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Predigtvorschläge - Allerheiligen
1. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Wir feiern alle Heiligen zusammen. Wie ist es überhaupt zu diesem Fest gekommen? In Rom waren während der Christenverfolgungen viele Martyrer in den Katakomben begraben worden. Später wurden die Gebeine dieser Verstorbenen als Reliquien verehrt, und es entwickelte sich deswegen sogar eine eigene Art von Kriminalität, der Reliquienraub: Die Gebeine waren vor Dieben nicht mehr sicher. So mussten sie in Sicherheit gebracht werden. Dies geschah im Jahr 609 unter Papst Bonifatius IV., der die Gebeine karrenweise in das Pantheon brachte, den ehemaligen Allgöttertempel, der nun dem Gedenken aller Heiligen geweiht wurde. Das Volk erschauderte beim Anblick so vieler Gebeine der Heiligen, so dass man sich entschloss, ein Fest eigens zu Ehren aller Heiligen einzuführen.

Was aber ist ein Heiliger? Streng genommen gibt es keine heiligen Menschen, nur Gott ist heilig. Aber der Mensch kann von Gott geheiligt werden. Er kann, so wie ein dunkles Stück Eisen, das feurig wird, wenn es ins Feuer gelegt wird, vergöttlicht werden, wenn er ganz in Gott eingetaucht ist. Dies geschieht in der Taufe. Aber wir wissen: das ist nur der Anfang, gleichsam der Same, der sich nun weiter entfalten kann und soll, damit er Frucht bringt. Dieses Wachstum in Glaube und Liebe ist ganz auf Gottes Gnade zurückzuführen, aber es hängt auch vom freien Mitwirken des Einzelnen ab.

Einige Menschen sind da leuchtende Beispiele, und die nennen wir dann heilig. Aber was für ein Bild haben wir von den Heiligen? Ich fürchte, es ist nicht immer derart, dass wir uns von ihrem Leben angezogen und fasziniert fühlen. Es gibt schiefe Vorstellungen von ihnen: dass sie irgendwie traurige Gestalten sein müssen, die von allen irdischen Freuden nichts wissen wollen, weil sie ganz und gar auf das Jenseits hin leben. Oder dass sie so abgehoben sind vom normalen Leben, dass sie uns sowieso nichts zu sagen haben. Gerade von den berühmten Heiligen denken wir oft so, etwa vom hl. Franziskus oder von der hl. Elisabeth, deren Armutsideal uns beinahe erschreckt, dass wir unwillkürlich denken müssen: Das ist kein Weg für mich.

Hier möchte ich nun sagen: Gewiss – das mag sein, dass kaum jemand so radikal auf seinen Besitz verzichten kann wie die genannten beiden. Aber: Heiligkeit ist kein bestimmtes Programm, keine genau festgelegte Lebensform, sondern eine intensive Verbundenheit mit Gott, die sich im Alltag so oder so äußern kann – ganz verschieden, je nach den Zeitumständen und den charakterlichen Eigenarten eines Menschen. Darum ist es auch gut, alle Heiligen auf einmal in den Blick zu nehmen, damit auch die Vielfalt, in Heiligkeit zu leben, bewusst wird. Es gab heilige Bettelmönche wie heilige Könige, heilige Priester und heilige Eheleute, sogar Kinder, die heilig gesprochen wurden. Gemeinsam war ihnen nur das eine: dass Jesus Christus die Mitte ihres Lebens war. Oder anders gesagt: Dass sie sich ihrer Gotteskindschaft bewusst waren und daraus lebten. „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es.“

Leben aus der Kindschaft Gottes. Das ist ganz leicht und dann auch wieder eine schwere Herausforderung. Nur wer sich geliebt weiß, kann selber Liebe schenken. Das gilt für die Erziehung der Kinder, und es gilt für unsere christliche Lebensführung. Je tiefer Gottes Liebe in unsere Herzen eindringt, um so mehr werden wir davon ergriffen und umgestaltet. Ich bin sicher: auch in dieser Gemeinde gibt es Menschen, die ganz tief von Gottes Liebe berührt sind und an deren Augen dies aufscheint. Sie fallen nicht unbedingt auf, aber sie schenken ihren Mitmenschen dadurch Hoffnung und Trost. Sie sind die wahren Stützen der Gemeinde.

Und das geheime Gesetz, das Gott in unsere Natur gelegt hat, wird an ihnen beispielhaft erfahrbar: Glücklich wird nicht der, der viel hat, sondern der, der viel gibt. Oder wie Jesus es ausdrückt: „Selig, die arm sind vor Gott, die Barmherzigen, die reinen Herzens sind, die Frieden stiften – denn ihnen gehört das Himmelreich.“

Das bedeutet freilich nicht, dass den von Jesus so charakterisierten Menschen nichts Böses mehr widerfährt. Kind Gottes sein muss keineswegs immer Spaß machen. Es kann auch weh tun und Mühe bereiten. Ja, oft scheint es geradezu so, als würde Gott ausgerechnet denen, die ihn am meisten lieben, das Schlimmste zumuten. Die Standhaftigkeit ist denn auch oft, die die Heiligen auszeichnet. Mit dem Blick nach oben – die Füße fest auf dem Boden der Wirklichkeit, gehen sie ermutigt durch Gottes Liebe ihren Weg. Das sind die Heiligen. Das ist auch heute faszinierend.

2. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Am letzten Sonntag habe ich gesagt, daß Europa am Scheideweg steht: Wird es sich eingestehen, daß es wie der blinde Bartimäus auf Hilfe von oben angewiesen ist und wird es sich wieder auf Christus besinnen, oder wird es weiterhin seine christliche Vergangenheit in stolzer Verachtung mit Füßen treten? Mit dieser Frage habe ich Sie etwas ratlos zurückgelassen, da ich nicht gesagt habe, was Sie und ich damit zu tun haben bzw. was wir denn tun können, damit die Deutschland und die Völker Europas wieder auf einen guten, d.h. vom christlichen Glauben bestimmten Weg kommen.

Das Versäumte möchte ich heute nachholen. Die erste wichtige Einsicht, die hierhin gehört, ist: Ein Staat oder ein Staatenverbund ist kein Subjekt im Gegenüber zu den Staatsbürgern, sondern vielmehr die Gemeinschaft aller Subjekte, die zum Gemeinwesen gehören. Wir sind der Staat, und wir sind Europa, freilich nicht wir allein, sondern noch ganz viele Menschen mit uns, aber immerhin sind wir ein Teil des Ganzen. Wir können und wir dürfen uns nicht einreden lassen, was der Staat und was die Europäische Gemeinschaft tun, das geschähe völlig unabhängig von unserem Denken und Handeln. – Aber genau diese Vorstellung steckt in den Köpfen. Denn wie sonst ist es zu erklären, daß unser Land zu 70 Prozent aus Christen besteht und doch zunehmend den Eindruck erweckt, als wäre es ein reiner Atheistenstaat? Offenbar betrachten die meisten Christen ihren Glauben als Privatsache und somit als ein persönliches Gut, das im öffentlichen Leben nichts zu suchen hat.

Nun ist es aber eine Tatsache, die inzwischen sogar von Jürgen Habermas, dem führenden Vertreter atheistischer Sozialphilosophie, anerkannt wird, daß eine Gesellschaft von rein diesseitig orientierten Menschen immer egoistischer wird und daran eines Tages zugrunde gehen muß. Wer rein diesseitig orientiert ist, dem fehlt das Motiv, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Egoismus ist parasitär: er lebt von der Bereitschaft anderer, dem Gemeinwohl zu dienen, einer Bereitschaft, die er aber selber nicht aufbringt. Eine Gesellschaft, die der dienenden Liebe ihr wichtigstes Motiv raubt, nämlich den religiösen Aufblick zu Gott, sägt den Ast ab, auf dem sie selbst sitzt.

Würden die Christen ihren Glauben nicht als Privatsache betrachten, dann würde sich in unserem Land und in ganz Europa Entscheidendes ändern. Ich denke, die erste und bedeutendste Konsequenz wäre die Wiederherstellung des sozialen Friedens. „Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“, sagt Jesus in der Bergpredigt. (Mt 5,9) Daß uns die Seligpreisungen am Allerheiligenfest vorgelesen werden, hat unter anderem darin seinen Grund, daß es die Heiligen waren, die hier auf Erden die Bergpredigt gelebt und ins öffentliche Leben eingebracht haben. Es waren Menschen wie du und ich, die uns vorgemacht haben, daß und wie der Glaube tatsächlich die Gesellschaft zu gestalten vermag. Das ist die zweite Einsicht, die ich Ihnen heute eröffnen möchte: Es ist möglich, den Glauben in die Praxis umzusetzen in einer Weise, die das öffentliche Leben zum Guten verändert.

Am Gut des Friedens möchte ich dies ein wenig näher ausführen. In der letzten Weihnachtspredigt habe ich gesagt: Heute spricht jedermann von der Notwendigkeit, etwas für die Gesundheit zu tun, doch wer mahnt die Menschen zur regelmäßigen Friedensarbeit? Wir dürfen den Frieden nicht als etwas selbstverständlich Gegebenes auffassen, sondern als eine ständige Aufgabe, weil er ein Gut ist, das ähnlich zerbrechlich ist wie die Gesundheit. Friede entsteht auch nicht einfach durch das Gebet im stillen Kämmerlein, so wichtig das Gebet ganz gewiß ist. Friede erfordert Einsatz und Mut, mitunter Zivilcourage. Wir dürfen nicht tatenlos zusehen oder wegsehen, wenn andere Menschen Gewalt anwenden. Wir dürfen die Verantwortung nicht einfach an andere abschieben, sondern müssen sie selbst wahrnehmen. Ob Südkirchen das friedliche Dorf bleibt, das es ist, hängt entscheidend davon ab, wie sehr sich seine Bewohner einmischen und einsetzen. Wir dürfen unter uns keine soziale Ungerechtigkeit zulassen, sondern müssen unsere Phantasie anstrengen, um Lösungen für die großen Probleme zu finden, die aus der Arbeitslosigkeit erwachsen. Der Rückzug ins Private ist das größte Verhängnis, das wir uns selber bereiten. Er ist das Gegenteil der Heiligkeit, ein Zeichen von Schwäche und Verantwortungslosigkeit.

Die Heiligen machen uns Mut, aus dem privaten Raum ins öffentliche und politische Leben einzutreten. Ihre Nähe zu Gott brachte sie in die Nähe zu den Menschen und machte sie zu einem Sauerteig, der die Gesellschaft von innen her mit Geschmack versah.

Unser Land hat Heilige gehabt und hat sie auch heute noch. Sie sind unsere wahren Vorbilder, sie spornen uns an und befreien unser Herz von Armut und Enge, auf daß auch wir unsere Berufung entdecken, Friedensstifter zu sein in dieser Welt.

3. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Der Gedenktag aller unserer Heiligen sagt uns, was das letzte Ziel unseres Lebens ist. Von diesem Ziel sprechen die Theologen in vergleichsweise dürren Worten wie „ewige Seligkeit“, „Gemeinschaft mit Gott“, „Schau Gottes“. Die Heiligen sind an diesem Ziel bereits angelangt, aber sie haben in ihrem Leben schon eine Fülle von Aspekten davon widergespiegelt.

"Ein Heiliger ist ein Mensch, durch den die Sonne scheint", hat einmal ein Kind gesagt. Es hatte nämlich vorher ein Kirchenfenster mit Heiligenfiguren gesehen und war erstaunt vom hellen Leuchten des Bildes, weil die Sonne es von außen bestrahlte und hindurchschien. Gott ist die Sonne unseres Lebens und will uns zum Leuchten bringen; und ein Heiliger ist, wer sich von dieser Sonne zum Leuchten bringen läßt, so daß andere es wahrnehmen können. Oder mit einem anderen Bild gesagt, das der heilige Franz von Sales geprägt hat: „Heilige sind die erklungene Symphonie, während das Evangelium die Partitur ist.“

Gott selbst ist der durch und durch Heilige, der Quell der Heiligkeit. Seine Schönheit und Herrlichkeit ist unermeßlich, sie ist schreckend und anziehend zugleich. Heute am Fest Allerheiligen erlaubt uns die Liturgie gleichsam einen Blick wie durch einen Spalt in den Himmel: eine große Schar aus allen Stämmen und Nationen, die niemand zählen kann, steht vor dem Thron Gottes – so die Vision des Johannes, die wir in der Lesung gehört haben. Die Heiligen singen das Lied der Rettung: „Lobpreis und Herrlichkeit, Weisheit und Dank, Ehre und Macht und Stärke unserem Gott in Ewigkeit.“

Dieser Blick nach oben, dieses anbetende Aufschauen zu Gott, ist für uns Menschen hier auf der Erde ganz wichtig. Es tut uns gut, unseren Geist zu erheben und immer mal wieder den Blick von all dem Ärgerlichen und Ermüdenden wegzuwenden, das unseren Alltag, auch den kirchlichen bestimmt. „Erhebt die Herzen!“ – „Wir haben sie beim Herrn!“ Das sind Worte, die zugleich eine unsichtbare Realität ausdrücken, die unserem sonst so platten oberflächlichen Leben erst die Tiefendimension gibt.

Dies soll jetzt schon in unserer Liturgie zum Ausdruck kommen, ja, sie soll ein Abbild der himmlischen Liturgie sein, von der wir in der Lesung gehört haben. Dazu ist es nötig, daß unser Gottesdienst nicht die Banalitäten des Alltags wiederholt, sondern sich wohltuend davon abhebt. Darum auch die vielen Zeichen und Symbole, der Blumenschmuck, die Kerzen und (manchmal wenigstens) der Weihrauch. Alle Dinge in der Kirche sollen ein Hinweis darauf sein, daß wir hier mehr tun als nur eine Versammlung abhalten und einer mehr oder weniger interessanten Rede zuzuhören. Wir feiern hier heiliges Geschehen und lassen uns beschenken von dem lebendigen Gott, der jetzt schon unter uns wohnt und den wir dereinst von Angesicht zu Angesicht schauen dürfen, wie die Heiligen, die im Himmel sind.

4. Predigtvorschlag

„Hauptsache gesund!“?

Wer ist ein glücklicher Mensch? Die Werbung und die Medien geben darauf eine eindeutige Antwort: Glücklich ist, wer gesund ist. „Hauptsache gesund!“ – so sagen mir immer wieder, vor allem ältere, Menschen. Sich gut zu fühlen, frei zu sein von großen oder auch kleinen körperlichen Beschwerden – wer möchte das nicht? Und ich gestehe: ich selbst möchte das natürlich auch. Morgens aufzustehen, ohne daß einem die Knochen weh tun – das ist schon etwas Wunderbares.

Heute feiern wir das Hochfest Allerheiligen. Dieses Fest führt uns eine unzählbar große Zahl von Menschen vor Augen, die alle eine Gemeinsamkeit haben: von ihnen allen sagen wir, daß sie glücklich sind. Doch wir müssen achtgeben. Denn hier meint „glücklich“ nicht einfach: sich gut fühlen. Oder rundum fit sein. Denn wenn „glücklich“ bedeutet: kerngesund und kraftstrotzend durchs Leben gehen, dann müßte Arnold Schwarzenegger, der Muskelprotz aus der Steiermark, einer der glücklichsten Menschen der Welt sein. Fragen können wir ihn im Moment leider nicht, aber wir dürfen vermuten, daß er als neugewählter Gouverneur von Kalifornien auch seine Probleme haben wird.

Und unsere Heiligen, an die wir heute denken? Da gibt es auch eine Menge supergesunder Gestalten, wie zum Beispiel der heilige Bonifatius, der noch mit 82 Jahren eine Missionsreise nach Friesland unternahm unternahm, oder der heilige Niklaus von Flüe, der 20 Jahre lang ohne Nahrung lebte und in seiner Klause auf einem Brett schlief. Diese Heiligen gibt es auch: Heilige, die unverwüstlich sind in ihrer Gesundheit.

Doch wenn wir genauer hinschauen, stellen wir etwas anderes fest. Wir stellen fest, daß viele, sehr viele Heilige über lange Zeit krank oder sogar schwerkrank gewesen sind. Schon Paulus spricht in seinem zweiten Korintherbrief von einem „Stachel“, der in seinem „Fleisch“ stecke (2 Kor 12,7), ein Hinweis wahrscheinlich auf eine schmerzhafte Krankheit, die ihn lange quälte. – Oder denken wir an eine Frau aus unserer Gegend, die demnächst seliggesprochen werden wird: Anna Katharina Emmerick. Viele Jahre ihres Lebens mußte sie im Bett liegend zubringen. Von ihr ist auch bekannt, daß sie die Wundmale des Herrn trug. Oder die heilige Therese von Lisieux, die schon mit 24 Jahren unter schlimmen Qualen starb. Oder ein heiliger Maximilian Kolbe, der nur noch mit einer Viertellunge atmete und dennoch ein gewaltiges Missionswerk aufbauen konnte, bevor er als Märtyrer im Konzentrationslager starb. Auch er war, medizinisch gesehen, ein sehr kranker Mann und alles andere als gesund. Und trotzdem gelten sie in unserem Glauben als „glücklich“. Ist das nicht seltsam?

Es ist seltsam. Es ist seltsam in einer Welt, in der uns die Werbung Menschen zeigt, die keine Falten im Gesicht haben, die mit fünfzig noch aussehen wie dreißig und die uns immer nur die eine Botschaft zurufen: Gesundheit, heute „wellness“ genannt, und Spaß sind Ziele, für die es sich lohnt zu leben und alles zu geben. Hast du wellness, hast du fun, bist du immer glücklich dran.

Wir durchschauen natürlich diese Botschaften als Werbetricks, weil wir eben auch die Wirklichkeit kennen, aber ein bißchen infiziert sind wir vermutlich doch von der Idee, die dahinter steckt. Und eine Angst ist dann da, die kaum laut ausgesprochen wird: die Angst davor, daß unser menschliches Leben einmal ein Ende haben wird.

Die Heiligen zeigen uns, wie wir dennoch oder gerade deswegen glücklich sein können. Denn auf die Heiligen trifft zu, was in den Seligpreisungen gesagt wird: „Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein“ (Mt 5,12). Die Seligpreisungen nennen all die Menschen glücklich, denen es nach unseren Maßstäben ganz und gar nicht gut geht: die Traurigen, die Hungrigen, die Verfolgten ... aber eines alle diese Menschen, etwas, was allein auf Dauer glücklich machen kann: sie alle wußten sich von Gott geliebt. Und das ist mehr als Gesundheit, mehr als Reichtum, mehr als Ansehen und Erfolg. Von Gott geliebt sein: das ist die beste und die eigentliche Definition von einem Heiligen.

5. Predigtvorschlag

Deutschland steckt in der Krise. Hohe Arbeitslosigkeit, unsichere Renten, Finanznot, ein kollabierendes Gesundheitswesen.

Reformenvorschläge werden heute vorgetragen und morgen verworfen, weil dies dem einen, jenes dem anderen nicht passt. Nichts kommt voran. Eine Partie blockiert die andere. Stillstand. Depression.

Woran mag das liegen? Viele weise Menschen analisieren die Fakten, beleuchten die Hintergründe, stellen Zusammenhänge her, diskutieren, schreiben, interviewen.
Dabei wird viel richtiges gesagt über die Gründe der Krise in Deutschland.

Ich möchte heute eine Analyse in den Raum stellen, die Sie wahrscheinlich noch nicht so vernommen haben in den Zeitungen, den Radiosendungen und Fernsehprogrammen der letzten Tage.
Eine Analyse, die mit dem heutigen Hochfest der Kirche zu tun hat, mit Allerheiligen.
Eine Analyse die von einem Priester stammt, der 1975 verstorben ist und im letzten Jahr heiliggesprochen wurde.

Ich mache mir ein Wort des Heiligen Josefmaria Escriva zu eigen, der einmal in seinem geistlichen Klassiker "Der Weg" schrieb:
Ein Geheimnis. - Ein offenes Geheimnis: Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen mangelt.

Das soll der Grund sein für die Krise in Deutschland: Dass es hierzulande an Heiligen mangelt.

Auch mir kam dieser Ausspruch anfangs erst einmal etwas gewagt, ja kühn vor. Aber im nachhinein, im Nachdenken darüber, wurde er mir immer plausibler.

Was sind denn Heilige?

Um uns dieser Frage zu nähern, sollten wir zu Beginn vielleicht klären, was Heilige auf jeden Fall nicht sind.

Heilige sind keine Übermenschen, die von Anfang an ein makelloses und gottesfürchtiges Leben führten. Leider gibt es solche Vorstellungen von unerreichbar abgehobenen Seligen und Heiligen. Von meinem Namenspatron dem Hl. Nikolaus, gibt es z. B. die - wie ich finde - schreckliche Legende, dass er schon als Baby freitags der Mutterbrust entsagte, um das Fastengebot zu erfüllen.

Nein, so sind Heilige nicht. Sie fallen nicht vom Himmel, sie reifen auf der Erde.

Heilige sind Menschen, wie Du und ich. Auch sie hatten Fehler. Ja, es gibt sogar große Sünder unter ihnen. Es gibt keine Heiligen, die nicht der Vergebung bedurften. Alle kämpften mit ihren Leidenschaften, Schwächen und Fehlern. So wie wir.

Was die Heiligen zu Heiligen macht, ist, dass sie mit beiden Beinen auf der Erde standen, gleichzeitig aber ihre Herzen zum Himmel erhoben.

Ihr Leben lebten sie in dieser Welt. Wie wir.
Ihr Leben lebten sie vereint mit Gott und für IHN. Wie wir?

Ein Geheimnis. - Ein offenes Geheimnis: Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen mangelt.

Die Heiligen vertrauten auf Gottes Hilfe, weil sie wussten, dass sie Unterstützung brauchten, dass sie nicht alles allein schaffen konnten.
Das steht im krassen Gegensatz zu einer Gesellschaft, die meint alles selbst schaffen zu können. "Macher" haben keine Hilfe nötig. Wer Hilfe braucht, ist in den Augen vieler heute ein Schwächling, ja, ein Schmarotzer.

Die Heiligen waren sich aber auch im Klaren, dass sie selbst ihr Leben in die Hand nehmen mussten.
Jeder und jede hat auf je eigene Weise dem Ruf Gottes im eigenen Leben entsprochen, als Einsiedler, Prediger, Missionar, Krankenpfleger, Ehefrau, Staatsmann. Die Facetten sind zahlreich, so bunt wie das Leben selber ist.

Die Heiligen wussten, dass Gott der Ursprung des Lebens ist. Des eigenen Lebens, aber auch des Lebens der anderen, der ganzen Schöpfung .
So wussten sie sich vor Gott verantwortlich, dass Leben als Geschenk anzunehmen und zu pflegen. Nie kam es ihnen in den Sinn, Menschen als "lebensunwert" abzustempeln. Oder gar Grenzen festzulegen, ab wann ein Mensch Leben darf oder wie lange.
Heilige werden diejenigen nicht werden, die der befruchteten menschlichen Eizelle oder dem Embryo die Menschenwürde absprechen oder unter dem Schleierwort der Euthanasie, der Tötung Alter und Kranker das Wort reden.

Die Heiligen wussten, dass sie nicht allein auf dieser Welt lebten. Das Wort Jesu "Liebe deinen Nächsten" war für sie keine fromme Worthülse.
Sie haben auf ihre Art versucht dieses Gebot in die Tat umzusetzen. Sei es indem sie Arme gespeist, Kranke gepflegt, Kinder unterrichtet oder sonst etwas getan haben. Im Nächsten erblickten sie immer wieder das Antlitz des Herrn. IHN suchten und fanden sie im Gegenüber.
Große gestalten unserer Geschichte waren auch gleichzeitig Heilige der Nächstenliebe. Das jüngste Beispiel ist Mutter Teresa.
All die caritativen Einrichtungen, die wir heutzutage hier in Europa kennen, gehen im Grunde auf das göttliche Gebot der Nächstenliebe zurück. Bei den Heiden gab es das in diesem Maße nicht.

Die Heiligen wussten auch immer, dass diese Welt nicht alles ist. Sie liebten diese Welt und gestalteten Sie nach Gottes Willen. Aber sie freuten sich auch auf das ewige Leben, auf die Erfüllung aller ihrer Sehnsüchte und Wünsche, auf die ewige Freude bei und mit dem barmherzigen Gott.
Heute so scheint es vergöttern die einen diese Welt und suchen immer und immer wieder den neuen Nervenkitzel, sind süchtig nach Fun und Action. Das Wort von der Spaßgesellschaft macht die Runde. Nach mir die Sintflut, Hauptsache ich habe meinen Spaß!
Andere, weil sie nur diese Welt sehen, wirken verängstlicht, suchen nach Orientierung und Sinn. Vielleicht ist es diese innere Verzweiflung am Sein, dass es nur noch wenige Eltern gibt, die in unserem Land Kindern das Leben schenken und diese erziehen wollen.

Ein Geheimnis. - Ein offenes Geheimnis: Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen mangelt.
Unsere Gesellschaft ist krank. Das stimmt.
Vielleicht liegt es daran, dass sie gottlos geworden ist. Nicht einmal unbedingt aus böser Absicht. Viele sind Gott wirklich einfach los geworden, kennen ihn nicht mehr, wissen nicht mehr wer der Ursprung von allem ist.

Die Heiligen waren so etwas wie Fenster, die durchlässig waren für Gott. Durch ihr Leben traf immer wieder der Schein des Allmächtigen auf diese Erde. Und häufig hatten große Reformen in der Kirche und in der Welt ihren Ausgangspunkt im Wirken eines Heiligen oder einer Heiligen.

Ein Geheimnis. - Ein offenes Geheimnis: Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen mangelt.
Die Diagnose des Hl. Josefmaria scheint zu stimmen.
Was aber ist dann die Therapie?
Schlicht und einfach das, was uns die Hl. Schrift und auch das 2. Vatikanische Konzil immer wieder ans Herz legt:
"WERDET HEILIGE"
"Lebt und sucht die Heiligkeit, dass heißt lebt euren Alltag mit Gott. Steht mit beiden Beinen auf der Erde, aber macht Euer Herz im Himmel fest!"

Nachhaltigkeit ist ein weiteres Wort, das in diesen Tag oft von Politikern gebraucht wird. Es soll besagen, dass das Tun von Heute auch vor dem Morgen Bestand haben kann.
Auch darin sind uns die Heiligen ein Vorbild.
So ist zum Beispiel das Leben und Lehren des Heiligen Vinzenz von Paul für uns hier im Prosperhospital von großer Bedeutung.
Ohne diesen Heiligen gäbe es unsere Clemensschwestern nicht, denn ihr Stifter - Clemens August Droste zu Vischering - war vom caritativen Engagement des Heilgen so sehr angetan, dass er nach dessen Vorbild im Jahre 1808 - also vor 195 Jahren - eine Gemeinschaft von Schwestern ins Leben rief, die sich der Krankenpflege widmen sollte. Der Gründungstag war das Fest Allerheiligen.
Aus dieser Kongregation ist selber eine Selige hervorgegangen: Maria Euthymia. Wenn das kein Beweis für Nachhaltigkeit ist.
Wir alle hier im Haus - ob als Patienten oder Mitarbeiter - sind froh, dass wir sie haben. Danke für Ihre Arbeit und Ihr Gebet.

Ich möchte nun diese kleine Statue von Sr. Euthymia segnen. Sie soll uns an ein Ansporn sein, die Heiligkeit zu suchen. Wenn alle so lebten wie sie, gäbe es weniger Krisen...

6. Predigtvorschlag

Wie gehen wir Menschen nur miteinander um?

Menschen verschiedener Nationen können nicht in Frieden miteinander leben. Sie arbeiten gegeneinander, bekämpfen sich, führen Kriege. Der Nahe Osten ist so ein Beispiel...

Wie gehen wir Menschen nur miteinander um?

Menschen werden blind für den Wert des anderen Menschen, suchen nur ihren Vorteil, bleiben kleben an ihren dumpfen Vorurteilen. Der Rechtsextremismus ist so ein Beispiel...

Wie gehen wir Menschen nur miteinander um?

Menschen werden in unserer Gesellschaft hochgejubelt, geraten unter Druck und Erfolgszwang, der krank macht. Doch dann werden sie fallen gelassen. Hilfe und Solidarität bleiben nur Lippenbekenntnisse. Der Fall Christoph Daum scheint so ein Beispiel zu werden...

So gehen wir Menschen miteinander um.

Auch bei allen Gegenbeispielen, wo menschliches Miteinander gelingt:
Es bleibt ein dunkler Schatten auf der Menschheit.

Und es bleibt eine große Sehnsucht in den Herzen der Menschen: Eine Sehnsucht nach Frieden, nach Solidarität, nach Gemeinschaft über alle Grenzen hinweg.

Ein Traum, ein Luftschloss, ein Hirngespinst?

Auch die Kirche träumt diesen Traum einer Verbundenheit aller Menschen in Liebe und Friede.
Die Vision aus der Offenbarung des Johannes gerade eben in der Lesung ist ein Zeugnis dafür:
Danach sah ich eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen...

Nur eine Vision, nur ein schöner Gedanke?

Nein. Es mag für viele anmaßend klingen, aber in der Kirche ist eine solche Gemeinschaft schon anfanghaft verwirklicht.
Denn es gibt etwas, dass alle Glieder der Kirche untrennbar miteinander verbindet.
Die Verbundenheit mit Christus - von daher kommt die Verbundenheit auch untereinander.
Das ist Kirche. Das ist die Gemeinschaft der Heiligen.

Die Kirche versteht sich als lebendiger Organismus, dessen lebenspendendes Haupt Christus ist und dessen Glieder in gegenseitiger Abhängigkeit stehen: verschieden zwar in ihren Funktionen, doch Teil des einen Leibes.

Keine einzelne, kein einzelner steht isoliert da. Jeder und jede ist Kirche, aber niemals allein und für sich allein. Alle leben aus der Kirche und tragen zum Leben der Kirche bei.

Die Gemeinschaft der Heiligen übersteigt Raum und Zeit.

Die Kirche lebt hier in Epe und in den entlegensten Winkeln der Welt.
Wenn wir hier Eucharistie feiern, dann wissen wir uns auch verbunden mit unseren Partnern in Brasilien und Uganda. Aber das ist nicht nur eine Verbundenheit in den Gedanken.
Nein, sie ist viel größer. Egal ob in Deutschland, Brasilien oder Uganda - in der Kommunion empfangen wir alle den Leib des Herrn. Und so werden wir zu einem Leib, werden wir zu einem Christus.

Auch die Gemeinschaft des Gebetes ist ein starkes Band untereinander. Im Gebet können wir solidarisch eintreten für andere. Und dieses Gebet hat Kraft:

Der Hl. Augustinus wäre nicht der große Kirchenlehrer und Seelenhirte geworden, wenn nicht seine Mutter um seine Bekehrung gebetet hätte.

Und die Kirche hätte keinen Paulus hervorgebracht, hätte Stephanus nicht für diesen Saulus aus Tarsus gebetet, der ihn steinigen ließ.

Und wenn wir hier in den Gottesdiensten für Kranke, Sterbende oder für andere Menschen und Anliegen beten, dann kommt dieses Gebet den anderen wirklich zugute, als Stärkung, als Trost, als Hilfe. Hoffentlich glauben wir das auch.

Die Gemeinschaft der Kirche überwindet sogar die Grenze des Todes. Es gibt die Kirche auf der Erde, uns. Die sogenannte streitende Kirche.
Und es gibt die Kirche im Himmel, die Heiligen, alle die bei Gott sind. Die sogenannte triumphierende Kirche.

Während wir für unsere Verstorbenen mit Gebet eintreten können - z. B. durch Messintentionen, treten die Glieder der himmlischen Kirche für uns ein. Ja, wir sind aufgerufen ihre Fürsprache in Anspruch zu nehmen.

Die Vision einer großen Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen ist nicht nur unerreichbare Zukunftsmusik. Sie ist auch Realität.

Wie gehen wir Menschen nur miteinander um?

Die Welt sähe anders aus, wenn alle sich in Christus miteinander verbunden fühlten.
Dem ist aber nicht so.
Um so größer und schöner ist unsere Verantwortung als Gemeinschaft der Kirche für die Gemeinschaft der Welt.

Die Aufgabe der Kirche ist, Zeichen und Werkzeug zu sein für die Einheit der Menschen mit Gott und untereinander.

Ein alter christlicher Schriftsteller hat das so ausgedrückt:
Was die Seele für den Leib, das sind die Christen für die Welt.

Ohne die Kirche -trotz all ihrer Fehler- ohne die Gemeinschaft der Heiligen wäre diese Welt seelenlos.

Wie gehen wir Menschen nur miteinander um?

Wir würden anders miteinander umgehen, wenn wir uns wirklich mit Christus verbänden und so die Gemeinschaft der Heiligen ernstnähmen.

So wie es die Heiligen der Kirche getan haben. Sie haben sich an Gott gebunden und den Nächsten mit Gebet und Tat zur Seite gestanden.
Das Beispiel der Heiligen kann uns lehren, wie wir miteinander umgehen sollten, gerade die Heiligen der Nächstenliebe.

Das Beispiel der Heiligen kann uns ermahnen, umzukehren, wo wir uns von Christus und der Kirche getrennt haben -gerade in diesem Heiligen Jahr.

Die Fürsprache der Heiligen wird uns helfen, wenn wir sie in Anspruch nehmen.

7. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

als ich Student in Augsburg war, starb der Gründer des Opus Dei, José Maria Escriva de Balaguer. Wenig später baten die Mitglieder des Opus Dei, Wunderberichte und Gebetserhörungen zu melden - damit ein Selig- oder Heiligsprechungsverfahren eingeleitet werden könne. Ein Studienfreund von mir, Otto-Michael Schneider, schrieb auch sofort. Er berichtete dort, dass er jedes mal, wenn er von Augsburg nach München fuhr, den Verstorbenen Spanier um seine Mithilfe bei der Suche nach einem Parkplatz angerufen hätte - und immer auf Anhieb einen freien Platz gefunden hätte. "Wer die Parkplatzsituation in München kennt", so schloss sein Bericht, der auch tatsächlich abgedruckt wurde, "kann nicht umhin, darin ein echtes Wunder zu sehen."

Seitdem ist der Heilige José-Maria (denn inzwischen ist er tatsächlich schon heilig gesprochen worden - aber nicht aufgrund des Parkplatz-Wunders) mein ständiger Wegbegleiter in fremden Städten, wenn es darum geht, mein Auto zu parken. Vor allem in italienischen Städten ist er wunderbar effektiv: Sowohl mitten in der Innenstadt von Turin, von Bologna oder Mailand habe ich - nach einem kurzen Gebet zu ihm - sofort einen freien Platz gefunden - und das in Turin sogar während einer Demonstration zur Hauptverkehrszeit - direkt vor einem Hotel.

Vielleicht liegt es daran, dass dieser Heilige einen solch langen Namen hat, den sich kaum jemand merken kann (ich wiederhole zum Mitschreiben: "José-Maria Escriva-de-Balaguer"), dass nicht schon längst jeder bei der Suche nach einem Parkplatz ihn um seine Fürsprache bittet.

Vielleicht liegt es aber auch an unserer verlorengegangenen Beziehung zu den Heiligen und unserm mangelnden Vertrauen in ihre Wirksamkeit. Wir leben nur noch sehr unbewusst in der "Gemeinschaft der Heiligen", wie wir sie gleich im Glaubensbekenntnis wieder bekennen. Unsere Kinder kennen kaum noch ihre Namenspatrone, feiern ihren Namenstag nicht mehr (vermutlich, weil sie den Termin nicht kennen) und verzichten gerne auf deren Hilfe und Fürsprache. Während unsere Vorfahren noch genau wussten, welcher Heilige bei welcher Gelegenheit die besten Beziehungen hat, kennen wir vielleicht noch den Heiligen Antonius, der uns beim Suchen von Schlüsseln hilft, und den Heiligen Florian, der für die Feuerwehr zuständig ist.

Die vielen Nothelfer (es sind weitaus mehr als 14) sind heute arbeitslos. Der Himmel wird nicht mehr eingespannt, wenn wir Sorgen haben, und wenn wir beten, dann beten wir allein - ohne die heiligen Fürsprecher. Unser Alltag wird zunehmend gottferner.

Natürlich steckt in der Anrufung der Heiligen auch ein ganzes Stück Volksglauben - manchmal nahe am Heidentum. Aber wir haben die Heiligen ja nicht entfernt, weil unsere Gottesbeziehung enger geworden ist. Vielmehr sind wir sosehr belastet mit allem Möglichen, dass wir kaum noch Zeit finden - kaum noch für Gott, schon gar nicht mehr für die Heiligen. Dabei wäre eine gesunde Heiligenverehrung keine Zeitverschwendung, sondern ein Zeitgewinn: Wieviel Zeit verbringen im Beten ungeübte Menschen mit der Parkplatzsuche, während ich in der Zeit in Ruhe einen Rosenkranz beten kann? Wieviel Zeit verbringen Menschen mit der Suche nach einem Schlüssel oder den Fahrzeugpapieren, während glaubende Menschen schon längst das Te Deum singen - und trotzdem noch Zeit übrig haben.

Liebe Schwestern und Brüder: Testen Sie die Heiligen; leben Sie mit den Heiligen und ihren Fähigkeiten. Die wollen beschäftigt sein! Und uns bleibt viel Stress erspart, wenn wir einiges von dem, was uns so beschäftigt, an diese großartige Gemeinschaft abgeben.

Und wenn Sie dann jemand fragt, woher sie all diese Ruhe und die viele Zeit nehmen, dann lächeln Sie weise und sagen: "Tja, man muss eben Beziehungen haben."

Amen.

8. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

So wie es auf Soldaten-Friedhöfen manchmal eine Gedenkstätte für den "unbekannten Soldaten" gibt, so gab es im Pantheon in Rom, in dem alle Götter der von Rom unterworfenen Völker einen Opferaltar hatten, einen Altar für den "unbekannten" Gott. Vielleicht gab es ja noch Götter, die keiner kennt - auch ihrer wollte man gedenken.

So gedenken wir am Fest Allerheiligen vor allem an die Heiligen, die wir im Jahresverlauf nicht ausdrücklich feiern, an die vielleicht niemand in dieser Welt noch denkt.

Die Frage ist nur - warum tun wir das? Dem unbekannten Soldaten wollen wir mit unseren Gebeten den Weg in den Himmel ebnen; während für andere Soldaten vielleicht ganze Generationen noch Gebete gen Himmel schicken, haben andere vielleicht keine Angehörigen. So können wir denen noch Gutes zuteil werden lassen, der im Krieg alles andere verloren hat.

Dem unbekannten Gott wird geopfert, weil man sich von den Göttern Hilfe und Unterstützung erhoffte, von benachteiligten Göttern aber auch Racheakte befürchtete. Der Altar für den unbekannten Gott war so eine Art Versicherung - kein Gott konnte wirklich sauer sein, er hatte ja seinen eigenen Altar.

Warum aber gedenken wir an die Heiligen, die bei Gott sind, aber hier auf Erden von niemanden mehr gekannt werden? Sie sind nicht auf unsere Verehrung angewiesen. Sie sind bei Gott und brauchen unsere Hilfe nicht mehr. Und vor allem: Sie werden auch nicht sauer, wenn man sie vergisst. Gott allein genügt ihnen.

Warum also das Fest Allerheiligen? Nun, weil wir noch Hilfe brauchen. Im Gegensatz zu den Friedhöfen dieser Welt und auch den Götterbildern der Antike sind wir nicht die gebenden, sondern die empfangenden. Die Heiligen haben ein Leben lang versucht, durch ihr Leben Menschen zu Gott zu führen, sie mit ihm zu versöhnen und für sich und andere Gnade zu finden. Warum sollten sie jetzt, da sie bei Gott sind, damit aufhören? Es ist ja gerade die Seligkeit, nicht für sich zu leben, sondern sein Leben hinzugeben.

Das haben alle Heiligen schon auf Erden als Seligkeit erfahren. Das hat sie glücklich gemacht - nicht erst im Himmel, sondern schon hier. Und dieses Glück wird ihnen von Gott nicht genommen, sondern in erhöhtem Maße geschenkt: Die Heiligen sind weiterhin Menschen, die versöhnen, heilen und helfen wollen.

Es wäre schade, eine solche Hilfe auszuschlagen. Bitten sie die Heiligen, ihr Namenspatrone zu allererst, die 14 Nothelfer und unsere liebe Seligen. Erzählen sie den Tagesheiligen ihre Hoffnungen und Ängste, und vergessen sie zwischendurch nicht die Engel und Schutzgeister. Und - nicht nur am Fest Allerheiligen - rufen sie alle, die sonst nicht ausdrücklich genannt werden, um ihren Beistand an. Es gibt genug Heilige, die darauf brennen, Gutes zu tun.

Am Fest Allerheiligen sind wir die Empfangenden. Wir gedenken nicht nur an eine unbekannte Menge von Menschen, die wir auch nie kennenlernen werden. Sondern wir rufen die an, die sich vielleicht ein Leben lang zu uns gesellen werden. Wer Allerheiligen feiert, ist nie allein.

Beschäftigen sie den ganzen himmlischen Hofstaat mit Aufträgen und Angeboten, mit Bitten und Dank. Es ist allen Heiligen ein Vergnügen, für Sie da zu sein.

Amen.

9. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, «Wie kommen wir in den Himmel?» Das ist eine Frage, die schon seit Jahrhunderten katholisch und evangelisch trennt. Wodurch wird der Mensch so gerechtfertigt vor Gott, dass er in den Himmel darf?

Am Reformationstag 1999 wurde ein Dokument unterschrieben, dass diesen alten Streit beilegen soll. Ein Vertreter der ökumenischen Kongregation des Vatikans und ein Vertreter des lutherischen Weltbundes haben ihre Unterschrift unter diese gemeinsame Feststellung gesetzt.

Martin Luther, den diese Frage nach der Eintrittskarte in den Himmel über Jahre hinweg schwer belastet hat, kam eines Tages auf die genial einfache Antwort: «Allein dadurch, dass der Mensch glaubt, wird er gerecht vor Gott.» Dieser Glaube ist nach Luther nicht etwas, das der Mensch tut. Er ist ein unverdientes Geschenk Gottes. Nach Luther ist der Mensch nicht in der Lage ist, irgendetwas wirklich Gutes zu tun.
Luther grenzte sich damit gegen die katholische Lehre ab, die davon ausgeht, dass der Mensch durch die Gnade Gottes befähigt wird, mit Gott zusammenzuwirken, also aktiv zu werden. Diese Zusammenarbeit mit Gottes Gnade ist in der katholischen Kirche von höchster Bedeutung:

Wir alle gehören allein schon durch unseren Glauben zu den Heiligen Gottes. Ganz ohne Vorleistungen. Paulus bezeichnet alle Christen als «die Heiligen, die zu Gott gehören.» Allerdings ist diese Gabe mit einer Aufgabe verbunden: Wir können diese Heiligkeit bewahren und darin wachsen, indem wir mit Gott aktiv werden.
Die Armen, die im heutigen Evangelium genannt werden, sind nicht deshalb schon selig, weil sie arm sind; die Verfolgten nicht schon deshalb, weil sie verfolgt sind. Selig ist, wer zu Armut und Verfolgung ja sagen kann - und sich darüber sogar freuen kann, weil er so Christus ähnlicher wird. Selig sind wir, wenn wir uns in der Demut üben, in der Einfachheit, in der Freude am Guten.
Das aber setzt höchste Aktivität voraus! Das ist nicht einfach; das kostet innere Überwindung und geistliche Arbeit. Aber wir können das, weil Gott uns dazu seinen Hilfe zugesichert hat. Genau das ist Mitwirkung mit der Gnade.

Luther aber lehnt jede Form dieser Mitwirkung ab. Der Mensch kann zu seinem Heil nichts dazutun; dafür ist er zu schlecht und unfähig. Vermutlich ist Luther zu dieser seltsamen Ansicht gekommen, weil er nur die äußeren Formen der Mitwirkung kennengelernt hat: Wallfahrten, Ablässe, Prozessionen, Andachten, Gottesdienste und so weiter.
Alles das sind aber nur Dinge an der Oberfläche. Diese Dinge zu tun, heißt noch nicht, ein aktiver Christ zu sein! Ich werde erst dann zum aktiven Heiligen im eigentlichen Sinne, wenn ich das alles Füllen kann: Mit Gebet, mit Freude und mit Hingabe. Vielleicht sind die oberflächlichen Christen zur Zeit Luthers mit schuld daran, dass Luther alle diese hohl gewordenen Formen verwirft - und darüber hinaus sogar jeglicher Form christlichen Tuns die Heilsbedeutung nimmt.

Liebe Schwestern und Brüder, wir werden erst dann zu einer echten Einheit der Kirchen kommen, wenn wir den Anlass für dieses Missverständnis beseitigen: Den leeren, oberflächlich gelebten Glauben. Erst, wenn wir deutlich machen, dass auch für uns aktiver Glaube vor allem inneres Tun meint, können die Vorurteile abgebaut werden.

243 evangelische Theologie-Professoren haben der gemeinsamen Feststellung, die damals unterzeichnet worden ist, ihre Zustimmung verweigert und einen Verzicht der Unterschrift gefordert haben. 243 evangelische Theologie-Professoren in Deutschland - das sind so gut wie alle. Bis zur Einheit der christlichen Kirche ist es noch ein langer Weg.
Der Beginn ist aber gemacht. Und das Hochfest Allerheiligen sollte eigentlich verdeutlichen, was immer schon unser gemeinsamer Glaube gewesen ist: Wir werden nicht heilig, indem wir uns unseren Gott verdienen. Wir sind schon heilig, weil Gott uns angenommen hat als seine Kinder.

Amen.

10. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Allerheiligen, das ist so etwas wie die Vollversammlung der Christen: Alle, die wir zu Christus gehören, sind zum Fest geladen: ob große Heilige oder kleine Selige, ob in den irdischen Büchern verzeichnet oder längst vergessen: Wir alle sind gemeint mit dem Fest aller Heiligen; denn auch wir sind berufen, Heilige zu sein. Wir haben etwas gemeinsam, und das feiern wir.

Wir haben gemeinsam, dass wir, wie es in der Lesung heißt, reingewaschen sind durch das Blut des Lammes - also dadurch, das Jesus für uns am Kreuz gestorben sind. Johannes, der gerne wissen möchte, wer denn die Erlösten, die Heiligen in den weißen Gewändern sind, bekommt nicht als Antwort deren Lebensgeschichte - denn die ist so verschieden, wie die Zeiten, in denen sie gelebt habe. Was für unsere Heiligkeit zählt, ist nicht das Weltbewegende unseres Lebens - sondern unser Bad im Blut das Lammes - in der Taufe. Wir sind auf Jesu Tod und Auferstehung getauft - und damit gehören wir zu den Heiligen.
Sie alle bekennen: Die Rettung kommt von unserem Gott! Sie berufen sich eben nicht auf ihr vorbildhaftes Leben - sondern allein auf Gott. Er hat in ihnen gewirkt, er hat sich in ihrem Leben gezeigt.

Allerdings gibt es schon einen Unterschiede zwischen den Heiligen, die uns vorausgegangen sind, und uns. Die Heiligkeit ist zwar immer nur ein Geschenk, ein Tun Gottes - aber wir können dieses Geschenk verlieren. Das verehren wir an den Heiligen: Das sie in der Bedrängnis standhaft geblieben sind. Und darum bitten wir sie für unser Leben: Das auch wir nicht verlieren, was Gott uns schenkt.

In den Seligpreisungen des Evangeliums nennt Jesus uns Prüfsteine, in denen auch wir unsere Heiligkeit verlieren können - oder auch festigen und bewahren:
Selig die arm sind - ein Prüfstein: Denn Armut kann zur Bitterkeit führen, zu Neid und Habgier. Gott schenkt uns aber Freude am Guten, so dass wir auf jeden Besitz verzichten können.
Selig die Trauernden - ein Prüfstein: Denn wer trauert, kann sich selbst bemitleiden, in Resignation oder Verzweiflung abdriften. Gott hat uns aber eine Hoffnung gegeben, dass nichts verloren geht, was auch Gott lieb und teuer ist.
Selig die keine Gewalt anwenden - auch ein Prüfstein: die Friedfertigen können zum willenlosen Opfer werden, zum Spottobjekt und zum Feigling gestempelt werden. Gott hat uns aber gezeigt, dass er allein Herr des Gerichtes ist; uns hat er verziehen, unser ist es also, Verzeihung zu schenken.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit - ein letzter Prüfstein: sie sind nämlich versucht, sich selbst zum Maßstab der Dinge zu machen, mit falschen Mitteln Gutes zu bewirken und darin unterzugehen. Gott hat uns versprochen, dass er derjenige ist, der Böse straft und Gute belohnt.

In den Heiligen, so glauben wir, haben wir Fürsprecher bei Gott, die uns helfen, ebenfalls selig zu werden: Uns die Barmherzigkeit zu bewahren, weil Gott zu uns barmherzig war; uns ein reines Herz zu bewahren, weil Gott uns reingewaschen hat; uns als Friedensstifter zu bewahren, denn auch Gott hat mit uns Frieden geschlossen; und zuletzt: Uns in jeder Bedrängnis zu bewahren - denn auch Gott ist für uns durch Kreuz und Leid gegangen.

Freut Euch und jubelt: Wir sind beschenkt durch Gott und dazu berufen, mit allen Heiligen um Gottes Thron zu stehen. Wir werden nicht Heilige zweiter Klasse, nicht Selige auf den billigen Plätzen sein. Wenn wir Gottes Einladung bewahren, sein Geschenk an uns lebendig erhalten, dann haben wir mit allen Heiligen gemeinsam, dass wir ein Fest feiern können ohne Ende.

Amen.

11. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

In vielen anderen Gemeinden ist es etwas sehr Theoretisches, über Heilige zu predigen. Manche Heilige muss man lang und breit vorstellen, damit die Gemeinde ein Bild von dieser Person bekommt.
Hier in Halverde ist das etwas einfacher. Da reicht eigentlich ein Verweis auf Schwester Maria Euthymia aus - und jeder weiß sofort Bescheid: Ja, das war eine heiligmäßige Person.

Aber - und diese Frage müssen Sie mir zugestehen: Was war nun wirklich so besonders an Ihr? - Gut: Sie hatte eine natürlich Begabung, es allen recht zu machen. Das war Ihr Wesen, aber das hat sie sich nicht ausgesucht. Das war auch eigentlich kein Verdienst, also etwas, das Grund gewesen wäre, sie zu verehren.

Wir alle haben solche natürliche Begabungen. Geduld, Durchsetzungskraft, Humor, Intelligenz - vielleicht auch ein gutes Aussehen. Ganz unterschiedliche Eigenschaften, und von den meisten unserer Charakterzüge kann man eigentlich nicht sagen, ob sie gut oder schlecht sind. Sie sind so, wie sie sind und sie machen mich aus.

Nehmen wir zum Beispiel die Intelligenz. Von einem Albertus Magnus, der vor 500 Jahren lebte, konnte man sagen, dass er das ganze Wissen seiner Zeit im Kopf hatte. Damit kann man bei Günter Jauch Millionär werden, man kann Heiliger werden (so, wie Albertus Magnus es dann auch geworden ist) - oder ein gerissene Politiker, Top-Terrorist oder Sektenführer. Die sind auch nicht dumm. Um Terrorist zu werden, muss man schon einiges auf dem Kasten haben.
Intelligenz sagt also noch gar nichts. Das gleiche gilt auch für das Gegenteil: Die Heilige Bernadette Soubirou sagt von sich, dass sie das dümmste Mädchen in ganz Lourdes gewesen ist. Hätte Maria nur eine andere Person gefunden, die noch dümmer gewesen wäre, so wäre sie diesem anderen erschienen. Mit mangelnder Intelligenz kann ich eine Heilige werden oder ein Neonazi.
Noch ein Beispiel? Ein Heiliger Ignatius war durch seine strenge Disziplin der ideale Ordensgründer - er hätte aber genauso gut auch einen General und Kriegsherren erster Wahl abgegeben. Strenge Disziplin kann ein Weg zum Himmel sein oder die Hölle auf Erden entfachen.
Ein Mensch, der sich sehr schnell begeistert, kann zum Choleriker werden, der mit seinen Wutausbrüchen seine Umwelt schikaniert - oder zu einem Prediger, der die Massen bekehrt.

Liebe Schwestern und Brüder, es kommt nicht darauf an, wie Gott mich geschaffen hat und wer ich bin. Sie alle sind aus dem Holz, aus dem man Heilige schnitzt. Die Frage ist allein, von wem Sie sich bearbeiten lassen. Wem Sie mit ihren Gaben, die Sie ohne Zweifel haben, dienen wollen. Gott, Ihrem Schöpfer, oder sich selbst? Ihrer Eitelkeit? Ihrer Ichsucht?

Schwester Maria Euthymia hatte eine besondere Eigenschaft, die sie auszeichnete. Genauso wie Sie alle eine Eigenschaft haben, die Sie auszeichnet. Was wir an Emma Üffing aber verehren, ist, dass sie ihre Begabung, ganz im Dasein für andere aufzugehen, allein in Dienst Gottes gestellt hat.

Das macht Sie aus - und, mit Verlaub, das kann jeder. Aber es tut nicht jeder.

Keiner von Ihnen muss eine einmalige Finesse entwickeln. Bleiben Sie, wie Sie sind. Ändern sie nicht ihren Katalog an Charaktereigenschaften. Der ist schon in Ordnung, sonst hätte Gott sie nicht so geschaffen. Nur: Richten Sie sich mit jeder Faser Ihres Seins auf Gott aus. Wenn Sie alles, was Sie sind, in den Dienst Gottes stellen, sind Sie ein Heiliger - eine Heilige. Das ist nicht ganz einfach, manchmal sogar so frustrierend, dass wir aufgeben und Gott kritisieren: «Also, bei mir musst Du etwas falsch gemacht haben. Ich bin nicht zum Heiligen geboren».

Damit können Sie Gott nicht kommen. Auf eine solche unqualifizierte Bemerkung lässt der sich gar nicht ein. Er weiß: Sie sind zum Heiligen geboren. Lassen Sie etwas aus sich machen. Wir sehen uns im Himmel.

Amen.

12. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Vor einiger Zeit habe ich bei Theissen (unserem Dorf-Gasthof) mit einem älteren Herrn gesprochen, der nicht aus unserem Dorf kam. Und im Laufe des Gesprächs fragte er mich, ob das denn in unserer Gemeinde auch so sei, dass die jüngeren Generationen kaum noch zur Kirche kommen. Und er beklagte sich darüber, wie sehr doch das Bewusstsein schwindet, dass unser Glaube lebenswichtig sei.

Ich habe ihn gefragt, wann er denn das letzte Mal beichten gewesen ist. Mit dieser Frage hat er nicht gerechnet, und er fragte sich - wahrscheinlich genauso wie Sie - was denn das eine mit dem anderen zu tun hat.

Nun - warum sollen wir denn zur Kirche gehen? Und warum soll unser Glaube denn lebenswichtig sein? Wir können doch genauso gut und genauso bequem ohne Gott leben.

Naja - genauso bequem können wir sicher ohne Gott leben - vielleicht sogar noch etwas bequemer. Aber auf keinen Fall können wir genauso gut ohne Gott leben.

Es ist die Erfahrung eines jeden Menschen, der sich ganz unbefangen wahrnimmt, dass wir zum Schlechten neigen. Dass wir immer wieder der Versuchung zum Bösen erliegen. Eine der Grundbefindlichkeiten das Menschen ist seine Erlösungsbedürftigkeit. Wir können gesund werden durch die Medizin, geistig gesund durch Psychologie, reich durch Wirtschaft, und klug durch die Geisteswissenschaften, technisch versiert durch die Naturwissenschaften.
Aber zu guten Menschen, zu Menschen, die fähig sind, für andere zum Geschenk zu werden, werden wir allein durch Gott. Allein durch Gott! Wir brauchen Gott, um mit unserer Schuld leben zu können, wir sind auf Gott angewiesen, um uns aus den Verstrickungen des Bösen zu lösen. Wir haben nicht die Kraft, das Gute, das wir manchmal sehr wohl erkennen, auch zu tun. Wir bekommen diese Kraft allein von Gott.

Deshalb ist der Glaube, ist Gott für uns so dringend notwendig. Ohne Gott kann weder ich noch die ganze Menschheit die Schuld, unsere Fehlerhaftigkeit hinter sich lassen. Ohne Gott wird der Mensch dem Mensch zum Wolf.

Deshalb die Beichte: Ohne Vergebung komme ich mit meinem Leben nicht mehr klar. Schuld führt zu neuer Schuld und zum Versagen.
Deshalb der wöchentliche Gottesdienst: Ich brauche die Gemeinschaft mit Gott, seine Nähe, die Kommunion - der Verbindung mit Gott. Sonst fehlt mir die Kraft zum Guten. Ich brauch die Vergebung und ich brauche die Stärkung.

Unser Glaube hängt wesentlich von glaubwürdigen Vermittlern ab. Vermitteln Sie den Grund, weshalb wir Glauben: Unsere Erlösungsbedürftigkeit? Gestehen Sie Ihren Kindern und Mitchristen ein, dass sie immer wieder Gottes Vergebung brauchen, um zu leben?

Wir leben unseren Kindern nur noch den Glauben vor - aber verschweigen Ihnen den Grund, weshalb wir glauben. Und dann wundern wir uns, dass sie uns durchschauen. Wir können wir uns über die schwindende Religiösität der jüngeren Generation beklagen, wenn wir unsere Kinder zu Erstbeichte gehen, sie vielleicht sogar noch über Jahren immer wieder zum Beichten schicken, aber selber gar nicht mehr wissen, wann unsere letzte Beichte war? Nennen Sie das glaubwürdig?

Der Vorwurf der Jugend, wir würden in vielen Punkten nur aus Tradition noch glauben, ist gar nicht so verfehlt. Denn den wahren Grund unseres Glaubens, unsere Erlösungsbedürftigkeit, nehmen wir ja selbst nicht mehr ernst. Alles andere ist dann nur noch reine Konservierung und bloßes Brauchtum.

Vielleicht erinnern Sie sich, dass ich im letzten Jahr häufig von der Beichte gesprochen habe, Sie gebeten habe, doch den Weg zum Bußsakrament zurückzufinden. Ich bilde mir nicht ein, dass wenn alle wieder beichten gehen, unsere Glaubenskrise beendet wäre.

Aber wer vor sich selbst und vor anderen nicht eingestehen kann, dass er ein Sünder ist und Gott braucht, sich nach seiner Vergebung sehnt - wer den Grund unseres Glaubens nicht lebt, der darf sich nicht beklagen. Und es ist auch nicht damit getan, dass man auf einen Pastor wartet, der sich um die Jugend kümmert.

An Allerheiligen denken wir nicht an die perfekten Heiligen. Die gibt es nicht. Sondern wir denken an die, die «ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht haben.», also an die, die genauso wie wir den täglich Dreck am Stecken hatten, aber bei Gott die reinigenden Verzeihung erhalten haben.

Die Heiligen, unsere Vorbilder im Glauben, sind Menschen mit Fehlern, die allein auf die Gnade Gottes gebaut haben.

Und die Vorbilder, die die Kirche von Morgen braucht, sind wir: Heilige, mit vielen Fehlern, die aber von der Verzeihung Gottes leben. Gestehen wir das vor unseren Kindern ein?

Amen.

Fürbitten