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Katholische Naturwissenschaft? - Ja, gibt es denn sowas?!

Als Religionslehrer und naturwissenschaftlich Interessierter bin ich persönlich der Meinung, dass sich die althergebrachten Konflikte zwischen dem christlichen Glauben und den klassischen Naturwissenschaften längst erledigt haben. Und das schon seit ziemlich genau hundert Jahren.
Dazu gibt es hier so einige Katechesen (zum Beispiel zum Thema «Schöpfung, Urknall oder Evolution?», - oder, noch wesentlicher «Die Relevanz der Quantenphysik» von Axel Schmidt). Allerdings wird mir anschließend oft die Frage gestellt: Und, wie war es denn nun wirklich? Was sagt die katholische Kirche zur Entstehung der Welt - des Lebendigen - der Arten?
Im Grunde werde ich nach den Erkenntnissen einer katholischen Naturwissenschaft gefragt. So absurd diese Frage ist: Es gibt tatsächlich Antworten.


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Dieser Diskussionsbeitrag ist auch als gedrucktes Heft (Nr. 144) erhältlich: Kostenlose Bestellung

Christliche oder katholische Antworten?

Leider sind die hier vorgestellten Antworten nicht in dem Sinne christlich, in dem sie genauso von allen Konfessionen und christlichen Gruppen gleichermaßen vertreten werden können. Es gibt - leider - christliche Gruppierungen, die ausdrücklich Kreationisten oder Fundamentalisten sind. Wenn ich also im Folgenden Antworten aus einer katholischen Perspektive versuche, ist das nicht ausgrenzend, sondern vorsichtig gemeint: ich kann halt nicht für andere Konfessionen sprechen.
Ja, was ich hier schreibe, kann noch nicht einmal den Anspruch unserer Seite erheben, «garantiert katholisch» zu sein. Ein Katholik kann hier durchaus anderer Ansicht sein. Er kann aber auch meiner Ansicht sein - und ist damit immer noch «gut katholisch». Garantiert.

1. Katholische Biologie
Die Evolution des Lebendigen

Wie eingangs erwähnt, wurde ich (immer, wenn ich von einem fruchtbaren Miteinander von Glauben und Naturwissenschaft sprach) vor allem nach meiner Haltung zu Evolutionstheorie gefragt. Wie stellt sich denn ein gläubiger Katholik die Evolution im Einklang mit der Schöpfung durch Gott dar?

Selbstbescheidenheit von Biologie und Philosophie

Voraussetzung für eine Betrachtung des friedlichen Miteinanders von Gottes Schöpfungswirken und exakter Biologie ist, dass die Evolutionsbiologie den unseligen Anspruch fallen lässt, die Entwicklung des Lebens vollständig beschreiben zu können. Vertreter, die diesen übergriffigen Anspruch erheben, nennen wir Evolutionisten, die im Grunde keine biologische, sondern eine philosophische Aussage machen. Sie behaupten, es haben keine anderen Kräfte in der Evolution gewirkt als die von ihr beschriebenen. (Ähnlich argumentieren auch schlechte Hirnforscher, die ohne hinreichenden Grund postulieren, dass im Gehirn keine anderen als die biologisch beschreibbaren Faktoren eine Rolle spielen - auf jeden Fall keine Seele und kein Geist. Der Nobelpreisträger und Hirnforscher John Eccles hat da eine deutlich umfassendere Sicht von Gehirn und Geist.)
Ich möchte als ehemaliger Biologie-Leistungskurs-Schüler (mehr Kompetenz habe ich leider nicht in dieser Frage) keinen der von der Evolutionsbiologie behaupteten Mechanismen bezweifeln. Ich glaube aber, dass es noch weitere Ursachen gegeben hat, die zusätzlich zu diesen Mechanismen mitwirken. Das halte ich für objektiv-philosophisch naheliegend, ich persönlich würde dieser Ursache auch einen Namen geben: Gott.

Damit widerspreche ich den biologischen Erkenntnissen nicht; ich erwarte aber auch von den Biologen, dass sie dieser philosophischen Deutung nicht widersprechen. Die Welt und damit auch die biologische Wirklichkeit hat eine quantenphysikalisch verbriefte Offenheit, in der solche Kräfte wirken können. Wenn es sie denn gibt.
Umgekehrt hat der Biologe die berechtigte Erwartung, dass seine gesicherten Erkenntnissen nicht leichtfertig von Theologen übergangen werden. Fundamentalisten und Kreationisten machen so etwas gerne und bezeichnen die Biologen gelegentlich sogar als Betrüger, wenn sie zu Erkenntnissen kommen, die kreationistischen Theorien widersprechen.
Da bin ich bei den Biologen: Das geht natürlich ganz und gar nicht! Selbstbescheidenheit tut beiden gut: Den Naturwissenschaftlern und den Bibelforschern.

Ich persönlich nehme also eine größere Wirklichkeit wahr als der nur biologisch denkende Forscher, der als Naturwissenschaftler sich zu dieser größeren Wirklichkeit nicht äußern kann, auch nicht ablehnend. Ich akzeptiere aber im Gegenzug alle durch die Naturwissenschaftler gesichert erkannten Realitäten!

Geistgelenkte Mutationen

Wie stelle ich mir denn nun konkret den Ablauf der Evolution und das Wirken Gottes vor? - Ein Biologe sieht die Mutationen als eine machtvolle, aber ungerichtete Kraft, die nicht zur Höherentwicklung führen würde, weil sie keine Finalität besitzt. Erst die Selektion - die Auswahl der besser Angepassten - verleiht dem Mutationsfeuerwerk eine Richtung. Ein Theologe, der in den Mutationen auch eine gerichtete Kraft annehmen kann (und damit nicht in Konflikt mit den Naturwissenschaften kommt), braucht den Selektionsmechanismus nicht als Schöpfungsprinzip. (Nebenbei: Damit wäre auch die nicht geringe Gefahr des Sozialdarwinismus gebannt.)
Konkret glaube ich, dass sich die Mutationen so, wie die Biologie sie beschreibt, auch in der Realität wiederfinden würden, wenn wir als Zeitreisender in prähistorischen Epochen dabeigewesen wären. Ich glaube aber, dass in diesen Mutationen eine gerichtete geistige Kraft wirksam war, die permanent komplexere und ausgeklügeltere Organismen hervorgebracht hat - entgegen aller Wahrscheinlichkeit.

Entstehung des Lebens

Noch gibt es mindestens zwei Hürden, die die Biologie bislang noch nicht genommen hat: Nämlich die Entstehung des Lebens aus unbelebter Materie und die Entwicklung vom Tier zum Menschen.
Während der Biologe beschreibt, dass diese Schritte geschehen sind (und wann und wo und unter welchen Bedingungen), kann sich ein Theologe die Entstehung von Leben und Geist als «schöpferischen Quantensprung» vorstellen, der unter Einfluss einer wirkenden geistigen Kraft entstehen konnte. Wie genau ich mir die Entstehung des Lebens vorstelle, kann ich gar nicht sagen. Vielleicht geschah dieser einmalige Schöpfungsakt so wie auch die neutestamentlichen Wunder: Plötzlich war dort Leben, wo vorher nichts war. Vielleicht verknüpften sich aber nur äußerst unwahrscheinliche natürliche Prozesse so, dass dadurch die erste lebendige Zelle entstand (und die Beschreibung z. B. durch Manfred Eigens Hyperzyklus wäre nur die äußere Seite). Ich persönliche tendiere in diesem Fall eher zu einem einmaligen Wunder, das das Leben hervorbrachte. Auf jeden Fall handelt es sich hierbei um einen Quantensprung, der durch eine einsteuernde geistige Kraft ermöglicht wurde.

Entstehung der Arten

Vielleicht fand dieser geistgewirkte Sprung sogar bei allen Art-überschreitenden Entwicklungen statt? Ich bin mir nicht sicher, wie abwegig die Gedanken einiger Kreationisten sind, die zwar eine beobachtbare Mikro-Evolution (also die Veränderung innerhalb einer Art) bestätigen, aber eine Makro-Evolution (also eine Entwicklung von einer Art zu einer anderen Art) als Fiktion bezeichnen. Einige dieser Vertreter warten mit einer für mich ganz interessanten Theorie auf: Die Urtyp-Theorie.

Demnach hätten sich die Arten nicht entwickelt, sondern wären erschaffen worden - als Urtyp. Aus jeweils einem solchen Urtyp entstanden dann verschiedene Arten, die bis heute miteinander kreuzbar sind (ob natürlich oder im Labor). Teile man alle Tier- und Pflanzenarten in unmittelbar oder mittelbar miteinander kreuzbare Arten ein, gebe es keine Überlappungen: So seien alle Arten, die zu einer Familie gehören (mit Familien ist hier die biologische Kategorie zwischen Ordnung und Gattung gemeint), aus einem gemeinsamen Grundtyp entstanden und durch Kreuzbarkeit eindeutig von anderen Familien getrennt.
Alle Katzenartigen (Tiger, Löwen, Leoparden, Panther etc.) sind untereinander durch Kreuzbarkeit verbunden, ebenso alle Hundeartigen (Schakale, Wölfe, Hyänen). Aber keiner der einen Familie ist mit einer Art der anderen Familie kreuzbar. Das gleiche gelte für die Fasanenartigen, Entenvögel usw. genauso wie für Pflanzen, z. B. den Funariceae, Streifenfarngewächsen, Weizenartigen, Nelkenwurzartigen, Kernobstgewächsen usw.
Höherentwicklung gebe es, so die Überzeugung der Anhänger dieser Theorie, nur innerhalb der Grundtypen. Für die Entstehung eines neuen Grundtypen reichten die Mechanismen der natürlichen Evolution dagegen nicht aus, dazu bedürfe es eines expliziten und feststellbaren Schöpfungsaktes. So ähnlich wie bei der Entstehung des Lebens.

Ich habe mich mit dieser Theorie nicht weiter auseinander gesetzt. Sie erscheint mir aber wenig kämpferisch, nicht anti-biologisch und wohl leicht nachprüfbar. Ich habe sie noch nicht verworfen, gehöre aber auch nicht zu den aktiven Vertretern.

Entstehung des Menschen

Und auch der letzte Schritt der Evolution des Lebendigen - vom Tier zum Menschen - erscheint mir als etwas, das durch die Biologie allein nicht ausreichend beschrieben werden kann. Vorausgesetzt, wir erkennen im Menschen die Geistbegabung, die moralisch-sittliche Freiheit und schöpferische Kreativität und die Sprache als etwas, das ihn vom Tier unterscheidet.

Dieser Frage, ob es tatsächlich einen wesentlichen Unterschied zwischen Tier und Mensch gibt, wollen wir hier nicht nachgehen. Dazu findest Du mehr in der Katechese «Leib. Seele. Mensch.» Die Frage hier ist nur, ob dieser Unterschied sich durch rein biologische Mechanismen entwickelt hat - oder ob er eines Schöpfungsaktes bedurfte.

Wir Christen gehen davon aus, dass die geistbegabte Seele das ist, was den Menschen zum Menschen macht. Die Seele ist aber etwas Immaterielles, das nicht aus der Materie hervorgeht. Deshalb sind wir Christen selbstverständlich davon überzeugt, dass die menschliche Seele sich nicht aus einer tierischen Seele entwickelt hat - schon gar nicht durch materielle Entwicklung. Es bedurfte also eines Schöpfungsaktes Gottes. Wie ich mir diesen Schöpfungsakt vorstelle?

  • Denkbar für mich ist durchaus, dass es eine Entwicklung bei den Primaten (also den Menschenaffen bzw. deren Vorläufer) gab, die Gott dann dadurch krönte, dass er einem von einem Affen geborenen Nachkommen eine menschliche Seele einschuf. Ein Beobachter hätte nichts anderes gesehen als eine natürliche Höherentwicklung; könnten wir die Seele dagegen direkt sehen, hätten wir das Wunder einer Neuschöpfung gesehen.

  • Im Grunde ist dieses Wunder aber gar nicht so außergewöhnlich: Wir Christen glauben, dass jeder Mensch im Augenblick seiner Zeugung erst durch die von Gott eingeschaffene Seele zum Menschen wird. Das unsichtbare Zusammenspiel von natürlichen Prozessen und göttlichem Wirken im Augenblick der Entstehung von neuem Leben bleibt ein Wunder - vom ersten Menschen bis heute. Aber ein Wunder, das keine biologischen Erkenntnisse bestreitet.

Der Mensch, sein Gehirn und die Seele

So, wie ich das Wirken Gottes in der Welt im Allgemeinen beschreiben kann, seitdem die Quantenphysik eine mögliche Schnittstelle zwischen sichtbarer und unsichtbarer Welt benannt hat, so kann ich auch Gottes Wirken in der Physik (der Erschaffung der Welt) und der Biologie (in der Entstehung und Entwicklung des Lebens) sehen. Und auf keine andere Weise stelle ich mir das Zusammenspiel von Leib und Seele vor.

Sir John Eccles hat in seinem vieldiskutiertem Buch «Das Ich und sein Gehirn» von einem Zusammenspiel von Geist und Gehirn gesprochen und in der Endphase seines Wirkens geglaubt, dafür eine spezielle Region in der linken Gehirnhälfte ausfindig machen zu können. Diese Lokalisierung im menschlichen Körper finde ich zwar sehr fraglich - aber seine Beschreibung eines möglichen quantenmechanischen Mechanismus im synaptischen Spalt halte ich für fundamental. Damit hat er einen richtigen Weg eingeschlagen: Die naturwissenschaftliche Welt mit einer geistigen Realität zusammenzubringen.

Die Seele wirkt primär im Gehirn; da sind wir uns einig. Die Vorstellung, die Seele des Menschen würde allerdings das Gehirn wie eine Tastatur benutzen, wenn sie eine bestimmte Aktion auslösen will - und umgekehrt das Gehirnstrommuster wie einen Bildschirm lesen, wenn sie etwas über die materielle Welt erfahren will, ist meiner Meinung nach doch arg primitiv. Das erinnert an die Descart'schen Versuche, die Seele in der Zwirbeldrüse zu lokalisieren.
Wenn Du mich fragst, halte ich es mit Thomas von Aquin, der in der Seele die Form des Körpers sah (mit Form ist nicht nur die äußere Hülle gemeint, sondern auch die Struktur des Körpers bis in die innerste, kleinste Zelle). So betrachte ich keineswegs das Gehirn als die einzige Schnittstelle zwischen Leib und Geist, sondern der Leib insgesamt ist geistdurchwirkt und durch die Seele geformt. Das scheint mir bei allen psychosomatischen Störungen auf der Hand zu liegen, aber natürlich auch bei allen positiven Wahrnehmung bis hin zum Glücksgefühl, das alle Zellen durchströmt und dabei auch die Ausschüttung von Hormonen einschließt. Auch die Sinneswahrnehmung der Seele stelle ich mir nicht vor wie einen Homunculus - einen winzig kleinen Menschen -, der im Gehirn sitzt und sich anhand der Nervenströme ein akustisches und optisches Bild von der «Welt da draußen macht». Nein: Geistiges Hören und Sehen geschieht nicht zusätzlich zum materiellen Nervenimpuls - geistiges Hören und Sehen ist die Einheit von Nervenimpuls und seelischer Wahrnehmung. Aber dazu ein anderes mal mehr.

2. Katholische Physik

Selbstverständlich gibt es keine katholische Physik - genausowenig wie es eine katholische Biologie gibt. Wer jedoch den oft konstruierten Gegensatz zwischen Glauben und Naturwissenschaften aufgibt, der entdeckt, dass ein gesundes Weltbild auch der Physik neue Perspektiven schenken kann. Wenn wir zum Beispiel bei der Frage nach der Vereinbarung von Urknall und Schöpfung die Missverständnisse ausklammern (das tun wir im Folgenden zuerst), können auch neue Aspekte der Physik zur Diskussion vorgelegt werden (das folgt danach). Dabei vermengen sich munter physikalische Erkenntnisse, die das Weltbild verändern, und philosophische Akzente, die der Physik neue Impulse geben.

Missverständnisse beseitigen: Der Urknall

Als Martin Ryle 1961 die Urknalltheorie (gegen das Steady-State-Modell) mit seinen Beobachtungen (über die Verteilung der Radiogalaxien im Universum) stützte, verkündeten Zeitungen binnen weniger Stunden: »Die Bibel hat recht!« (Simon Singh, Big Bang, S. 426) - Während bis in die 70-er Jahre hinein die Urknalltheorie als Beweis für den Schöpfungsglauben gesehen wurde, hat sich die öffentliche Meinung (nicht die Naturwissenschaft) inzwischen komplett gewandelt. Heute heißt es lapidar: «Das mit der Schöpfung ist inzwischen widerlegt. Das war doch der Urknall!»

Warum in der Urknalltheorie erst eine Bestätigung des Schöpfungsglauben gesehen wurde und dann das Gerücht aufkam, dass der Urknall eine Blamage für den Schöpfungsglauben sei, entzieht sich meiner Kenntnis.

Wer sich allerdings ein wenig in den Weltbildern auskennt, die zur Zeit Einsteins vorherrschend war, wird es genau andersherum sehen: Während die Physiker vor der Entdeckung eines sich ausdehnenden Universum von einem ewig-existierenden, unabänderlichen Universum ausgingen und die Bibel mit ihrem Schöpfungsmythos deshalb für überflüssig und widerlegt hielten, war der Gedanke, dass die Welt einen Anfang hatte, zunächst eine Bestätigung des jüdisch-christlichen Glaubens. Sogar Papst Pius XII. bedankte sich für diese Entdeckung und sah in der Urknall- und Evolutions-Theorie einen Beweis für die Existenz Gottes (so in seinem Vortrag vor der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 22. November 1951 - zu einer Zeit, als die Urknalltheorie noch nur eine Theorie war!). Lemaitre - der Astronom und Priester war und als Begründer der Urknalltheorie gilt - bat den Papst allerdings, sich in seinem Enthusiasmus doch etwas mehr zurückzuhalten.
Aus der Urknalltheorie, die besser »Theorie eines dynamischen Universums« heißen sollte, einen Schluss auf die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes zu konstruieren, heißt nicht zu verstehen, was die Urknalltheorie wirklich aussagt. Mit dieser Theorie ist keineswegs die Entstehung der Materie erklärt, noch warum die Welt aus genau den tatsächlich vorhandenen Kräften, Massen und Eigenschaften besteht. Die Urknalltheorie - selbst, wenn sie bis in die allerersten Millisekunden im Leben unseres Weltalls zurückgeht - setzt immer schon Masse, Energie, Kräfte und Naturgesetze voraus.
Die Theorie des Urknalls bleibt eine wissenschaftliche Theorie der Entwicklung der Materie - nicht der Entstehung. Ob nun ein unveränderliches Universum, oder ein Weltall, das mit einem heißen Knall begann - die Frage nach dem Schöpfer bleibt davon unberührt: »Wer war es, der das hat entstehen lassen, was unser Weltall erfüllt? Wer schuf Zeit und Raum?«

Christliche Weltdeutung: Die Feinabstimmung

Für die christlich (oder grundsätzlich theistisch) denkenden Menschen ist die Frage nach einem statischen oder dynamischen Universum nicht von so großer Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass das Material, das bereits zu Beginn des Urknalls vorgelegen hat, Eigenschaften aufweist, die auf eine Intelligenz bzw. einen Schöpfer schließen lassen: Sowohl die Kräfteverhältnisse als auch die Eigenschaften der Materie, die Dimensionierung der Teilchen und das Auftreten bestimmter Anomalien sind alle so fein justiert, dass unser Weltall in der Lage ist, Leben zu ermöglichen. Nur eine geringe Veränderung (deutlich kleiner als der berühmte Promille-Bereich) an einer der Grundgrößen schon beim Urknall, und unsere Welt wäre entweder in Sekundenschnelle verglüht und wäre nichts anderes als ein Haufen »Asche« - oder unsere Welt würde so gut wie keine Reaktionen hervorbringen und bliebe bis in alle Ewigkeit ein kaltes Universum voller vereinzelter Elementarteilchen.
Die Theorie des Urknalls mit der sich daran anschließenden Expansion des Weltalls, der Ballung und Konzentration der Materie und der daraus entstehenden stabilen und instabilen Sterne - all dies lässt auch weiterhin den Schluss auf einen Schöpfer zu, ja, legt ihn sogar nahe: In all dem zeigt sich ein solch ausgewogenes Kräftegefüge (das zur Entstehung mindestens einer lebensfreundlichen Zone führte), dass die philosophische Annahme eines intelligenten Schöpfers mindestens genauso nahe liegt wie bei der Steady-State-Theorie.

Das anthropische Prinzip

Die Feinabstimmung aller physikalischen Größen, die notwendig ist, um überhaupt ein sich entwickelndes Universum hervorzubringen, versucht eine philosophische Überlegung ohne einen Schöpfergott zu erklären: durch das «anthropische Prinzip». Das anthropische Prinzip (von griechisch anthropos «Mensch») besagt, dass das beobachtbare Universum nur deshalb beobachtbar ist, weil es alle Eigenschaften hat, die einen Beobachter hervorbringen konnten.

Hoimar von Ditfurth vergleicht die enorme Unwahrscheinlichkeit der Existenz genau dieses Universums und des Menschen (als Produkt einer enorm unwahrscheinlichen chemischen und biologischen Evolution) mit dem einzig überlebenden Soldaten einer großen Schlacht. Er wird von unglaublichen Glücksfällen berichten, die ihm das Leben gerettet haben; und man ist versucht, darin das Wirken Gottes zu sehen. Wenn man aber bedenkt, dass es eine Unzahl von gefallenen Soldaten gibt, die alle kein Glück gehabt haben, relativiert sich das Staunen: Der Überlebende kann nur deshalb von den enorm unwahrscheinlichen Zufällen erzählen, weil er überlebt hat.

Das setzt allerdings voraus, dass es neben diesem, von uns beobachteten Universum eine Unzahl anderer Universen gibt, bei denen die physikalischen Konstanten zufälligerweise nicht so günstig justiert sind: Dort entwickelt sich kein Leben (vermutlich entwickeln sich noch nicht einmal Sterne und Planeten), deshalb kann dort auch niemand über die unglaubliche Abstimmung aller Kräfte im Universum staunen.
Diese Theorie der «Multiversen» (der unendlichen Anzahl andersartiger Universen) verlässt jedoch den Raum der Naturwissenschaften. Auch wenn ein berühmter Vertreter der Physik - Stephen Hawkins - ein begeisterter Anhänger dieser Theorie war. Von Hawkins stammt der Name «M-Theorie» für die Annahme, es gäbe nicht nur ein Universum. Letztlich ist diese Annahme aber eine reine Spekulation und wird selbst von respektvollen Physiker-Kollegen als eine «nicht mehr physikalische Theorie» bezeichnet.

Berührungspunkte von Physik, Philosophie und Glauben

Wie wir sehen, berührt die Physik des allerkleinsten (die Quantentheorie), die Physik des allergrößten (die Relativitätstheorie) und die Physik von Allem (die Physik der großen Vereinheitlichung) immer auch unser Weltbild - und damit unsere philosophischen und religiösen Vorentscheidungen. Die Naturwissenschaften führen immer auch zu philosophische Fragen - und letztlich auch religiösen Deutungen. Dass beide (Philosophie und Physik) dadurch gewinnen können, zeigen folgende Beispiele, die sich zum Teil im Buch «Jetzt - Die Physik der Zeit» von Richard A. Muller finden.

Die Existenz von Tachyonen

Richard A. Muller, ein anerkannte Physiker aus Amerika, der an fast allen großen Forschungsprojekten der letzten Jahrzehnte maßgeblich beteiligt war, lehnt beispielsweise die Existenz von Tachyonen ab. Diese Teilchen, die schneller sind als die Lichtgeschwindigkeit, widersprechen keiner bekannten physikalischen Theorie, allerdings sind sich auch noch nie nachgewiesen worden. Richard A. Muller lehnt diese physikalische Spekulation ab, weil er sich sicher ist, dass zumindest er (und wahrscheinlich auch alle anderen Menschen) einen freien Willen hat. Einen freien Willen aber kann es nicht geben, wenn es gleichzeitig Überlichtgeschwindkeits-Objekte gibt. (Warum dieser Schluss naheliegt, will ich hier nicht ausführen. Wer will, kann die Begründung dafür bei Muller nachlesen.) Ein klassischer, logisch einwandfreier Schluss von einer außer-physikalischen Wahrnehmung auf die Physik.

Ein ewiges, pulsierendes Universum

Mancher Anhänger des alten Weltbildes eines ewigen unveränderlichen Universum mag die Überlegung anstellen, ob das Universum vielleicht doch ewig ist - und zugleich veränderlich. Vielleicht schrumpft das Weltall nach einer Phase der Expansion irgendwann wieder und expandiert anschließend nach einem neuen Urknall. So wären die aktuellen Befunde eines begrenzten Weltalters (ca. 13 Milliarden Jahre) mit einem ewig existierendem Universum in Einklang gebracht: Es handelt sich halt um ein ewiges, aber pulsierendes Universum.
Die Wirklichkeit gibt dieses Weltbild aber nicht her: Die Messungen der Expansionsgeschwindigkeit ergeben ganz klar, dass die Ausdehnung des Universum nicht gebremst ist, im Gegenteil. Die Annahme, dass die Anziehungskraft die Expansion irgendwann soweit abbremsen wird, dass das Weltall wieder schrumpft und in sich zusammenfällt, widerspricht der gemessenen Wirklichkeit.
Außerdem zeigt eine solche Annahme, dass das Wesen der Expansion nicht wirklich begriffen wurde: Nicht die Materie im Raum strebt auseinander, sondern der Raum selbst dehnt sich aus. Das ist die zeitliche Struktur des Raumes. Deshalb ist der Rand des Universums, der sich notwendigerweise mit Lichtgeschwindigkeit von jedem Beobachter entfernt, zugleich der zeitliche Anfang des Weltalls. Eine Schrumpfung des Raumes kann es nicht geben - es sei denn, die Zeit würde angehalten und rückwärts ablaufen.

In diesem Zusammenhang spricht Muller dabei von einem amüsanten Treppenwitz der Geschichte: Einstein, der in seine Formeln zunächst die Kosmologische Konstante einführte, um die Unveränderlichkeit des Universum zu wahren, bezeichnete später diese Konstante als «seine größte Eselei» und wurde zum Anhänger des expandierenden Universums. Heute, nach der Entdeckung der ungebremsten Expansion des Raumes meint Muller, dass kein Weg daran vorbei führen würde, diese Konstante wieder aufzunehmen. Einsteins «Eselei» bestand demnach darin, seine Konstante als «Eselei» verworfen zu haben.
Der Raum expandiert, nicht die Materie im Raum

Nach Richard Muller, aber auch in den Konzepten von Bernhard Philberth (Physiker und katholischer Priester, ebenso wie Georges Lemaitre) dehnt sich das Universum nicht aufgrund der Urknall-Explosions-Energie aus. In einem solchen Fall müsste die Schwerkraft der gesamten Materie des Universum die Ausdehnung messbar verlangsamen. Spätestens seit 1998 ist jedoch klar, dass das Universum sich sogar beschleunigt ausdehnt (dafür gab's den Physik-Nobelpreis 2011).
Schon Lemaitre, der Entdecker der Expansion des Universums, betonte, dass es sich bei der Expansion des Universum nicht um eine Bewegung der Materie im Universum, sondern (in Übereinstimmung mit der Relativitätstheorie Einsteins) um eine Ausdehnung des Raumes handelt. Sowohl Philberth in den frühen 80-er Jahren, als auch Muller 2018 sehen in der Expansion des Weltalls eine fundamentale Eigenschaft des Raumes. Dahinter ist keine Kraft anzunehmen (wie zum Beispiel die dunkle Energie), sondern eine Eigenschaft (die laut Muller nichts anders als die Zeit ist). Das kann besonders leicht ein Physiker akzeptieren, der auch an einen Schöpfergott glaubt - und die Welt eben auf diese Weise geschaffen hat. Aber auch ein atheistischer Physiker mit einem Faibles für ein stimmiges Weltbild kann sich dem gut anschließen.

Nebenbei bemerkt: Damit hätten sich auch die Probleme erledigt, die zur Annahme einer Inflation und zum Konstrukt der dunklen Energie geführt haben.
Die Vollständigkeit der Physik

Nach der Entdeckung der probabilistischen Natur der Quantenphysik (durch Niels Bohr, bekannt als «Kopenhagener Deutung») gibt es heute keinen ernstzunehmenden Physiker mehr, der dieser Erkenntnis widerspricht. Die philosophische Bedeutung allerdings, dass damit nicht nur eine «Unbestimmtheit der untersten Ebene der Natur» angenommen werden muss, sondern dass damit die Physik grundsätzlich erwiesen hat, dass es überhaupt keine vollständige Wirklichkeitsbeschreibung geben kann, ist noch nicht wirklich in das Bewusstsein aller vorgedrungen. Richard Muller beschreibt das wiederum sehr schön an verschiedenen Stellen seines Buches, indem er zum Beispiel fragt, ob ein Erleben von Farben nicht mehr ist als die physikalische Beschreibung derselben. Richard Dawkins dagegen bezweifelt (mit anderen Neo-Atheisten) jede Erkenntnis außerhalb der Naturwissenschaft.

Fazit

Ich kann mir genauso wie im menschlichen Leib auch bei der Entstehung und Entwicklung des Lebens ein Zusammenspiel von Geist und Materie vorstellen. Mit dieser Sicht auf eine größere Wirklichkeit wäre die Finalität in die Schöpfung zurückgekehrt (das ist wichtig für das Naturrecht!). Genauso wie Schönheit, Ebenbildlichkeiten, Sinn und Bedeutung, Moral und moral-analoges Verhalten - und vieles mehr. Tiere haben eine Seele (und Pflanzen übrigens auch), und Menschen einen unendlichen Wert über jeden körperlichen Zustand hinaus. Und, für mich von Tag zu Tag wichtiger: Ich kann beim Betrachten der Natur wieder staunen und beten. Und mich an und über Gott und Seine Schöpfung freuen.