Suche: 

Neue Site - empfehlenswert! Ein Ableger der Karl-Leisner-Jugend: aktueller, kürzer, frischer und moderner: www.gut-katholisch.de.

Predigtvorschläge - 22. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B)
1. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Viele Menschen arbeiten viel an ihrem äußeren Erscheinungsbild und geben auch eine Menge Geld dafür aus. Denn sie wollen sich überall „sehen lassen können“. „In diesem Kleid, mit diesem Anzug oder mit dieser Frisur kannst du dich doch nicht blicken lassen!“ hören Ehefrauen genauso wie Ehemänner.
Nicht nur die äußere Etikette muß eingehalten werden, auch für unser charakterliches Erscheinungsbild gelten oft äußerliche Regeln. Meistens ist es am besten, „sich bedeckt zu halten“, sich keine Blößen zu geben. Sogar unsere Toten werden geschminkt und hergerichtet, damit sie ansehnlich werden. Man hat in unserer Welt halt kein Ansehen, wenn der Mensch sich zeigt, wie er ist oder wenn er sich eine Blöße gibt.

Warum soviel Aufwand, um „sich blicken lassen zu können“? Warum soviel Empörung, wenn die Etikette mal nicht eingehalten wird? Es hängt wohl mit der menschlichen Ursehnsucht nach Vollkommenheit zusammen, mit der Meinung, man müsse alles perfekt machen. Weil das aber in der Wirklichkeit wohl nie erreicht wird, werden die größten Anstrengungen unternommen, um die Unvollkommenheiten äußerlich zu verdecken. Es fängt an mit der Schminke, die die Haut glätten und makellos machen soll, es geht weiter mit den Regeln der Höflichkeit und des Anstands, und es hört auf bei all den kleinen und großen Lebenslügen, die so Vieles glätten und verdecken müssen, damit man nach außen makellos dasteht.

Schrammen, Narben, Wunden und Verletzungen des Lebens müssen überdeckt werden. Krankheit, Entstellung, Leiden und Kreuz passen nicht in unser Menschheitskonzept. Wenn wir die Frage stellen: „Wie geht es dir?“ erwarten wir stets die Antwort: „Danke, gut!“ Eine gegenteilige Auskunft bringt uns leicht aus der Fassung. Und doch zeigt ein Blick hinter die Wohnungstüren, daß fast überall ein Leiden, eine Krankheit oder ein seelischer Kummer verborgen ist.

Die Christen verehren einen Gott, der sich nicht gescheut hat, die ganze Schwäche des Menschen anzunehmen. „Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht. Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt“. So sieht es der Prophet Jesaja (53,3f) schon 750 Jahre vor der Kreuzigung Jesu. „Für die Juden das größte Ärgernis, für die Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ (1 Kor 1,23f)

Schon zu Lebzeiten stellte sich Jesus gegen den unehrlichen Vollkommenheitswahn. Seine Verkündigung geht immer wieder darauf hinaus, daß wir uns vor Gott blicken lassen können, so wie wir sind, ohne unsere Schwächen verstecken zu müssen. Jesus will vom Zwang des Perfektionismus befreien. In Israel hatte sich im Laufe der Jahrhunderte eine Menge religiöser Vorschriften angesammelt. Sie mußten erfüllt werden, um sich vor Gott sehen lassen zu können. Hier tritt Jesus mit einer bewundernswerten Freiheit auf. Er rückt zurecht, was im Namen seines Gottes zurechtgerückt werden muß. Dreierlei hält er den Pharisäern und Schriftgelehrten entgegen, die sich empören, als sie merken, daß die Jünger Jesu sich nicht an die Reinheitsvorschriften halten:

1. Menschliche Satzungen, sagt er, seien ihnen wichtiger als der Wille Gottes. Statt nach dem Willen Gottes zu fragen, haben sie ein kompliziertes System von Vorschriften ausgeklügelt, das kaum jemand einhalten konnte. Damit versperren sie vielen Menschen den Zugang zu Gott, der im übrigen viel großzügiger ist, als die Menschen denken, wenn sie immer so aufs Äußerliche bedacht sind. Der große heilige Gott gerät nicht in peinliche Verlegenheit, wenn der Mensch so kommt, wie er ist: zerschunden, geplagt, voller Schmutz oder sogar mit vielen Blößen, die er sich gegeben hat, mit Schuld, die er auf sich geladen hat. Selbst eine begangene Sünde raubt uns nicht das Ansehen vor Gott, wenn diese im Herzen ehrlich bereut worden ist.

2. Der zweite Vorwurf geht tiefer: Die äußere Einhaltung einer Vorschrift macht innerlich noch lange nicht rein. Nicht das Äußere ist vor Gott entscheidend, sondern allein das Herz. Hier, im eigenen Herzen entscheidet sich, ob jemand rein ist oder nicht. Und da es Gott allein ist, der in das Herz der Menschen schauen kann, kann es sein, daß so mancher, der nach außen unbescholten und makellos erscheint, vor Gott geringer dasteht als einer, dessen Verirrung öffentlich bekannt ist, der aber sich innerlich schon lange davon abgewendet hat.

3. Und das Dritte, das Jesus seinen Gegnern klarmacht: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein.“ – „Von innen, aus dem Herzen der Menschen kommen die bösen Gedanken.“ (Mk 7,15.21) – Das könnte man Innenweltverschutzung nennen. Jede Tat des Menschen hat ihren Ursprung im Innern, im Herzen. Im Talmud heißt es: „Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen."

Wenn das Herz allein entscheidend ist, dann sollten wir mehr auf unser eigenes Innere achten als auf unser äußeres Erscheinungsbild. Der Glaube ist die stärkste Kraft, die unser Inneres verändert, die in uns positive Kräfte freisetzt und die negativen Gedanken bekämpft. Kultivieren wir deshalb unseren Glauben durch Gebet und Gottesdienst.

Und zum anderen: Enthalten wir uns eines Urteils über den Wert oder Unwert unserer Mitmenschen. Das ist allein Gottes Sache!

2. Predigtvorschlag

Die Kanzel in unserer Propsteikirche wird renoviert.
Das Gerüst, liebe Schwestern und Brüder, das Gerüst, das die Kanzel umgibt, wird uns wohl noch einige Wochen erhalten bleiben.
An der Kanzel blättert z. T. die Farbe ab. Oder sie ist in den Jahren so dick aufgetragen worden, daß man die Feinstrukturen der Verzierungen gar nicht mehr erkennt. Mit den Jahrzehnten haben sich natürlich auch Staub und Dreck auf ihr abgelagert.

Und über die Kanzel möchte ich sprechen, möchte ich nachdenken.
Ich will aber nicht über deren künstlerischen Wert oder Unwert reden, auch nicht über die Kosten der Renovierung und daß uns das Offizialat nur dafür Geld genehmigt hat, obschon andere Dinge vielleicht eher der Renovierung bedürfen.

Nein, ich möchte über genau diese Kanzel sprechen, weil ihr jetziges Erscheinungsbild mich an etwas erinnert. An etwas, was für unser christliches Leben entscheidend wichtig ist.
Es geht mir um das stetige Bemühen christliches Wort und christliche Tat in Einklang zu bringen. Es geht mir um den Kampf des gläubigen Menschen, das zu tun, was, er glaubt, was er sagt.

Estote factores verbi et non auditores tantum fallentes vosmetipsos.
Steht auf dem Rand des Schalldeckels unserer Kanzel.
Das sind die Worte, die wir gerade aus dem Jakobusbrief gehört haben:
Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst.

Die Kanzel diente zur Verkündigung und Auslegung des Wortes Gottes.
Mit goldenen Lettern ermahnt uns die Kanzel also nicht nur Hörer der Frohbotschaft zu sein, sondern auch Täter des Evangeliums zu sein.

"Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach" ruft uns die Kanzel zu. "Bringt Wort und Werk in Einklang, ansonsten ist euer christliches Leben unglaubwürdig, ansonsten betrügt ihr euch selbst."

Die Einheit von Denken, Reden und Tun - dafür steht die Kanzel.

Und diese Kanzel ist renovierungsbedürftig, bedarf der Auffrischung.

Und wie steht es mit der Umsetzung ihrer Botschaft bei uns?
Wie steht es um unser Bemühen, wirklich zu tun, was wir glauben, was wir sagen?
Besteht da vielleicht auch Renovierungsbedarf? Müßte da nicht auch ab und zu etwas erneuert, aufpoliert werden, bei mir, bei Ihnen persönlich?

Als Christen sagen wir: "Liebe deinen Nächsten."
Und wie viele Akte der Nächstenliebe gibt es hier in Vechta, egal ob Caritas oder private Nachbarschaftshilfe. Dem Nächsten helfen, tue ich das wirklich vornehmlich, weil ich in ihm Christus sehe? Helfe ich ihm wirklich um seiner selbst willen? Oder tue ich das hauptsächlich, damit man mich lobt?

Als Christen sagen wir: "Du sollst nicht lügen. Halte dich an Wahrheit."
Kann es sein, daß ich ab und zu die Realität beschönige oder komplizierter darstelle als sie ist, weil ich dann in einem besseren Licht stehe, mir keinen Zacken aus der Krone breche?

Viele Fragen solcher Art ließen sich nun aufzählen.
Letztlich geht es bei all diesen Fragen um die eine Frage: Ist die Motivation meines Tuns und Lassens am Evangelium ausgerichtet, am Willen Gottes, am Nächsten ? Oder geben andere Motivationen den Ausschlag?

Als Menschen werden wir nie eine einzige, sozusagen reine Motivation haben. Das ist mir klar. Aber wir sollten uns prüfen, inwieweit unsere Motivationen lauter sind.

Wir sollten ab und an überprüfen ob die Hauptmotivationen unseres Handelns wirklich evangeliumsgemäß sind, oder ob andere Motivationsschichten sich darüber legen und das Eigentliche überdecken:
Z. B. der Staub des Egoismus, die Abdeckfarbe des Im-Mittelpunkt-Stehen-Wollens, die Patina, sich mit niemanden etwas zu verscherzen...

Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst.
Liebe Schwestern und Brüder, diese Predigt halte ich nicht allein Ihnen. Diese Predigt halte ich auch mir, weil ich mir bewußt bin, daß gerade diejenigen, die amtlich das Wort Gottes verkünden, in ihrem Tun am Wort Gottes gemessen werden. Gerade von uns Diakonen, Priestern, Bischöfen erwartet man, daß wir tun, was wir lehren. Ich bitte Sie: Helfen Sie uns dabei, um der Glaubwürdigkeit der Kirche und der Botschaft Jesu willen.

Schicht für Schicht werden an der Kanzel in unserer Kirche der Schmutz der Jahrzehnte, der Staub, der überflüssige Farbauftrag abgenommen, damit die Kanzel bald wieder in hellem Glanz erstrahlt.

Rundherum erneuert wird sie uns dann wieder mit den Worten des Apostels Jakobus ermahnen:
Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst."

Noch aber ist die Kanzel eingerüstet. Das wird sie auch wohl noch für einige Wochen bleiben.
Vielleicht kann sie uns in diesem Zustand eine Erinnerung, ein Ansporn sein, uns zu besinnen, wo wir in unserem Reden und Handeln renovierungsbedürftig sind, wo in unserem Leben eine Säuberung nottut.

Estote factores verbi et non auditores tantum fallentes vosmetipsos.
Steht auf dem Schalldeckel der Kanzel.
Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach: sonst betrügt ihr euch selbst.
Herr, hilf uns dabei, daß wir die Einheit von Reden und Tun immer besser leben. Amen.

3. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Wer von uns hat nicht schon einmal davon geträumt, Gedanken lesen zu können? Mitzukriegen, was ein anderer wirklich denkt, wie es in ihm aussieht - das würde unser Zusammenleben enorm verändern. Dann könnte man nicht mehr so schnell über Ohr gehauen werden, man wüsste sofort, wo man bei einem Menschen dran wäre.

Der Wunsch, in einen anderen Menschen quasi hineinschauen zu können, ist so alt wie die Menschheit. Und auch heute gibt es viele Erzählungen, Romane oder Filme, die sich mit diesem Phänomen auseinandersetzen - Gedanken lesen können, ist ein uralter Traum der Menschheit.
Denn es ist schmerzhaft, einen Menschen falsch eingeschätzt zu haben. Wer sich in einem Menschen schwer getäuscht hat, kann das nachvollziehen. Und wer von einem Menschen getäuscht worden ist, weiß, wie weh so etwas tun kann.
Da wir aber - normalerweise - in einen Menschen nicht hineinsehen können, wir aber auch nicht jedem immer und überall blind vertrauen wollen, haben wir uns - notgedrungen - darauf verlegt, Menschen nach Äußerlichkeiten zu beurteilen. Uns bleibt ja auch nichts anderes übrig: Wer nicht immer wieder auf Verführer oder Betrüger, auf die Fehler anderer hineinfallen will, der muss sich eben auf diese Art schützen. Und so werden Autohändler, Versicherungsagenten und Nachbarn, die Leute vor uns in der Schlange an der Kasse genauso wie gute Freunde eingeschätzt - meist nach Äußerlichkeiten, nach dem, was sie sagen, danach, wie sie sich verhalten, was für einen Eindruck so auf uns machen. Wonach sollten wir sie denn auch sonst beurteilen?
Mit diesem Verhalten liegen wir eigentlich ja auch ganz richtig. Denn man kann oft anhand von Äußerlichkeiten auch auf innere Qualitäten schließen: Das fängt bei der Automarke an, geht über Essgewohnheiten, Kleidung sogar bis zur Farbe der Schlafzimmertapete oder der Haarfarbe. Gerade Psychologen, die von Äußerlichkeiten auf den Charakter schließen, haben im Moment Hochkonjunktur:
Aber es gibt auch persönliche Eigenschaften, die sich den Äußerlichkeiten entziehen. Es gibt so etwas, wie einen geheimen Raum im Herzen eines jeden Menschen, in den keiner eindringen kann, kein Psychologe und kein noch so großer Menschenkenner; eine Art inneres Heiligtum. Und oft weiß man selbst einmal nicht, wie es darin aussieht.
Im Innersten eines jeden Menschen spielen sich die eigentlich wichtigen Dinge ab. Dort befindet sich all das, was wir wirklich tun wollten, aber wozu wir nicht gekommen sind - weil etwas dazwischen gekommen ist, weil uns der Mut fehlte - und so weiter.
Im Innersten eines jeden Menschen schlummern Eigenschaften, die noch nicht zur Entfaltung gekommen sind; unentdeckt. Eigenschaften, die vielleicht auch nie zum Zuge kommen, weil wir keine Möglichkeit bekommen, sie zu erproben.
Wir selber ahnen wahrscheinlich auch nur schemenhaft, wozu wir in der Lage wären, wenn nur die äußeren Umstände anders sind. Aber genau auf diese Innersten Werte, die Verdienste, die sich jemand erworben hat, weil er nur mit ganzem Herzen wollte - aber von außen daran gehindert wurde - genau darauf kommt es Gott an.
Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass wir unsere Glaubensschwestern und Glaubensbrüder nicht einteilen können - in gute Christen und schlechte Christen - weil wir eben nicht das können, was Gott kann: Den Menschen bis in Herz schauen.

Falls sie nun enttäuscht sein sollten, dass es keine Regel gibt, wonach wir die Christlichkeit unserer Mitmenschen beurteilen können (wie wir im Evangelium gehört haben, ist die Häufigkeit des Händewaschens auch kein brauchbares Kriterium), so kann ich sie beruhigen. Es gibt eine ganz einfache Regel zur Beurteilung ihres Nächsten - zum Beispiel ihres Banknachbarn: «Gehen sie grundsätzlich davon aus, dass alle anderen im Grunde ihres Herzens - also in den Augen Gottes - bessere Christen sind als sie selbst.»
Eine einfache Regel - aber sie zu leben ist eine Lebensaufgabe. «Ich gehe davon aus, dass alle anderen Menschen im Grunde ihres Herzens besser sind als ich». Falls sie wirklich versuchen sollten, diese Regel zu leben, so muss ich Ihnen aber noch eine zweite Regel mit auf den Weg geben, die mindestens ebenso wichtig ist: «Und gehen sie auch davon aus, dass sie selbst - im Grunde ihres Herzens, also in den Augen Gottes - besser dastehen, als sie es je für möglich gehalten haben.»

Amen.

Fürbitten