Widersprüche, Ungereimtheiten, Übertreibungen oder Schwärmereien, logische Brüche in der Darstellung usw.
Bei dieser Frage fallen dem Laien natürlich sofort zahlreiche Abweichungen zwischen den vier Evangelien auf.

So wurde nach Mt, Mk und Lk Jesus am Tag vor dem Passahfest gekreuzigt, bei Johannes aber in dem Augenblick, in dem die Passah-Lämmer im Tempel geopfert wurden.
Wiederum nach Mt, Mk und LK hat Jesus drei Jahre gewirkt und war dementsprechend dreimal in Jerusalem; nach Johannes hat er nur ein Jahr gewirkt; sein ganzes Wirken ist ein Weg nach Jerusalem
Bei Mt hat der Hauptmann persönlich Jesus um Hilfe gebeten - bei Lk waren es seine Bediensteten...

Simon Greenleaf, ein bedeutender Jurist und Autor eines Standardwerkes zum Thema "Beweise", schreibt über die Evangelien: "Es gibt genügend Diskrepanzen, um zu zeigen, dass sich die Autoren nicht vorher abgesprochen haben. Und gleichzeitig finden sich solch wesentlichen Übereinstimmungen, die zeigen, dass alle unabhängige Autoren desselben großen Vorganges waren." Und Hans Stier schreibt: "Selbst der Historiker ist dann besonders skeptisch, wenn ein außergewöhnliches Ereignis nur in Berichten geschildert wird, die frei von Widersprüchen sind".

Die Behauptung, die Evangelien stimmen in den wesentlichen Punkten überein und widersprächen sich nur ein Nebensächlichkeiten, setzt natürlich voraus, dass wir uns geeinigt haben, was wesentlich ist und was nebensächlich. Aber selbst, wenn wir uns darüber nicht einigen können: Die Unterschiede in der Darstellung sind niemals so groß, dass ein Historiker die Glaubwürdigkeit der vier Evangelien abstreiten würde.

3. Äußere Belege

Die äußere Glaubwürdigkeit nun sucht nach Widersprüchen oder Entsprechungen mit ansonsten gesicherten Erkenntnissen der Archäologie, Geografie, der Naturkunde und den kulturellen Gepflogenheiten und Bräuchen; es wird untersucht, ob der Autor "Insider-Wissen" besaß oder von Dingen Kenntnis hatte, die erst Jahre (oder Jahrhunderte) später bekannt wurden.

Nun - hier ist die Beweislast so erdrückend, dass inzwischen allgemein angenommen wird, dass die Evangelisten (vor allem - sehr überraschend - der Autor des Johannesevangeliums!) entweder selbst Augenzeugen der Ereignisse waren oder in ihre Evangelien Augenzeugenberichte eingebaut haben.

Dazu gibt es eine Fülle von z.T. minderwertiger Literatur nach dem Motto: "Und die Bibel hat doch Recht!" - Aber das soll nicht darüber hinweg täuschen, dass es zahlreiche archäologische Entdeckungen gibt, die zunehmend die Berichte der Evangelien bestätigen. Viele der neuesten Erkenntnisse findest Du in dem bemerkenswerten Buch "Jesus von Nazareth" von Michael Hesemann.

Erst seit ungefähr 100 Jahren wird im Heiligen Land systematisch moderne Archäologie betrieben; so verwundert es nicht, wenn in den Jahrhunderten zuvor zahlreiche biblische Angaben einfach als "unbestätigt" galten. Für damalige Bibelinterpreten war es ein Leichtes, die Berichte der Evangelien als "historisch irrelevant" abzutun - das ist heute nicht mehr möglich. Interessanterweise findet der überwiegende Teil der Ausgrabung inzwischen unter jüdischer und nicht mehr unter christlicher Leitung statt - und dennoch finden sich weniger Bestätigungen für Ereignisse des Alten Testamentes, sondern eher für die Evangelien (obwohl jüdische Archäologen, wenn sie interessengeleitet suchen würden, sicherlich andere Ergebnisse bevorzugen würden).

  • So bestätigen sich die geografischen Gegebenheiten, die den Erzählungen in den Evangelien zugrunde liegen (Nazareth liegt an einem Abhang; damals wurden Höhlen bzw. Grotten als Ställe genutzt - so auch in Bethlehem); verblüffend ist auch die Untersuchung der Apostelgeschichte durch Heinz Warnecke (s.u.), in der er die nautischen und meteorologischen Umstände der dortigen Reiseschilderung mit den heutigen Gegebenheiten vergleicht
  • ebenso die profan-historischen Angaben (z.B. über die Volkszählung zur Zeit der Geburt Jesu, die eine zeitlang als unglaubwürdig angesehen wurde - bis in Ankara eine Tafel mit den "Taten des Augustus" - einer Kopie des römischen "Res gestae" - gefunden wurde, die in der Aufzählung der Taten auch Volkszählungen in den Jahren 28 v. Chr., 8 v. Chr. und 14 n. Chr.. erwähnt und die eine Volkszählung im Jahr 7. und 6. v Chr.. in Judäa wahrscheinlich macht - siehe Hesemann "Jesus von Nazareth" S. 54-58), - oder über die Hochzeit des Herodes mit der Frau seines Bruders (bezeugt bei Josephus Flavius) - usw.
  • weiterhin die Berücksichtigung von Besonderheiten der Flora und Fauna in Israel (so z.B. die Rolle des "Ammenfisches", der gerne Gegenstände im Maul aufbewahrt und sich im April, zur Zeit der Erhebung der Tempelsteuer, im ufernahen Bereichen des Sees aufhielt)
  • zudem stimmen die astronomischen Beobachtungen mit den Angaben in den Evangelien (Stern von Bethlehem) überein (sowohl in der Beobachtung der Planeten-Konjugation als auch einer Super-Nova Anfang März 5 v. Chr..)
  • darüber hinaus finden sich zahlreiche architektonische und bauliche Entsprechungen, die Ausgrabungen sowohl am Haus des Petrus in Kafarnaum, als auch in Kana, Jerusalem, Nazareth usw. zutage treten ließen bzw. heute noch sichtbar sind (so die Einpassung des Hauses von Loreto in die Felsrückwand in Nazareth; der Eckstein in der Jerusalemer Stadtmauer, die Entdeckung der Synagoge in Kafarnaum und der Bethesda-Teiche in Jerusalem inklusive der Säulenhallen und der unterirdischen Röhren, die ein "Aufwallen des Wassers" ermöglichten)
  • schließlich wissen die Evangelisten über die kulturellen und religiösen Gepflogenheiten der Juden in einer solchen Präzision Bescheid, dass eine Abfassung erst in späterer Zeit unwahrscheinlich ist. Das gilt vor allem für Termine, Vorschriften und Riten, die an die Existenz des Tempels in Jerusalem gebunden waren und mit dessen Zerstörung 70 n. Chr.. zunehmend in Vergessenheit gerieten; aber auch bzgl. der Hochzeitsbräuche, der Weinbergkultur, der bäuerlichen Traditionen und der Finanzsysteme.
Zudem gibt es noch einige weitere archäologische Funde, die als außergewöhnlich bezeichnet werden können:
  • zum Beispiel den Titulus (die Tafel, die am Kreuz Jesu angebracht war)
  • die Kreuzpartikel (es gibt Gerüchte, dass es so viele davon gäbe, dass daraus zusammengesetzt ein ganzer Wald von Kreuzen entstünde. Aber tatsächlich wurden alle angeblichen Kreuzpartikel vermessen und überprüft und würden zusammengesetzt gerade einmal die Hälfte des Querbalkens ergeben)
  • des weiteren ein Graffiti, das sich über die Verehrung, die die Christen einem Gekreuzigten entgegenbringen, lustig macht ("Alexamenos betet seinen Gott an" zusammen mit der Darstellung eine gekreuzigten Esels)
  • die Entdeckung eines Ossariums mit einem Fußknochen, in dem noch ein Nagel steckte, der bei der Kreuzigung verwandt wurde
  • der Fund einer Münze, die von Pontius Pilatus geprägt wurde und seinen Namenszug aufweist
  • der Fund des sog. Pilatus-Steins in Caesarea Maritima 1961, der ebenfalls Pontius Pilatus erwähnt (als Bauherr eines Leuchtturms der Hafenstadt)
  • die Auffindung von steinernen Krügen in "Chirbet Kana" - zwar nur zwei, aber in der Größe mit dem biblischen Bericht übereinstimmend; zudem gib es Aussparungen für vier weitere Krüge - so wie in Joh 2, 1-9 berichtet.
  • die Untersuchungen im "Heiligen Haus von Nazareth", das sich in Loreto (Italien) befindet und archäologisch und mineralogisch perfekt an die bezeichnete Stelle in Nazareth passt.
  • Nicht ganz unumstritten, aber dennoch voller verblüffender Details ist das Grabtuch von Turin, das zwar viele Fragen aufwirft und dessen Echtheit immer noch diskutiert wird - umgekehrt aber auch viele Übereinstimmungen mit der Kreuzigungs-Wirklicheit aufweist.
Neben den guten Werken von Michael Hesemann möchte ich vor allem das verblüffende Werk von Heinz Warnecke erwähnen (das, obwohl er selbst nicht studiert hat, als Promotion angenommen wurde), einem Hobby-Segler und ein guter Kenner des Mittelmeeres, der beim Lesen der Apostelgeschichte (in der u.a. die Reisen des Apostels Paulus quer über das Mittelmeer erwähnt werden) deren verblüffende Übereinstimmung mit den tatsächlichen Gegebenheiten im Mittelmeer auffiel und daraufhin ein Buch verfasste: Heinz Warnecke - “Die tatsächliche Romfahrt des Apostel Paulus” Stuttgart 1986 (Stuttgarter Bibelstudien Nr. 127).

So heißt es in der Apostelgeschichte: (Kapitel 27-28): 27:41 Als sie aber auf eine Sandbank gerieten, strandeten sie mit dem Schiff; der Bug bohrte sich ein und saß unbeweglich fest; das Heck aber begann in der Brandung zu zerbrechen. 27:42 Da beschlossen die Soldaten, die Gefangenen zu töten, damit keiner schwimmend entkommen könne. 27:43 Der Hauptmann aber wollte Paulus retten und hinderte sie an ihrem Vorhaben. Er befahl, dass zuerst alle, die schwimmen konnten, über Bord springen und an Land gehen sollten, 27:44 dann die übrigen, teils auf Planken, teils auf anderen Schiffstrümmern. So kam es, dass alle ans Land gerettet wurden.

Die Überwinterung auf Malta (In den heutigen Bibelübersetzungen steht immer noch “Malta”, im griechischen Original allerdings “Melite”. “Melite” ist der antike Name sowohl für Malta als auch für Kephallenia.) 28:1 Als wir gerettet waren, erfuhren wir, dass die Insel Melite heißt. 28:2 Die Einheimischen waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich; sie zündeten ein Feuer an und holten uns alle zu sich, weil es zu regnen begann und kalt war. 28:3 Als Paulus einen Haufen Reisig zusammenraffte und auf das Feuer legte, fuhr infolge der Hitze eine Viper heraus und biss sich an seiner Hand fest. 28:4 Als die Einheimischen das Tier an seiner Hand hängen sahen, sagten sie zueinander: Dieser Mensch ist gewiss ein Mörder; die Rachegöttin lässt ihn nicht leben, obwohl er dem Meer entkommen ist. 28:5 Er aber schleuderte das Tier ins Feuer und erlitt keinen Schaden. 28:6 Da erwarteten sie, er werde anschwellen oder plötzlich tot umfallen. Als sie aber eine Zeitlang gewartet hatten und sahen, dass ihm nichts Schlimmes geschah, änderten sie ihre Meinung und sagten, er sei ein Gott.

Heinz Warnecke schreibt: Zwei andere Orte an der Südwestküste Kephallenias sind noch in der Gegenwart den Griechen durch ein merkwürdiges Schlangenphänomen bekannt: eigenartige Vipern mit einem schwarzen Kreuz auf dem Kopf erscheinen einmal im Jahr um den 15. August, an dem Tag Mariae Himmelfahrt herum. Die Gläubigen fürchten die Schlangen nicht. Sie nehmen sie in die Hand, legen sie an die Brust und stecken sie sogar in den Mund, weil das Glück bringen soll. Da es auf Kephallenia an Vipern ausschließlich die lebensgefährliche und gefürchtete Sandviper gibt, bisher aber anscheinend keine gefährlichen Bisswunden infolge des mysteriösen Kultes bekannt wurden, dürften die “heiligen Reptilien" keine Sandvipern sein.
Obwohl dieser kephallenischer Schlangenkult sehr alt ist, beschäftigt sich die Zoologie mit diesem interessantem Phänomen erst seit jüngster Zeit... tatsächlich handelt es sich bei den heiligen Schlangen, wie erst Koch 1979 feststellte und Hoogmoed 1982 bestätigte, um die Europäische Katzennatter (Tarbophis fallax). Sie ist für den Menschen ungefährlich, sieht der Sandviper aber täuschend ähnlich, besonders weil sie die einzige griechische Schlangengattung außer Eryx und der Viper ist, bei der eine senkrechte elliptische Pupille zu beobachten ist; daher der deutsche Name Katzennatter. Die Kephallenen sind dennoch bis in die Gegenwart fest davon überzeugt, es handele sich bei den Reptilien um die durch den christlichen Kult (von dem das schwarze Kreuz auf den Köpfen der Tieren zeugt) “entschärfte” Sandviper, die außerhalb des Kirchengeländes ihre Gefährlichkeit wiedererlangt.
Neben der sehr bekannten Schlangenprozession in Cucullo (in den Abruzzen, Italien) handelt es sich hierbei um den einzigen weiteren christlichen Schlangenkult der Welt. (S. 152 - 155).

Was beweist diese Auflistung von Übereinstimmungen? Nun, zunächst nicht viel. Für Historiker gibt es einen logisch-zwingenden Aufweis von Glaubwürdigkeit nicht. Aber wenn auf der einen Seite die Angaben eines Textes in jedweder Hinsicht die Glaubwürdigkeitskriterien der Geschichtswissenschaften erfüllen, es auf der anderen Seite aber keine archäologische, geografische und kulturelle Entdeckungen gibt, die Ereignissen oder Darstellungen der Evangelisten zuwiderlaufen, dann spricht auch der Historiker vom "Erweis" der Echtheit eines Textes.

4. Die Evangelisten sind nicht neutral

Oft wird die historische Glaubwürdigkeit der Evangelien schon allein deshalb in Zweifel gezogen, weil es sich dabei um offensichtlich christliche und glaubende Autoren handelt. Eindeutig haben sie die Evangelien, die Apostelgeschichte oder auch die Briefe nicht geschrieben, um historische Ereignisse nur zu dokumentieren - sie haben vielmehr die eindeutige Motivation gehabt, den Leser von der Göttlichkeit Jesu zu überzeugen. Das Neue Testament ist voller "Missionsschriften". Aber der Gedanke, dass sie allein deshalb schon ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt hätten, ist nicht sonderlich schlüssig.
Prof. Blomberg, den Lee Strobel in seinem lesenswerten Buch "Der Fall Jesus" interviewt, meint dazu: "Es gibt eine moderne Parallele aus der Geschichte der Juden, die verdeutlichen könnte, was ich meine. Manche Menschen leugnen die Grausamkeiten des Holocaust oder spielen sie herunter. Das geschieht normalerweise im Zuge antisemitischer Propaganda. Doch waren es jüdische Wissenschaftler, die Museen aufgebaut, Bücher geschrieben, Kunstgegenstände gesammelt und Augenzeugenberichte dokumentiert haben, die den Holocaust betreffen. Auch sie verfolgen ein ideologisches Ziel: Sie wollen sicherstellen, dass so etwas Schreckliches nie wieder geschehen kann. Doch gleichzeitig waren sie in ihrer Berichterstattung der Geschehnisse sehr objektiv und wahrheitsgetreu. Das Christentum basiert auf der historischen Behauptung, dass Gott auf einzigartige Weise in der Person Jesu in Nazareth in Zeit und Raum gekommen ist. Diese Ideologie erforderte eine so sorgfältige Arbeit wie möglich."

Lukas beginnt sein Evangelium mit der Einleitung: (Lk 1, 1-4) "Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest." - Nun, das Evangelium des Lukas ist nicht deshalb schon wahr, weil es behauptet, wahr zu sein. Aber da Lukas bereits in den ersten Zeilen den Anspruch erhebt, historisch exakt zu sein, wäre sein Evangelium sicherlich nicht ernst genommen worden, wenn er diesen Anspruch nicht nach Kräften einzuhalten versuchte.
Oder, einmal anders gesagt: Das Evangelium ist kein reiner Sachtext, sondern eine Missionsschrift (heute würde man sagen: Eine Werbebroschüre). Eine Werbung aber, die zwar behauptet korrekt zu sein, aber offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht, wird zu keiner Zeit ernst genommen. Vor allem nicht bei den traditionsverhafteten Juden - denn das, wofür da Werbung gemacht wurde (die Aufhebung des Gesetzes und die Korrektur des jüdischen Gottesbildes), bedurfte gerade bei den Juden der allerbesten Argumente.

5. Die unwahrscheinliche Wahrscheinlichkeit

Aber ein letzter Zweifel bleibt, ein letzter Einwand. Vielleicht sogar ein Einwand, der all das, was wir bisher zusammengetragen haben, wieder zunichte macht: Ist das, was die Evangelien berichten (mögen sie auch in den Rahmenbedingung noch so glaubwürdig sein), nicht dermaßen unglaubwürdig und unwahrscheinlich, dass es sich einen modernen, vernünftigen und aufgeklärten Menschen gewissermaßen verbietet, es einfach zu glauben? Spricht nicht die alltägliche Erfahrung (dass man eben nicht über einen See laufen kann; dass Tornados nicht verschwinden, weil irgendjemand es dem Wind befiehlt; dass Brot und Fisch sich nicht vermehren, weil wir zuvor ein Dankgebet sprechen und dass Tote nicht wieder lebendig werden) gegen die Berichte der Evangelien?

Wir unterliegen bei der Frage nach der Wahrscheinlichkeit der Ereignisse einer "optischen Täuschung", denn so ziemlich alle Ereignisse, die uns im Alltag täglich passieren, sind so unwahrscheinlich, dass sie sich sicherlich nicht noch einmal auf die absolut gleiche Art und Weise wiederholen. Wenn zum Beispiel am kommenden Samstag die Lottozahlen verkündet werden, dann wird auch keiner sagen, dass diese Zahlenkombination so unwahrscheinlich ist, dass es sich sicherlich um eine Manipulation handeln müsse. Dennoch stimmt es: Die sechs Zahlen, die im Lotto gezogen werden, werden nur mit einer Wahrscheinlichkeit 1:13,9 Millionen genau so gezogen.

Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit, dass beim Geburtstag von Opa genau um 20.17 Uhr und 37 Sekunden die Oma das Weinglas umkippt und einen Flecken hinterlässt, der genau den tatsächlichen Umrissen entspricht, noch weitaus geringer. Dennoch ist es passiert... und so könnten wir für alle Ereignisse, die tatsächlich passiert sind, argumentieren.

Nein, die entscheidende Frage ist nicht die, wie wahrscheinlich ein Ereignis ist, sondern wie wahrscheinlich es ist, dass der Bericht über dieses Ereignis erfunden wurde.

Etwas anderes wäre es, wenn die Ereignisse angekündigt werden. Dann spielt natürlich wieder die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens genau dieses Ereignisses eine Rolle. Aber die Evangelien sind (genauso wie Dein Tagebuch) keine Prophezeiung, sondern ein historischer Bericht - und dafür ist lediglich die Wahrscheinlichkeit interessant, die sich auf die Möglichkeit bezieht, dass der Bericht nicht stimmt.

So besteht kein Grund, der "Lottofee" nicht zu glauben, wenn sie die Lottozahlen verkündet - selbst, wenn ich ein zweites Mal in Folge 6 Richtige getippt haben sollte. Etwas anderes wäre es, wenn bei den verkündeten Zahlen eine Nummer doppelt vorkäme ("Das kann doch nicht sein!") oder Zahlen vorkommen, die gar nicht unter den vorgefertigten Nummern vorhanden waren (zum Beispiel eine 7,5 oder eine 258). Ebenso skeptisch sollte man sein, wenn die Lottofee selbst "6 Richtige mit Superzahl " gewinnt - es läge ein triftiger Grund vor, dass sie den Vorgang der Ziehung beeinflusst oder nur vorgetäuscht hat.

Haben wir also einen triftigen Grund, die Ereignisse, die uns die Evangelien berichten, anzuzweifeln? - Nun, wie oben im Lotto-Beispiel aufgezeigt, gründet sich der eine Zweifel auf den Vorteil, den eine Manipulation der Evangelien den Verfassern bringen könnte, während der andere Zweifel darin besteht, dass das Berichtete doch gar nicht sein KANN.

6. Der Sekundärgewinn der Evangelisten

Die erste Frage, die die Glaubwürdigkeit eines Berichtes erschüttern könnte, ist der sogenannte Sekundärgewinn. Was haben die Evangelisten (oder diejenigen, die den Evangelisten von Jesus erzählt haben) davon, wenn sie von einem wundertätigen Jesus erzählen, obwohl es diesen niemals so gegeben hat?
Nun, uns heutigen Menschen fallen eine ganze Menge Gründe ein, einen Mythos zu erfinden: Man wird berühmt und vielleicht sogar reich (falls man seine Story gewinnbringend verkaufen kann); von vielen Anhängern der neuen Religion hoch geachtet und verehrt; zumindest erhält man Aufmerksamkeit und Beachtung. Man kann sein Talent als Schriftsteller unter Beweis stellen und hofft eventuell auf Folgeaufträge.

Alles das ist denkbar - aber nichts davon entspricht in Bezug auf die Evangelisten oder Apostel der Realität. Die Apostel, die von Jesus erzählt haben, sind allesamt für diese "Story" vorzeitig gestorben; ihr Leben wäre sicherlich angenehmer gewesen, wenn sie Jesus nicht gefolgt wären. Keiner ist reich geworden - und keiner konnte von einem eventuell vorhanden Ruhm zu Lebzeiten irgendeinen Vorteil ziehen. Alle verloren ihre Heimat (außer Jakobus, der zwar in Jerusalem blieb, aber dafür sehr schnell sein Leben verlor), und waren als Missionare ständig Gefahren und Nöten ausgesetzt. Die ziemlich realistische Lebensgeschichte des Apostels Paulus, wie sie Lukas in der Apostelgeschichte erzählt, ist keineswegs ein Aufweis eines gesicherten und angenehmen Lebens:

"Ich ertrug mehr Mühsal, war häufiger im Gefängnis, wurde mehr geschlagen, war oft in Todesgefahr. Fünfmal erhielt ich von Juden die neununddreißig Hiebe; dreimal wurde ich ausgepeitscht, einmal gesteinigt, dreimal erlitt ich Schiffbruch, eine Nacht und einen Tag trieb ich auf hoher See. Ich war oft auf Reisen, gefährdet durch Flüsse, gefährdet durch Räuber, gefährdet durch das eigene Volk, gefährdet durch Heiden, gefährdet in der Stadt, gefährdet in der Wüste, gefährdet auf dem Meer, gefährdet durch falsche Brüder. Ich erduldete Mühsal und Plage, durchwachte viele Nächte, ertrug Hunger und Durst, häufiges Fasten, Kälte und Blöße. Um von allem andern zu schweigen, weise ich noch auf den täglichen Andrang zu mir und die Sorge für alle Gemeinden hin." (2 Kor 11,23-28)

Das gilt nicht nur für die Apostel, sondern auch für die Evangelisten - und deren Informanten. Matthäus wurde erschlagen, Johannes starb in der Verbannung auf der Insel Patmos. Markus starb den Märtyrertod als Bischof von Alexandria; Lukas starb (zumindest der Legende nach) an einem Weidenbaum gekreuzigt.

7. ...dass nicht sein kann, was nicht sein darf

Es bleibt also noch die Ablehnung der christlichen Berichte - den Evangelien - aus der Vorentscheidung heraus, dass es die Wunder, von denen dort berichtetet wird, nicht geben könne. "Und daraus schloss er messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf." (Christian Morgenstern). Wir sind also wieder bei der Vorentscheidung, ob wir Berichte über übernatürliche Ereignisse grundsätzlich ablehnen, weil wir es für absolut unmöglich halten, dass etwas Übernatürliches geschieht.

Leute, die eine solche negative Vorentscheidung treffen, werden manchmal als "Dogmatisten" oder "Ideologen" bezeichnet - oder "Scheuklappendenker" usw. -,  weil sie die Wirklichkeit nicht auf das hin überprüfen, was sich dort zeigt, sondern grundsätzlich das nicht für möglich halten, was sie sich nicht vorstellen können. Aber - jemanden so zu bezeichnen ist letztlich kein Argument. Denn Christen, die an Wunder glauben und sie für durchaus wahrscheinlich halten, werden von den Gegnern dieser Position ebenfalls als "Ideologen" bezeichnet. Dadurch gewinnt man also nichts.

Aber diese Aussage - "Es ist unmöglich, dass Wunder geschehen!" - hängt vollkommen in der Luft. Einmal angenommen, es gäbe einen Gott - dann ist es durchaus sinnvoll zu glauben, dieser Gott könne in der Natur wirken, was er will, ohne an irgendwelche Naturgesetze gebunden zu sein (denn immerhin hat dieser angenommene Gott ja die Natur mit ihren Gesetzen erschaffen).
Die These, es könne eventuell einen Gott geben, ist aber durch und durch möglich. Es gibt schlicht kein Argument, dass die Existenz Gottes zu einem Ding der Unmöglichkeit macht. Somit ist die Aussage "Wunder kann es gar nicht geben!" ebenso gut wahr wie falsch.

Ob es nun aber einen Gott gibt, der Wunder wirkt, oder ob es vielleicht keinen Gott gibt und deshalb auch keine gottgewirkten Wunder, ist keine Frage, die wir durch Logik oder unendlichen Diskussionen entscheiden können - sondern allein durch einen Blick in die Wirklichkeit. Wir müssen also die Realität daraufhin überprüfen, ob es vielleicht doch - hier und da - Wunder gibt. Und falls uns Berichte zu Ohren kommen, sollten wir ernsthaft prüfen, ob es sich um glaubwürdige Berichte handelt. Auf keinen Fall dürfen wir die Berichte deshalb als unglaubwürdig bezeichnen, weil dort von Wundern berichtet wird - denn deren Existenz wollen wir ja gerade überprüfen.

8. Wunder gibt es immer wieder... auch heute noch

Wie in der Katechese "Sind Wunder möglich?" ausführlich beschrieben, sind die biblischen Wunder aber gar nicht soo außergewöhnlich - Wunder geschehen bis auf den heutigen Tag und sind oft aufgrund der modernen wissenschaftlichen Möglichkeiten bestens untersucht und belegt.

Vor allem in Lourdes sind die Bedingungen für Skeptiker ideal: Dort gibt es eine ständige Kommission unabhängiger Ärzte, von denen immer ein großer Teil Atheisten oder zumindest nicht kirchlich gebundene Mediziner sind, die die gemeldete Heilungen unmittelbar und eigenhändig überprüfen. Auch diese Untersuchungen kommen nicht zu dem gesicherten Ergebnis, dass es Wunder gibt; sie erklären lediglich, dass eine Heilung medizinisch nicht erklärbar ist. Die Kriterien zur Anerkennung einer "wunderbaren", d.h. nicht erklärbaren Heilung sind so streng, dass von den über tausend gemeldeten Heilungen bis heute nur 55 anerkannt wurden.

Aber Wunder sind nicht an solch besonderen Orte gebunden. In jedem Selig- oder Heiligsprechungsverfahren muss ein Wunder gesichert sein, damit ein Kandidat (oder eine Kandidatin) offiziell liturgisch verehrt werden darf. Die Untersuchungen zur Sicherung eines Wunders - auch "Wunderprozesse" genannt -  sind strenge Verfahren, die übrigens zu einem großen Teil öffentlich gemacht wurden (z. B. in Wilhelm Schamonis "Wunder sind Tatsachen"). Diese Wunderverfahren sind akribisch und umfangreich: Bei der Untersuchung der Heilung eines taubstummen Jungen 1717 wurden 129 Zeugen verhört, die Akte umfasst 2934 beidseitig beschriebene Blätter - also fast 6000 Seiten.

Fazit

Vielleicht liegt es daran, dass oft von der historischen Glaubwürdigkeit "Der Bibel" insgesamt gesprochen wird - und dabei dann nicht zwischen dem Alten Testament und den Evangelien unterschieden wird. Da Jesus und Moses gleichermaßen biblische Personen sind, wird oft auch der Bericht über einen Kamm geschoren und als märchenhaft-legendär bezeichnet.
Ein genauerer und vor allem wissenschaftlicherer Blick lässt aber weder an der Existenz Jesu einen Zweifel - noch an der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit der Evangelien. Das Gegenteil ist richtig: Über keine andere Person der Antike haben wir so viele und so zuverlässige Informationen wie über Jesus von Nazareth.

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