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Predigtvorschläge - 04. Sonntag der Fastenzeit (Lesejahr B)
1. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2021)

Das Gedächtnis nicht verlieren

Können Sie sich vorstellen, Sie verlieren Ihr Gedächtnis?

Wir alle kennen wohl Menschen, die dieses Schicksal trifft: sie verlieren nach und nach ihr Gedächtnis, sie werden orientierungslos, sie erkennen eigene Angehörige nicht wieder, sie sind hilflos.

Das ist ein schlimmes Leiden, und die allermeisten wünschen sich, noch im hohen Alter klar bei Verstand zu sein.

Und können Sie sich nun vorstellen, eine Gesellschaft verliert ihr Gedächtnis?

Eine große Katastrophe ist vor einigen Jahren über die Stadt Köln gekommen: Das große Stadtarchiv ist vollständig eingestürzt, zwei Menschen wurden tot aus den Trümmern geborgen und viele wertvolle Dokumente, hunderte von Jahren alt, sind verschüttet und stark beschädigt oder sogar unwiederbringlich verloren.

Ein solches Archiv wie das in Köln ist sozusagen das Gedächtnis einer Gesellschaft. Ein Gedächtnis, das Ereignisse, Orte und Personen gespeichert hat, damit spätere Generationen nicht nur wissen, was geschehen ist, sondern auch lernen, was geschehen muss, damit die Gegenwart und die Zukunft gelingt! Damit wir Menschen in Gegenwart und Zukunft die rechte Orientierung haben und die rechten Entscheidungen treffen!

Was früher war, ist also nie einfach vergangen. Sondern es enthält in sich die Aufgabe, sich daran zu erinnern. Ohne Erinnerung gibt es kein Lernen, keinen Fortschritt – Oder in einem Sprichwort ausgedrückt: "Wer nicht hören will, muss fühlen".

Davon ist auch die Bibel überzeugt. Im Alten Testament gibt es zwei Bücher, die heißen "Chroniken". Diese Bücher waren sozusagen das gemeinsame Gedächtnis des Volkes Israel. Ein Gedächtnis, in dem Namen, Daten und Orte gespeichert wurden. Ein Gedächtnis aber auch, das daran erinnert, warum alles so kommen musste, wie es gekommen ist. Warum es so passiert ist und nicht anders.

Welchen Maßstab gibt es da, den die Chronisten anlegen? Wonach beurteilen sie den Lauf der Dinge?

Der Maßstab ist im Grunde ganz einfach und klar: es ist die Treue zu Gott und seinen Weisungen. Dieser Maßstab zieht sich als roter Faden durch das ganze Alte Testament:

Wenn das Volk Gottes seinem Gott treu bleibt und Gottes Weisungen gehorcht, dann geht es ihm gut. Dann wird dem Volk geschenkt, in Sicherheit zu leben und sich an Wohlstand und Frieden zu erfreuen. Dann lebt das Volk Gottes im Licht der Gnade Gottes.

Wenn aber das Volk seine Berufung vergisst, wenn es nicht mehr hören will auf Gott und seine Propheten, wenn ihm die Satzungen Gottes lästig sind, dann bleiben auch dafür die Konsequenzen nicht aus. Dann sind die Folgen schlimm: Zerstörung und Leid, Abbruch und Tod.

An einem Punkt wird das besonders deutlich. Der Chronist der Geschichte Israels sagt: Seht doch einfach auf euer Verhalten! Seht doch, was ihr mit der Weisung Gottes gemacht hat, den Sabbat heilig zu halten! Statt den Sabbat zu heiligen, habt ihr Geschäfte gemacht, habt ihr Gottes Gebot verachtet und lächerlich gemacht, habt ihr getan, was ihr wolltet! Die gute Regel, dass der siebte Tag dazu da ist, den Menschen und allen Geschöpfen ein Aufatmen zu schenken, sie an Gott zu erinnern, von dem alles Gute kommt – diese gute Regel wurde von euch lächerlich gemacht und über den Haufen geworfen.

Und dann kamen im Jahr 587 v.Chr. die Heerscharen der Babylonier und legten den Tempel und die Städte, die Dörfer und die Felder in Schutt und Asche. Und wer noch übrig war in diesem Gemetzel, der zog in die Verbannung in ein fernes Land.

Jetzt wurde den Städten und Dörfern und Feldern die Ruhe gegönnt, die vorher nicht mehr eingehalten wurde, und der Chronist spottet: "Das Land bekam seine Sabbate ersetzt (...) siebzig Jahre lang" (2 Chr. 36,21).

Hier ist wirklich nicht einfach der „liebe Gott“, der alles mit sich machen lässt, der nur noch harmlos ist und darum auch nicht mehr ernst zu nehmen ist.

Aber hier ist auch nicht der Rache-Gott, der straft und zürnt, der seinem Zorn freien Lauf lässt.

Beides, der Kuschel-Gott und der Rache-Gott, ist nicht der Gott Israels und auch nicht der Gott Jesu Christi.

Dem Gott Israels und dem Gott Jesu Christi liegt das Heil und das Leben der Menschen am Herzen – so sehr, dass Jesus zu Nikodemus sagt: "Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern in ihm das ewige Leben hat" (Joh. 3,16).

Zugleich aber lässt Gott dem Menschen die Freiheit: entweder die Erinnerung an das Geschehene zu pflegen und lebendig zu halten – oder es eben nicht zu tun und das Gedächtnis zu verlieren und sich damit selbst das Urteil zu sprechen. Nicht Gott ist derjenige, der straft, sondern der Mensch bestraft sich selber, wenn er die Weisungen zum Leben missachtet.

Für uns ist der neue Sabbat der achte Tag, der erste Tag der neuen Woche, der Sonntag. Hier kommen wir zusammen, um für das neue Licht zu danken, die neue Sonne, Christus. Hier kommen wir zusammen, um das gemeinsame Gedächtnis unserer Geschichte mit Gott zu feiern und dieses unser Gedächtnis vor der Schwerkraft des Vergessens zu bewahren, eines Vergessens, das uns ins Dunkel stürzen würde.

Darum heißt diese Feier, zu der wir zusammenkommen, auch "Memoria" – "Gedächtnisfeier". Hier schenkt uns Gott nicht nur die Möglichkeit, uns zu erinnern und dafür zu danken, sondern das Erinnerte wird Gegenwart. Was Gott damals getan hat für die Menschen, das tut er auch jetzt.

Das ist das Wunderbare an dieser Feier: Es ist keine Nostalgie-Party, die wir hier haben, sondern es ist Gott in unserer Mitte, dem wir danken und den wir preisen und bitten.

2. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Liebe Schwestern und Brüder!
Geht es Ihnen manchmal auch so? Denken Sie auch schon mal bei sich:„Also, lieber Gott, wenn Du jetzt ein richtiges Wunder machen würdest, dann könnte ich richtig glauben. Irgendeine mächtige Tat von Dir, die alle sehen, und alle könnten gar nicht anders als an Dich glauben.“

Ja, das wär’s doch: So ein richtiges Wunder, vor aller Augen.

Nun, dieses Experiment hat Gott schon mehrmals durchgeführt. Er hat schon vor aller Augen Wunder gewirkt. Er hat immer wieder in das Leben der Menschen, in das Weltgeschehen eingegriffen. Nur blieb der Erfolg leider aus.
Schauen wir nur auf das Evangelium von heute.

Da heilt Jesus einen Blindgeborenen. Einer, der nie sehen konnte, kann durch das Wirken Jesu auf einmal sehen. Ein Wunder. Ein wirkliches Wunder. Da müssten doch die Umstehenden zum Glauben kommen. Von Wegen.

Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet, blindgeboren zu sein, überhaupt blind war.

Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet sehend geworden zu sein, auch der ist, der am Straßenrand saß und bettelte, oder ob es sich lediglich um einen Doppelgänger handele.

Da wird gezweifelt ob derjenige, der behauptet, blindgeboren und geheilt worden zu sein, ein zuverlässiger Zeuge in eigener Sache sein kann, schließlich war die Blindheit in den Augen der Menschen damals eine göttliche Strafe für Sünder. Und kann man Sündern vertrauen? Erst recht Asozialen und Bettlern?

Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet blindgeboren und geheilt worden zu sein, überhaupt sagen kann, was und wie es geschehen ist. Er war doch blind. Er hat den Heilenden ja nicht einmal gesehen.

Da wird gezweifelt, dass eine Heilung an diesem Tage habe stattfinden können, wo doch am Sabbat verboten ist, sich die Hände durch einen Teig schmutzig zu machen.

Das Experiment mit dem Wunder ist gescheitert. Jedenfalls bei einem Großteil der Menschen. Gut, der Blindgeborene selbst und vielleicht einige wenige andere, aber sonst...?

Woran ist dieses Experiment gescheitert? Am Wunder selbst kann es nicht gelegen haben. Das war eindeutig, zwingend.

Nun das Experiment mit dem Wunder ist an denen gescheitert, die aufgrund des Wunders hätten zum Glauben finden können.

Sie waren nicht bereit, ein Wunder anzunehmen.
Sie konnten sich nicht vorstellen, dass Gott seine Macht ausgerechnet so demonstrieren wollte. An einem Sabbat, an einem Bettler, so ganz ohne Glanz und Gloria...
Wunder? Ja! Aber bitte nach unseren Kriterien und Vorstellungen.

Vielleicht hatten die Menschen damals auch verlernt, mit Wundern zu rechnen? Vielleicht war ihnen der Gedanke, dass Gott in unser Leben, in das Weltgeschehen eingreifen könnte, gänzlich verlorengegangen? Und weil sie mit dem Eingreifen Gottes nicht mehr rechneten, merkten sie es auch nicht mehr.

Wir merken, liebe Schwestern und Brüder, mit dem Wunder allein ist es nicht getan. Wir müssen schon bereit sein, Wunder sehen und anerkennen zu wollen.

Gott will niemanden zum Glauben zwingen. Das kann er auch nicht. Denn Glauben verlangt Freiheit.
Gott greift aber in unser Leben ein durch Wunder und wunderbare Fügungen. Das muss keine Heilung von Blindheit sein. Es genügt manchmal schon, dass mir gerade derjenige über den Weg läuft, der mir in dieser Situation helfen kann. Es liegt an uns, ob wir offen dafür sind. Es liegt an uns, ob wir sie wahrhaben wollen.

Wunder gibt es immer wieder, heißt es in einem Schlager.
Wunder gibt es immer wieder, so sagt auch die Kirche. Sie erkennt immer wieder nach langen Untersuchungen merkwürdige, aufsehenerregende Geschehnisse als Wunder an: z. B. Heilung von Kranken, Erscheinungen der Gottesmutter oder anderer Heiliger.
Die Kirche rechnet mit Wundern, rechnet mit dem Eingreifen Gottes und seiner Heiligen in unsere Welt und Zeit.

Indem sie Wunder untersucht und anerkennt, will sie die Gläubigen daran erinnern, dass Gott zu uns spricht, ihm unser Leben nicht egal ist.
Indem die Kirche diese Wunder aber auf das sorgfältigste untersucht und nur einen Bruchteil der vermeintlichen Wunder und Erscheinungen offiziell anerkennt, will sie uns Gläubigen aber auch vor einer Wundesucht warnen.

Es gibt Menschen, die von einer vermeintlichen Marienerscheinung zur nächsten jagen. Immer auf der rastlosen Suche nach dem religiösen Thrill, nach dem spirituellen Happening.
Es gibt auch Menschen, die Wunder, Wallfahrtsorte und alles, was damit zu tun hat, als groben Unfug und reine Geschäftemacherei ablehnen.

Die einen verlieren sich dann in einer wunderbaren Scheinwelt, verlieren den Bezug zur Realität, werden weltfremd. Vor lauter vermeintlichen Wundern, sehen sie die eigentlichen Wunder nicht.

Die anderen wiederum versperren sich einen Zugang zu Gott, indem sie Gott sozusagen das Recht absprechen, in unserer Welt, in das eigene Leben einzugreifen durch Zeichen und Wunder.

Überspitzt gesagt: Die einen hätten die Heilung des Blindgeborenen gar nicht wahrnehmen können, weil sie gerade auf dem Weg zu einer großartigen Gotteserscheinung mit ca. zweieinhalbtausend Menschen waren. Drei Sterne sollen auch vom Himmel fallen. Was ist dagegen schon so eine einfache Heilung. Dafür hat man doch keine Zeit.

Die anderen hätten der Heilung des Blinden jegliche Realität abgesprochen. Schließlich hätte Gott sie ja vorher fragen können, bevor er so etwas tun will. Wo kommen wir denn da hin.

Das Experiment mit dem Wunder.
Es scheitert nicht an Wundern. Es kann scheitern an unserer Bereitschaft, das Eingreifen Gottes wahrzunehmen und wahrhaben zu wollen.

Das Experiment mit dem Wunder.
Es geht weiter. Rechne ich mit Gott? Jetzt...

3. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Kennen Sie die "Zusatz-Diät"? Ein paar Pillen oder etwas Pulver schlucken, und man nimmt ab - heißt es in der Werbung. "Sie können genauso essen wie bisher!" Ohne Verzicht zur Idealfigur. Wers glaubt, wird selig.

Aber fangen wir erst einmal beim Evangelium an: Nikodemus ist einer der alten Garde, ein Pharisäer und Rabbi, ein Gesetzeslehrer, der argwöhnisch und zugleich neugierig die neue Lehre des Jesus von Nazareth beäugt. Heimlich besucht er Jesus - mitten in der Nacht, damit er keinen Ärger kriegt.

Es tut sich etwas in der Kirche - Neues bricht auf (nicht erst in diesen Jahren) und Altes schläft ein. Während altehrwürdige, etablierte Orden Nachwuchssorgen haben, gibt es zahlreiche junge Gemeinschaften, die blühen und sich um Nachwuchs keine Gedanken machen müssen - eher um Häuser und Gebäude, wo sie mit ihren Gemeinschaften Platz finden. Dazu gehören Totus Tuus, die Legionäre Christi, die Gemeinschaft Emmanuel, die Gemeinschaft der Seligpreisungen, die Johannesbrüder- und Schwestern, die Missionarinnen der Nächstenliebe von Mutter Teresa (davon gibt es auch einen männlichen Orden), das Cenacolo - vielleicht gehören auch die ehemaligen Thuiner Schwestern dazu; es gibt sogar einen Orden, der sich "Die Schwestern und Brüder vom gemeinsamen Leben" nennt - einer der wenigen gemischten Orden. Es gibt die SJM, die Jugend 2000, die Oase della Pace und viele anderen - alles noch Ansätze, Knospen - aber voller Elan, Kraft und Glaubensfreude.

Aber noch werden diese neuen Knospen von den Vertretern der alten Garde argwöhnisch und kritisch beäugt. Was haben die, das sie so attraktiv macht? Was fehlt den alten Orden, dass sie sowenig Nachwuchs haben?

Es stimmt nämlich nicht, dass die jungen Leute heute keine geistlichen Berufungen mehr verspüren - nur, sie verwirklichen sie nicht in den klassischen Orden. Und selbst die Gemeinden sind offensichtlich nicht sehr attraktive Orte.
Es liegt nicht daran - wie manche meinen - dass die alten Orden zu streng sind. Ganz im Gegenteil: Wer auf die neuen Gemeinschaften schaut, ist manchmal von der Radikalität verblüfft. Sehr viele Gemeinschaften verschmähen jeden Besitz, jedes Eigentum und leben radikal die Armut, den Gehorsam und die Ergebenheit in Gott.

Jesus erzählt dem Nikodemus in seinem Nachtgespräch, worum es geht: Neu geboren musst Du werden. Vollkommen neu. Kein halbes Leben mehr - denn es geht nicht darum, unser weltliches Leben mit einen neuen Inhalt zu füllen. Es geht darum, dieses Leben zu retten: Die Schlange, die Mose aufgerichtet hatte, war ein Zeichen der Rettung. Nachdem im Lager der Israeliten viele von der Schlangen gebissen worden sind, hat nur der überlebt, der auf die Schlange auf Kupfer, die Moses gemacht hatte, schaute.
So ist es auch mit Jesus: Nur wer an ihn glaubt und auf das Kreuz schaut, wird gerettet. Denn wir sind alle von der Schlange gebissen: Diese Welt rettet nicht, sie betäubt, lähmt und tötet.
Gott hat seinen einzigen Sohn gesandt, um uns zu retten - damit wir nicht zugrunde gehen. DAS wirklich zu glauben, in Gott nicht nur ein besseres Leben, sondern die Rettung vor dem Tod zu finden: Das unterscheidet uns Gemeinden von den neuen religiösen Aufbrüchen.

Dort sind Menschen, die Glauben nicht als eine Art Zusatz-Diät verstehen. Glauben, dass heißt tatsächlich Verzicht, radikal anders werden. Nicht noch zusätzlich etwas glauben. Das funktioniert nur in der Werbung; sogar die Super-Hyper-Schlankheitspille hält nicht, was sie verspricht. Und das gilt auch für das neue Leben im Glauben: Radikal anders werden. Radikal auf Gott vertrauen. Erkennen, das Gott uns nur retten kann, wenn wir uns an der Wurzel ändern: Das heißt radikal (radix - die Wurzel).

Dazu braucht man nicht unbedingt in eine der neuen Gemeinschaften eintreten. Aber wir können von ihnen lernen. Wenn wir uns so, wie Nikodemus trauen. Amen.

4. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Was ich hier jetzt tue, ist vollkommen überflüssig: Ich predige. Nicht, dass meine Predigt ausnahmsweise so schlecht wäre - das kam ja schon öfter vor. Nein, dass ich mir überhaupt das Recht anmaße, Ihnen etwas zu erklären, ist das skandalöse.
Und das nicht erst neuerdings. In der Lesung hieß es: «Immer wieder hat Gott, der Herr, sein Volk durch seine Boten gewarnt. Sie aber verhöhnten die Boten Gottes und verachteten sein Wort.»

Was denken Sie jetzt?

Dass ich mich mit den Propheten gleichstelle? «Wie kommt der dazu! Wie kann dieser Kaplan, der doch auch nur ein Mensch ist, seine eigene Meinung zur Botschaft Gottes erklären!»

Liebe Schwestern und Brüder, wir sind uns einig, dass ich dass nicht darf. Wir sind uns einig, dass kein Mensch sich erlauben kann, allein im Namen Gottes zu reden. Denn jeder spricht ja nur von seinen eigenen Erfahrungen. Wovon sollte er auch sonst reden? Und die Erfahrungen, die ich gemacht haben, sind nicht ihre Erfahrungen. Sie haben im Leben ganz andere Erfahrungen gemacht.
Wir können letztlich doch nur von unseren eigenen Überzeugungen sprechen. Wir können uns nur einander mitteilen - der andere kann dann zuhören und freundlich nicken. Aber er soll sich hüten, ein Urteil über die Überzeugung anderer zu fällen!
Gespräche dürfen eben nur noch so ablaufen, dass ich von mir erzähle - und dann dürfen sie von sich erzählen - und dann sagt vielleicht noch einer, was er denkt und glaubt - und dann gehen wir zu McDonalds. Diskussion ist verboten - denn die Meinung anderer ist zu respektieren und muss dringend im Raum stehen gelassen werden. Keiner darf seine Meinung für die allein richtige halten. Das ist Dogma.
Inzwischen, liebe Schwestern und Brüder, stehen so viele Meinungen im Raum, dass wir uns schon gegenseitig gar nicht mehr sehen können; und wir uns auch eigentlich nichts mehr zu sagen haben. Denn, genau genommen, haben wir nichts mehr gemeinsam, über das wir reden könnten.
Jeder lebt ja in seiner eigenen Glaubenswelt mit seinen eigenen Erfahrungen. Und da wir uns nur darin einig sind, dass es keine allgemeinverbindliche Wahrheit gibt, die für alle Menschen gilt, gibt es auch nichts mehr, dass unsere Glaubenswelten verbindet.

Sie glauben an Gott, den liebenden Vater? Herzlichen Glückwunsch, schön für Sie.

Sie glauben an den strengen Richter Gott? Naja, tut mir leid, aber wenn es ihnen hilft, ist ja o.k.

Sie glauben an Jesus Christus, der uns den Weg zum Vater gezeigt hat? Schön, vielleicht sehen wir uns unterwegs.

Sie glauben an die Deutsche Bank? Hm... jedem das Seine.

Was sollen wir noch diskutieren? Was sollen wir noch sagen? Soll jeder noch einmal seine Meinung darstellen? Auch auf die Gefahr hin, dass andere dabei einschlafen?

Liebe Schwestern und Brüder, meine ganz persönliche Meinung ist, dass wir mit der Abschaffung der objektiven Wahrheit unseres Glaubens auch jede Kommunikation abgeschafft haben. Ohne die eine Wahrheit auch keine gemeinsame Sprache, kein echtes Gespräch mehr. Aber sie verstehen: Das ist meine ganz persönliche Erfahrung, die stelle ich einfach mal so in den Raum. Sie können selbstverständlich ganz anderer Meinung sein. Und deshalb verstehe ich eigentlich auch nicht, warum ich hier überhaupt stehe und Ihnen etwas sagen soll.

Ich bitte sie daher, meine Predigt freundlich zu Kenntnis zu nehmen, aber ansonsten nicht zu beachten. Sie sollen ja ihren eigenen Glauben leben. Nicht meinen. Amen.

5. Predigtvorschlag

Stellen Sie sich vor, ich hab heute morgen einen Tip bekommen, die 6 Richtigen genannt bekommen, die Zahlen fürs Lottospiel heute abend. Ich kann sie Ihnen noch verraten, übers Internet können Sie dann noch tippen. Stellen Sie sich das mal vor - 6 Richtige im Lotto, am besten noch den Jackpot knacken, das absolute Glück, alle Sorgen auf einmal los.

Und jetzt stellen Sie sich mal vor, das ist kein Aprilscherz, sondern Woche für Woche lassen Tausende von Menschen diesen ausgefüllten Lottoschein einfach liegen. Denn hier heute im Evangelium wird uns solch ein Lottoschein angeboten: jeder der an Christus glaubt, wird gerettet. Wer an IHN glaubt, hat das Heil, hat das ewige Leben. Das bedeutet nicht nur eine gesicherte Zukunft, sondern schon im Heute, im Hier und Jetzt, Erfüllung, Erleichterung, da Gott selber uns im Leben begleiten möchte.

Doch so unglaubwürdig wie den 100% 6er halten die Leute auch diese Zusage Gottes.

Letzte Woche war mit den Abschlußklassen der Realschule und der Hauptschule auf Besinnugnstage, oder Orientierungstage, wie es heute heißt. Dabei haben wir viel über die Probleme und Fragen der Jugendlichen geredet und erarbeitet. Aber Christus, den Glauben an Ihn als Allheilmittel bleiben sie doch distanziert.

In beiden Kursen war zum Beispiel die Drogenproblematik eines der Hauptthemen der Jugendlichen. Aber die Tatsache, dass an kirchlichen Therapiezentren die Rückfallquote der Behandelten in die Abhängigkeit nur ¼ gegenüber anderen Therapien hat, da der Glaube an Jesus Christus Heilung bewirkt, wird von unserern Jugendlichen akzeptiert - und mehr nicht.

Trauen wir Gott unsere Rettung zu? Einfach nur glauben - und dadurch sind wir gerettet? Dadurch das vollkommene Glück auf Erden? Wenn wir an Ihn glauben, werden wir nicht mehr in der Finsternis leben, sondern im Licht. Wenn wir dieses Licht an Stelle des Lichtes annehmen wollen, so heißt es im Evangelium, sollen wir die Wahrheit tun. Nicht in Lüge, Falschheit, Bosheit leben, sondern in der Wahrheit. Das Wort Jesu Christi, die Wahrheit schlechthin, hören und annehmen. Davon unser Verhalten bestimmen lassen.

Gerade jetzt in der Fastenzeit sind wir aufgerufen, diesem unseren Glauben auch Taten folgen zu lassen. Die Wahrheit nicht nur glauben, sondern sie auch tun. Fasten, uns erneuern und Werke der Barmherzigkeit tun.

Wenn wir die Wahrheit tun, kommen wir zum Licht, dann führt uns Gott aus der Finsternis heraus. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Leute diesen Sechser im Lott gar nicht wollen! So ein 3er scheint den meisten zu reichen, gerade immer genug, um den Einsatz wieder zu bekommen. Ich investiere ein wenig Zeit in ein Stoßgebet und bekomme etwas Trost als Gegenleistung. Der eine oder andere hatte vielleicht auch schon mal einen 4er, hat Gottes gegenwart in Situationen größerer Not oder größeren Glücks erlebt, bei der Erstkommunion, Hochzeit, aber man gibt sich damit zufrieden. Wenn unser Glaube nur so groß wäre wie ein Senfkorn könnte er Berge versetzen. Wenn wir an Christus glauben, verheißt er uns die vollkommene zufriedenheit, wenn wir uns nur auf ihn einlassen, verheißt er uns mehr als den Gegenwert eines 6ers im Lotto.

Fürbitten