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Predigtvorschläge - 05. Sonntag der Osterzeit (Lesejahr B)
1. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Liebe Schwestern und Brüder!
Das Evangelium von heute rührt mich immer innerlich wieder an: Es war das Evangelium, dass bei meiner Erstkommunion vor nun dreißig Jahren gelesen wurde. „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.“ hat der Herr sozusagen damals zu uns Jungen und Mädchen gesagt, die ihn zum ersten Mal empfingen.
Wer einem besonders wichtig ist, mit dem bleibt man gerne und regelmäßig in Verbindung. Wenn einem an einer Person etwas liegt, dann sorgt man schon dafür, dass der Kontakt nicht abreißt. Man bleibt im Gespräch. Liebende tun das selbst dann, wenn das manchmal nur per Telefon geht, eventuell sogar mit teuren Auslandsgesprächen. Die hohe Telefonrechnung nehmen sie dafür in Kauf. Liebende wollen zusammenbleiben, so gut das eben machbar ist.
„Bleiben“ ist auch das Stichwort Jesu im heutigen Evangelium. Ich habe es nachgezählt: insgesamt 9 mal kommt der Begriff in diesem Text vor. Nicht das Abschneiden schlechter Reben ist also das Hauptthema, sondern die feste, andauernde Verbindung, das Bleiben.
Jesus sagt es so: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben…“
Wenn wir die Stelle in der Bibel aufschlagen, sehen wir sofort: nur wenig später beginnt das Leiden und Sterben Jesu. So dürfen wir die heutige Aussage Jesu auch als eine eindringliche Aufforderung Jesu an alle verstehen, die seine Jünger und Nachfolger sein wollen: Bleibt mir treu! Bleibt mit mir in fester Verbindung!
Genau wie eine Rebe könnt ihr aus euch selbst nicht wirklich Frucht bringen. Das gelingt dauerhaft nur dann, wenn ihr von mir wie von eurem Weinstock dazu die nötigen Nährstoffe bekommt.
Jesus fordert von den Seinen also nicht irgendwelche olympiareifen Leistungen, die sie nur mit zusammengebissenen Zähnen, leidendem Gesichtsausdruck und körperlich völlig erschöpft erreichen können.
Nein, Christsein und Nachfolge Jesu ist kein Konkurrenzkampf und kein Leistungssport. Was Jesus erwartet, ist etwas anderes: es ist die Bereitschaft, in Verbindung zu bleiben, also etwas, das für Liebende das Selbstverständlichste der Welt ist.
Unsere moderne Welt hat dafür sogar einen englischen Ausdruck parat: die „Flatrate“. Bekannt wurde der Begriff besonders für Telefon und Internet. Als Käufer eines „Flatrate“-Tarifes hast du pauschal das Recht erworben, beliebig oft und beliebig lange zu telefonieren oder im Internet zu surfen. Früher nannte man das auf gut deutsch einfach einen Pauschal-Tarif. In einer Pauschale ist alles enthalten, wie bei einem Pauschal-Urlaub.
Solch eine Jesus-Flatrate sollte der Christ also haben, meint Jesus. Natürlich genügt nicht das Haben. Es wäre dumm, einen Pauschal-Tarif zu besitzen, ihn aber nicht zu nutzen. Nein, sagt Jesus, nur wenn ihr dauernd mit mir in Verbindung steht, werdet ihr gute Frucht bringen.
Das ist fast schon wie bei einem Kind im Mutterleib: Ohne die ständige Versorgung durch die Nabelschnur wird das Kind nicht wachsen und reifen können.
Für uns Christen ist es also die vordringlichste Aufgabe, mit Jesus in Verbindung zu bleiben. Das ist überhaupt nichts Anstrengendes. Vielmehr ist es unter Liebenden die natürlichste Sache der Welt.
Ja, das ist der springende Punkt:
die Liebe! Nur wer Jesus liebt und ihm vertraut, kann auf Dauer in dieser fruchtbaren Beziehung von ihm leben.

Dabei darf man nicht übersehen, dass man als Jünger Jesu schon längst in dieser festen Verbindung drin ist, man muss darum also nicht etwa bitten.
Jesus sagte schließlich: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.“ - Man kann ja logischerweise nur irgendwo bleiben, wenn man schon dort angekommen ist! Also ist jeder von uns schon in Jesus Christus, und der ist in jedem von uns. Das Stichwort „Taufe“ sollte hier genügen, um jeden von uns an den Beginn dieser Verbindung zu erinnern. In jedem Empfang der Heiligen Eucharistie stärkt der Herr diese Verbindung, indem er ganz konkret zu uns kommt.
Unsere Aufgabe ist es nicht, darüber zu grübeln, wie wir wohl am besten Frucht bringen für den Weinberg Gottes. Die Weinreben brauchen sich nicht um die Frucht zu kümmern, das macht schon der Winzer.
Die einzige Aufgabe der Weinreben ist es, mit dem Weinstock in dauernder Verbindung zu bleiben, deshalb ja auch die Jesus-„Flatrate“. Dann können die Jesus-Nährstoffe ungehindert fließen, und nach guten Pflegemaßnahmen durch den Winzer wird es eine reichliche Ernte geben.
Wir sollten also weder Erbsen noch Trauben zählen, nicht vergleichen und nicht rechnen. Nicht wir entscheiden, was abgeschnitten wird, sondern Gott, der Winzer. Überlassen wir das getrost dem Fachmann. Der weiß sehr genau, was verbrannt werden muss, damit es die anderen Reben nicht gefährdet.
Die französische Philosophin Simone Weil brachte es so auf den Punkt: „Warum sollte ich mir Sorgen machen? Meine Sache ist es, an Gott zu denken. Und Gottes Sache ist es, an mich zu denken.“
Es fällt zudem auf, dass Jesus sich an alle wendet, nicht an Einzelne: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.“ - Einen Weinstock mit nur einer einzigen Rebe habe ich auch noch nicht gesehen. So geht es Jesus auch hier um die Gemeinschaft seiner Jünger. Gemeinschaft haben wir untereinander, wenn wir mit IHM in Verbindung bleiben.
Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.
Bleibt in mir, dann werdet ihr, bleibt ihr eine Kirche, die Frucht bringt.

2. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

„Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit.“ (1 Joh 3,18) Mit der Anrede „Meine Kinder!“ erteilt uns der Evangelist eine gütige und eindringliche Mahnung: Wir sollen nicht nur schöne Worte gebrauchen, sondern Taten folgen lassen. Liebe ist nicht nur ein Wort, Liebe, das sind Worte und Taten. Liebe ist nicht von der Wahrheit zu trennen, und Wahrheit ist im biblischen Sprachgebrauch nie etwas rein Theoretisches, sondern immer etwas Praktisches. Mein Freund und Lehrer in Paderborn pflegt seit ein paar Jahren „Wahrheit“ so zu definieren: Wahrheit ist die Fähigkeit, mich und den anderen am Leben zu erhalten. Im Gegensatz zur Wahrheit steht das Eigeninteresse; das Interesse ist die Schrumpfform der Wahrheit, in der ich nur mich selbst am Leben erhalten will. Mit dieser Definition sind wir schon beim Schnittpunkt der heutigen Lesungen mit dem Beispiel unseres Pfarrpatrons, des hl. Pankratius. Dieser jugendliche Marytrer hat das Interesse, sein eigenes Leben zu erhalten, hintangestellt und für die Wahrheit Zeugnis abgelegt. Dies konnte er, weil er wußte, daß Gott die Wahrheit selber ist, denn Gott hat die Fähigkeit, alle partikulären Interessen zu versöhnen und alle Menschen auf Dauer am Leben zu erhalten. So hat Pankratius sein junges Leben loslassen und in die Hände seines Schöpfers zurückgeben können. Die Kirche aber hat darin immer den Triumph gesehen und gefeiert, den Sieg der Wahrheit über das Interesse, den Sieg des Glaubens über die Welt, den Sieg der Liebe über den Egoismus. Gott ist groß, das sieht man an den Großtaten gerade der Kleinen und Schwachen. „Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob.“ (Ps 8,3) Liebe Brüder und Schwestern! Wir brauchen die Heiligen, weil sie uns das Evangelium vorgelebt haben. Wir brauchen sie zur Erinnerung und zum Wachwerden, wenn wir saumselig geworden sind. Wir brauchen sie, damit wir frohe Zuversicht schöpfen und uns nicht von den schlechten Nachrichten, die das Leben bietet, nach unten ziehen lassen. Wir brauchen sie, weil sie uns helfen, in der Kirche und bei der Praxis des Glaubens zu bleiben. BLEIBEN! Dieses Wort haben wir heute sehr oft gehört, zweimal in der Lesung und neunmal im Evangelium. Wieder und wieder betont Johannes, wie wichtig es ist, mit Christus verbunden zu bleiben, in ihm zu bleiben. Man darf vermuten, daß der hochbetagte Lieblingsjünger Jesu diese Mahnung aus der traurigen Erfahrung heraus geschrieben hat, daß viele der ersten Christen nicht geblieben sind, sondern sich wieder von Christus getrennt haben – teils weil sie irrigen Lehren gefolgt sind, teils weil sie vielleicht nicht genug Durchhaltevermögen besaßen. Laßt euch nicht entmutigen! rief er damals den Christen zu. Sucht eure Bleibe nicht woanders, auch wenn euch die Kirche nicht mehr die Heimat und Geborgenheit zu schenken scheint, die ihr in ihr gesucht habt! Das Gleichnis vom Weinstock ist eine Antwort auf diese Anfechtung. Trennt euch nicht von der Kraftquelle eures Lebens! Macht euch nicht los von der Sonne, sonst stürzt ihr in die eisige Kälte des Weltraums. Jesus bleibt bei uns, steht zu dir und mir – laß es dir gesagt sein! „Nimm Gottes Liebe an, du brauchst dich nicht allein zu mühn. Denn seine Liebe kann in deinem Leben Kreise ziehn. Und füllt sie erst dein Leben und setzt sie dich in Brand, gehst du hinaus, teilst Liebe aus, denn Gott füllt dir die Hand.“ – So heißt es in einem Lied von Kurt Kaiser. Das Erste ist immer das Annehmen der Liebe, Glauben, daß Gott wirklich mich meint und mich liebt. Das ist gar nicht so einfach, weil uns das Gewissen so oft anklagt, das Herz verurteilt. Wir sind zwar auch sehr oft im Unschuldswahn befangen, aber dann auch wieder in der Angst, versagt zu haben und keine Liebe zu verdienen finden, die rechte Mitte zwischen beiden Extremen finden wir nicht. Darum ist unser Herz voll Unruhe, ist nicht fest, nicht geborgen, heimatlos, immer auf der Flucht, solange es die Wahrheit nicht gefunden hat. „Wir werden unser Herz in Gottes Gegenwart beruhigen“, schreibt Johannes. „Denn wenn das Herz uns auch verurteilt – Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles.“ – „Wenn dein Herz dich unruhig macht, wenn du fühlst, daß nichts ist, wie es sein sollte; wenn dich die große Verantwortung für dieses oder jenes drückt ... - dann gib dich ins Wissen Gottes. Er weiß. Er weiß in ewiger Liebe um alles, auch um dich.“ (R. Guardini) Ganz gleich, welche Stürme in deiner Seele wüten – stürze dich in das Meer des gütigen göttlichen Verstehens und Erbarmens! Nimm Gottes Liebe an! Dann kommt der zweite Schritt wie von selbst, das Fruchtbringen, die eigenen Taten der Liebe. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht.“ (Joh 15,5) Verbunden sind der erste und der zweite Schritt, das Annehmen der Liebe und die eigenen Taten der Liebe, durch das Bleiben am Weinstock, das Bleiben in der Gemeinschaft mit Christus. Jetzt bei der Feier der Eucharistie wird diese Gemeinschaft neu genährt und vertieft, unser Bleiben erneuert und gefestigt. Hier wird uns das wahre Leben geschenkt, ein Leben, das nicht mehr in Konkurrenz mit den Interessen anderer steht, weil es aus der Wahrheit Gottes stammt. Brot, das lebt und Leben spendet! Kommt und schmeckt das Brot des Lebens!

3. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Evangelium, das wir gerade gehört haben, es ist ein bekanntes, ein beliebtes Evangelium. Es hat so etwas Vertrautes an sich: Der Winzer, der Weinstock, die Reben.

Winzer, Weinstock, Reben - manch einer von Ihnen mag da an die Mosel denken, oder an den Rhein, an Weinberge, an Weinproben, an Frohsinn, an volkstümliche Lieder. Ich selber verbinde damit schöne Erinnerungen an meine Erstkommunion im Juni 1979. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ war das Thema des Gottesdienstes.

Winzer, Weinstock, Reben - wirklich ein schönes, friedliches Bild. Romantisch.

Auch das heutige Evangelium, das Gleichnis vom Weinstock und den Reben hat etwas friedliches an sich: Der gute Winzer, Gott, kümmert sich, sorgt sich um seine Reben, um uns.

Aber das Gleichnis sagt noch mehr aus:
Grundlegendes über unsere Herkunft: Wir, die Reben stammen von dem einen Weinstock.
Forderndes für unser Leben: Wer sich von Christus löst, löst sich vom Leben.

Aber der Reihe nach.

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.
Der Herr vergleicht so seine Beziehung zu den Jüngern, und damit auch seine Beziehung zu uns.
Er ist der Weinstock. Aus ihm wachsen wir. Aus ihm kommen wir hervor.
Weil es den Weinstock gibt, gibt es die Reben. Weil es Christus gibt, gibt es uns.
Denn von Christus heißt es im Kolosserbrief:
Er ist der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden. Alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand.

Ohne Christus keine Schöpfung, kein Himmel, keine Erde, kein Mensch, keiner von uns.
Von ihm kommt das Leben. Von ihm kommt unser Menschsein.
Wir alle haben die gleiche Wurzel, die gleiche Herkunft. Sie, wie ich, wie Ihr Banknachbar, wie der Mensch, dem Sie nach dem Gottesdienst als erstes begegnen werden. Die gemeinsame Wurzel Christus verbürgt uns auch die gemeinsame Würde, Kinder Gottes zu sein.

Die Verbindung zum Weinstock Christus, diese Verbindung ist für uns Menschen, erst recht für uns Christen, die grundlegende Beziehung.
Ohne Verbindung zum Weinstock bringt die Rebe keine Trauben hervor. Aber dazu ist sie bestimmt.
Ohne irgendeine Verbindung zu Christus bringen auch wir keine Früchte hervor, wie Freude, Versöhnung, Gemeinschaft... Aber dazu sind wir bestimmt.

Wer sich vom Weinstock trennt oder trennen läßt, der muß die Konsequenzen seiner Handlung selbst verantworten.
Wer sich vom Weinstock trennt oder trennen läßt, der läuft Gefahr, wie die Reben zu enden, die keine Frucht bringen:
Mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe, die keine Frucht bringt schneidet er ab. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen.

Auf einmal hat das Gleichnis seinen fast romantischen Charakter verloren. Auf einmal wird deutlich: Hier geht es um das Gericht. Die Worte sind hart, denn sie haben etwas Endgültiges: Abschneiden, ins Feuer werfen, verbrennen.

Ist die Frohbotschaft also doch eine Drohbotschaft?

Nein. Das Gleichnis zeigt vielmehr, daß Gott uns ernstnimmt. Konsequent ernstnimmt.
Wir Menschen haben die Freiheit, NEIN zu Gott zu sagen.
Wir Menschen haben die Freiheit, uns - bildlich gesprochen - vom Weinstock zu lösen, unsere gemeinsame Herkunft zu mißachten: Gott.

Ohne diese Freiheit wären wir keine Menschen. Ohne diese Freiheit wären wir Marionetten.
Gott hat uns als freie Menschen gewollt. Daß er uns die Freiheit der Entscheidung läßt, das ist ein Ausdruck seiner Liebe zu uns, ein Ausdruck dafür, daß er uns ernstnimmt als eigenständige Personen.

Die Liebe läßt die Freiheit gelten. Das erleben wir schon im menschlichen Miteinander.

Ein Heranwachsender fühlt sich von seinen Eltern z. B. nicht ernstgenommen, wenig geliebt, wenn sie ihn in einen bestimmten Beruf zwingen wollen. Auch wenn die Eltern es noch so gut meinen.

Auch eine Liebesbeziehung kann nicht bestehen, wenn die Partner sich nicht in Freiheit füreinander entschieden haben, sondern gezwungen worden sind, zu heiraten.

Die Freiheit gehört zur Liebe. Gott läßt uns die Freiheit. Damit läßt er auch die Möglichkeit zu, daß einzelne Menschen sich von ihm trennen, mit ihm nichts zu tun haben wollen. Er läßt es zu, daß Menschen sich vom Weinstock und von den anderen Reben trennen.

Er will es nicht. Aber er nimmt die Entscheidung ernst. Nicht er richtet uns. Wir selber sprechen uns das Gericht. Wir selbst können uns endgültig absondern von unserer gemeinsamen, lebenspendenden Wurzel. Und das ist die Hölle. Ohne Beziehung zu Gott. Ohne Beziehung zu den Menschen. Endgültig. Selbstgewollt.

Gott ist also nicht der drohende Despot, der willkürlich die Menschen in die Hölle wirft, gerade so wie es ihm gefällt. Nein, er ist barmherzig.
Gott ist aber auch nicht ein harmloser „Schwamm-drüber-Gott“, einer, der uns sowieso in den Himmel aufnimmt, weil er uns ja alle soo liebhat. Nein, er ist auch gerecht.

Diese letze Entscheidung trifft man doch erst am letzten Tag. Wer wird sich schon gegen Gott entscheiden, wenn er ihn von Angesicht zu Angesicht sieht? Und was hat das mit meinem Leben jetzt und hier zu tun?

Der Herr ruft seinen Jüngern, uns eindringlich zu: Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch! Haltet Verbindung mit mir! Löst euch nicht vom wahren Weinstock!

Angesichts der Möglichkeit, endgültig NEIN zu sagen, zu Gott, zum Sinn des Lebens, angesichts dieser Möglichkeit weist uns der Herr den Weg, schon jetzt JA zu sagen zu Gott, zum Sinn unseres Lebens.

Wir sollen in ihm bleiben. Das heißt, wir sollen unsere Beziehung zu ihm, dem wahren Weinstock aufrecht erhalten. Wir können dies tun im Hören und Lesen seines Wortes, im persönlichen und gemeinsamen Gebet, im Empfang der Sakramente, in Taten der Nächstenliebe.
Dazu ruft uns auch dieses Christusjahr 1997 besonders auf.

Der Herr ruft uns auf: Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch! Er weiß, daß die kleinen Achtlosigkeiten gegen die Mitmenschen, die faulen Kompromisse im Leben, die religiöse Gleichgültigkeit, die einzelnen Sünden uns von ihm entfremden können.
Sie sind wie kleine Risse in der Rebe, die den Zufluß des Lebenssaftes vom Weinstock behindern. Sie sind wie kleine Risse in der Rebe, die dazu führen können, daß im heftigen Wind die Rebe vom Weinstock abreißen kann.

Ich weiß letztlich nicht konkret, was ein Mensch tun muß, damit sein Kontakt zu Gott endgültig abbricht. Aber ich weiß, daß er abbrechen kann.
Ich weiß aber, daß, wer sich bemüht, die Verbindung zum Weinstock Christus zu halten, das Leben erhalten wird.
Übrigens: die Kirche hat nie gesagt, wer verdammt ist. Sie hat immer nur erklärt, wer im Himmel ist.

Hören wir noch einmal die Stimme Christi, nehmen wir sie mit in diese Woche:
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht;
denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.
NUR SAMSTAG 17°° UHR

Der hl. Georg, unser Pfarrpatron, dessen Fest wir heute begehen, er war eine Rebe am Weinstock Christi, die reiche Frucht gebracht hat: Die Frucht des Blutzeugnisses für unseren Herrn.
Bitten wir ihn heute um seine Fürsprache für uns, für unsere Pfarrei, daß auch wir in Christus bleiben, dem wahren Weinstock.

4. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, Ich möchte Ihren Blick heute einmal besonders auf die Lesung lenken. Zur Priesterweihe überlegt sich jeder Weihekandidat einen sogenannten Weihespruch, der dann zu einer Art Absichtserklärung oder - wenn man will - so etwas wie eine Überschrift über sein priesterliches Tun sein soll.

Mein Weihespruch, den ich mir zu meiner Priesterweihe, die am Donnerstag genau 9 Jahre her ist, überlegt habe, stammt aus der Lesung, die wir gerade gehört haben. "Wenn Euer Herz euch auch verurteilt, Gott ist größer als Euer Herz."

Manchmal erliegen wir Priester und wir Christen der Versuchung, mit Methoden, Konzepten, Vorschriften und Regeln den lebendigen Glauben herbeizuzaubern. Man rechnet damit, dass die Erfüllung von Vorschriften entweder das innerliche Glaubensleben ankurbelt, oder aber dass man mit geeigneten Methoden ein Gemeinschaftsgefühl erzwingen kann.

Gerade angesichts dieser Tendenz ist es wichtig für die Fülle im Glauben, festzuhalten, dass Glauben und die Beziehung zu Christus eine Herzensangelegenheit ist. Es darf nicht angehen, dass ich, als Priester zum Beispiel, Menschen nach Ihrer Oberfläche beurteile. Was zählt, ist das Herz, und das bleibt meistens im Verborgenen. Uns bleibt daher, nicht zu urteilen, sondern zu stärken, zu trösten und zu helfen. Seid gut, wenn ihr könnt! Es zwingt euch keiner - außer euer Herz.

Wenn wir uns bemühen unser eigenes Herz unter der Oberfläche zum Glühen zu bringen - bedarf es vor allem drei Dinge:
Der Gnade - des Willens - und einer gehörigen Portion Gelassenheit.
Um die Gnade müssen wir beten. Wir können sie nicht erzwingen oder verdienen. Den Willen müssen wir üben, immer neu ausrichten an der Liebe Gottes. Und beides braucht viel Raum und Zeit. Die Ungeduld kann alles wieder zerstören. Wie schnell sind wir an dem Punkt zu sagen: «Das hat alles keinen Zweck, ich kann das nicht, ich schaff das nicht, ich lass das sein. Ich bin nicht fähig dazu, zu glauben, zu beten, Gott zu lieben.» Und flugs sind wir wieder bei den Äußerlichkeiten und hoffen, dass es reicht.

Dabei hat Gott uns guten Grund gegeben zur Gelassenheit. Im heutigen Evangelium heißt es nämlich: «Nicht erst, wer seinen Bruder tötet, sondern wer seinem Bruder auch nur im Herzen zürnt...» Das mag zunächst nach einer Verschärfung der Gesetze aussehen. Aber Meister Eckhart hat es auf den Punkt gebracht: «Du bist verantwortlich für alle deine Intentionen». Auch der, der seinen schlechten Vorsatz aus irgendwelchen Zufällen nicht in die Tat umsetzen konnte - ist verantwortlich für seinen Vorsatz, für seine Intention.
Aber dann gilt auch umgekehrt: Auch dem, der sich die gute Tat fest vorgenommen hat, aber nicht dazu kam, wird das Gute angerechnet werden. Wir kennen das: Böse Worte sind gefallen, man möchte sich vielleicht auch entschuldigen, aber kommt nicht dazu, man bringt es nicht übers Herz oder vergisst es dann doch wieder. Gott vergisst es nicht! Gott ist größer als unser Herz - wir werden erstaunt sein, welche guten Taten uns beim Jüngsten Gericht angerechnet werden - «die hab ich doch nie getan!» All das Gute folgt uns nach, das wir getan haben, aber auch all das, was wir gewollt haben.

Wenn wir nicht anders können - kann ein Lächeln, ein liebender Blick, ein aufmunterndes Nicken - eine ganze Palette von guten Werken ersetzen. Wir sind verantwortlich für unsere Intentionen, und wenn unser Herz uns auch verurteilt, weil wir doch nichts zustande gebracht haben - Gott ist größer als unser Herz. Wir sind auf Gott hin und Gott ist die Liebe. Wenn das kein Grund zur Gelassenheit ist!

Deswegen heißt die Devise der Gelassenen nicht «Mach was aus Dir!» sondern «lass was aus dir machen.» Worauf es wirklich ankommt ist die Liebe. Was wir mitnehmen - irgendwann - ist keine Äußerlichkeit - sondern die Liebe Gottes in uns. Wir brauchen dieser Liebe Gottes in uns nur Platz zu gewähren - möglichst viel - unser Herz weiten.

Und das erreichen wir nicht durch einhämmern von Regeln, Termin, Formularen und Vorschriften, sondern allein durch die Gnade, um die wir bitten, den Willen, den wir üben, und einer gehörigen Portion Gelassenheit.

Amen.

Fürbitten