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Was ist Gebet?

 

Was ist Gebet?

Was ist Gebet? Was ist das, was wir tun, wenn wir beten?

Ich frage nicht danach, was alles Gebet sein kann, was es für Gebete gibt, wie man betet. Ich frage nach dem Wesen des Gebetes. Was ist das, Beten?

Ist beten - sprechen? Erzählen? Wenn ich bete, rede ich dann, wie ich auch sonst rede? Ist mein Beten nichts anderes als stumme Rede? Innerliches Erzählen? Schweigendes Sprechen?

Ist beten - sich öffnen? Sich dem Größeren öffnen, das Heilige wirken lassen? Wenn ich bete, betrachte ich dann im Grunde nur meine eigene Leere und warte auf die Füllung? Ist mein Beten das Bekenntnis, gefüllt werden zu wollen? Gefüllt werden mit Antwort? Mit dem Vor-Wort, das all meinen Worten zuvorkommt?

Ist beten - schauen? Schauen in die Herrlichkeit, zwar noch nebulös unbestimmt, aber schon in den Schemen, die ich sehe, berauschend? Wenn ich bete, betrachte ich dann eigentlich nur das, was zutiefst ist, blicke ich dann verlegen hinter die Dinge? Ist mein Beten all jener Augenblick, in dem mich Sein Blick trifft? Sein Augenblick?

Ist beten - bitten? Bitten um das, was ich nicht bin, aber sein möchte? Bitten um die Gnade? Um Erhebung aus der Gefangenschaft in den eigenen Unzulänglichkeiten? Wenn ich bete, strecke ich dann nicht meine Hand durch die Gitterstäbe des Weltgefängisses und hoffe, dass sie jemand ergreift und mich befreit? Ist mein Beten die mehr oder wenige stumme Bitte um Erhörung schlechthin? Erhörung aus unserer ständigen Unruhe? Ein Hören in Ruhe?

Was, bitte, was ist beten?

Beten ist Liebe. Liebe ist Gebet. Alles, was liebt, betet; alles, was betet, liebt.

Dieses klebrige, dehnbare Wort "Liebe" findet eine reine, ehrliche Übersetzung in dem Wort "Beten". Unser Handeln und Tun ist Gebet, wenn es liebevoll ist. Und unser liebendes Gebet ist zutiefst Handeln. Wo die Liebe die Grenzen übersteigt, sprengt das Gebet alle Mauern.

Wer liebt, den drängt es zum Gebet - auch und gerade diejenigen, die gar nicht wissen, was das eine oder das andere ist:

Wer liebt, der spricht mit seiner Liebe, erzählt und redet von dem, was ihn treibt. Er betet.

Wer liebt, der öffnet sich der Liebe und dem Geliebten. Er lässt herein, er will verinnerlichen und in sich aufsaugen, was Liebe ist. Er betet.

Wer liebt, der schaut, der sieht und blickt auf und in das, was er liebt. Er betet.

Wer liebt, der bittet um alles und um nichts; der Liebende bittet um nichts als um die Liebe, und damit bittet er um alles. Auch er betet.

Doch der Mensch, der betet, der Mensch, der liebt, hält nur das eine Ende des Lebensfadens in der Hand. Das andere Ende des Fadens, der doch klingen soll, ist die Ordnung. Nur beide Enden können den Faden zur Linie, zur Geraden ausziehen: Zwischen der Liebe und der Ordnung spannt sich unser Leben, durch beide wird es erst spannend.

Ordnung ohne Liebe ist kleinkariert, spießig und hohl. Zudem ist sie gefährlich. (Vielleicht ist Ordnung ohne Liebe gar keine Ordnung mehr?)

Liebe ohne Ordnung ist vorübergehend, momentan und kitschig. Zudem ist die gefährlich. (Vielleicht ist Liebe ohne Ordnung gar keine Liebe mehr?)

 

"Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens."

Das Leben im Gottesdienst, das Leben in der Gemeinde, ja, das Leben schlechthin spannt sich zwischen zwei Polen: Der eine Pol ist die Liebe, der andere die Ordnung. Wie eine Saite, die klingen soll, muss auch das Leben gespannt sein zwischen diesen beiden Pfeilern, der Ordnung und der Liebe.

So mahnt Paulus die Gemeinde in Korinth, aber nicht nur diese, zum Leben und Feiern in Ordnung. Die Korinther, von Liebe, Charisma und Begeisterung randvoll, sollen die Ordnung nicht verlieren, sollen Leben und Feiern in Ordnung.

So fern und so vergangen ist auch dieses Problem der Gemeinde in Korinth gar nicht. Auch später noch, bis heute, wird oft Ordnung und Liebe, Begeisterung und Rahmen, Amt und Charisma gegen einander ausgespielt. Sei es, dass dabei das Charisma zu kurz kommt und nur noch eine Gesetzes-Wortklauberei betrieben wird, sei es, dass im Namen der Liebe alle Ordnungen und Regeln über den Haufen geworfen werden.

Dass der richtige Weg der Mittelweg ist, ist genauso richtig wie nichtssagend. Denn wer behauptet nicht von sich selbst, dass er den Mittelweg, den richtigen Weg beschreite? Allein die Forderung, den Mittelweg zu beschreiten, gibt noch nicht an, wie dieser denn aussehen soll. Wegmarken sind gefragt, werden gesetzt und diskutiert, verworfen und bekämpft. Um diese Wegmarken tobt die Auseinandersetzung: Sie sind die Objekte der Auseinandersetzung.

Wo setze ich die Wegmarken zwischen der Ordnung und der Liebe?

Liebe ohne Ordnung ist willkürlich, begeisternd und gleichgültig zugleich, nicht von Dauer und nicht neu. Liebe ohne Ordnung vergisst das Morgen und schwebt im Heute. Vielleicht ist Liebe ohne Ordnung gar keine Liebe mehr.

Ordnung ohne Liebe ist kalt, leer und grausam, sie bleibt nichtssagend und tot. Ordnung, die die Liebe verlernt hat, wird Selbstzweck, Selbstgerecht und Menschenfremd. Vielleicht ist Ordnung oder Liebe gar keine Ordnung mehr.

Wenn Paulus, wenn die Kirche, wenn wir auf die Ordnung pochen, dann um das Charisma, die Begeisterung und die Liebe lebendig zu halten. Wenn wir, wenn die Kirche in dieser Ordnung lebt, dann um sie mit Begeisterung, Charisma und Liebe zu füllen. Eine ohne das Andere ist hohl.

Beides im Blick zu haben, aus beiden Wegmarken gewinnen und beides beim Anderen vermuten - das macht die christliche Spannung aus, das macht das christliche Leben spannend. Und in dieser Spannung lässt sich eine ganze Menge unterbringen.

So ist die Feier der Gemeinde schließlich nichts anderes als "in Ordnung gebrachte Liebe".

Raffael de Blasi