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Neue Site - empfehlenswert! Ein Ableger der Karl-Leisner-Jugend: aktueller, kürzer, frischer und moderner: www.gut-katholisch.de.

Predigtvorschläge -
1. Predigtvorschlag

von Michael Kenkel (erstellt: 2024)

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

Heute/Gestern vor 2 Jahren begann der Überfall der russischen Armee auf die Ukraine. Zivilisten wurden wahllos getötet, Kinder nach Russland entführt. Vor 140 Tagen überfielen die Hamas Israel und töteten über 1000 Menschen, viele Jugendliche auf einem Festival, entführten über 200 Israelis, die z.T. immer noch in Gefangenschaft sind. Jedes Jahr werden allein bei uns in Deutschland ziemlich genau 100.000 Kinder im Mutterleib durch Abtreibung getötet, und das sind nur die gemeldeten Zahlen. Aber wir brauchen mit dem unschuldigen Leid gar nicht in die Ferne schauen. Jeder von uns hat schon unschuldig Leid erfahren, oder auch Leid verursacht.

Wie soll das alles jemals gesühnt werden, wie kann dabei je wieder Frieden herrschen, Versöhnung stattfinden, Gerechtigkeit?
Welche Strafe wäre dafür angebracht, damit die Opfer wieder Frieden finden können? Wieviel Geld soll an Reparationszahlungen fließen? Soll das die Wunden der Toten und der Angehörigen heilen?

Nein! Kein Geld der Welt kann die Tötung Unschuldiger wieder gut machen. Keine Entschuldigungsbitte kann den Tod von Menschen sühnen. Es sei denn, wir gehen den Weg, den Gott uns gezeigt hat, den er gegangen ist.
Gott hat einen Weg gefunden, all das Leid dieser Welt zu sühnen.
Er hat aus Liebe zu uns Menschen sein eigenes Leben gegeben. Er hat seinen eigenen Sohn am Kreuz für all diese Sünden der Menschheit geopfert.

Das ist die Antwort auf die Frage, warum Jesus diesen qualvollen Weg gegangen ist. Jeder andere Preis wäre zu niedrig gewesen. Was wir von Paulus heute in der 2. Lesung gehört haben, trifft hier zu: "Gott hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben" Das, was Abraham bereit ist, zu tun: seinen einzigen Sohn zu opfern, hat Gott tatsächlich getan. Mehr noch: der Sohn hat sich selbst hingegeben. Gott hat den höchsten Preis, der möglich war, gezahlt, damit die Liebe über den Tod, über all das Leid siegt.
In der Auferstehung von den Toten ist dieser Sieg sichtbar geworden. Das, was Petrus, Jakobus und Johannes im heutigen Evangelium noch nicht verstehen, feiern wir am Osterfest: diesen Sieg des Lebens über den Tod.

Und nur so - durch dieses Opfer Gottes - ist Frieden möglich; ist Vergebung möglich, ist Versöhnung möglich - wie groß das Leid heute auch ist.

Und nur so ist auch uns Vergebung möglich, das Leid, welches wir verursacht haben, können wir nicht wiedergutmachen - aber Gott kann es. Und das Leid, welches wir unschuldig erfahren haben, wo wir uns schwer tun, zu verzeihen, auch dort kann Gott Versöhung ermöglichen. Er kann uns Versöhnung, Frieden schenken. Amen.

2. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2023)

Wo möchte ich leben? Vergangenheit? Zukunft? Gegenwart!

Wo möchten Sie leben? Wo ist Ihr Zuhause? - Wenn Sie jetzt denken, diese Frage bezieht sich auf einen Ort, es geht um das Land, die Stadt oder das Dorf, so muss ich diese Frage genauer stellen. Denn ich meine nicht einen bestimmten Platz, sondern etwas anderes.

An Weihnachten habe ich die Frage gestellt, ob wir uns aussuchen können, wo wir geboren werden. - "Natürlich nicht!" wird jeder von uns antworten, doch es gibt, wie wir an Weihnachten bekennen, eine Ausnahme. Jesus wollte in Betlehem geboren werden, in der Stadt Davids, in der Stadt, deren Name übersetzt "Haus des Brotes" bedeutet.

Wenn wir uns nun die Frage stellen: Wo möchte ich leben?, dann kann die Frage auch lauten: Wann möchte ich leben? - Und auch auf diese Frage würden Sie wahrscheinlich erstaunt antworten: Ja, wann denn wohl? Ich lebe doch jetzt, in diesem Augenblick! Und das kann ich mir nicht aussuchen! Die Zeit und die Umstände, die wir vorfinden, die sind nun mal so!

Umso seltsamer ist, dass viele unserer Zeitgenossen - vielleicht auch Sie, vielleicht auch ich! - sich ganz anders verhalten und ganz anders denken und sich auch wünschen, in einer ganz anderen Zeit zu leben!

Viele wünschen sich die Vergangenheit zurück. Sie denken:
Früher war mehr Gemeinschaft. Früher war mehr Nachbarschaft. Früher war mehr Disziplin. Früher war mehr Achtung der Jüngeren vor den Älteren. Früher waren die Kirchen voll ... die Reihe ließe sich fast endlos fortsetzen.

Nur: die Vergangenheit können wir nicht mehr zurückswitchen. Und wahrscheinlich wollen das viele dann doch nicht, dieses Zurück in die Vergangenheit, wenn man sich vorstellt, im Ruhrgebiet unter rauchenden Schloten zu leben, oder in einer Textilstadt an einem verseuchten Fluss, oder mit einem Auto durch die Gegend zu fahren, das nicht einmal einen Sicherheitsgurt hat.

Also leben wir dann besser in der Zukunft, wo unsere Probleme, die wir haben, mehr oder weniger gelöst sein werden? CO^2 -neutral am besten bis 2030, eine Welt, in der der Krieg geächtet ist, wo Kolonialismus, Fremdenfeindlichkeit, soziale Ungerechtigkeit und Unfreiheit überwunden sein werden! Doch wer garantiert das alles? Sind nicht alle diese Ideen und Ziele schon seit sehr langer Zeit anerkannt?

Und wie sind damit weitergekommen?

Auch in der Kirche gibt es manche, die lieber in der Vergangenheit leben möchten, noch mehr Menschen aber, so scheint mir, die sich überlegen, wie die Zukunft aussehen muss, und sich daran versuchen.

Nun habe ich nichts gegen Pläne, Konzepte und Ziele, doch zugleich bin ich skeptisch, und ich behaupte, diese Skepsis und diesen Zweifel, was Zukunftsvisionen angeht, sogar biblisch und vom Glauben her begründen zu können. Doch zuvor lassen wir doch einfach unseren gesunden Menschenverstand arbeiten. Wer hat uns vor drei Jahren gesagt, dass wir eine Pandemie bekommen, die uns noch weiter beschäftigen wird? Wer hat uns vor einem Jahr gesagt, dass in Europa ein grässlicher Krieg herrscht?
Wer hat uns vorausgesagt, wie sich die Preise entwickeln werden, dass Boris Becker ins Gefängnis kommt (und dann wieder entlassen wird), und dass unsere Fußball-Nationalmannschaft, auf die wir einst so stolz waren, inzwischen ein Sanierungsfall ist?

Woher mag das kommen, dass alle, die meinen, in die Zukunft hineinschauen zu können wie mit einem Fernglas, regelmäßig daneben liegen? "Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen" meint darum Mark Twain in seiner unnachahmlich bissigen und präzisen Art.

Für den, der glaubt, ist das nichts Erstaunliches. Denn Gott ist ein Gott der Überraschungen. Er tut Dinge, die kein Mensch für möglich gehalten hätte. Oder wer hätte sich ausdenken können, dass ein kleines Kind in einem Stall die Welt rettet? Und dass wir durch Ihn, der am Kreuz wie ein Verbrecher stirbt, die Hoffnung auf Leben haben? Oder dass zwölf mehr oder weniger ungebildete Männer die Welt mit der Botschaft aufmischen, dass Gott die Liebe ist?

Das alles soll uns nicht in Apathie und Tatenlosigkeit stürzen, nach dem Motto: "Daran kann ich eh nichts ändern, und ich alleine schon gar nicht", sondern es kann uns etwas anderes zeigen: dass wir, wenn wir die Zukunft nicht kennen und auch nicht in die Vergangenheit zurückwollen, am besten einfach in der Gegenwart leben.
Die Gegenwart ist einfach jetzt. Jetzt kann ich Gutes wollen und tun. Jetzt kann ich mich dafür entscheiden, den Nächsten nicht zu hassen, sondern zu lieben. Jetzt kann ich glauben und beten und so auf Gott vertrauen.

Wäre es nicht ein guter Vorsatz für das neue Jahr, sich einfach nichts Spezielles, Großes vorzunehmen, sondern nur dieses Eine:
Ich will in der Gegenwart leben, in dieser Zeit, die Gott mir schenkt und in die er mich hineingestellt hat? Das wäre doch etwas.

3. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2023)

Der Weg nach unten

Auf dem Berg der Verklärung macht Petrus den Vorschlag: "Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst werde ich hier drei Hütten bauen" (Mt 17,4a).

Petrus ist so eingenommen von der verklärten Gestalt Christi, dass er, wie es scheint, gar nicht mehr wegwill von diesem Ort. Er nimmt nicht wahr, dass dies eine Momentaufnahme ist, ein Zustand, der jetzt noch nicht andauert. Es ist wie ein kleines Guckloch in eine andere Wirklichkeit, aber in dieser Wirklichkeit sind Jesus und seine Begleiter noch nicht angekommen. Sie sind noch auf dem Weg.

Auch unsere Kirche, gerade in Deutschland, hat sich in den Zeiten, in denen sie bedeutsam war, in denen sie Einfluss hatte und ihre Dienste von vielen Menschen in Anspruch genommen wurden, im übertragenen Sinn "drei Hütten" gebaut und noch einiges mehr. - Was meine ich damit? Nun, weil die Mittel vorhanden waren, gab es nicht nur zahllose Neubauten von Kirchen, vor allem nach dem 2. Weltkrieg, aber auch schon in der Zeit der Industrialisierung, als die Bevölkerung stark wuchs, und dann auch eine große Zahl von Einrichtungen, die es bis dahin in diesem Ausmaß nicht gab: Kindergärten, Pfarrheime, deutschlandweit an die 400 Akademien, Bildungshäuser, Familienbildungsstätten, dazu noch die Häuser und Einrichtungen der Verbände, der Orden und geistlichen Gemeinschaften.

Das alles sind viel mehr als drei Hütten, und da wird deutlich, dass man einen Stand hat in der Zeit und in der Gesellschaft, in der man lebt.
Doch Jesus selbst gibt auf dem Berg der Verklärung keine Anweisung, drei Hütten zu bauen, sondern er tut etwas anderes: Er geht mit seinen Jüngern den Berg hinab, in die Niederungen, weiter in Richtung Jerusalem, wo Auslieferung durch die Menschen, Anklage, Leiden und Tod auf ihn warten.

Heute, am Zweiten Fastensonntag, werden wir daran erinnert, dass der Weg der Kirche auch heute, auch hier in Deutschland und in unserem Bistum Münster und in unserer Gemeinde, kein anderer sein kann als der Weg Jesu mit seinen Jüngern.

Dieser Weg beginnt schon da, wo es nicht mehr selbstverständlich ist, überall einen Priester oder Diakon oder Pastoralreferenten zu haben, wo es nicht mehr selbstverständlich ist, sein Kind taufen zu lassen oder eine kirchliche Ehe einzugehen. Gab es im Jahr 1990, also vor gut 30 Jahren, noch fast 300.000 katholische Taufen, so hat sich diese Zahl auf weniger als die Hälfte reduziert.

Und während noch im Jahr 2005 fast 50.000 Paare das Jawort in einer katholischen Trauung gaben, waren es 2021 noch 20.000 Paare, die das taten. Also ein Rückgang von 60 Prozent.

Das sind nur zwei Beispiele; die Zahl der Kirchenaustritte, die sich innerhalb von 10 Jahren fast verdreifacht hat, mag dazukommen.

Die öffentliche Wahrnehmung und die Statistik, so wie wir sie benutzen und kennen, nennt das einen eindeutigen Abwärtstrend. Doch was sehen wir mit dem Blick des Glaubens, was nehmen wir da wahr? Es ist, wie ich finde, nichts anderes als der Weg Jesu, den wir mitgehen.

Natürlich ist es schön und ein Zeichen von Stärke, wenn viele Menschen sich zur Kirche und ihrer Gemeinschaft bekennen, wenn Kinder und Jugendliche jahrgangsweise zur Erstkommunion gehen und zur Firmung, wenn wir schicke Kirchen und Pfarrheime haben. Alles das soll nicht schlechtgeredet werden.

Doch machen wir uns nichts vor: Der Normalzustand ist das nicht. Welche Diözese in Ghana oder in Brasilien hat alle 2000 Meter eine Kirche, ein Pfarrheim, ein Pfarrhaus und einen Kindergarten? Welche Gemeinde in Zimbabwe oder in Indonesien kann sich Küster, Organisten, Chorleiter, Pfarrsekretärinnen und Hausmeister leisten, die alle nach Tarif bezahlt werden? - Es ist tatsächlich so: Unsere Situation in Deutschland ist ein absoluter Ausnahmezustand, und es sieht ganz danach aus, dass die Hütten, die wir in gutem Glauben gebaut haben, nicht alle stehenbleiben werden.

Sollte uns das Sorgen machen? Sorgen auf jeden Fall. Als Getaufte und Gefirmte in der Kirche können wir nicht einfach die Hände in den Schoß legen. Wir müssen missionarisch sein, werbend, überzeugend. Wir müssen deutlich machen, was das bedeutet, dass wir glauben und in der Kirche eine Heimat haben.

Aber Angst machen sollte uns die Entwicklung, in der wir stehen, nicht. Als die Jünger die Stimme aus der Wolke hörten, die den Sohn bezeugte, bekamen sie es mit der Angst zu tun, doch dann heißt es, dass Jesus zu ihnen kommt. Er fasst sie an und sagt: "Steht auf, habt keine Angst!" (Mt 17,7)

4. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2023)

Das Privileg der Ruhe

Als ich in früheren Jahren zu Besuchen in der Ukraine war, um Hilfsgüter und Spenden zu überreichen oder Hilfsaktionen zu koordinieren, da haben wir unseren Gastgebern nach dem Abendessen zur beginnenden Nacht gewünscht: "Angenehme Ruhe!" - Das war aber nur am Anfang so. Denn die so Angesprochenen fühlten sich keineswegs wohl bei diesem Wunsch! Was für uns die Nachtruhe bedeutete, der erholsame Schlaf, das bedeutete für unsere Freunde ziemlich genau das, was wir am Grab sagen, wenn wir unseren Verstorbenen wünschen, sie mögen "ruhen in Frieden".

"Ruhe" kann durchaus etwas Verschiedenes bedeuten. Wussten Sie, dass in früheren Zeiten das Ruhen, das Ausruhen und sich einfach treiben lassen ein Privileg von nur wenigen war? Die allermeisten Menschen mussten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, den ganzen Tag über arbeiten, bis es eben dunkel wurde. Freizeit war knapp. Und die wirklichen Zeiten der Feier und des Festes waren durch den Kreislauf der Natur und auch des Kirchenjahres bestimmt: Weihnachten und Ostern, Erntedank und Kirchweihe oder auch das Schützenfest.

Heute dagegen wünschen sich viele unserer Arbeitslosen oder Kurzarbeiter nichts sehnlicher, als dass ihre Ruhe endlich vorbei sei und sie sich wieder betätigen können. "Ruhe" ist da eher ein abschreckendes Wort.

Woran mag es liegen, dass in unserer Zeit viele Menschen nichts lieber mögen als "Action", Zerstreuung, Programm, das mitreißt? Und auch bei älter werdenden Menschen ist das Ideal nicht, einfach die Ruhe zu suchen, sondern Bewegung ist angesagt, Aktivität, Unternehmung.
"Stillstand ist Rückschritt" – "Wer rastet, der rostet": solche Worte verraten viel. Sie verraten, dass wir uns nur ein Dasein vorstellen können, in dem dauernd etwas geschieht. In dem etwas vorangeht.

Das geht dann bis hinein in den Gottesdienst. Wer einen Gottesdienst vorbereiten, oder besser wird gesagt: "gestalten" will, der muss eine Idee haben, was passieren soll: Musik, Texte, vielleicht eine Darbietung, eine Aufführung, ein Tanz - es darf auf gar keinen Fall "nichts" geschehen. Ruhe und Stille sind irgendwie fremd, sind unpassend, störend. Damit kann man nichts mehr anfangen, oder?

Kann uns Jesus weiterhelfen? Kann sein Beispiel uns etwas zeigen? Wenn Jesus von "Ruhe" spricht oder in der Bibel die "Ruhe" erwähnt wird, dann kommt dieses Wort dem nahe, was unsere Freunde in der Ukraine damit verbunden haben. Während wir oft damit verbinden: Ausruhen - entspannen - still werden - was ja gut ist und was zum Menschsein gehört! - meint die Bibel damit zuerst etwas anderes.

"Ruhe" ist eine Eigenschaft, die allein Gott zukommt, und ein Geschenk, das nur Gott selber geben kann. "Ruhe" ist ein Ausdruck seiner schöpferischen Kraft und Macht.

Sehr deutlich kommt das im Schöpfungsbericht zur Sprache. Nachdem aufgezählt wurde, wie Gott in der Fülle seiner schöpferischen Kraft die Welt und alles, was lebt, ins Dasein gerufen hat, kommt es nach den sechs Tagen der Schöpfung zum siebten Tag. An jedem der sechs Tage konnte er sagen: "Es war sehr gut (Gen 1,31 u.a.). Jetzt aber, am siebten Tag, "ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte" (Gen 2,3).

Wir würden diese Stelle natürlich völlig falsch verstehen, wenn wir meinen wollten, Gott müsse sich eben ausruhen, weil er ja so viel gearbeitet hätte und nun ziemlich erschöpft sei. Das würde das Wesen Gottes und seine unvorstellbare Allmacht und Größe menschlich verkleinern und verniedlichen.

Nein, hier bedeutet "Ruhe", dass Gott sein Dasein nicht einem anderen verdankt, sondern dass er in sich und durch sich selbst existiert, dass er da ist in einer ganz anderen Weise als alles Geschöpfliche, das Er ins Dasein gerufen hat - Gott ist in sich Existenz, er ist in sich Leben und Dasein, er braucht nicht die Welt, aber er öffnet sich aus Liebe, er geht auf seine Schöpfung zu.

Die "Ruhe", die in ihm selbst zu finden ist, ist mit einem anderen Wort zu beschreiben: mit dem Wort Frieden. Frieden bedeutet Ausgleich, es bedeutet Harmonie, es bedeutet ein Zustand, in dem alles einfach gut ist.

Und so kann Jesus zur Ruhe einladen, weil er ganz von Gott kommt - er ist ja Gottes Sohn, Gottes geliebtes Kind - und weil er etwas geben kann, was Menschen allein nicht zu geben vermögen.

Was kann das für uns bedeuten, jetzt mitten im Sommer, in den Ferien? Ist das vielleicht doch ein Aufruf zur Entspannung, zum Urlaub oder ist es doch noch etwas mehr?

Wir haben eine Feier, in der wir Ruhe und Frieden finden können, wir haben einen Tag in der Woche, an dem wir eingeladen sind, den Frieden und die Ruhe wirklich zu genießen und aus diesem Geschenk zu leben: das ist der Sonntag, das ist die heilige Messe am Sonntag, dem ersten Tag der Woche.

Warum brauchen wir die heilige Messe, warum ist der Sonntag so wichtig?

Ich will es einmal so versuchen zu erklären, ausgehend von dem, was Jesus im Evangelium sagt.

Wir brauchen einen Ort, an dem mich niemand fragt: Woher kommst du? Was willst du hier?

Wir brauchen einen Ort, an dem mich niemand ausnützen, überreden, zu einer bestimmten Meinung oder zu einem bestimmten Kauf überreden oder überzeugen will.

Wir brauchen einen Ort, an dem ich nicht beweisen muss, dass ich etwas Bestimmtes kann, dass ich erfolgreich bin, dass mich bestimmte Leute mögen.

Wir brauchen einen Ort, an dem ich nicht Sorge haben muss, was andere über mich denken, wenn ich Sorgen habe oder Ängste, wenn mich etwas bedrückt oder belastet.

Wir brauchen einen Ort, wo ich jemanden finde, der mich wirklich kennt, bei dem ich mich nicht verstellen muss, bei dem ich Verständnis finde.

Kurz: Wir brauchen eine Feier und einen Tag, an dem uns das alles geschenkt wird und das alles gelingt. Dieser Tag ist der Sonntag, der Tag, an dem wir Gott danken und Ihm die Ehre geben in der wunderbaren Gegenwart unseres Herrn Jesus Christus.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen, Ihnen und mir, eine friedvolle, eine ruhige, eine gesegnete sommerliche Zeit.

5. Predigtvorschlag

von Manfred Josef Stücker (erstellt: 2022)

Was heißt eigentlich Umkehr?

Haben Sie schon einmal einen Turm einstürzen sehen? Wir denken da sicher sofort an den 11. September, an New York, wir denken an die vielen Toten damals und an den Hass, der da sichtbar wurde und leider weiterging.

Türme in New York, Kriege in anderen Ländern das alles scheint erst einmal weit weg zu sein, dennoch glaube ich, dass wir auch jetzt dabei sind und zusehen, wie Türme einstürzen: nicht Türme aus Steinen, aus Glas und Stahl, sondern andere Türme, die Menschen in Fleiß oder auch Stolz aufgebaut haben und die in Gefahr sind, einzustürzen:

Da sind die Türme der Finanzwelt, der Euro, die komplizierten Strukturen und Konzepte von Wirtschaftslenkung und -hilfen, von Subventionen, Krisenmanagement und Plänen ...

... da sind die stolzen Türme der Krankenhäuser und der medizinischen Labors, die sich von Orten der christlichen Barmherzigkeit und der Nächstenliebe zu großen Wirtschaftsmärkten entwickelt haben, wo jetzt nicht nur Krankheiten geheilt, Menschen gesund gepflegt und schlimme Verletzungen behandelt werden, sondern wo auch Menschen, die das entsprechende Geld mitbringen, Operationen angeboten werden, die mehr "Schönheit" versprechen oder die ein Wunschkind aus der Retorte hervorholen, das alle gewünschten Eigenschaften hat - und wenn es die nicht hat, gibt es die maßgeschneiderte Rechtsprechung, die dafür sorgt, dass das ungeborene Leben ohne schlechtes Gewissen verschwinden kann oder denken wir an die stolzen Türme unserer Industrieanlagen - Fördertürme, Hochöfen, Autofabriken -, die schon vielfach verschwunden sind oder dabei sind, abgebrochen zu werden, weil anderswo günstiger produziert werden kann oder weil man sich einfach in der Planung oder Kalkulation verhoben hat.

Sage keiner, beim Zusammensturz all dieser Türme - lautstarke oder lautlose Zusammenstürze - seien keine Menschen umgekommen. Täglich kommen Menschen um, aber das steht nicht unbedingt in den Zeitungen und Schlagzeilen.

Warum ich das erwähne? Warum ich dieses Bild vom Turm nehme? Weil es etwas von dem deutlich macht, was "Umkehr" und "Bekehrung" meint.

In der Fastenzeit hören wir immer diese Worte, und das ist wichtig. Bekehrung und Buße gehören zum geistlich-geistigen Programm des Christenmenschen dazu. "Buße" heißt ja nicht in erster Linie: Dinge tun, die einem die Laune verderben oder das Gesicht miesepetrig aussehen lassen. Wer Buße so versteht und seine Mitmenschen damit belastet, hat etwas davon nicht verstanden.

Nein, Buße heißt zuerst: Gott recht geben. Er ist der Chef meines Lebens. Er gibt die Richtung vor. Er gibt uns die Gebote, die uns wahrhaft frei machen und die bewirken, dass unser Leben und das der anderen gut wird.

Und so denken wir bei "Buße" und "Umkehr" auch an Gebet, an Gottesdienst, hoffentlich auch einmal an Beichte und Versöhnung, und das ist sicher ganz wesentlich.

Aber die Türme, die einzustürzen drohen, weil Menschen ihr Leben in die falsche Richtung bringen, diese Türme stehen draußen, in der Welt, im alltäglichen Leben, im Großen wie im Kleinen.

Und darum sind die Worte Umkehr und Bekehrung und Buße nicht nur Worte, die uns irgendwie frommer machen sollen, sondern Worte, die uns an unsere eigene Verantwortung erinnern - für uns selber und für unser gemeinsames Dasein in dieser Zeit und in dieser Welt.

Vielleicht würde Jesus es heute so sagen: Meint ihr, dass nur die Amerikaner ihre Schwarzen und die Australier ihre Ureinwohner benachteiligen und ausgrenzen und dadurch die sozialen Spannungen zunehmen, und bei euch ist alles gut?

Meint ihr, nur die Finanzgurus und die großen Manager haben ihre Zahlen frisiert und streichen sich satte Gewinne in die eigene Tasche, und ihr wäret in der gleichen Lage besser?

Oder meint ihr, dass nur Schurkenstaaten ihre Haushaltskasse durch Druck und Manipulation ausbessern, zum Beispiel bei den Energiepreisen, und die anderen schauen nicht auf die Bilanz?

Umkehr und Buße haben handfeste, konkrete Bedeutung, und wir tun gut daran, in der Fastenzeit nicht mit den Fingern auf andere zu zeigen, sondern bei uns selbst anzufangen. Jeder bei sich, in seinem eigenen Leben.

Mir kommt bei alldem, was uns angesichts erschreckender Nachrichten und Meldungen Angst und Sorge bereitet, ein Wort Jesu in den Sinn, das, wie ich meine, gut hierhin passt. Da sagt Jesus: "Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, dann wird euch alles andere dazugegeben werden" (Mt 6,33).

6. Predigtvorschlag

von Manfred Josef Stücker (erstellt: 2022)

Was ist die größte Lüge?

Darf ein Pastor lügen? - Wenn Sie jetzt denken: Nein, natürlich nicht! Auf gar keinen Fall!, dann sind wir (wieder einmal) einer Meinung.

Denn ich versuche auch dann nicht zu lügen, wenn mich Leute aus der Gemeinde fragen: "Wie geht es Ihnen denn so? Sie haben doch bestimmt viel zu tun, gerade jetzt vor Ostern, gerade jetzt vor Weihnachten!"

Ich darf in diesem Moment nicht lügen. Und ich bemühe mich, eine ehrliche, ernsthafte Antwort zu geben. Die dann meistens so ausfällt: Mir geht es wirklich gut. Ich kann mich wirklich nicht beklagen. Und ich habe auch nicht wirklich viel zu tun.

Normalerweise wäre es ja - besonders vor Ostern, besonders vor den hohen Festen - so: Als Priester bin ich da, um die Sakramente zu feiern und zu spenden. Das bedeutet gut besuchte Gottesdienste, auch an den Werktagen. Da gibt es Kreuzwegandachten und den Wunsch vieler Leute, daß die Kranken zu Hause besucht werden und die Schwerkranken die heilige Salbung empfangen. Und bis kurz vor dem Osterfest würde die Reihe der Menschen nicht abreißen, die sich vornehmen, nicht nur den Frühjahrsputz zu Hause über die Bühne zu bringen - was schon etwas Überwindung kostet - sondern auch, im Wochenendhäuschen des Priesters, den Frühjahrsputz der Seele zu halten, was vielleicht noch größere Überwindung kostet.

Die Wirklichkeit sieht ein bisschen anders aus, denn wenn ich wirklich meine Ruhe haben will, gehe ich in das Wochenendhäuschen, sprich Beichtstuhl - jetzt in der Coronazeit in die Kirchenbank - und habe viel Zeit zum Lesen und zum Beten.

Ärgere ich mich darüber? Rege ich mich darüber auf? - Auch auf diese Frage muss ich eine ehrliche Antwort geben: Ich denke schon darüber nach. Ich frage: Was hat dazu geführt, dass ein Zustand erreicht ist, an dem ich selbst vor hohen Feiertagen wenig zu tun und viel Zeit habe? - Nur ein ganz schwacher Trost ist, dass es anderswo, wie es scheint, auch nicht besser ist.

Ich denke also darüber nach und denke zurück an das Evangelium vom vergangenen Sonntag, wo von der Umkehr zum Leben die Rede war und das die Botschaft enthielt: Fang bei dir selber an! Klage nicht über das Verhalten anderer, und versuche nicht, die anderen zu ändern oder mit Fingern auf sie zu zeigen, sondern beginne bei dir selber, in deinem eigenen Leben!

Das muss sich natürlich auch der Priester sagen lassen. Auch er ist ein Mensch mit Fehlern und Macken, mit Grenzen und Versuchungen. Und auch er kann sich das Wort der Versöhnung nicht selber sagen, er kann es sich nur sagen lassen.

Und dann sind wir im Nachdenken auch schon mitten in dem wunderbaren Gleichnis, das nicht allein den verlorenen Sohn und den wiedergefundenen, barmherzigen Vater darstellt, sondern auch, sozusagen als roten Faden, eine Wirklichkeit, die im Leben des Glaubens, aber auch im Leben als Menschen ganz wichtig ist: die Freiheit.

Der Vater im Gleichnis lässt seinen Sohn fortziehen und gibt ihm sogar das Erbe mit. Er schenkt ihm also die Freiheit, das zu tun, was er, der Sohn, für richtig hält. Das ist nicht das Gleiche wie das, wovon der Vater im Innersten seines Herzens überzeugt ist.

Diese Freiheit führt in die Konsequenz, daß der Weg auch in die Irre und ins Elend führen kann. So kommt es dann auch. Der Sohn verliert alles und landet schließlich bei den Schweinen. Er hat nichts mehr.

Aber das stimmt nicht ganz. Er hat immer noch - außer, dass er lebt - etwas ganz Kostbares: er hat seine Freiheit. In dieser Freiheit kann er entscheiden, was seinem Leben eine neue Wendung gibt: die Heimkehr zum Vater.

Man könnte sagen: diese Freiheit, die er jetzt immer noch hat, zeigt, dass er den Kontakt zum Vater nie ganz verloren hat! - Oder anders gesagt: In dem Maß, wie er seine Freiheit dazu genutzt oder mißbraucht hat, sich vom Vater zu entfernen, in dem Maß verliert er nach und nach nicht nur seinen Besitz, sondern noch viel mehr: er verliert das kostbarste Geschenk der Freiheit, seine Würde.

Das meint Jesus in diesem Gleichnis ja sicher auch: Das Erbe, das der Sohn da mitnimmt, das ist nichts anderes als die Würde, Kind dieses Vaters zu sein! An diese Würde, an die Schönheit dieser Bestimmung erinnert sich der Sohn in seiner tiefen Erniedrigung, und er kommt - in der Weise der Freiheit - zu dem Entschluss, dass es gut wäre, wenn er denn schon diese Würde verspielt hat, doch wenigstens wieder in die Nähe seines Vaters zu kommen, um so, wenn schon nicht als Kind, sondern nur als Knecht, in der Gegenwart des Vaters nach und nach wieder aufzuleben.

Diese Freiheit zu gebrauchen, bedeutet, nicht zu lügen, sondern die Wahrheit anzunehmen und die Wahrheit zu verwirklichen. Mit dem ehrlichen Blick auf sich selbst und seine Situation hat der Sohn seine Freiheit in vollkommener Weise verwirklicht.

Umgekehrt heißt das, hätte sich der Sohn selbst belogen, hätte er sich vorgemacht, sein Zustand sei doch eigentlich gut, er sei doch unabhängig, er wäre doch seinen eigenen Weg gegangen usw. - dann hätte er mit dieser Lüge auch seine eigene Freiheit verworfen und verwirkt.

Noch einmal die Frage von vorhin: Darf ein Pastor lügen? - Natürlich nicht, er muss die Wahrheit sagen: Die Wahrheit über dieses Gleichnis, die Wahrheit, die darin besteht, dass der Mensch groß ist, weil Gott ihm eine wunderbare Würde schenkt, die Würde als Kind und als Erbe.

Und auch die Wahrheit über die Vergebung, die Gott schenkt und die wir im Sakrament der Versöhnung, in der heiligen Beichte, feiern dürfen. Die Beichte ist überhaupt das österliche Sakrament, denn hier dürfen wir an uns selber erfahren, was über den verlorenen Sohn gesagt wurde: "Dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden." (Lk 15,32)

7. Predigtvorschlag

von Manfred Josef Stücker (erstellt: 2022)

Terra terram accusat

Was hat Jesus damals geschrieben, als er, wie das Johannesevangelium bezeugt, in den Sand einige Worte gezeichnet hat? - Das Evangelium sagt nur: Er "schrieb mit dem Finger auf die Erde" (Joh 8,6).

Vielleicht kennen Sie in Kevelaer die Kirchentür, auf der diese Szene dargestellt ist: Die Frau, die des Ehebruchs angeklagt ist, steht vor Jesus, und Jesus, ganz in sich gekehrt und zugleich ganz die Situation beherrschend, schreibt die folgenden Worte in den Sand: "Terra terram accusat" - "Die Erde klagt die Erde an".

Worauf spielt das an? - In der Osternacht hören wir nach dem Einzug mit der Osterkerze in die dunkle Kirche und nach dem österlichen Lobgesang, dem Exultet, zuerst die Schöpfungsgeschichte. Sie beginnt mit den Worten: "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die Erde aber war wüst und wirr ..." (Gen 1,1-2). - Später, im zweiten Schöpfungsbericht, wird gesagt, daß Gott den Menschen "aus Erde vom Ackerboden" geformt und ihm seinen "Lebensatem" eingehaucht habe (Gen 2,7). Die Erde ist also als Schöpfung beschrieben, als total von Gott stammend und total von ihm abhängig. Erst durch den lebendigen Atem Gottes wird alles lebendig, auch der Mensch.

Die Schriftgelehrten und die Pharisäer bringen eine Frau zu Jesus, die nach dem mosaischen Gesetz den Tod verdient hat. Wir kennen das Wort "pharisäerhaft", wenn wir jemand beschreiben wollen, der in unseren Augen scheinheilig, selbstgerecht, unbarmherzig ist. - Damit tun wir aber den Pharisäern zur Zeit Jesu wenigstens zu einem Teil Unrecht.

Die Pharisäer, denen Jesus begegnete, waren nicht unbedingt die alten Männer, die ohne Rücksicht am Buchstaben toter Gesetze klebten und ihre Mitmenschen mit ihrer rigiden Moral knechteten. - Dass Jesus sich immer wieder mit ihnen auseinandersetzte und sie als Gesprächspartner außerordentlich ernst nahm, hatte einen ganz bestimmten Grund: Für sie war das Wort und das Gesetz Gottes heilig, sie nahmen es als ernsten Anspruch und als Weisung in ihr Leben hinein, sie brachten persönlich große Opfer, sie kümmerten sich um Arme, Witwen und Waisen; kurz: sie waren Menschen, die an sich selbst, aber auch an ihre Umgebung hohe sittliche Ansprüche stellten!

Darum nimmt Jesus sie ernst. Er weiß, dass sie im Recht sind. Vordergründig besehen. Doch was tut er, als sie zu ihm kommen mit der Frau? Er ignoriert sie. Er schreibt in den Sand. "Terra terram accusat" - die Erde klagt die Erde an.

Nicht dass die Pharisäer und die Schriftgelehrten fromm und gottgefällig leben wollen, macht Jesus ihnen zum Vorwurf. Nicht dass sie sich bemühen, Unrecht zu ahnden und die Menschen an das Gesetz zu erinnern, ohne das das jüdische Volk und seine Religion in Zeiten der Besatzung verloren wäre. - Alles das macht Jesus ihnen nicht zum Vorwurf.

Was er ihnen zum Vorwurf macht, ist dies: dass sie nicht erkannt haben, wer sie selber sind.

Sie haben nicht erkannt, dass sie selber „Erde“ sind, geschaffen und gerufen von Gott, aber nicht, um wie Gott zu sein, nicht, um das zu tun, was allein Gott zukommt. Nicht, um zu richten.

Wenn sie richten, schwingen sie sich an die Stelle Gottes auf. Wenn sie richten und urteilen, setzen sie sich selbst an die Stelle dessen, dem allein das Urteil und der Richterspruch zukommt.

Was sollen die Pharisäer und die Schriftgelehrten denn nun tun? Etwa gar nichts mehr? Sollen sie dem Recht und dem Gesetz, das sie Moses verdanken, nicht treu sein und zum Durchbruch verhelfen?

"Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie" sagt Jesus (Joh 8,7). Damit sagt er: Keiner ist ohne Sünde. Keiner steht ohne Schuld da vor Gott. Keiner? Absolut keiner.

Jesus ist sich der Wirkung seiner Worte so sicher, dass er sich nicht weiter um die Kläger kümmert, sondern sich wieder bückt und auf der Erde weiter in den Sand schreibt: Terra terram accusat - die Erde klagt die Erde an.

Das Entscheidende geschieht jetzt. Die Kläger wenden ihren Blick, den inneren Blick der Anklage, weg von der Frau und hin auf sich selbst. Es kann so leicht sein, den anderen anzuklagen und ihn zu verurteilen. Sich selbst an die Brust zu klopfen, ist eine Übung, die so schwer sein kann. Aber diese Übung gelingt den Klägern - diesmal. Sie wenden sich ab. Sie lassen ihre Steine fallen. Sie gehen weg.

Diesmal lassen sie die Anklage fallen. Schon kurze Zeit später lassen sie sich nicht mehr darauf ein, was Jesus ihnen ins Gewissen spricht. Schon kurze Zeit später werden sie nicht mehr diese oder jene Frau anklagen, jemanden aus ihrer eigenen Mitte, sondern Jesus selbst. Jesus, der jetzt noch im Staub kniet: ein Bild seiner Demut, ein Bild seiner Erniedrigung in den Staub der Menschen. Er selbst hat diese Erniedrigung gewählt und gewollt.

Bis dahin, dass er ja sagt zum Leiden und zum Kreuz. Er, der die Macht gehabt hätte, die Frau zu verurteilen, verzichtet darauf. Weil er will, dass die Frau lebt. Weil er will, dass die Frau geht und nicht mehr weitersündigt.

So ist Jesus zu uns Menschen. Er verzeiht, er richtet auf, er öffnet einen neuen Weg.

Ach ja, was ich noch vergessen habe: Zu sagen, wo die Tür in Kevelaer zu finden ist, auf der wir dieses Bild von Jesus mit der Ehebrecherin finden:

Es ist die Eingangstür zur Beichtkapelle.

Weil wir in der Beichte, dem Sakrament der Versöhnung und Verzeihung, die Steine abgeben, die uns selbst belasten und die uns in Versuchung führen, sie auf andere zu werfen.

Wir alle haben die Chance, in einer guten Osterbeichte den Weg der Versöhnung zu gehen.

Wir alle haben die Chance, uns von Jesus selbst aufrichten und mit neuem Leben beschenken zu lassen.

8. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2022)

Der Friede als Balance

Der Friede in dieser Welt ist bedroht und verletzt. Ein Vernichtungskrieg, hier in Europa, ganz in unserer Nähe, ist ausgebrochen und bedroht ganze Völker. Argumente und Appelle zu Vernunft und zu einer einvernehmlichen Lösung sind nicht in Sicht und scheinen nicht möglich. Das Böse hat seine Fratze vor uns enthüllt, und wir sind entsetzt, ratlos, hilflos.

Wie kann der Friede gerettet werden? Wie kann vor allem den Menschen geholfen werden, die gequält sind und von denen schon viele alles verloren haben? Politiker, Diplomaten, Soldaten, unzählige Helfer sind dabei, der Not zu begegnen und Wege aus Hoffnungslosigkeit und Leid zu finden. Was können wir tun? Was machen wir jetzt?

Heute ist Gründonnerstag. Wir feiern diesen Tag als Tag der Einsetzung der heiligsten Eucharistie. Christus gibt sein Leben für uns Menschen. Er teilt seine Liebe aus. Er versammelt seine Apostel zu einer Feier, die denkwürdiger, aber auch merk-würdiger nicht sein kann: Nach dem Mahl nimmt er das Brot und den Wein aufs Neue in seine Hände. Und er spricht die Worte, die offenbar machen, wie er uns sich in diesen Gaben selbst und total schenkt: "Das ist mein Leib – Das ist der Kelch meines Blutes, des neuen und ewigen Bundes."

Johannes, dessen Bericht wir an diesem Abend hören, fasst das Geschehen in diesen Worten zusammen: "Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung." (Joh 13,1)

Der Ort, wo dieses Geschehen sich abspielt, der Ort, wo Jesus sein Leben für das Leben der Menschen hingibt, ist nicht zufällig gewählt. Es ist die Stadt Jerusalem. Dort, so hatte er immer wieder vorausgesagt, würde der Messias den Menschen ausgeliefert, dort würde er leiden, sterben und auferstehen (vgl. Mt 16, 21 u.a.).

Warum Jerusalem? Jerusalem ist die Stadt Davids, es ist die Stadt der Verheißung des Friedens. "Jerusalem", in diesem Namen steckt das hebräische Wort "shalom". Es bedeutet "Frieden".

In diesem Wort steckt ganz viel. Wir ahnen ja, dass Frieden nicht nur meint, dass Krieg aufhört und keine Waffen mehr sprechen. Frieden bedeutet nicht nur die Abwesenheit von Krieg und Hass, es bedeutet nicht "Friedhofsruhe".

Im hebräischen Wort "shalom" finden wir eine Antwort auf die Frage, was Frieden im tiefsten meint.

Das hebräische Wort "shalom" meint den Zustand des Friedens als Zustand des Ganzseins. Denn das Wort besteht aus zwei Teilen: aus dem hebräischen Buchstaben shin (= Feuer) und men (= Wasser), und dazwischen lamed, die Waage.

Das bedeutet in diesem Bild: Wo Feuer und Wasser sich die Waage halten, da ist Frieden. Das Feuer meint die Anwesenheit Gottes. Gott ist Feuer, er ist Licht, und ihm kann sich kein Mensch nähern, wenn Gott es nicht will (vgl. Ex 3, 1-6 ; 24, 9-18).

Das Wasser dagegen steht für das Leben des Menschen in seiner Vergänglichkeit. Unsere Vergänglichkeit führt zum Untergang und zum Tod, wenn nicht als Gegengewicht die Gegenwart Gottes da ist.

Friede meint also eine Balance, ein Gleichgewicht, das nicht gestört werden darf. Die Sünde, die Abkehr von Gott, der Egoismus, der Hass: alles das zerstört dieses Gleichgewicht, zerstört darum auch den Frieden.

Was bedeutet das für uns an diesem Abend, an dem wir den neuen Frieden feiern dürfen, der von Christus selbst gestiftet wird? Wenn Friede Balance bedeutet, wo Gott und Mensch sich gegenübertreten, nicht als Rivalen, sondern als Freunde, nicht als Gegner, sondern als Bundesgenossen, dann kann uns noch ein weiteres Bild zeigen, was uns geschenkt wird und von dem wir leben.

Ich meine ein Bild, das mich immer sehr beeindruckt, wenn ich nach Lourdes komme; dieses Bild steht nicht im Wallfahrtsheiligtum, sondern oben auf einem Berg, wo die Pilgergruppen aus unseren Ländern für gewöhnlich nicht hinkommen, der aber ein Ort ist, ohne den man die Botschaft von Lourdes gar nicht verstehen kann, die ja eine Botschaft der grenzenlosen Liebe und des Friedens ist.

Das Bild steht im Caritasdorf, dem "Cité St. Pierre", das erbaut worden ist, um die Pilger aufzunehmen, die kein Geld für ein Hotel oder ein Wohnmobil haben, Pilger aus Osteuropa, Afrika oder Asien, für die schon die Reise selbst teuer genug ist. Im Sommer, wenn viele Pilger dort sind, kann man immer wieder Gruppen dort erleben, die ausgelassen singen und tanzen. Ich gehe da gerne hin, vor allem wegen der Kapelle, die den Schafstall der heiligen Bernadette naturgetreu nachbildet, mit groben Steinen und einem Strohdach, und auch wegen des Kaffeeautomaten, der den günstigsten Kaffee in ganz Europa bietet.

Am Eingang dieses Dorfes steht die Waage des Friedens und der Gerechtigkeit mit ihren beiden Waagschalen. Was ist darauf zu sehen? Auf der einen Seite ist die Weltkugel: diese zerbrechliche Welt, groß und klein zugleich, der Ort, der uns zum Leben anvertraut ist, der aber so oft misshandelt, missbraucht und ausgebeutet wird.

Und auf der anderen Seite? Da ist die Monstranz mit der Hostie in der Mitte. Die Gegenwart der Liebe Gottes. Christus ist das Brot, das sich austeilt und das uns im Hunger unserer Seele nährt, den Hunger nach Freiheit, nach Heil und Leben, nach Frieden. – Die Monstranz mit der Hostie zeigt: Gott lässt uns Menschen nicht allein. Die Hostie ist das Brot, das die Menschen in ihrer Sehnsucht wahrhaft sättigt. Es ist aber auch der liebevolle Blick Gottes, der uns in Christus anschaut und verwandelt.

Diese Waage steht zugleich auch in der Kapelle, die aus einfachen Steinen erbaut ist und im Inneren den Stall wiedergibt, in dem Bernadette die Schafe gehütet hat. Die Besucher nehmen auf einfachen Holzbänken oder -stühlen Platz. Für mich ist diese Kapelle gerade in ihrer Einfachheit der passendste Ort, um die Botschaft des Glaubens in Lourdes zu feiern.

In dieser Kapelle ist der Tabernakel auf der Waagschale, die der Welt gegenübersteht. Die heilige Eucharistie, zu der wir uns versammeln und deren Einsetzung wir heute feiern dürfen: Sie ist die Feier und der Garant des Friedens in der Welt.

9. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2022)

Durch Leiden zum Frieden

Der Friede und Gottes Gerechtigkeit

Ganz friedlich endet dieser Passionsbericht nach dem Evangelisten Johannes: der Leichnam Jesu wird in ein neues Grab gelegt. Das Grab gehört dem Ratsherrn Josef von Arimathäa, der schon früher Kontakt zu Jesus aufgenommen hat, und dieses neue Grab ist in einem Garten.

Nach all den furchtbaren Einzelheiten, die uns die Passion berichtet oder oft genug auch nur andeutet, nach der Beschreibung des ungerechten Prozesses, des Hasses vieler Menschen gegen Jesus, aber auch der Zeichen der Nähe und der Zuneigung, die Jesus gegeben werden, und nach der Darstellung seines Todes am Kreuz auf Golgotha, einem Ort, der damals als Müllhalde diente - nach all dem nun dies:

Da ist ein Garten, da ist ein neues Grab.

In diesem Bild schwingt Frieden mit, Ruhe und Trost.

Und wer, der die Bibel in ihrer Ganzheit wahrnimmt, erinnert sich nicht, wenn der Garten erwähnt wird, an einen anderen Garten, den Garten Eden im Buch Genesis? Dort, so lesen wir, hat Gott für den Menschen, den er ins Dasein gerufen hat, einen Garten gepflanzt, und in diesem Garten ließ der Herr allerlei Bäume wachsen, deren Früchte der Mensch genießen konnte. - Doch in der Mitte, da stand der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse, und davon durfte der Mensch nicht essen.

Wir dürfen annehmen, dass Johannes, der Evangelist, der natürlich diese Stelle kannte, diese Assoziation bewusst mit hineingenommen hat, wenn er die Passion so enden lässt. Und er hat damit auch vorweggenommen, was in der späteren Deutung vom Kreuz Christi gesagt wird: dass nämlich das Kreuz Christi der neue Baum ist, von dem das wirkliche Leben kommt. Vom Baum der Erkenntnis, so beschreibt die Genesis das Drama, kommt Tod und Verderben: die Vertreibung aus dem Paradies.

Von diesem Baum aber, vom Kreuz Christi, kommt etwas ganz Neues: ein neuer Friede, der aus einem unlösbaren Bund kommt, den Gott mit den Menschen schließt. Eine neue Liebe, die so stark ist, dass sie den Tod überwindet und Auferstehung schenkt. Ein neues Leben, das diese Welt verwandelt.

Im Garten Eden spielte sich, so stellt es das Buch Genesis in wenigen, knappen Worten dar, das Drama der Entscheidung ab: Der Mensch entscheidet sich, Gottes Weisung zu missachten. Er wählt scheinbar die Erkenntnis, in Wirklichkeit wählt er den Tod.

Will uns Johannes, der Evangelist, nun auch zeigen, dass da eine neue Chance ist, eine Chance, sich neu zu entscheiden, eine Entscheidung diesmal für das Leben? Will er darauf hinaus?

Wenn wir genauer hinschauen, gibt es diesen Gedanken bei ihm: in einem Wort, das immer wieder vorkommt: Glauben.

Die Menschen glauben an Jesus - oder sie glauben nicht.

Was bedeutet Ihnen, was bedeutet dir "Glauben"? Nur soviel wie, etwas nicht ganz genau zu wissen, und dann glaube ich es eben? "Ich weiß nicht, wie das Wetter übermorgen sein wird, aber ich glaube, es kann schön werden" - diese Art von Meinen und Vermuten ist bei Johannes gerade nicht gemeint.

Und mit "Glauben" ist bei ihm auch nicht gemeint, was viele unserer Zeitgenossinnen und Zeitgenossen praktizieren: sie glauben an die Sterne - sie glauben an Ufos - sie glauben an sich selbst - ?

Nein, Glauben bedeutet für das Evangelium etwas anderes, etwas viel Größeres und Schöneres: die gute Beziehung zu Christus, dem Sohn Gottes.

Darum durchzieht das Drama des Glaubens das gesamte Johannesevangelium: Es beginnt bei der Hochzeit zu Kana, wo Jesus das erste Zeichen wirkt, und wo es am Ende heißt: " … und seine Jünger glaubten an ihn" (Joh 2,11).

Und am Ende, in der Passion, spitzt sich diese Auseinandersetzung zu. Im Gespräch mit Pilatus offenbart sich Jesus als der König, in dem wir die Wahrheit finden. "Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme" (Joh 18,37).

Glauben ist also auch, mit der Wahrheit übereinzustimmen.

Und um das Gesagte noch einmal zu bekräftigen und unmissverständlich klarzumachen, was da geschieht und wo wir finden, was wir glauben dürfen, betont Johannes am Ende der Passion: "Und der es gesehen hat, hat es bezeugt und sein Zeugnis ist wahr. Und er weiß, dass er Wahres sagt, damit auch ihr glaubt" (Joh 19,35). - Deutlicher kann es der Evangelist nicht mehr sagen.

Man kann es auch einfach Freundschaft nennen. Freundschaft mit Jesus, der sich kreuzigen lässt, der als Verbrecher stirbt - das war schon für die Menschen damals eine Zumutung, eine Herausforderung! Ist das heute anders? Was hören die jungen Menschen, wenn sie ihren Freundinnen und Freunden erzählen: Ich will mich firmen lassen! Ich gehöre zu Christus! - Was kommt da an Reaktionen?

Freundschaft mit Jesus - das ist nicht umsonst zu bekommen. In Zeiten von Facebook und anderen digitalen Netzen kannst du ganz schnell ziemlich viele Freunde finden. - Aber bekommt man einen echten Freund mit ein paar Klicks und ein paarmal Tippen auf den Bildschirm?

Jesus hat sich seine Freundschaft mit uns etwas kosten lassen. Sein Leben, sein ganzes menschliches Dasein. Er ist ein Freund, der leibhaftig da sein will. Darum ist auch sein Tod nicht irgendwie symbolisch, sondern real zu verstehen. So real wie brutal.

Und darum ist auch seine Auferstehung nicht irgendwie symbolisch zu verstehen - so, als wenn sich die Jünger nach dem Desaster irgendwie Mut gemacht hätten: "Die Sache Jesu muss weitergehen, also Kopf hoch!" - nein: Die Jünger haben den Auferstandenen leibhaft erlebt. Er ist leibhaft auferstanden, real. Aber diese Realität ist nicht brutal, sie ist voller Zuwendung, voller Liebe, voller Trost. Eben genau so, wie wir es als Menschen brauchen, gerade heute.

10. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2022)

Der Friede als Ostergeschenk des Auferstandenen

Eigentlich ist für uns nicht Ostern, sondern Weihnachten das Fest der Geschenke. Kinder freuen sich schon Wochen vorher auf den spannenden Moment, wenn sie sehen, was sie auspacken dürfen, und sind glücklich.

Doch Ostern ist das Fest der Feste. Während Weihnachten in der dunklen Jahreszeit gefeiert wird, wo die Sonne am tiefsten steht, stellt Ostern buchstäblich alles in den Schatten durch das neue Licht, das sich ausbreiten soll in die ganze Welt hinein.

Und Ostern bringt uns das Geschenk überhaupt, das uns der Auferstandene mitbringt. - Was für ein Geschenk mag das sein? Ein Korb voller Ostereier vielleicht? Der Evangelist Johannes beschreibt dieses Geschenk so: "Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!" (Joh 20,19). Das ist also das große Ostergeschenk: der Friede.

Seit einigen Wochen ist der Friede, oder vielmehr das Gegenteil davon, der Krieg, in aller Munde. Eine Invasion russischer Truppen in das Nachbarland Ukraine an verschiedenen Stellen machte den Beginn. Viele glaubten, dieser Krieg sei womöglich schon nach ein paar Tagen zu Ende, weil die Ukraine der erdrückenden Übermacht nichts entgegenzusetzen hätte. Die erste Überraschung war also, dass die Angegriffenen sich mit Entschlossenheit zur Wehr setzten, während viele russische Soldaten nicht einmal wussten, wohin sie überhaupt geschickt wurden.

Dann kommt es zu einem zermürbenden Stellungskrieg, während wir und die anderen westlichen Nachbarn allmählich den flehentlichen Bitten der Ukrainer nachkamen, ihnen zu helfen, damit sie sich verteidigen konnten. Währenddessen gibt es einen Flüchtlingsstrom wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

Und weiter kommt es nun zu den verstörenden Bildern des entsetzlichen Leids der Zivilisten, Frauen, Kinder, alte Menschen, die hingemetzelt werden, zum Teil vorher gefoltert und gefesselt.

Jetzt wurde auch dem Letzten klar: Hier ist nicht einfach eine Eroberung im Gange, die zum Ziel hat, sich ein Land einzuverleiben oder eine Vasallenregierung zu installieren. Hier spielt sich vor unseren Augen ein Vernichtungskrieg ab mit dem Ziel, eine Nation, ein Land auszulöschen.

Wie können wir, während uns die Worte dafür fehlen und wir um Fassung ringen, Ostern feiern und sagen: Es ist ein Fest des Lebens! Es ist ein Fest des Friedens! Und Frieden ist das Ostergeschenk des Auferstandenen!?

Liebe Schwestern und Brüder! Christus hat das Leiden der Menschen geteilt. Er gehörte zu einem Volk, das immer wieder verfolgt, dezimiert, ja ausgerottet werden sollte. Er gehörte nicht zur Oberschicht, wurde aber von den Herrschenden und Verantwortlichen gehört und ernst genommen. Doch gerade das bewahrte ihn nicht davor, angeklagt und verurteilt zu werden, sodass er den ehrlosesten Tod sterben musste, der denkbar war.

Für uns im Glauben ist das nicht das Schicksal eines Rebellen oder Sozialrevolutionärs. Christus ist gekommen mit dem Anspruch, Gottes Sohn zu sein. Er ist Gott gleich. Er ist der Messias. Dieses Selbstzeugnis, das er nicht verweigert hat, ist der tiefere Grund dafür, dass ihn einige Menschen hassten und seinen Tod forderten. Wie kann dieser einfache Galiläer behaupten, der Messias, der verheißene Gesalbte Gottes, zu sein?

Was hat das mit Krieg und Frieden zu tun? Sehr viel, glaube ich. Krieg ist immer das Nein zu einem Frieden, den der Mensch sich selbst nicht geben kann. Krieg ist nie Wille Gottes, während der Friede ein Werk Gottes ist. Wo Menschen von sich aus, ohne die Hilfe Gottes, Frieden und Gerechtigkeit stiften wollen, kommt oft genug Chaos und Unheil heraus.

Warum ist das so? Menschen sind immer, ob sie es wollen oder nicht, hin und her gerissen zwischen Gut und Böse, zwischen Aufopferung und Egoismus, zwischen der Bereitschaft zum Dienen und der Versuchung zur Macht über andere. - Was ist die Folge? Die Folge ist, dass unsere Worte und Taten selbst dann, wenn wir wollen, nie ganz rein sind und nie ganz ohne die Versuchung, das Böse zu tun, so dass oft genug nicht das Wahre und Echte herauskommen, sondern etwas Schlechtes.

Wer zivilisiert ist, wird zwar eingegrenzt und akzeptiert die Ordnung von Recht und Gesetz, aber die Decke der Zivilisation ist dünn. Und wenn sie reißt, dann kommt die Fratze des Bösen mit allem hervor, was kaum vorstellbar schien, wie wir jetzt wieder sehen.

Christus ist nicht einfach ein guter Mensch, der zum Frieden mahnt, er ist der Messias Gottes. In ihm kommt Gott selbst zu uns. Indem Christus in die tiefsten Tiefen der Sünde und des Bösen hinabsteigt, überwindet er das Dunkel und die Hoffnungslosigkeit von innen. Durch seine Auferstehung verwandelt er auch unser Leben, denn er ist Mensch wie wir, er ist der Mensch, den Gott uns Menschen schenkt.

Uns allen wünsche ich einen Osterfrieden, der aus der Tiefe der Liebe Gottes kommt, und der uns fähig macht, Gedanken und Werke des Friedens zu tun, damit die Welt heil wird.

11. Predigtvorschlag

von Michael Kenkel (erstellt: 2022)

Heiligsprechung Charles de Foucauld

Am Abend des 30. November 2016 stürzte ein junger Schreiner vom über 15 Meter hohen Dach einer Kirche in Frankreich auf eine Holzbank, die unter dieser Wucht sofort zerbrach. Ein Holzpfosten drang in die Seite des jungen Mannes. Er stand nach diesem Sturz sofort wieder auf, der Holzpfosten wurde im Krankenhaus entfernt und dabei festgestellt, dass keine Organe verletzt waren. Es gab weder Knochenbrüche, noch Blutungen, noch physiologische oder psychologische Folgeschäden. Die Ärzte sagten anschließend, bei einem Sturz von über 10 Meter Höhe hätte der Mann tot sein müssen.

An diesem Abend beteten in aller Welt die Anhänger des Charles de Foucauld um ein Wunder anlässlich seines 100. Todestages, damit seine Heiligsprechung vorangebracht werden konnte. Besonders wurde in Saumur darum gebetet, wo die Pfarrkirche nach ihm benannt wurde. Dort hat sich dieses Wunder zugetragen und am heutigen Sonntag findet tatsächlich u.a. aufgrund dieses Wunders die Heiligsprechung von Charles de Foucauld statt.

Charles de Foucauld war - übrigens genau wie dieser Schreiner - ein typisches Kind seiner Zeit: als Kind getauft, kam er als Jugendlicher vom Glauben ab, da dieser für ihn nur aus oberflächlichen Ritualen bestand. Er galt als aufsässig und ungehorsam. An der Militärakademie wurde er immer wieder wegen mangelnder Disziplin bestraft. Im Einsatz in Algerien kam er mit der islamischen Welt in Berührung und ahnte, dass es etwas Größeres und Wahreres geben muss. So fand er wieder zum Glauben an Jesus zurück, trat bei den Trappisten ein, in der Nacht vor seinem ewigen Gelübde verließ er diese, weil sie ihm nicht arm genug waren, er lebte schließlich als Priester und Einsiedler unter Moslems, unter den Tuareg in der Sahara, von denen er als heiliger Mann verehrt wurde.Während des 1. Weltkrieges wurde er dort erschossen. 15 Jahre später bildete sich die 1. Ordensgemeinschaft, die sich auf ihn berief, es sollten bis heute noch über 20 weitere Ordens- und Laien-Organisationen werden.

Im heutigen Evangelium heißt es: liebt einander, wie ich euch geliebt habe. Charles de Foucauld hat danach gelebt. Auf seinem Ordensgewand, mit dem er oft dargestellt wird, wird das gut sichtbar: ein Herz, aus dem ein Kreuz heraus wächst. Die Liebe, wie Jesus uns sie vorgelebt hat; eine Liebe, die sich hingibt, die bereit ist, das Leben am Kreuz, im Leid zu verschenken.

Charles de Foucauld hat sein Leben verschenkt, wollte Menschen in die Nachfolge rufen, hatte die Ordensregel schon fertig geschrieben, aber es zu Lebzeiten nicht mehr erleben dürfen, wie dieser Wunsch in Erfüllung geht. Erst nach seinem Tod hat sich dieser Wunsch erfüllt. Aber andere Menschen, die Moslems in der Sahara haben seine Liebe erlebt, anerkannt, sind dadurch Christus begegnet.

Und das können wir auch: die Liebe leben. In allem was wir tun, uns fragen, ob wir es aus Liebe tun, ob wir es in Liebe tun. Wenn ich jemanden danke, tue ich es nur aus Pflichtgefühl, weil man das halt am Muttertag so macht? Oder ist es Ausdruck meiner tiefen Liebe. Wenn ich jemanden kritisiere, tue ich es, damit die Schuld nicht bei mir hängenbleibt, oder weil ich dem anderen etwas Gutes will, kritisiere ich aus Liebe? Solch eine Liebe ist anspruchsvoll, weil es Hingabe ist, weil es mein ganzes Leben, all mein Denken, Reden und Tun bestimmt. Jesus hat gesagt, dass es ein neues Gebot ist. Die Liebe gab es aber auch schon im AT. Diese seine Liebe hat eine neue Qualität: Liebe als Ganzhingabe - anspruchsvoll, aber nicht unmöglich.

Denn - das steckt ja schon in diesem Satz drin: liebt einander, wie ich euch geliebt habe. Nicht nur als Beispiel gemeint: so sollt ihr einander lieben, wie ich es Euch gezeigt habe - sondern auch: ich habe euch zuerst geliebt. Weil ich euch geliebt habe, könnt auch ihr einander lieben.

In der zweiten Lesung hörten wir auch, wie Gott alles neu machen wird: einen neuen Himmel und eine neue Erde: die heilige Stadt, das neue Jerusalem - es ist die Wohnung Gottes unter den Menschen! Gott wird in ihrer Mitte wohnen. Das ist das Neue, das ist die Kraft dieser Liebe - Gott wohnt in unserer Mitte.

Charles de Foucauld hat daraus gelebt: aus dem Evangelium und der Eucharistie. Er verbrachte Stunden in der Anbetung: Gott mitten unter uns.

Daraus dürfen wir auch leben, auch deswegen kommen wir jeden Sonntag hier zusammen: Gott ist in seinem Wort und in der Eucharistie gegenwärtig - er ist hier mitten unter uns und kann uns hier jeden Sonntag die Kraft geben, aufs neue aus seiner Liebe heraus zu leben.

Amen.

12. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2022)

Weihnachten 2022

Warum Jesus in Betlehem geboren werden wollte

Kann sich ein Mensch aussuchen, wo er geboren wird? Haben wir, haben du und ich, uns das ausgesucht? - Nein, wir sind geboren worden an einem Ort und zu einer Zeit, die wir uns nicht ausgesucht haben.

Eine Ausnahme gibt es, und die feiern wir heute. Ich bin überzeugt, Jesus wollte in Betlehem und nirgendwo anders geboren werden. - Warum das?

Nun, zum einen ist Jesus nicht ein gewöhnlicher Mensch, er ist Gottes Sohn. Er ist "Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott", wie wir bekennen. Er ist eins mit dem Vater und Gott von Ewigkeit her.

Das alles verschlägt uns eigentlich den Atem, wenn wir heute sehen, wie ein kleines, wehrloses Kind in der Krippe liegt! Das also soll der Erlöser sein, der Retter der Welt?

Eben. Und darum wählt er nicht irgendeinen Ort für seine Geburt aus. Er wählt auch nicht Rom, die Stadt des Kaisers, oder Athen, die Stadt großer Philosophen, oder Jerusalem, wo der Tempel steht.

Er wählt Betlehem.

Die Bibel sagt: Betlehem ist die Stadt Davids. David war nach Saul der zweite König von Israel. David machte Gott das Versprechen: Ich werde dir einen prachtvollen Tempel bauen, in Jerusalem. Dazu kam es nicht.
Gott wollte das nicht. David hatte zu viele Kriege geführt. David hatte Blut vergossen. Gott wollte den Tempel als ein Zeichen des Friedens.
Darum durfte erst Salomo, der Sohn Davids, den Tempelbau beginnen und auch vollenden.

Aber Gott gab dem König David ein Versprechen. Er sagte: Ich werde dir ein Haus bauen, das ewig bleibt. Ich werde einen deiner Nachfolger als Retter und Erlöser für Israel schicken. - Und die Prophezeiung lautete:
Dieser König würde in Betlehem geboren werden.

Als Jesus in Betlehem geboren wurde, war er in keinem Palast, nicht mal in einem Haus. Eine Höhle war sein erstes Zuhause. Maria und Josef waren zu einer Volkszählung nach Betlehem gekommen. Ihre Heimat war Nazareth, viel weiter im Norden. Beide waren arm. Und Betlehem und ganz Israel stöhnte unter der Besatzung durch die Römer. - Und genau da wollte der Heiland geboren werden!

Und wie ist es heute mit Betlehem? Kommt man heute dahin, ist man erschrocken. Eine acht Meter hohe Betonmauer schließt die Stadt ein.
Unzählige Kontrollposten machen eine Reise in die Stadt oder aus ihr heraus zu einem Wagnis. Die Angst vor Terroranschlägen ist groß. - Und so sieht die Stadt des Erlösers nach 2000 Jahren aus?

Es gibt viel Dunkel in dieser Welt. Für uns kann das Schicksal dieser Stadt Betlehem und das Schicksal der Heiligen Familie, die vor 2000 Jahren in diese Stadt kam, nur eines bedeuten: Jesus kommt gerade dahin, wo es wirklich dunkel ist. Wo wirklich die Menschen nach Erlösung rufen.
Wo er wirklich als das Licht und das Leben kommen kann. Darum haben wir in unserer Kirche auch das Friedenslicht aus Betlehem.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum Jesus ausgerechnet in Betlehem geboren werden wollte. Diesen Grund finden wir im Namen "Betlehem". Denn das bedeutet übersetzt: "Haus des Brotes". Das Haus, in dem wir das wahre Brot, das Brot des Lebens, finden können.

Es gibt viele Menschen, mehr Menschen als zuvor, die Hunger leiden, die frieren, die auf der Flucht sind, die niemand haben will. Auch viele Ungeborene gehören dazu: sie sind "unerwünscht", "ungeplant", sie sind eine Last.

Weihnachten ist das Fest, das uns daran erinnert, dass es diese Menschen gibt: in der Ferne und in der Nähe. Und an Weihnachten bekennen wir, dass wir nicht beten können: Lieber Gott, mach du all diese Leute satt und schenke ihnen Heimat und Sicherheit - wenn wir nicht selber anfangen, Gutes zu tun. Dafür wird Gottes Sohn ja ein Mensch: damit wir in den Menschen, die Not leiden, Ihn erkennen und Ihm dienen.

Doch mindestens ebenso groß wie der Hunger, der den Leib satt macht, ist der Hunger nach dem Brot der Wahrheit und dem Brot, das ewiges Leben schenkt, das lebt und Leben spendet.

Wenn wir an Christus glauben, bekennen wir: Dieses Brot, das bringt uns nicht Jesus, dieses Brot ist er selbst! Er sagt ja: "Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt." (Joh 6, 51)

Deswegen feiern wir heute an Weihnachten nicht allein, dass Jesus für uns als Mensch geboren wurde. Wir feiern auch, dass er für uns als Mensch gelebt hat, dass er für uns gestorben ist und auferstand, und dass er lebt und sich immer neu an uns verschenkt.

Mit einem Wort: Krippe, Kreuz und Altar gehören zusammen, sind eine Einheit, gehören untrennbar zusammen. Wenn uns Weihnachten die Demut Gottes zeigt, der als kleines Kind in einer Futterkrippe liegt, so zeigt die heilige Eucharistie, dass die größte Demut Gottes darin besteht, dass seine ganze Liebe und Hingabe in der kleinen Hostie enthalten ist, die wir empfangen.

Welches Geschenk! Welche Liebe! Welches Licht! Der ist der Größte, der sich am kleinsten gemacht hat. Wir können nur niederknien und anbeten und Ihm voller Freude danken.

13. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2022)

Wo möchte ich leben? Vergangenheit? Zukunft? Gegenwart!

Wo möchten Sie leben? Wo ist Ihr Zuhause? - Wenn Sie jetzt denken, diese Frage bezieht sich auf einen Ort, es geht um das Land, die Stadt oder das Dorf, so muss ich diese Frage genauer stellen. Denn ich meine nicht einen bestimmten Platz, sondern etwas anderes.

An Weihnachten habe ich die Frage gestellt, ob wir uns aussuchen können, wo wir geboren werden. - "Natürlich nicht!" wird jeder von uns antworten, doch es gibt, wie wir an Weihnachten bekennen, eine Ausnahme. Jesus wollte in Betlehem geboren werden, in der Stadt Davids, in der Stadt, deren Name übersetzt "Haus des Brotes" bedeutet.

Wenn wir uns nun die Frage stellen: Wo möchte ich leben?, dann kann die Frage auch lauten: Wann möchte ich leben? - Und auch auf diese Frage würden Sie wahrscheinlich erstaunt antworten: Ja, wann denn wohl? Ich lebe doch jetzt, in diesem Augenblick! Und das kann ich mir nicht aussuchen! Die Zeit und die Umstände, die wir vorfinden, die sind nun mal so!

Umso seltsamer ist, dass viele unserer Zeitgenossen - vielleicht auch Sie, vielleicht auch ich! - sich ganz anders verhalten und ganz anders denken und sich auch wünschen, in einer ganz anderen Zeit zu leben!

Viele wünschen sich die Vergangenheit zurück. Sie denken:
Früher war mehr Gemeinschaft. Früher war mehr Nachbarschaft. Früher war mehr Disziplin. Früher war mehr Achtung der Jüngeren vor den Älteren. Früher waren die Kirchen voll ... die Reihe ließe sich fast endlos fortsetzen.

Nur: die Vergangenheit können wir nicht mehr zurückswitchen. Und wahrscheinlich wollen das viele dann doch nicht, dieses Zurück in die Vergangenheit, wenn man sich vorstellt, im Ruhrgebiet unter rauchenden Schloten zu leben, oder in einer Textilstadt an einem verseuchten Fluss, oder mit einem Auto durch die Gegend zu fahren, das nicht einmal einen Sicherheitsgurt hat.

Also leben wir dann besser in der Zukunft, wo unsere Probleme, die wir haben, mehr oder weniger gelöst sein werden? CO^2 -neutral am besten bis 2030, eine Welt, in der der Krieg geächtet ist, wo Kolonialismus, Fremdenfeindlichkeit, soziale Ungerechtigkeit und Unfreiheit überwunden sein werden! Doch wer garantiert das alles? Sind nicht alle diese Ideen und Ziele schon seit sehr langer Zeit anerkannt?

Und wie sind damit weitergekommen?

Auch in der Kirche gibt es manche, die lieber in der Vergangenheit leben möchten, noch mehr Menschen aber, so scheint mir, die sich überlegen, wie die Zukunft aussehen muss, und sich daran versuchen.

Nun habe ich nichts gegen Pläne, Konzepte und Ziele, doch zugleich bin ich skeptisch, und ich behaupte, diese Skepsis und diesen Zweifel, was Zukunftsvisionen angeht, sogar biblisch und vom Glauben her begründen zu können. Doch zuvor lassen wir doch einfach unseren gesunden Menschenverstand arbeiten. Wer hat uns vor drei Jahren gesagt, dass wir eine Pandemie bekommen, die uns noch weiter beschäftigen wird? Wer hat uns vor einem Jahr gesagt, dass in Europa ein grässlicher Krieg herrscht?
Wer hat uns vorausgesagt, wie sich die Preise entwickeln werden, dass Boris Becker ins Gefängnis kommt (und dann wieder entlassen wird), und dass unsere Fußball-Nationalmannschaft, auf die wir einst so stolz waren, inzwischen ein Sanierungsfall ist?

Woher mag das kommen, dass alle, die meinen, in die Zukunft hineinschauen zu können wie mit einem Fernglas, regelmäßig daneben liegen? "Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen" meint darum Mark Twain in seiner unnachahmlich bissigen und präzisen Art.

Für den, der glaubt, ist das nichts Erstaunliches. Denn Gott ist ein Gott der Überraschungen. Er tut Dinge, die kein Mensch für möglich gehalten hätte. Oder wer hätte sich ausdenken können, dass ein kleines Kind in einem Stall die Welt rettet? Und dass wir durch Ihn, der am Kreuz wie ein Verbrecher stirbt, die Hoffnung auf Leben haben? Oder dass zwölf mehr oder weniger ungebildete Männer die Welt mit der Botschaft aufmischen, dass Gott die Liebe ist?

Das alles soll uns nicht in Apathie und Tatenlosigkeit stürzen, nach dem Motto: "Daran kann ich eh nichts ändern, und ich alleine schon gar nicht", sondern es kann uns etwas anderes zeigen: dass wir, wenn wir die Zukunft nicht kennen und auch nicht in die Vergangenheit zurückwollen, am besten einfach in der Gegenwart leben.
Die Gegenwart ist einfach jetzt. Jetzt kann ich Gutes wollen und tun. Jetzt kann ich mich dafür entscheiden, den Nächsten nicht zu hassen, sondern zu lieben. Jetzt kann ich glauben und beten und so auf Gott vertrauen.

Wäre es nicht ein guter Vorsatz für das neue Jahr, sich einfach nichts Spezielles, Großes vorzunehmen, sondern nur dieses Eine:
Ich will in der Gegenwart leben, in dieser Zeit, die Gott mir schenkt und in die er mich hineingestellt hat? Das wäre doch etwas.

14. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2021)

Was bedeutet eigentlich beten?

Heute komme ich zu Ihnen nicht zuerst mit einer Botschaft, mit einer Predigt, sondern mit einer Frage.

Diese Frage wurde mir vor kurzem gestellt, und ich möchte sie heute an Sie weitergeben.

Es ist die Frage einer Mutter, die mit ihrem Kind, einem Erstkommunionkind, zu mir kam.

"Mein Kind geht gar nicht gerne in die Kirche. Was kann ich tun?"

Ehrlich gesagt, war ich erst einmal nur ratlos. Bisher dachte ich, dass doch die allermeisten Kommunionkinder gerne kommen, auch in die Kirche. Dass das nicht so ist, hätte ich mir auch denken können - nun ja.

In einem zweiten Moment dachte ich: Wie ist es denn mit Ihnen, liebe Mutter? Gehen Sie gerne in die Kirche? Geben Sie ein gutes Beispiel? Machen Sie dem Kind vor, was Ihnen wertvoll und wichtig ist?

Was würden Sie, was würdest Du antworten?

Ich glaube, die Antwort kann nur eine ganz persönliche sein! Eine Antwort, die glaubhaft ist, weil einer die Antwort nicht mit Worten allein geben kann, sondern mit seinem Glauben und mit seinem Leben.

Meine ganz persönliche Antwort knüpft an das an, was wir heute, am dritten Fastensonntag, im Evangelium hören: Jesus will, dass das Haus Gottes ein Haus des Gebetes sein soll. Nicht ein Haus, in dem Geschäfte gemacht werden. Nicht ein Haus, in dem Streit, politische Debatten oder Abstimmungen gemacht werden. Auch nicht ein Haus, wo Menschen ihre Macht, ihr Ansehen oder ihren Erfolg zur Schau stellen. - Solche Häuser haben wir überall, die hat es immer gegeben und wird es auch immer geben.

Nein, das Haus des Gebetes ist ein anderes Haus, und so setzte meine Antwort an die Mutter bei dem an, was Gebet bedeutet: In meinem Heimatdorf steht eine Kirche, die mich als Kind wohl deswegen besonders beeindruckt hat, weil es ein Haus ganz anderer Art ist, nicht nur wegen seiner Architektur, sondern wegen der für mich am Anfang rätselhaften, dann geheimnisvollen und schließlich glaubensstiftenden Dinge, die dort geschahen.

So habe ich es nie als Zwang empfunden, am Sonntag in die Kirche zu gehen, sondern ein inneres Bedürfnis, ein Geschenk, eine Bereicherung.

Und als ich mich dann entschlossen hatte, den Dienst als Priester in der Kirche zu tun, war für mich auf dem Weg dahin, ein gutes Jahr vor der Priesterweihe, ein Moment ganz entscheidend wichtig: der Moment, als ich während der Weihe zum Diakon vor vielen hunderten von Menschen gefragt wurde, ob ich bereit sei, den Dienst des Gebetes, besonders des Stundengebetes der Kirche, auf mich zu nehmen.

Dass dieses Versprechen nicht einfach zu halten sei, war mir damals durchaus bewusst. Aber in dem Moment war für mich förmlich zu spüren, dass die vielen Menschen, die damals den Dom in Münster füllten, die Antwort auf diese Frage gespannt erwarteten, dass sie genau zuhörten, was wir Weihekandidaten als unsere Antwort geben würden, und dass sie mit einer Dankbarkeit und innerer Freude hörten, dass wir - 18 an der Zahl - damals mit "Ja" antworteten.

Ich muss daran zurückdenken, wenn ich heute mit einer solchen Frage konfrontiert werde, wie sie mir die Mutter mit ihrem Kind gestellt hat. Und ich kann darum von mir aus nur eine Antwort geben, die vom Gebet ausgeht und sagt: Wem das Gebet wichtig ist, dem wird es auch wichtig sein, das Haus des Gebetes aufzusuchen und da die Nähe Gottes und auch die Nähe der Menschen zu finden.

Und es wird einem dann auch wichtig sein, nicht nur für sich zu beten. Sondern auch für einen Menschen, um den man sich sorgt, den man liebt, den man kennt und der einem vielleicht genommen worden ist.

Und dann wird man auch spüren, dass Gebet nicht zuallererst bedeutet, selber zu reden, sondern still zu werden und Gott reden zu lassen. Das ist ja die große Einsicht und die innere Bekehrung, die der großen heiligen Kirchenlehrerin Theresa von Avila geschenkt wurde, als sie schon viele Jahre im Karmel war: dass Gott anfangen kann, zu mir, zu uns, zu sprechen, mit seiner leisen und unaufdringlichen Stimme.

Theresa von Avila hat eine große Reform in der Kirche des 16. Jahrhunderts angestoßen, eine Reform von innen, durch das Gebet. Wenn wir heute die Kirche reformieren wollen, müssen wir da beginnen. Und dann kann sich jeder ganz persönlich eine Antwort überlegen auf die Frage: Was kann ich tun, damit dieses Kind gerne in die Kirche geht?

"Seine Jünger erinnerten sich an das Wort der Schrift: Der Eifer für dein Haus verzehrt mich" (Joh. 2,17). Jesus will, dass das Haus seines Vaters ein Haus des Gebetes sei, des Gebetes und nicht des Geschäfts, der Beschäftigung und des Marktes. Dafür setzt er sich ein, und dieser Einsatz hat einen solchen Eindruck hinterlassen, dass er zum Anklagepunkt in seinem Prozess wurde und dass sogar Stephanus, der erste Märtyrer, das Verhältnis Jesu zum Tempel zu einem zentralen Thema seiner Predigt machte.

Doch was bedeutet das eigentlich: "Haus des Gebetes"? Was bedeutet das eigentlich: Gebet?

Das Gebet hat ja für Jesus eine starke und besondere Bedeutung. Er stellt das Gebet in der Bergpredigt, in dem Abschnitt, den wir am Aschermittwoch gehört haben, in eine Reihe mit dem Fasten und dem Almosengeben. - Vom Fasten und Almosengeben ist in unserer Wohlstandsgesellschaft immer wieder die Rede, und viel Beifall und Zustimmung kann unser Papst Franziskus erwarten, wenn er zu einem einfachen, zu einem reduzierten Lebensstil auffordert, und wenn er an die notwendige Solidarität der reichen mit den ärmeren Ländern erinnert.

Doch wie ist es mit dem Gebet? Sollte nicht die Fastenzeit auch dadurch geprägt sein, dass wir mehr beten? Intensiver? Gläubiger?

15. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2021)

Das Gedächtnis nicht verlieren

Können Sie sich vorstellen, Sie verlieren Ihr Gedächtnis?

Wir alle kennen wohl Menschen, die dieses Schicksal trifft: sie verlieren nach und nach ihr Gedächtnis, sie werden orientierungslos, sie erkennen eigene Angehörige nicht wieder, sie sind hilflos.

Das ist ein schlimmes Leiden, und die allermeisten wünschen sich, noch im hohen Alter klar bei Verstand zu sein.

Und können Sie sich nun vorstellen, eine Gesellschaft verliert ihr Gedächtnis?

Eine große Katastrophe ist vor einigen Jahren über die Stadt Köln gekommen: Das große Stadtarchiv ist vollständig eingestürzt, zwei Menschen wurden tot aus den Trümmern geborgen und viele wertvolle Dokumente, hunderte von Jahren alt, sind verschüttet und stark beschädigt oder sogar unwiederbringlich verloren.

Ein solches Archiv wie das in Köln ist sozusagen das Gedächtnis einer Gesellschaft. Ein Gedächtnis, das Ereignisse, Orte und Personen gespeichert hat, damit spätere Generationen nicht nur wissen, was geschehen ist, sondern auch lernen, was geschehen muss, damit die Gegenwart und die Zukunft gelingt! Damit wir Menschen in Gegenwart und Zukunft die rechte Orientierung haben und die rechten Entscheidungen treffen!

Was früher war, ist also nie einfach vergangen. Sondern es enthält in sich die Aufgabe, sich daran zu erinnern. Ohne Erinnerung gibt es kein Lernen, keinen Fortschritt – Oder in einem Sprichwort ausgedrückt: "Wer nicht hören will, muss fühlen".

Davon ist auch die Bibel überzeugt. Im Alten Testament gibt es zwei Bücher, die heißen "Chroniken". Diese Bücher waren sozusagen das gemeinsame Gedächtnis des Volkes Israel. Ein Gedächtnis, in dem Namen, Daten und Orte gespeichert wurden. Ein Gedächtnis aber auch, das daran erinnert, warum alles so kommen musste, wie es gekommen ist. Warum es so passiert ist und nicht anders.

Welchen Maßstab gibt es da, den die Chronisten anlegen? Wonach beurteilen sie den Lauf der Dinge?

Der Maßstab ist im Grunde ganz einfach und klar: es ist die Treue zu Gott und seinen Weisungen. Dieser Maßstab zieht sich als roter Faden durch das ganze Alte Testament:

Wenn das Volk Gottes seinem Gott treu bleibt und Gottes Weisungen gehorcht, dann geht es ihm gut. Dann wird dem Volk geschenkt, in Sicherheit zu leben und sich an Wohlstand und Frieden zu erfreuen. Dann lebt das Volk Gottes im Licht der Gnade Gottes.

Wenn aber das Volk seine Berufung vergisst, wenn es nicht mehr hören will auf Gott und seine Propheten, wenn ihm die Satzungen Gottes lästig sind, dann bleiben auch dafür die Konsequenzen nicht aus. Dann sind die Folgen schlimm: Zerstörung und Leid, Abbruch und Tod.

An einem Punkt wird das besonders deutlich. Der Chronist der Geschichte Israels sagt: Seht doch einfach auf euer Verhalten! Seht doch, was ihr mit der Weisung Gottes gemacht hat, den Sabbat heilig zu halten! Statt den Sabbat zu heiligen, habt ihr Geschäfte gemacht, habt ihr Gottes Gebot verachtet und lächerlich gemacht, habt ihr getan, was ihr wolltet! Die gute Regel, dass der siebte Tag dazu da ist, den Menschen und allen Geschöpfen ein Aufatmen zu schenken, sie an Gott zu erinnern, von dem alles Gute kommt – diese gute Regel wurde von euch lächerlich gemacht und über den Haufen geworfen.

Und dann kamen im Jahr 587 v.Chr. die Heerscharen der Babylonier und legten den Tempel und die Städte, die Dörfer und die Felder in Schutt und Asche. Und wer noch übrig war in diesem Gemetzel, der zog in die Verbannung in ein fernes Land.

Jetzt wurde den Städten und Dörfern und Feldern die Ruhe gegönnt, die vorher nicht mehr eingehalten wurde, und der Chronist spottet: "Das Land bekam seine Sabbate ersetzt (...) siebzig Jahre lang" (2 Chr. 36,21).

Hier ist wirklich nicht einfach der „liebe Gott“, der alles mit sich machen lässt, der nur noch harmlos ist und darum auch nicht mehr ernst zu nehmen ist.

Aber hier ist auch nicht der Rache-Gott, der straft und zürnt, der seinem Zorn freien Lauf lässt.

Beides, der Kuschel-Gott und der Rache-Gott, ist nicht der Gott Israels und auch nicht der Gott Jesu Christi.

Dem Gott Israels und dem Gott Jesu Christi liegt das Heil und das Leben der Menschen am Herzen – so sehr, dass Jesus zu Nikodemus sagt: "Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern in ihm das ewige Leben hat" (Joh. 3,16).

Zugleich aber lässt Gott dem Menschen die Freiheit: entweder die Erinnerung an das Geschehene zu pflegen und lebendig zu halten – oder es eben nicht zu tun und das Gedächtnis zu verlieren und sich damit selbst das Urteil zu sprechen. Nicht Gott ist derjenige, der straft, sondern der Mensch bestraft sich selber, wenn er die Weisungen zum Leben missachtet.

Für uns ist der neue Sabbat der achte Tag, der erste Tag der neuen Woche, der Sonntag. Hier kommen wir zusammen, um für das neue Licht zu danken, die neue Sonne, Christus. Hier kommen wir zusammen, um das gemeinsame Gedächtnis unserer Geschichte mit Gott zu feiern und dieses unser Gedächtnis vor der Schwerkraft des Vergessens zu bewahren, eines Vergessens, das uns ins Dunkel stürzen würde.

Darum heißt diese Feier, zu der wir zusammenkommen, auch "Memoria" – "Gedächtnisfeier". Hier schenkt uns Gott nicht nur die Möglichkeit, uns zu erinnern und dafür zu danken, sondern das Erinnerte wird Gegenwart. Was Gott damals getan hat für die Menschen, das tut er auch jetzt.

Das ist das Wunderbare an dieser Feier: Es ist keine Nostalgie-Party, die wir hier haben, sondern es ist Gott in unserer Mitte, dem wir danken und den wir preisen und bitten.

16. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2021)

Zuerst kommt der Tod, dann das Leben *[1]*

"Wer nicht hören will, muss fühlen."

"Ohne Fleiß keinen Preis."

"Erst die Arbeit, dann das Vergnügen."

... wer kennt sie nicht, diese Lebensweisheiten, oft als pädagogische Druckmittel eingesetzt, damit das Zusammenleben funktioniert, damit der richtige Weg gewählt wird.

Gibt es eine echte Lebensweisheit auch in unserem Glauben, in der Nachfolge Jesu? Eine Weisheit, die nicht pädagogisch daherkommt, von oben herab, sondern die eine echte Wahrheit ausspricht, die unser Dasein in seiner ganzen Tiefe auslotet? Und die letztlich auch einen Schlüssel schenkt, wer wir sind? Und was wir sein werden?

Ich glaube, wir haben diese Wahrheit. Diese Wahrheit finden wir in einem Wort Jesu, wo es heißt: "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht" (Joh. 12,24).

Mit diesem Bild bringt Jesus ein Grundgesetz des Lebens und des Glaubens auf den Punkt. Dieses Grundgesetz stellt unsere gängige Vorstellung auf den Kopf, wo es heißt: "Erst kommt das Leben, dann (irgendwann, hoffentlich spät) der Tod."

Hier sagt Jesus das genaue Gegenteil: Erst kommt der Tod, dann das Leben.

Wie kann man das verstehen? Kann man es überhaupt verstehen?

Wenn ich versuche, dieses Wort in seinem Sinn zu erfassen, gehen meine Gedanken zu einer Kirche, die wie ein großes Weizenkorn gebaut ist. Und sie liegt auch tatsächlich wie ein Weizenkorn in der Erde. Und wenn man von der einen Seite in die Kirche hineingeht, oder besser gesagt:
hinabsteigt, dann steht da eine stilisierte Ähre, die auch an das Wort vom Weizenkorn erinnert.

Diese Kirche steht in Lourdes, es ist die unterirdische Basilika des hl. Pius X., und sie fasst über 20.000 Menschen.

Lourdes ist der große Wallfahrtsort der Kranken. Eine Krankheit ist wie ein Schlag gegen das Leben. Eine schwere Krankheit, die das Leben bedroht, kann schon der Beginn eines Weges sein, an dessen Ende der Tod steht.

Hier haben die Erbauer der Kirche an das Wort vom Weizenkorn gedacht. Und daran, dass die Kranken, die hierher kommen, sich bewusst werden können: Meine Krankheit, die habe ich und nur ich. Aber in meiner Krankheit bin ich nicht allein. Wer glaubt, ist nie allein. Aus dem Weizenkorn meiner kranken und endlichen Existenz soll schon jetzt etwas Neues wachsen: Hilfsbereitschaft und Zuwendung, Trost und Nähe, Freude an kleinen Dingen, Verständnis füreinander.

Wenn ich in diese unterirdische Kirche hinabsteige, ist das wie ein Gang in eine Höhle, in einen finsteren Bereich, der mir Angst machen könnte. Doch im Inneren wartet auch mich das Unerwartete, die Überraschung: Da ist - und das wird besonders bei den großen liturgischen Feiern deutlich – Licht, Musik, neues Vertrauen.

Viele Menschen kommen nach Lourdes, die nicht äußerlich krank sind, aber sie haben ein seelisches Leiden, eine innere Not, die sie quält, ein Problem, das sie nicht loswerden können.

Für sie ist das Wort vom Weizenkorn eine neue Hoffnung, dass Gott gerade in diesen Schwierigkeiten nahe ist und Gnade schenkt.

Viele von uns haben das ja schon sicher erlebt: Da ist eine Krise, da geht es einem schlecht, da fühlt man sich nicht verstanden, da läuft etwas nicht rund. - In diesen Augenblicken weiterzugehen und zu erleben, dass gerade diese Momente neue Kraft schenken und Ressourcen eröffnen, das Leben, so wie es ist neu anzunehmen – das ist eine große Gnade.

Da bewahrheitet sich das Wort vom Weizenkorn und der christliche Grundsatz, dass zuerst der Tod kommt, und dann das Leben: das Leiden kann man bekämpfen, aber längst nicht immer besiegen. Ich muss das Leiden, wenn es denn nicht zu vermeiden ist, bewusst annehmen und auch wahrnehmen. Ich mache mir nichts vor, sondern begegne der Realität. Und genau darin liegt ein neuer Anfang.

Man kann und darf diesen Gedanken nicht unbekümmert verallgemeinern und zu einer Lebensweisheit wie einen Kalenderspruch verniedlichen. Oft genug kommen Menschen an eine Grenze, wo sie wirklich nicht mehr weiterwissen.

Aber das Wort vom Weizenkorn will nicht verniedlichen. Es spricht vom Sterben und vom Alleinsein. Darin liegt der letzte Ernst dieses Wortes.

Dieser Ernst kommt nicht irgendwoher, sondern er kommt aus dem Weg und Geschick Jesu, der selbst für uns Menschen zum Weizenkorn geworden ist. Das ist die doppelte Wahrheit dieses Wortes: Jesus spricht von sich, und er spricht von uns, den Menschen. Er spricht von dem Weg, den er gehen muss und gehen will. Und er spricht von der Verheißung, die uns geschenkt wird, wenn wir seinen Spuren folgen.

In jeder heiligen Messe feiern wir das Weizenkorngeheimnis Jesu für uns. Die unterirdische Basilika des heiligen Pius X. ist vor allem für das Geheimnis der Eucharistie gebaut. Dort finden die großen internationalen heiligen Messen statt, dort enden die täglichen eucharistischen Prozessionen mit der stillen Zeit der Anbetung und mit dem Krankensegen, der mit dem Allerheiligsten erteilt wird. Immer ist das Wort vom Weizenkorn präsent und wirksam.

In diesen letzten Tagen vor dem Osterfest gehen wir immer tiefer in das Weizenkorngeheimnis ein. Wir folgen Jesus, der uns das Geheimnis der Eucharistie schenkt, der sein Leben am Kreuz hingibt und der an Ostern von den Toten aufersteht. Für uns Christen ist das die innerste Mitte unseres Glaubens und der Schlüssel, der uns die Tür zum Leben aufschließt. Seien wir nicht gleichgültig, wenn es um dieses große Geheimnis geht.

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[1] Anregungen zu dieser Predigt habe ich gefunden bei Maternus Einig OP, Wir sterben in das Leben hinein, in: Lichtsekunden.
Dominikanische Predigten zum Lesejahr B, Freiburg 1993, S. 90.

17. Predigtvorschlag

von Peter van Briel (erstellt: 2021)

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Lesungen und das Evangelium des heutigen Tages bieten mir als Prediger gleich drei spannende Themen an. Zwei möchte ich allerdings nur kurz erwähnen und nicht zum Gegenstand dieser Predigt machen:

Dass beide Lesungen fast ausschließlich von der Sünde und der christlichen Überzeugung der Vergebung reden - und das Evangelium am Ende das noch einmal bestärkt - befremdet uns vielleicht, die wir in der Osterzeit doch lieber von österlichen Erfahrungen hören wollen. Aber «Auferstehung» ist zunächst etwas aus der Vergangenheit (bei der Auferstehung Jesu) oder der Zukunft (als Verheißung unserer eigenen Auferstehung). Das, was wir jetzt oft als Auferstehungserfahrung bezeichnen, ist nicht mehr als nur ein Bild, eine Art Vorgeschmack. Und auch, wenn neuer Mut nach einer persönlichen Krise oft als «Erfahrung von Auferstehung» bezeichnet wird, bleibt es doch nur ein sehr menschliches Bild. Am ehesten kommt die Erfahrung von neuem Leben demjenigen, der nach einer großen persönlichen Schuld Vergebung erfährt.
Vergebung ist also das österliche Thema schlechthin!

Dann spricht natürlich das zentrale Geschehen im Evangelium von der konkreten, leibhaften Realität der Auferstehung. Keine Vision, keine astraler Körper oder eine geistige Erscheinung begegnet den Jüngern, sondern der handfeste, berührbare und berührende auferstandene Jesus.
Obwohl ich gar nicht oft genug darüber predigen könnte, wie leibverliebt unser Gott und damit unser Glaube ist, will ich mich einem dritten Thema zuwenden.

Gerade vor zwei Tagen schrieb mir eine Grundschullehrerin - die zufälligerweise auch noch eine entfernte Cousine von mir ist - von der Frage eines Schülers, warum Jesus beim Gang nach Emmaus den beiden Jüngern nicht schon direkt am Anfang gesagt hat: «Hallo, ich bin's, Jesus! Ich bin auferstanden!» Warum geht er erst - vermutlich Stunden - mit ihnen, ohne sich zu erkennen zu geben? - Natürlich sind auf solche Fragen mehrere Antworten möglich.

Aber eine sehr naheliegende Antwort gibt uns auch das heutige Evangelium. Denn genauso wie in der Emmaus-Erzählung heißt es dort, dass Jesus ihnen «den Sinn der Schrift» erschloss. «Musste das nicht alles geschehen, was ihr in den letzten Tagen gehört habt?»

Das ist das zentrale Thema. Im Youcat-Glaubenskurs heißt das, «die innere Logik des Christentums» erkennen. Obwohl ich lieber vom «inneren Wesen Gottes» sprechen würde, denn Logik klingt doch sehr nach etwas, dass der Verstand produziert. In Wirklichkeit geht es aber darum, zu verstehen, wie alles im Innersten zusammenhängt. Vor allem mit mir.

Wir haben einen oft sehr fragmentarischen Glauben. In den Gottesdiensten hört man mal da eine Predigt, liest dort einen Artikel, findet im Gespräch noch zusätzlich eine Antwort - und fühlt sich irgendwann umgeben von einer Wolke von Glaubenswahrheiten, die manchmal frustriert die Frage erzeugt: «Was muss ich eigentlich noch alles glauben? - Und was hat, bitteschön, dieses heiße Eisen mit der Botschaft Jesu zu tun?»
- Das ist so ähnlich wie jemand, der fragt, was Liebe eigentlich ist. Wenn ich ihm erzähle, was Liebende so alles tun, empfinden, glauben und hoffen, kann man schon mal die Antwort hören: «Dann will ich mich nicht verlieben. Wer soll das alles schaffen? - Und was hat, bitteschön, das Ausräumen der Spülmaschine und das Leeren des Mülleimers mit Liebe zu tun?»

Das kann geschehen, wenn wir eine fragmentarische Liebe haben - oder einen fragmentarischen Glauben. Deshalb ist Jesus nicht zu den Emmaus-Jüngern oder den Aposteln im heutigen Evangelium gekommen und hat ihrem Glauben noch die Auferstehung hinzugefügt. Sondern er erschloss ihnen den inneren Sinn von allem. Das innere Wesen unseres Glaubens. Die innere Logik (wenn man das Wort verwenden will) unseres Tuns. Wer sich dem nähert - und sich davon ergreifen lässt - der stöhnt nicht: «Muss ich das auch noch glauben?!», sondern würde wahrscheinlich eher ausrufen: «Ach, das hatte ich mir schon fast gedacht! Jo, das passt genau zu dem, was ich immer schon zutiefst gespürt habe!»

Das «Wesen des Christentums» zu erkennen ist dabei kein Vorrecht von Theologen, Studierten oder Intellektuellen. Ganz im Gegenteil: Genauso, wie jemand, der über die Liebe philosophieren will, am besten auf die «einfachhin Liebenden» schaut und von ihnen lernt, sind diejenigen unter uns, die einfach glauben und sich von dem innersten Gottes ergreifen lassen, allen Theologen voraus. Um Längen.

Von dem, was Jesus seinen Aposteln in den vierzig Tagen nach seiner Auferstehung bis zu seiner Himmelfahrt erzählt hat, steht fast nichts in den Evangelien. Vermutlich waren es keine neuen Gleichnisse, Gebote oder Mahnreden - sondern ein Nahebringen wie auf dem Gang nach Emmaus. Im Grunde geht es im ganzen Christsein, Menschsein und Geliebtsein um nichts anderes: Als das innere Wesen der Liebe zu verstehen, zu begreifen, zu erspüren. Oder noch besser: sich davon ergreifen zu lassen.

Amen.

18. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2021)

Weihnachten 2021

Das Kind

Was bekennen wir an Weihnachten? Was ist das Eigentliche, das Zentrale? Was dürfen wir nicht vergessen?

Die Antwort auf diese Fragen lautet meistens: Gottes Sohn ist ein Mensch geworden, ein Mensch wie wir! Und er hat unser Leben geteilt! Er ist in unser Dunkel hineingekommen als das Licht der Welt!

Das ist ganz bestimmt richtig, und das alles haben wir sicher schon manches Mal gehört. Aber eines fehlt dabei, wie mir scheint. Eines, was schnell übersehen wird. Wir müssen genau hinsehen, auch an Weihnachten, damit wir bei allem eins nicht übersehen:

Gottes Sohn, er ist nicht einfach ein Mensch geworden, sondern er wurde für uns ein Kind.

Ein Kind, klein und wehrlos, ein Kind in der Krippe.

Natürlich: Ein Kind ist auch ein Mensch. Ein besonders liebenswürdiger sogar. Auch ein besonders schützenswerter? Da gehen die Ansichten schon ziemlich auseinander. Jedenfalls ist der Platz im Mutterleib ein Platz, der seit einigen Jahrzehnten bereits zum gefährlichsten Platz für einen Menschen, Verzeihung: für ein Kind, geworden ist.

Gottes Sohn ist ein Kind geworden. Ein Kind mit einer Mutter. Einer Mutter, die fast jedes Kind kennt: Maria. - Aber wer ist sein Vater? Josef? Das scheint er selbst anders gesehen zu haben, denn er wollte ja seine Verlobte Maria heimlich verlassen, als er erfuhr, dass sie ein Kind erwartete. Das war keine Feigheit, sondern er wollte auf seine eigene Kappe nehmen, was er gar nicht verstehen konnte: dass seine Verlobte ohne ihn ein Kind erwartete.

Gottes Sohn ist ein Kind geworden.

Ein junges Elternpaar erzählte mir vor einiger Zeit: Für uns ist klar, dass wir eine Familie gründen wollen. Ein Kind gehört dazu. Bei unseren Freunden und Bekannten, da ist es häufig anders. Da gehört ein Kind nicht zur Lebensplanung dazu. Man will etwas vom Leben haben. Man will ganz in seinem Beruf aufgehen. Man will erst einmal das Leben genießen.

Doch interessant sei es dann, so die beiden, wenn sie mit ihrem Kind bei gerade diesen Freunden auftauchen. Da werden zuallererst nicht die beiden Erwachsenen begrüßt, sondern das Kind. Da wird nachgesehen, wie es dem Kind wohl geht, ob es schläft oder wach ist und so weiter.

Das bedeutet: Das Kind erweckt im Moment seines Daseins die ganze Aufmerksamkeit der Erwachsenen. Das Kind strahlt etwas aus, ohne etwas dafür zu tun. Das Kind verwandelt die Welt der Erwachsenen.

Ist das nicht genau das, was wir an Weihnachten feiern? Dieses Kind, das wir in der Krippe sehen, es kommt, um die Welt zu verwandeln. Es bringt Licht ins Dunkel. Es bringt Freude und Zuversicht in eine Welt, die abgestumpft, alt, verlebt ist.

Die Zeit vor 2000 Jahren, in die hinein Jesus geboren wurde, hat ja manche Ähnlichkeit mit der unsrigen. Nicht nur, dass es krasse soziale Unterschiede zwischen den Menschen gab. Nicht nur, dass politische Auseinandersetzungen immer wieder zu Ausbrüchen der Gewalt, zu Unruhen und Exzessen führten.

Nein, auch die politische und kulturelle Elite, die Schicht derer, die eigentlich Verantwortung für die Menschen übernehmen sollte, auch manche religiösen Autoritäten waren geistig träge, verfettet und unbeweglich geworden. Man war mehr mit sich selbst beschäftigt als mit der Lösung von Problemen.

Wenn man einmal genauer hineinschaut in das geistige, religiöse und politische Szenario vor 2000 Jahren, da wird man manche Parallelen entdecken, die einen aufhorchen lassen.

Und in diese Welt hinein, die nicht heil ist, nicht hell, nicht freundlich, kommt Gott selbst als Kind.

Kann man sich etwas Ohnmächtigeres, und etwas Geringeres vorstellen als ein Kind? Und doch ist gerade ein Kind etwas unendlich Kostbares, ein Geschenk mit unendlichem Wert. Denn im Kind steckt die Zukunft. Im Kind steckt die Verheißung einer besseren Welt. Im Kind stecken die Möglichkeiten, etwas neu zu machen, was uns im Moment gar nicht vorstellbar erscheint.

Wenn ich mit jungen Eltern über die Taufe ihres Kindes spreche und wir über eine biblische Lesung für dieses Fest nachdenken, kommt oft der Wunsch nach der Stelle, wo Jesus die Kinder segnet.
Jesus segnet die Kinder, und zu den Erwachsenen sagt er: "Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen." So berichten es die Evangelisten Markus und Lukas (Mk 10,15; parr Lk 18,17). Vielleicht ist an dieser Stelle der Evangelist Matthäus ein bisschen näher an der Sache, wenn er hier Jesus sagen lässt: "Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich hineinkommen" (Mt 18,3). Und Jesus bekräftigt seine Aussage, indem er sagt: "Wer sich so klein macht wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte" (Mt 18,4).

Aber wie soll das funktionieren: werden wie die Kinder, sich klein machen wie ein Kind? Sollen wir, die erwachsen sind und erwachsen werden wollen, uns wie kleine Kinder benehmen, uns kindisch verhalten und vielleicht sogar, wenn uns etwas nicht passt, wie ein kleines Kind sofort losbrüllen? - Von manchen Zeitgenossen im öffentlichen Leben kennen wir zwar ein solches Verhalten, aber das wird Jesus wohl nicht gemeint haben!

Eher schon das, was er dem jüdischen Ratsherrn Nikodemus auseinandergelegt hat, den die Frage umtrieb, wer dieser Jesus denn wirklich sei, ob er vielleicht wirklich der verheißene Messias sein könnte. - Ihm sagt Jesus: "Wenn jemand nicht von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen" (Joh 3,3).

Das ist der Schlüssel zu unserer Frage. Um Kind zu sein, um Kind zu werden, müssen wir /neu geboren/ werden. Wir müssen uns ganz Gott überlassen. Wer geboren wird, tritt in eine neue Existenz ein. Um wirklich Kind, Kind Gottes zu werden, wird uns die Taufe geschenkt als neue Geburt. Unser christliches Dasein, all unsere Bemühungen im Glauben, aller Ernst, die Botschaft Gottes in dieser Welt zu leben, ist letztlich Verwirklichung unserer Taufe.

Schauen wir auf das Kind in der Krippe. Es ist ein Bild, das uns anrührt und unsere Gefühle der Hilfsbereitschaft und der Nähe weckt. Es ist aber auch die Botschaft Gottes an jeden von uns: Werde ein Kind! Werde wie Jesus, der alle äußere Macht ablegt, um so Frieden und Versöhnung zu schenken! Was für eine Botschaft! Wie sehr wartet die Welt auf diese Botschaft!

Erich Kästner hat einmal gesagt: "Dass wir wieder werden wie Kinder, ist eine unerfüllbare Forderung. Aber wir können zu verhüten versuchen, dass die Kinder so werden wie wir."

19. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2021)

Annehmen, was zusammengehört

Jetzt ist es wieder so weit: überall in den Kirchen sind die Krippen aufgebaut, und zu diesen schönen und phantasievoll aufgebauten Landschaften kommen die Menschen, junge und alte, und erfreuen sich an den ansprechenden Bildern.

Manchmal kommen auch Menschen, denen die Weihnachtsbotschaft nicht mehr so ganz geläufig ist. Und so passierte es vor einigen Jahren, dass sich in einem Geschäft, das auch Krippen verkaufte, ein nicht ganz armes Ehepaar einfand, um sich dort umzusehen. Und die beiden waren ganz beeindruckt. Vor allem eine der Figuren hatte es ihnen angetan. Und so fragten sie die Verkäuferin: "Hören Sie mal, diese Figur dort, die gefällt uns, wieviel kostet die wohl? Die möchten wir haben!" Es war die Figur des heiligen Josef.

Und die gute Verkäuferin, die nicht nur an ihr Geschäft, sondern vielleicht auch an den Sinn von Weihnachten dachte, gab zur Antwort: "Wissen Sie, die Figur einzeln ist nicht zu haben. Da müssen Sie schon die ganze Familie nehmen!"

Da dämmerte es dem guten Ehepaar, dass zum heiligen Josef auch noch Maria und auch noch das Kind gehörten, und das Ehepaar fing wahrscheinlich an, sich an die Weihnachtsgeschichte zu erinnern, aber alle diese Figuren zusammen zu nehmen - das war ihnen doch ein bisschen zu viel. Und so wurde aus dem ganzen Geschäft diesmal nichts.

Wir feiern Weihnachten, und gleich heute, am Sonntag nach Weihnachten, das Fest der Heiligen Familie. Und wir können, wenn wir die kleine Episode bedenken, die ich gerade erzählt habe, uns genau das Gleiche sagen lassen: Wir können uns daran erinnern lassen, dass wir vom Geschehen der Heiligen Nacht uns nicht nur das heraussuchen können, was uns besonders gut gefällt. Wir können nicht sagen: Dies oder das passt mir, das andere nicht. - Sondern wir müssen von dem, was uns an Weihnachten begegnet, auch den Zusammenhang annehmen, das Ganze eben. - Was bedeutet das?

Das bedeutet, dass Weihnachten uns an ein ganz wichtiges Grundprinzip unseres Glaubens erinnern kann: So wie unser gutes Ehepaar nicht einfach eine einzelne Figur aus der Krippenlandschaft herausnehmen konnte, so können auch wir nur beschenkt werden von Gott an diesem Fest, wenn wir das Ganze annehmen und sehen. Und das meint nicht nur, dass zu dem heiligen Josef auch Maria und das Kind in der Krippe gehören! Sondern es bedeutet noch weit mehr:

Es bedeutet, dass auch Maria nicht wirklich begriffen werden kann, wenn sie nicht als vom Heiligen Geist Erfüllte und als Mutter des Erlösers begriffen wird!

Und es bedeutet weiter, dass dieses Kind in der Krippe nicht einfach der niedliche Knabe im lockigen Haar ist, sondern der Erlöser, der Heiland der Welt, der zu uns auf die Erde kommt, und erlösen durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung!

Und es bedeutet auch, dass Jesus, der in diese Welt kommt, Menschen beruft, dich und mich, die helfen sollen, dass seine Botschaft auch heute unter den Menschen bekannt wird und geglaubt wird! Das ist die Sendung der Kirche, das ist das Geheimnis seiner Gegenwart in unserer Zeit: Jesus Christus ist der Lebendige, und als Lebendiger ist er in unserer Mitte wirksam und gegenwärtig. Er wirkt durch sein Wort, er wirkt durch die heiligen Sakramente, er wirkt durch Menschen, die er beruft und sendet; mit einem Wort: er wirkt durch seine Kirche und in seiner Kirche.

Diese Wahrheit gehört zum Ganzen des Glaubens, und wenn an Weihnachten wieder viele Menschen in die Kirche strömen werden, haben sie vielleicht eine Ahnung von diesem Geheimnis der Kirche: dass die Kirche eben nicht nur ein Gebäude ist aus Steinen, Holz und Glas, sondern der fortlebende Christus auf dieser Erde, der in uns lebt und durch uns inmitten der Menschen wirken will.

Vielleicht hat unser Ehepaar an der Krippe in diesem Jahr einen anderen, einen tieferen Zugang zu dieser Wirklichkeit, die die Kirche in diesen Tagen und Wochen aufs Neue feiert. Zu wünschen ist ihm das jedenfalls. Wünschen wir uns heute, am Fest der Heiligen Familie, dass unser Herz immer offen sei für das Ganze des Glaubens, für das Große und Wunderbare, mit dem Gott uns reich beschenken will.

20. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2021)

Die Krise und das Glück

Was brauche ich, um glücklich zu sein?

Manche Menschen brauchen nicht lange zu überlegen, um darauf eine Antwort zu finden; sie sagen ganz einfach: eine Familie, in der ich geborgen bin - einen sicheren Arbeitsplatz - ein Austausch mit Freunden - oder auch ein Bierchen am Abend.

Einige werden vielleicht etwas länger überlegen und sagen: Glücklich bin ich, weil ich glauben kann, dass Gott mich liebt.

Für diese Menschen spielt der Glaube für das Glück eine große Rolle.

Wenn nun ein Unglück über uns hereinbricht, stellt das erst einmal vieles in Frage. Wenn ich krank werde oder jemand mich enttäuscht, wenn ich einen Unfall habe oder mir Unrecht geschieht: da geraten nicht nur Gewohnheiten und Sicherheiten ins Wanken. Da bin ich gut dran, wenn ich irgendwo einen Halt habe, einen Menschen, der mir hilft, oder einen Rückzugsort, wo es mir gut geht.

Wir erleben nun eine Zeit, die in mancher Hinsicht ungewöhnlich ist. Es gibt viele Menschen, die zwar nicht direkt ein Unglück getroffen hat, sie sind nicht krank, sie haben nicht ihre Heimat verloren, aber sie haben es mit der Angst zu tun bekommen. Ein unsichtbares Virus ist die Ursache für vielerlei Ängste, die unglücklich und sogar krank machen können: Bin ich gefährdet? Wo kann ich noch hingehen? Werde ich eine Reise antreten können? Behalte ich meinen Arbeitsplatz?

Diese Ängste gehen an die Substanz, und alles dreht sich nur noch um dieses eine Thema. - Wie geht es damit weiter?

Heute feiern wir den achten Weihnachtstag, der zugleich das Ende des alten Kalenderjahres und den Beginn eines neuen Jahres markiert. Wir feiern die Gottesmutter Maria, die ihrem Kind den Namen Jesus gegeben hat. Dieser Name bedeutet übersetzt: Gott rettet.

Haben wir damit schon einen Hinweis für unsere Fragen? Wenn es heißt, dass Gott rettet, stimmt das auch? Und wenn es stimmen sollte, warum erleben so viele Menschen so viele Unglücke, aus denen sie nicht errettet werden? – So wird der Glaube erschüttert. Ein Unglück, eine traumatische Erfahrung kann den Glauben erschüttern oder auch zerstören.

Was kann man dazu sagen? Der Glaube ist ein kostbares Geschenk, wir empfangen den Glauben in unserer Taufe, und er geht einher mit Vertrauen und Zuwendung. Einem, dem ich vertraue, kann ich auch glauben. Ich habe als Kind meiner Mutter auch geglaubt, dass Spinat etwas Gutes ist, weil er, wie sie mir erklärte, Eisen enthält.
Ich sah zwar kein Eisen im Spinat, und glaubte auch nicht, dass man Eisen essen kann, aber ich nahm zu Recht an, dass sie für mich nur Gutes wollte, also vertraute ich ihr und glaubte, was sie sagte, und aß den Spinat.

Dieses kleine Beispiel zeigt, dass der Glaube begleitet wird durch zwei andere Haltungen. Wenn ich jemandem glaube und vertraue, gehe ich davon aus, dass das gut für mein Leben ist. Das nennt man Hoffnung. Die Hoffnung nennt etwas gut, obwohl nicht immer sofort klar ist, dass es wirklich gut ist oder gut ausgeht. Zum Beispiel: Ich bin von einem Freund enttäuscht worden, aber es hatte am Ende für mich doch etwas Gutes, denn das hat meine Menschenkenntnis erweitert.

Und die Hoffnung sagt noch mehr: sie rechnet nicht automatisch mit einem Ergebnis, das ich mir ausdenke oder von dem ich meine, dass mich das jetzt glücklich macht. Sondern die Hoffnung rechnet auch realistisch mit der anderen Möglichkeit: dass es beim Schlechten bleibt. Dann gibt es zwar kein happy-end, aber die Hoffnung ist überzeugt: Nichts ist ohne Sinn. Und vielleicht wird mir der Sinn auch nicht in diesem Leben, sondern erst in einem anderen Leben gezeigt. - Aber das kann ich nur glauben, das kann ich nicht wissen.

Also gehören Glaube und Hoffnung zusammen.

Und das Dritte ist die Liebe. Es gibt drei Haltungen, die wir die göttlichen Tugenden nennen: Glaube, Hoffnung und Liebe. Alle wollen das Glück anstreben, das Glück, nach dem wir suchen.

Doch nun müssen wir achtgeben: Meistens fragen wir: Was brauche ich zum Glück? Oder wir fragen: Wie glücklich bist du?

Die Liebe lässt diese Frage anders stellen. Nicht mehr: Möchtest du glücklich sein? Möchtest du glücklich werden? - Darauf wird wohl kein Mensch mit „Nein“ antworten. - Sondern die Liebe fragt: Möchtest du glücklich - machen? Den anderen, nicht zunächst dich selbst, sondern den Menschen, der dir begegnet, der dir anvertraut ist, für den du da sein kannst?

Wir wissen nicht, ob uns das neue Jahr 2022 Glück oder vielleicht auch neues Unglück bringen wird. Die Erfahrung sagt, dass es kaum das pure Glück geben wird.

Doch der Glaube, die Hoffnung und die Liebe sagen uns, dass wir das, was wir uns im Tiefsten wünschen, nicht selbst machen können. Wir brauchen Gott, und Gott hat uns in der Menschwerdung seines Sohnes gezeigt, wie sehr er sich nach uns sehnt. Obwohl er uns nicht braucht, beschenkt er uns mit dem Größten und Wertvollsten, was es überhaupt geben kann: mit sich selbst, mit seiner Liebe und Gegenwart in der Gestalt dieses kleinen und wehrlosen Kindes. Der Name des Kindes heißt "Gott rettet". Möge uns der liebende und versöhnende Gott im neuen Jahr 2022 aus allen Gefahren, die uns an Leib und Seele bedrohen, erretten. Damit wir glücklich sind in Ihm und immer glücklicher werden.

21. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2020)

Jesus, der wahre Brunnen und wahre „Mann“ der Samariterin

Bevor es Wasserwerke und Stauseen gab und Zentralheizungen in den Wohnungen, gab es für die Menschen vor allem zwei Orte, um sich zu treffen: am Brunnen, aus dem man das lebensnotwendige Wasser schöpfen konnte, und am wärmenden Herdfeuer. Heute und am kommenden Sonntag geht es um eine Begegnung am Wasser: mit der Samariterin am Jakobsbrunnen und mit dem Blindgeborenen am Teich Schilóach. Und am fünften Fastensonntag gibt es eine Begegnung am Grab mit Lazarus.

Die Kirche hat seit den Tagen der Urkirche diese drei Abschnitte aus dem Johannesevangelium in die Mitte der Taufvorbereitungen für die Taufbewerber gestellt. Wenn in der Osternacht die Taufe stattfinden sollte, mußten die Taufbewerber erfahren haben, mit welchem Anspruch Jesus auftritt und was er den Menschen schenkt. – Und, was noch viel wichtiger ist, die Taufbewerber – und dazu gehören in gewisser Weise auch wir, wenn wir an Ostern wirklich unser Taufversprechen erneuern wollen! – die Taufbewerber sollten erkennen: hier sind nicht drei Personen in der Vergangenheit gemeint, sondern ich selbst bin es! Ich selbst bin wie die Frau am Jakobsbrunnen, die sich nach dem Wasser sehnt, das nur Jesus geben kann und das den Durst wirklich löscht, den Durst nach Leben, den Durst nach Zuwendung und Heil.

Und ich selber bin der Blindgeborene, dem von Jesus, der das wahre Licht ist, die Augen für ein neues Leben geöffnet werden.

Und auch Lazarus, der aus dem Grab aufersteht: das bin ich, der ich durch die Taufe neugeboren werde zu einem neuen Leben.

Um diese Wahrheit des Glaubens geht es, und „Glauben“ ist ein Schlüsselwort in allen drei Evangelien-Abschnitten: sei es, daß Menschen, wie die Frau am Jakobsbrunnen, zum Glauben kommen, sei es, daß sie sich der Botschaft verschließen und den Glauben an den Messias Jesus ablehnen.

Wenn Jesus heute an diesem Jakobsbrunnen sitzt und die Frau um Wasser bittet, ist das schon eine Vorwegnahme der Stunde, in der Jesus am Kreuz hängen und sprechen wird: /„Mich dürstet!“/ (/Joh /19,28). Ja - Jesus dürstet nach unserem Glauben, nach unserer Gemeinschaft; ihn dürstet nach Frieden und Versöhnung. Ihn dürstet nach unserem Heil.

Es gibt viele Züge in diesem wunderbaren Evangelium, die sich lohnen, eingehend betrachtet zu werden. Ich will hier nur einen herausgreifen. Die Frau spricht davon, daß sie keinen Mann habe. Und Jesus erinnert sie daran, daß sie schon fünf Männer gehabt hätte und der jetzige, der sechste, nicht ihr Mann ist. – Was kann damit gemeint sein? Nun, wie an vielen Stellen, so können wir auch hier den Evangelisten verstehen, indem wir diese Zahlen symbolisch deuten.

Die Samaritaner und die gläubigen Juden, die mit ihnen rein gar nichts zu tun haben wollten, hatten bei aller Feindschaft ein gemeinsames Erbe: Die Tora, die fünf Bücher Mose. – Die fünf Männer, von denen Jesus hier spricht, sprechen symbolisch von den fünf Büchern der Tora. Diese fünf Männer hat die Frau; mit ihnen ist sie verbunden.

Der jetzige Mann, der sechste, kann nicht ihr Mann sein, denn es ist ein Fremder in dem Land Samarien; mit ihm kann sie keine Ehe eingehen.

Alles läuft also auf die Begegnung mit dem siebten Mann im Leben dieser Frau hinaus, mit Jesus. In ihm erkennt die Frau den Propheten, das heißt den wirklichen Mann Gottes. Und diese Begegnung findet statt in der sechsten Stunde, zur Zeit des Mittags, während die Sonne am höchsten steht und der Tag noch nicht zur Vollendung gekommen ist. – Noch einmal wird Johannes die sechste Stunde erwähnen, nämlich in der Passion, während Pilatus Jesus zum Tode verurteilt (vgl. /Joh/ 19,14). – Also auch hier ein sehr deutlicher Hinweis für die Sendung Jesu, Opferlamm für das Heil der Welt zu sein und die Menschen wieder mit Gott zu versöhnen.

Am besten, Sie nehmen das Neue Testament einmal zur Hand und lesen noch einmal diesen Brunnentext, der mehr ist als eine Geschichte.

22. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2020)

Das wahre Licht

Ist das nicht ekelig? Da geht Jesus hin und spuckt auf die Erde. Und mit diesem so entstandenen Schlamm bestreicht er das Auge des blinden Mannes. Daraufhin kann der Mann wieder sehen. Ihm ist das Augenlicht wiedergeschenkt worden.

Liebe Schwestern und Brüder,

noch vor ein paar Jahren hätten wir wohl verschämt über diese Stelle hinweggelesen und gesagt: Naja, darauf kommt es ja auch eigentlich nicht an. – Aber heute, in einer Zeit, in der Wellness-Tempel aus dem Boden sprießen, in der die Menschen die heilenden Kräfte von Schlamm und Moor, von Wasser und Düften, von Ölen und Pflanzen wiederentdeckt haben, könnten wir doch diese Stelle neu lesen und deuten. Und ich bin sicher, daß sich Johannes, der Evangelist, dabei etwas gedacht hat, als er berichtet, daß Jesus auf die Erde -spuckt.

Noch an einer anderen Stelle spielt Jesus mit dem Sand, und zwar in dem Moment, während die Ankläger einer Frau mit Steinen in der Hand bereit stehen, das Urteil zu vollstrecken: Da bückt sich Jesus und fängt an, mit dem Finger auf die Erde zu schreiben (vgl. /Joh/8,8). Also fast das Gleiche – hier wie dort.

Was kann das bedeuten?

Johannes bezeugt: /„Das Wort ist Fleisch geworden“/(/Joh/1,14). Das heißt: Gott ist wirklich in dieser Welt erschienen. Diese Welt – sie ist endlich, sie ist vergänglich. Dafür steht der Sand, dafür steht der Staub.

Am vergangenen Sonntag hörten wir, wie Jesus sich der Samariterin am Jakobsbrunnen zu erkennen gibt als lebendiges Wasser. Wasser – das ist ein Bild für Leben, für Aufblühen, für Zukunft. Wenn Jesus auf die Erde speit, verbindet sich sein Wesen mit dieser sterblichen Welt: so können wir dieses Zeichen deuten. Das Sterbliche verbindet sich mit dem Unsterblichen, das Menschliche mit dem Göttlichen.

Und so schenkt Jesus dem Blinden das Licht. Damit haben wir schon drei der elementaren Zeichen: Erde, Wasser, und das Licht – Feuer. Jesus ist das Licht der Welt. Dieses Licht leuchtet, es brennt, es verwandelt.
Es erschafft etwas Neues. Es hat Macht, diese Welt hell und neu zu machen.

In der Vorbereitung auf Ostern und an Ostern selbst spielt dieser Gedanke eine ganz wesentliche Rolle. Was wäre Ostern ohne das Osterfeuer, ohne die Osterkerze? Was wäre Ostern ohne das neue Licht?

Deshalb spielt dieses Evangelium von der Heilung des Blindgeborenen eine wichtige Rolle in der Vorbereitung auf Ostern. Seit der Zeit der frühen Kirche sollten die Taufbewerber es hören, damit sie selbst erkannten: Durch Christus komme ich zum Licht. Er selbst ist ja das Licht, das sich mir schenkt und das macht, daß ich sehen kann – mit meinem inneren Auge, mit dem Auge des Glaubens.

Denn nicht auf das äußere Sehen des Mannes kommt es an, sondern auf seinen Glauben. Als Jesus den Mann nach seiner Heilung wieder antrifft, den Mann, der wegen des offensichtlichen Wunders auf ziemliche Schwierigkeiten stößt, da fragt Jesus ihn nicht: Kannst du jetzt auch richtig gut sehen und alles unterscheiden?, sondern er fragt ihn nach dem Glauben: /„Glaubst du an den Menschensohn?“/(/Joh/9,35).

Genauso werden auch wir gefragt, wenn wir in der Osternacht den Glauben bekennen und das Taufversprechen erneuern: Widersagt ihr – Glaubt ihr? Die Frage kann in der Mehrzahl gestellt werden, die Antwort ist immer persönlich: Ich widersage – ich glaube.

Dieses Bekenntnis ist ganz wichtig, wenn wir uns gegen manche „Einreden“ wappnen und schützen wollen – gängige Redensarten, die nur Staub aufwirbeln, die vernebeln, die einen blind machen können für die Wirklichkeit, für die Wahrheit.

Was sind das für „Einreden“?

  • Es ist ja egal, was einer glaubt, das muß jeder selbst wissen
  • Das tun doch alle …
  • Mir hat auch noch niemand geholfen …

Immer wieder, auch in unserer eigenen Umgebung, erleben wir das: scheinbare Gleichgültigkeit, Abstand vom Glauben und von der Kirche, fehlendes Interesse oder einfach auch falsches Wissen über den Glauben.
Das ist die Asche, die grau und schwarz über dem Leben liegt.

Doch dann gibt es auch immer wieder die Glut unter all dieser Asche: eine neue Sehnsucht nach Gott und seinem Segen. Der Wunsch, nach langen Jahren der Abwesenheit wieder in die Kirche einzutreten. Fragen, die nach einer Antwort verlangen und die man sich alleine nicht geben kann. Menschen, die neu den Wert der Anbetung entdecken. Gläubige und Suchende, die in einer Beichte erleben, daß sie von Gott angenommen und geliebt sind.

Diese Glut gibt es, und dann braucht es nur noch einen Windhauch, den Windhauch des Heiligen Geistes, und aus der Glut wird wieder ein lebendiges Feuer.

23. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2020)

/Wer ist Lazarus?/

Der Name Lazarus bedeutet soviel wie „Gott ist mein Erbarmer“. Diesen Namen finden wir im Neuen Testament zweimal: einmal bei /Lukas/ im Gleichnis vom armen Lazarus, wo dieser einem anderen Menschen gegenübergestellt wird, der im Gegensatz zu Lazarus in der Geschichte keinen Namen trägt, sondern nur der /„reiche Mann“/ heißt (vgl. /Lk/ 16,19) - und dann hier, bei /Johannes/, wo uns aber kein Gleichnis erzählt wird, keine Geschichte, keine Legende und kein frommer Mythos, sondern eine wirkliche Begebenheit, die nicht nur die Menschen damals erschüttert hat, sondern die auch für die Kirche von höchster Bedeutung ist. So ist diese Episode das Evangelium, die Frohe Botschaft heute, eine Woche vor dem Palmsonntag, und dient der Vorbereitung auf die Erneuerung des Taufbekenntnisses an Ostern.

Jedesmal, wenn wir das Evangelium hören, sollten Sie und du und ich, jeder von uns, sich eine wichtige Frage stellen. Und diese Frage lautet:
Wo bin ich in diesem Evangelium?

Bin ich Martha oder Maria, die um ihren toten Bruder trauen, die aber auch auf Jesus vertrauen möchten?

Bin ich einer von den Zuschauern, die neugierig sind, was sich da abspielt?

Oder bin ich selber Lazarus, ein Mensch, dem Menschen nicht mehr helfen können, einer, der dem Tode verfallen ist?

Wofür steht Lazarus? Lazarus steht für den Menschen, der dem Tod preisgegeben ist, für den seine Geschwister nicht mehr tun können, als ihn in einer Höhle zu begraben. Sie können ihn begraben und betrauern, wieder lebendig machen können sie ihn nicht.

Was jetzt am Grab des toten Lazarus geschieht, faßt in einem alles überbietenden Zeichen dar, wer Jesus für uns Menschen ist! Das haben wir an den zwei vergangenen Sonntagen schon gesehen: Im Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen ist Jesus das lebendige Wasser. Er stillt unsere Sehnsucht nach wirklichem Leben, nach Heimat und Sinn.

Und in der Heilung des Blindgeborenen offenbart sich Jesus als das wahre Licht, das unser Leben hell macht. Er öffnet uns die Augen unseres Geistes, damit wir erkennen, daß er der Messias Gottes ist.

Und jetzt – in der Auferweckung des Lazarus – zeigt sich uns Jesus als die Auferstehung und das Leben selbst. Er bringt nicht nur das Licht, er ist selbst das Licht. Er teilt nicht nur lebendiges Wasser aus, er selbst ist es. Und er verkündet nicht nur die Auferstehung von den Toten, sondern er ist selbst ganz das, was er sagt und tut. - So genügt das Wort, das Jesus in das Grab des Toten hinein spricht: /„Lazarus, komm heraus!“/ (/Joh/ 11,43). – Und das so ausgesprochene Wort bewirkt das Zeichen: Das Wort Jesu ist nicht nur wahr und wirklich, es schafft eine neue Wirklichkeit, es ist Wahrheit und Leben selbst.

Man kann einen Toten begraben, man kann auch Hoffnung begraben und glauben, alles sei weg, alles sei vergeblich. Doch wenn schon die Strahlung eines gespaltenes Atoms Wände und Mauern aus Stahl und Beton durchdringen kann, wieviel mehr kann Gottes Liebe das Dunkel der Gräber und die Mauern des Todes überwinden!

Lazarus, das ist nicht nur der Bruder der Martha und der Maria. Lazarus, das bist Du und sind Sie und das bin ich: der Mensch, den Jesus herausruft aus den Tälern des Todes, aus Mutlosigkeit und Gottvergessenheit, aus Lähmung und Angst.

Lazarus kommt im Johannesevangelium noch einmal vor, und diese Stelle wird am Montag der Karwoche als Frohe Botschaft vorgelesen: Da ist Jesus von Marta und Maria in Betanien zu einem Gastmahl eingeladen, und auch Lazarus ist dabei, den er von den Toten auferweckt hat.

In jeder heiligen Messe, die wir feiern, kommt Jesus auch zu uns. Da dürfen wir bei Ihm sein, als Lazarus, der zum Leben berufen ist, als Marta, die dient, als Maria, die ihm die Füße salbt und weiß, daß er bald für die Menschen, für uns alle, sterben wird.

24. Predigtvorschlag

von Michael Kenkel (erstellt: 2020)

Wozu das ganze überhaupt? Das fragt das Volk Israel bei Mose bzgl. des Auszugs aus Ägypten - und so fragen heute sicherlich viele anlässlich des Corona-Virus und dessen Auswirkungen.

Manche machen sich sicher auch Sorgen, ob und wie sie diese Krise überstehen, machen sich Sorgen um Familienangehörige, um die Kinderbetreuung, um die Arbeit - wie das alles voreinander gehen soll.
Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht? fragten dann die Israeliten.

Viele - die ersten nun auch bei uns - müssen in Quarantäne, dürfen für mindestens 2 Wochen keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Das Wort Quarantäne stammt von der Zahl 40 - Schiffe mit Pestkranken durften damals 40 Tage lang nicht den in Hafen einfahren. Quaresima bedeutet:
Zeit der 40 Tage - ein ganz ähnliches Wort, der gleiche Wortstamm Quarantäne - Quaresima - 40 Tage Fastenzeit.

Quarantäne bedeutet: für sich bleiben - direkte Begegnungen vermeiden, wobei die sozialen Medien es erleichtern, dabei nicht alleine zu bleiben. Aber irgendwann bekommt man eckige Augen, mag man den Bildschirm nicht mehr sehen und da ich nicht raus darf, hat man Zeit.
Quaresima - 40 Tage Fastenzeit - 40 Tage Verzicht üben, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Wenn nun in den nächsten 5 Wochen bis zum Ende der Osterferien fast alle Veranstaltungen bei uns in Raesfeld - sowohl in der Kirche als auch in der Kommune aufallen, kann das Wesentliche mehr in den Blick kommen.

Im Evangelium vom heutigen Sonntag geht es bei der Frau am Jakobsbrunnen um das Wesentliche: das lebendige Wasser, von dem man keinen Durst mehr bekommt, um das erfüllende Leben, das ewige Leben, darum, den Willen Gottes zu tun.

Wir Christen glauben, dass Gott uns gut gesinnt ist, dass er unser Glück möchte. Wenn wir seinen Willen erfüllen, werden wir glücklich und zufrieden werden. Wenn wir aus seiner Quelle trinken, werden wir keinen Durst mehr haben.

Nur, was ist Gottes Wille? Wie erkenne ich, was er will. Das ist relativ einfach: Seinen Willen hat er uns kundgetan - ich brauch nur nachzuschauen. Das wichtigste, so sagt Jesus: Liebe Gott und Deinen Nächsten wie Dich selbst.

Meine Liebe zu Gott prüfen, ihn Ernst nehmen - mal wieder mit ihm reden. Ich darf klagen über meine derzeitige Situation, ich darf um Hilfe bitten für anstehende schwierige Gespräche, ich darf danken, dass ich wieder aufstehen konnte, ich darf ihn preisen für die neue Geburt eines Menschen, ich darf aber auch einfach mal zuhören, still werden - nicht nur reden, auch hören - er hat mir sicher auch was zu sagen - gerade jetzt, wenn alles still wird, Termine uns nicht mehr soviel ablenken.

Meine Liebe zu dem Nächsten. Das ist der, der mir gerade begegnet: ihm zuhören, Zeit haben. Seine Not sehen, ihm entgegen kommen, Hilfe anbieten, bevor der andere erst bitten muss. Auch wenn ich gesund bin, auf soziale Kontakte verzichten, um den Virus nicht zu verbreiten.
Betreuung von Kindern anbieten, dessen Eltern arbeiten müssen. Mein Gebet anbieten. Das kostbarste teilen, was ich habe: Zeit ... und Desinfektionsmittel ;-)

Die Liebe zu mir. Viele haben Angst vor der Stille, weil dann Sachen hochkommen, die man durch Beschäftigung ganz gut zudecken kann. Wenn ich aber um einen Gott weiß, der mich liebevoll anschaut, kann ich es auch wagen, mich selber anzuschauen. Ich brauche keine Angst vor dem Chaos meiner Seele haben, wenn ich es der Liebe Gottes hinhalte.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen segensreiche Quarantäne und Quaresima.

25. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2020)

"Wer gibt uns die rettende Medizin?" - Gründonnerstag: Keine Angst vor Ansteckung

Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße ohne Angst, sich bei ihnen anzustecken. Er nimmt Wasser und wäscht mit eigenen Händen die Füße; er nimmt ein Tuch und trocknet die Füße ab.

Seit Wochen geht bei uns die Angst um: die Angst vor Ansteckung mit einem Virus, von dessen Wesen nicht alles bekannt ist. Ein Virus, von dem man nicht genau weiß, wie er sich eigentlich verbreitet. Deshalb will man da, wo er auftaucht, ihn isolieren. Die Übertragungswege sollen gestoppt werden, so gut es geht.

Jesus, um im Bild zu bleiben, macht es eigentlich umgekehrt. Er isoliert die Apostel, damit er sie – bitte verzeihen Sie den Ausdruck – mit seiner Liebe infizieren kann. Er versammelt die zwölf Apostel an einen Tisch, um ganz bei ihnen zu sein, an diesem Abend, in der Nacht vor seinem Tod. Er wollte ganz bei ihnen sein, damit sie ganz bei ihm seien.

Johannes, der vierte Evangelist, berichtet von der Fußwaschung als Tat der Liebe des Meisters und Freund seiner Jünger. Was Jesus damit zeigen will, sagt er selbst: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben.“ Jeder, der sich als sein Jünger verstehen will, muß genauso handeln: Dienen aus Liebe, Liebe, die sich ganz tief beugt. Mit einer Liebe, die das Leben und das ganze Dasein verwandelt, sollen die Apostel und alle, die an Jesus glauben, angesteckt werden.

Wenn ein Virus, der Krankheiten oder sogar den Tod bringt, umhergeht, gehen Angst und Unsicherheit um: Wird es vielleicht auch mich treffen?
Wie kann ich mich schützen? Was muß ich tun, um im Fall des Falles vorbereitet zu sein? – Nicht nur Einzelne, sondern auch Kommunen, Firmen, Institute und Politiker sorgten sich um diese Fragen.

Vor der Liebe Jesu muß niemand Angst haben. Jesu Liebe ist nie schädlich, sie ist immer heilsam. Sie ist immer versöhnend. Sie ist immer gut für den Menschen. Insofern können wir Christi Liebe auch mit einer Medizin vergleichen. Wo der Kampf um die besten Plätze, um Posten und Titel auch in der Kirche an Bedeutung gewinnt, ist die Fußwaschung, die der Herr vollzieht, ein notwendiges Heilmittel gegen Spaltung, Unfrieden, Geltungssucht und Rechthaberei.

Die heilige Kommunion ist das Medikament, das diese Liebe Christi in höchster denkbarer Konzentration schenkt. Die heilige Hostie ist, um in diesem Vergleich zu bleiben, mit allen Wirkstoffen versehen, die unserer Seele gut tun.

Ich finde, dieser Vergleich mit einem Medikament kann uns sogar helfen, tiefer zu verstehen, was wir heute, am Gründonnerstag, feiern, und wohin uns diese Feier führen will. Denn wie ein Medikament nicht einfach so, ohne vorherige Vorbereitung, eingenommen werden soll, so ist es ähnlich auch mit der heiligen Kommunion. Wenn sie ihre Wirkung entfalten soll, müssen alle Oberflächlichkeit, Gedankenlosigkeit und alle inneren Widerstände gegen die Liebe Christi aufgegeben werden. Ganz frei sollen wir sein, Christi Liebe auch wirklich in uns aufzunehmen. Ganz frei – das bedeutet dann auch, die Konsequenz der Freiheit anzunehmen, den Glauben. Der Glaube ist das Einfallstor für die wirkliche Gemeinschaft mit Christus im heiligen Sakrament, die dann auch wirksam wird in der Gemeinschaft der Kirche und in der Liebe untereinander.

Uns allen wünsche ich diesen Glauben und dieses Vertrauen und die Sehnsucht, Jesus Christus immer näher zu kommen in der Gemeinschaft mit seinem Leiden und in der Hingabe seines Lebens, damit wir mit ihm auch die Freude und die Herrlichkeit empfangen.

26. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2020)

Karfreitag: Der Arzt stirbt für die Seinen

Die Gemeinschaft des Gründonnerstags ist vorbei, die Jünger sind zerstreut, ihr Meister am Kreuz hingerichtet. Jesus hatte das alles angekündigt und auch dem Petrus deutliche Worte gesagt.

Und auch die Feier des Letzen Mahles war in sich schon die Vorwegnahme dessen, von dem wir heute erfahren und was wir heute im Glauben miterleben: Christus selbst ist das Pascha, er selbst ist das Lamm, das geopfert wird und dessen Blut uns vor dem ewigen Tod bewahrt und aus dem Tod rettet.

Jesus ist das Lamm, er ist der Prophet, dessen Stimme die Menschen nicht hören wollen, er ist der große Arzt, der uns heilt und einen Weg zeigt, der aus Krankheit, Ängsten und Schmerzen weist.

Im Alten Testament gibt es eine Stelle im Buch Exodus, da spricht Gott: „Ich bin der Herr, dein Arzt“ (Ex 15, 26).

Wie hören wir ein solches Wort heute? Wenn wir mitten in einer Epidemie oder sogar einer Pandemie stehen und viele Hoffnung sich auf Ärzte, auf Forscher, auf Experten und Politiker richten, daß sie Lösungen und Wirkstoffe finden, daß sie die richtigen Entscheidungen treffen und so die Gefahren abwenden, die Leib und Leben vieler Menschen bedrohen können?

Wie ist das zu verstehen, Gott ist ein Arzt? Es gibt noch mehr Krankheitsbilder als Grippe und Corona, ja als Krebs und Parkinson, Alzheimer und MS. Es gibt die Krankheiten der Seele und die Krankheiten durch Enttäuschungen, Verlassenheit und Vernachlässigung. Es gibt die Krankheiten, die oft gar nicht erkannt werden. Eine schlimme Krankheit ist die Angst: die Angst, daß alles vergeblich gewesen sein mag, daß es alles keinen Sinn hat, nicht die Mühen, nicht die Anstrengung und der gute Wille, und die Angst vor dem Ende, vor dem Tod.

Beten wir heute für alle Schwerkranken und Sterbenden und für die, die sich um sie sorgen und sich um sie kümmern. Und das nicht nur, weil es überhaupt gut ist, für all diese Menschen zu beten. Und weil in dieser schwierigen Zeit einer weltweiten Epidemie die Ängste und die Unsicherheiten gewachsen sind. Aber denken wir auch an die vielen Menschen in den schwach entwickelten Gebieten dieser Erde, in Krisen- und Kriegsgebieten, die krank und sterbenskrank sind, weil die einfachsten medizinischen Mittel fehlen, weil diese Menschen von jeder Versorgung abgeschnitten sind!

Sondern wir beten für alle diese Menschen auch – und das zeigt das jüngste Urteil des Verfassungsgerichtes über die Sterbehilfe -, weil viele Menschen in einer älter werdenden Gesellschaft sich fragen: Was für ein Wert hat mein Leben? Werde ich leiden müssen? Falle ich anderen Menschen mit meiner Hilfsbedürftigkeit zur Last?

Diese Fragen wiegen schwer und treffen in die Mitte der menschlichen Existenz. Und sie betreffen die Frage, ob das alles überhaupt einen Sinn haben kann: das Leiden, die seelischen und körperlichen Nöte, auch die Schmerzen, die Hilflosigkeit ...

Der Karfreitag zeigt uns einen Menschen, der völlig unschuldig brutal hingerichtet wird, dessen Leiden unvorstellbar groß gewesen sind. Der Karfreitag zeigt uns aber auch noch mehr. Er öffnet uns eine Tür zum Glauben, daß dies alles für uns geschieht, zu unserem Heil, zu unserer Heilung. Uns wird eine neue Perspektive geschenkt: daß Christus selbst es ist, der in jedem Menschen, besonders in jedem Leidenden und Sterbenden, lebt und anwesend ist. Daß er niemanden allein lassen will in den dunkelsten Stunden seines Lebens.

Christus ist der große Arzt, der uns Heilung schenkt. Seine Medizin sind nicht Pflanzenextrakte oder Pulver oder Pillen, seine Medizin, die er gibt, ist seine Liebe, ist er selbst. Mit diesem Arzt an unserer Seite, ja in der Tiefe unserer Seele, ist uns schon jetzt die Rettung geschenkt.

27. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2020)

Osternacht und Ostern: die rettende Medizin gegen den Tod

(Anmerkung: Die Anregung zu diesen Gedanken habe ich aus dem Bändchen von Joseph Ratzinger, Gottes Angesicht suchen. Betrachtungen im Kirchenjahr, Freising 2/1979, S. 25 – 26, bekommen.)

Was für eine Dankbarkeit, was für eine Freude würde um sich greifen, wenn bekannt würde: Die Medizin gegen ein todbringendes Virus ist gefunden! Es gibt einen Impfstoff, es gibt eine Therapie, die rettet! – Die Forscher, die das entdecken und erreichen, würden gefeiert werden.
Schon jetzt (Mitte März 2020) ist es ein großer Fortschritt, wenn ein Schnelltest zur Verfügung steht, der den Menschen die Angst und die Ungewißheit nimmt: Bin ich erkrankt? Muß ich mich um mein Leben sorgen?

Ein Virus kann Menschen ängstigen, verunsichern und sogar ernsthaft erkranken lassen – doch gegen den Tod selbst, gegen seine Macht, ist kein Kraut gewachsen – oder vielleicht doch? Was haben wir vorhin denn gesungen? „O Licht der wunderbaren Nacht, uns herrlich aufgegangen“ (Gotteslob 334) – und: „Verklärt ist alles Leid der Welt, des Todes Dunkel ist erhellt“ (Gotteslob 329). – Von welchem Licht ist da die Rede? Was wird da behauptet?

Wir feiern Ostern. Wir feiern den Sieg Christi über die Macht des Todes. Er, Christus, ist das wahre Licht: Er besiegt die Finsternis, die von der Welt und den Menschen Besitz ergreifen will: den Haß, den Wahn, die Sucht nach Vergeltung und Rache … und den Tod selbst, der die Folge von alldem ist. Das Licht, das Christus schenkt, ist aber nicht ein esoterisches Leuchten oder ein liebliches Lämpchen, sondern es ist unendlich mehr. Wie soll man dieses Licht beschreiben? Es ist wie ein machtvoller Strahl. Oder wie ein Blitz, der nicht einzufangen ist. Oder wie das gewaltige Geschehen in der Sonne selbst, wo unvorstellbare Kräfte am Werk sind.

Aber all diese Vergleiche sind noch unendlich schwach gegenüber der Wirklichkeit, die wir heute bekennen: Das Leben siegt, der Tod ist tot. Wie kann das sein? Wie können wir das glauben?

Wir können es glauben, denn Jesus ist der große Arzt, der für uns in den Tod gegangen ist. Er ist hingerichtet worden, als ein Opfer unmenschlicher Justiz, das ist wahr. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite erkennen wir durch den Glauben. Dieser Arzt hat eine rettende Medizin gleichsam an sich selbst erprobt. Was ist diese rettende Medizin? Diese Medizin, das ist das unbegrenzte Vertrauen auf die Vaterliebe Gottes. Diese Medizin, das ist der Glaube.

Wie können wir das verstehen? Schauen wir auf Jesus selbst: Jesus ist wirklich „der Sohn“, der vom Vater kommt und zugleich ganz bei den Menschen ist. Er ist der Sohn Gottes und der „Menschensohn“. – Wie wird das deutlich? Es wird zum einen deutlich in seiner Verkündigung, in seiner Botschaft. Alles, was Jesus sagt und tut, zielt auf das Eine hin:
Gott, den ihr sucht und finden könnt, er ist der Vater aller Menschen. Er will seine väterliche Barmherzigkeit und Güte erweisen, indem er sich als Vater offenbart und den Menschen seinen Sohn schenkt. – Das ist noch etwas, was die Menschen, vor allem die frommen Juden, die Jesus hörten, wohl noch irgendwie glauben und annehmen konnten.

Aber wie ist es mit dem, was noch dazugehört? Wie Jesus Gott anspricht als „Abba“ – „Papa“ oder „Väterchen“: geht das nicht ein bißchen zu weit? Und er sagt dann auch noch „Mein Vater“ (Joh 8, 19.49.54) und als Gipfel „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10, 30), worauf die Zuhörer Steine aufheben, um Jesus damit zu töten (vgl. Joh 10, 31).

Jesus hat immer wieder gewacht und gebetet, um ganz nahe bei seinem Vater zu sein. – Das war ihm, neben aller Sorge und Mühe und Offenheit für die Menschen, ganz wichtig: das Zwiegespräch mit dem Vater. Die Zeit mit Ihm. Das Vertrautsein mit Ihm und Seinem Willen.

Dieser vertraute Umgang ist auch uns möglich. In diesen Wochen, in denen vieles nicht mehr so ist wie gewohnt, wo uns sogar geraten und geboten wird, Kontakte zu Mitmenschen, zu Freunden, zu den Schwestern und Brüdern im Glauben zu unterlassen und uns in eine Art Selbst-Isolation zu begeben – in einer solchen Zeit ist es gut zu wissen, daß wir nie allein sind, auch wenn Einsamkeit um sich greift. Die beste Medizin gegen die Krankheiten unserer Seele ist der Glaube. Und dieser Glaube wird bestätigt durch das größte Wunder: die Auferstehung Christi von den Toten! Der Feind des Lebens wurde durch den Arzt besiegt, der das rettende Heilmittel bringt!

Die Kirche lädt uns immer ein, dieses Heilmittel – Christus selbst – in der heiligen Kommunion zu empfangen, im Brot des Lebens, in der heilbringenden Speise. Im glaubenden und hoffenden und liebenden Herzen entfaltet dieses Medikament seine maximale Wirkung. Und Glaube, Hoffnung und Liebe werden neu gestärkt durch den Empfang dieses wunderbaren Geschenkes.

Wenn wir in diesen österlichen Tagen nicht die heilige Hostie empfangen können, weil uns Einschränkungen in bisher nie dagewesenem Umfang auferlegt worden sind, so können wir doch geistigerweise die Speise des Lebens empfangen. Wir können diese Gelegenheit nutzen, die Möglichkeit der geistigen Kommunion neu kennen- und schätzen zu lernen, denn sie ist auch dann angebracht, wenn uns die rechte Disposition fehlt, wir nicht wirklich vorbereitet sind, wenn uns Schuld belastet oder wir uns von der vollen Gemeinschaft der Kirche entfernt haben.

 

Das Gebet dazu kann so lauten:

Mein Jesus,

ich glaube, daß du im Allerheiligsten Sakrament des Altares gegenwärtig bist.
Ich liebe dich über alles,und meine Seele sehnt sich nach dir.
Weil ich dich jetzt nicht in der Heiligen Eucharistie empfangen kann, bitte ich dich, komm geistigerweise zu mir und nimm Wohnung in meinem Herzen.
Ich umfange dich, vereinige mich ganz mit dir und bete ich dich an, mein Heiland und Erlöser.
Laß nicht zu, daß ich mich je von dir trenne. Amen.

28. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2020)

„Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen“- Einladung zur Mitfeier der Bitt-Tage

Jesus bitten, heißt, einen Freund bitten.

„Ohne Freundschaft kommt einem nichts freundlich vor“ (hl. Augustinus)

„Der Mensch ist ein Armer, der Gott um alles bitten muß“ (hl. Johannes Maria Vianney)

Ostern feiern wir nicht nur ein paar Tage lang, sondern die Osterzeit ist eine längere Zeit: sieben mal sieben Wochen lang feiern wir das Fest der Auferstehung, und mit dem fünfzigsten Tag, dem Pfingsttag, feiern wir die Vollendung mit dem Kommen des Heiligen Geistes.

Warum so lange? Weil diese Zeit geprägt sein soll von der Vergewisserung des Glaubens: Jesus ist wirklich auferstanden, und er ist wirklich bei uns! Und er geht wirklich einen Weg mit uns. Dieser Weg ist ein Weg durch die Zeit, und ein Weg darüber hinaus.

Dieser Weg ist der Weg der Kirche, der Gemeinschaft der Glaubenden. Wissen wir als Kirche noch, wohin die Kirche unterwegs ist? Die Osterzeit gibt uns die Antwort auf diese Frage. Zunächst sind da die vierzig Tage, in denen Jesus immer wieder erscheint und uns den Sinn der Schriften aufschließt. Und wie mit den Jünger will er auch mit uns als der Auferstandenen das Österliche Mahl feiern. Es ist aber nicht einfach eine Mahlzeit wie andere auch, sondern da ist mehr. Es ist eine Begegnung, in der er selbst für die, die an ihn glauben, zur Speise wird. Wer ihm begegnet, wird von ihm verwandelt.

Und die letzten Tage der Osterzeit beginnen mit dem Hochfest Christi Himmelfahrt. Mit diesem Fest sollen wir uns bereiten, den Heiligen Geist zu empfangen, damit wir wie die Jünger fähig sind, die Frohe Botschaft zu erfassen und zu verkünden für die Menschen, die auf eine Botschaft warten, die wirklich lebt und Leben spendet.

In einer Zeit, in der viele Menschen mit den Inhalten der Fest Pfingsten, Christi Himmelfahrt oder auch Ostern nichts mehr anzufangen wissen, in der Ostern als „Hasenfest“ bezeichnet wird, Christi Himmelfahrt nur noch als „Vatertag“ bekannt ist und an Pfingsten manche Zeitgenossen meinen, da gehe es vielleicht um die Feier der Hochzeit von Jesus und Maria Magdalena – in einer solchen Zeit ist es umso wichtiger, sich – wie wir es jetzt tun – zu sammeln und sich neu für den Reichtum des Glaubens zu öffnen, der sich uns in diesen Tagen neu erschließen will.

Die Tage, in denen wir jetzt stehen, die Tage vor dem Hochfest Christi Himmelfahrt, sind besonders durch die Feier der Bitt-Tage geprägt. – Worum geht es da? Jesus eröffnet seinen Jüngern den Sinn seines Abschieds: Er muß gehen, um in neuer Weise für die Jünger, für die Kirche dazusein. Er muß von ihnen Abschied nehmen, damit er beim Vater für die Seinen eintreten kann und damit er den senden kann, der als „Geist der Wahrheit“ (Joh 14,17) bezeichnet wird oder auch als „Kraft aus der Höhe“ oder „Tröster“ bezeichnet wird.

Wie ist das alles zu verstehen, und was sollen da die „Bitt-Tage“, wo wir doch glauben dürfen, daß Gott alle unsere Nöte und Sorgen kennt, daß wir ihn darüber doch gar nicht informieren müssen?

Nun, ein Schlüssel, der uns hilft, darauf eine Antwort zu finden, ist ein kleines Wort, das wir in den Abschiedsreden Jesu auch finden und das ganz wichtig ist: Es ist das Wort „Freund“. „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage“ (Joh 15,14). – „Ich nenne euch nicht mehr Knechte... vielmehr habe ich euch Freunde genannt“ (Joh 15,15).

Das heißt: In allem, was Jesus für uns tut, handelt er als Freund. Als einer, der nur Gutes für uns will. Als einer, der gerne bei uns sein möchte und bei dem wir gerne sein möchten. Als einer, bei dem wir unser Herz ausschütten können.

Der heilige Augustinus, ein großer Heiliger der ausgehenden Antike, hat einmal gesagt: „Ohne Freundschaft kommt einem nichts freundlich vor.“

Dieses Wort können wir auch auf Jesus beziehen.

Jesus um etwas bitten, heißt, einen Freund zu bitten.

Einem wirklichen Freund wird nichts zu viel und nichts zu schwer.

Darum dürfen wir in den kommenden Tagen wirklich um all das bitten, was wir in unserem Leben brauchen: Wir brauchen das Wasser und die Luft für die Schöpfung, die Umwelt und für uns selbst, wir brauchen Frieden, Gerechtigkeit und Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen, wir brauchen Gemeinschaftssinn und Zuversicht und Mut, wir brauchen das tägliche Brot, nicht nur in Gestalt der Nahrung, sondern auch in der Weise der Zuwendung und der Sorge füreinander, ohne die ein Mensch verkümmert.

Mit einem Wort: Wir brauchen den Heiligen Geist, den Geist der Liebe und des Trostes. Um ihn bitten wir in den kommenden Tagen, vor und nach dem Hochfest Christi Himmelfahrt.

Es wird zu wenig gebetet in der Kirche in unserer Zeit. Wir kommen gern zusammen, um zu beraten und nachzudenken, auch um zu planen und zu reflektieren. Das alles ist notwendig und gut. Doch die wirklichen Impulse, die wahren Erneuerungen kommen immer vom Heiligen Geist. Und der will erbetet und erfleht werden. Den bekommen wir - entschuldigen Sie das drastische Bild – nicht mit Schwielen am Hintern, sondern mit Schwielen an den Knien.

29. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2020)

Christi Himmelfahrt - Der abwesende Auferstandene

Am Fest Christi Himmelfahrt gab es früher einen Brauch, an den sich die Älteren vielleicht noch erinnern können: nach dem Evangelium wurde die Osterkerze im Altarraum gelöscht. Sinnenfällig sollte damit gezeigt werden: Der Herr, der 40 Tage hindurch bei den Jüngern war, ihnen erschienen war, mit ihnen gegessen hatte, sie belehrt und getröstet hatte, war nun nicht mehr bei ihnen. - Und das heißt zugleich auch: er ist gleichermaßen auch unseren Blicken entschwunden. Wir können ihn nicht festhalten bei uns. Er muß auffahren zu seinem Vater, um sein Werk zu vollenden.

Ich finde es in einer Weise bedauerlich und schade, daß man diesen alten Ritus nicht beibehalten hat. Denn in unserer Zeit hätte er eine neue Berechtigung und eine starke Symbolkraft. – Wie meine ich das?

Wir sind ja gewohnt, zu hören: Christus ist nicht für unsere Augen sichtbar, aber er ist da. Er ist in unserer Mitte: in den Sakramenten, in der feiernden Gemeinde, in seinem Wort. Vor allem kommt er zu uns im Brot des Lebens, in der heiligen Eucharistie.

Das alles haben wir gehört und sicher auch verinnerlicht, und es bleibt gültig und richtig.

Doch schauen wir uns einmal um und fragen, wo diese Botschaft heute eine Bedeutung hat! Wo sie gehört und verstanden wird! Wo in unserer Gesellschaft, in der wir leben, Christus wirklich ein Raum gegeben wird, daß er präsent sein darf, daß seine Gegenwart etwas bedeutet, etwas sagt, etwas in Konsequenz bewirkt!

Die Diskussion vor einer Europawahl, ob es denn noch zeitgemäß sei, daß Kreuze und religiöse Symbole im öffentlichen Raum, zum Beispiel in Schulen und Gerichtsräumen, zu sehen sein dürften, ob es einem muslimischen Schüler beispielsweise zuzumuten sei, unter dem Bild des Gekreuzigten zu lernen und seine Prüfungen abzulegen – die Diskussion darüber hat die Gemüter wieder einmal erhitzt.

Dann das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten „Sterbehilfe“: es besagt, daß es in Zukunft nicht mehr verboten sein darf, einem Menschen bei seinem beabsichtigten Suizid zu „helfen“, sogar geschäftsmäßig! Bevor eine wirkliche Diskussion darüber losging und beruhigende oder auch empörte Stimmen dazu gehört wurden, entwickelte sich die Corona-Epidemie zur Pandemie und überdeckte alles andere – makabererweise.

Man kann zu alldem seine eigene Meinung haben und sicherlich Argumente für das Eine oder das Andere finden – doch ganz deutlich zeigt mir diese Entwicklung: Christus ist immer weniger als der Anwesende in unserem Blickfeld und in unserem Alltag, und immer mehr als der Abwesende.

Christus ist abwesend, und er schweigt.

Wäre es nicht ehrlich, dies zuzulassen und nicht vorschnell zu kaschieren oder schönzureden? Anscheinend ist es ja so, daß auch all das viele Reden, das heißt die vielen Unterrichtsstunden in Religion in den Schulen, die vielen Stellungnahmen der Kirche zu Themen der Zeit, die vielen Sitzungen und Konzepte eins nicht vermögen: daß in den Menschen Glauben wächst.

Menschen mögen reden oder auch gut reden, aber etwas anderes ist es, wenn Gott spricht.

Gott möchte reden, er möchte handeln, er möchte anwesend sein, nicht abwesend.

Wie können wir das erfahren, wie können wir das glauben?

Die Apostelgeschichte berichtet uns, daß die Apostel und Maria und weitere Jüngerinnen und Jünger sich in den Abendmahlssaal zurückgezogen haben.

Sie haben sich zurückgezogen, um zu beten. Dieser Rückzug war keine Flucht vor der Welt, aber er war die Voraussetzung dafür, daß der Heilige Geist empfangen werden konnte.

Die Pfingstnovene, die heute beginnt, die Zeit der Erwartung des Heiligen Geistes, ist eine Einladung an uns und ein Auftrag: daß wir nicht aufhören zu beten, oder daß wir neu anfangen, zu beten und zu hören, zu bitten und zu vertrauen, damit der abwesend-anwesende Christus zu uns sprechen, zu uns kommen und uns erfüllen kann.

30. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2020)

Beten heißt nicht diskutieren

Schon als Kind hat mich die Apostelgeschichte fasziniert. Ich kann mich erinnern, daß im Fernsehen – damals gab es nur drei Sender! – eine Serie lief, in der die Apostelgeschichte als Trickfilm dargestellt wurde. Das war spannend gemacht, und es ist ja auch wirklich spannend, nachzulesen und nachzuempfinden, wie die Anfänge der Kirche waren, wie die Reisen des Apostels Paulus verliefen, wie Streit und Schwierigkeiten, Verfolgungen und wunderbare Ereignisse sich abgespielt haben.

Doch je mehr ich mich mit der Apostelgeschichte beschäftige, desto mehr fällt mir auf, daß von einer Sache ständig die Rede ist, und daß diese Sache das ganze Werk von vorne bis hinten durchzieht und daß ohne dieses eine das Anliegen des Autors, des Evangelisten Lukas, gar nicht verstanden werden kann.

Und dieses eine ist das Gebet.

Als die Apostel für Judas einen Ersatzmann finden müssen, beten sie.

Als Stephanus gesteinigt wurde, betet er.

Als Jakobus hingerichtet war und auch Petrus verhaftet wird, betet die Urgemeinde in Jerusalem.

Als Paulus sich von der Gemeinde in Milet verabschiedet, kniet er nieder und betet mit allen (vgl. Apg 20,36).

Noch viele weitere Beispiele könnten gefunden werden, um zu zeigen: die Apostelgeschichte bezeugt das Gebet als tragende und treibende Aktivität der Urgemeinde.

Die Stelle, die wir gerade gehört haben, ist für diese Sicht zentral: nach der Himmelfahrt des Auferstandenen versammeln sich die Apostel, die Frauen, die Verwandten Jesu und Maria im Abendmahlssaal zum Gebet.

Denn der Heilige Geist, den Jesus ihnen versprochen hatte, er kann nur zu ihnen kommen in der Weise des Gebetes.

So ist die im Abendmahlssaal versammelte und mit Maria vereinte Gemeinde ein Urbild der Kirche. Die Kirche lernt, was sie zu tun hat, durch den Heiligen Geist, der ihr im Gebet geschenkt wird.

Zwei Mißverständnisse müssen ausgeräumt werden, damit deutlich wird, was hier gemeint ist.

Das erste Mißverständnis könnte durch das Wort „einmütig“ ausgelöst werden. „Sie alle verharrten einmütig im Gebet“, heißt es ja (Apg 1,14). – Heißt das, daß sie alle sich gegenseitig nett und sympathisch fanden? Daß sie alle sofort einer Meinung waren? Ich glaube, da hätten wir etwas falsch verstanden. Einmütig zu beten wird hier wohl eher heißen, daß alle sich erst einmal öffnen und zulassen, daß verschiedene Fragen, Sorgen und Nöte da sind. Und vor allem, daß Unterstellungen, Unfriede, Neid und Stolz keinen Platz mehr haben im Abendmahlssaal.

Dann, ein zweites mögliches Mißverständnis: es betrifft das Gebet. Was bedeutet beten? Haben die Apostel und Maria nun neun Tage lang hintereinander das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis aneinandergereiht? – Hier wollen wir nicht eine Karikatur zeichnen, sondern überlegen, warum Lukas das in seiner Apostelgeschichte immer wieder betont und zeigt, wie wichtig das Gebet für die Kirche und für jeden Einzelnen ist:

Das Gebet ist Hören auf Gott. Es meint, still zu werden in seiner Gegenwart. Es bedeutet, danach zu fragen, was er von mir will.

Der Abendmahlssaal ist ein Kraftfeld der Gnade Gottes, weil die Apostel und Maria bereit sind, Gottes Stimme in ihrem Inneren Raum zu geben. So richtig es ist, daß Gebet auch heißt, daß wir Gott ansprechen, so kommt doch als Erstes etwas anderes. Zuerst kommt, daß Gott spricht, daß er uns sich offenbart, und um dafür bereit zu sein, braucht es Zeiten und Orte der Stille, der Sammlung, der Einkehr.

Unsere Worte, die wir versuchen zu machen, sind nichts anderes als eine oft so kleine und kümmerliche Antwort auf das große und reiche Wort, das Gott uns schenkt.

Uns allen wünsche ich in dieser Novene vor dem Hohen Pfingstfest, daß uns geschenkt wird, einmütig um das Kommen des Heiligen Geistes zu beten, so wie die Apostel mit Maria es getan haben, so wie es die Kirche zu allen Zeiten getan hat.

31. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2020)

Wussten Sie, daß in früheren Jahrhunderten die Spitäler und Krankenhäuser oft „Zum Heiligen Geist“ genannt wurden? Es waren vielfach Stiftungen wohlhabender Menschen, die ein gutes Werk tun wollten. Oder es packte einen Fürsten, der Kriege geführt hatte, am Ende seines Lebens die Reue, und er wollte, daß die Menschen gut von ihm dächten und für ihn beteten, so daß er seine Seele rettete.

Ein berühmtes Beispiel für ein solches Hospital ist das „Hôtel-Dieu“ in Beaune im französischen Burgund. Ein Besuch dieser einzigartigen Anlage ist unvergeßlich. Schon die äußere Fassade und der Innenhof der Anlage machen einen feierlichen Eindruck. Hier wurde nicht einfach zweckmäßig gebaut. Sondern es gab sicher noch eine andere Überlegung, den Bau so aufwendig zu errichten. Zum einen war es wohl das Zurschaustellen der Großzügigkeit derer, die diesen Bau möglich gemacht hatten. Jeder sollte sehen: hier wurde nicht gegeizt! – Dann aber, so können wir vermuten, gab es noch einen anderen Grund: Die Kranken, die hier aufgenommen und gepflegt wurden, waren nicht einfach Menschen am Rande, sondern in ihnen wollte man Christus selbst erkennen. Hatte Christus nicht gesagt: „Ich war krank und ihr habt mich besucht“ (Mt 25,36)? Krankheit und Not gelten von daher in der Perspektive des christlichen Glaubens als Tor zur Nächstenliebe, in der sich die Gottesliebe vollendet und sichtbar bezeugt.

Hat das etwas mit dem heutigen Hochfest zu tun, mit Pfingsten? Ich finde, eine ganze Menge! Das haben schon die Menschen erkannt, die ihre Hospitäler „Zum Heiligen Geist“ benannten oder nach Heiligen, die sich der Kranken in besonderer Weise angenommen haben: die heilige Elisabeth von Thüringen und der heilige Franziskus von Assisi gehören dazu, der heilige Damian de Veuster, der sich auf Molokai der Aussätzigen angenommen hat, und die selige Schwester Maria Euthymia aus Halverde, die in unserem Bistum Münster große Verehrung genießt. Es waren immer wieder Menschen, die sich vom Geist Gottes haben entflammen lassen, und die so erkannt hatten: Die Menschen brauchen nicht schöne Worte, sie brauchen helfende Hände.

Gesundheit und Krankheit sind spätestens seit der Corona-Krise Themen, um die sich (fast) alles dreht. Darin verdichten sich viele Sorgen und Ängste der Menschen: Wird es auch mich treffen? Verhalte ich mich richtig? Habe ich genug getan, um mich zu schützen? Wie geht es weiter? – Manche fühlen sich schon irgendwie krank, obwohl sie es in Wirklichkeit gar nicht sind. Und die ständige Beschäftigung mit dieser Problematik, das ständige Kreisen um ein und dasselbe Thema können selber krank machen.

Der Heilige Geist ist der große Tröster. Er ver-tröstet nicht, er heilt. Das ist im eigentlichen, nicht im übertragenen Sinne zu verstehen. Der Glaube an Christus ist ein heilender, manche sagen sogar, ein „therapeutischer“ Glaube. Der katholische Theologe und Religionsphilosoph Eugen Biser (1918 – 2014) hat sehr engagiert diesen Ansatz vertreten. Ihm war wichtig: Gott ist aus seiner Verborgenheit und Transzendenz herausgetreten und hat sich dem Menschen zugewandt. Er hat dem Menschen die Gotteskindschaft geschenkt. So ist er Glaube an den lebendigen Gott nicht zuerst eine Moral, sondern ein Weg der Heilung.

Ich persönlich würde Moral und Heilung nicht gegeneinanderstellen, sondern meinen, daß sie sich ergänzen. Denn Moral ist ja kein Regelwerk von Verboten und Geboten, sondern geht auf die innerste Frage des Menschen ein, was wahr und gut ist im Leben. Und was wahr und gut ist, macht den Menschen auch heil. Die beste Therapie, die Gott uns in den Leiden und Nöten unseres Lebens anbieten kann, ist seine Liebe. Diese Liebe macht uns zu seinen Kindern. Kinder und Eltern, so haben wir jetzt gelernt, brauchen keine Distanz, kein Abstandsgebot zu erfüllen. Daß sie zusammengehören, zeigt sich in ihrer Nähe zueinander.

So will auch Gott uns seine Nähe schenken, indem er den Heiligen Geist sendet, die personhafte Liebe, die aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, wie wir im Großen Glaubensbekenntnis sagen.

Wie können wir uns diese Liebe, die heilt und tröstet, vorstellen? – Nun, jeder von uns hat so etwas bestimmt schon einmal erlebt! Ich selber kann mich noch gut an einen wunderschönen Sonntagnachmittag in meiner Kindheit erleben. An diesem Tag hatte ich zusammen mit meinem älteren Bruder eine wunderbare Idee: Wir wollten als Gespann die Straße hinunterfahren – mein Bruder voran auf einem Fahrrad, und dann ich auf einem Dreirad, durch ein Seil mit ihm verbunden. Auf gerader Strecke funktionierte das perfekt, doch in der ersten Kurve passierte das Unvermeidliche: bedingt durch die Physik eines Dreirades verlor ich in der Kurve das Gleichgewicht und landete auf dem Asphalt, der zu allem Überfluß auch noch durch Schotter aufgewertet war. Ein arg lädiertes Knie war die Folge.

Wer kann in einem solchen Falle besser trösten als die Mutter? Nicht nur durch kundiges Versorgen der Wunde, sondern auch durch gute Worte und – durch sanftes Pusten auf die Wunde.

Da haben wir die Antwort auf unsere Frage, wie wir uns die Liebe und den Trost, der uns geschenkt wird, vorstellen können: Auf die Wunden unseres Lebens und unserer Seele, auf die Wunden auch, die wir uns gegenseitig zufügen durch Oberflächlichkeit und Neid, durch Mißverständnisse und fehlende Achtung voreinander, pustet der Heilige Geist mit dem Atem des neuen Lebens, um Heilung und Heiligung zu erwirken. Darum dürfen wir den Heiligen Geist, wie ich finde, ruhig mit dem tröstenden und heilenden Wirken einer Mutter vergleichen, die sich um ihr Kind kümmert. Und mit dem Wirken einer guten Krankenschwester und eines guten Arztes, die sich nicht nur um den Leib sorgen, sondern auch die Seele im Blick haben. Darum der Name „Zum Heiligen Geist“ für viele Hospitäler!

Der Heilige Geist ist der „Paraklet“, im wörtlichen Sinne der „Herbeigerufene“. Er will erbetet werden. Das tut die Kirche in der Pfingstnovene, in den Tagen vor dem Hohen Pfingstfest, und in den Bitt-Tagen. Mit Maria und den Aposteln haben wir uns auch jetzt versammelt, um für die Ankunft und die Tröstungen des Heiligen Geistes zu bitten und zu danken. Und ich kann mir kaum vorstellen, daß ein solcher Dank und eine solche Bitte der Kinder Gottes einfach ungehört verhallt. Und noch weniger kann ich mir vorstellen, daß dem Heiligen Geist gerade in unserer Zeit die Puste ausgeht.

32. Predigtvorschlag

Auch im Leben der Kirche gibt es den Jordan

Möchtest du, möchten Sie gerne – „über den Jordan gehen“? – Dieses Wort, diese Redewendung hat keinen guten Klang! „Über den Jordan gehen“, das heißt ja: verloren gehen, sich verabschieden, -- sterben! Über den Jordan gehen, oder im Ruhrgebiet würde man vielleicht dafür sagen: Der geht über die Wupper – aber immer ist damit auch gemeint: etwas Endgültiges, etwas, wo es kein Zurück mehr gibt.

Jesus ist für uns über den Jordan gegangen. Als Johannes der Täufer in der Wüste stand und die Menschen zu ihm strömten, um sich von ihm im Jordan untertauchen zu lassen, kam auch Jesus. Auch er wollte sich von Johannes taufen lassen. Er stellt sich in die Reihe der Menschen, die Buße tun wollten, die bekennen wollten, daß sie Sünder sind, und sich aufgemacht hatten, das Zeichen der Umkehr zu setzen. – In die Reihe dieser Menschen stellt sich Jesus. Hätte er das nötig gehabt, er, der ohne Sünde war, das Lamm Gottes?

Die Ikonen aus der Ostkirche, die die Taufe Jesu im Jordan abbilden, geben eine Antwort auf diese Frage. Da steht Jesus im Wasser, und dort, im Jordan, tummeln sich die Fische und der Seedrache. Das heißt: Jesus taucht ein in die ganze Schöpfung, um alles heil und gut zu machen. Er taucht ein in diese unsere Welt, die dabei ist, über den Jordan zu gehen, weil Kriege, Umweltzerstörung, Habgier, Neid und Macht dabei sind, alles ins Verderben zu ziehen.

Für die Welt geht Jesus über den Jordan, damit die Welt nicht verlorengeht. – Und die Ikone zeigt Jesus nur mit dem Lendenschurz bekleidet, genauso wie am Kreuz. Am Kreuz geht Jesus endgültig über den Jordan. Denn sein Weg geht von der Krippe über den Jordan geradewegs dahin. Das ist seine Sendung, das ist der Weg des Heils, den Gott bestimmt hat.

So heißt unser Fest, das wir heute feiern, in der Ostkirche auch „Fest der Gotteserscheinung“, „Fest der Theophanie“. Es heißt so wie unser Fest am vergangenen Montag: „Erscheinung des Herrn“ („Dreikönige“) und es wird in eine Reihe gestellt mit der wunderbaren Begegnung der drei Weisen an der Krippe und mit dem Weinwunder zu Kana. – Jedesmal geschieht hier Offenbarung, Erscheinung des Herrn, jedesmal öffnet sich für die Welt der Himmel.

So wie Jesus, so muß auch seine Kirche über den Jordan gehen. So lautet ein Buchtitel, der von der Kirche in unserer Zeit handelt: „Kirche, die über den Jordan geht“. Dieser Titel ist bewußt doppeldeutig gewählt. Vieles geht in unserer Zeit in unseren Gemeinden „über den Jordan“. Kirchen werden geschlossen, Kindergärten und Einrichtungen ebenso. Gremien und Ehrenamtliche und Priester mühen sich ab, und sorgen sich nach Kräften, daß das Glaubensleben lebendig bleibt. Doch zugleich muß der Blick dafür gewonnen werden, was zuerst wichtig ist.

Immer wieder hat die Kirche in ihrer Geschichte diese Erfahrung gemacht: daß sie mit Jesus über den Jordan gehen muß, um zu leben, um Ihm nachzufolgen, um Ihm und Seiner Sendung treu zu bleiben. Daß sie in Zeiten der Krise und in Schwierigkeiten neu lernen muß, auf Ihn zu schauen und von Ihm und seinem Geist die Einsicht zu erbitten, was wirklich wichtig ist und was trägt. – Diese Aufgabe machen wir uns zu eigen im Gebet, im Gottesdienst und in der Bereitschaft zu Besinnung und Umkehr. Diese Aufgabe und dieser Dienst sind auch in unserer Gemeinde ganz entscheidend.

„Über den Jordan gehen“ heißt dann auch: sich der eigenen Herkunft vergewissern. Die Ursprünge und Ur-Gründe unseres gemeinsamen Glaubens vergegenwärtigen. Sich in Erinnerung rufen, woher wir kommen.

Unser Ursprung und unser Ziel kann kein anderer sein als Christus selbst.

Was damals an Jesus geschehen ist, das geschieht auch an uns, an jeder und jedem ganz persönlich: in der Taufe nimmt Gott uns an als seine geliebten Kinder. Und im Tod, der das Sicherste ist in unserem Leben, fallen wir nicht ins Dunkel und ins Nichts, sondern im Glauben und im Vertrauen auf Gott öffnet sich auch uns der Himmel, und Gott spricht uns an, er nennt uns mit Namen, er schenkt Leben in Fülle. –

Und wie ist es mit der Kirche, die mit Jesus „über den Jordan geht“? Das werden wir uns auch fragen, wenn wir im neuen Jahr mit den Gremien und den Verbänden und Gruppen, mit der ganzen Gemeinde unseren Weg weitergehen. Im Neujahrsempfang zum Beispiel, am kommenden Sonntag, werden wir einen dankbaren Blick zurück tun dürfen, auf manches, was geleistet werden konnte.

Wir werden aber auch einen Blick nach vorne tun. Nach vorne, das bedeutet: den Weg weitergehen, auch wenn er durch die Wüste führt. – Was meine ich damit? Nun, ich denke da einfach an ein Beispiel, das vor einiger Zeit in der Lokalpresse zu lesen war: da gab es einen Nachruf auf einen verstorbenen Priester. Was wurde da erwähnt? Er hatte gebaut: die Kirche renoviert, das Pfarrheim gebaut, den Kindergarten, glaube ich auch, und manches mehr. – Die typische Biographie eines Priesterlebens in den letzten Jahrzehnten. - Ich bin sicher, er war auch ein hervorragender Seelsorger.

Nun haben wir so viele Gebäude, so viele Einrichtungen, so viele Möglichkeiten und auch Geld wie noch nie in der Kirchengeschichte seit Liudger oder seit Christi Geburt. – Und nun müssen wir uns fragen: Was machen wir eigentlich damit? Wofür sind diese Einrichtungen und Gebäude wirklich gut? Führen sie uns und die Menschen zu Christus? Oder sind sie nur eine Kopie dessen, was es in den Kommunen, in den Städten und Dörfern ohnehin schon gibt?

Auch diesen Fragen müssen wir uns stellen, wenn unser Weg in den nächsten Jahren durch die Wüste führt, und an den Jordan.

Diesen Jordan finden wir nicht nur in Israel. Dieser Jordan ist in Wahrheit überall dort, wo wir im Glauben auf Jesus schauen, sein Wort hören und seinen Spuren folgen.

33. Predigtvorschlag

Der Dienst der Stellvertretung

Haben Sie sich schon einmal überlegt, für wen Sie heute in die Kirche gegangen sind?

Für wen Sie heute beten, für wen Sie das tun, was wir hier gemeinsam tun?

Wieso frage ich das? Wieso lohnt es sich, darüber einmal nachzudenken?

Weil es dieses Wörtchen „für“ ist, auf das es ankommt.

Dieses Wörtchen „für“ steht für eine Wahrheit, die zentral wichtig und entscheidend ist, ohne die wir unseren Glauben und das, was Jesus getan hat, überhaupt nicht verstehen können.

Auch nicht das Geschehen der Taufe im Jordan, wo er sich die Bußtaufe des Johannes geben läßt, obwohl er doch gerade nicht gekommen ist, um zu büßen, sondern zu erlösen, zu retten und zu befreien – denken wir.

Doch das alles läßt sich nicht verstehen ohne dieses Wörtchen „für“, und das steht für die Stellvertretung.

Alles das, was Jesus tut, tut er in der Weise der Stellvertretung: er tut es für uns, für die Sünder, für die Welt.

Stellvertretend nimmt er die Bußtaufe des Johannes im Jordan auf sich. Stellvertretend lebt er in Armut und Einfachheit, in der Verborgenheit 30 Jahre hindurch in Nazareth.

Stellvertretend nimmt er Leiden und Tod auf sich, die ungerechte und himmelsschreiende Verurteilung und den furchtbaren Tod am Kreuz.

Was bedeutet das? Warum dieser Weg, der ja umständlich, anstrengend, langwierig ist?

Ich glaube, es hat mit der liebenden Pädagogik Gottes zu tun. Er liebt uns, er mag uns leiden, und darum wählt er diesen Weg.

Wir kennen das ja auch aus unserem Alltag, aus unserem eigenen Leben: wie wir stellvertretend füreinander da sind, wie der eine sich für den anderen einsetzt:

Eltern unterschreiben stellvertretend für ihre Kinder und legen so fest, was für sie gut ist.

Die Mutter nimmt an Versammlungen und Sitzungen der Schule oder der Pfarrgemeinde teil, wo Dinge geplant und erläutert werden, an denen ihr Kind teilnimmt. Sie tut es stellvertretend für ihr Kind, für ihre Familie.

Die Pfarrgemeinde hat Stellvertreter – Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat -, die überlegen und beschließen, welche Schwerpunkte, welche Aktivitäten, welche seelsorgerischen Maßnahmen wichtig sind. Sie tun es in Stellvertretung für alle Gläubigen, vor allem für die, die sie gewählt haben, und diese Aufgabe ist zugleich eine hohe Verantwortung.

Der heilige Maximilian Kolbe ist stellvertretend für einen jungen Familienvater im KZ Auschwitz in den Hungerbunker gegangen. Kolbe ist gestorben, der junge Vater hat überlebt und sogar die Seligsprechung Pater Kolbes in Rom miterleben und mitfeiern dürfen.

Nicht nur im Glauben, auch im alltäglichen Leben machen wir die Erfahrung: keiner lebt für sich allein. Was wir tun, tun wir auch für andere, und wenn wir es bewußt tun und es in einem guten Sinne tun, dann wird das zum Segen und führt zum Heil.

Das ist das innerste Geheimnis der Menschwerdung Christi: in seinem Leben und heilenden Wirken wird die innere Verbindung, die wir als Menschen miteinander haben, zu einer Verbindung des Heils, zu einer Verbindung mit Gott selbst.

Wir leben ja seit Jahren in dem immer deutlicheren Bewußtsein, daß wir in einem weltweiten Netz verbunden sind. Nicht nur in der Kommunikation, die durch Internet und soziale Netzwerke geradezu revolutioniert wird. Sondern auch durch die einfache Beobachtung, daß unser Tun und Lassen nicht ohne Folgen bleibt für uns und für unsere Mitmenschen:

Ob wir mit der Umwelt sorgsam umgehen, ob wir in der Politik auf wichtige Werte wie Integration, Friedenssicherung, Solidarität ... achtgeben, ob wir bereit sind, in der Kirche eine Kultur des Miteinanders und des gegenseitigen Respekts gerade in den veränderten Strukturen pflegen ... alles das und noch viel mehr ist nicht nebensächlich, sondern hat Folgen.

Niemand lebt für sich allein: Jesus hat sich im Jordan von Johannes dem Täufer die Bußtaufe geben lassen. Jesus hat das nicht für sich getan. Er hat es getan für alle Menschen, für uns, für dich und mich. Jesus Christus ist der Mensch für andere. Er ist total für andere da. Seine Taufe im Jordan zeigt das. Diese Taufe ist der Beginn eines Weges, auf dem Jesus immer für die Menschen da ist. Für sich hätte er es nicht nötig gehabt, sich ein Zeichen der Umkehr und der Versöhnung mit Gott geben zu lassen. Er brauchte sich nicht mit Gott zu versöhnen, er war ja schon immer und vor den Zeiten der geliebte Sohn des lebendigen Gottes. Aber mit seiner Taufe, die er sich geben läßt, macht er sichtbar, daß auch wir Menschen sein sollen - und Menschen sein können - die im Glauben füreinander da sind:

So wie Christus für die Menschen da ist, so sollen auch die Eltern für ihre Kinder da sein. So sollen auch die Großeltern für die jungen Familien und die Enkel da sein. So sollen auch die, die fest im Glaubenden stehen, da sein für die Schwankenden, Fragenden und Zweifelnden. So sollen auch die Stärkeren für die Schwächeren da sein. Und so sollen auch die Beter da sein für diejenigen, die nicht mehr beten, die nicht mehr am Gottesdienst der Kirche teilnehmen, die nicht mehr darauf vertrauen, daß der Empfang der Sakramente etwas Gutes ist, daß die Sakramente Kraft und Hoffnung geben, daß sie eine Quelle des Trostes und der Freude sind.

Wenn wir heute das Fest der Taufe Jesu feiern, dann nehmen wir Anteil an dieser Stellvertretung Jesu. Und wir können selbst darin unsere Berufung finden. Ist das nicht ein wichtiger Dienst der Stellvertretung, den Sie alle hier tun, jeder einzeln und jeder ganz persönlich, jetzt, in diesem Augenblick? Egal, ob Kind oder Erwachsener? Für viele, die nicht mehr kommen können oder nicht mehr kommen wollen, betest du und bete ich. Für viele, die nicht mehr kommen, bittest du und bitte ich. Für viele lobst du und lobe ich Gott, den Vater.

34. Predigtvorschlag

Wo wohnt Jesus?

Von Natur aus ist der Mensch neugierig. Er will herausfinden, was hinter den Dingen steckt. Ihn interessiert zum Beispiel auch, wie andere Menschen wohnen, wie es bei ihnen zu Hause aussieht. Als ich zum Beispiel ins Pfarrhaus einzog, da dauerte es nicht lange, da waren schon Leute aus der Gemeinde da, sich die Räumlichkeiten anzusehen. Und als ich einmal eine Besichtigung des Pfarrhauses anbot - mit deutschsprachiger Führung - da war der Andrang groß. Es entspricht einem natürlichen Bedürfnis, zu sehen: Wie lebt der andere? Womit umgibt er sich? Welchen Eindruck bietet das Haus oder die Wohnung, in der er lebt?

Bei den Jüngern, die Jesus nachfolgten, war es nicht anders. Auch sie wollen wissen, wo Jesus wohnt. Dabei werden sie sicher nicht bloß an seine Adresse gedacht haben, sondern es geht ihnen noch um viel mehr! Sie wollen vielmehr herausfinden und sehen: Wer ist dieser Mensch eigentlich, der uns so fasziniert? Vielleicht können wir das durch einen Besuch bei ihm herausfinden. Vielleicht können wir anhand seiner Wohnung erkennen, wer er ist.

Nun hat "wohnen" in der Sprache der Bibel noch eine etwas andere Bedeutung als bei uns. Eine Wohnung, das ist für uns moderne Menschen nicht mehr unbedingt das Gleiche wie Heimat und Beständigkeit. Der Rhythmus des modernen Lebens verlangt von dem, der weiterkommen will, Flexibilität und Mobilität. Menschen, die ihr Leben lang nur an einem Ort sind, werden immer seltener - zumindest hier bei uns.

Im Evangelium ist das ein bißchen anders. Da bedeutet "wohnen" dasselbe wie "bleiben". Das ist ein und dasselbe Wort! Wenn es also heißt, die Jünger, die hinter Jesus hergingen, "gingen mit und sahen, wo er wohnte" (Joh 1,39), dann bedeutet das dasselbe wie: Sie sahen, wo Jesus wirklich da war, wo er blieb, wo er Gemeinschaft anbieten konnte. Sie hatten den Ort gefunden, wo Jesus wirklich zu Hause war, wo er wirklich seine Gegenwart anbieten konnte - bei den Menschen, in dieser Welt.

Dieser Moment hat für den Evangelisten, der das berichtet, eine so tiefe, eine so verwandelnde Bedeutung, dass er noch nach Jahren und Jahrzehnten genau die Uhrzeit weiß, wann das passiert ist: "Es war um die zehnte Stunde", sagt er (Joh 1,39). - Ich habe mich beim Lesen oder Hören dieser Stelle immer gefragt, warum Johannes das so sehr betont. Wer sein Evangelium kennt, weiß, dass nichts nur zufällig oder beiläufig ist. Auch kleine Einzelheiten können da schon ihre Bedeutung haben. Die zehnte Stunde - das ist vier Uhr am Nachmittag. Und da wurde ich vor kurzem an eine alte Überlieferung, an einen Brauch erinnert, der genau mit dieser Uhrzeit zu tun hat. Nach dieser Überlieferung ist vier Uhr nachmittags die Zeit, da der Soldat zu Jesus, der schon gestorben ist und noch am Kreuz hängt, kommt, ihm die Seitenwunde mit der Lanze zufügt und das Herz öffnet.

Nach den Berichten der ersten drei Evangelisten stirbt Jesus zur neunten Stunde (Mt 27,45 parr); dazu passt es, dass ungefähr eine Stunde später der Soldat kommt und offiziell den Tod des Verurteilten feststellt.

Die zehnte Stunde: die Zeit des ersten Besuches der Jünger bei Jesus; die zehnte Stunde: die Zeit, da Jesus sein Herz für alle Menschen öffnen lässt - man mag das als Zufall ansehen, aber ich glaube das nicht. Zumal Johannes, der Evangelist, in seinem Evangelium immer wieder, an mehreren Stellen, einen Bogen spannt vom Anfang zum Ende, von der Andeutung zur Erfüllung, vom Vorausbild zur endgültigen Offenbarung.

So auch hier: Die Jünger, die Jesus besuchen dürfen, die sehen, wo er wohnt, erleben einen Menschen, der sie anzieht, der sie verwandelt. In seiner letzten öffentlichen Rede, schon nach der Salbung in Betanien, sagt Jesus: "Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen" (Joh 12,32). - Und der Evangelist erklärt dazu: "Das sagte er, um anzudeuten, auf welche Weise er sterben werde" (Joh 12,33).

Jetzt können wir vielleicht den tieferen Sinn erfassen: Die Jünger, die in das Haus Jesu kommen, sind die ersten, die er an sich gezogen, die er für sich gewonnen hat, oder besser gesagt: für den Vater und für seine Herrlichkeit. - Doch die Wohnung, die Jesus hat, ist nur ein Vorausbild. Seine eigentliche Wohnung ist woanders: sein Thron auf Erden ist das Kreuz. Von da aus zieht er alle Menschen an sich und an sein geöffnetes Herz.

So haben wir durch diese kleine Zeitangabe schon einen wunderbaren Hinweis auf die tiefe Bedeutung dieses Besuches der ersten Jünger bei Jesus. Und Johannes berichtet dieses Ereignis so, dass auch wir spüren und erkennen: auch wir sind eingeladen. Auch wir dürfen die Einladung Jesu hören: "Kommt und seht!". Jetzt, nachdem Jesus sein Herz für alle geöffnet hat, gilt allen diese Einladung: "Kommt und seht!"

Und noch mehr: Nicht allein Jesus selbst, sondern alle, die zu ihm gefunden haben, haben die Aufgabe, diese Einladung weiterzugeben: "Kommt und seht!" Die Einladung, zu sehen, wie wir Christen leben. Wie wir glauben. Wie wir zusammenkommen, um Gottesdienst feiern. Die Menschen wollen sehen und hören, was wir tun und was wir glauben. Erst dann finden sie zu Jesus. Darum müssen auch wir den Menschen, die in unserer Zeit suchen, die Türen öffnen und sie einladen. Ganz einfach. So, wie Jesus damals die Jünger zu sich eingeladen hat.

35. Predigtvorschlag

Einheit – ein Netz von Beziehungen schaffen

Papst Benedikt wurde, als er noch Kardinal war, einmal gefragt: „Wieviele Wege gibt es zu Gott?“ – Und seine, den Fragesteller überraschende, Antwort war: „Soviele es Menschen gibt.“

Und er erklärte dazu: „Gott hat eben Phantasie.“ Er hat jeden einzelnen Menschen geschaffen, also mit jedem Menschen etwas Besonderes vor und für jeden seinen Weg bereitet. Natürlich hängen die Wege untereinander zusammen. Und wenn man sie dann aus der Tiefe betrachtet, stellen wir fest, daß sie alle ein einziger Weg sind, weil, wie wir glauben, Christus der Weg ist ...

Mein Weg, den ich gehe, ist ein anderer Weg als Dein Weg, als Ihr Weg. Wir sind verschieden, aber so verschieden wir auch sind, wir bilden eine Gemeinschaft. Ja, unsere Gemeinschaft ist so tief, daß wir auch an diesem Sonntag wieder zusammenkommen können, um diesen Gottesdienst zu feiern. – Ahnen wir eigentlich, was das bedeutet? Was uns eint, ist der Glaube an den lebendigen Gott. Dieser Glaube ist etwas unendlich Kostbares. Er ist uns geschenkt. Wir haben ihn uns nicht selber gemacht.

Es ist ähnlich wie mit unserer Sprache: Die Sprache, die Worte, mit denen ich mich verständlich mache, habe ich mir nicht selber gemacht. Ich habe die Silben und die Laute gehört: von meinen Eltern, von meinen Geschwistern, von anderen Menschen. Und dann habe ich angefangen, nachzusprechen, erst unbeholfen, dann immer freier und selbständiger. Die Worte und die Sprache habe ich nicht erfunden.

Aber die Art und Weise, wie ich spreche und wie ich mich ausdrücke, ist etwas Persönliches, bei mir, bei Dir, bei einem jeden von uns.

Wir staunen also darüber, mit welchen vielfältigen Gaben und Möglichkeiten Gott uns ausgestattet hat, und zugleich bekennen wir unsere Einheit und Gemeinschaft. Und auch diese Einheit im Glauben ist etwas Kostbares, das uns anvertraut ist. Das machen wir uns heute besonders bewußt, wenn wir mit vielen Christen auf der ganzen Welt um die Einheit im Glauben beten und für diese Einheit unsere Phantasie und unsere Kraft einsetzen.

Als Jesus um die Einheit seiner Jünger betete, tat er das im Angesicht seines Todes. Johannes, der vierte Evangelist, berichtet das. Jesus betet zu Gott, seinem Vater, im Abendmahlssaal, also in der Nacht seiner Verhaftung, um die Einheit seiner Jünger (vgl. Joh 17,11). Warum tut er das? Er weiß doch, wie verschieden sie alle sind. Hat er sie doch einzeln berufen, von den Fischernetzen, vom Zoll, aus ihrer bisherigen Lebenswelt, Ihm nachzufolgen und in Seinem Namen Gottes Liebe zu allen Menschen zu bringen.

Die Einheit seiner Jünger ist Jesus ein Anliegen, weil die Einheit ein Beweis der Glaubwürdigkeit ist. Nur ein Glaubenszeugnis, das einmütig vorgetragen und gelebt und gefeiert wird, ist ein glaubwürdiges Zeugnis vor der Welt. Die Christen können es sich nicht leisten, sich aufzuspalten in verschiedene Parteien, so wie in der Politik sich verschiedene Parteien mit verschiedenen Programmen zur Wahl aufstellen. Christen haben keine unterschiedlichen Programme, sondern das gemeinsame Programm ist ein Name und eine Person: Jesus Christus.

Und darum, so betont der Apostel Paulus, weil Christus nur einer ist, sind wir alle eins in Ihm. Und deswegen sind Aufspaltungen in verschiedene Konfessionen, Glaubensgemeinschaften und Bekenntnisse ein Ärgernis und ein Hindernis für die Ausbreitung der Heilsbotschaft in dieser Welt. Wenn Christen in aller Welt gemeinsam um die Einheit beten, ist das schon ein ganz wichtiger Schritt hin zur wahren Einheit. Denn die wirkliche Einheit im Glauben wird nicht von uns gemacht oder in Konferenzen beschlossen, sondern sie ist, wie der Glaube selbst, ein Geschenk. Gott schenkt die Einheit, wenn wir inständig darum bitten. Gott schenkt die Einheit, wenn wir uns mit unserer ganz persönlichen Geschichte einbringen in das größere Ganze, in die Gemeinschaft, mit einem anderen Wort gesagt: in die Kirche.

Denn die Kirche – und das ist die schöne Verbindung vom Gebet um die Einheit zum Evangelium von der Berufung der Jünger – die Kirche ist das Fischernetz, das aus ganz vielen Fäden zusammengewoben ist. Die einzelnen Fäden, das sind wir, jeder von uns, in seiner Einzigartigkeit, in seinem persönlichen Glauben und Leben. Aber jetzt geschieht das Einende: indem wir uns verknüpfen lassen und zu einem Netz werden, werden die Fäden zu einem Ganzen. Und dieses Ganze gibt Halt und schenkt Sicherheit: so wie ein Netz, das einen, der in schwindelnder Höhe Kunststücke vorführt, auffängt, wenn er einmal stolpert und in die Tiefe stürzt: Es passiert ihm nichts, denn unten wartet das Netz auf ihn, das ihn hält und rettet.

So ist auch die Kirche das rettende Netz, das hält und auffängt, weil wir uns in diesem Netz miteinander verknüpfen lassen im Glauben. Und so ist auch die Feier des Glaubens, besonders die sonntägliche Eucharistie, der tiefste und wichtigste Ausdruck dieses Glaubens. Die Ökumene mit den Protestanten und den Orthodoxen ist wichtig. Aber noch wichtiger scheint mir die Ökumene mit denen in unserer katholischen Kirche zu sein, die sich losgelöst haben von der sichtbaren Gemeinschaft, indem sie die Gemeinschaft mit dem Gottesdienst aufgekündigt haben. Wenn von zehn katholischen Christen in einer Gemeinde acht oder sogar neun keinen besonderen Wert mehr auf die Feier der Sonntagsmesse legen, dann ist das auch eine Spaltung im Glauben, und zwar eine besonders schlimme, die besonders weh tut. [In Duisburg, wo Kirchen zur Schließung anstehen, gingen vor 50 Jahren ungefähr 20.000 katholische Christen zur Sonntagsmesse. Inzwischen ist diese Zahl auf etwa 2000 geschrumpft, also noch ein Zehntel.]

Dann sind auch die Einheit und die Gemeinsamkeit nicht mehr gegeben. - Nur nützt das Jammern darüber nichts, wenn ich nicht bei mir ganz persönlich anfange und das Gebet, das Interesse für die Aufgaben der Kirche und die Liebe zum Gottesdienst immer wieder im eigenen Leben erneuere.

Genau das tun wir in diesem Moment. Das tun Sie, in ihrer Weise und in Ihrer ganz persönlichen Berufung, und das tue ich in meinem Dienst in dieser Gemeinde. Dafür laßt uns Gott ganz einfach Danke sagen. Daß wir heute wieder dieses Zeichen der Einheit geben. Und ich sage Ihnen heute Danke, daß Sie dieses Zeichen der Einheit geben. Und wir gemeinsam sagen einander Danke und Gott Danke, daß er uns Menschen auf unseren je eigenen Wegen zu sich ruft und uns zusammenknüpft als Seine Kirche.

36. Predigtvorschlag

In der Frühe beten

Haben Sie es gemerkt?

Jesus ist in der Frühe, als es noch dunkel war, aufgestanden, um zu beten.

Das gleiche ist heute hier passiert. Wir – Sie und ich – sind in der Frühe aufgestanden, um zu beten.

Jesus war damals vermutlich ziemlich erschöpft. Er hatte ja einen langen Tag hinter sich. Die Schwiegermutter des Petrus lag krank im Bett, und Petrus hoffte doch sehr, daß Jesus zu ihr kommen und sie vielleicht sogar heilen würde.

Und spät am Abend war, wie Markus in seinem Evangelium schreibt, „die ganze Stadt vor der Haustür versammelt, und er [Jesus] heilte viele“ (Mk 1,33 f.). Da war wohl keine Zeit mehr für einen gemütlichen Abend am Kaminfeuer.

Und dennoch steht Jesus früh am Morgen auf, um zu beten. Und er tut das an einem „einsamen Ort“. Da, wo er mit seinem und unserem Vater allein ist. Da, wo er ganz hinhören kann und Zwiegespräch führen kann mit dem, der ihn in diese Welt zu den Menschen gesandt hat.

Wenn Bergsteiger einen Sonnenaufgang auf dem Berggipfel erleben wollen, stehen sie in aller Herrgottsfrühe auf.

Sportler wissen, daß die frühen Stunden des Tages die sind, an denen die Leistung am besten abgerufen werden kann.

Aber es geht Jesus nicht um Leistung, es geht um Beziehung. Um die gute Beziehung zu Gott, dem Vater, und zu den Menschen.

Diese gute Beziehung hat ihren Ursprung in seinem Gebet, das er pflegt.

Man könnte denken: Jesus hat das doch alles gar nicht nötig – er ist doch Gottes Sohn, er ist doch schon mittendrin im Leben des Vaters. Alles, was er tut, tut doch der Vater selbst.

Das stimmt, und Jesus selbst hat sein Dasein so gedeutet (vgl. Joh 3,35; 5,19 f.).

Doch Jesus ist auch wahrer Mensch, und als Mensch braucht er beides: die Arbeit und die Ruhe, die Anspannung und die Entspannung, das Atemholen und das Sich-Verausgaben.

Das sind die beiden Pole des menschlichen Daseins, zwischen denen sich auch das Leben Jesu und seine Wirksamkeit verwirklicht hat.

Jesu Leben war nicht nur Aktion, sie war vor allem auch Kontemplation. Bevor er öffentlich in Erscheinung trat, für etwa lediglich drei Jahre, hat er zuvor dreißig Jahre in der Verborgenheit einer Familie gelebt. Das war Kontemplation pur, auch wenn er sicherlich im Haushalt und Josef bei der Arbeit mit Hand angelegt hat. Auch wenn er den Beruf des Zimmermanns erlernt und auch ausgeübt hat. Auch dieses verborgene Leben war Teil seiner Sendung, war Teil der Erlösung, und zwar kein unwichtiger.

Wir alle können als Menschen nicht aktiv sein, wenn wir nicht auch immer wieder auftanken und die Energiespeicher unseres Lebens auffüllen mit etwas, was gut ist.

Wir können in unserer Kirche nicht glaubwürdig den Glauben verkünden, wenn wir nicht den Menschen zugleich Zeiten und Orte der Ruhe, der Besinnung, der inneren Einkehr bieten.

Ein solcher Ort ist der Gottesdienst, insbesondere die Feier der Heiligen Messe am Sonntag.

Ein solcher Ort ist auch die Anbetung, die stille Anbetung wie auch die, in der etwas vorgebetet wird.

Ein solcher Ort ist auch das persönliche Gebet, zum Beispiel das Morgen- und Abendgebet oder der Rosenkranz.

Nach dem Konzil wurde in den Gemeinden häufig der Eindruck erweckt, Gebet und Gottesdienst geschähen nur rund um den Kirchturm, in der Versammlung der Gemeinde, in der großen Gemeinschaft.

Es wurde manchmal der Eindruck erweckt, Gemeinde und Kirche würden nur so erlebt, wenn viele zusammenkommen und etwas gemeinsam machten.

Infolgedessen wurde leider bei vielen das private Gebet vernachlässigt und das Gebet in der Familie. Gott sei Dank gibt es bei uns noch viele Familien, in denen gebetet wird, und andere Formen, zum Beispiel Maiandachten in einer Nachbarschaft, sind auch lebendig.

Alle, die das pflegen, die persönlich beten, erleben das Gebet als eine große Kraftquelle und als eine Quelle des Segens und der Zuversicht. Und eine solche Quelle ist auch diese heilige Messe an diesem Morgen.

37. Predigtvorschlag

von Pfr. M. Stücker (erstellt: 2017)

Die Bibel – wörtlich zu nehmen?

Sind wir Fundamentalisten, wenn wir zur Bibel greifen, wenn wir auf Fragen unseres Lebens eine Antwort suchen?

Vor ein paar Monaten war ich auf einer Versammlung, wo dem Pastor der Vorwurf gemacht wurde, er fördere Gruppen in seiner Gemeinde, die „fundamentalistisch“ seien. – Was das bedeuten sollte, wurde denn gleich auch beschrieben: Fundamentalistisch sei einer, der die Bibel wörtlich nimmt.

Auf dem Podium saß nicht der Pastor selbst, dort saßen aber verschiedene Vertreter, auch einer vom Bistum, und zwei von verschiedenen Bewegungen und Gruppen, die man in Verdacht hatte, „fundamentalistisch“ zu sein. - Und die wurden dann auch gleich in die Zange genommen: Was meinen Sie: muß man als Christ die Bibel wörtlich nehmen und wörtlich glauben?

Interessant fand ich, wie alle sofort und eindeutig zu erkennen gaben: Nein, natürlich nicht! Die Bibel muß man nicht wörtlich nehmen. Sie ist ein Buch, das man irgendwie anders verstehen muß.

Vermutlich hätte ich in dieser Situation genauso geantwortet. Doch irgendwas hat mich an dieser Antwort doch gestört, und ich habe überlegt, warum. Warum ist die Antwort: „Die Bibel muß man, ja kann man nicht wörtlich nehmen“, eine zu einfache Antwort, vielleicht sogar eine Antwort, die in die Irre führt?

Ich glaube, die Antwort liegt in der Botschaft, die wir heute im Evangelium empfangen. Es ist wiederum ein Abschnitt aus der Bergpredigt Jesu. Die Bergpredigt Jesu, eine große Redekomposition, die uns Matthäus überliefert, beginnt mit den Seligpreisungen der Bergpredigt und endet mit dem Gleichnis vom Haus auf dem Felsen. Sie enthält das schöne Doppelwort vom Salz der Erde und vom Licht der Welt, das wir sein sollen, und sie enthält auch das Vaterunser, das Jesus seine Jünger lehrt.

Und heute hören wir: „Liebt eure Feinde. Betet für die, die euch verfolgen.“ (Mt 5,44). – Wir können uns fragen: Wie sollen wir diese Aufforderung Jesu verstehen? Nicht etwa wörtlich? Aber wie dann? In einem „übertragenen“ oder weiteren Sinne? Aber was ist hier der „übertragene“ oder weitere Sinn? Ich kann meinen Feind, also den, der mir Böses antut, hassen und ihm Böses wünschen und ihn vielleicht auch ignorieren – oder ich kann ihn lieben, ihm Gutes tun, den Kreislauf der Gewalt und des Bösen durchbrechen.

Ich kann entweder das Eine tun oder das Andere. Dazwischen gibt es eigentlich nichts. Ich muß also dieses Wort Jesu wörtlich nehmen oder ich muß es ablehnen oder mich nicht dafür interessieren. Dazwischen gibt es eigentlich nichts.

Das betrifft jetzt die Worte Jesu. Weiter gibt es in der Bibel Geschichtsberichte, es gibt Gebete, es gibt Kommentare zu Königen und Mächtigen der damaligen Zeit, es gibt Prophezeiungen, Mahnungen, Warnungen. Es gibt Trostworte und Berichte von Heilungen und Wundern. Und es gibt Erzählungen wie zum Beispiel die Josephsgeschichte im Alten Testament, die zu den ganz großen Texten der Weltliteratur gezählt wird, zu Recht.

Wie müssen wir diese Texte verstehen? Wörtlich? Oder anders? Wie verstehen Sie einen Text, einen Bericht, eine Geschichte, die Ihnen jemand aufschreibt, den Sie kennen? Von dem Sie wissen, daß er ein echter, ein authentischer Mensch ist? – Jeder würde doch darauf antworten: Ich verstehe diesen Text so, wie er gemeint ist. Wie derjenige, die ihn aufgeschrieben hat, ihn verstanden hat. Ich muß den Schreiber, den Autor, ernst nehmen, und ich muß auch die Umstände ernst nehmen, in denen er schreibt: die Nöte, die ihn treiben, die gesellschaftlichen Verhältnisse, die eine Rolle spielen. Der Anlaß, der ihn dazu bringt, das aufzuschreiben, was er für wichtig hält.

Alles das und sicher noch manches mehr kommt zusammen, wenn man etwas, was vielleicht in ferner Zeit aufgeschrieben wurde, wirklich verstehen will.

Wir können es dann versuchen zu verstehen, aber verstehen ist noch nicht glauben.

Ich kann etwas lesen und verstehen, aber ich kann zugleich ablehnen, was ich da lese und verstehe: einen Kommentar, eine Meinung, eine Überzeugung.

Jesus – um nun auf die Bergpredigt zurückzukommen - möchte nicht nur gelesen und verstanden werden. Er möchte, daß ich ihm glaube und ihm folge. Daß ich seine Worte ernst nehme. Nicht einfach wörtlich, sondern ernst. Das ist sicher der tiefe Sinn, der in den Worten Jesu liegt. Wir sollen diese Worte als Worte für unser Leben nehmen, damit dann unser Leben gelingt.

Wie hat schon Mark Twain, der große amerikanische Erzähler, einmal gesagt: „Mir bereiten nicht die Stellen in der Bibel Schwierigkeiten, die ich nicht verstehe, sondern am meisten die, die ich verstehe.“

38. Predigtvorschlag

von Michael Kenkel (erstellt: 2017)

Im Urlaub die Weisheit Gottes erahnen Liebe Schwestern und Brüder im Glauben! Viele von Ihnen waren in den vergangenen Wochen im Urlaub - ich auch. Ich bin mit dem Motorrad quer durch die Alpen gefahren. Es war wunderschön. Und es war wie so oft, und ich hoffe, so etwas haben Sie auch erlebt: sobald ich auf dem Motorrad sitze und durch die Natur fahre, fange ich an zu beten. Nicht, weil ich Angst habe, mich zu verletzen, sondern weil ich dankbar bin für die phantastische Schöpfung, der ich mit dem Motorrad so nahe sein darf. Die Woche davor waren wir mit 38 jungen Leuten aus unserer Gemeinde zu Fuß auf dem Weg nach Rom am pilgern - in diesem Jahr auch durch die Schweiz, über die Berge. Dort war es ähnlich zu erleben: Gottes Schöpfung ist einfach genial - sie ist so wunderbar, so herrlich; diese Weite, diese verschwenderische Vielfalt an Pflanzen und Tieren, Wolkenbildern und Wasserfällen - zeitweise haben wir über 20 gleichzeitig sehen können. Ich meine, wenn man die Natur in dieser Fülle so aus der Nähe erlebt, dann kann man gar nicht anders als erkennen, dass da eine größere Weisheit hinter stecken muss, dass es einen Gott geben muss, der dies alles mit Verstand erschaffen hat. "O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege" - so haben wir es gerade bei Paulus in der 2. Lesung gehört. Er lässt uns mit seinen Worten die Größe Gottes erahnen, so wie hoffentlich viele in den letzten Ferienwochen Zeit und Gelegenheit hatten, Gottes wunderbares Wirken in der Schöpfung neu zu erleben. Die weiteren Lesungen des heutigen Sonntags führen diesen Gedanken noch fort. Gottes Weisheit zeigt sich auch darin, wie er diese seine Schöpfung weiter führt. Er übergibt Eljakim den Schlüssel des Hauses David im AT beim Propheten Jesaja, er übergibt Petrus den Schlüssel für das Himmelreich. Und Gott macht deutlich - dieses mein Werk auf Erden - meine Kirche wird nicht untergehen. Du Petrus wirst diese Kirche Gottes auf Erden verantwortlich führen und niemand wird diese Kirche überwältigen. Gottes Wirken auf dieser seiner Erde ist mit der Schöpfung nicht zu Ende. Er hat seine Weisheit und seine Liebe zu uns neu gezeigt in der Hingabe seines Sohnes. Sein Wirken ist auch heute nicht zu Ende. Die Schöpfung, die Kirche, weisen uns auf die Gegenwart Gottes hin. Und auch ein jeder Christ kann die Liebe Gottes weitergeben, so dass auch andere Menschen an uns erfahren: Gott ist lebendig. Amen.

39. Predigtvorschlag

von Pfarrer Michael Kenkel (erstellt: 2016)

Wir feiern die Taufe des Herrn. Jesus zieht los nach 30 Jahren im Elternhaus und geht ans Werk, Gottes Liebe zu verkünden. Vom Himmel her wird ihm und den Umstehenden klar gemacht, "Dies ist mein geliebter Sohn - an Dir habe ich Gefallen gefunden".
In der 2. Lesung, der Apostelgeschichte haben wir es ähnlich gehört "Gott hat Jesus von Nazaret gesalbt mit dem heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat,..."
In der 1. Lesung hören wir ähnliche Worte für den Propheten Jesaja - auch er wird von Gott erwählt.
Und sie können es sich schon denken: auch Sie sind von Gott geliebt und erwählt!

Durch die Taufe und die Firmung hat Gott sie gesalbt. Er sagt ihnen zu: "ich habe Dich geschaffen", sie sind gewollt, kein Produkt des Zufalls. Gott hat Gefallen an Ihnen gefunden. Das ist doch Balsam für die Seele. Auch wenn Sie sagen, ach - ich kleines Licht - was kann Gott an mir denn gefallen, was kann ich denn schon leisten. Um Leistung im Irdischen Sinne geht es nicht. Aber Sie haben eine Bestimmung. Gott hat auch sie bestimmt, Licht zu sein, Frieden zu verkünden, Flüchtlingen zu helfen, Christus zu bezeugen - in ihrem jeweiligen Umfeld.

Vielleicht sagen sie: ich hab die letzten 30 Jahre nichts Produktives getan, warum sollte denn jetzt Großes passieren? Weil Gott ihnen was zutraut! So, wie Jesus nach 30 Jahren, so wie Jesaja. Ich habe gerade eine junge Mutter auf die Taufe vorbereitet - vor 3 Wochen eine andere Frau wieder in die Kirche aufgenommen, jungen Studenten die Beichte abgenommen, bei jedem geht es als Erwachsener noch mal neu wieder los, nach 20, 30, 50 Jahren wird der erste Schritt getan. Es ist nie zu spät anzufangen, Gottes Wege zu gehen. Sie können was bewirken, nicht weil sie so toll sind, sondern weil Gott sie erwählt und gesalbt hat. Sie können Zeugnis ablegen für die Liebe Gottes, sie können Gutes tun, sie können es. Gott traut es ihnen zu. Gott hat Sie gesalbt mit Geist und Kraft. Er weiß, was in ihnen steckt: "Mein Erwählter, an ihm hab ich Gefallen" ich habe"meinen Geist auf ihn gelegt" "Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter, an Dir hab ich Gefallen gefunden"

"Ich habe Dich bestimmt Licht für die Völker zu sein." Nicht für uns behalten - für andere. Willkommenskultur gegenüber den Flüchtlingen, wenn es sich hier nicht zeigt, wo denn dann? Hier wird Glaube konkret. Eigentlich müsste jeder von uns etwas zu erzählen haben, wie er geholfen hat: helfe beim Begrüßungsdienst, als Integrationslotse, als Deutschlehrer, hab geholfen, die Wohnung einzurichten, habe den oder die Familie mitgenommen zu unserem Verein, zu unserem Fest, hab ein Fahrrad für ... Aufgearbeitet, habe Fußball mit ... Gespielt. Geben Sie sich möglichst nicht mit Kleiderspenden oder Geldspenden zufrieden. Manchmal kann das die einzige Möglichkeit sein für jemanden zu helfen, meist ist es aber die Unbequemlichkeit oder der mangelnde Mut, auf den Fremden zuzugehen.

Aber nochmal - wir sind nicht die Macher. Gott hat uns seinen Geist gegeben. Gott hat uns gesalbt. Er ist es, der durch uns zu diesen Menschen gehen möchte. "Ich habe Dich bestimmt, Licht für die Völker zu sein."

 

Gleiche Predigt im Stil eines Poetry-Slammers:

Nach 30 Jahren in Mutters Schoß
zieht Jesus heute los
und lässt sich von Johannes taufen
Alle, die da hingelaufen
hören: "Du bist mein geliebter Sohn -
an Dir habe ich Gefallen gefunden"
Gott steigt vom Thron -
Johannes hat ihm nichtmals die Schuhe gebunden.
Der Vater salbt seinen Sohn mit Geist
und verheißt
schon bei Jesaja, dem Propheten im Alten Testament
dass er für seine Herde brennt
Wie ein Hirt
der die Herde führt
Er trägt die Lämmer auf den Arm.
Gott nimmt sich seines Volkes an.

Auch wir sind getauft
durch Jesu Liebe erkauft
sind nicht nur mit Wasser übergossen
Chrisam ist über uns geflossen,
wir sind gesalbt, von Gott erwählt.
und das zählt.
In der Taufe, in der Firmung wird es noch mal wiederholt
Du bist von Gott gewollt.
Du bist mein geliebtes Kind,
selbst wenn wir nicht wissen, wer wir wirklich sind.
Er hat Gefallen an uns gefunden
egal, wieviel Menschen uns geschunden
haben,
seine Gaben,
seinen Geist sandte er auf Dich herab
seine Liebe er Dir gab
und auch heute noch gibt
weil er Dich immer noch liebt.

Vielleicht sagst Du "Ich"?
Meint er mich?
Was kann Gott an mir denn gefallen
im Vergleich zu den Anderen allen
hab ich doch nichts getan,
mein Leben eher vertan.
Jesus fängt nach 30 Jahren erst an. :-)
Und das kannst auch Du
Gott traut Dir das zu!

Eine junge Mutter aus Raesfeld lässt sich nun taufen
hat den ganzen Haufen
hier kennen gelernt: Kirche, Sakramente, Vater, Sohn und Geist
und glaubt, dass er auch ihr ein neues Leben verheißt.
Oder, vor 3 Wochen
hat eine andere Frau versprochen,
wieder in die Kirche zu kommen,
Sie ist willkommen
nach ihrem Austritt vor vielen Jahren
haben wir sie wieder aufgenommen.

Jungen Studenten habe ich die Beichte abgenommen,
beim Nightfever geschieht das jeden Monat,
überall, wo der Einzelne den Mut hat,
mit Gott neu anzufangen.
Ich bin nicht gefangen
in den Strukturen der Welt.
Vor Gott zählt
dass ich los leg
auf dem Weg
hin zu ihm zu gehen.
Du wirst dann sehen
auch nach 20, 30, 50 Jahren
weiß er noch was mit Dir anzufangen.
Du kannst was bewirken, nicht weil Du so toll bist,
sondern weil Dich seine Liebe küsst.
Gott hat Dich gesalbt und erwählt
und nur das zählt.

Diese Erwählung ist allerdings kein Selbstzweck, Du lebst nicht allein
"Ich hab Dich bestimmt, Licht für die Völker zu sein"
so steht es wieder beim Propheten,
und das heißt, nicht nur beten,
das Licht soll sich auch zeigen in meinem Leben
- die Welt muss nicht erbeben -
aber meine Freunde dürfen schon merken
in meinen Werken,
dass ich Christus liebe.

Manche haben angesichts der vielen Flüchtlinge in unserem Land
Angst um das christliche Abendland
Doch wenn wir deren Elend: Kriege und Verfolgung sehen
und lassen sie vor unseren Grenzen stehen
dann ist es um das Christentum geschehen.
Wir dürfen unseren Bruder, der verfolgt wird
weil er sich zu Christus bekennt
und jeden anderen, der um sein Leben rennt
Doch nicht außen vor lassen,
weil sie nicht zu unserem Stil passen.

Frauen begrabschen an Brust und Po
ist nicht in Ordnung, ob in Köln oder anderswo.
Fremde müssen unsere Gesellschaft verstehen
Rechte von Frauen einsehen.
Doch woher sollen sie es wissen, wenn es nur auf dem Papier steht
und es ihnen keiner vorlebt
Auf der Flucht und im Krieg
hat immer nur der Stärkere gesiegt.

Wir müssen es ihnen zeigen, sie informieren
sie mitnehmen und integrieren
Ein jeder von uns Christen müsste sie willkommen heißen
sie mitreißen
in unsere Gruppen und Verbände
Nachbarschaften, Kirchen wo viele Hände
füreinander da sind
und das Christkind
uns in den Blick nimmt.

Ihr habt es vorhin im Kyrie formuliert
ich wiederhol es, damit es jeder kapiert
Christus, Du sprengst so manchen Kleingeist
das heißt
Er gibt uns Kraft, um zu geben
damit Fremde bei uns leben
können.

Christus hat Dich erwählt, gesalbt
damit Du bald
nicht irgendwann, sondern noch heute
zugehst auf die Leute.

Eigentlich müsste jeder hier etwas zu erzählen haben
von seinen Gaben
und Talenten, die er eingesetzt hat
um den Neubürgern zu helfen mit Rat und Tat.
Der eine hat geholfen, die Wohnung einzurichten
die andere, die Ängste bei Ihnen zu vernichten.
Der eine sie deutsch lehrt
die nächste mit Ihnen zu den Behörden fährt.
Die eine nimmt sie mit zur kfd
der andere zum Kaffee
(tut nicht weh)

Gib Dich nicht zufrieden mit Spenden
ob Geld, Hosen oder Hemden
Manchmal kann das die einzige Möglichkeit sein,
aber gesteh es Dir selber ein
wahrscheinlich ist es Dir zu unbequem,
direkt auf den Fremden zu zu geh'n.
Aber nochmal: Du bist nicht allein
um Licht für die Völker zu sein.
Gott hat Dir seinen Geist gegeben
Er stärkt Dich im Leben
Er gibt Dir Kraft, er geht mit.
Mach Du nur den 1. Schritt
Er hat ihn längst getan
nimmt Dich als sein Kind an.
Er wartet auf Dich,
sehnsüchtig.

40. Predigtvorschlag

Der leere Thron
Mit einigen Firmbewerbern und Erwachsenen sind wir vor zwei Wochen nach Aachen gefahren. Ziel war zuerst das Bischöfliche Hilfswerk Misereor. Deren Vertreter haben uns einen sehr guten Einblick in die Arbeit gegeben, und sie konnten auch die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt und ihren Erfahrungen gut ansprechen.
Aachen verbinden wir natürlich auch mit den berühmten Printen, aber was ein wirklicher Touristenmagnet ist, ist der Aachener Dom und dort besonders die Pfalzkapelle.
Dieser orientalisch anmutende achteckige Bau ist untrennbar mit dem Namen Karls des Großen verbunden. Der Domführer ließ uns den berühmten Thronsitz anschauen, der in kaum einem Geschichtsbuch fehlt. In der Weihnachtsnacht des Jahres 800 wurde bekanntlich Karl der Große in Rom von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt. Die Kaiserformal lautete: "Romanum gubernans imperium" - "Herrscher des römischen Imperiums".
Ich habe mich schon als Kind und Jugendlicher immer gefragt, warum dieser Thron in der Pfalzkapelle so schlicht, ja beinahe grob zusammengefügt aussieht. Konnten die es damals nicht besser? - Der Domführer gab dazu eine Erklärung, die ich bis dahin nicht kannte:
Ob je Karl der Große selbst auf diesem Thron gesessen hat, ist nicht sicher. Der Thron steht, etwas erhöht, auf einem Sockel aus Sandstein, hinter ihm ist eine Mensa, ein Altartisch.
Was bezweckte der Thron? Um das herauszufinden, muß man den Blick vom Thron aus an die Decke richten. An der Decke, im Gewölbe, sind prachtvolle Mosaiken zu sehen, die aber weitgehend rekonstruiert sind, also nicht echt. Aber was schon im Jahr 800 zu sehen war, ist auch heute zu sehen: Gegenüber dem Thron sieht man Christus, den Weltenherrscher, den König aller Zeiten, wie er aus dem Reich seines Vaters zurückkehrt zu uns, den Menschen, in unsere Zeit, um seine Herrschaft zu vollenden.
Der Thron in der Pfalzkapelle dient also gar nicht einem Menschen, zumindest nicht in erster Linie, sondern er ist aufgestellt für Christus, für den Tag seiner Wiederkunft!
Heute feiern wir das Christkönigsfest und bekennen: Christus ist König. Und als König wird er eines Tages, wenn die Zeiten zu Ende gehen, wiederkommen, um, wie es im Glaubensbekenntnis knapp und nüchtern heißt, "zu richten die Lebenden und die Toten". Auf diesen Punkt im Glaubensbekenntnis stößt der Besucher des Aachener Domes, der sich den Thronsitz und das Apsismosaik ansieht, auf diesen Punkt des Glaubensbekenntnisses stoßen auch wir heute, am letzten Sonntag im alten Kirchenjahr, wenn wir dieses Bekenntnis von neuem feiern.
Aber wie paßt ein solches Bekenntnis noch in unsere Zeit, die die Demokratie in der Politik und auch in vielerlei kirchlichen Strukturen hochhält? Die Könige und Kaiser allenfalls noch aus dem Fußball oder aus wöchentlich erscheinenden Revues kennt, wo Nachfolger alter Adels- und Königshäuser sich entweder ganz menschlich, wie wir alle eben, oder hochgradig bizarr verhalten und gebärden?
Und wie paßt das Bekenntnis vom wiederkehrenden König zu einem Bild von Jesus, der sich mitten unter die Menschen gemischt hat, der ganz und gar einer von uns sein wollte, und dessen Lebensweg ganz und gar nicht königlich anmutet?
Und wie paßt eine solche Verkündigung des wiederkehrenden Königs auf den "Wolken des Himmels" in eine Zeit, in der die Menschen von der Kirche erwarten, daß sie Antworten und Vorschläge bietet für drängende Probleme der Umwelt, der Terrorgefahr, des drohenden wirtschaftlichen Kollaps' auch hier in Europa?
Um es mit einem kurzen Wort zu sagen: Das paßt alles überhaupt nicht. Es kann auch nicht passen. Jesus Christus bringt nicht ein neues politisches Programm, und er bringt auch keine Rezepte für ein Miteinander in der Welt, das endlich harmonisch und glücklich sein kann. - Wie soll man das verstehen? Was bringt er dann?
Die Antwort auf diese Fragen kann uns wiederum der Thron im Aachener Dom geben - der leere Thron, der für Christus reserviert ist.
Als der Thron gebaut wurde, damals vor 1200 Jahren, nahm man dazu nicht irgendein Material. Man nahm Marmor, das aus der Grabeskirche in Jerusalem entnommen war. Dieser Marmor war ein Geschenk an den neuen Kaiser Karl den Großen. Dieser Marmor war Zeuge des Geschehens, das für uns, die Christen, die Mitte unseres Glaubens darstellt: daß Christus für uns Menschen gestorben und auferstanden ist. Aus dem Ort dieses Geheimnisses, der Grabeskirche eben, nahm man den Stein, um daraus einen recht schmucklosen Thron zu bauen und ihn in Aachen aufzustellen.
Der Thron ist also nicht einfach nur ein Thron, ein Sitz, sondern er ist eine Reliquie: ein Zeugnis für das Ereignis in der Geschichte dieser Welt, das vor 2000 Jahren die Geschichte umgeschrieben hat und den Königen und Kaisern dieser Welt eine neue Rolle zugewiesen hat, indem sie daran erinnert wurden (und werden!), daß es ein anderes Reich gibt, das nicht von dieser Welt ist.
In diesem Reich herrschen nicht die Gesetze von Macht und Kalkül, von Einfluß, Glück und Strategie. In diesem Reich herrschen nicht die Gesetze von oben und unten, von Siegern und Besiegten. - was gilt stattdessen in diesem Reich, das mit Christus kommt?
In diesem Reich, dem Reich Christi herrscht, gibt es einen Sieger: Christus hat den Tod besiegt. Das bezeugt der Marmor aus der Grabeskirche, aus dem Ort, an dem an Ostern die Macht des Todes und der Sünde ein für allemal besiegt wurde.
In diesem Reich gibt es auch einen Herrscher: Christus, der die Liebe und die Vatergüte Gottes bringt, er herrscht, weil seine Liebe stärker ist als aller Haß und alle Feindschaft von Menschen und der widergöttlichen Mächte des Bösen.
Und das Gericht? Gilt dieser Glaubensartikel wirklich noch? Ist nicht jeder sein eigener Richter?
Unser Glaube bekennt: Es kommt am Ende der Zeiten zu einem Gericht über alle und alles. Ein Gericht, das aufdecken wird und erkennen lassen wird, wo Bosheit und Lüge, wo Unvernunft und Gier Menschen und Gottes Schöpfung gequält und niedergedrückt haben. Dieses Gericht wird auch aufdecken, wo selbstlose Liebe und Aufrichtigkeit, Mut und Tapferkeit dazu geführt haben, daß Menschen aufatmen konnten und zu ihrem Recht kamen.
In diesem Gericht wird all den Menschen Gerechtigkeit widerfahren werden, deren Schreie niemand gehört, für die sich niemand interessiert, für die niemand eingetreten ist. Diese Menschen, die Opfer von Willkür und Gewalt, von Ideologien und Wahn geworden sind: in ihnen werden wir Christus erkennen, der das Leiden und auch die Sünden der Welt auf sich geladen hat. Das Gericht, das dies alles aufdecken und die Welt erneuern wird, es wird die Stunde der Wahrheit sein.

41. Predigtvorschlag

von Klaus Klein-Schmeinck (erstellt: 2012)

Ist Gott gescheitert?
Liebe Schwestern und Brüder, diese Frage müssen wir stellen, dieser Frage müssen wir uns stellen angesichts des Weihnachstfestes, wie es heute in unserer Gesellschaft vor uns steht.

Gott kommt in Jesus Christus zu uns Menschen als Mensch. Ein Fest für die Welt. Die Welt feiert dieses Fest - aber so richtig wissen viele nichts mehr damit anzufangen. Jesus, Maria, Josef kommen kaum mehr vor. Statt des menschgewordenen Gottes trifft man viel häufiger auf den Weihnachtsmann. Dieser pauspäckige, gemütliche Dickwanst verstellt den Blick auf die Krippe. Punktsieg an ihn.

Ist Gott gescheitert?
Diese Frage müssen wir stellen, dieser Frage müssen wir uns stellen angesichts der Weihnachtsevangelien. Auch die sprechen vom Scheitern Gottes.

Maria legte Jesus, den Sohn des allerhöchsten Gottes, in eine schäbige Futterkrippe und zwar, weil in der Herberge kein Platz für sie war. So beschreibt es Lukas.
Und Johannes wird noch deutlicher, wenn er ganz offen sagt: Er (Gott) war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.

Der Großteil unserer Welt hatte mit Gottes Sohn nix am Hut. Sie ließen ihn im wahrsten Sinne des Wortes außen vor. Nur ein paar arme Hirten und etwas verstiegene Weise nahmen Notiz von ihm. Sie sahen ein Engelheer und einen Stern, große Zeichen am Himmel, die auf das Kind in der Krippe wiesen: auf Gott unter uns.
Die paar Leute? Ziemlich schwache Ausbeute.

Das also soll der allmächtige Gott sein? Da in der Krippe? Dieses Kind in Windeln?
Seien wir ehrlich: Man muss schon dran glauben, sich darauf einlassen, denn so richtig zwingend ist das ja nicht.

Aber Gott zwingt niemanden zum Glauben. Zum Glauben gehört Freiheit! Freiheit, sich für oder gegen Gott zu entscheiden.

Und darin liegt wohl die wahre Allmacht Gottes: dass er uns diese Freiheit lässt. Er will uns nicht zwingen, sondern von innen her gewinnen.

Wer anderen die Freiheit nicht lassen kann, ist letztlich schwach. Das sehen wir nicht zuletzt an den Gewaltregimes dieser Erde. Mit Gewalt und Terror versuchen sie die Menschen zu etwas zu zwingen. Doch erreichen können sie die Menschen nicht.
Denken wir zum Beispiel an die ehemalige DDR. Mit einem ganzen Arsenal an Propagandamitteln, Bespitzelungen, Belohnungen, Bestrafungen und Reiseeinschränkungen haben die Machthaber versucht ihre Macht über das Volk zu erhalten. Sie waren mächtig - nach außen hin. Doch die Menschen haben sie nicht gewinnen können, weil sie ihnen keine Freiheit gaben. Im letzten hatten sie keine Macht über die Menschen.

Je mehr ich die Freiheit des anderen fürchte, umso mehr versuche ich seine Freiheit zu beschneiden, um meine Macht nicht zu verlieren.
Je mehr ich die Freiheit des anderen fürchte, umso mehr habe ich Angst, statt Macht - bin ich schwach, statt stark. Das ist auch bei der Erziehung so.

Gott ist so groß, so allmächtig, dass er niemanden zwingen muss, sondern allen die Freiheit lässt. Er hätte alle Macht des Himmels und der Erde, um uns zu etwas zu zwingen. Aber er ist so mächtig, dass er dies nicht tut.
"Vielleicht hätten wir sogar vor der Macht, vor der Weisheit eher kapituliert. Aber er will nicht unsere Kapitulation, sondern unsere Liebe." (Joseph Ratzinger, Licht das uns leuchtet, Herder 1978)
Liebe Schwestern und Brüder!
Darum wählt er eben diesen Weg der Weihnacht, der von innen her gewinnen will.

Wie jeder andere Mensch verbrachte unser Herr neun Monate im Schoß seiner Mutter. Gott will nichts überstürzen, will auch keine Privilegien und kommt zur Welt wie jeder andere Mensch
Der Sohn Gottes wurde nicht in einer der Metropolen der damaligen Zeit geboren, nicht in Rom, Jerusalem, Alexandrien - sondern in einem entlegenen Kaff des Römischen Reiches.
Der Sohn Gottes kam nicht aus einer mächtigen Herrscherdynastie oder Priesterkaste, er wuchs nicht im Palast oder Tempel auf, sondern er war Kind einer einfachen Handwerkerfamilie.

Dort, wo Menschen sich groß dünken, sich etwas auf ihre Fähigkeiten, auf ihre Herkunft einbilden, ist wenig Raum für die Größe Gottes. Sicher er kann dort auch wirken. Dennoch hören solche Menschen keine Engel mehr singen. Sie fühlen sich von Gott eher gelangweilt oder bedroht. Sie wollen eben nicht sein Eigentum -Gotte Eigentum - sein. Sie gehören nur sich selber. Und die Welt gehört ihnen sowieso.

Deswegen können sie den nicht aufnehmen, der in sein Eigentum kommt - dann müssten sie sich ja ändern, ihn als Eigentümer anerkennen. Auch wir sind in der Gefahr durch unseren Hochmut im Kleinen und Großen, Gott die Tür vor der Nase zuzuschlagen.

Gottes Allmacht tritt zutage, wenn er machtvolle Taten vollbringt durch die Kleinen, Schwachen. Gottes Macht ist größer als die unsere. ER vollbringt dann mit seinem Arm machtvolle Taten durch uns Menschen, wenn wir ihn lassen.

Gott vollbringt mit den Kleinen und Schwachen seine Großtaten. Gerade deshalb ist er ja klein geworden, damit wir nicht vor ihm weglaufen, sondern auf ihn zugehen.
Das kleine Kind in der Krippe, Gott, ruft uns förmlich, ihm zu helfen. Im Kind zeigt der Allmächtige sich von uns abhängig, hilfsbedürftig. "In der Krippe von Bethlehem sagt Christus dir und mir, dass er uns braucht. (...) Wir werden niemals richtig froh sein, wenn wir Christus nicht wirklich nachahmen, wenn wir nicht demütig sind wie Er. (...) In einer Krippe, in Windeln, in einem Stall! Die erlösende Wirksamkeit unseres Lebens kann sich nur in Demut vollziehen, indem wir aufhören, an uns selbst zu denken, und uns für die anderen verantwortlich fühlen." (Josefmaria Escrivà, Christus begegnen 18) Wenn wir innerlich so klein werden wie dieses Kind in der Krippe, wenn wir als Kinder Gottes leben - dann hat Gott nicht nur Großes mit uns vor, sondern wird es auch vollbringen: unser Heil und das Heil der Welt!

Liebe Schwestern und Brüder!
Gott ist sogar so allmächtig, dass unsere Sünden seinen Plan, die Welt zu retten, nicht verhindern können.
Das ist eine tröstliche Botschaft. Und was für eine.

Gott rechnet mit unserem Mittun. Er schenkt uns dazu die Freiheit. Er zwingt uns nicht. Aber wir können uns ihm verweigern - im Großen und im Kleinen.
Angesichts unserer Schwächen und Fehler, unserer Sünden könnten wir mutlos werden. Gott vertraut auf mich, damit sein Reich komme - und ich, ich bin ein Versager, bekomme es nicht hin, zerstöre mehr, als ich aufbaue.
Und wieder ist Gott mit seiner Allmacht am Werk: Gott ist größer als unser Herz, das uns anklagt. Und Gott ist größer als unser Versagen und Scheitern. Denn Gott ist die Liebe.

Und Liebe pocht nicht auf ihre Rechte, Liebe will dienen!
Der Menschensohn ist nicht auf die Erde gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen. Und wenn Gott uns Menschen dient, dann erlöst er uns Menschen. Für uns und zu unserem Heil ist er Mensch geworden!

Das Holz der Krippe weist schon hin auf das Holz des Kreuzes. Das in Windeln gewickelte Kind weist schon hin auf den im Leinentuch bestatteten Herrn. Für uns hat er gelitten, für uns ist er gestorben und begraben worden.
Er hat alles gegeben, sich klein gemacht, sich aufgerieben für uns. Und gerade deshalb, hat er das Größte vollbracht: die Erlösung von Sünde und Tod.

Ist Gott gescheitert?
Liebe Schwestern und Brüder. Dieser Frage haben wir uns zu Anfang gestellt. Auf dem ersten Blick vielleicht.
Denn wer genauer hinsieht, der merkt, dass der Weihnachtsmann nichts zu verkaufen hat, weil er nur verkaufen will, nur verkaufen kann. Und kann nicht der Sinn des Lebens sein.

Als Christen glauben wir, dass an Weihnachten in Christus, der Sinn der Welt zu uns gekommen ist. "Denn was (der Evangelist) Johannes ‚das Wort' nennt, das bedeutet im Griechischen gleichzeitig auch soviel wie: der Sinn. Insofern können wir durchaus auch übersetzen: Der Sinn ist Fleisch geworden.

Aber dieser Sinn ist nicht bloß eine allgemeine Idee, die in der Welt drinnensteckt. Der Sinn ist uns zugewandt. Der Sinn ist ein Wort, eine Anrede an uns. Der Sinn kennt uns, er ruft uns, er führt uns. Der Sinn ist nicht ein allgemeines Gesetz, in dem wir dann irgendeine Rolle spielen. Er ist jedem ganz persönlich zugedacht. Er ist selbst Person: der Sohn des lebendigen Gottes, der im Stall von Bethlehem geboren wurde." (Joseph Ratzinger, Licht das uns leuchtet, Herder 1978)

Ist Gott gescheitert? Wenn er der Sinn Deines Lebens wird, bei Dir sicher nicht!

42. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2011)

Den Faden nicht zerreißen

„Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ Liebe Mitchristen, diese Worte, die uns von Albert Einstein, dem berühmten Physiker und Mathematiker, überliefert werden, haben sicherlich ihren Reiz. Doch wer sich auf die Zukunft ausstreckt, nimmt, ob er will oder nicht, immer auch die Vergangenheit mit, sei es – negativ gesehen – als Last, oder – positiv gesehen – als Erfahrung und Weisheit. Ganz los kommen wir von der Vergangenheit nicht, das möchte ich versuchen, in einem einfachen Bild deutlich zu machen: Die Linie der Zeit ist in unserem Leben wie ein Faden, der sich durch all die Jahre hindurchzieht. In diesem Faden gibt es manche Knotenpunkte: das sind die Höhepunkte und auch die Verbindungen mit anderen Fäden, mit anderen Lebensgeschichten und Schicksalen. Keiner lebt ja für sich allein. - Und es gibt bei diesem Faden auch manche unentwirrbaren Knäuel und Verschlingungen. Das sind die Probleme, die Schwierigkeiten, die Punkte, an denen uns Leid, Unglück und Schmerz getroffen hat. Diese Knoten und Knäuel gibt es in unserem ganz persönlichen Leben. Sie gibt es aber auch im Leben der Kirche und der Gemeinde. Die Kirche feiert ein Jahr der Priester, um den Dienst der Priester in den Gemeinden und für die Menschen in den großen Zusammenhang zu stellen, daß Christus selbst bei uns sein will, um unser Leben zu teilen und uns zu Gott zu führen.

Auch unsere Gemeinde hat ihren Faden weitergezogen und manche Höhepunkte erleben dürfen: Ich nenne als Beispiele: (Beispiele aus der eigenen Gemeinde nennen!)

Und manche Fäden wurden ausgezogen, um ein Netz für die Zukunft zu knüpfen: (Beispiele nennen: Neugründung von Gruppen, Wahlen zu Gremien, Neubesetzung von Diensten in der Gemeinde, Bauprojekte …)

Aber auch Knäuel haben sich festgesetzt: Ich denke da vor allem an die Tatsache, daß in unserer Gemeinde die Zahl der Sterbefälle und der Kirchenaustritte zusammengenommen deutlich höher ist als die Zahl der Taufen. Das ist sicher ein schwerer, ein schwierig zu lösender Knoten.

Und im Leben des einzelnen? Da könnte jeder von Höhepunkten im letzten Jahr erzählen, aber auch von Hoffnungen, die enttäuscht wurden, von Plänen, die man nicht ganz verwirklichen konnte. Möchte man da nicht manchmal alles hinwerfen und einfach wieder von vorne anfangen? Das neue Jahr gibt ja ein Stück von dieser Hoffnung: wieder neu anfangen können. Aber ganz so ist es ja nicht. Auch im neuen Jahr sind wir immer noch die gleichen Menschen. Mit unserem Lebensfaden in der Hand. Mit seinen Knoten und Knäueln. Die nehmen wir auch mit. Da möchten wir vielleicht gerne das tun, was der Welteroberer Alexander der Große mit dem sogenannten Gordischen Knoten gemacht hat, als es ihm nicht gelang, ihn zu lösen: Er nahm sein Schwert und haute das Seil einfach durch. Somit war der Knoten los. Das Problem war gelöst.

Aber das Seil war damit auch durch. „Ein zerschnittener Knoten bedeutet immer einen zerstörten Faden“ bemerkt darum eine zeitgenössische Schriftstellerin dazu. Sie meint damit: Es gibt beim Faden unseres Lebens nicht die schnelle Radikallösung. Wir müssen den Faden bis zum Ende mitnehmen, ob wir wollen oder nicht.

Manchmal gelingt es uns ja mit Geduld und Geschick, das Knäuel aufzulösen und den Faden wieder in die richtige Länge zu bringen. Oft ist es gut, dazu andere Mitmenschen zu Hilfe zu nehmen. Viele haben in diesem zu Ende gehenden Jahr einen neuen Anfang gewagt. Da geht es ja auch darum, das Knäuel unserer Schuld zu lösen, ohne Gewalt, ohne Wut, mit Feingefühl und zugleich Gelassenheit.

Das wünsche ich Ihnen allen und auch mir: Daß wir unseren Lebensfaden, den ganz persönlichen und auch den der Gemeinde, in der wir leben, mitnehmen in ein hoffentlich gutes neues Jahr - auch wenn uns mancher Knoten oder mancher Knäuel im Faden stören mag. Die Hauptsache ist doch, der Faden ist ganz. Das ist die Hauptsache. Nur die Fäden und die Seile, die ganz sind, können zu einem Netz werden, das uns weiter trägt.

Und die Knoten und Knäuel? Sie sind kein dumpfes Schicksal! In manchen Darstellungen wird ein Mensch gezeigt, der dabei ist, einen schwierigen Knoten zu lösen: Diesmal ist es nicht Alexander der Große mit seinem Schwert, sondern die Gottesmutter mit ihren geduldigen Händen. Sie kann die schwierigsten Knoten lösen, weil sie die Mutter des Erlösers und die Mutter aller Menschen ist. Wenn wir in ein neues Kalenderjahr eintreten, tun wir das im Blick auf ihre Gegenwart und ihre Fürsprache. Sie ist die Knotenlöserin, unsere Fürsprecherin bei ihrem Sohn Jesus Christus.

43. Predigtvorschlag

von Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2011)

Liebe Schwestern und Brüder!

Es ist Weihnachten, Geburt des Herrn. Dieses Fest ist im Vergleich zu Ostern von anfänglich geringerer Bedeutung in der Kirche gewesen. Das Urfest der Kirche ist Ostern. Von der Auferstehung Jesu her hat sich der christliche Glaube und auch die Kirche gegründet. Jeden Sonntag feiern wir Ostern. Und das seit Beginn der Kirche.

Das Weihnachtsfest kam erst im 4. Jahrhundert zur Geltung. Das römisch-heidnische Fest des unbesiegbaren Sonnengottes wurde überformt von der Erscheinung Jesu in der Welt, der das wahre Licht der Menschen und der Schöpfung ist.

Dass das Weihnachtsfest bei den meisten Menschen emotional das Osterfest überflügelt hat, hat sicherlich mit dem Hl. Franziskus zu tun. Er bekannte wie alle Christen, dass Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich war. Besonders aber verehrte er die Menschheit Jesu. Im Kind in der Krippe war ihm der Emmanuel, der Gott-mit-uns verstehbar geworden. Im Kind ist Gott uns so nahe gekommen, dass wir DU zu ihm sagen können, ohne Scheu, ganz direkt.

Im Jahr 1223 hat Franziskus Weihnachten in dem Örtchen Greccio im Rieti-Tal in Umbrien gefeiert. Er wollte die Freude der Geburt des göttlichen Kindes in Bethlehem sozusagen "hautnah" erleben, nacherleben. Er sagte: "Ich möchte in voller Wirklichkeit die Erinnerung an das Kind wachrufen, wie es in Bethlehem geboren wurde, und an alle Mühsal, die es in seiner Kindheit erdulden musste. Ich möchte es mit meinen leiblichen Augen sehen, wie es war, in einer Krippe liegen und auf dem Heu schlafen, zwischen einem Ochsen und einem Esel."

Diese Heilige Nacht vor gut 780 Jahren ist die Geburtsstunde der Krippe, so wie wir sie kennen. Auf diese Nacht geht letztlich auch unsere wunderbare Krippenlandschaft hier in Kirchhellen zurück, die so viele Menschen erahnen lässt, dass Gott ein Gott-mit-uns ist.

Von Anfang an gehören also Ochs und Esel zur Krippe dazu. Wie auch hier in der Kirche.
Wahrscheinlich klang dem Hl. Franziskus bei seiner Idee die folgenden Verse aus dem Buch Jesaja im Ohr:
Seinen Eigentümer erkennt ein Ochse, ein Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keinen Verstand.
Die Kirchenväter haben diesen Vers häufig so gedeutet: Juden und Heiden, alle Menschen waren wie Ochs und Esel. Das Kind in der Krippe hat ihnen aber die Sinne geöffnet: sie konnten ihren Eigentümer nun mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören: Gott ist nicht mehr weit weg. Irgendwo in himmlischen Sphären. Gott ist Mensch und schaut mich mit Kinderaugen an.

Ochs und Esel gelten nicht gerade als die feinsten und klügsten Tiere. Der Ochse ist eher träge und auch ein bisschen tumb, der Esel störrisch und dumm.
Und dennoch, sie sind bei Jesus, sie erkennen ihn als Gott. Die meisten Krippendarstellungen geben den beiden Tieren auch fast schon menschliche Gesichter, die uns wissend anschauen.

Seinen Eigentümer erkennt ein Ochse, ein Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keinen Verstand.
Diese Verse können uns allen hier eine Mahnung und auch ein Trost, ja eine Ermutigung sein.

Denn nicht die weisen Schriftgelehrten Israels auch nicht der mächtige und reiche König von Jerusalem hatten Erkenntnis, obwohl sie es doch eigentlich hätten wissen müssen.
Deshalb fragen ja auch die Weisen aus dem Morgenland im Palast nach, was es mit dem Stern und der Geburt des Kindes auf sich haben möge.

Nein, ausgerechnet Ochs und Esel, die ja nicht gerade als Intelligenzbestien oder edle Tiere gelten, haben Erkenntnis. Sozusagen von Natur aus haben sie den Messias, den Gottessohn erkannt, ihren Herrn. Da, wo sie sind, sind auch die schlichten Hirten, das einfache Paar Maria und Josef, nicht die Mächtigen und Renommierten, die Reichen.

Ochs und Esel mahnen deutlich: da wo Menschen zu sehr auf sich selbst vertrauen, auf ihre Fähigkeiten, ihre Möglichkeiten, ihre Macht und ihren Reichtum, wo sie all das an die Spitze ihres Lebens setzen, sehen sie das Wesentliche nicht, geht ihnen das Entscheidende verloren. Geht auch vieles zugrunde.
Das haben wir in diesem Jahr wieder leider merken müssen: Die Paläste der Banken und Mächtigen sind auf den Treibsand von Überschuldung und Geldgier gebaut worden. Nun stehen einige Staaten vor dem Bankrott. Und viele müssen darunter leiden.
Die Natur im Griff zu haben, meinten auch die Ingenieure von Fukushima. Technischer Hochmut und die damit verbundene Schlampigkeit führten zur Katastrophe. Mit Taschenlampen und in Plastiktüten gehüllten Schuhen traten sie den Folgen des GAUs entgegen, sozusagen nackt.
Die, die sich groß dünken und klug, stehen nun dumm da wie die Ochsen und wollen leider ihre Fehler wie störrische Esel nicht einsehen.

Seinen Eigentümer erkennt ein Ochse, ein Esel die Krippe seines Herrn.
Auch wir stehen manchmal in unserem Leben wie der Ochs vorm Berg, wissen nicht wie es weitergehen soll: nach dem Tod eines lieben Menschen, beim Streit in der Familie, unter dem Druck der Arbeit, nach der niederschmetternden Diagnose...
Und wir begehen in unserem Leben manche Eselei, kleine Fehler und große Sünden. Wissentlich und unwissentlich.
Doch gerade Ochs und Esel gehören seit Anfang an zur Krippe dazu. Eben diejenigen, die vor Problemen stehen, leiden müssen, die manchmal orientierungslos sind und handeln, suchen die Nähe des göttlichen Kindes.
Eben diese Menschen spüren in ihrem Leben, dass sie alleine es nicht meistern können trotz aller Fähigkeiten und Begabungen.
Sie spüren, dass sie die Stimme ihres Eigentümers hören müssen - zur Orientierung und zum Trost, zur Ermutigung. Sie merken, dass sie aus der Futterkrippe ihres Herrn Nahrung benötigen, die stärkt.

Deshalb dürfen wir wie Ochs und Esel die Nähe Gottes suchen. Er sucht ja auch die unsrige, sonst wäre er nicht Mensch geworden. Er ist sich nicht zu schade, sich mit uns Ochsen und Eseln abzugeben. Er ist der Gott-mit-uns. Und wir brauchen uns nicht zu schämen, dass wir ihm nicht viel bieten können. Ihm reicht es, dass wir da sind. Wir müssen ihm nichts beweisen.

Auch im Stall waren Ochs und Esel nur da. Einfach da. Gerne hat das Kind ihre Gegenwart genossen. Vielleicht haben ihre Körper den kalten Wind im zugigen Stall abgehalten und ihr Atem das Kind gewärmt.
Ich bin davon überzeugt, wenn wir uns einfach nur einmal so in die Kirche setzen und beten, eine Kerze anzünden, einfach da sind, wo ER ist - das ist er im Tabernakel - ihm, wenn man so will, Gesellschaft leisten, dann erfreuen wir Gott. Und wir uns an seiner Gegenwart.

Wie schön wäre es, wenn dieses Weihnachtsfest uns alle motivieren würde, häufiger Christus in der Kirche zu grüßen - auch nur auf dem Sprung, ohne großen Aufwand. Das zu tun, ist auf jeden Fall mein Vorsatz auch für das kommende Jahr.

Seinen Eigentümer erkennt ein Ochse, ein Esel die Krippe seines Herrn.
Die beiden schauen auf das Kind, das in der Futterkrippe liegt. In ihrer Futterkrippe. Jesus ist nun ihre Nahrung.

Bethlehem - das heißt "Haus des Brotes".
Dieser Jesus hat sich kleingemacht als Kind in der Krippe. Er macht sich klein in der Hostie auf dem Altar.
Gottes Sohn in der Krippe bietet sich gleichsam der Welt als Nahrung. Auf dem Altar schenkt sich Gott uns als Nahrung, die zum wahren Leben führt, in der Kommunion.
Mit Leib und Blut sehen wir in der Krippe und auf dem Altar. Für uns. Der Gott-mit-uns.
Mit Leib und Blut hat er sich in diese Welt hineingegeben, mit Fleisch und Blut sich hingegeben am Kreuz. Und er ist auferstanden.
Das Holz der Futterkrippe und das Holz des Kreuzes sind das Material aus dem unsere Erlösung geschnitzt ist.

Weihnachten und Ostern kommen so in jeder Heiligen Messe zusammen.
Jede Heilige Messe ist wie Ostern und Weihnachten zusammen. Also besuchen wir sie.

Weihnachten und Ostern gehören zusammen. Lassen sie uns als österliche und weihnachtliche Menschen leben, als Menschen, die wissen, Gott ist mit uns und für uns. Gerade da, wo wir wie ein Ochs vorm Berg stehen oder Eseleien vollbracht haben.

44. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2011)

Das Wasser des Lebens

Das kleine Kind, das vor der Geburt im Mutterschoß alles empfängt, was sein Leben erhält, das im wärmenden und schützenden Wasser geborgen ist, ist von alters her Bild und Gleichnis für die Menschheit selbst. Und wir glauben heute, an diesem Weihnachtsfest, daß Jesus, das kleine Kind in der Krippe, mit seinen kleinen Armen die ganze Menschheit umfängt und auf seine kleinen und zarten Schultern die Schuld der Welt auf sich nimmt. Ist das denn wirklich zu glauben? Ist das nicht ein zu großer, ja ein unfaßbarer Gedanke? Das Weihnachtsfest bildete sich aus in einer Zeit, in der die Kirche das Bekenntnis zu Christus, dem Sohn Gottes, neu reflektieren und neu festigen mußte. Christus ist uns geschenkt, daß er den Tod besiegt und uns in seiner Auferstehung neues und unvergängliches Leben in Gott schenkt. Er hat die verschlossenen Tore des Paradieses geöffnet und unser sterbliches Dasein von innen her erneuert und verwandelt, durch die Hingabe seines Lebens an den Vater. So ist Ostern das erste und eigentliche Fest der Christen, das Fest aller Feste, der Grund unserer Hoffnung, die Mitte und das Ziel unseres Glaubens.

Doch wie kann das sein, daß Gott, der doch einer ist, einen Sohn haben soll, der von einer einfachen Frau, von Maria aus Nazareth, geboren wird und als Mensch unter den Menschen lebt? Ist das nicht ein Widerspruch, daß Gott zugleich als Mensch geboren wird, fühlt, empfindet, leidet? Wie kann das sein? Weihnachten lehrt uns, an einen Gott zu glauben, der die Überraschung liebt. – Oder besser gesagt: der uns mit dem Erfindungsreichtum seiner Liebe immer neu überrascht. Weihnachten, so haben uns schon die Kirchenväter und Theologen der frühen Kirche zeigen wollen, will uns helfen, Gott nicht nach unseren Vorstellungen und Maßstäben zu denken, sondern sich einfach von ihm beschenken zu lassen. Weihnachten ist das Fest, an dem wir bekennen, daß der unsichtbare, unendlich große Gott sich unfaßbar klein und gering gemacht hat. Aus der unerreichbaren Höhe seiner Herrlichkeit, aus dem wunderbaren Licht des Himmels kommt er in die Dunkelheit unserer Erde, in das Elend unseres sterblichen Lebens. Wie tut Gott das? Wie schlägt er zu uns die Brücke? Wie kommt er aus der Ewigkeit, die doch unzugänglich ist, in unsere Zeit hinein? Auf diese Frage antwortet der Glaube mit dem Bekenntnis zu Jesus, der in seiner Person Gott und Mensch ist, als Gott Licht vom Licht vor aller Zeit, als Mensch in der Zeit geboren von Maria, der Jungfrau, er ist eins mit Gott, dem Einen, den er uns offenbart und verkündet als den liebenden Vater aller Menschen.

So kommt Gott dem Menschen unendlich nahe. So ist Gott in uns Menschen, so umfaßt und umfängt er unser ganzes Dasein. Aber ist das nicht alles immer noch unbegreiflich? Wie können wir von diesem einen Menschen, Jesus, behaupten und bekennen, in ihm sei Gott am Werk, in ihm erlöse er alle Menschen von ihrem Dasein im Schatten, in ihrer unendlichen Entfernung vom wirklichen Leben? Schauen wir noch einmal auf das Geheimnis der Geburt eines Menschen: Es ist wirklich ein Geheimnis, was sich da abspielt. In der Entstehung, in der Geburt eines kleinen Menschenkindes ist der Mikrokosmos, in dem der Mensch zu seiner Geburt heranwächst, ein Abbild des Makrokosmos, der Schöpfung Gottes. Das Fruchtwasser, in dem das Baby schwimmt, ist Urflut und Wasser, aus dem das Leben kommt. Die Wissenschaft sagt uns, daß die Zusammensetzung des Fruchtwassers ganz ähnlich ist wie der chemische und biologische Aufbau der Weltmeere. Alles Leben kommt aus dem Wasser, so sagen uns die Biologen, die das Entstehen des Lebens erforschen: Im Heranwachsen und in der Geburt eines Kindes wiederholt sich im Kleinen, was Gott als seinen Lebensplan in die große Schöpfung hineingelegt hat.

Für das Baby im Mutterschoß ist die Gebärmutter die schützende Höhle, sein bergendes Zuhause, in dem es alles Nötige bekommt und das er gar nicht verlassen kann und will, zumindest nicht für neun Monate lang. Wehe, wenn dieses Zuhause bedroht wird! Wehe, wenn durch Untersuchungen auf Krankheiten und Behinderungen hin, auf Geschlecht oder mögliche Fehlbildungen, das Leben in Frage gestellt wird! Wohin könnte der Ungeborene sich flüchten? An wen kann er sich wenden? Wer hört seine Bitten, seinen Wunsch nach Leben? Der Mutterschoß ist auf dieser Erde zum gefährdetsten Ort für den Menschen geworden. Wo die Achtung vor der Heiligkeit des Lebens vor der Geburt nachläßt, da wird sie auch nachlassen, wenn es um das Leben nach der Geburt geht, vor allem auch um das Leben vor dem Sterben. Das ungeborene Kind hat aber eine vielgestaltige Verbindung zur Welt: Die Nabelschnur ist die Verbindung zum „Himmel“ des kleinen Kindes, sie ist für ihn die Quelle aller Wohltaten, von ihr empfängt das Kind alle nötigen Gaben, um zu überleben. Zugleich ahnt das Kind schon etwas von der Größe und Weite der Welt, die es umgibt, es nimmt ein schwaches Licht wahr, es hört Stimmen und Musik, es fühlt, wenn der Bauch gestreichelt wird, es spürt die Bewegungen der Mutter.

In diese wunderbare Welt geht Jesus in seiner Menschwerdung hinein und erfüllt den Mikrokosmos des Ungeborenen mit seiner göttlichen Gegenwart und Liebe. Was für ein Geheimnis! Was für ein wunderbarer Gedanke! So geschieht Erlösung! Gott, der den Kosmos geschaffen hat und in seinen Händen hält, er macht den Mikrokosmos des Menschen zu seiner Heimat und zum Ort seiner Offenbarung. Wir können nur staunen über soviel Demut, wir können nur anbeten und dankbar sein über diesen Erfindungsreichtum der Liebe Gottes. Weihnachten schenkt uns einen neuen Blick für das Geheimnis Gottes und zugleich das Geheimnis des Menschen. Seit Weihnachten läßt sich beides nicht mehr voneinander trennen: denn Gott ist einen Bund mit uns Menschen eingegangen, den kein Mensch mehr auflösen kann. Im Lebensweg eines jeden einzelnen Menschen will Jesus gegenwärtig sein und mitgehen. Wieviel Ehrfurcht müssen wir deswegen vor dem Leben haben! Vor dem ungeborenen Leben, vor dem Leben in jeder Phase seiner Existenz! Das Leben der Schwächsten, das Leben der Ungeborenen, der Kranken, der Alten, der Behinderten: es ist heilig, denn Jesus ist in jedem dieser Menschen gegenwärtig.

Anm.: Die Anregung zu dieser Predigt kommt aus einem Artikel von Roland W. Moser, Vorgeburtliche Geborgenheit, PUR-Magazin 12/2011, 20-21, aus der einige Formulierungen wörtlich übernommen sind.

45. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2010)

Das Weihnachtsfest, liebe Schwestern und Brüder, ist einmal das Fest der Kinder par exelance gewesen. Das war es einmal. Natürlich strahlen die Kinderaugen auch noch heute. Mir scheint nur, dass es nun hauptsächlich ein Fest für Erwachsene geworden ist. Das sieht man an den Regalen, den Schaufenstern, den Anzeigen und Werbeblättern.
War es früher die Freude der Großen, die Kleinen zu beschenken, so meine ich feststellen zu müssen, dass es heute hauptsächlich darum geht, dass Erwachsene sich gegenseitig eine Freude machen.

Das liegt wahrscheinlich daran, dass immer mehr Erwachsene keine Kinder kennen, die sie beschenken könnten. Darauf hat der fast alles regierende Markt reagiert.

Unser Land – wie viele andere in Westeuropa auch – hat immer weniger Kinder. Das ist so und wird auch erst einmal so bleiben.

Deutschland vergreist. Kindertagesstätten werden nicht nur wegen der Kosten reihenweise geschlossen. Es gibt schlicht zu wenig Kinder.

Das ist der Politik mittlerweile auch aufgefallen, nachdem der drohende Kollaps der Sozialsysteme von niemanden mehr übersehen werden konnte. Kinder zu kriegen ist zu teuer geworden. Das ist eine der immer wieder angefügten Begründungen des Kindermangels. Aber war das früher anders? Waren Kinder nicht immer teuer, eine finanzielle Belastung? Reiche Länder müssten dann doch eigentlich eher mehr Kinder haben als ärmere? Aber dem ist ja nicht so.

Mütter können den Beruf und die Kindererziehung nicht mehr in Einklang bringen. Ein weiteres vielzitiertes Argument. Deshalb unternimmt man viele Anstrengungen Kindergarten- und Krippenplätze zu vermehren und flexibler zu gestalten. Als Träger von vier Kindertageseinrichtungen weiß unsere Pfarrei, was das heißt. Diesen Dienst wollen wir wohl zur Unterstützung der Familien gerne tun.

Dabei kommen mir aber manchmal Zweifel, ob es dem Großteil der Lösungsansätze wirklich um die Kinder geht. Wichtiger scheinen hier wohl die Belange der Wirtschaft zu sein. Frauen sollen frei sein, um im Berufsleben das Bruttosozialprodukt anzukurbeln. Nichts dagegen.

Nur wenn in einer Gesellschaft als Arbeit ausschließlich anerkannt wird, was auch Geld einbringt, jeder Ansatz zur Entlohnung von Familienarbeit aber mit Schlagworten wie "Herdprämie" oder "Heimchenbonus" abzutöten versucht wird, kann es jedenfalls nicht weit her sein mit einer Wertschätzung von Familie. Und dass Menschen, die eben darauf hinweisen – manchmal auch ungelenk oder provokativ – dass solche Menschen in den Medien mit Dreck beworfen, als unsäglich altmodisch .

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Hemmnisse gibt es. Und sie haben ihre Auswirkung auf die Zahl der Kinder. Sicherlich. Aber Probleme dieser Art gab es immer. Elterngeld allein bringt noch keine größere Geburtenziffer, wie die Regierung vor kurzem feststellen musste.

Medizinisch werden die Kinder in unserem Land wie kaum in einem anderen sehr gut betreut. Die Sterblichkeitsrate bei Kindern ist hierzulande gering. Die Abtreibungsrate nach wie vor hoch. Laut Statistischem Bundesamt immer über 110.000 Kinder seit Jahren (also ungefähr einmal ganz Bottrop) und das bei einer hohen Dunkelziffer. 40 Prozent der abtreibenden Frauen waren verheiratet, über 95 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche folgten nach der obligatorischen Beratung.

Das Problem scheint tiefer zu liegen.
Es ist der Mangel an Hoffung verbunden mit dem, was das mit sich bringt: der Verlust an Vertrauen in die Zukunft, Lebenskraft, Kreativität, Poesie und Lebensfreude.

So wie die Ehe ein Akt des Vertrauens, des Sich-Trauens ist, so ist das Kinderkriegen vornehmlich ein Akt der Hoffnung. Hoffnung auf Zukunft für die Welt, in die hinein die Kinder geboren werden.

In diese Welt kann man doch keine Kinder mehr setzten – So sagen viele und denken dabei an Kriege, Klimakatastrophe, globalisierter Ungerechtigkeit. usw. Viele haben keine Hoffnung für diese Welt mehr.

Und tatsächlich, wer seine Hoffnung allein in diese Welt setzt, der wird bald keine Hoffnung mehr für diese Welt haben. Der wird resignieren, stagnieren, leblos die Hände in den Schoß fallen lassen. Hoffnung für die Welt trägt nur der in sich, der seine Hoffnung nicht in die Welt setzt, sondern auf deren Schöpfer.
Gott kennenlernen – den wahren Gott, das bedeutet Hoffnung empfangen.
schreibt Benedikt XVI in seiner Enzyklika „Spe salvi“ – Auf Hoffnung hin. Und damit ist er am Puls der Zeit.

Der Glaube schenkt Hoffnung, weil er uns über diese Welt hinaushebt. Wieder der Papst:
Nicht die Elemente des Kosmos, die Gesetze der Materie, herrschen letztlich über die Welt und über den Menschen, sondern ein persönlicher Gott herrscht über die Sterne, das heißt über das All; nicht die Gesetze der Materie und der Evolution sind die letzte Instanz, sondern Verstand, Wille, Liebe – eine Person. Und wenn wir diese Person kennen, sie uns kennt, dann ist wirklich die unerbittliche Macht der materiellen Ordnungen nicht mehr das Letzte; dann sind wir nicht Sklaven des Alls und seiner Gesetze, dann sind wir frei. ...
Das Leben ist nicht bloßes Produkt der Gesetze und des Zufalls der Materie, sondern in allem und zugleich über allem steht ein persönlicher Wille, steht Geist, der sich in Jesus als Liebe gezeigt hat.

Wer Hoffnung hat, lebt anders, dem ist neues Leben geschenkt worden. Und deshalb vermag er auch neues Leben zu schenken. Aus den Kindern blicken uns nicht nur hoffnungsvolle Augen an, sondern die Hoffnung selbst.
In den Schriften Charles Peguy gibt es eine schöne Stelle – ich habe sie leider nicht mehr so schnell gefunden – darin beschreibt er Glaube, Hoffnung und Liebe wie drei Schwestern, die sich an den Händen haltend einhergehen. In der Mitte ist die Hoffnung. Ein kleines Kind, das die anderen beiden größeren Geschwister zieht. Wenn die Hoffnung stehen bleibt, bleibt alles stehen, heißt das.

Kinder sind Hoffnung. Wo wenig Kinder sind, ist wenig Hoffnung.

Liebe Schwestern und Brüder,
wir haben als Christen Hoffnung. Denn wir feiern heute die Geburt eines Kindes – Gottes Sohn Jesus Christus strahlt uns mit seinen hoffnungsfrohen Augen an. Gott hat Hoffnung für uns, für diese Welt.
Diese Hoffnung ist kein billiger Optimismus, keine Vertröstung nach dem Motto: Wird schon irgendwie.
Diese Hoffnung ist angefochten – am Kreuz schien sie sogar besiegt zu sein – aber sie ist unsterblich, ewig nicht zerstörbar, weil sie die Welt und ihre Schrecken besiegt hat.

Das göttliche Kind in der Krippe ist der Hoffnungsträger – keine politischen Parteien, Ideologien oder esoterische Ersatzreligionen.

Unsere Hoffnung könne wir stärken – gerade auch in der Anfechtung – wenn wir auf das Kind in der Krippe schauen. Die Umstände seiner Geburt waren alles andere als ein hoffnungsvoller Einstieg in die Welt. Statt eines staatlich mitfinanzierten Krippenplatzes hatte Er nur in einer ärmlichen Krippe Platz.
Es gilt, auf dieses Kind zu schauen, mit ihm zu sprechen, auf ihn zu hören, zu beten – dann wird die Hoffnung in uns wachsen.

Das Gebet ist die Schule des Hoffens.
Pflegen wir das Gebet. Persönlich.
Aber auch besonders in der Familie zu Hause. Unsere Hoffnung reicht weiter, wenn wir nicht nur an Weihnachten beten und zur Kirche gehen.

Liebe Schwestern und Brüder.
Weihnachten war das Fest für die Kinder. Kinder sind unsere Zukunft, sind Zeichen der Hoffnung, das alles gut wird und Gott uns trägt und lenkt.
Weihnachten ist das Fest des göttlichen Kindes, das uns reich beschenkt. Es sagt uns ohne Worte: Gott hat Hoffnung für euch und diese Welt.
Dieses Kind streckt uns die Hände entgegen. Ergreifen wir sie und lassen uns von diesem Kind ergreifen.

46. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Die Sportnachrichten dieser Tage sind voll von Wintersport. Die alpinen Weltmeisterschaften sind beendet, da geht es schon mit den nordischen Disziplinen weiter. Auch die Biathleten kämpfen um Gold, Silber oder Bronze. Für diese Medaillen verlangen sich die Sportler sehr viel ab. Ohne ein hohes Maß an Selbstüberwindung und Teamgeist bleibt der erhoffte Erfolg aus. Schon lange vor der eigentlichen Saison bereiten sich die Athleten vor. Meist ziehen sie sich in Trainingslager zurück.

Häufig kämpfen die Wintersportler noch um Ehre und Preisgelder, während mit dem Aschermittwoch die Trainingszeit der Christen beginnt: die Fastenzeit. Ihr Vorbild ist die Zeit Jesu in der Wüste, sein ganz persönliches Trainingslager, wenn man so will.

Das Aschekreuz auf der Stirn ist sozusagen der Startschuss. Ziel ist es aber nicht, Ruhm oder Medaillen oder Pokale zu erringen, sondern fit für Ostern zu werden.

Wie im Trainingslager der Sportler ein genauer Plan vorliegt, was alles angegangen werden muß – Kondition, Schnelligkeit, Sprung- oder Schießtechnik – so legt das Evangelium vom Aschermittwoch (Mt 6, 1-6.16-18) die drei Bereiche fest, in welchen der Christ seine Werte verbessern möchte: Almosen, Gebet, Fasten. Und so umfasst sein Trainingsplan die drei Grundbeziehungen des Menschen: zum Nächsten, zu Gott und zu sich selbst.

Wer Almosen gibt, also etwas von dem Seinigen abgibt, der öffnet sich auf den Nächsten hin, der denkt nicht nur an sich. So wird der Christ zu einem guten Teamplayer, der nicht engstirnig auf seinen Ruhm aus ist, sondern den Erfolg der ganzen Mannschaft im Blick hat. Selbstverständlich ist er den Mitstreitern gegenüber auf Fairplay bedacht.
Almosen geben kann dann heißen, dem anderen, der in Not ist, durch eine Spende zu helfen. Oder dem anderen ein Lächeln zu gönnen, der gerade schlecht gelaunt ist. Oder ihm etwas vom Wertvollsten zu schenken, das er hat: Zeit. Gerade die österliche Bußzeit lädt uns ein, Kranke und Einsame zu besuchen, mehr Zeit mit der Familie oder Freunden zu verbringen.

Das Gebet ist – wenn man so will – das ‚mentale Training‘ des Christen. Im Fernsehen sieht man immer wieder, wie in sich versunkene Rodler im Geiste die Strecke abfahren, die vor ihnen liegt. So ist der Sportler in der Lage, die Ideallinie zu verinnerlichen. Im Gebet können wir unseren Alltag vor Gott bringen, mit ihm den besten Weg für unser konkretes Leben suchen und finden. So wie der Rodler sich die kleinsten Unebenheiten und die schwierigsten Kurven merkt, darf der Christ alles mit Gott besprechen – das Große und Kleine, das Schöne und Schwere. Eine feste Zeit und einen festen Ort für das Gebet in der Fastenzeit zu finden, ist sinnvoll. Auch der Sportler zieht sich für das mentale Training vom ganz großen Rummel um ihn herum zurück. Der Anbetungstag an diesem Sonntag ist da eine gute Gelegenheit. Aber auch einfach zwischendurch die Kirche aufzusuchen, ist da sinnvoll.

Ein Sportler kann nicht gewinnen, wenn er sich selber nicht besiegt. Ohne Selbstüberwindung geht kein Konditionstraining.

Auch dem Christen geht innerlich die Puste aus, wenn er stets nur das tut, was ihm gerade gefällt. Wer sich nur von seinen Neigungen oder Trieben bestimmen lässt, der wird träge und antriebslos. Dagegen hilft das Fasten. Wer fastet, verzichtet auf etwas, das ihm lieb geworden ist – z. B. die Flasche Bier am Abend – oder er kämpft gegen etwas, das er besser lassen sollte – das kann auch die Flasche Bier am Abend sein. Durch das Fasten werden wir wieder Herr im eigenen Hause, handeln wir, statt uns treiben zu lassen.
Sicher verlangt auch das kleinste Fastenopfer immer wieder Anstrengung. Aber sie lohnt sich. Nicht nur für den, der fastet. Das Fasten kann auch für andere fruchtbar werden: Das kleine Opfer kann ich Gott als ein Gebet für bestimmte Personen und deren Anliegen schenken.

Ohne Training kein Sieg. Sportler wissen aber auch, dass es viele andere Umstände gibt, die den Ausgang des Wettkampfs bestimmen, Dinge auf die sie keinen Einfluss haben.
Da sind die Windverhältnisse an der Sprungschanze, die Stimmung im Stadion oder an der Strecke, die Tagesform, das Material der Skier.

Auch der Christ weiß, dass er ein geistliches Leben einüben muss, damit er innerlich reifen kann. Aber das Entscheidende hat er nicht in der Hand: die Gnade Gottes.
Und das Tröstliche ist, dass die Gnade Gottes für uns beständig da ist. Sie ist nicht wechselhaft wie der Wind oder das Wetter. Als Christen leben wir immer unter den besten Bedingungen. Wir können eigentlich nicht verlieren, wenn wir wirklich trainieren, weil Jesus für uns schon alles gewonnen hat. Am Kreuz hat er uns erlöst. Sein Ostersieg ist der entscheidende für unser Leben.

Die Fastenzeit hilft uns, ihm zu folgen. Er erwartet uns schon voll Freude am Ziel. Er wird uns keinen Pokal aus Metall überreichen. Sein Siegespreis ist die Erlösung zum ewigen Leben. Sich dafür in der österlichen Bußzeit etwas ins Zeug zu legen, lohnt sich.

47. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Tannenbäume liegen auf der Straße zum Abholen bereit, der Weihnachtsfestkreis ist offiziell mit dem vorigen Sonntag „Taufe des Herrn“ abgeschlossen.
In den Kaufhäusern wird für Karneval umgerüstet, und nach den Festtagen hat auch uns der Alltag wieder.

Und Alltag scheint auch beim Täufer Johannes zu herrschen. Wie jeden Tag tauft er die Umkehrwilligen im Wasser des Jordans. Die Menschen kommen in Scharen. Sein Wort spricht sie an. Einige sind sogar seine Jünger geworden und leben eine Zeit lang bei ihm, um von ihm zu lernen.
Auch an diesem Tag, über den das heutige Evangelium berichtet, sind Jünger in seiner Nähe. Zwei stehen direkt neben ihm.
Wahrscheinlich kümmern sie sich um die Ordnung des Besucherstromes und assistieren bei den Taufhandlungen.

Doch ganz plötzlich ist es vorbei mit der Routine.
Im Evangelium heißt es dazu nur kurz:
„Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes!“

Jesus ging also vorüber. Er war unterwegs. Es klingt so, als habe er nicht die Absicht, dort anzuhalten. Er ging vorüber. - Merkwürdig! Wer den weiten Weg durch diese Wüstenlandschaft macht, der hat normalerweise ein Ziel und auch Zeit für einen Stopp und ein Gespräch.
Hier in dieser Einöde ist weit und breit doch nichts – außer Johannes
und den Pilgern auf dem Weg. Was will uns das heutige Evangelium
also mit dieser Detail-Information erklären?

Jesus ist in Sichtweite, aber er kommt niemand zu nahe. Er ist zwar
der weitaus Größere im Vergleich zu Johannes dem Täufer, aber er ist nicht sein Konkurrent. Er nimmt ihm nichts weg. Er signalisiert Johannes nur: Wie du siehst, bin ich jetzt da. Ich bin jetzt bereit für meine Aufgabe. Ich dränge mich aber bei dir nicht auf. Entscheide du, wie du darauf reagieren willst!

Und nun sehen wir die innere Größe unseres Pfarrpatrons:
Er bindet seine Jünger nicht an sich, in die er so viel Zeit und Energie gesteckt hat. Nein, er weist sie hin auf Jesus und lässt sie frei, lässt sie gehen.
Er muss nicht sein Ego pflegen, sein Ansehen bei den Leuten. Er will nur Bote und Herold sein für den König, der da kommt. Dafür lebt und stirbt er. Für das Lamm Gottes lebt und stirbt er.

Und dann beginnt für die beiden Jünger, Andreas und Johannes, das Abenteuer, Christus zu folgen. Für beide hieß Nachfolge damals ganz ursprünglich: hinter Jesus herlaufen, ohne mehr zu wissen, als dass man geschickt worden ist.
Und als er sie entdeckt und sie bei ihm bleiben wollen, setzt Jesus sich nicht hin und breitet ein Missionskonzept aus oder hält einen Vortrag darüber welchem Anforderungsprofil seine Jünger entsprechen müssen.
Nein. Schlicht ist die Antwort: Kommt und seht!
Nur wer mitgeht, wird sehen, wer Jesus ist, dass er das Lamm Gottes ist.
Und das wird bestätigt: Die Jünger gingen mit, sahen und blieben.

Liebe Schwestern und Brüder,
diese Berufungsgeschichte der ersten beiden Jünger ist mir sehr kostbar, weil sie immer wieder neu zu mir spricht. Und mich so manches inne werden lässt.

Mir wird beim Lesen immer wieder deutlich, dass der Glaube nicht das Fürwahrhalten von Dogmen oder eine Ansammlung von Geboten ist, sondern ein Weg. Christsein ist ein Christwerden, ist ein Jesus nachgehen, ohne zu wissen, was einen erwartet.

Und da gibt es Momente, wo es mir leicht fällt, manchmal falle ich hin und meistens stolpere ich Jesus hinterher. Aber ich bin hinter ihm. und weiß ihn vor mir.
Das, was für den einzelnen gilt, gilt auch für die Kirche als Ganze und auch für unsere Gemeinde: Es gibt kein anderes Konzept, als hinter ihm her zu gehen, ihn im Blick zu halten. Und gerade deshalb ist die Feier der Eucharistie so wichtig.

Denn hier hören wir den Ruf: Seht, das Lamm Gottes. Und wir sehen es dann in den Händen des Priesters und können uns so neu ausrichten. Auf IHN hin.

Seht, das Lamm Gottes – Diesen Ruf können wir auch umsetzten, indem wir uns immer wieder in einer Kirche vor dem Tabernakel hinknien oder in die Anbetung gehen. Dann kommen wir zu ihm und sehen, wo er wohnt. Und wir spüren, dass wir bleiben möchten, weil bei ihm sein einfach Trost und Kraft spendet. Aber das spüre ich nur, wenn ich es wirklich tue. Nicht, wenn ich darüber rede oder daran denke.


Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes!
Als Jesus VORÜBERGING – sozusagen im Vorbeigehen geschieht das Große.
Nicht nur in der Liturgie, auch im ach so flüchtigen Alltag können wir Jesus begegnen, taucht er auf, ohne sich aufzudrängen. Und da bedürfen wir oft eines Täufers Johannes, der uns die Augen öffnet und sagt: Seht, das Lamm Gottes!
Bitten wir unseren Pfarrpatron darum, dass unsere Gemeinde immer wieder auf das Lamm Gottes, auf IHN hinweist, andere das Eigentliche, das zählt, vor Augen führt.
Und bitten wir unseren Pfarrpatron darum, dass wir selber Menschen finden und einander solche Menschen werden, die im richtigen Moment ein Ereignis aufschlüsseln, damit wir den vorbeigehenden Jesus nicht verpassen.

Ich bin sicher, wenn wir Christus, das Lamm Gottes, im Gottesdienst und in der Anbetung immer wieder aufsuchen, werden wir ihn immer öfter und unerwarteter entdecken.

Es Cristo que pasa – heißt eine Predigtsammlung des Heiligen Josefmaria, die mir sehr wichtig geworden ist, die viel von den kleinen Dingen, der Arbeit, den menschlichen Tugenden und Schwächen, der Familie, der Freundschaft spricht.

Es ist Christus, der vorübergeht.
Heiliger Johannes der Täufer, hilf mir ihn zu entdecken. Immer neu.

48. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Liebe Schwestern und Brüder,

Und die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der göttliche Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.

Das Wort „betroffen“ in der Einheitsübersetzung ist allerdings sehr schwach. Es erinnert mich immer an das „Betroffenheitsgedusel“ einiger Kreise in den 80er und 90er Jahren, wo jeder und jede über alles irgendwie ein Stück weit betroffen war.
Die Lutherübersetzung ist hier kräftiger: „Und sie entsetzten sich“ heißt es da immer wieder, statt „sie waren betroffen“.

Man kann das Wort auch mit „erschrocken“ übersetzen. Das heißt,
durch die Schrifterklärung Jesu wurde den Menschen mit einem Schlag bewusst, wie lebendig Gottes Wort ist.
Es ist nicht nur religiöser Zuckerguß auf Kalenderblattniveau. Es geht tiefer, erschüttert Mark und Bein, wenn man es an sich heranläßt. Und es ist wirkmächtig.

Dass es eben bei Jesus nicht nur um schöne Worte und nette Sprüche geht, wird dann drastisch nach seiner Predigt deutlich.

In ihrer Synagoge saß ein Mann, der von einem unreinen Geist besessen war.
Besessener - Dieser Mann ist ein Gefangener. Er ist unberechenbar in der Gewalt anderer, hat keine Gewalt mehr über sich selbst. Er ist nicht mehr sein eigener Herr.

Aber was ist da bloß in ihn gefahren? - Als Jesus in seine Nähe kommt, wird das offensichtlich. Allein die Nähe Jesu wirkt für die Besatzungsmächte dieses Kranken so bedrohlich, dass sie heftige Reaktionen zeigen.
Es schreit laut aus dem Mann heraus, wie die Warnung eines in die Enge getriebenen Wesens: „Hau bloß ab, komm mir nicht zu nahe!“

Im Evangelium ist das so formuliert: „Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen?“

Jesus und die Menschen in der Synagoge hören also, dass da Kräfte am Werke sind, die keineswegs dumm sind. Im Gegenteil, sie sind bestens informiert. Jesus wird ganz korrekt mit „Jesus von Nazaret“ angesprochen. Aber die pure Angst spricht aus der Nachfrage, wozu Jesus gekommen ist.

Was die Menschen ringsum noch nicht erkannt haben, das haben ausgerechnet diese Mächte längst kapiert: In Jesus begegnet ihnen gerade in diesem Augenblick derjenige, den sie respektvoll als den „Heiligen Gottes“ betiteln.
Die dunklen Mächte erkennen also die Heiligkeit des Gottessohnes, sie wissen sehr wohl, dass er der Messias ist. Aber wie man sehen kann, führt das keineswegs zu freiwilliger Umkehr und zum Glauben, sondern trotz dieses Wissens lehnen sie Jesus als ihren Herrn und Meister ab.

Da mag vielleicht manch einer denken: Ach, so ist das eigentlich auch bei vielen modernen Menschen, die genug über Jesus wissen, aber ihm noch lange nicht nachfolgen wollen.

Jedenfalls signalisieren die Kräfte, die diesen Mann besetzt und in ihrer Gewalt haben, dass sie diesen Menschen nicht kampflos aufzugeben gedenken. Sie pokern ganz schön hoch und suchen mit lautem Getöse die direkte Auseinandersetzung mit Jesus: „Was haben wir mit dir zu tun…?“ - so schreien sie ihn an.

Das soll heißen: Was du tust, das geht uns nichts an, aber für dich
gilt auch: was wir tun, das geht dich nichts an! Halte dich also da raus! Das ist unser Einflussgebiet, nicht deines!

Doch Jesus hat nicht vor, mit ihnen in irgendwelche Verhandlungen einzutreten. Mit dem Bösen schließt man keine Kompromisse und keine Waffenstillstands-Verhandlungen. Wenn man dem auch nur einen Finger reicht, nimmt es garantiert die ganze Hand.

Sabbatruhe hin oder her, hier muss Jesus eingreifen. Die bösen Mächte haben einen Menschen zu ihrem Spielball gemacht. Mit einem einzigen Machtwort aus dem Munde Jesu ist dieser Spuk zu Ende. Ein letztes Mal hat sich das Böse aufgebäumt und den Mann hin- und her geschleudert. Dann verlässt es ihn mit wütendem Gebrüll.

Wir wissen nicht genau, welche teuflischen Mächte diesen Mann so lange gepeinigt haben. Das ist auch nicht die Hauptsache. Das Evangelium selbst formuliert, was hier wirklich wichtig ist: „Da erschraken alle, und einer fragte den andern: Was hat das zu bedeuten? Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet. Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl.“

Das heutige Evangelium stellt es unmissverständlich und für jeden klar: Ja, es gibt das Böse, und das Böse kann furchtbare Macht über Menschen gewinnen.

Uns fällt es nicht schwer, dem zuzustimmen. Wir brauchen nur die Nachrichten zu lesen.

Das Evangelium bestätigt aber nicht nur, dass es das Böse gibt.

Es demonstriert auch, wer wirklich das Sagen hat, auch wenn das leider in unserem Alltag nicht immer so offensichtlich wird wie hier.
Die Menschen in der Synagoge haben es damals auf den Punkt gebracht: Wer solche Wundertaten allein durch sein Wort vollbringt, der ist ganz sicher mit göttlicher Vollmacht ausgerüstet. Ja, diese Tat ist sogar eine verkündete Lehre. Jesus erteilt ihnen eine Lehre. Bei ihm können sie in die Lehre gehen, wenn sie ihm nachfolgen.

Die bösen Geister dieses Mannes sind vertrieben.
Er kann aufatmen und ein ganz neues Leben beginnen.

In jeder Taufe und bei der Tauferneuerung in der Osternacht werden auch wir heutzutage daran erinnert, dass die bösen Mächte keineswegs in Winterschlaf gegangen sind. Der Teufel macht keinen Urlaub.
Wir sind dann konkret aufgerufen, wachsam zu sein und Widerstand gegen das Böse zu leisten – in uns und um uns: „Widersagt ihr dem Bösen?...Widersagt ihr dem Satan?“ heißt es, und von uns allen wird eine klare Absage erwartet: „Wir widersagen!“

Oft genug möchte man fragen: „Was ist bloß in uns gefahren?“ Das ist wie mit einer chronischen Krankheit, die immer wieder versucht, sich zum Angriff auf unser Immunsystem zurückzumelden.
Da ist so einiges Unheilvolle und Böse, in uns, in die heutige Gesellschaft, hineingefahren. Wie viele Süchte besetzen die Menschn heute: Sucht nach Geld, nach Macht, nach Sex, Alkohol-, Spiel-, ja Internetsucht.
Achten wir als Christen immer darauf, dass diese Quälgeister nicht auch von uns Besitz ergreifen und uns zu Besessenen machen! Manchmal muß man mutig sein, und fliehen.
Lassen wir Jesu Wort zu uns sprechen, uns von seinem Wort und Sakrament zum Leben befreien. Er hat Vollmacht, die bösen Geister und die Unfreiheit zu vertreiben. Nur Er. Und wir nur mit Ihm.

49. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Liebe Schwestern und Brüder,

Manchmal sind es die kleinen Sätze im Evangelium, die mir besonders nahegehen.
Manchmal sind es die Randbemerkungen in der Hl. Schrift, die etwas Wesentliches zum Ausdruck bringen.
So auch im heutigen Evangelium.

Da wird der Gelähmte getragen. Von vier Männern. Sie wollen zu Jesus. Der Weg ist ihnen aber versperrt. Also steigen sie unter Mühen auf das Dach des Hauses. Behutsam gehen sie mit ihrem kranken Freund um. kühn, wie sie das Dach abdecken. Und dann lassen sie den Kranken vorsichtig auf eine Bahre herunter mit Hilfe einer eilends konstruierten Vorrichtung.
Sie machen sich ganz schön viel Mühe für ihren Freund.

Und in diesem Moment schreibt der Evangelist einen Satz, der mich immer wieder fasziniert:
Als Jesus IHREN Glauben sah, sagte er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, Deine Sünden sind dir vergeben.
Als Jesus IHREN Glauben sah - Vom Glauben des Gelähmten wird garnicht gesprochen, wie sonst: Geh, deine Glaube hat die geholfen.

Nein, als Jesus IHREN Glauben sah - Es geht um den Glauben der Träger.
Weil SIE glaubten, weil SIE alles taten, um ihren Freund vor Jesus zu bringen, geschah das Wunder, geschah die Heilung.

Als Jesus IHREN Glauben sah - In diesen schlichten Worten wird etwas Wesentliches über die Gemeinschaft der Kirche gesagt.

Wir werden getragen vom Glauben der anderen.
„Stell mal ‘ne Kerze für mich auf. Bete morgen für mich.“ oder „Denk an mich.“ Solche Sätze, so oder ähnlich hat mit Sicherheit jeder von uns schon einmal gehört oder gesagt. Gerade vor Examen oder wichtigen Lebensentscheidungen.
Diese Sätze geben auf ihre Art und Weise Zeugnis davon, daß wir einander im Glauben tragen. Es tut gut zu wissen, daß andere mich mit ihren Gebeten tragen. Jedenfalls geht das mir so.

Als Jesus IHREN Glauben sah - die vier Männer trugen einen Gelähmten zu Christus.
Der Kranke konnte sich selber nicht auf den Weg zu Christus machen.
Sich auf den Weg zu Christus machen - in unseren Tagen, in unserem Land mittlerweile eine ziemliche Seltenheit.
Viele sind lahm geworden im Glauben, machen sich nicht auf, sind desinteressiert, wollen oder können nicht.

Wir werden getragen. Aber wen tragen wir?
Wir sehen und spüren wie der katholische Glauben in unserem Land verdunstet. Dieses Phänomen läßt sich selbst in unseren Reihen feststellen, obwohl die Kirche ja sogar im Namen unseres Dorfes vorkommt.

Wenn uns aber wirklich daran liegt, daß der Glaube an Christus weitergelebt wird in unserer Pfarrei, in unseren Familien, in unserem Land, weil dieser Glaube eben heilmacht an Leib und Seele,
wenn uns also wirklich etwas daran liegt, dann ist es unsere Aufgabe, wie die vier Männer zu handeln: die Gelähmten zu Christus zu führen.

Dazu gehört, daß wir für andere beten. Z. B. für den Nachbarn, der menschlich top ist, aber vom Glauben nichts hält bzw. weiß. Oder für den Arbeitskollegen, der nichts gegen die Kirche hat, aber sie auch das letzte Mal bei seiner Firmung von innen gesehen hat.
Oder für den Vereinskameraden, der sich an einzelnen Punkten des Glaubens reibt und droht, ihn deshalb ganz zu verlieren.

Die Gelähmten zu Christus zu führen. Dazu gehört auch, Zeugnis vom Glauben zu geben. Z. B. durch Leserbriefe an Presseorgane, die Falsches oder Böswilliges über Gott, Glaube, Kirche berichten.

Das, was in den letzten Tagen und Wochen über den Papst gesagt worden ist im Zusammenhang mit der Exkommunikation der vier Bischöfe der Pius-Bruderschaft, war in vielen Punkten eine inszenierte Medienkampagne gegen die Kirche und den Glauben allgemein.
Sicher, es hat Fehler im Vatikan gegeben. aber niemand hat dort etwas Unrechtes getan oder tun wollen.

Exkommunikation bedeutet nicht Ausschluß aus der Kirche, sondern Ausschluß von den Sakramenten und den Rechten und Pflichten als Christ. Und zwar ist dieser Ausschluß selbst verschuldet. Der Exkommunizierte hat das Tischtuch mit der Kirche selbst zerschnitten. Er sitzt nicht mehr am gemeinsamen Tisch, weil er die Tischgemeinschaft nicht mehr will.
Wer dann umkehren will, dem wird der Papst, dem kann der Papst das eigentlich nicht verweigern. Die vier abtrünnigen Bischöfe dürfen – wenn sie möchten – nun wieder die Sakramente empfangen. Aber sie haben nach wie vor keine erlaubte Funktion in der Kirche. Auch die Bruderschaft Pius X ist noch lange nicht vollkommen in die Kirche aufgenommen.

Wer dies behauptet oder wer meint, dass Benedikt in irgendeiner Weise antisemitisch sei oder sich gegen das Zweite Vatikanische Konzil stelle, das er ja selbst mitgeprägt hat, der irrt gewaltig – ob wissend oder unwissend, der ist bösartig oder schlecht informiert. Kardinal Kasper – ein bekanntlich sehr besonnener und vermittelnder Mann der Kirche – spricht angesichts der Mediendebatte ungewöhnlich klare Worte:
Aber die Diskussion, wie sie jetzt in Deutschland läuft, sprengt ja alle Maßstäbe. Was da zum Vorschein kommt, ist nicht nur Kritik an diesem oder jenem Verhalten der Kurie, sondern das ist einfach anti-römischer Affekt und zum Teil einfach blanker Kirchenhass. Man macht den Papst lächerlich, nach dem Prinzip: Man schlägt den Sack und meint den Esel. Wenn man den Papst in dieser Weise heruntersetzt, und völlig ungerecht heruntersetzt, dann richtet sich das nicht nur gegen den Papst, dann richtet sich das gegen die katholische Kirche. Ich meine, die Katholiken müssten jetzt aufstehen, müssten sagen: das lassen wir uns nicht gefallen, das ist Intoleranz.

Ich sehe in dem Zugehen des Papstes auf die Piusbrüder einen Akt der Barmherzigkeit, aber auch vor allem der Klugheit: Wenn die Piusbruderschaft es nämlich ernst meint mit der Rückkehr in die Kirche, dann ist sie jetzt am Zug, es zu zeigen. Wenn es ihnen nicht entscheidend und überzeugend gelingt, dann hat sie sich selber sozusagen zerschlagen.
Diejenigen Gläubigen, die sich den sogenannten Traditionalisten zugehörig fühlen, sehen ja jetzt auch, was für wirre Ideen ein Teil ihrer Leute bewegt. Einige wenden sich mit Grausen von den Worten Williamsons ab. Erste Suspendierungen innerhalb der Bruderschaft haben auch schon stattgefunden.
Die kommende Zeit wird eine Zeit der Reinigung und der Klärung sein. Für die Piusbrüder und die katholische Kirche. So hoffe ich. Auch hier können wir mit unserem Gebet einstehen, für den Papst und seine Mitarbeiter für alle Gläubigen guten Willens.

Als Jesus IHREN Glauben sah - Diese schlichten Worte über die Träger des Gelähmten schenken Trost und sind ein Anspruch an uns.
Der Trost, getragen zu sein vom Glauben der anderen.
Der Anspruch, die anderen zu Christus zu tragen. Auch die, die uns vielleicht nicht liegen.

50. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Liebe Schwestern und Brüder,
Die Evangelien sind frohe, heilmachende Botschaft. Wir brauchen sie nur zu hören und uns dabei gegenwärtig zu halten, dass auch die äußeren Ereignisse, die das Evangelium erzählt, immer Inneres versinnbilden – das, was in der Seele zwischen Gott und uns vorgeht. Und dann werden wir ihrer heilenden Kraft inne.

Es wird Nacht, so hören wir. Jesus und die Jünger fahren in einem Boot über den See Gennesaret ans andere Ufer hinüber. Markus erzählt davon auf eine Weise, die uns Winke gibt, worum es ihm eigentlich geht:
nicht vom See Gennesaret spricht er, sondern vom „Meer“, und nicht von dem Ziel, zu dem Jesus und die Jünger unterwegs sind, sondern bloß vom jenseitigen Ufer, wörtlich von der „Jenseite“. Die kleine Szene – das will Markus damit andeuten – ist ein Sinnbild für unser menschliches Dasein.

Unterwegs sind wir zum jenseitigen Ufer, unterwegs auf dem Meer, über Abgründen und Unwägbarem, wo kein Mensch Fuß fassen und was keiner mit eigener Kraft beherrschen kann; wo wir uns ausgeliefert erfahren.

Ein kleines Boot nur, eine Nussschale trägt uns auf diesem Meer: Nussschale – das ist die Gemeinschaft, in der wir uns geborgen fühlen; die Menschen, die zu uns stehen; auch die eigenen Kräfte, die kleinen, die wir aufbringen manchmal.

So erscheint uns das Leben manchmal: eine riesige, unüberschaubare Aufgabe, für die wir irgendwie kaum gerüstet zu sein scheinen.

Es wird Nacht, die Ruhe kehrt ein. Aber: gerade dann, wenn rings um uns der Lärm schwindet, wenn es still wird und einsam, dann bricht gar nicht selten in uns drinnen der Sturm los:
Was wir falsch gemacht haben, quält uns; uns reut, einen Menschen getäuscht, verletzt, hintergangen zu haben;
den Chancen, die wir selbst mitverschuldet verschenkt haben, trauern wir nach;
Sorgen macht uns, wie es weitergehen soll mit der Last einer Krankheit, dem Einsamsein, des Versagens, einer Schuld, die auf uns liegt.

Da wird die kleine Nussschale des Lebens nicht nur hin und hergerissen – da schwappt das Meer, dieses unwägbar Gefährliche und Bedrohende, ins Boot hinein. So erfahren wir leibhaft – auf dem Meer der Angst –, wie wenig es braucht, dass wir untergehen. Buchstäblich! Wahrscheinlich kennen das etliche von uns, mehr als man wohl denken möchte. Die Stunden früh zwischen zwei und vier können quälend sein, wenn man nicht schlafen kann vor sorgenvollen, ja angstvollen Gedanken.

Jesus schläft, erzählt Markus.
Trotz des tobenden Sturmes ringsum liegt er auf einem Kissen in tiefem Frieden. Anders die Jünger: sie geraten in Panik und wecken Jesus auf, dass er sie rette vor dem Untergang. Er tut das – wie beiläufig beruhigt er Meer und Wind. Und dabei tadelt er die Jünger: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?

Eben damit spricht Jesus sein eigenes Geheimnis aus – das Geheimnis, wer er ist und warum er sogar Macht über Meer und Wind hat, dass sie ihm gehorchen.

Mit der Frage an die Jünger sagt Jesus nämlich: das tobende Meer und den Sturm, also das Auf und Ab und die Gegenkräfte im Leben erlebt nur der als gefährlich und als Bedrohung, der Angst hat.

Angst ist das Gegenteil von Glaube. Glauben heißt: Ich traue Gott.
Auch dem Glaubenden begegnet Gefahr und manche Widerwärtigkeit. Und immer wieder wird er darauf gestoßen werden, wie schwach und klein er in Wahrheit ist.

Nur: wer Gott traut – und so traut wie Jesus –, dem rauben auch der Sturm und das aufgewühlte Meer nicht den Schlaf. Versagen nicht; Schwäche nicht; Not nicht; nicht einmal Schuld. Weil er sich in allem und über alle Abgründe hinweg immer schon und für immer gehalten weiß. Wer glaubt, ist so stark, dass sich Sturm und Wogen der Angst vor ihm legen. Wie vor Jesus, weil er Gott ganz traute. Sein Wort, die Frohe Botschaft vom Gott, der uns trägt, wirkt das Wunder, dass der Sturm in uns still wird.

Sprichwörtlich ist die Ruhe vor dem Sturm. So reden Menschen, die auf dem Sprung sind, weil sie sich ängstigen, was denn nun noch oder schon wieder kommen wird. Wie viel Zeit und Kraft können wir Menschen verschwenden, indem wir uns in den düstersten Farben ausmalen, was alles passieren könnte, wenn dieses einträte und dabei jenes herauskommen könnte... Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber.

Jesus zeigt uns, dass es auch Ruhe nach dem Sturm gibt, ja sogar während des Sturmes gibt. Wenn ich mich wirklich in Gott festmache, vertue ich meine Zeit nicht mit Schwarzmalerei.
Sondern ich sehe Jesus bei mir, an meiner Seite. Wenn ich auf ihn blicke, wie er da steht, ganz ruhig und die Stürme beherrschend, dann werde ich selber ruhiger. So fasse ich Vertrauen und bekomme eine klaren Kopf, um zu denken und das zu planen, was vor mir liegt.

Liebe Schwestern und Brüder,
immer wieder in der Auslegungsgeschichte dieses Evangeliums wurde die Nussschale mit dem Schiff Petri, der Kirche gleichgesetzt. Gerade in Europa spüren wir, dass die Kirche in schwere Wasser geraten ist. Die Wogen der Welt scheinen die Kirche zu überfluten.
Ein sorgemachendes Indiz dafür ist der Mangel an Berufungen zum Priesteramt, aber auch die Not vieler Priester, ihren Dienst am Bord des Schiffes Kirche zu tun. Das Burn-out-Syndrom breitet sich unter ihnen aus. Manche halten dem Druck und den Sorgen nicht mehr stand, suchen Zuflucht im Alkohol oder verlassen gar das Schiff.

Auch aus diesem Grund hat unser Hl. Vater ein Jahr des Priesters ausgerufen, das am vergangenen Freitag begonnen hat und im Juni nächsten Jahres enden soll. Es orientiert sich am 150. Todestag des Hl. Pfarrer von Ars, dem Patron der Priester.

Es wird ein Jahr sein, in dem den Priestern Gelegenheit gegeben werden soll, über ihren Dienst und ihre Identität, ihren Lebensstil nachzusinnen. Ein tieferes Verständnis des eigenen Tuns führt zur Freude.

Gleichzeitig verbindet der Papst dieses Jahr mit der Bitte an die Gläubigen, besonders für die Priester und um Berufungen zum Priesterstand zu bitten. Dazu möchte ich sie von Herzen ermutigen. Als Priester lebe ich vom Gebet der Gläubigen.

Die Situation der Kirche - und des Priesterstandes - macht vielen Sorge, Priestern wie Laien – aber Jesus ist mit an Bord. Blicken wir auf ihn. Und lassen wir ihn wirken. Er kann dem Wind und den Wellen befehlen. Er führt das Schiff und lenkt es zu seinem Ziel. Und er vergisst niemanden an Bord.

51. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus. So haben wir Jesus gerade sprechen gehört.

Jesus hatte die Jünger in die Städte und Dörfer der Umgebung geschickt, damit sie ihm den Weg bereiteten. Es muß ein Stück Arbeit, muß Mühe und Aufregung gewesen sein, denn zum ersten Mal waren sie nicht mehr nur aufmerksame Zuhörer Jesu, sondern selbst Verkünder der Botschaft. Sie kehren zurück - müde zwar, doch erstaunt ob des Gelingens und mit dem Bedürfnis, dem Herrn alles zu erzählen, was sie getan und gelehrt hatten. Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein.

Dieses um allein zu sein deutet an: Nicht nur sie werden die Aussprache mit dem Herrn gesucht haben, auch der Herr mit ihnen: Welche Fragen wird Jesus ihnen dort wohl gestellt haben? Und was wird er ihnen erzählt haben?

Das Evangelium berichtet anschaulich von Jesus und seinen Jüngern: Sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen. Diese Bemerkung läßt sich unschwer auf so manche Situation unseres eigenen Lebens übertragen. Der Alltag kann sehr anstrengend sein, nimmt man seine Pflichten und Aufgaben wirklich ernst. Deshalb sollen Leib und Seele in den Zeiten der Entspannung wieder zu Kräften kommen. Wer das schuldhaft vernachläßigt, schadet nicht nur seiner Gesundheit, er ist meistens dann auch gereizt, überfordert seine Mitarbeiter, beeinträchtigt eine motivierende Arbeitsatmosphäre, schadet sein ehernamtliches Engagement und empfindet Ehepartner, Kinder, Geschwister und Freunde zunehmend als Last.
Deshalb ist Erholung kein Luxus, sondern eine bisweilen schwerwiegende Pflicht.
Wir kehren unserer momentan ungeliebten Arbeit nicht den Rücken, sondern lassen sie nur ein wenig ruhen und regenerieren unsere physischen und psychischen Kräfte.

Arbeit und Ruhe müssen in einem gesunden Verhältnis sein. Gerade auch deshalb kämpft die Kirche um den Erhalt des Sonntags. „Der Mensch soll Gott nachahmen sowohl in der Arbeit als auch in der Ruhe, da Gott selbst ihm sein eigenes schöpferisches Tun in der Form der Arbeit und der Ruhe vor Augen führen wollte.“ so hat es Johannes Paul II. in seiner Sozialenzyklika Laborem exercens geschrieben.

In den Staaten des Westens gibt es mittlerweile nicht nur den einen freien Tag in der Woche. Es gibt das freie Wochenende. Die Arbeitszeiten haben sich im Vergleich zu vor 100 Jahren fast halbiert. Die freie Zeit – die Freizeit - ist mehr geworden.
Das ist doch eigentlich gut.

Aber immer mehrklagen darüber, daß der Vergnügungsrummel auf die Dauer nicht zu Freude, sondern zum Ekel wird. Und andere wissen gar nicht mehr, was sie mit der vielen Freizeit anstellen sollen. Langeweile der Arbeit und Langeweile der Freizeit bedingen einander.
Richtiger Umgang mit der Freizeit ist nur aus einer Haltung der Muße möglich, die mit dem Feiern verwandt ist - wir sprechen ja auch vom »Feierabend«. Daruaf weist der große deutsche Philosoph Josef Pieper hin. Und weiter sagt er: Freizeit bedeutet eine »Überschreitung der Arbeitswelt«8 und ihrer Zwänge. Diese Haltung gehört »zu den Grundkräften der menschlichen Seele«9 und ist eine Gestalt jenes Schweigens, das eine Voraussetzung ist für das Vernehmen von Wirklichkeit: nur der Schweigende hört; und wer nicht schweigt, hört nicht. Solches Schweigen ist nicht stumpfe Lautlosigkeit, nicht totes Verstummen (...).
Die Muße ist nicht die Haltung dessen, der eingreift, sondern dessen, der sich öffnet; nicht dessen, der zupackt, sondern dessen, der losläßt, der sich losläßt und überläßt.«1

Die Fähigkeit des Menschen, nicht aufzugehen in den Zwecken und Zwängen des Lebens, ist Teilnahme an der Souveränität und Freiheit Gottes. Denn der Mensch ist der Gipfel des Schöpfungswerkes und nicht so wie das Tier in die Mechanismen des Lebens eingespannt. Der Mensch kann aussteigen. Er muß nicht täglich wie ein Maulwurf die Erde durchwühlen. Wir Christen können in einer stark auf Leistung und Konsum orientierten Gesellschaft das urmenschliche Bedürfnis nach Muße und Entspannung wach halten, nicht allein aus zweckmäßigen Gründen, sondern aufgrund der Würde des Menschen.

Dazu gehört eine christengemäße Art zu feiern, den ursprünglichen Zusammenhang vom jeweiligen Fest und seinem religiösen Sinn zur Geltung zu bringen. Wie trivial werden Weihnachten und Ostern, wenn ihnen der Glaubenssinn fehlt! Und wie verkommen kann ein Sonntag ohne Glauben, der ja mittlerweile für viele zu einem verlorenen Tag geworden ist, weil da Profit verloren geht.

Die Festtage erinnern uns an die Großtaten Gottes, und wir öffnen uns entspannt und aufnahmefähig dem Wirken der Gnade.
Sich erholen heißt Kräfte sammeln, Hoffnungen beleben, Zukunftspläne erwägen - kurz: die Art der Tätigkeit wechseln, um dann mit frischem Schwung zur gewohnten Arbeit zurückzukehren.

Erholung bedeutet nicht, sich eine Zeitlang - im Urlaub oder in den Ferien - vom Christsein zu suspendieren. Sie kann im Gegenteil uns tiefer mit Christus verbinden, indem wir uns mehr Zeit zum Gebet nehmen, uns Kirchen anschauen und dort verweilen. Vielleicht finden wir auch Zeit für ein gutes, religiöses Buch.
Lassen wir uns vom Herrn einladen, mit ihm allein zu sein.

52. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Schwestern und Brüder!
„Ihr sucht mich, weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid.“ so stellt Jesus ernüchternd fest, nachdem er – wie wir es am letzten Sonntag gehört haben – 5000 Männer gespeist hatte.

Sie suchen ihn nicht wegen seiner Lehre, nicht weil er ein Zeichen gewirkt hat, das offenbart: „Gott ist da.“ Sie suchen Jesus nicht um Jesu willen, sondern um ihres Magen willen.
Wenn sie an Jesus glauben sollen, dann müsse er sich schon mit einem neuen Wunder vor ihren Augen beglaubigen. Also noch einmal bitte etwas für den Magen. Mose hat das ja so auch gemacht, indem er das Manna in der Wüste und die Wachteln von Gott erbeten hatte.

Es scheint, dass die Menschen damals nichts kapiert haben. Jesus war gut als Prominenter, der viele anzog. Seine Show wollte man nicht verpassen. Deshalb kam man mit. Ein Wunder zu sehen, satt zu werden, schien ja auch ganz toll.
Aber deshalb sein Leben ändern, an Gott glauben, Jesus als Jünger nachfolgen, seine Lehre annehmen... lieber nicht.

Vielleicht erwischen wir uns gerade dabei, wie wir die Menschen von damals innerlich verurteilen. Aber auch heute geht es vielen ähnlich: die Zeremonie der Taufe als Segen Gottes für die Kinder, die Erstkommunion als Anlass für eine tolle Familienfeier, die Kirche als romantischer Ort für eine Hochzeit...ja gerne...

...aber mit den Kindern beten und in der Bibel lesen, mit ihnen und auch dem Partner sonntags zum Gottesdienst gehen, sich ernsthaft über die Lehre der Kirche zu informieren und danach zu handeln, sich Zeit nehmen für das persönliche Gebet ... nee, das muss nicht sein.
Es gibt viele hierzulande – auch in Kirchhellen – die so leben.
Kirche und Jesus – na klar! – aber nur dann, wenn ich etwas davon habe, wenn es mein Leben verschönert, mir Nutzen bringt... ab und zu eben, wenn es mir so danach ist, wenn ich das Bedürfnis danach habe usw.

Ich stelle mir die Menschenmenge von damals vor, und ich vermute sie ist so zusammengesetzt, wie unsere Weihnachtsgottesdienste heute:
wenige, die ganz allein wegen Jesus da sind, ihn als enge Jünger angehören
einige, die einfach mitgekommen sind, weil es die Frau, der Mann, der Freund, die Familie so will,
einige, weil sie nichts dagegen haben, zu kommen, aber auch nicht wirklich wissen warum: Schad ja nix!
viele, die offen sind für eine gute Botschaft, die sie erbaulich finden, die der Atmosphäre wegen kommen... und, und, und...

Liebe Schwestern und Brüder,
ich beklage das gar nicht. Ich beschreibe es einfach.
Der Herr hat die Menge ja auch keiner Prüfung unterworfen, einer Art Zulassungsexamen, er hat keine Eintrittskarten verkauft oder ein Security-Team angestellt, die die ganz treuen von den eher lauen Jüngern trennt. Immerhin sind sie ja da und haben sich z. T. auf die weite Reise gemacht, etwas in Kauf genommen, um Jesus zu sehen.

Ich werde als Pastor auch niemand einfach mal so wegschicken, weil er oder sie sonst nicht zu treffen ist. Ich werde auch kein Bonuspunktesystem einführen für Sonntagskirchenbesucher, damit sie an Weihnachten einen Sitzplatz bekommen und der ihnen nicht von Gelegenheitschristen weggeschnappt wird. Ich darf auch nicht einfach so Eltern die Taufe ihrer Kinder verweigern oder ein Ehepaar ablehnen, wenn sie mir sagen, dass sie heiraten wollen und dem auch rechtlich nichts im Wege steht.

Ich werde aber bei der Verkündigung, der Katechese, den Gesprächen keineswegs die Botschaft der Kirche und das Evangelium Jesu verkürzen.
Jesus hat seine Botschaft auch nicht geändert, obwohl viele sie für viel zu anspruchsvoll hielten. Er hat keine banalen Lebensweisheiten verkündet, wie es esoterische Autoren tun und damit eine ganze Menge Geld verdienen.

Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.
Das sagt Jesus auch zur Menge.

Es ist das Werk Gottes, dass Menschen an ihn glauben. Das ist nicht das Ergebnis einer supergescheiten Werbestrategie, einer wohldurchdachten Kampagne mit den besten Jüngern als Kompetenzteam. Der Glaube ist nicht machbar. So wie Berufungen zum Priester- oder Ordensstand nicht machbar sind.

Der Glaube ist ein Geschenk. Man kann ihn sich nicht verdienen. Haben sich die Menschen damals etwa ein solches Wunder der Brotvermehrung verdient?
Haben wir etwa verdient, dass Jesus, der Sohn Gottes sich für uns hat kreuzigen lassen?

Der Glaube an Jesus ist ein Geschenk, eine Gnade. Wer an ihn glaubt weiß das. Jesus bezeichnet sich selber als das Brot, das der Welt das Leben gibt.

Mit welchen Augen mag Jesus auf die Menge vor ihm geblickt haben, wissend, dass sie aus den ganz unterschiedlichsten Motivationen gekommen sind?
Er wird sie mit liebenden und hoffenden Augen angeschaut haben:

- liebend, weil er für jeden und jede ans Kreuz gehen wollte, um ihnen zu zeigen, dass Gottes Liebe zu uns Menschen aufs Ganze geht.
- hoffend, dass die Menschen diese Liebe erkennen und annehmen, sich beschenken lassen, sich öffnen, damit das Werk Gottes geschieht, dass sie an den glauben, den er gesandt hat.

Wer weiß denn schon, wie viele sich nach dem Wunder, nach der Begegnung mit Jesus für ihn entschieden haben, an wie vielen sich das Werk Gottes vollzogen hat?

Liebe Schwestern und Brüder,
ich wünsche uns allen in der Kirche – den Geweihten wie den Laien – diesen Blick Jesu.
Es gibt viele Menschen, die nach einem sinnvollen Leben hungern. Das ist oft unterschiedlich in den Lebensaltern und –situationen.
Und es ist gut, wenn sie zur Kirche kommen mit ihren Fragen und Sehnsüchten, die oft verborgen sind. Wenn sie kommen, sind sie immerhin in irgendeiner Weise offen für de Glauben.

Als Glieder der Kirche dürfen wir dann nicht hämisch oder hochmütig auf diese Menschen herabschauen. Wir haben uns den Glauben auch nicht verdient. Er ist uns geschenkt worden. Für dieses große Geschenk sollten wir dankbar sein und es in seinem ganzen Reichtum hegen und bewahren.

Unsere gelebte Dankbarkeit Gott und auch der Kirche gegenüber – ganz konkret im Alltag und Gottesdienst - kann Menschen offen machen für das Geschenk, das wir schon erhalten haben, für das Werk Gottes, dass wir an den glauben, den er gesandt hat.

Wenn wir nicht dankbar sind, wer denn dann? Gibt es reicher Beschenkte als uns?

53. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Liebe Schwestern und Brüder!

Im Evangelium hörten wir gerade über die Jünger und Jesus:
„Darauf öffnete er ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift.“

Die Augen öffnen – das heißt: die Augen waren vorher eben nicht offen, zumindest nicht offen genug. Erst durch die Hilfe Jesu wurden die Jünger wirklich zu Menschen mit offenen Augen, zu Sehenden. Im Originaltext steht hier nicht einfach nur „öffnen“, sondern sicher nicht ohne guten Grund die seltene Wortform „dianoigo“ statt „anoigo“.

Ganz streng übersetzt würde das bedeuten: Jesus eröffnete ihnen die Augen. Bei Eröffnung denken wir z.B. an einen Laden, ein Geschäft, eine Gaststätte usw. – Wenn der Besitzer gewechselt hat oder gründlich renoviert wurde, dann wird anschließend neu eröffnet. Oft wird dafür sogar geworben: „Achtung – Neueröffnung!“

Eröffnung, das ist etwas Neues. Öffnen, das geschieht jeden Tag, immer wieder. Aber eröffnen, das geschieht nur, wenn etwas Neues geöffnet wird.

Wir feiern heute den 3. Sonntag der Osterzeit. Ostern – das ist nicht nur ein einmaliges Ereignis, das mit der Auferstehung Jesu abgehakt ist. Das heutige Evangelium erinnert daran, dass Ostern weitergeht, dass Ostern auch ein fortlaufender Prozess ist. Mit Ostern hat sich die Welt grundlegend geändert, denn der Tod hat seinen Stachel verloren.

Ostern – das ist wie ein Loch, wie ein Durchbruch durch eine dicke Wand, die wir Menschen im Gefängnis der Sünde und des Todes nach dem Bauplan des Bösen errichtet hatten.

Der Durchbruch des göttlichen Erbarmens, den die Auferstehung Jesu bewerkstelligt hat, wird nicht wieder zugemauert. Dieser Durchbruch bleibt, und Ostern geht weiter.

Wenn Jesus vielen Jüngern nach Ostern an verschiedenen Orten erschienen ist, dann geschah das nicht einfach nur so. Jesus begegnete ihnen und belehrte sie, damit sie seine Neu-Eröffnung auch deutlich sehen können. Doch nicht nur das, denn sie selbst sollen an andere weitergeben, was sie selbst erfahren durften. Im heutigen Evangelium heißt es dazu nur knapp: „Ihr seid Zeugen dafür.“

Das Wichtigste hat sich Jesus hier bis zum Schluss aufgehoben: Ihr seid Zeugen dafür!

Wenn jemand Zeuge ist, wenn er oder sie etwas gesehen hat, was andere nicht gesehen haben, dann hat derjenige oder diejenige eine wichtige Aufgabe. Wir kennen das z.B. durch Zeugenaussagen vor Gericht, die zur Klärung einer Angelegenheit beitragen, etwa Aussagen zu einem Unfallgeschehen.

Ein Zeuge muss auch bereit sein, mit seinem Namen zu seinen wichtigen Angaben zu stehen, denn es geht um die Wahrheitsfindung und um die Gerechtigkeit.

Ihr seid Zeugen dafür! - Dieser Aufruf Jesu ging nicht nur damals an die Jünger, sondern er geht seit Ostern immer wieder an jeden, der ihm nachfolgen will. Lege Zeugnis ab für das, was du im Glauben erfahren hast. Denn Jesu Ziel ist es, dass alle Völker zu ihm umkehren, damit bei allen endlich Ostern werden kann.
In unseren Eucharistiefeiern betet die ganze Gemeinde als Zuruf beim Hochgebet: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“

Verkünden und preisen – diese Aufgaben, die wir für die Heilige Messe selbst so klar formuliert haben, erwartet der österliche Jesus von denen, die seine Jünger sein wollen. Dann erfahren alle von der Neu-Eröffnung!

Liebe Schwestern und Brüder!
Zeugen der Auferstehung zu sein – das ist unser aller Berufung. In besonderem Maße sollen es die geweihten Diakone und Priester sein. In unserem Bistum werden an diesem Sonntag drei Männer zu Diakonen, an Pfingsten vier Männer zu Priestern geweiht. Wir waren damals zwölf. Das war vor elf Jahren. Ein Rückgang um Dreiviertel.

Liebe Schwestern und Brüder, Berufungen zum Priestertum und auch zum Ordensstand können wir nicht machen, nicht durch Änderungen der Zulassungsbedingungen oder durch geschickte Medienkampagnen. Berufungen sind Geschenke, sind Gnaden und auch Zeichen der Lebendigkeit des Gebetes in der Kirche.
Ich möchte sie ermutigen, in dieser Osterzeit ganz besonders um geistliche Berufungen zu beten.

Und darum möchte ich Sie bitten, sich zum Auferstandenen zu bekennen, sein Zeuge, seine Zeugin zu sein. Darauf wartet die Welt, weil es ihr neue Perspektiven eröffnet. Amen.

54. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Liebe Schwestern und Brüder!
Das Evangelium von heute rührt mich immer innerlich wieder an: Es war das Evangelium, dass bei meiner Erstkommunion vor nun dreißig Jahren gelesen wurde. „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.“ hat der Herr sozusagen damals zu uns Jungen und Mädchen gesagt, die ihn zum ersten Mal empfingen.
Wer einem besonders wichtig ist, mit dem bleibt man gerne und regelmäßig in Verbindung. Wenn einem an einer Person etwas liegt, dann sorgt man schon dafür, dass der Kontakt nicht abreißt. Man bleibt im Gespräch. Liebende tun das selbst dann, wenn das manchmal nur per Telefon geht, eventuell sogar mit teuren Auslandsgesprächen. Die hohe Telefonrechnung nehmen sie dafür in Kauf. Liebende wollen zusammenbleiben, so gut das eben machbar ist.
„Bleiben“ ist auch das Stichwort Jesu im heutigen Evangelium. Ich habe es nachgezählt: insgesamt 9 mal kommt der Begriff in diesem Text vor. Nicht das Abschneiden schlechter Reben ist also das Hauptthema, sondern die feste, andauernde Verbindung, das Bleiben.
Jesus sagt es so: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben…“
Wenn wir die Stelle in der Bibel aufschlagen, sehen wir sofort: nur wenig später beginnt das Leiden und Sterben Jesu. So dürfen wir die heutige Aussage Jesu auch als eine eindringliche Aufforderung Jesu an alle verstehen, die seine Jünger und Nachfolger sein wollen: Bleibt mir treu! Bleibt mit mir in fester Verbindung!
Genau wie eine Rebe könnt ihr aus euch selbst nicht wirklich Frucht bringen. Das gelingt dauerhaft nur dann, wenn ihr von mir wie von eurem Weinstock dazu die nötigen Nährstoffe bekommt.
Jesus fordert von den Seinen also nicht irgendwelche olympiareifen Leistungen, die sie nur mit zusammengebissenen Zähnen, leidendem Gesichtsausdruck und körperlich völlig erschöpft erreichen können.
Nein, Christsein und Nachfolge Jesu ist kein Konkurrenzkampf und kein Leistungssport. Was Jesus erwartet, ist etwas anderes: es ist die Bereitschaft, in Verbindung zu bleiben, also etwas, das für Liebende das Selbstverständlichste der Welt ist.
Unsere moderne Welt hat dafür sogar einen englischen Ausdruck parat: die „Flatrate“. Bekannt wurde der Begriff besonders für Telefon und Internet. Als Käufer eines „Flatrate“-Tarifes hast du pauschal das Recht erworben, beliebig oft und beliebig lange zu telefonieren oder im Internet zu surfen. Früher nannte man das auf gut deutsch einfach einen Pauschal-Tarif. In einer Pauschale ist alles enthalten, wie bei einem Pauschal-Urlaub.
Solch eine Jesus-Flatrate sollte der Christ also haben, meint Jesus. Natürlich genügt nicht das Haben. Es wäre dumm, einen Pauschal-Tarif zu besitzen, ihn aber nicht zu nutzen. Nein, sagt Jesus, nur wenn ihr dauernd mit mir in Verbindung steht, werdet ihr gute Frucht bringen.
Das ist fast schon wie bei einem Kind im Mutterleib: Ohne die ständige Versorgung durch die Nabelschnur wird das Kind nicht wachsen und reifen können.
Für uns Christen ist es also die vordringlichste Aufgabe, mit Jesus in Verbindung zu bleiben. Das ist überhaupt nichts Anstrengendes. Vielmehr ist es unter Liebenden die natürlichste Sache der Welt.
Ja, das ist der springende Punkt:
die Liebe! Nur wer Jesus liebt und ihm vertraut, kann auf Dauer in dieser fruchtbaren Beziehung von ihm leben.

Dabei darf man nicht übersehen, dass man als Jünger Jesu schon längst in dieser festen Verbindung drin ist, man muss darum also nicht etwa bitten.
Jesus sagte schließlich: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.“ - Man kann ja logischerweise nur irgendwo bleiben, wenn man schon dort angekommen ist! Also ist jeder von uns schon in Jesus Christus, und der ist in jedem von uns. Das Stichwort „Taufe“ sollte hier genügen, um jeden von uns an den Beginn dieser Verbindung zu erinnern. In jedem Empfang der Heiligen Eucharistie stärkt der Herr diese Verbindung, indem er ganz konkret zu uns kommt.
Unsere Aufgabe ist es nicht, darüber zu grübeln, wie wir wohl am besten Frucht bringen für den Weinberg Gottes. Die Weinreben brauchen sich nicht um die Frucht zu kümmern, das macht schon der Winzer.
Die einzige Aufgabe der Weinreben ist es, mit dem Weinstock in dauernder Verbindung zu bleiben, deshalb ja auch die Jesus-„Flatrate“. Dann können die Jesus-Nährstoffe ungehindert fließen, und nach guten Pflegemaßnahmen durch den Winzer wird es eine reichliche Ernte geben.
Wir sollten also weder Erbsen noch Trauben zählen, nicht vergleichen und nicht rechnen. Nicht wir entscheiden, was abgeschnitten wird, sondern Gott, der Winzer. Überlassen wir das getrost dem Fachmann. Der weiß sehr genau, was verbrannt werden muss, damit es die anderen Reben nicht gefährdet.
Die französische Philosophin Simone Weil brachte es so auf den Punkt: „Warum sollte ich mir Sorgen machen? Meine Sache ist es, an Gott zu denken. Und Gottes Sache ist es, an mich zu denken.“
Es fällt zudem auf, dass Jesus sich an alle wendet, nicht an Einzelne: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.“ - Einen Weinstock mit nur einer einzigen Rebe habe ich auch noch nicht gesehen. So geht es Jesus auch hier um die Gemeinschaft seiner Jünger. Gemeinschaft haben wir untereinander, wenn wir mit IHM in Verbindung bleiben.
Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.
Bleibt in mir, dann werdet ihr, bleibt ihr eine Kirche, die Frucht bringt.

55. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Liebe Schwestern und Brüder!

Ich meine ja, dass in der Schule zu wenig auswendig gelernt wird heutzutage. Das war zu meiner Zeit leider absolut out. Es schien pädagogisch wohl nicht wertvoll.
Dabei sind die wenigen Dinge, die ich auswendig können musste, immer eine Hilfe gewesen, sei es in Latein, in Mathe oder sonstwo.

Ein Gedicht habe ich gelernt, das ich bis heute noch kann. Der römische Brunnen von Conrad Ferdinand Meyer:
Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.
„Und?“ werden Sie denken „Was hat das jetzt mit dem Evangelium zu tun? Mit der Messe? Will der Pastor jetzt mit kulturellem Wissen protzen, oder was?“

Nein, dieses Gedicht kam mir in den Sinn als ich die Lesung aus dem 1. Johannesbrief gelesen habe, genauer den Satz:
Die Liebe besteht nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Gott uns geliebt hat.

Was hat das nun mit dem Gedicht vom römischen Brunnen zu tun?
Stellen sie sich einmal vor ihrem inneren Auge den im Gedicht beschriebenen Brunnen vor.
Er hat drei Schalen, die nach oben hin kleiner werden. Oben entspringt das Wasser. Ist die obere Schale voll, rinnt das Wasser über den Rand der Schale nach unten in die nächste. Ist diese voll, läuft das Wasser in die dritte Schale.
Vielleicht haben sie einen solchen Brunnen schon einmal gesehen. Auf dem Petersplatz in Rom z. B. stehen zwei ähnliche.

Ich finde das Bild vom überlaufenden Brunnen ein schönes Bild. Nicht nur in natura, sondern auch im übertragenen Sinn. Es erschließt mir etwas vom Leben mit Gott.

Die Liebe besteht nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Gott uns geliebt hat.
Am Anfang steht nicht unsere Liebe zu Gott, sondern seine Liebe zu uns.
Das frische, belebende, ja lebendige Wasser fließt von oben hinab in die noch leere Schale. Für mich ein Sinnbild unseres Herzens, unserer Seele.
Erst wenn wir uns anfüllen lassen mit der Liebe Gottes, können wir diese auch weitergeben.
Der Brunnen läuft ja auch erst dann nach allen Seiten über, wenn er selbst ganz voll von Wasser ist. Darum dürfen wir uns zunächst einmal erst selbst mit der Liebe Gottes gleichsam volllaufen lassen, bevor dann diese Liebe überstrahlt auf die anderen Menschen.

Diese Liebe ist auch nicht etwas, das wir produzieren müssten. Das Wasser schießt ja nach oben heraus, ohne dass das von der Schale abhinge.
Mir sagt das: „Du bist von Gott geliebt, ohne Wenn und Aber. Und wenn nichts Liebenswertes mehr in dir ist, wenn du dich selber schon nicht mehr ausstehen kannst, wenn alle mit dem Finger auf dich zeigen, dann gilt das immer noch, dass Gott dich liebt.“

Der Apostel Paulus schreibt einmal im Römerbrief mit einem jubelndem Unterton: „Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes.“ Es kann mit uns passieren, was will. Gott wird nicht aufhören, uns zu lieben.

Denn so sagt der erste Johannesbrief: „Gott ist die Liebe“ schlechthin! Er ist seinem Wesen nach Liebe. Er kann gar nicht anders, als lieben. Seine Liebe zu uns ist eine übersprudelnde Quelle, die nie versiegt.

Erst, wer sich geliebt weiß, kann andere lieben. Es gab einmal Versuche mit Kinder von inhaftierten Müttern. Einen Teil der Kinder hat man in die besten, schönsten Heime gebracht. Dort wurden sie von gut qualifiziertem Personal betreut. Ein andere Teil blieb bei den Müttern im Gefängnis. Später sollte sich herausstellen, dass die Kinder unter den objektiv schlechteren äußeren Bedingungen – die im Gefängnis – psychisch und physisch den anderen überlegen waren. Die Mutterliebe, die echte Liebe kann niemand ersetzen.

Klammer auf: Ob das unsere ach so modernen Familienpolitiker, die nach Ganztagsbetreuung der noch unter ein Jahr alten Kinder schreien, jemals verstehen werde? Aber vielleicht geht es denen ja auch nicht um die Kinder, sondern um die Wirtschaft, um die Arbeitskraft der Eltern. Klammer zu.

Nur wer sich geliebt weiß, kann andere lieben.
Nur wer sich bedingungslos geliebt weiß, kann andere bedingungslos lieben.
Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. sagt Jesus von sich und über uns.
Als Christen dürfen wir uns bedingungslos geliebt wissen, weil Christus uns geliebt hat, bis zum Tod am Kreuz und darüber hinaus.

Deshalb konnten auch so viele Heilige die anderen bedingungslos lieben. Denken wir nur an Mutter Teresa: sie hat sogar Menschen mit ihrer Liebe beschenkt, die von Würmern und Maden angefressen an Straßenrand, in der Gosse lagen.


Ihr Herz war kein Rohr, durch das das Wasser der Liebe Gottes ohne Halt hindurchfloss. Nein, ihre Seele war einer Schale gleich, die erst einmal die Liebe Gottes aufnahm. Und dann gab sie diese Liebe weiter. Wenn man sie fragte, woher sie denn die Kraft für all diese Liebesdienste nähme, antwortete sie immer wieder: aus der täglichen Messe und der Anbetung. Von daher kam ihr das Wasser des Lebens und der Liebe.

Liebe Schwestern und Brüder!
Machen auch wir unsere Seelen zu Schalen. Öffnen wir uns dem, was Gott uns schenkt. Nehmen wir uns einmal Zeit, uns von den Worten der Hl. Schrift oder von der Anwesenheit Jesu im Tabernakel beschenken zu lassen. Lassen wir uns einfach einmal anfüllen. Einfach so. Ohne irgendetwas zu leisten. Es wird uns gut tun. Und eben deshalb auch den anderen.

Eine lebendige Ruhe wird uns dann erfüllen. So wie der Brunnen ständig in Bewegung ist, aber eine wundersame Ruhe ausstrahlt.

Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.
Zum Glück habe ich dieses Gedicht einmal auswendig gelernt.

56. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Ein schwieriges Evangelium, liebe Schwestern und Brüder,
das wir da gerade gehört haben.
Schwierig, aber auch erhaben. Geheimnisvoll und hymnisch.
Ganz anders als die Erzählungen von Betlehem, mit Maria und Josef, dem Jesuskind, den Hirten.

Ja, es ist schwierig. Wahrscheinlich ist dieser Prolog, wie man den Anfang des Johannesevangeliums nennt, so sperrig weil er so grundsätzlich ist:

Im Anfang war das Wort.
Etwas Grundsätzlicheres gibt es wohl nicht als den Anfang. Es geht ja schließlich um den Grund von allem.

Gerade über den Anfang der Welt machen sich die Menschen so einige Gedanken. Vor allem Wissenschaftler.
Für viele von ihnen steht der Urknall, der Big Bang am Anfang von allem. Und es gibt ja auch einige Hinweise, dass diese Theorie von einem Urknall nicht ohne Fundament in der Realität ist.
Nur steht der Knall wirklich am Anfang?
Damit es knallt, muß ja etwas zum Knallen da sein? Nichts knallt ja nicht! Was war denn dann vorher da?
Und wie ist dieser Prozeß in Gang gekommen? Was oder wer hat es denn Knallen lassen?

Fragen über Fragen, die uns kein reiner Naturwissenschaftler beantworten kann. Auch wenn er noch so gelehrt, wortgewaltig und technisch ausgerüstet sein mag: Die Frage nach dem Anfang, kann er nicht vollständig beantworten. Da ist er mit seinem Latein oder Fachchinesisch am Ende.

Im Anfang war das Wort.
Die Menschheit steht staunend vor der Frage nach dem Anfang, vor dem Grund aller Existenz.

Die Wissenschaft endecht immer wieder Neues und Großartiges. Aber jede neue Entdeckung wirft neue Fragen auf. Egal wohin sich der suchende Mensch wendet.

Die unendliche Weite des Sternenhimmels wird erforscht. Und vieles ist schon erfasst und erreicht worden. Es waren Menschen auf dem Mond und weiß Gott wie viele Satelliten schwirren um die Erde herum. Jetzt will man den Mars weiter erforschen. Auch wenn Beagle II, der auf dem Mars gelandet ist, tatsächlich doch antworten und neue Daten liefern sollte, die Fragen gehen weiter.

Die Unendlichkeit des Mikrokosmos wird erforscht.
Die Atome galten lange als kleinstes mögliche Teilchen, als a-tomos, als unteilbar eben. Mittlerweile hat man schon das Atom gespalten, in Neutronen, Protronen, Quarks usw.
Die Gene der Lebewesen werden entschlüsselt. Auch die Gene des Menschen werden immer besser verstanden. Man kann sagen wo, einige Krankheiten und Körpermerkmale ihren Sitz auf der DNA haben. Aber jede Entdeckung wirft neue Fragen auf. Wissenschaftliche Fragen, aber auch ethische.

Im Anfang war das Wort.
Die Wissenschaft hat schon vieles entdeckt.
Aber kein Astronom kann uns die Formel liefern, mit der wir ein Weltall schaffen können.
Und kein Mikrobiologe hat bisher eine Formel gefunden, die Leben neu schafft.

Im Anfang war das Wort.
So beginnt das Johannes Evangelium.

Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
So beginnt die Bibel.
Bereschit bara elohim...heißt es da im hebräischen Urtext.

Das Wort bara, "erschaffen", wird nur Gott zugeschrieben.
Erschaffen kann nur Gott, heißt das.
Erschaffen im Sinne von etwas aus dem Nichts erschaffen. Nur ER ist im strikten Sinne wirklich kreativ, nur er kann wirklich neues erschaffen.

Gott steht am Anfang von allem. Was Gott will, geschieht. Wenn er spricht: "Es werde", dann wird es.
Deshalb beginnt Johannes auch mit Im Anfang war das Wort.
Gott allein ist der Schöpfer von allem. Alles andere ist Geschöpf.

Im Anfang war das Wort.
Das macht auch deutlich, das Gott nicht irgendeine Idee ist, ein numinoses Wesen. Ein Wort wird geformt, gedacht und ausgesprochen von einer Person.

Im Anfang war das Wort.
Das heißt auch, Gott ist eine Person, ein Jemand, kein Etwas. Er ist nicht nur da, er teilt sich mit.
Und ohne dieses Sich-Mitteilen Gottes, ohne sein lebenschaffendes Wort gibt es nichts.
Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.

Ja, Gott teilt sich mit. Jeder, der noch nicht verlernt hat mit offenen Augen durch diese Welt zu gehen, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, und er wird ahnen, dass hinter dieser Welt nicht nur Etwas, sondern ein Jemand steckt. Vielleicht ist das Nicht-Mehr-Staunen-Können das große Problem unserer Tage. Wir sind schon so vollgepumpt mit Eindrücken, wir lassen so wenig an uns ran, wir sind schon fertig, oder meinen es immerhin schon zu sein.

Ich glaube, es war Max Planck, der große Naturwissenschaftler, der einmal so formulierte: "Sehen Sie sich das Auge einer Fliege an. Das kann kein Zufall sein." Für ihn war klar, das hinter all der Vielfalt der Schöpfung der belebten und toten der Wille es Jemand steht: Gott.

Im Anfang war das Wort.
Gott teilt sich mit durch seine Schöpfung. Die Schöpfung ist wunderbar, unendlich groß, unfassbar.

Aber mehr noch: Gott teilt sich mit in der Schöpfung. Er tritt mit der Schöpfung in Kontakt, wird ein Teil von ihr.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.
Gott hat die Erde nicht nur geschaffen, um sie sich dann allein zu überlassen. Nein, er hat sich eingemischt, um sich ihr mitzuteilen, bei ihr zu sein, bei ihr zu bleiben.
Und das ist erst recht wunderbar, unendlich groß, unfassbar.

Im Anfang war das Wort.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.
Gott steht am Anfang von allem. Weil das so ist, sind wir nicht Spielball irgendwelcher Mächte des Schicksals, irgendwelchen Naturgesetzen unterworfen wie Marionetten.
Der, der diese Welt geschaffen hat, ist selbst in diese Welt gekommen.
Der, der Dich erschaffen hat, ist einer geworden wie Du.

Deshalb braucht Dich diese Welt nicht zu ängstigen mit all ihren Fragen, Sorgen, Problemen. Du bist nicht verloren in den Weiten der Galaxien. Du bist mehr wert als die Summe von Aminosäuren.

Der Schöpfer ist bei seinen Geschöpfen. Gott ist bei Dir.

Auch das, ist Weihnachten. Auch das gilt für das neue Jahr.

57. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Liebe Schwestern und Brüder,
die letzten Worte eines Menschen sind oft so etwas wie ein Vermächtnis. Oft wird erst aus den letzten Worten ersichtlich, was das Leben davor ausgemacht hat. Darum sind die letzten Worte Jesu, auf Erden, wie sie der Evangelist Matthäus aufgeschrieben hat, von uns mit besonders wachem Geist zu hören. Er sagt: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Das ist eine geballte Ladung an klärender Information und präzisem Auftrag. Zuerst bestätigt Jesus seine Gottheit. Ihm ist alle Macht gegeben. Alle Macht im Himmel und auf der Erde. Das Wort „gegeben“ signalisiert aber auch die innige Verbindung mit seinem Vater. Nicht aus eigener Initiative heraus, sondern in allerengstem Miteinander innerhalb der göttlichen Dreifaltigkeit wirkt Jesus. „Ich und der Vater sind eins“, sagt demgemäß Jesus an anderer Stelle (Joh 10,30). Was immer der Vater will, das will der Sohn, das will der Heilige Geist.
Da ist absolute Harmonie, für uns unfassbar innige liebende Gemeinsamkeit, aber auch die vollkommene Macht, die alles im Himmel und auf Erden umschließt und in Händen hält. Gott ist Liebe und Glück in ewiger Vollendung.
Interessant ist auch, dass Jesus zu den Jüngern sagt: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern…“
Dreieinigkeit ist nichts Abstraktes. Gott hat ein Ziel, sonst hätte er die Welt nicht erschaffen. Gott ist kein Gott, der öfter mal Langeweile hat und deshalb die Erde von ferne lenkt wie ein Kind sein Fernlenkauto.
Er sitzt auch nicht einsam auf seinem himmlischen Vorstands-Sessel und schüttelt dabei immer häufiger sein Haupt, wenn er die Menschheit von oben herab betrachtet.
Die ganze Schöpfung ist von ihm aus überströmender Liebe geschaffen, und die Menschen sind es erst recht. Jesus sagt ja im heutigen Evangelium, darum sollten alle Menschen zu seinen Jüngern gemacht werden, weil Gott über alle wirkliche Macht im Himmel und auf Erden verfügt.
Alle Menschen sollen zu gläubigen Jüngern Jesu werden. Das heißt doch: Gott hat etwas vor. Jeder Mensch liegt ihm wirklich so sehr am Herzen, als gäbe es nur ihn oder sie allein auf der ganzen Welt.
Wirklich niemand soll außen vor bleiben, wenn es um den Himmel geht. Alle sollen das große Los ziehen dürfen, alle sollen das Glück haben, in Gottes Angesicht sich auf ewig wie im siebten Himmel fühlen zu dürfen, in seligem Glück ihn und sein Erbarmen lobpreisend.
Um genau das geht es: der dreieinige Gott ist die Liebe in Vollendung. Er liebt uns so sehr, dass er sein Glück im Himmel mit uns Menschen teilen möchte. Und das ist ja auch der Himmel: ewige Gemeinschaft mit Gott und untereinander. Die Hölle ist genau das Gegenteil: Einsamkeit, Verlassenheit und deshalb tiefe Traurigkeit.
Liebes Jubelpaar, ich weiß ja nicht, ob sie ihre 50jährige Gemeinschaft in der Ehe als den siebten Himmel ansehen. Aber dass dieses treue Miteinander etwas ist, für das Sie und wir alle hier freudig danken dürfen, das ist klar. Den jede Gemeinschaft stärkt und trägt uns. Und sie gibt einen kleinen Vorgeschmack auf die Gemeinschaft im der Heiligen und mit und in der Dreifaltigkeit.
Alle Jünger Jesu bekommen im heutigen Evangelium einen ganz konkreten Auftrag: „…macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes…“
Bei Gott ist die Erdenzeit also immer auch Erntezeit. Menschen sollen gefischt werden für das Himmelreich. Alle Menschen sollen von Gott erfahren und sich dann als Jünger zu ihm bekennen. Durch die Taufe im Namen des dreieinigen Gottes werden sie dann endgültig seiner Obhut anvertraut.
Manche hören das heute mit gemischten Gefühlen, wenn zur Bekehrung anderer Menschen aufgerufen wird. Man tut so, als sei das ein schwerer Eingriff in die Intimsphäre fremder Menschen. Doch es gibt hier keinen Spielraum für Verharmlosung und Abschwächung. Jesus meint es wirklich so: Aufgabe der Jünger, also auch heute Aufgabe der Kirche und damit unsere Aufgabe ist es, so vielen Menschen wie möglich den Weg zu Gott aufzuzeigen.
Natürlich gilt das Sprichwort: Gebranntes Kind scheut das Feuer. Es ist traurig und wahr, dass im Namen der Mission im Laufe der Jahrhunderte auch viel Unrecht geschehen ist. Dazu gehört z.B., dass Menschen mit Gewalt zu Christen gemacht wurden, wie wir das auch von anderen Religionen kennen.
Wir neigen heute dazu, es jedem selbst zu überlassen, was er glaubt oder nicht glaubt. Das klingt menschenfreundlich und tolerant. Man kommt niemanden in die Quere und erwartet auch von anderen, gefälligst in Ruhe gelassen zu werden. Schließlich sind wir doch keine Zeugen Jehovas, die zu zweit von Haus zu Haus gehen und übrigens auch beim Pastor klingeln. Oder gar bei Klarissenschwestern.
Was da so tolerant klingt, ist es in Wirklichkeit aber nicht. Wie sind wir selbst denn zum Glauben gekommen? Na sicher – durch andere Menschen, die uns diesen Weg gezeigt haben. Was wäre wohl aus uns geworden, wenn die Generationen vor uns gedacht hätten wie so viele heute? Was wäre wohl aus uns geworden, wenn nicht im Laufe der Jahrhunderte so viele ihren Glauben an den liebenden Gott sogar mit ihrem Leben bezeugt hätten?
Und wenn ich jemanden liebhabe, möchte ich ihm dann nicht das Schönste schenken. Weil wir andere lieben, möchten wir sie mit dem Glauben beschenken. Das heißt natürlich nicht, dass wir sie damit erpressen oder gewaltsam vereinnahmen wollen.
Liebes Goldpaar, der Glaube hat auch Ihr Eheleben reich beschenkt. Sie haben gespürt, dass es Gott gibt, der sie einander geschenkt hat, der sie getragen und zusammenhalten ließ – gerade da, wo es schwer wurde. Diesem Gott zu danken, sind Sie hierher gekommen. So ist Ihre Ehe ein schönes Zeugnis vor der Welt, dass der Gott, der die Liebe ist, den Liebenden auf Erden nahe ist.
Jesu sehnlichster Wunsch ist es, möglichst vielen seiner so geliebten Menschen Anteil an seiner Freude, an der Gemeinschaft mit der Dreifaltigkeit zu schenken. Unsere Aufgabe ist es, mit Gottes Hilfe das Evangelium zu verbreiten und Wegweiser für andere zu sein.
Den schönsten Schluss für diese Predigt hat übrigens Jesus heute selbst gesprochen. Sicher hat er dabei auch daran gedacht, wie leicht wir Christen mutlos werden können, statt Flagge zu zeigen.
Seine Zusage sollten wir darum nie vergessen. Jesus verspricht allen seinen Jüngern: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Diesen tröstlichen und Mut machenden Satz sagt der Herr gerade auch Ihnen, liebes Jubelpaar Hasebrink, zu. Jetzt bei Ihrem Fest. Dass er bei Ihnen bleibe alle Tage, dazu spende ich Ihnen nun den Segen.

58. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Liebe Schwestern und Brüder!
Das ist mein Leib, das ist mein Blut für euch.

So hat Jesus gestern im Abendmahlsaal über Brot und Wein gesprochen. Seinen Leib und sein Blut hat er den dort versammelten Aposteln gegeben.

Heute auf Golgotha am Kreuz gibt er wirklich seinen Leib und sein Blut hin. Hingegeben, ja geschlachtet als Opfer hängt er am Kreuz vor den Toren Jerusalems, während im Tempel die Lämmer für das Paschafest geschlachtet werden.
Während das eigentliche Erlösungsopfer geschieht, wird noch immer der Vorausdeutung dieses Opfers gefeiert.

Jesus gibt seinen Leib, sein Fleisch wirklich hin. Sein Blut läßt er wirklich vergießen. Das im Abendmahlsaal angekündigte, erfüllt sich auf dem Kalvarienberg.
Im Film „Die Passion Jesu“ von Mel Gibson wird das plastisch dargestellt. Als Jesus die Worte über das Brot und den Wein spricht, wird eingeblendet, wie er ans Kreuz genagelt wird.

Die Eucharistie ist Opfer, sie ist unblutige Vergegenwärtigung des Erlösungsopfers am Kreuz. Durch seine Wunden sind wir geheilt.

Uns Menschen heute ist es irgendwie unangenehm und unverständlich geworden, vom Opfer zu sprechen, das erlöst. Die brutale Tat am Kreuz ist uns irgendwie zuwider, erscheint zu sperrig. Hätte der Herr nicht eine andere Möglichkeit gehabt seine Liebe zu uns zu zeigen und die Erlösung zu bewirken? So fragen viele Menschen heute.

Aber gerade im Opfer wird die Liebe deutlich, im Sich-Hingeben mit Leib und Blut.

Schauen wir auf unseren Alltag:
Verliebte nehmen alle möglichen Opfer auf sich, um einander zu sehen, zu begegnen, zu beschenken: Anstrengende Reisen, kostspielige Geschenke...
Eltern opfern für ihre Kinder Zeit, Geld, Bequemlichkeit, Schlaf...
Menschen, die sich einer guten Sache verschrieben haben, opfern auch vieles für eben diese Sache.

Jesus opfert sich ganz, mit Leib und Blut, für uns. Seine Liebe zu uns kennt keine Grenzen. Bei uns Menschen kommt die Opferbereitschaft oft an Schmerzgrenzen, an Punkte, wo unsere Liebe vielleicht nicht auszureichen vermag. Jesus überschreitet sie.
Von jedem Kruzifix herab sagt uns Jesus: „Egal, was passiert: Ich liebe Dich, ich gebe alles für Dich, ich habe schon alles gegeben für Dich: Meinen Leib und mein Blut. Meine ausgestreckten Arme zeigen Dir, dass Du mir bedingungslos kostbar und willkommen bist: Komm, lass Dich erlösen.“

In früheren Zeiten – möglicherweise, weil die körperlichen Opfer größer, sichtbarer, selbstverständlicher waren, als in unserer Gesellschaft, die Leiden und Leidende am liebsten abschiebt – in früheren Zeiten wurde unbefangener, plastischer, ja poetischer über die Erlösung durch das Opfer Christi am Kreuz gesprochen.

So zum Beispiel in einer Arie der Johannespassion von Johann Sebastian Bach. Dort wird der von der Geißelung blutige Rücken Jesu mit dem Himmel verglichen, an dem der Regenbogen des Bundes nach der Sintflut erschien.
In der Arie singt die Tenorstimme:

Erwäge, wie sein blutgefärbter Rücken
In allen Stücken
Dem Himmel gleiche geht,
Daran, nachdem die Wasserwogen
Von unsrer Sündflut sich verzogen,
Der allerschönste Regenbogen
Als Gottes Gnadenzeichen steht!

Uns ist eine solche Sprache fremd geworden. Sie gehört aber zum Schatz der Christenheit, der Frömmigkeit.

Das ist mein Leib, das ist mein Blut für euch.
Zur christlichen Frömmigkeit gehört der Begriff des Opfers, sofern er von Liebe getragen ist. Darauf geht Papst Benedikt in seiner Enzyklika „Spe salvi“ ein, wenn er schreibt:

Noch eine für die Dinge des Alltags nicht ganz unerhebliche kleine Bemerkung möchte ich anfügen.
Zu einer heute vielleicht weniger praktizierten, aber vor nicht allzu langer Zeit noch sehr verbreiteten Weise der Frömmigkeit gehörte der Gedanke, man könne die kleinen Mühen des Alltags, die uns immer wieder einmal wie mehr oder weniger empfindliche Nadelstiche treffen, "aufopfern" und ihnen dadurch Sinn verleihen. In dieser Frömmigkeit gab es gewiß Übertriebenes und auch Ungesundes, aber es ist zu fragen, ob da nicht doch irgendwie etwas Wesentliches und Helfendes enthalten war. Was kann das heißen: "aufopfern"?

Diese Menschen waren überzeugt, daß sie ihre kleinen Mühen in das große Mitleiden Christi hineinlegen konnten, so daß sie irgendwie zu dem Schatz des Mitleids gehörten, dessen die Menschheit bedarf. So könnten auch die kleinen Verdrießlichkeiten des Alltags Sinn gewinnen und zum Haushalt des Guten, der Liebe in der Menschheit beitragen. Vielleicht sollten wir doch fragen, ob solches nicht auch für uns wieder zu einer sinnvollen Möglichkeit werden kann.
Vielleicht kann uns diese Anregung in der kommenden Zeit begleiten:

Da, wo mir etwas Unangenehmes widerfährt, wo ich auf Leid und Widerwärtigkeiten stoße, will ich mich mit Jesus verbinden. Er hat das ganze Kreuz getragen, gelitten FÜR UNS. Daran hat er immer gedacht, das war sein grundlegendes Motiv, dazu war er auf die Welt gekommen.

Wir könnten, wenn uns ein Kreuz aufgelegt wird, ein Kreuz widerfährt, dieses tragen FÜR ANDERE, indem wir versuchen, es gut zu tragen - mit einem Lächeln vielleicht, nicht griesgrämig, still - und so können wir es in ein Gebet verwandeln für bestimmte Menschen, bestimmte Anliegen. „Herr, ich weiß nicht, warum mir dies jetzt so widerfährt, aber ich will es annehmen für diesen Menschen, so wie Du das Kreuz für uns angenommen hast.“
So verwandeln wir unangenehme Dinge in Akte der Liebe.
Ein uns vielleicht etwas fremd erscheinender Weg. Aber es ist ein Weg vieler Heiliger. Es ist auch der Weg Jesu.

Das ist mein Leib, das ist mein Blut für euch.
Jesus hat sich ganz geopfert für alle. Für alle. Für alle wollen wir nun beten, dass sie sich von der erlösenden Liebe am Kreuz beschenkt werden und sich beschenken lassen.

59. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Liebe Schwestern und Brüder,
das Titelbild der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23. Juli diesen Jahres zeigte ältere Inder mit blankem Oberkörper, teils mit Schnurbart und Turban, die futuristische Brillen auf der Nase tragen. Der Bildunterschrift konnte man entnehmen, dass es sich um Männer handelt, die mit besonderen Augengläsern die Sonnenfinsternis anschauten, die sich im Juli in Asien darbot.

Vielleicht können Sie sich noch an den August 1999 erinnern. Damals, vor nunmehr 10 Jahren, gab es auch in Europa für wenige Minuten gar keine Sonne mehr. Anfang August 1999 ereignete sich die letzte totale Sonnenfinsternis, die wir in unseren Gefilden mitansehen konnten. Die nächste wir für uns 2081 sichtbar sein.

Was wurde damals ein Rummel um diese totale Sonnenfinsternis gemacht. Was hat dieses Naturschauspiel in den Menschen nicht alles ausgelöst. Ich war damals Kaplan in Epe.
Die Gefühle pendelten zwischen Weltuntergangs- und Jahrmarktstimmung, zwischen Panik und Party hin und her. Ich kann mich noch gut daran erinnern, was damals in den Schulen, in denen ich unterrichtete los war. Diese Sonnenfinsternis und die nahe Jahrtausendwende waren für Hobbyastrologen und selbsternannte Unheilspropheten eine wunderbare Kombination.

Der Mond versperrte für ein paar Minuten unseren Ausblick auf die Sonne.
Dieses Zeichen am Himmel hat - allen Unkenrufen zum Trotz - an unserem Leben nichts geändert. Weder ging die Welt unter, noch ist eine Zeitenwende eingetreten.
Das einzige was sich verändert hatte, waren die Kontostände der Solarbrillenhersteller, die in rauen Mengen abgesetzt wurden.

Von einem großen Zeichen am Himmel war auch in der Lesung aus der Offenbarung des Johannes die Rede.
Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.

Seit jeher sieht die Kirche in dieser Beschreibung eine Anspielung auf Maria, die Gottesmutter.
Dieses Bild wollen wir in dieser Gebetsnacht, die unter dem Leitmotiv „Königin, aufgenommen in den Himmel“ steht, näher anschauen:
Maria, der Welt entrückt, uns entzogen, fern von den Menschen.
Maria als Himmelskönigin, als mächtige Herrscherin, mit göttlichem Glanz.

Eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.
Hat dieses Zeichen am Himmel Bedeutung für unser Leben, für unseren Glauben? Oder ist es auch nur eine effektvolle, interessante aber eben vorübergehende Erscheinung wie die Sonnenfinsternis in 1999 oder in 2009?
Was will uns dieses Bild zeigen? Was will die Anrufung der Königin, aufgenommen in den Himmel besagen?

Zwei Aspekte möchte ich aufgreifen. Aspekte, die mir wichtig sind. Es gäbe sicherlich noch viele andere.

Da wäre zum einen, die Aussage, daß es sich lohnt, auf Gott zu vertrauen.

Als junge Frau empfängt Maria die Botschaft, daß sie vom Hl. Geist überschattet den Messias gebären soll.
Sie antwortet „Mir geschehe, wie Du es gesagt hast.“
Das ist der wichtigste Satz, den ein Mensch auf dieser Erde je gesprochen hat. Er ist der Beginn unserer Erlösung in Jesus Christus.

„Mir geschehe“ antwortet sie, und nicht etwa: „Ich werde das tun. Ich kann das. Das vermag ich zu leisten.“
„Mir geschehe.“ Darin liegt eine große Demut.
„Mir geschehe.“ Es ist, als ob sie sagen will: „Ich kenne deinen Willen nicht. Ich weiß nicht, was du von mir in Zukunft verlangst. Aber ich vertaue dir. Deshalb traue ich dir mein Leben an.“
Und dieses Leben hat seine Vollendung gefunden.
Ihr Vertrauen auf Gott, ihre Hingabe an den Willen Gottes auf Erden ist belohnt worden: Mit dem ewigen Leben im Himmel.
Auch wir sind aufgerufen, unser „Mir geschehe wie Du es gesagt hast!“ zu sprechen. Auch uns ist dann himmlischer Lohn verheißen.

Früher warf man der Kirche vor, die Menschen mit dem Himmel zu vertrösten und von den Problemen auf der Erde abzulenken – Karl Marx schimpfte über den Glauben, es sei „Opium fürs Volk“. Heute besteht die Gefahr, den Himmel aus dem Blick zu verlieren, der Glaube wird dann zur rein horizontal ausgerichteten Ethik, zu einem Piep-Piep-Piep-ich-hab-dich-lieb-Ringelrein politisch korrekter Gutmenschen. Da, wo der Glaube den Himmel aus den Augen verliert, verliert er seine innere Tiefe, seinen Trost, seinen Reichtum. Da, wo die Menschen den Himmel aus dem Blick verlieren, sucht man kein Heil, sondern nur Problemlösungen, findet man keinen Heiland mehr, sondern nur noch Problemlöser oder innerweltliche Messiasse a là Obama.

Mit ihrer Seele und mit ihrem Leib ist Maria in den Himmel aufgenommen worden. Das ist der Glauben der Kirche seit alters her. Das Fest ihrer Himmelfahrt wird schon seit dem frühen fünften Jahrhundert gefeiert. Papst Pius XII. erhob diese Lehre zum Dogma, zur von Gott offenbarten Glaubenswahrheit.
Und hier liegt der zweite Aspekt des heutigen Festes, der mir am Herzen liegt.

Die Dogmatisierung der leiblich Aufnahme Mariens in den Himmel erfolgte am 1. November 1950.
5 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.
5 Jahre nach einem beispiellosen Gemetzel unter den Menschen.
5 Jahre nachdem Abermillionen Menschen ihr Leben lassen mußten. Sinnlos.

Der Wert des Menschen, seine Würde war angesichts des grausamen Krieges in Frage gestellt. Die Kirche damals hörte diese Frage. Ja, sie stellte sich selber dieser Frage.
Und sie findet in der Aufnahme Mariens in den Himmel eine Antwort:
Die Würde des Menschen ist unbeschreiblich groß. Jeder Mensch ist vor Gott unendlich kostbar.
Maria, die Schwester aller Menschen, ist mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden.
Sie ist beredtes Zeichen dafür, daß der ganze Mensch, mit Leib und Seele, in seiner Würde unantastbar ist.

Die Opfer von Krieg, Terror und Gewalt sind nicht verloren. Auch wenn wir sie nicht zählen können, auch wenn wir nicht alle ihre Namen kennen, Gott kennt ihre Zahl und ihre Namen. Bei ihm sind sie geborgen.
Auch alle, die in dieser Stunde leiden müssen, sei es an Leib oder Seele, vergisst er nicht.

Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.
Es lohnt sich, auf Gott zu vertrauen.
Für Gott ist jeder Mensch unendlich kostbar.
Das sagt mit dieses Zeichen am Himmel. Das sagt mir die Anrufung und das Fest von Maria, die aufgenommen ist in den Himmel.

Wenn das meine Sicht der Dinge ist, wenn ich sozusagen mit dieser Brille auf Maria schaue, dann kann sich etwas in meinem Leben ändern, indem ich mein „Mir geschehe, wie Du, Gott, es gesagt hast!“ spreche, indem ich jeden Menschen als Kind Gottes behandle.

Die Sonnenfinsternis 1999 war ein Jahrhundertereignis ohne Folgen. Ebenso wie die diesjährige Verfinsterung der Sonne.
Auf Maria, das Zeichen am Himmel, zu schauen und davon zu lernen, das hätte Folgen für unser Jahrhundert und darüber hinaus.

60. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Jedem ist es schon einmal passiert, jene Szene zu beobachten, wo der Fahrer im Auto sitzt und zwei oder drei andere mühsam anschieben und ergebnislos versuchen, dem Auto Geschwindigkeit zu verleihen, damit es wieder losfahren kann. Sie halten ein, wischen sich den Schweiß ab und schieben weiter an…
Dann plötzlich ein Lärm: Der Motor springt an, das Auto fährt, und die, die anschoben, bleiben mit einem Seufzer der Erleichterung stehen.

Das ist ein Bild dafür, was im christlichen Leben passiert. Durch ständiges, mühevolles Anschieben kommt man weiter, ohne große Fortschritte zu machen. Und dabei steht uns ein enorm machtvoller „Motor“ zur Verfügung: „die Kraft aus der Höhe“, die nur darauf wartet, in „Gang gesetzt“ zu werden. Das Pfingstfest sollte uns helfen, diesen „Motor“ und die Methode zu entdecken, ihn in Gang zu bringen.

Der Bericht der Apostelgeschichte beginnt mit den Worten: „Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort.“

Diesen Worten entnehmen wir, dass es vor Pfingsten schon ein Pfingsten gegeben haben muss. Es gab mit anderen Worten bereits im Judentum ein Pfingstfest, und während dieses Festes ereignete sich die Herabkunft des Heiligen Geistes.

Das christliche Pfingsten ist nicht zu verstehen, ohne das jüdische Pfingsten in Betracht zu ziehen, das ersteres vorbereitet hat.

Im Alten Testament gab es zwei Interpretationen des Pfingstfestes. Am Anfang war es das Fest der sieben Wochen, das Erntefest, als Gott das erste Getreide dargebracht wurde; später aber – und ganz gewiss zur Zeit Jesu – kam dem Fest eine neue Bedeutung zu:
Es war dann das Fest der Übergabe des Gesetzes auf dem Berg Sinai, das Fest des Bundes.

Wenn der Heilige Geist ausgerechnet an dem Tag auf die Kirche herabkommen will, an dem in Israel das Fest des Gesetzes begangen wird, will das besagen, dass der Heilige Geist das neue Gesetz ist, das geistliche Gesetz, das den neuen und ewigen Bund besiegelt; ein Gesetz, das nicht mehr auf Steintafeln geschrieben steht, sondern auf Tafeln aus Fleisch: den Herzen der Menschen.

Diese Überlegungen lassen sofort eine Frage aufkommen: Leben wir unter dem alten Gesetz, oder unter dem neuen? Erfüllen wir unsere religiösen Pflichten aus Zwang, aus Angst oder Gewohnheit, oder vielmehr aus einer inneren Überzeugung heraus – weil wir davon „angezogen“, begeistert sind? Nehmen wir Gott als Vater oder als Gebieter wahr?

Ich möchte mit einer Geschichte schließen. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts wanderte eine Familie aus Süditalien in die Vereinigten Staaten aus. Da sie nicht genügend Geld hatten, um das Essen in einem Restaurant zu bezahlen, nahmen sie sich Reiseproviant mit: Brot und Käse. Als die Tage und Wochen verstrichen, vertrocknete das Brot und verschimmelte der Käse. Der Sohn hielt es schließlich nicht mehr aus und weinte nur noch. Die Eltern nahmen das wenige Geld, das sie noch hatten, und gaben es ihm, damit er ins Restaurant gehen könnte, um etwas zu sich zu nehmen. Der Sohn ging, aß und kehrte unter Tränen zu seinen Eltern zurück: „Was denn? Wir haben alles ausgegeben, um dir ein gutes Essen zu zahlen, und du weinst immer noch?“ – „Ich weine, weil ich entdeckt habe, dass eine Mahlzeit pro Tag im Restaurant im Preis inbegriffen war und wir die ganze Zeit über Brot und Käse gegessen haben.“


Viele Christen gehen durchs Leben, indem sie „Brot und Käse“ essen – ohne Freude und ohne Begeisterung –, während sie in einem geistlichen Sinn gesprochen jeden Tag alles mögliche Gute genießen könnten, all das, was „im Preis, Christ zu sein, inbegriffen“ ist.

Das Geheimnis, die Erfahrung dessen zu machen, was Johannes XXIII. „ein neues Pfingsten“ nennt, heißt: Gebet.
Es können die auswendig gelernten Gebete sein, oder die vielen guten Gebete und Lieder im Gotteslob , die wirklich einen Schatz darstellen, aber auch – und vielleicht mangelt es uns da manchmal an Mut oder Zeit – die freien, aus dem Herzen mit den eigenen Worten formulierten.
Auf jeden Fall: Dort „funkt es“, so dass der Motor anspringt! Jesus hat verheißen, dass der himmlische Vater den Heiligen Geist denen geben wird, die darum bitten (Lk 11,13). Bitten wir also!

61. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Zweimal, liebe Schwestern und Brüder, ist im Evangelium nach Lukas, das wir in der Hl. Nacht hören, von den Windeln Jesu die Rede.

Von Maria wird nach der Geburt Jesu berichtet: Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.
Den Hirten wird von den Engeln gesagt, dass sie zum Zeichen für die Geburt des Messias ein Kind finden werden, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liege.

Windeln für den menschgewordenen Sohn Gottes. Ein in Windeln gewickeltes Kind als Zeichen, dass der Retter der Welt da ist. Ist das nicht ziemlich banal, ja peinlich?

Und kämen Sie auf die Idee nach Aachen zu wallfahren, um die Windel Jesu als Reliquie zu verehren. Denn darum geht es auch bei der berühmten Aachener Heiltumsfahrt, die seit dem 13. Jahrhundert und im siebenjährigen Turnus stattfindet. Ist das nicht eigenartig, peinlich für uns aufgeklärte Menschen von heute?

Ich weiß nicht, ob die ausgestellten Textilien in Aachen wirklich die historischen Windeln Jesu sind. Aber darum geht es auch nicht. Ich weiß aber, dass die Windeln ausdrücklich im Evangelium des Lukas genannt werden. Und das kann nicht ohne Belang für uns und unseren Glauben sein.

Für mich wird darin deutlich, wie konkret, wie leibhaftig Gott Mensch geworden ist. Er ist wirklich in unsere Niederungen hinabgestiegen. Jesus war ganz Gott, aber eben auch ganz Mensch, selbst die allermenschlichsten Bedürfnisse waren ihm nicht fremd.

Er wird auch gefroren haben als Kind im Stall. „Liegt als armes Kind im Stall, Herrscher über Weltenall“ singen wir gerne und voll Inbrunst in einem Weihnachtslied. Für Maria und Joseph hieß das, dass sie dem Herrscher der Welt ganz weltlich helfen, beistehen mussten. Maria hat ihm die Windeln angelegt. Und Joseph wird - ebenfalls seit 14. Jahrhundert in der Kunst – ganz realistisch als einer dargestellt, der sich um die beiden – Mutter und Kind - kümmert.

„Josef, lieber Josef mein, hilf mir wieg‘n mein Kindelein“, hören wir in einer beliebten alten Volksweise Maria zu Joseph sagen. Und natürlich tut er es.
Als guter Hausmann sieht man ihn auf Gemälden sich krümmen und das Herdfeuer mit dem Mund pustend anfachen. Manchmal sieht man ihn sogar kochend am Feuer hocken. Oder er zieht sich seine Beinlinge aus – wenn man so will – seine langen, warmen Kniestrümpfe, um sie als zusätzlich wärmende Decke über das Kind in der Krippe zu legen. Irgendwie niedlich wirken diese Ausdrucksformen der Weihnachtsfrömmigkeit. Und Joseph wirkt da etwas zu schlicht. Da wird Joseph der heilsgeschichtlichen Sternstunde irgendwie nicht gerecht. Müsste der nicht jetzt das Kind anbeten, statt Feuer zu machen und zu kochen und vielleicht sogar noch den Stall auszufegen. Jedenfalls scheint Joseph keine große religiös hoch erleuchtete Gestalt zu sein.

Aber damit steht der Patriarch Joseph aus dem Neuen Testament in einer Reihe mit den Patriarchen des Alten Bundes. Das findet jedenfalls Papst Benedikt XVI., wenn er schreibt: „Religionsgeschichtlich gesehen sind Abraham, Isaak und Jakob keine großen Persönlichkeiten.“ Im Vergleich mit den großen und erhabenen asiatischen Religionsstiftern – wie z. B. Buddha – „erscheinen die Träger der Geschichte des Glaubens beinahe pöbelhaft. Das wegzudeuten hieße genau den Anstoß wegdeuten der auf das Besondere und Einzigartige der biblischen Offenbarung hinführt. Dieses Besondere und Ganz-Andere liegt darin, dass Gott in der Bibel nicht wie bei den großen Mystikern geschaut, sondern als der Handelnde erfahren wird. ... Und dies wiederum liegt daran, dass hier nicht der Mensch in eigener Aufstiegsbemühung...das Göttliche an seinem Ort auffindet, sondern es gilt das Umgekehrte: dass Gott den Menschen mitten in den weltlichen und irdischen Zusammenhängen sucht, dass Gott, den von sich aus niemand entdecken kann, auch der Reinste nicht, seinerseits den Menschen nachgeht und in Beziehung zu ihm tritt. “ Soweit der Papst.

Wer Christ werden, sein will – so deute ich das – muss keine religiösen Kunststücke vollbringen. Wir brauchen uns nicht durch irgendwelche Meditationstechniken – die auch ihren Wert haben – in Ekstase zu versetzten, um mit Gott in Kontakt zu treten.

Nein, der Alltag, so wie er auf mich zukommt, ist der Ort, wo Gott auf mich zukommt, indem er mich vor Entscheidungen und in Situationen hineinstellt. Wie handle ich dann? Höre ich auf die Stimme meines Gewissens, die ja die Stimme Gottes in mir ist? Setze ich die Gebote und Weisungen Gottes und seiner Kirche dann in die Tat um? Erfülle ich meine Pflichten und Freuden, ertrage ich das Leiden aus Liebe zu Gott?

Gott fragt uns jeden Augenblick ganz konkret. Und wir können nicht anders, als ganz konkret zu antworten. Ein Vers aus dem Lied „Freude schöner Götterfunken“ lautet: „Seid umschlungen Millionen, dieser Kuss der ganzen Welt.“ Für einige Gutmenschen ist das sozusagen die Lebensdevise geworden. Als Christen sehen wir das etwas anders: nicht die Millionen sollen umschlungen werden, sondern der Mann, der gerade vor mir auf dem Schnee ausgerutscht ist, dem aufgeholfen werden muss. Nicht der Kuss der ganzen Welt ist der wichtige, sondern vielleicht der in der Familie, für das Kind oder den Partner, der Trost braucht.

Das kann uns das Bild des Hl. Joseph lehren: Im tätig bemühten, still dienenden, aber auch im überforderten, ermüdeten und manchmal umständlichen, ja komisch wirkenden Joseph können wir uns alle wiederfinden: Nicht die religiöse Persönlichkeit, die spirituell, ausgefeilten Techniken zählen, sondern der Gehorsam gegenüber dem göttlichen Anruf und Auftrag in der oft banalen Alltäglichkeit.
Gott braucht keine Menschen, die Außergewöhnliches, Menschenunmögliches vollbringen, sondern Christen, die das Gewöhnliche, Menschenmögliche aus Liebe zu ihm und im Gehorsam gegen ihn tun.

Das können uns auch die Windeln Jesu lehren. Ihre Erwähnung im Evangelium ist für mich so etwas wie ein Signalwort, so als ob Jesus mir sagen wollte: „Du Mensch, siehe, wie sehr ich Mensch geworden bin. Genau so einer wie Du. In allem bin ich Dir gleich geworden außer in der Sünde. Ich bin Gottes Sohn und komme auf die Erde und teile mit Dir Deinen Alltag. Und ich möchte, dass Du mit mir Deinen Alltag teilst. Weil ich Mensch geworden bin, kannst auch Du ein Mensch werden, der Gott gefällt und Glückseligkeit erlangt. Du musst nicht viel tun: höre auf die Gebote, lese in der Hl. Schrift, bete und feiere zumindest die sonntägliche Messe- und Du wirst sehen, dass ich Dir dann überall im Alltäglichen begegnen werde. So werden Dir die Augen geöffnet für das Große, dass ich in meiner Menschwerdung an Euch getan habe: Ich werde Mensch, damit ihr im Menschlichen Gott findet und erlöst werdet.“

Liebe Schwestern und Brüder,
in Jesus ist Gott ganz konkret Mensch geworden. Er hat sich festgelegt damals auf einen Jungen in Betlehem, in einem Kaff am Randes des Römischen Weltreiches. So wie Josef und Maria ihm ganz konkret in kleinen Dingen beistanden, so können auch wir ihm nahe sein im Klein-Klein dieser Welt. Wenn wir diesem Ruf des Kindes, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt, entsprechen dann wird wahr, was die Engel sangen: Ehre Gott in der Höhe und Friede den Menschen.

62. Predigtvorschlag

von Pfr. Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Zweimal, liebe Schwestern und Brüder, ist im Evangelium nach Lukas, das wir in der Hl. Nacht hören, von den Windeln Jesu die Rede.

Von Maria wird nach der Geburt Jesu berichtet: Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.
Den Hirten wird von den Engeln gesagt, dass sie zum Zeichen für die Geburt des Messias ein Kind finden werden, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liege.

Windeln für den menschgewordenen Sohn Gottes. Ein in Windeln gewickeltes Kind als Zeichen, dass der Retter der Welt da ist.
Ist das nicht ziemlich banal, ja peinlich?

Und kämen Sie auf die Idee nach Aachen zu wallfahren, um die Windel Jesu als Reliquie zu verehren. Denn darum geht es auch bei der berühmten Aachener Heiltumsfahrt, die seit dem 13. Jahrhundert und im siebenjährigen Turnus stattfindet. Ist das nicht eigenartig, peinlich für uns aufgeklärte Menschen von heute?

Ich weiß nicht, ob die ausgestellten Textilien in Aachen wirklich die historischen Windeln Jesu sind. Aber darum geht es auch nicht.
Ich weiß aber, dass die Windeln ausdrücklich im Evangelium des Lukas genannt werden. Und das kann nicht ohne Belang für uns und unseren Glauben sein.

Für mich wird darin deutlich, wie konkret, wie leibhaftig Gott Mensch geworden ist. Er ist wirklich in unsere Niederungen hinabgestiegen. Jesus war ganz Gott, aber eben auch ganz Mensch, selbst die allermenschlichsten Bedürfnisse waren ihm nicht fremd.

Er wird auch gefroren haben als Kind im Stall. "Liegt als armes Kind im Stall, Herrscher über Weltenall" singen wir gerne und voll Inbrunst in einem Weihnachtslied. Für Maria und Joseph hieß das, dass sie dem Herrscher der Welt ganz weltlich helfen, beistehen mussten. Maria hat ihm die Windeln angelegt. Und Joseph wird -ebenfalls seit 14. Jahrhundert in der Kunst - ganz realistisch als einer dargestellt, der sich um die beiden - Mutter und Kind - kümmert.

"Josef, lieber Josef mein, hilf mir wieg'n mein Kindelein", hören wir in einer beliebten alten Volksweise Maria zu Joseph sagen. Und natürlich tut er es.
Als guter Hausmann sieht man ihn auf Gemälden sich krümmen und das Herdfeuer mit dem Mund pustend anfachen. Manchmal sieht man ihn sogar kochend am Feuer hocken. Oder er zieht sich seine Beinlinge aus - wenn man so will - seine langen, warmen Kniestrümpfe, um sie als zusätzlich wärmende Decke über das Kind in der Krippe zu legen.
Irgendwie niedlich wirken diese Ausdrucksformen der Weihnachtsfrömmigkeit. Und Joseph wirkt da etwas zu schlicht. Da wird Joseph der heilsgeschichtlichen Sternstunde irgendwie nicht gerecht. Müsste der nicht jetzt das Kind anbeten, statt Feuer zu machen und zu kochen und vielleicht sogar noch den Stall auszufegen. Jedenfalls scheint Joseph keine große religiös hoch erleuchtete Gestalt zu sein.

Aber damit steht der Patriarch Joseph aus dem Neuen Testament in einer Reihe mit den Patriarchen des Alten Bundes. Das findet jedenfalls Papst Benedikt XVI., wenn er schreibt: "Religionsgeschichtlich gesehen sind Abraham, Isaak und Jakob keine großen Persönlichkeiten." Im Vergleich mit den großen und erhabenen asiatischen Religionsstiftern - wie z. B. Buddha - "erscheinen die Träger der Geschichte des Glaubens beinahe pöbelhaft. Das wegzudeuten hieße genau den Anstoß wegdeuten der auf das Besondere und Einzigartige der biblischen Offenbarung hinführt.
Dieses Besondere und Ganz-Andere liegt darin, dass Gott in der Bibel nicht wie bei den großen Mystikern geschaut, sondern als der Handelnde erfahren wird. ... Und dies wiederum liegt daran, dass hier nicht der Mensch in eigener Aufstiegsbemühung...das Göttliche an seinem Ort auffindet, sondern es gilt das Umgekehrte: dass Gott den Menschen mitten in den weltlichen und irdischen Zusammenhängen sucht, dass Gott, den von sich aus niemand entdecken kann, auch der Reinste nicht, seinerseits den Menschen nachgeht und in Beziehung zu ihm tritt. " Soweit der Papst.

Wer Christ werden, sein will - so deute ich das - muss keine religiösen Kunststücke vollbringen. Wir brauchen uns nicht durch irgendwelche Meditationstechniken - die auch ihren Wert haben - in Ekstase zu versetzten, um mit Gott in Kontakt zu treten.

Nein, der Alltag, so wie er auf mich zukommt, ist der Ort, wo Gott auf mich zukommt, indem er mich vor Entscheidungen und in Situationen hineinstellt. Wie handle ich dann? Höre ich auf die Stimme meines Gewissens, die ja die Stimme Gottes in mir ist? Setze ich die Gebote und Weisungen Gottes und seiner Kirche dann in die Tat um? Erfülle ich meine Pflichten und Freuden, ertrage ich das Leiden aus Liebe zu Gott?

Gott fragt uns jeden Augenblick ganz konkret. Und wir können nicht anders, als ganz konkret zu antworten. Ein Vers aus dem Lied "Freude schöner Götterfunken" lautet: "Seid umschlungen Millionen, dieser Kuss der ganzen Welt." Für einige Gutmenschen ist das sozusagen die Lebensdevise geworden. Als Christen sehen wir das etwas anders: nicht die Millionen sollen umschlungen werden, sondern der Mann, der gerade vor mir auf dem Schnee ausgerutscht ist, dem aufgeholfen werden muss. Nicht der Kuss der ganzen Welt ist der wichtige, sondern vielleicht der in der Familie, für das Kind oder den Partner, der Trost braucht.

Das kann uns das Bild des Hl. Joseph lehren: Im tätig bemühten, still dienenden, aber auch im überforderten, ermüdeten und manchmal umständlichen, ja komisch wirkenden Joseph können wir uns alle wiederfinden: Nicht die religiöse Persönlichkeit, die spirituell, ausgefeilten Techniken zählen, sondern der Gehorsam gegenüber dem göttlichen Anruf und Auftrag in der oft banalen Alltäglichkeit.
Gott braucht keine Menschen, die Außergewöhnliches, Menschenunmögliches vollbringen, sondern Christen, die das Gewöhnliche, Menschenmögliche aus Liebe zu ihm und im Gehorsam gegen ihn tun.

Das können uns auch die Windeln Jesu lehren. Ihre Erwähnung im Evangelium ist für mich so etwas wie ein Signalwort, so als ob Jesus mir sagen wollte: "Du Mensch, siehe, wie sehr ich Mensch geworden bin. Genau so einer wie Du. In allem bin ich Dir gleich geworden außer in der Sünde. Ich bin Gottes Sohn und komme auf die Erde und teile mit Dir Deinen Alltag. Und ich möchte, dass Du mit mir Deinen Alltag teilst. Weil ich Mensch geworden bin, kannst auch Du ein Mensch werden, der Gott gefällt und Glückseligkeit erlangt. Du musst nicht viel tun: höre auf die Gebote, lese in der Hl. Schrift, bete und feiere zumindest die sonntägliche Messe- und Du wirst sehen, dass ich Dir dann überall im Alltäglichen begegnen werde. So werden Dir die Augen geöffnet für das Große, dass ich in meiner Menschwerdung an Euch getan habe: Ich werde Mensch, damit ihr im Menschlichen Gott findet und erlöst werdet."

Liebe Schwestern und Brüder,
in Jesus ist Gott ganz konkret Mensch geworden. Er hat sich festgelegt damals auf einen Jungen in Betlehem, in einem Kaff am Randes des Römischen Weltreiches. So wie Josef und Maria ihm ganz konkret in kleinen Dingen beistanden, so können auch wir ihm nahe sein im Klein-Klein dieser Welt. Wenn wir diesem Ruf des Kindes, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt, entsprechen dann wird wahr, was die Engel sangen: Ehre Gott in der Höhe und Friede den Menschen.

63. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

Wir haben soeben zwei Strophen des Liedes „O Haupt voll Blut und Wunden“ von Paul Gerhard gesungen. Ich darf vielleicht sagen, dass ich dieses Lied schon als Kind als das schönste Lied der Fastenzeit empfunden und am liebsten gesungen habe. Da ist als erstes schon die wunderbar zu Herzen gehende Melodie, die Hans Leo Haßler im Jahre 1601 komponiert hat. Sie steigt im zweiten Teil der Strophen zu wehmütigen Höhen auf, die eindringlich mit den zugehörigen dramatischen Strophenteilen korrespondieren, um anschließend wieder abzusteigen zum Ausgangston, in dem sich Klage und Hoffnung ausdrücken.

Inhaltlich gesehen, ist das Lied ein Christuslied, genauer ein Passionslied, eine Liedgattung, die im 17. Jahrhundert reichlich benutzt wurde. Man muss dabei bedenken, dass dieses Jahrhundert das Jahrhundert des 30-jährigen Kriegs war und das Jahrhundert vieler Krisen und Nöte wie Pest, Teuerung, Hunger und religiöse Verunsicherung. Was taten die Menschen in solchen schweren Zeiten? Feinfühlige Menschen, wie es Dichter nun mal sind, reagierten oftmals mit einer Vertiefung des religiösen Lebens; sie erkannten – gerade im 17. Jahrhundert – die Vergänglichkeit und die Eitelkeit aller Dinge dieser Welt und besannen sich auf DEN, der jenseits der Zeit und jenseits des Todes steht, auf GOTT. Sie entdeckten den Mensch gewordenen Gottessohn neu, Jesus, den Geschundenen und Gepeinigten, den, der alle diese Nöte selbst erfahren hat, um sie mit uns zu teilen.

Der Dichter spricht in der ersten Strophe gleich den Herrn an, aber nicht direkt, sondern sein edelstes Körperteil, sein Haupt. Er weiß, dass dieses Haupt, dieses Gesicht, das größte Geschenk Gottes an uns ist, dass uns – wie Paulus sagt – auf diesem Antlitz Jesu der göttliche Glanz entgegenstrahlt (2 Kor 4,6); er erinnert sich, daß Jesus gesagt hat: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9). Und es ist sehr wahrscheinlich, dass der Dichter unser heutiges Evangelium vor Augen hat, wenn er von dem „edlen Angesichte“ spricht, „vor dem sonst alle Welt erzittert im Gerichte“. Aber dann erschüttert er uns gleich mit dem größtmöglichen Kontrast, den wir uns denken können: Was ist aus diesem Haupt, aus diesem Angesicht geworden? Was haben die Menschen damit gemacht? – Kein Glanz, keine Ehre, keine Erinnerung an das göttliche Geheimnis, das uns in diesem Menschen offenbart ist, sondern im Gegenteil: Blut und Wunden, Schmerz, Spott und Hohn, schändliche Zurichtung, Entstellung, sogar Dornenkrönung!

Ich erinnere mich, dass ich schon als Kind von diesem Text – zusammen mit der die Aussage unterstreichenden Melodie – zutiefst beeindruckt und erschüttert war. Wie ist so etwas möglich, dass ausgerechnet der beste Mensch, der je auf Erden gelebt hat, ja der Sohn Gottes selbst, so geschmäht und geschändet wurde? Warum hat er sich das gefallen lassen? Warum hat er sich nicht so gezeigt, wie er sich bei der Verklärung den Jüngern dargestellt hat? Hätten die Soldaten dann nicht abgelassen von ihrem bösen Treiben und wären auf die Knie gefallen, wie es sich vor dem Herrn geziemt? Was mögen die Jünger, die Freunde Jesu empfunden haben, was vor allem seine Mutter, als sie ihn so sehen mussten? – Und dann die Frage: Was empfinden wir heute? Lassen wir uns noch anrühren von diesem Schmerz beladenen Antlitz, oder gehen wir leichtfertig darüber hinweg?

Die Menschen im 17. Jahrhundert hatten sicher mehr Sorgen als wir heute, sie waren der täglichen Bedrohung des Todes ausgesetzt. Es mag paradox erscheinen – aber sie sangen dieses Lied und andere Passionslieder sehr gern. Es war für sie leicht, sich in diesem geschundenen Christus wiederzuerkennen, sie besangen sozusagen ihr eigenes Geschick. Sie klagten ihr eigenes Leid heraus und gewannen gerade dadurch Kraft und Mut für ihr Leben. Denn dadurch wussten sie: Gott steht auf meiner Seite; er schaut nicht nur zu, wie wir langsam zugrundegehen, sondern er erleidet all dies mit. Im zerschlagenen Antlitz Jesu schaute sie der mitleidende Gott an. Und es war nicht ein ohnmächtiger Gott, der sie anschaute, sondern der Herr über Leben und Tod, derselbe, der auf dem Berg der Verklärung Jesus als seinen geliebten Sohn offenbart hatte: „Auf ihn sollt ihr hören!“ Liebe Schwestern und Brüder!

Die Betrachtung des Leidens Jesu hat die Menschen seit jeher zu einer vertieften Frömmigkeit geführt, zu einem stärkeren Glauben und zu dem erneuerten Willen, auf Christus zu hören. Diese Betrachtung hat immer wieder verzagten Menschen neuen Mut gegeben und sie gestärkt in ihren Kämpfen des Alltags. Darum die Anregung, diese Fastenzeit zu nutzen, Jesus als dem Leidenden ins Auge zu sehen, seinen Kreuzweg mitzugehen (sei es montags hier in der Kirche, sei es zu Hause während einer stillen Stunde), seinen schmachvollen Tod zu bedenken, von dem wir glauben, dass er nicht sinnlos war, sondern der große Sieg über die Mächte des Todes und der Sünde.

64. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

„Ewig leben - wer möchte das schon?“ – Diese Überschrift fordert vermutlich bei einigen von Ihnen Widerspruch heraus; andere denken aber vielleicht: Ja, was soll ein unbegrenztes Leben denn auch anderes sein als langweilig und unerträglich? Gewiss, wir alle kennen den Durst nach Leben. Er wird sehr anschaulich im heutigen Evangelium beschrieben. Jesus, der vom Laufen in der Hitze durstig geworden ist, bittet die Frau am Jakobsbrunnen um Wasser. Doch sehr bald kommt er vom leiblichen Durst auf den geistigen Durst zu sprechen, er spricht vom lebendigen Wasser, das den Durst endgültig stillt, weil es ewiges Leben schenkt. Doch die Frau versteht Jesus anfangs noch nicht genau. Ihr Interesse ist zwar geweckt, aber sie meint, Jesus spreche von einer Art Wunderwasser, dessen Besitz das mühsame Wasserschöpfen überflüssig macht. Und in gewisser Weise hat sie Jesus damit ja auch richtig verstanden – nur dass sie den symbolischen Sinn dieser Rede nicht erfasst. Es geht Jesus nicht ums Trinken und die damit verbundene Erhaltung des irdischen Lebens, es geht ihm vielmehr um ein Leben, das keinen Mangel mehr kennt, das aus der Fülle schöpft und sich nie erschöpft – das ewige Leben. Lassen wir vorerst noch alle Zweifel beiseite, ob es ein solches Leben geben kann und ob es auch erstrebenswert wäre; dass wir uns alle nach einem Leben in Fülle sehnen – das dürfte unbestritten sein. Der irdische Durst zeigt es deutlich: Weil wir den Mangel des Lebens spüren und auffüllen wollen, darum haben wir Durst, haben wir Hunger, begehren wir Dinge zum Lebensunterhalt, sorgen wir vor, sparen wir Geld usw. All diese Tätigkeiten wären sinnlos, wenn es uns dabei nicht ums Leben ginge, genauer: um Auffüllung des vielfältigen Mangels, den das irdische Leben mit sich bringt. Aber es geht um noch mehr: Der am tiefsten erfahrene Mangel betrifft die Not unserer Einsamkeit. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt.“ (Gen 2,18) Keiner kann ohne die Gemeinschaft anderer Menschen bestehen. Nicht nur deshalb, weil man auf die Hilfe anderer angewiesen ist, sondern auch deshalb, weil man sich danach sehnt, sein Leben mit anderen zu teilen, es an einen anderen in Liebe zu verschenken. Ein Leben ganz ohne Liebe verkümmert, ist kein Leben, ist im Grunde schon tot. Doch die Erfahrung der Liebe macht uns erst recht bewusst, dass wir die Endlichkeit des Lebens niemals akzeptieren können. So ruft Nietzsche einmal aus: „Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit.“ Und Gabriel Marcel sagt: „Die Liebe sagt: Du wirst nicht sterben!“ - Und weiter: „Die Annahme, der geliebte Mensch sei im Tod vernichtet, kommt einem Verrat oder Treuebruch gleich.“ – Wer die Erfahrung tiefer Liebe gemacht hat, der wird Gabriel Marcel zustimmen. Schlimmer als der eigene Tod ist der Tod des geliebten Menschen. Damit kann ich mich niemals abfinden, auch wenn ich vom Schicksal gezwungen werde, mich von geliebten Menschen endgültig zu verabschieden. Ich werde nur um so lauter schreien: Wo sind sie hin? Sie können doch nicht einfach weg sein! Soviel zum Durst nach Leben, nach Ewigkeit. Papst Benedikt weist in seiner Enzyklika darauf hin, dass das ewige Leben bereits beim Taufritus thematisiert wird. Bei der Frage nämlich: „Was gibt dir der Glaube?“ erfolgt die Antwort: „Das ewige Leben.“ Das heißt, das ewige Leben hat immer etwas mit dem Glauben an Gott zu tun. Das ist nun nichts Überraschendes, denn nirgends sonst wird über ein ewiges Leben gesprochen als in der Kirche oder in anderen Religionsgemeinschaften. Aber dieser Zusammenhang ist wichtig, denn wenn wir ihn nicht beachten, verstehen wir gar nicht richtig, was mit dem ewigen Leben gemeint ist und was nicht. Der Papst bedenkt denn auch die Zweifel, ob ein ewiges Leben wirklich erstrebenswert sein kann und wirft die Frage auf: „Wollen wir das eigentlich – ewig leben?“ – Und er stellt fest: „Ewig – endlos – weiterzuleben scheint eher Verdammnis als ein Geschenk zu sein.“ Hierzu zitiert eine Grabrede des Bischofs Ambrosius: „Der Tod gehörte zwar nicht zur Natur, aber er ist zu Natur geworden. Gott hat ihn nicht von Anfang an vorgesehen, sondern hat ihn als Heilmittel geschenkt [...] Der Übertretung wegen ist das Leben des Menschen von der täglichen Mühsal und von unerträglichem Jammer gezeichnet und so erbärmlich geworden. Ein Ende der Übel musste gesetzt werden, damit der Tod wiederherstelle, was das Leben verloren hat. Unsterblichkeit wäre mehr Last als Gabe, wenn nicht die Gnade hineinleuchten würde.“ Die Abschaffung des Todes würde der Menschheit jedenfalls keinen Segen bringen, sondern sie „in einen unmöglichen Zustand versetzen“. Der Papst spricht darum von einer „inneren Widersprüchlichkeit unserer Existenz selbst“: „Einerseits wollen wir nicht sterben,... Aber andererseits möchten wir doch auch nicht endlos so weiterexistieren, und auch die Erde ist dafür nicht geschaffen. Was wollen wir also eigentlich?“ Wir müssen dieses Rätsel auflösen können, sonst bleibt die Rede vom ewigen Leben unbefriedigend und wertlos. Papst Benedikt meint sogar, das Wort „ewiges Leben“ sei ein irritierendes und ein ungenügendes Wort. „Denn bei ‚ewig’ denken wir an Endlosigkeit, und die schreckt uns; bei Leben denken wir an das von uns erfahrene Leben, das wir lieben und nicht verlieren möchten, und das uns doch zugleich immer wieder mehr Mühsal als Erfüllung ist, so dass wir es einerseits wünschen und zugleich doch es nicht wollen.“ Wir sehen: Solange wir die irdische Erfahrungsebene nicht übersteigen, können wir das Rätsel nicht lösen. Die geschaffene Welt ist der Zeit unterworfen und darum endlich und alles andere als ewig. Nur Gott ist ewig. Aber wir kennen Gott nicht, wir können ihn uns nicht vorstellen. Ewigkeit ist nicht unendlich lange Zeit – und doch stellen wir sie uns genau so vor. Ewigkeit ist vielmehr Fülle, ist Gegenwart, die nicht verfliegt, sondern die bleibt. Der ewige Gott muss auf nichts warten, denn er besitzt alles in Fülle – schon jetzt, nicht erst in Zukunft. Aber ihm wird auch nichts durch die Zeit aus seiner Gemeinschaft, aus seiner Gegenwart gerissen – für ihn gibt es keine Vergangenheit. Gott will uns Anteil an seiner ewigen Gegenwart schenken – das wäre für uns „ewiges Leben“. Auch wenn wir uns das nicht vorstellen können, so können wir uns doch immerhin „aus der Zeitlichkeit, in der wir gefangen sind, herausdenken“. Dann können wir „ahnen, dass Ewigkeit nicht eine immer weitergehende Abfolge von Kalendertagen ist, sondern etwas wie der erfüllte Augenblick, in dem uns das Ganze umfängt und wir das Ganze umfangen.“ Der Papst beschreibt den Übergang in das ewige Leben als den „Augenblick des Eintauchens in den Ozean der unendlichen Liebe, in dem es keine Zeit, kein Vor und Nachher mehr gibt.“ Leben in Fülle statt Leben in gestückelter Form. „Immer neues Eintauchen in die Weite des Seins“, ständige Überwältigung von der Freude – das ist ewiges Leben. Wenn man das wenigstens ahnungshaft verstanden hat, kann man das ewige Leben dann noch ablehnen? Jesus verkündet es der Frau mit den Bildworten: „Das Wasser, das ich ihm gebe, wird in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ In der Eucharistie bekommen wir davon einen Vorgeschmack, ein Unterpfand. Aber die Vollendung bleibt außerhalb unserer Vorstellung: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“ (1 Kor 2,9)

65. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

Liebe und Tod bestimmen unser Leben existentiell. Wir verdanken uns der Liebe unserer Eltern, wir gehen selbst Beziehungen ein und finden Freunde, die wir lieben. Kein Mensch kann leben ohne Beziehungen: ohne einen anderen Menschen zu lieben und selbst geliebt zu werden. Nur in gelebten Beziehungen wird unser Leben lebenswert – und doch liegt darin zugleich eine tiefe Quelle des Schmerzes, denn wir können keinen Menschen unbegrenzt lange festhalten. Der Tod macht immer wieder einen Strich durch unsere Rechnung, durch unsere Liebe.

Wann immer wir dem Tod begegnen, erhebt sich die bedrängende Frage: Was ist das für ein Gott, der uns das Leben schenkt, aber nur auf Zeit? Der es uns doch wieder wegnimmt? Wir reden manch­mal von Gottes Hand: „Wir ruhen all in Gottes Hand...“ Doch dann wird der Zweifel stark: Sind Gottes Hände vielleicht kalt, erbarmungslos und schrecklich? Warum sind diese Hände manchmal so fordernd, warum nehmen sie uns weg, was wir selber doch so gern in den Händen behalten hätten?

Wir können dieser Frage nicht ausweichen, wenn ein Mensch, den wir geliebt haben, stirbt. Warum? – so fragen wir dann. „Wo warst du, Gott? – „Wärst du hier gewesen, dann wäre dieser Mensch nicht gestorben.“

Was ist die Antwort Gottes auf diese Frage? Er hat sie in seinem Sohn gegeben. Jesus selbst musste diese vorwurfsvolle Frage anhören angesichts des Todes seines Freundes Lazarus. Er hat Lazarus wirklich geliebt – so wie ein Mensch eben einen anderen lieben kann. Und darum war er im Innersten erregt und erschüttert. Jesus hat geweint über den Tod seines Freundes. – Gott weint in seinem Sohn über das Schicksal des Todes, das Trennung und endgültigen Abschied bedeutet. Er bleibt nicht teilnahmslos daneben stehen, er durchlebt selber dieses Dunkel der Verlassenheit. Ja, er ist selber in die tiefste Finsternis hinabgestiegen – bis hin zum verzweifelten Aufschrei: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ – Denn er will uns das Schicksal nicht einfach von oben herab diktieren: „Ich weiß schon, was für euch gut ist....“ Jesus kostet es selbst aus, dass der Wille des Vater oft unerbittlich ist, scheinbar gnadenlos, aber er betet: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“

Jesus begegnet dem Tod seines Freundes kurz vor seinem eigenen Todesschicksal. Seine Erregung wächst, denn er steht der Macht gegenüber, gegen die er gesendet ist. Die Liebe begegnet ihrem größten Feind, dem Tod. Und hier soll sich ein erstes Mal zeigen, dass die Liebesmacht größer ist als der Tod. Jesus ruft mit gewaltiger Stimme: „Lazarus, komm heraus!“ In der Tiefe seines Geistes geht ein Kampf vor sich, ein Kampf, der deswegen so heftig ist,

  • weil es nicht nur um den Tod allein geht, sondern um die Sünde, die den Tod gebiert und im Tode herrscht,
  • weil die Sünde noch schwerer zu besiegen ist als der Tod,
  • und weil sie den Opfertod des Gerechten einfordert. Jesus weiß genau, dass er auf diesen Gigantenkampf zugeht, den Kampf der Liebe mit der Sünde, die sein Leben kosten wird.

Und in Vorwegnahme dieses Kampfes, der schließlich zum Sieg über Tod und Sünde führen wird, kann Jesus den Lazarus zum Leben erwecken: „Lazarus, komm heraus!“

Darum kann er auch zu Marta das großartige Offenbarungswort sprechen: „Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.“ Er sagt nicht: Ich wirke die Auferstehung, ich gebe das Leben – er sagt: „Ich bin“. Jesus offenbart sein Geheimnis: dass er das Leben selber ist, der wahre Sohn Gottes, der das Leben in sich hat und der es freiwillig geben kann, um es wieder zu nehmen (vgl. Joh 5,26; 10,18).

Antworten wir auf diese Offenbarung mit unserem Glaubensbekenntnis zu Jesus – so wie Marta, die sagte: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.“

66. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

Als ich neulich mit Grundschulkindern über unseren Osterglauben gesprochen habe, war mir u.a. wichtig zu erfahren, was denn in den Augen der Kinder diesen Glauben plausibel erscheinen lässt und was ihn eher fragwürdig macht. Als stützendes Element wurde u.a. empfunden, dass die Ostergeschichten in der Bibel aufgeschrieben wurden – denn das schriftliche Zeugnis gibt der Sache Objektivität; anders als bloßes Hörensagen setzt es sich der Nachprüfung aus und scheut diese auch nicht. Schwer glaubwürdig erschien einigen Kindern jedoch die Behauptung, dass da einer wirklich von den Toten auferstanden sei – denn so etwas passiert doch sonst nicht. Und wenn es denn tatsächlich passiert ist, warum ist Jesus den Jüngern nur eine Zeitlang erschienen und dann nicht mehr? Die beiden Punkte gehören zusammen: das Aufhören der Erscheinungen des auferstandenen Herrn und die schriftliche Aufzeichnung des Geschehens. Das heutige Evangelium thematisiert geradezu diese Zeit des Umbruchs von unmittelbarer Begegnung mit Jesus hin zu anderen Formen seiner Gegenwart in der Kirche. Es ist selber schon ein Nachtrag zum eigentlich fertigen Johannesevangelium. Dieses hatte nämlich mit den Worten geschlossen: „Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.“ (Joh 20,30f) – So als ob das Aufgeschriebene nun doch nicht ganz ausreichte, hat ein zweiter Schreiber, wohl ein Schüler des Evangelisten, von einer weiteren Ostererscheinung Jesu berichtet. Dahinter mag ein ähnliches Bedürfnis stecken, wie ich es von den Grundschulkindern erfahren habe: Jesus soll nicht aufhören, sich seinen Freunden leibhaftig als der Auferstandene zu bekunden! Er soll nicht aufhören, sie in ihrem Alltag aufzusuchen und ihnen dort den Lichtblick von Ostern her zu schenken, den sie brauchen, um im Glauben festzustehen und treu zu bleiben. Dieser Wunsch ist völlig in Ordnung und angemessen. Er spiegelt sich schon in der Einladung der Emmausjünger: „Herr, bleibe bei uns, denn es wird bald Abend, und der Tag hat sich schon geneigt.“ (Lk 24,29) Und der Wunsch ist vor allem dann brennend, wenn der Alltag der Christen mühsam, ermüdend und frustrierend ist. Darum geht es nämlich in unserem Evangelium zuerst. Die Fischer unter den Aposteln gehen ihrer Arbeit nach und fangen keinen einzigen Fisch. Wer das Johannesevangelium kennt, weiß, dass mit dieser Aussage ein symbolischer Sinn verbunden sein muss: Gemeint ist der kirchliche Dienst der Apostel, ihr Bemühen, Menschenfischer zu sein, und ihr sich rasch abzeichnender Misserfolg. Die Kirche ist wie ein Schiff mit Petrus als dem Steuermann – aber ohne die Gegenwart ihres Herrn Jesus Christus richtet sie nichts aus. Aber die Gegenwart Jesu ist nicht mehr so unzweifelhaft erfahrbar wie an Ostern. Jesus steht am Ufer, „doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war“ (Joh 21,4). Dass er es ist, wird erst deutlich, als er ihnen zu einem wunderbar reichen Fischfang verhilft und ihnen dann das Brot und den Fisch zu essen gibt. Auch hier werden wir an die Geschichte der Emmausjünger erinnert, die den Herrn „erkannt hatten, als er ihnen das Brot brach“. (Lk 24,35) Die Erinnerung an das Letzte Abendmahl wird geweckt, und es wird klar, dass Jesus fortan in dieser neuen Form unter den Seinen gegenwärtig sein will: im Mahl von Brot und Wein, das die Jünger zu seinem Gedächtnis begehen. Warum wählt Jesus diese Form, um seine österliche Gegenwart in der Kirche erfahrbar werden zu lassen? Warum kommt er unserem Wunsch nach massiver Berührbarkeit nicht weiter entgegen? – Die Antwort darauf ist zweigeteilt: Erstens kommt er ja unserem Wunsch nach leiblicher Gegenwart tatsächlich entgegen, denn die Eucharistie ist ja materiell und nicht bloß geistig; Jesus erscheint in ihr in den Grenzen von Raum und Zeit, ja, er bleibt in allen Kirchen gegenwärtig, er schaut uns vom Tabernakel aus an und lässt sich von uns – freilich unter der Gestalt und dem Zeichen des Brotes – anschauen und ansprechen. Aber – und das ist der zweite Teil der Antwort – die Wirklichkeit des Auferstandenen ist nicht von dieser Welt, sie ist jenseitig, himmlisch. Es gibt keinen ungebrochenen Zugang aus dieser Welt in die des Himmels, dazu ist Wandlung nötig, eine Wandlung, die normalerweise erst im Tod erfolgt, ausnahmsweise aber bereits an den Gaben von Brot und Wein geschieht. Der Leib des Auferstandenen ist verklärt, er ist kein Teil dieser vergänglichen Welt. Wir können diesen Leib Jesu nicht in unsere Welt ziehen, wir müssen uns vielmehr von Jesus aus dieser Welt gleichsam herausziehen lassen in seine Welt. Die Eucharistie ist gerade die Speise, die uns verwandelt in Menschen, die des ewigen Lebens fähig und würdig sind. Der Wandlung von Brot und Wein in Jesu Leib und Blut muss unsere innere Wandlung folgen, unsere Angleichung an die Gesinnung Jesu. „Nehmt und schmeckt das Brot des Lebens, nehmt und schmeckt das Brot und lebt!“

67. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Liebe Schwestern und Brüder,

immer wieder gibt es Diskussionen über den Glauben – sei es in der Familie, in der Schule, unter Freunden, unter Gelehrten.
Die Argumente werden hin und her geschoben, reflektiert und hoffentlich auch ernst genommen. Nur ein Argument wird oft gar nicht angehört oder sogar es wird angefeindet. Das Argument „Ich glaube, weil es die Kirche so sagt. Ich gehorche, weil es die Kirche so sagt.“ Da wird derjenige, der dieses Argument vertritt entweder mitleidig oder vorwurfsvoll angeschaut. Gehorsam! So was.

"Gehorsam" hat so einen Beigeschmack von Militär und Sekte: Da werden Anweisungen erteilt, die ich auszuführen habe, egal ob das vernünftig ist oder nicht. "Gehorsam" klingt immer ein bisschen nach "blind gehorchen"; so als wenn man sein eigenes Gehirn ausschaltet. Manche werfen der Kirche vor, es gehe in ihr um Kadavergehorsam. Nur: Kadaver können nicht gehorchen – die sind schon tot.

Und doch wünschen wir uns Gehorsam.
Kinder zum Beispiel überblicken noch nicht die ganze Wirklichkeit und sämtliche Folgen ihres Tuns. Deshalb muss jemand, der einen besseren Überblick hat, für sie vorausschauen und ihnen bestimmte Dinge verbieten und zu anderen Dingen auffordern. Kinder gehorchen (wenn sie gehorchen), weil sie guten Grund haben, ihren Eltern zu vertrauen.

Sobald wir aber meinen, selbst alles zu überblicken, lehnen wir es ab, dass jemand für uns vorausschaut - und verweigern den Gehorsam. Man sieht es auch bei den Jugendlichen, die darauf bestehen, keine Kinder mehr zu sein: Gehorsam zu sein ist ein Zeichen von Unmündigkeit. Selbst zu entscheiden, ist ein Zeichen für Unabhängigkeit und Erwachsensein.

Dabei ist es uns dann manchmal egal, ob wir die Wirklichkeit tatsächlich so gut überblicken, dass wir allein zurecht kommen. Lieber fallen wir ab und zu mal kräftig auf die Nase, als dass wir unsere Unabhängigkeit wieder an den Nagel hängen und Gehorsam üben.

Im Grunde ist das ja auch gut so. Nicht erwachsen werden und das Denken und die Verantwortung lieber anderen zu überlassen, ist gefährlich. In dieser Welt ist es eine unausweichliche Pflicht, Erwachsen zu werden.

In Gottes Welt allerdings gelten andere Maßstäbe. In der Lesung aus der Apostelgeschichte heißt es ganz am Schluss: «Auch eine große Anzahl von Priestern nahm gehorsam den Glauben an». Und Jesus selbst hat gesagt: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder!» Und Paulus sagt es einmal „Der Glaube kommt vom Hören“ also vom Hinhorchen, Gehorchen, das Gehörte annehmen.

Dabei geht es nicht in erster Linie darum, unsere eigene Ansicht aufzugeben und - weil Gott es uns sagt - einfach anderer Meinung zu sein. Kind Gottes zu sein, heißt ja nicht, das wir aufhören sollen zu denken. Das haben die Priester in der Lesung ja auch nicht getan.

Sondern dass wir begreifen, dass unser Denken eben nicht alles umfasst, dass vieles noch außerhalb unseres Horizontes liegt. Es geht darum, dass wir durch den Gehorsam lernen, uns mit Leib und Seele (und unserem Denken und Erkennen) auf den zu verlassen, der eine größere Sicht auf diese Welt halt.

Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, dass diese Welt gottlos und unerlöst ist. Im Irak werden wahllos Menschen getötet, und in Deutschland legen Politiker einfach ein Verfallsdatum für die Menschenwürde fest (Nichts anderes ist letztlich bei dem Stammzellengesetz passiert). Der Papst klagt über die Kinderschändungen in Amerika und klagt auch Glieder der Kirche an.
Hat Gott versagt? Ist die Osterbotschaft vom Sieg über den Tod nicht widerlegt?

«Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!» sagt Jesus. Es ist gerade ein Zeichen unserer Kindschaft und unseres kindlichen Gehorsams, dass wir dieses Wort nicht nur hören, sondern daran unseren Glauben festmachen. Euer Herz lasse sich nicht verwirren! Ganz einfach deshalb, weil Gott es gesagt hat; auch wenn die Welt ganz anders aussieht. Einfach glauben, dass Jesus selbst das Leben ist. Einfach Gott zu vertrauen - genauso wie ein Kind: «Papa hat gesagt, alles wird wieder gut.»

Gehorsam sein heißt nicht, seinen Verstand ausschalten, sondern Gott zu vertrauen. Wir haben keine andere Garantie als seine Zusage, sein Wort. Dort, wo wir nicht mehr weiter wissen oder aller Anschein gegen das Gute spricht, Gott zu vertrauen - das ist guter, kindlicher Gehorsam.

Liebe Schwestern und Brüder, echter und guter Gehorsam gehört zum Glauben dazu; aber er ist keine Last oder eine Einschränkung. Es ist die Freiheit der Kinder Gottes. Und Kinder Gottes sind wir seit der Taufe. Und das feiern wir gerade auch in der österlichen Zeit.

Amen.

68. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

Das heutige Evangelium gehört zu den sogenannten Abschiedsreden Jesu kurz vor seinem schweren Leidensweg. Jesus lässt sich tief ins eigene Herz schauen. Philippus bittet ihn: „Herr, zeige uns den Vater¸ das genügt uns.“ Es ist die Sehnsucht nach Gott, die in diesem Wort anklingt. Philippus nennt Gott den Vater, weil Jesus ihn so genannt hat. Gott ist der Vater! Gott liebt uns, wie ein Vater seine Kinder liebt. Gott ist nicht ein abstraktes Prinzip, sondern er ist eine Person, die liebt – und zwar in unendlicher Intensität. – Jesus antwortet: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ (Joh 14,9) Das ist eine wirklich überraschende Aussage: Gott hat in Jesus ein menschliches Gesicht bekommen, in den Worten, in den Gesten und in den Taten Jesu wird Gott selbst ansichtig. Denn – so führt Jesus weiter aus: „Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist?“ Weil Jesus wirklich der Sohn Gottes ist, darum ist er in seiner menschlichen Natur auch das lebendige Bild Gottes, darum strahlt auf seinem menschlichen Antlitz der göttliche Glanz wider. Wer Jesus hat, der hat Gott, und wer Gott hat, der hat alles.

Aber nun geht Jesus weg, er verlässt die Seinen, indem er sich dem Tod ausliefert. Wird ihnen damit auch Gott genommen, sind sie anschließend wieder allein, auf sich gestellt, in Gottesfinsternis? – Das ist die immer neue Anfechtung für die Gläubigen in der Kirche, die große Herausforderung unseres Glaubens, die uns glücklicherweise schon hier – in der allerersten Zeit der Kirche bereits – bewusst gemacht wird. Aber nicht nur das, wir erhalten auch die Antwort auf diese Anfechtung, wieder eine äußerst überraschende Antwort. Zunächst der Zweifel, den der skeptische Thomas äußert: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst; wie sollen wir dann den Weg kennen?“ – Wenn Jesus tot sein wird, dann lebt er vielleicht in der jenseitigen Welt weiter – das glauben seine Jünger schon ohne weiteres. Aber wo ist die Verbindung dieser Welt mit der unsrigen? Welcher Weg führt uns dorthin? Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken? An wen soll ich mich halten, wenn derjenige, an den ich mich bisher gehalten habe, aus meinem Gesichtskreis gerückt ist?

Jesus antwortet nicht, indem er sagt: „Ich zeige euch den Weg. Ihr müsst da und da lang gehen.“ Jesus erteilt dem Thomas nicht eine Lehre, die dann aufgeschrieben wird, damit sie späteren Generationen weiter verkündet wird – jedenfalls ist das nicht seine erste Absicht. Er antwortet vielmehr: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (Joh 14,6) Das heißt, er wirft seine ganze Person in die Waagschale. Nicht irgendeine Lehre führt hin zum Vater, sondern Jesus selbst, Jesus in Person. Christliches Leben ist nicht in erster Linie ein Leben, das sich an einer bestimmten Lehre ausrichtet, es bedeutet vielmehr: mit Jesus Christus auf dem Weg sein.

Das schließt ein, was Jesus an anderer Stelle ausführt: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20) Jesus bleibt in seiner Kirche gegenwärtig, er bleibt bei uns, gerade dann, wenn es Abend, wenn es dunkel wird. Er geht nicht weg, sondern er kommt wieder, um die Seinen zu sich zu holen, damit auch sie dort sind, wo er jetzt ist. – Wenn wir das hören, denken wir vielleicht zuerst an das Leben nach dem Tod: Jesus holt die Verstorbenen zu sich in die himmlischen Wohnungen. Das ist sicher richtig und ein großer Trost für alle, die um einen lieben Verstorbenen trauern oder die Angst vor dem eigenen Tod haben. – Aber Jesus meint auch, dass er die Seinen auch schon im irdischen Leben nicht allein lässt. Wir müssen nicht erst sterben, um Jesus zu begegnen. Nein! Schon in diesem Leben ist Jesus bei uns, er schenkt uns seine Gemeinschaft – und zwar zuerst und vor allem in der Eucharistie, im Brot, das lebt und Leben spendet.

Gestern habe ich mit einer Frau gesprochen, die das nicht glauben kann und die insofern dem Apostel Thomas ähnlich ist, der auch immer zuerst sagt: „Wie soll das möglich sein? Das kann doch gar nicht sein! Das glaube ich nicht.“ – „Das ist doch nur Brot! Wie kann das der Leib Jesu sein?“ – Darauf habe ich geantwortet: Sehen Sie hier meine Hand. Sie könnten auch sagen: »Das ist doch nur Fleisch, das ist nur Physik und Chemie. Wie können Sie sagen, das sei Ihre Hand?« Aber das sagen Sie nicht, denn dieses Geheimnis macht Ihnen keine Schwierigkeit, dass ein Stück Materie zugleich die Erscheinungsform einer Person ist. – Und doch ist die Eucharistie etwas ganz Ähnliches: Ein Stück Materie ist verwandelt und dadurch zur Erscheinungsform der Person Jesu Christi geworden. Er präsentiert sich uns Menschen in dieser Gestalt. Wo liegt da die Schwierigkeit? – In der Verwandlung? Aber bei der Auferstehung wurde doch auch Materie verwandelt: der Leichnam Jesu nämlich wurde auferweckt und verklärt in eine himmlische Wirklichkeit, die nicht von dieser Welt ist und doch in dieser Welt erscheinen konnte. Wenn Gott ein solches Wunder möglich ist, dann muss man ihm auch zugestehen, das andere Wunder wirken zu können: die Wandlung von Brotmaterie in eine himmlische Wirklichkeit, in der uns Jesus höchstpersönlich begegnen kann, ja, in der er sich uns hingibt und schenkt.

"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben", sagt Jesus. Seine Worte sind Licht und Wahrheit, sie künden uns den einzigen Weg zum Heil, den Weg, der Jesus selber ist, den Weg, der zum Leben führt – schon heute, jeden Tag und in Ewigkeit.

69. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt." Der erste Petrusbrief ermutigt uns zum Zeugnis – wenn wir gefragt werden.

Na schön, so könnten wir schlussfolgern, solange ich nicht gefragt werde, brauche ich also auch nicht Zeugnis zu geben. Geht ja auch schließlich keinen was an, was ich glaube.

Ist das wirklich so? Nach der Hoffnung gefragt, die sie erfüllt – das werden sicherlich nur diejenigen, die durch diese Hoffnungsfülle auffallen, denen man ihre Hoffnung ansieht. Etwas, von dem ich erfüllt bin, kann ich schlechterdings nicht verbergen, ohne mich zu verstecken.

Was ist denn mit dir los – bist du verliebt? So fragen wir einen Menschen, dem auf dem Gesicht geschrieben steht, was ihn umtreibt.
Was ist denn mit dir los – glaubst du an Gott? So müssten uns die Menschen fragen, denen wir begegnen, weil wir eben anders leben können als diejenigen, die keine Hoffnung haben.

Wir könnten also den Satz aus dem Petrusbrief ergänzen und sagen: Antworte jedem, der nach dem Grund der Hoffnung fragt, die dich erfüllt und lebe so, dass du nach dem Grund deiner Hoffnung gefragt wirst! Dieser Grund unserer Hoffnung, das ist Jesus Christus und seine Liebe zu uns und zu jedem Menschen.

Liebe aber kann nicht für sich bleiben. Es liegt im Wesen der Liebe, dass sie weitergeben und dass sie den Geliebten erfreuen will.
„Wenn ihr mich liebt," so sagt der Auferstandene deshalb seinen Jüngern, „werdet ihr meine Gebote halten."
Zuerst die Liebe, dann die Gebote, denn das oberste Gebot ist das der Liebe, der Liebe zu Gott und zu dem Menschen.

Und umgekehrt gilt: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren."
Der Vater wird uns lieben. Das ist nicht nur eine religiöse Leerformel. Das ist eine Zusage des Herrn. Liebe aber ist spürbar. Wenn wir uns auf Gott einlassen, werden wir seine Liebe spüren!

Welcher Mensch aber wünscht sich nicht, geliebt zu werden. Und was tun Menschen nicht alles, um Liebe, um Anerkennung, Angesehenwerden, Zuneigung zu erfahren.
Und wie groß ist dann nicht selten die Enttäuschung, wenn das, was man unter Liebe verstanden hat, sich wieder auflöst, weil Geld, Erfolg oder einfach so ein Gefühl auf neue Wege lockt, die dann nicht selten bald wieder verlassen werden.

Gottes Liebe ist da anders. Sie will uns nicht blenden, sie meint wirklich mich, sie nimmt mich vollkommen an – und was sie verlangt, das Halten der Gebote, dazu gibt sie selbst die Mittel und die Befähigung.

Es heißt nicht: Wenn ihr mich liebt, müsst ihr meine Gebote halten, sondern Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.
Wenn Sie ihre Frau oder ihren Mann wirklich lieben, müssen Sie nicht bei ihr oder ihm bleiben, sondern sie werden beieinander bleiben.
Worum wir uns also bemühen müssen, ist zuerst die Liebe. Denn die Gebote richten sich nach dem Wesen des Geliebten und des Liebenden, also nach dem Wesen Gottes.
Wenn wir in der Liebe Gottes bleiben wollen, können wir gar nicht anders als die Gebote halten, denn nur dann leben wir wirklich in Gemeinschaft mit ihm – und diese Gemeinschaft ist es letztlich, die unser Glück ist.

Das also muss man an uns Christen ablesen können. Dass wir Geliebte und Liebende sind. Und dass unser Maßstab kein Geringerer ist als Gott selbst.
Das ist ein hoher Anspruch. Es ist auch kein theoretischer, sondern ein praktischer. Aber manchmal habe ich den Eindruck, als wenn wir vorher schon abwinken und sagen: Das ist doch unmöglich, das geht doch nicht, schließlich sind wir ja nur arme kleine Sünderlein.
Jesus denkt offenbar anders von uns. Er zwingt uns nicht, Liebe zwingt nie, aber er lädt uns ein, es wenigstens zu versuchen.

Ganz konkret: Beten wir wieder. Ob morgens, abends, zum Essen, wenn wir froh oder traurig sind – halten wir Kontakt zu dem, der uns helfen will, in der Wahrheit zu leben.
Suchen wir die Nähe Jesu in den Sakramenten, vor allem in der Eucharistie am Sonntag. Bitten wir ihn ehrlich, dass er uns an die Hand nimmt und führt auf dem Weg der Hoffnung.

Und wenn wir dann gefragt werden: Was machst du eigentlich, dass du so voller Liebe leben kannst, wenn wir dann nach dem Grund unserer Hoffnung gefragt werden, dann dürfen wir uns freuen und bereitwillig Rede und Antwort stehen, damit immer mehr Menschen den Weg zurück finden zur Liebe des Vaters.

70. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

(Vorbemerkung: Die nachstehende Predigt ist meine letzte Sonntagspredigt in der Pfarreiengemeinschaft Nordkirchen. Ich bedaure es sehr, nun vorerst keine Predigten mehr ins Netz einstellen zu können, waren diese doch für viele ein Stück geistliche Nahrung. – Ich wünsche allen mir über dieses Medium verbundenen Christen Gottes Segen und die Erfahrung seiner Liebe. Beten wir füreinander. – Axel Schmidt)

Liebe Gemeinde!

Eric Butterworth erzählt folgende erstaunliche Begebenheit: Ein Professor ließ seine Soziologiestudenten in die Slums von Baltimore gehen, um Fallgeschichten zu 200 Jugendlichen zu sammeln. Die Studenten wurden gebeten, eine Bewertung über die Zukunft eines jeden Jungen zu schreiben. In jedem Fall schrieben die Studenten: „Er hat keine Chance.“ 25 Jahre später stieß ein anderer Soziologieprofessor auf die frühere Studie. Er ließ seine Studenten das Projekt nachvollziehen, um zu sehen, was mit diesen Jungen passiert war. Mit Ausnahme von 20 Jungen, die weggezogen oder gestorben waren, erfuhren die Studenten, dass 176 der verbliebenen 180 einen mehr als ungewöhnlichen Erfolg als Anwälte, Doktoren und Geschäftsleute erlangt hatten. – Der Professor war überrascht und beschloss, die Angelegenheit weiter zu verfolgen. Glücklicherweise lebten alle Männer in der Nähe, und er konnte jeden einzelnen fragen: „Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?“ Jeder von ihnen antwortete: „Es gab eine Lehrerin.“ – Die Lehrerin war noch am Leben, also machte er sie ausfindig und fragte die alte, aber noch immer aufgeweckte Dame, welche magische Formel sie benutzt habe, um diese Jungen aus den Slums herauszureißen, hinein in erfolgreiche Leistungen. Die Augen der Lehrerin funkelten, und auf ihren Lippen erschien ein leises Lächeln: „Es ist wirklich einfach“, sagt sie. „Ich liebte diese Jungen.“

In diesem Fall war es eine einfache Lehrerin, die durch ihre tiefe, ehrliche Liebe Hunderten von jungen Menschen eine Zukunft gegeben hatte, eine Zukunft, die die Wissenschaftler ihnen von vornherein abgesprochen hatten. Daraus ziehe ich den Schluss: Güte und Liebe sind in der heutigen Zeit nicht weniger möglich und nötig wie zu allen anderen Zeiten. Vielleicht denken Sie, diese Lehrerin hatte einfach eine außerordentliche Kraft, die ein normaler Mensch nicht besitzt. Also hat mir die Geschichte nichts zu sagen. So reden und denken Feiglinge, die sich nicht trauen, das Beispiel eines anderen Menschen an sich herankommen zu lassen. So denken die Geizigen, die ihre Talente für sich behalten wollen. Aber die Liebe hat eine eigenartige Struktur: Anders als beim Geld, das, einmal ausgegeben, anschließend verschwunden ist, gilt für die Liebe: Wer Liebe ausgibt, hat nachher mehr Liebe und irgendwann eine derartig große Kraft zum Lieben, dass er Ähnliches bewirken kann wie diese Lehrerin.

Man muss nur damit anfangen. Mit einem schlichten Vorsatz für den heutigen Tag und die Woche: Von heute an will ich die Menschen, die mir begegnen, so ansehen, dass ich etwas finden kann, was sie mir liebenswert macht! Ich will nicht aufhören, danach zu suchen, und dann will ich dieser als liebenswert erkannten Person meine Gegenliebe entgegenbringen, mein freundliches Lächeln, mein aufmunterndes Wort, meinen Dank für ihre Gegenwart.

Mutter Teresa drückt es so aus:

„Verbreite Liebe, wo immer du hingehst: zuerst in deinem eigenen Haus. Gib deinen Kindern Liebe, deiner Frau oder deinem Mann, deinem Nachbarn von gegenüber... Lass nie jemanden zu dir kommen, ohne ihn besser und glücklicher wieder gehen zu lassen. Sei der lebendige Ausdruck von Gottes Güte; Güte in deinem Gesicht, Güte in deinen Augen, Güte in deinem Lächeln, Güte in deinem warmen Gruß.“

Vgl. Jack Clanfield – Marc Victor Hansen: Hühnersuppe für die Seele. Geschichten, die das Herz erwärmen. Augsburg: Bechtermünz, 2002.

71. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Im Evangelium hören wir Johannes den Täufer, der Jesus aller Welt vorstellt und dabei ausruft:
„Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“

Das Lamm ist in der Bibel - genauso wie in einigen Kulturen - das Symbol der Unschuld, denn es fügt keinem ein Leid zu; Leid kann ihm nur angetan werden. In Fortführung dieser Symbolik wird Christus im ersten Petrusbrief „das Lamm ohne Fehl und Makel“ genannt: Es „wurde geschmäht, schmähte aber nicht; (es) litt, drohte aber nicht.“ Jesus ist mit anderen Worten der Unschuldige schlechthin; der Unschuldige, der leidet.

Es ist gesagt worden, dass der Schmerz der Unschuldigen „der Fels des Atheismus“ sei. Nach Auschwitz stellte sich dieses Problem in noch schärferer Weise: Die Bücher und Dramen, die zu diesem Thema geschrieben wurden, sind unzählbar.
Eine Theologie nach Auschwitz musste sogar herhalten.
Man scheint in einem Prozess zu sein und die Stimme des Richters zu vernehmen, der dem Angeklagten befiehlt aufzustehen. Der Angeklagte ist in diesem Fall Gott beziehungsweise der Glaube.

Was kann der Glaube auf all dies antworten?
Es ist vor allem notwendig, dass wir alle, Gläubige und Nichtgläubige, eine Haltung der Demut annehmen. Denn wenn der Glaube nicht imstande ist, Schmerz und Leid zu „erklären“, so ist es noch weniger die Vernunft. Die meisten Ideologien haben nicht mehr geschafft, als den anzuklagen, an den sie nicht glauben: Gott.

Das Leid der Unschuldigen ist zu rein und zu geheimnisvoll, als dass es in unsere armseligen Erklärungsversuche aufgenommen werden dürfte. Jesus selbst, der sicher mehr erklären konnte als unsereins, wusste angesichts des großen Schmerzes der Witwe von Naim und der Schwestern des Lazarus nichts Besseres zu tun als zu weinen.

Schwestern und Brüder,
die christliche Antwort auf das Problem des Leidens der Unschuldigen liegt in einem Namen: Jesus Christus!
Jesus ist nicht gekommen, um uns gelehrte Erklärungen zum Schmerz zu geben, sondern er ist gekommen, um ihn still auf sich zu nehmen. Und indem er ihn auf sich genommen hat, hat er ihn von innen her verwandelt: Aus einem Zeichen der Verfluchung hat er aus ihm ein Instrument der Erlösung gemacht. Ja, mehr noch: Er hat den Schmerz zum Wertvollsten gemacht, zum Größten dieser Welt!

Und damit hat er die Maßstäbe dieser Welt verrückt. Nicht die Starken und Mächtigen, sind stark und mächtig.
Es wäre beruhigend und normal, einen starken Gott zu haben. Einen Löwen, der sich für uns einsetzt und alle zum Schweigen bringt, die uns Böses wollen. Einen Gott, der unsere Schwachheit durch seine Stärke ausgleicht, zu dem wir aufschauen können. Ein Supermann wie im Comicheft, wie bei der Scientology-Sekte.
Nur: Wir haben nicht einen solchen Gott. Von unserem Gott heißt es im heutigen Evangelium: Seht, das Lamm. Das schwache, absolut friedliche Lamm ist das Wappentier Gottes. Der Löwe, der brüllend umher geht, ist in der Bibel nämlich das Bild des Bösen.
Unser Gott ist deshalb aber kein Schwächling. Es ist schließlich die höchste Macht Gottes, dass er lieben kann. Und keine Liebe weigert sich, für den Geliebten zu leiden. Das Lamm zeigt an, dass Gott, der Schöpfer, damit einverstanden ist, das erste Opfer seiner Schöpfung zu werden.

Jesus aber hat nicht nur dem unschuldigen Leid Sinn verliehen; er hat ihm auch neue Macht verliehen, eine geheimnisvolle Fruchtbarkeit. Schauen wir doch, was aus dem Leiden Christi erwachsen ist: die Auferstehung und die Hoffnung für das ganze Menschengeschlecht!

Richten wir unseren Blick aber auch auf das, was um uns herum geschieht. Wie viele Energien und heldenhafte Haltungen werden z. B. dank der Annahme eines behinderten Kindes, das für Jahre ans Bett gefesselt ist, bei Eheleuten freigesetzt! Wieviel unerwartete Solidarität zeigt sich in ihrem Umfeld! Wieviel Fähigkeit zu lieben, die andernfalls unerkannt geblieben wäre!

Das Wichtigste aber, wenn man vom Leid unschuldiger Menschen spricht, ist nicht, es zu erklären.
Das Wichtigste ist,
es nicht durch unsere Taten und Unterlassungen zu vergrößern.

Und damit, dieses Leid nicht anwachsen zu lassen, ist es noch lange nicht getan. Man muss auch versuchen, das vorhandene Leid zu lindern! Angesichts eines kleinen Mädchen, das vor Kälte zitterte und vor Hunger weinte, rief ein Mann eines Tages in seinem Herzen zu Gott: „O Gott, wo bist du? Warum tust nichts für dieses unschuldige Kind?“ Und Gott antwortete ihm: „Gewiss habe ich etwas für es getan: Ich habe dich geschaffen!“

72. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

In jeder heiligen Messe ruft der Priester vor der Kommunion: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt!“ Dieses Wort ist für uns schon zu einer festen Formel geworden, auf die wir ganz automatisch antworten: „Herr, ich bin nicht würdig...“ – Heute haben wir diesen Ausruf im Johannesevangelium gehört. Ursprünglich kommt er aus dem Munde Johannes’ des Täufers, um Jesus zu bezeichnen. Konnten seine Jünger damals verstehen, was er damit sagen sollte?

Die Frage ist schwer zu beantworten. Einige Theologen meinen, der Evangelist hätte diese Worte Johannes in den Mund gelegt, ähnlich wie der berühmte Maler Matthias Grünewald etwas gemalt hat, was historisch so nicht möglich gewesen ist und dennoch eine tiefe Aussage darstellt: er hat nämlich Johannes den Täufer in die Kreuzesszene hineingestellt; dort zeigt er mit einem übergroßen Finger auf den Gekreuzigten, während er sagt: „Seht das Lamm Gottes!“

Wie auch immer – ob der Täufer selbst den Satz gesprochen hat oder ob ihn erst der spätere Evangelist formuliert hat – wir werden dadurch jedenfalls hingewiesen auf die Reinheit des weißen Lammes, die im Kontrast zur dunklen Last der Sünde steht. Ein Jude wird beim Stichwort „Lamm“ an eine Stelle im Prophetenbuch Jesaja (53,4-12) gedacht haben, in dem es vom sog. Gottesknecht heißt, dass er stumm wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt wurde, dass er die Sünde der Menschheit trägt und dass wir durchs seine Wunden geheilt sind.

Wir können aus dem Bild vom Lamm aber noch mehr lernen. Zu Weihnachten haben wir die Botschaft gehört: Der Herr der Welt – nur ein Kind. Heute erfahren wir: Der Erlöser der Welt – nur ein Lamm. Ein Bild der Schwäche – verglichen mit den kraftvollen, herrschaftlichen Wappentieren, z.B. Löwe und Adler, mit denen sich die Mächtigen dieser Erde schmücken.

Eine rabbinische Geschichte erzählt, wie Gott sich freute, als er alles sah, was er erschaffen hatte. Die Tiere zogen in langer Prozession an Gott vorüber: die einen mit Stoßzähnen ausgestattet, andere mit Krallen oder Panzern. Alle hatten ihre Waffen. Aber abseits stand ganz traurig noch ein anderes Tier. Ängstlich starrte es auf die Büffel und Nashörner, die Schlangen und Tiger, die Löwen und Krokodile: ein Lamm. Es kam sich ganz verloren vor, denn es hatte nichts, womit es sich hätte wehren können. „Warum gibst du ihnen so viele Waffen?“ fragte das Lamm den Schöpfer und fügte vorwurfsvoll hinzu: „Du weißt doch, was sie Schlimmes damit anrichten können.“ Da sagt Gott zum Lamm: „Auch dir habe ich Waffen gegeben, die ‚Waffen des Friedens’: Geduld, Demut und Hingabe.“

Das Lamm Gottes heute mit den Waffen des Friedens – steht es nicht auf verlorenem Posten in unserer Ellenbogengesellschaft? Es kann keine Zähne zeigen; das Lamm hat keine Krallen, die packen und zerreißen, keine Pranken, die zuschlagen und zerschmettern. Alles das hat es nicht – aber dafür besitzt es eine Fähigkeit, die allen menschlichen Rüstungen weit überlegen ist: Es nimmt hinweg die Sünde der Welt. Gut, dass es das Lamm Gottes gibt!

Wir sollen heute wieder neu erahnen, dass es eine ganz andere Möglichkeit gibt, unsere Konflikte zu lösen, als zugespitzte Worte, Waffen und kugelsichere Panzer. In seiner Wehrlosigkeit liegt seine Stärke.

Dieses Zeichen spricht heute mehr Menschen an, als wir vielleicht glauben. Als Papst Johannes Paul II. krank und schwach war, da gewann er eine ungeahnte neue Sympathie. Auch der jetzige Papst ist ganz auf die Überzeugungskraft seiner Worte angewiesen; er hat keine Legionen und auch sonst nur wenige äußerliche Macht- und Druckmittel. Das wurde in den letzten Tagen wieder offensichtlich, als eine Minderheit von Professoren und Studenten an der Sapienza-Universität durch ihre Proteste dafür sorgte, dass der Papst dort nicht, wie vorgesehen war, eine Rede halten konnte. Ein Skandal, dem der Papst nichts entgegenzusetzen hatte; er gab nach und sagte den Termin ab. Nun hat er seine Rede per Post an die Universität geschickt, und sie wurde dort auch öffentlich verlesen und von den Anwesenden mit Applaus bedacht. Die Worte werden auf die Dauer mehr bewirken, als politischer Druck es vermocht hätte. Dazu passt, was der Papst am Schluss seiner Rede gesagt hat:

„Die Gefahr der westlichen Welt – um nur davon zu sprechen – ist heute, dass der Mensch gerade angesichts der Größe seines Wissens und Könnens vor der Wahrheitsfrage kapituliert. Und das bedeutet zugleich, dass die Vernunft sich dann letztlich dem Druck der Interessen und der Frage der Nützlichkeit beugt, …“

Der Druck der Interessen hatte den Papst aus der Universität vertrieben und mit ihm den Mahner der Wahrheitssuche. Aber nicht größerer Druck wird die Wahrheit des Evangeliums befördern, sondern die Tugenden des Lammes: Geduld, Demut und Hingabe. Das gilt im großen und im kleinen.

73. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Ich möchte heute ein paar erläuternde Worte zur Lesung sagen. In der Gemeinde von Korinth berufen sich einzelne Personen und Gruppen auf Autoritäten, die zueinander in Widerspruch stehen. Im Glauben und Leben der Gemeinde ist eine Spaltung entstanden. Paulus ist davon zuhöchst beunruhigt und greift mit seinem Brief in das gespannte Geschehen ein.

Einige Mitglieder der Gemeinde berufen sich auf einen gewissen Apollos. Dieser war wohl ein gebildeter Mann aus Alexandria (vgl. Apg 18,24ff), der vor allem auf die eigene Einsicht baute und der als Nachfolger des Paulus eine Zeit lang die Gemeinde geleitet hatte. Dem stand Kephas gegenüber, vermutlich ist Petrus gemeint. Auf ihn beriefen sich diejenigen Kreise, die man heute in die fundamentalistische Ecke rücken würde. Drittens gab es eine Gruppe, die sich auf Paulus berief, nicht zuletzt natürlich, weil er ja die Gemeinde gegründet hatte.

Paulus lehnt jedoch jeden Personenkult ab. Er weiß, dass es in der Natur des Menschen liegt, Cliquen zu bilden und sich von anderen abzugrenzen. Darum spielt er auch nicht die einen gegen die anderen aus, wie es unerleuchtete Seelsorger tun, die sich selber so sehr in den Mittelpunkt stellen, dass es ihnen egal ist, wenn sich ganze Gruppen der Gemeinde abwenden – Hauptsache, sie bekommen von anderer Seite genügend Beifall! Vielmehr baut Paulus ganz auf die Kraft der Gnade, die wiederum aus der Verkündigung des Kreuzes Christi erwächst. Der innerste Kern des Glaubens ist das Kreuz Jesu Christi, und dieser Kern schmiedet die Gläubigen zusammen. Denn Jesus Christus war es, der für alle das Kreuz getragen hat – das kann man weder von Paulus noch von Apollo oder Petrus sagen.

Die Gemeinde lebt nicht vom persönlichen Charme eines Verkünders oder von seinen intellektuellen Vorzügen oder von sonst einer Eigenschaft, die ihn auszeichnet. Sie lebt ganz und gar aus der Kraft der Gnade, die Christus uns durch sein Kreuz erworben hat. Man kann nicht leugnen, dass die unterschiedlichen Charaktere der Seelsorger die Gläubigen in ganz unterschiedlicher Weise ansprechen oder eben auch abstoßen. Was dem einen gefällt, findet der andere unmöglich. Was dem einen hilft, ist für den anderen unverständlich oder verzichtbar. – Das ist nicht zu ändern, ist vielleicht auch gar nicht so schlimm, wenn wir uns nur darauf besinnen, was Kirche eigentlich ist: die im Herrn versammelte Gemeinschaft der Glaubenden. Denn dann könnten wir besser verstehen, dass die unterschiedlichen Charakter in der Kirche ein Reichtum sind und kein Übel.

In diesem Sinne sei uns die Mahnung des Apostels ein Ansporn: „Im Namen Jesu Christi, unseres Herrn: Seid alle einmütig, und duldet keine Spaltungen unter euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung.“ (1 Kor 1,10)

74. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2008)

Was ist eigentlich wichtig?
Unsere Zeitungen und Nachrichten sind voll von Antworten auf diese Frage. Die einen sagen: Wichtig ist der soziale Friede. Rentner und arbeitende Menschen, die die Wirtschaft stützen, sie sollen in Frieden miteinander leben können. – Familien müssen ein Auskommen haben, damit Kinder nicht ein Armutsrisiko werden. Andere sagen: Die Verteilung der Rohstoffe ist das große Thema der Zukunft. Das Öl für Autos und Maschinen, vor allem auch das saubere Wasser – wie das und manches mehr allen Menschen zur Verfügung steht, das wird das große Thema sein. Noch wieder andere sagen: Das Klima und der Schutz der Natur und ihres Reichtums muß unser erstes Anliegen sein. Wir sind doch Teil der Natur, und wenn es dieser Erde, ihrem Klima und den Arten im Tier- und Pflanzenreich schlecht geht, dann geht es uns allen schlecht. Und so geht es weiter, und auch in der Kirche gibt es die gleiche Frage und die Auseinandersetzung darum: Was ist wichtig? Was kommt zuerst? Was können wir dazu sagen? Welche Antwort können wir geben?

Ich möchte behaupten: Die Antwort, die wir geben sollten, die brauchen wir uns gar nicht mehr zu überlegen. Darüber müssen wir gar nicht noch lange nachdenken. Die Antwort, die geben wir jetzt. In diesem Moment. Indem wir uns versammelt haben zum Lob Gottes, zum Gottesdienst, zur Feier des Sonntags. Damit verwirklichen wir das Wort Jesu aus der Bergpredigt, wo er sagt: „Euch aber muß es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen“ (vgl. Mt 6,33).

Dieses „aber“ – „Euch aber“, es läßt uns aufmerken. Viele Probleme und Fragen gibt es in der Welt und in der Kirche. Diese Dinge sind alle wichtig. Oder wollte einer meinen, die Natur, die Schöpfung, in der wir leben, wäre unwichtig und wir brauchten uns darum nicht zu kümmern? – Nein, auch das ist wichtig, sehr wichtig sogar.
Christen kennen hier freilich das „aber“. Dieses „aber“ bezeichnet das Vorrangige. Jesus nennt es das „Reich Gottes und seine Gerechtigkeit“. In der Bergpredigt und im Matthäusevangelium kommen diese Worte immer wieder vor. Letztlich wird hier auf das erste Gebot Gottes Bezug genommen. Dort heißt es: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“ (Ex 20,3; Dtn 5,7).

In diesem Gebot kommt zur Sprache, was Israel erfahren hat: Wenn das Volk sich wirklich Gott zugewandt hat, wenn es bereit war, ihn zu hören und seinen Weisungen zu folgen, dann war es gut. Dann lebte das Volk im äußeren und inneren Frieden. Dann hatte es vor Gott und vor den anderen Völkern einen Namen, der groß war.
Wenn Israel aber eigene Wege ging und begann, Gott und seine Weisungen zu vergessen, wenn jeder anfing, nur an sich selbst und seinen eigenen Vorteil zu denken – dann waren damit Abstieg und Verfall vorprogrammiert.
Die Propheten mahnten darum immer wieder zur Umkehr und warnten die Menschen und stellten ihnen die Folgen vor Augen – leider meistens erfolglos.
Auch in unserer kirchlichen Situation brauchen wir neuen Mut, uns neu zur Mitte hinzuwenden. Wenn Kirchen und Kindergärten geschlossen werden, wenn gespart werden muß und die Prognosen uns sagen, daß wir in der Kirche Zeiten entgegengehen, in denen vieles neu überlegt werden muß, dann können wir uns dieser Frage nicht verschließen: Was ist eigentlich wichtig? Worauf kommt es an?

Der neue Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, hat einen Hirtenbrief zu Pfingsten verfaßt, in dem es um genau diese Frage geht. Seine Gedanken sind sehr bedenkenswert, nicht nur für Limburg, sondern auch für uns. Ich habe deshalb dem Vorstand des Pfarrgemeinderates empfohlen, daß wir gemeinsam diesen Brief lesen und uns fragen, was das für uns bedeuten kann.
Wir haben auch in unserer Kirche viele Fragen und Probleme. Die müssen angegangen und besprochen werden. Und es müssen Lösungen gefunden werden. Aber alles läuft ins Leere und hängt in der Luft, wenn wir nicht wissen, woher unser Glaube lebt und wohin er uns führt.
Bevor Programme entwickelt und Projekte ins Leben gerufen werden, müssen wir uns vergewissern, wer wir als Kirche sind und was wir glauben, wenn wir uns zum dreifaltigen Gott, zum Vater, zum Sohn, und zum Heiligen Geist, bekennen.
Bevor wir uns über Gottesdienstzeiten und über Veranstaltungen unterhalten und wo was stattfinden soll, müssen wir uns vergegenwärtigen, was im Gottesdienst überhaupt geschieht und wer es da ist, der uns ruft und zusammenbringt.

Unser Glaube hat eine Mitte und ein Gesicht: Jesus Christus. Und unser Kirchesein lebt ganz Wesentlich von dem Glauben, daß Er, Christus, auferstanden ist und lebt. Unser Glaube ist österlicher Glaube. Und der zeigt sich am tiefsten und dichtesten in der österlichen Versammlung, in der Eucharistie am Sonntag. Hier haben wir die Mitte, hier haben wir den Ausgangs- und Zielpunkt.
Die heilige Messe ist nicht eine „Veranstaltung“ in einer Reihe neben anderen. Dann wäre alles gleich gültig, und damit würde letztlich alles gleichgültig. Dann verliert alles seinen Wert, wenn es nicht mehr die Mitte gibt.
Wenn wir uns kümmern um diese Mitte, wenn wir uns rufen lassen zur österlichen Versammlung um den Altar, wenn wir einstimmen in das Lob Gottes, dann haben wir sicher schon ein gutes Stück von dem verstanden, was Jesus meint, wenn er sagt: „Euch aber muß es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen“ (vgl. Mt 6,33).

75. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

„Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt.“ Die schweren Lasten – sie begleiten unser Leben. Mal sind es mehr, mal weniger. Die alten und kranken Menschen können ein Lied davon singen, aber auch die Berufstätigen an den immer stressiger werdenden Arbeitsplätzen.

„Ich werde euch Ruhe verschaffen“, sagt Jesus. Was meint er damit? Wie macht er das? Ich nenne vorerst nur einen Aspekt, den ich selbst schon oft erfahren habe. Oft ist es mir schon vorgekommen, daß ich abends kurz vor der Messe total erschöpft war, am Ende meiner Kraft und voller Bitterkeit, daß ich noch lange keine Ruhe finden werde, weil es nach der Messe gleich mit irgendeinem Termin weitergeht. An solchen Tagen kommt es mir so vor, als könnte ich nicht einmal mehr die Messe andächtig feiern. Und dann – wenige Minuten nach Beginn der Eucharistie – fällt alles von mir ab und ich spüre eine aus den Tiefen heraufsteigende Erquickung, eine ungeahnte Kraft, so daß ich mich nach einer halben Stunde ganz erfrischt fühle. Ich habe das schon oft erlebt, es ist nicht gelogen und nicht übertrieben. Es ist jedes Mal wie ein Wunder – eine echte Bestätigung des Wortes Jesu: „Ich werde euch Ruhe verschaffen“. Hierin liegt auch einer der Gründe, warum ich die Feier der Messe niemals als Arbeit bezeichnen oder selbst so ansehen würde. Wenn ein Priester die Messe als Arbeit betrachtet und sie so behandelt wie andere Termine auch, dann stimmt etwas nicht mit seinem Berufsverständnis.

Gott sei Dank gibt es hier in St. Johannes eine Reihe von Gläubigen, die gern zur Werktagsmesse kommen und dort Erquickung von der Ruhelosigkeit ihres Alltags suchen. Jeder, der die Messe andächtig mitfeiert, hilft mir und den anderen, im Gottesdienst wirklich zu Gott zu finden und von ihm Kraft zu beziehen.

Natürlich verschafft Jesus Ruhe nicht allein durch die Feier der Eucharistie, auch wenn es dort in einer besonders dichten Weise spürbar wird. Jesus ist ja unser Freund und hat unser Bestes im Blick, so daß jede echte Begegnung mit ihm den Charakter der Erquickung trägt, so wie uns ja auch jede Begegnung mit einem lieben Menschen bereichert und erfreut. Nicht daß er uns die Lasten, die wir oft so schmerzlich spüren, abnimmt. Aber er hilft uns, sie besser tragen zu können, er trägt sie gleichsam mit uns und hat unglaublich viel Verständnis mit uns, wenn wir uns trostlos fühlen und die Last am liebsten abwerfen würden. So sagt er: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.“ Das Joch, von dem er spricht, ist die Art zu leben, die er uns selbst vorgelebt hat, ist die freie Hingabe an den anderen Menschen. Die Dinge werden leichter, wenn sie mit Sinn erfüllt sind, die Pflichten drücken weniger, wenn wir beginnen, sie gern zu tun.

Von Jesus können wir etwas lernen, was wirkliche Lebenshilfe ist, so daß wir Ruhe finden für unsere unbehauste Seele. Ich kann dies jetzt nicht umfassend ausführen, nur einige Streiflichter werfen. Ein wichtiger Punkt ist, daß Jesus immer bereit ist, unsere Klagen anzuhören und Verständnis zu zeigen, auch dann, wenn alle anderen Menschen ihr Mitgefühl bereits zurückgezogen haben. Jesus wird nie sagen, er habe selbst schon Sorgen genug, er habe keine Zeit für uns oder Wichtigeres zu tun. Seit 2000 Jahren wartet er im Tabernakel auf uns – kann es einen deutlicheren Ausdruck für seine Güte, Milde und Geduld geben?

Ein zweites: Jesus macht uns Mut, das, was wir ändern können, auch wirklich zu ändern, während er uns andererseits Gelassenheit gibt, das Unabänderliche zu ertragen. Wie oft jammern wir zwar über dies und das, rühren aber keinen Finger, um es zu ändern!
Ich gebe nur ein Beispiel: die vielen Einladungen und gesellschaftlichen Anlässe, die uns angetragen werden und die doch aufgrund ihrer ins Unermeßliche angestiegenen Häufigkeit mehr Streß als Freude bereiten. Ich höre sehr oft Menschen darüber klagen, es kommt mir aber so gut wie nie zu Ohren, daß irgend jemand sein Verhalten ändert und die Feiern auf die Hälfte reduziert. Es fehlt an Mut. Wer sich zuerst und vor allem an Jesus hält, wird spüren, wie ihm Mut zuwächst, wird es leichter finden, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich Freiräume zu schaffen. Das Joch Jesu drückt nicht, und seine Last ist leicht.

Einen dritten Gedanken hat der hl. Franz von Sales in seinem Büchlein Philothea geäußert. Gott, so sagt er, hat uns von Ewigkeit her genau das Kreuz zugemessen, das wir tragen können. Er hat es uns angemessen, zugeschnitten, unseren Verhältnissen angepaßt. So ist unser Kreuz nicht zu schwer. Gott, der uns von Ewigkeit her kennt und liebt, hat es uns zugemutet. Der Wille Gottes paßt genau zu uns, weil er ganz persönlich um unser ganzes Leben weiß. Denn Gottes Liebe ist nicht nur eine allgemeine Liebe zum Menschengeschlecht insgesamt, sondern auf jeden ganz persönlich ausgerichtet. Sie berücksichtigt meine konkrete Lebenssituation und bezieht meine Vergangenheit und meine Zukunft mit ein. Auch in diesem Sinne ist das Joch Jesu nicht drückend und seine Last vergleichsweise leicht.

Das Leben wird leichter, wenn wir Jesus daran teilnehmen lassen. Nur scheinbar gewinnen wir, wenn wir die Religion, die Bindung an Gott, abstreifen. Die Welt, die uns von Gott fernhalten will, verspricht uns Freiheit, hält aber nicht Wort. Das Joch Christi dagegen macht frei, weil es uns für die Liebe zurüstet und ungeahnte Freude mit sich bringt.

76. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Schwestern und Brüder!

Schick doch die Menschen weg...
Wir können dieses Wort der Jünger verstehen. Da sind 5000 Männer – Frauen und Kinder nicht eingeschlossen. Sie sind Jesus gefolgt, wollen ihn hören, hängen an seinen Lippen. Sie sind so fasziniert, daß sie darüber die Zeit vergessen.
Und die Jünger sitzen vermutlich nahe beim Herrn. Und irgendwie sonnen sie sich im Glanze Jesu: „Er kommt an. Und wir gehören zu ihm.“ denken sie sogar etwas stolz.
Aber nun droht Ungemach. Die Stimmung könnte bald kippen, wenn auf einmal Hungergefühle bei den Menschen aufkommen. Es ist schließlich schon spät. Die Sache ist nicht so ganz geheuer:
„Am besten wir werden die Leute los. Das wird Jesus verstehen. Wir können uns doch nicht um die alle da kümmern...“

Und so sagen sie es Jesus: Schick doch die Menschen weg...
Das klingt vernünftig in unseren Ohren.
Und umso unverständlicher ist die Antwort: Gebt ihr ihnen zu essen!
„Ja, spinnt der denn? Ist Jesus jetzt völlig übergeschnappt? Leidet Jesus unter Realitätsverlust?“ mag der eine oder andere der Jünger gedacht haben.

In ihrer Fassungslosigkeit ringen die Jünger nach Worten, um Jesus den Ernst der Lage zu verdeutlichen:
Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische bei uns. Das reicht kaum für die Zwölf. Erst recht nicht für über 5000 Menschen.

Doch Jesus fordert die paar Brote und Fische ein: Bringt sie her!
Und ein großes Wunder geschieht. Etwas, was noch niemals geschehen ist. Etwas Unvorstellbares: ...und alle aßen und wurden satt. Mehr noch, es blieben sogar zwölf Körbe übrig. Wenn Gott gibt, schenkt er im Übermaß.

Schwestern und Brüder!
Das Evangelium des heutigen Sonntags beschreibt nicht nur ein großes Wunder Jesu, das seine Göttlichkeit bezeugt.
Das Evangelium beinhaltet auch eine große Lehre für uns, die uns Mut machen will.

Das Wunder Jesu war nur möglich, weil die Jünger das wenige, was sie hatten, ihm gegeben haben. In seinen Händen wurde es verwandelt. Ohne die Gabe – eine eher beschämend kleine Gabe – hätte der Herr die 5000 nicht gespeist.

Am Ende seines irdischen Wirkens, kurz vor der Himmelfahrt, gibt Jesus seinen Jüngern den Auftrag: Geht hinaus in alle Welt und macht alle zu meinen Jüngern!
Dieser Auftrag ist noch größer und verrückter als das Gebt ihr ihnen zu essen!
Aber die Jünger haben diesen Auftrag angenommen, trotz der eigentlichen Aussichtslosigkeit. Aber spätestens seit der Speisung der 5000 und der Auferstehung Jesu wußten sie: wenn wir das einsetzen, was wir haben und es IHM in die Hände geben, dann geschieht Großes und Unvorstellbares. Für mich ist es ein Wunder, daß diese Zwölf der Ursprung der Verkündigung sind und diese bis heute fortdauert, auf allen Kontinenten in den entlegensten Orten.

Der Auftrag der Mission trifft auch uns heute. Wir alle, die wir hier sitzen, wissen, daß es viele um uns herum gibt, die mit Glaube und Kirche eigentlich nichts mehr am Hut haben. Sie hungern letztlich nach Sinn und Heil.

Gebt ihr ihnen zu essen! – so lautet der Ruf Jesus auch heute an uns. Erzählt ihnen von Gott, führt sie wieder zum Glauben, macht die Müden wieder wach und gebt den Mutlosen neue Hoffnung.

Schick doch die Menschen weg... ist häufig unsere Haltung. „Sei doch froh, daß ich hier in der Kirche sind. Das ist doch schon was. Die anderen sind viel zu viele, an die komme ich nicht dran, mir fehlen sowieso die Voraussetzungen, die anderen zu überzeugen. Ich habe schließlich keine Theologie studiert. Reden kann ich auch nicht. Es hat doch keinen Zweck.“

Sicher, es wird wenige große Missionare unter uns geben. Aber jede und jeder von uns kann seinen kleinen Teil tun, sein Brot, seinen Fisch beisteuern und Jesus in die Hand geben.
Es geht nicht darum große pastorale Pläne zu entwerfen, sondern vielleicht einmal jemanden anzusprechen; ihm zu sagen, daß wir für ihn beten; einladen, mal mitzukommen. Oder einfach nur darum beten – im Stillen und beständig – daß der eine oder die andere den Weg zum Glauben und in die Kirche finden möge.

Das klingt wenig. Aber tun wir es wirklich? Legen wir so unsere kleinen Gaben in die Hände Jesu? Er ist es, der das Wunder tun wird. Nicht wir.
Aber er vertraut auf unsere Mitarbeit. Wir müssen ihm nur unsere Initiativen, Gebete und guten Werke schenken. Und er wird den Hunger nach Sinn, Liebe und Glauben in vielen Menschen stillen können.

Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische bei uns.
Bringt sie her!
und alle aßen und wurden satt
Amen.

77. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön – heißt es in einem Lied.
Liebe Schwestern und Brüder,
die Jünger im Evangelium, haben zumindest eine sehr bewegte Seefahrt, ob sie so schön war? Immer hin gerieten sie in Seenot

Wir haben da aber nicht nur einen Fall von Seenot (Seenot mit Doppel-e), sondern es ist auch ein Fall von Seh-Not (Seh-Not mit h).
Denn um das richtige Sehen geht es hier auch. Und um die Konsequenzen daraus. - Als die Jünger so jämmerlich schreien, weil sie annehmen, da komme ein Gespenst auf sie zu, nähert sich Jesus auf dem See gehend. Doch ganz offensichtlich sehen sie ihn nicht richtig vor lauter Schreckensbildern in ihren Köpfen, vor lauter Sorgen in dem Sturm. Jesus ergreift die Initiative und redet ihnen ruhig zu: „Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!“

Wie reagieren die Jünger, die im Boot hocken und Todesangst haben, auf die Worte Jesu? Atmen sie einmal ganz tief durch und brechen dann in Jubel aus? Staunen sie, dass alle Macht von Wind und Wetter Jesus nichts anhaben kann?
Nein, so ist es nicht. Sie sehen, und sie sehen doch nicht. Sie kriegen ihren Kopf nicht frei. Die düsteren Gedanken lassen keinen klaren Blick zu.
Das kommt uns auch sehr bekannt vor. Der Ruf Jesu, Vertrauen in ihn zu haben, prallt an Verängstigten einfach ab. Ja, die Jünger und wir heute, wir fürchten uns in den schlimmen Stürmen, die so plötzlich über uns hereinbrechen in unserem persönlichen Leben!
Auch über die Kirche. Wohin soll das alles noch führen, dieser Abschwung.

Einer jedoch tanzt aus der Reihe. Petrus hört und sieht den Herrn wie alle anderen. Er hat auch Angst wie alle anderen. Aber als einziger überwindet er seine Angst. Das zeichnet Petrus aus. Im richtigen Moment erfasst er die Lage. Er nimmt allen Mut zusammen und ant-
wortet: „Herr, wenn du es bist, so befiehl, daß ich auf dem Wasser zu dir komme.“
Es heißt im Originaltext sogar nicht „wenn du es bist“, sondern „da du es bist“. Petrus hat ihn also erkannt. Als einziger. Gleich wird er wieder etwas übermütig, wie wir das von ihm schon kennen.

Alle Achtung! Petrus traut sich was. Er dürfte als Fischer ja am besten wissen, dass Wasser keine Balken hat. Er wird auch schon öfter bei ungeschickten Manövern im kalten Wasser gelandet sein. - Petrus traut sich was. Er setzt ein Signal: Ja, ich habe verstanden, Herr, dass ich dir absolut vertrauen kann. Wenn du das willst, kann ich sogar wie du über das Wasser gehen. Ich tue es aber nur, wenn du es mir befiehlst!
Sprich nur ein Wort! - So wird Petrus zum Aussteiger.
Jesus hat wirklich nur ein einziges Wort gesagt, und das heißt: „Komm!“
Was für ein schönes Zeugnis gläubigen Vertrauens!
Bei dieser Übung im Sturm riskiert Petrus immerhin sein Leben. Die anderen dagegen sitzen stumm und starr im Boot. Wir wissen nicht, was gerade genau in ihren Köpfen vorgeht, aber solch ein Vertrauen haben sie jedenfalls nicht. Ja, sie sehen und sehen doch nicht!
Petrus dagegen verlässt sich mit seiner ganzen Existenz darauf, dass das Wort Jesu ihn tragen kann. Bei ihm jedenfalls hat das Brotwunder an den 5000 seinen Glauben gestärkt. Davon haben wir am letzten Sonntag gehört.

Petrus richtet seinen Blick fest auf Jesus. An ihm orientiert er sich. Jesus ist sein Ziel. So klettert Petrus über den Bootsrand und geht los. Ganz schön verrückt, oder?
Jesus hat schon gewusst, warum er Petrus zum Felsen machte, auf den er seine Kirche bauen wollte. Petrus sieht jetzt nicht den Sturm und die Probleme, sondern er sieht den Herrn. Das gibt ihm Kraft.

Petrus ist schon ganz in der Nähe Jesu und hat es fast geschafft, da bekommt er Angst vor der eigenen Courage. Plötzlich wendet er seinen Blick für einen Moment von Jesus ab und sieht die aufgepeitschten Wellen. Mit einem Schlag wird ihm bewusst, wir riskant sein Manöver ist. Es kommt, wie es kommen musste: Petrus beginnt unterzugehen.

Die Bibel beschönigt das nicht. Menschliches Versagen ist nicht nur ein Thema in den Nachrichtensendungen, sondern auch in der Bibel. Petrus soll hier nicht lächerlich gemacht werden, und die Sitzenbleiber im Boot auch nicht. Die Bibel sagt: Ja, genau so sind wir Menschen!

Irgendwie tut Petrus uns sogar leid. Fast hätte er es geschafft. Und nun diese Blamage vor seinen Leuten! So lange er nur Augen für Jesus hatte, war alles gut. Petrus hat sein Ziel kurz aus den Augen verloren, doch er hat dazugelernt. In seiner Not ruft er nicht etwa seine Kollegen um Hilfe. Petrus, der für eine Sekunde schwach geworden ist, erinnert sich an sein Ziel und ruft: “Herr, rette mich!“

Jesus packt sofort beherzt zu. Er „ergriff ihn“, heißt es. In Sekundenbruchteilen ist Petrus gerettet. Jesus hält Petrus keine Strafpredigt. Erst greift er ihm im wahrsten Sinne des Wortes unter die Arme, und dann bestätigt er Petrus nur, dass es sein mangelnder Glaube war, der ihn beinahe versinken ließ. „Du Kleingläubiger“ - so nennt ihn Jesus in diesem Moment. Wenn der Glaube das Leben tragen soll, dann darf er nicht klein sein. Kleingläubigkeit, also Glaube auf kleiner Flamme, das ist weder Fisch noch Fleisch, weder hü noch hott.

Petrus erfährt hier ganz handfest: den Glauben gibt es nur in der großen Portion, nicht als Appetithäppchen für zwischendurch.
Wie sagt der Volksmund so treffend: Wer A sagt, der muss auch B sagen.
Also: Wer etwas beginnt, der muss es auch zu Ende bringen, wenn er Erfolg haben will. Sonst kann er es gleich bleiben lassen. Für den Glaubensweg des Petrus und für unseren gilt das allerdings auch. Also bitte nicht kurz vor dem Ziel aufgeben!

Ja, der vollmundige Petrus hat für einen Moment versagt. Es ist, wie wenn er bei einem großen Sprung gestürzt wäre. Aber dieses Hinfallen, dieses Versinken hindert Petrus nicht, sich schnell wieder zu besinnen.
Daran erinnert auch eine bekannte Redewendung: Hinfallen ist keine Schande, aber liegen bleiben!
Petrus bleibt nicht liegen. Er rappelt sich sofort wieder auf. Sein Hinfallen war eine Folge seines mutigen Einsatzes; daher belächelt oder verspottet ihn auch niemand wegen seines Reinfalls. Er ist der einzige, der mutig genug war, alles auf eine Karte zu setzen. Jetzt ist er auch mutig genug, seine Hilflosigkeit zuzugeben, indem er schreiend bittet: „Herr, rette mich!“

Jesus bringt Petrus sofort ins sichere Boot, und dann lässt auch schon das Unwetter nach. Die Gefahr ist vorüber. Jesus ist da, wenn es darauf ankommt, und die bedrohlichen Mächte sind verstummt. Petrus ist um eine handfeste Erfahrung reicher, welche die anderen nur als Zuschauer miterleben konnten.
Versagt haben sie auch, sogar mehr als Petrus.
Sie haben schon aufgegeben, bevor sie überhaupt angefangen haben, auf Jesus zuzugehen. Aber ihr Versagen springt nicht so direkt in unser Auge.
Zu schnell gilt das Interesse bei vielen nur der Person des Petrus.

Zum Schluss werden auch die Sitzenbleiber im Boot munter. Sie sehen Jesus von Angesicht zu Angesicht, und sie sind beschämt. Es heißt im Evangelium:
„Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn.“
Kein Wort der Kritik ist von Jesus zu hören. Er kennt seine Leute, und sein liebendes Herz ist groß. Lange hat es gedauert, bis bei ihnen endlich der Groschen gefallen ist. Was beim so beeindruckenden Brotwunder nicht gelang, das gelingt am Ende einer grauenvollen Sturmnacht.

Ihnen gehen die Augen auf aus Ihrer Seh-Not:
Sie erkennen jeder für sich, wer Jesus wirklich ist.
Und sie tun das einzig Richtige, was dann zu tun ist: sie werfen sich demütig vor ihm nieder. „Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!“ - Vergessen wir das nicht, wenn unser persönlicher Seesturm kommt.

78. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

In der heutigen Kultur und Gesellschaft gibt es etwas, was uns in das Verständnis des Evangeliums dieses Sonntags einführen kann. Es handelt sich um die Meinungsumfrage. Man wendet sie praktisch überall an, vor allem aber im Bereich der Politik und der Wirtschaft.

Auch Jesus wollte eines Tages die Meinungen sondieren.
Nach seiner Ankunft im Gebiet von Cäsarea Philippi, das heißt der nördlichsten Region Israels, wendet sich Jesus in einer Verschnaufpause, in der er mit den Jüngern allein ist, unvermittelt mit der Frage an sie: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“

Es hat den Anschein, dass die Apostel auf nichts anderes gewartet hätten, als endlich alle Stimmen zu Wort kommen zu lassen, die von Jesus gesprochen haben.
Sie antworten: „Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten.“ Jesus aber ist nicht daran interessiert, den Grad seiner allgemeinen Popularität, seiner Beliebtheit zu messen. Sein Ziel ist ein ganz anderes. Deshalb drängt er sie: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“

Diese zweite und unerwartete Frage bringt die Apostel völlig durcheinander. Schweigen und Blicke kreuzen einander. Während zu lesen ist, dass die Apostel auf die erste Frage gemeinsam, gleichsam im Chor antworteten, steht das Verb nun in der Einzahl. Nur einer antwortete – Simon Petrus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“

Zwischen den beiden Antworten steht ein abgrundtiefer Graben, eine „Bekehrung“. Um zu antworten, genügte es vorher, sich umzuschauen und die Meinungen der Leute gehört zu haben.
Nun aber müssen sie in sich hören und eine ganz andere Stimme vernehmen, eine Stimme, die nicht vom Fleisch und vom Blut kommt, sondern vom Vater, der im Himmel ist. Und sie müssen sich persönlich dieser Stimme stellen.
Es gilt nicht sich hinter dem anonymen „man“ zu verstecken. Deshalb sagen wir im Credo ja auch: „Ich glaube“ – nicht „man glaubt“.

Petrus stellt sich persönlich dieser Stimme in ihm. Petrus wird Gegenstand einer Erleuchtung „von oben“.
Es handelt sich nach dem Evangelien um die erste klare Anerkennung der wahren Identität Jesu von Nazareth, den ersten öffentlichen Akt des Glaubens an Christus in der Geschichte!

Denken wir an das Kielwasser, das ein schönes Schiff im Meer hinter sich lässt. Es breitet sich in dem Maß aus, in dem das Schiff weiterfährt, bis es sich am Horizont verliert. So ist es mit dem Glauben an Jesus Christus. Er ist wie das Kielwasser, das sich in der Geschichte ausgebreitet hat, bis es die „äußersten Grenzen der Welt“ erreicht hat. Aber er beginnt bei einer Spitze, und diese Spitze ist der Glaubensakt des Petrus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Jesus benutzt ein anderes Bild, das die Stabilität stärker hervorhebt als die Bewegung, ein nach oben statt in die Horizontale ausgerichtetes Bild: Fels, Gestein: „Du bist Petrus – der Fels –, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.“

Jesus ändert den Namen Simons, wie es in der Bibel immer dann getan wird, wenn einem eine neue wichtige Mission übertragen wird: Er nennt ihn Kephas, Felsen. Der wahre Fels, der „Eckstein“, ist und bleibt er selbst, Jesus. Einmal auferstanden und in den Himmel aufgefahren, ist dieser „Eckstein“ zwar gegenwärtig und wirksam, aber unsichtbar. Es bedarf eines Zeichens, das ihn repräsentiert, das in der Geschichte diesen „unerschütterlichen Grund“, der Christus ist, sichtbar und wirksam macht.
Und dies wird Petrus sein, und nach ihm derjenige, der ihn vertritt, der Papst, der Nachfolger des Petrus, als Oberhaupt des Apostelkollegiums.

Dabei ist wichtig, dass Jesus sagt: „Du bist Petrus – der Fels –, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.“

Die Kirche ist Seine Kirche. Sie gehört nicht uns. Wir machen Kirche nicht. Immer dann wenn ich Priester sprechen höre „meine Pfarrei“ oder Gläubige „mein oder unser Pastor“ – immer wenn ich das höre, werde ich vorsichtig: die Kirche ist nicht unsere Besitz, sie ist die Kirche Jesu. Und ihm dienen wir.

Und nur da wo wir auf Petrus, den Fels hören, wo wir in Einheit mit dem Hl. Vater handeln und denken, können wir sicher sein, daß wir der Kirche Jesu dienen. Da wo Gemeinden und Priester sich von Petrus abwenden und eigene Liturgien, eigene Moralvorstellungen, eigene Dogmen haben, wird die Kirche statt weltweit und groß, provinziell und eng.
So wie zu Jesus, müssen wir auch ganz persönlich Stellung zur Kirche nehmen: „Ich glaube an die heilige katholische Kirche“.

Kehren wir nun aber zur Meinungsumfrage zurück. Die Umfrage Jesu vollzieht sich, wir haben es gesehen, in zwei Momenten, und sie enthält zwei Grundfragen. Erstens: „Für wen halten die Leute mich?“, und zweitens: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“

Jesus scheint dem, was die Leute über ihn denken, nicht viel Bedeutung beizumessen; ihn interessiert, was seine Jünger denken. Er spornt sie an mit seiner Frage: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Er gestattet es nicht, dass sie sich hinter den Meinungen anderer verstecken; er will, dass sie ihre eigene Meinung zum Ausdruck bringen.
Die Situation wiederholt sich fast auf genau gleiche Weise heute. Auch heute haben „die Leute“, die öffentliche Meinung, ihre Vorstellung von Jesus. Jesus ist Mode. Schauen wir auf das, was in der Welt der Literatur und des Schauspiels passiert. Es vergeht kein Jahr, in dem nicht ein Roman oder ein Film mit einer eigenen deformierten und entsakralisierenden Meinung über Christus herauskommt. Der Fall „Sakrileg“ von Dan Brown war der aufsehenerregendste und findet viele Nachahmer.

Heute gibt es auch jene Menschen, die den halben Weg zurückgelegt haben: diejenigen, die – wie die Menschen der damaligen Zeit – Jesus für „einen der Propheten“ halten. Als faszinierenden Menschen stellt man ihn neben Sokrates, Gandhi, Tolstoj. Ich bin sicher, dass Jesus diese Antworten nicht verachtet, da von ihm gesagt wird, dass er „das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen wird“. Er versteht es also, jede ehrliche Anstrengung des Menschen wertzuschätzen. Es ist dies aber eine Antwort, die nicht einmal der menschlichen Logik standhält. Gandhi oder Tolstoj haben nie gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, oder: „Wer den Vater und die Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.“

Bei Jesus kann man nicht auf halbem Wege stehen bleiben: Entweder ist er derjenige, der zu sein er behauptet, oder er ist kein großer Mensch, sondern der verrückteste Spinner der Geschichte. Es gibt keine Mittelwege.
Es gibt Gebäude und Strukturen aus Metall (eine davon ist, glaube ich, der Eiffelturm in Paris), die so gebaut sind, dass alles zusammenbricht, wenn man sie an einem gewissen Punkt berührt oder ein gewisses Element entfernt. Ein solches Gebäude ist der christliche Glaube, und der neuralgische Punkt, von dem ich spreche, ist die Gottheit Jesu Christi.

Lassen wir aber nun die Meinungen der Leute beiseite und kommen wir zu uns Gläubigen.
Es reicht nicht, an die Gottheit Christi zu glauben. Sie muss auch bezeugt werden! In der Kirche Jesu Christi. In Einheit mit dem Nachfolger Petri, dem Papst.
Wer den Glauben kennt und nicht Zeugnis für den Glauben ablegt, ja ihn gar verbirgt, der trägt vor Gott eine größere Verantwortung als jener, der diesen Glauben nicht besitzt.

In einer Szene von Claudels Drama „Der gedemütigte Vater“ fragt ein wunderschönes, aber blindes jüdisches Mädchen in Anspielung auf die doppelte Bedeutung von Licht ihren christlichen Freund: „Ihr, die ihr seht, was habt ihr mit dem Licht gemacht?“

Das ist eine Frage, die sich an uns alle richtet, die wir uns als Gläubige stellen sollten. Immer wieder..

79. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Liebe Schwestern und Brüder!

Es heißt heute im Evangelium wieder einmal ausdrücklich, dass Jesus ein Gleichnis seinen Jüngern erzählte. Er richtet sich also an Menschen, die ihm schon nachfolgen, so wie Sie und ich.

Gläubige Christen brauchen offensichtlich immer wieder eine Nachhilfestunde Jesu in Sachen Glauben. Unmittelbar vor unserer heutigen Bibelstelle ist es ausgerechnet Petrus, der (in Mt 19,27) fragt: „Du weißt,wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Was werden wirdafür bekommen?“

Das ist die Frage, die sehr viele Christen immer wieder beschäftigt:
Was werde ich dafür bekommen? Ein Leben lang halte ich mich an die Gebote und verzichte auf manche Gelegenheit, mir das Leben bequemer zu machen. Ich spende – wie heute für die Caritas-, ich engagiere mich in der Pfarrei, ich gehe regelmäßig zum Gottesdienst, ich bete.
Also bin ich auch so etwas wie ein Arbeiter der ersten Stunde, der im Weinberg des Herrn arbeitet und sich dabei manchmal ganz schön abrackern muss.
Da interessiert mich natürlich schon, was ich dafür bekomme. Was habe ich nach meinem Tod davon?
Rechnet Gott mir meinen Fleiß, meinen Verzicht und meine Geduld auch wirklich an? - Mit anderen Worten: Rentiert sich mein Einsatz überhaupt?

Hier genau setzt Jesus mit dem heutigen Gleichnis an. Er belehrt uns über die besonderen Spielregeln im Himmel. Es heißt: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer…“ - Die Geschichte, die dann folgt, ist uns allen wohlbekannt. Aber einfacher wird sie dadurch nicht.

Da bekommen die, die nur eine Stunde gearbeitet haben einen Denar. Mit einem Denar konnte man damals eine Familie für einen Tag ernähren.
Und die, die länger gearbeitet haben, bekommen auch einen Denar.
„Da begannen sie, über den Gutsherrn zu murren…“
Das lassen sie sich nicht bieten! Sie beschweren sich: Das ist einfach ungerecht! Wir haben in der brütenden Hitze stundenlang geschuftet und bekommen trotzdem nicht mehr. So haben wir nicht gewettet, Herr Gutsbesitzer! Wir wollen mehr Geld!
Und mal ehrlich – Wir sind auch auf ihrer Seite. Da muß eine Gewerkschaft her, eine neue Tarifpolitik.

Und der Gutsbesitzer? Er hält dem Anführer der Murrenden eine Standpauke: „Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denár mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will dem letzten ebensoviel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?“
Das ist Klartext, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt!
Anstelle von „bist du neidisch“ sollte man auch genauer übersetzen.
Wörtlich heißt es: Ist dein Blick böse?

Darum geht es Jesus. Es geht um den bösen Blick. Der ist für das Himmelreich völlig untauglich. Dieser Blick auf den anderen ist es, der die Menschen immer wieder in Katastrophen stürzt. Immer wieder schildert auch die Bibel, wie Menschen so vom Neid zerfressen werden, dass sie furchtbare Dinge tun, so wie Kain, der seinen Bruder Abel erschlug. So zählt man den Neid mit gutem Grund zu den klassischen sieben Todsünden. Er ist wie ein ekliges Eitergeschwür, dass sich immer weiter ausbreitet, meistens sogar unter dem Vorwand der Gerechtigkeit.

Gerecht wollen es die ersten Arbeiter im Weinberg haben, und Gerechtigkeit erwarten wir auch im Leben. Unsere Gerichtsverfahren werden mehr und mehr, denn immer mehr Menschen ziehen vor Gericht, um ihr gutes Recht einzuklagen. Das ist auch in Ordnung so, damit niemand durch Machenschaften anderer einen großen Schaden erleiden muss.

Doch wer Gerechtigkeit vom Herrn verlangt, der sollte sich erst einmal selbst prüfen. Will ich wirklich Gerechtigkeit? Gerechtigkeit weltweit? Will ich gerechterweise mein Einkommen zu einem Drittel abgeben und selbst am Existenz-Minimum leben, wie andere das ihr Leben lang aushalten müssen? Will ich denen in der 3.Welt, die in
Gefahr sind, wegen bei uns geradezu lächerlichen Krankheiten zu sterben, mit aller Kraft und meinem Geld helfen? Will ich wegen der Gerechtigkeit meinen Job aufgeben, weil wir als Paar Doppel-verdiener sind, während junge Leute jahrelang in der Warteschleife sind, um vielleicht gerade meinen Job zu bekommen?
Will ich dafür kämpfen, dass die Afrikaner, die unter Einsatz ihres
Lebens in kleinen, überfüllten Booten nach Europa kommen, ihre
Chance bekommen, dem Elend zu entfliehen?
Das ließe sich beliebig und sehr unangenehm fortsetzen. Gerechtigkeit? Wollen wir wirklich Gerechtigkeit? Seien wir vorsichtig und sehr, sehr leise mit dem Ruf nach Gerechtigkeit! Er könnte uns im Halse steckenbleiben! Meistens ist es eher so, daß wir auf andere neidisch sind oder ihnen weniger gönnen als uns.

In seinem Gleichnis vom Himmelreich erinnert uns Jesus daran. Es ist, als wollte er uns eindringlich warnen: Verlangt von Gott um Himmelswillen keine Gerechtigkeit für euch!
Seid ihr so sicher, dass ihr wirklich so gut abschneidet, wenn es nur knallhart nach Schema F zugeht bei Gott?
Glaubt ihr wirklich, ihr hättet euch den Himmel verdient? Glaubt ihr wirklich, ihr könntet mit Gott schlaue Geschäfte machen? Vielleicht tausend Gebete für einen Platz im Himmel?

Mit diesem Gleichnis mahnt Jesus gerade diejenigen, die zu den fleißigen Arbeitern im Weinberg Gottes gehören: Hört auf mit euren Himmels-Berechnungen! Hört auf mit dem Schielen nach anderen!
Vergleicht euch nicht mit anderen. Denn der Vergleich ist vom Teufel – sagen die Alten.
Es ist eine Beleidigung Gottes, was ihr da treibt. Ihr unterstellt ihm, so zu rechnen wie ihr auf der Erde. Seid froh und glücklich, dass dies im Himmel nicht so ist! Und lernt, anderen etwas von Herzen zu gönnen.

Gott ist eben nicht ungerecht! Seine Gerechtigkeit hat aber eine andere Grundlage als die irdische. Bei ihm kommt noch vor der Gerechtigkeit die göttliche Barmherzigkeit und die Überfülle seiner Liebe.
Wenn ihr euren bösen Blick mal ablegt, dann seht ihr das auch. Der Blick Gottes ist voller Liebe und Zärtlichkeit, voller Güte und Sorge um seine geliebten Menschenkinder.
Dann seht ihr auch, dass Gott in seiner unergründlichen Güte jedem das schenkt, was er braucht, den einen Denar des Lebens, den Denar des ewigen Lebens!

Es sich rentiert sich, mit dem Herrn in seinen Weinberg mitzugehen. Denn das ist auch klar: Wer nicht mitgehen will, wer dankend abwinkt, der ist auch nicht bei der Lohnauszahlung dabei. Traurig ist nur, wenn da welche sind, die wie im Gleichnis bisher von niemandem zur Arbeit angeworben wurden.

Trainieren wir unseren Blick und geben unseren Kollegen auf den Marktplätzen der Welt den Tipp: Kommt mit uns in den Weinberg des Herrn. Es lohnt sich!
Der Lohn ist nicht gerecht, denn er ist die Erfüllung. Und die gibt es nur ganz und nicht nach Tarif.
Diesen Lohn sollten wir einander gönnen können.

80. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Zöllner und Dirnen kommen eher in das Reich Gottes als ihr"
Diesen Satz spricht Jesus zu Menschen, die eine hohe Position in der Öffentlichkeit einnehmen, die hohes Ansehen genießen, die Verantwortung für das ganze Volk tragen, zu denen man aufschaut, deren Wort etwas gilt, die Religion und deren Ordnung hochhalten.
Damals war das wohl eine echte Provokation, die Schriftgelehrten so anzugreifen.

Heute ist man allerdings an Provokationen gewöhnt und es fehlt unter den Leserzuschriften einer Tageszeitung kaum eine, welche mit ähnlich harten Worten mit der Kirche ins Gericht geht und sich dabei sogar auf Jesus beruft.
Zudem sind Bestrebungen im Gange, den "Stand" der Prostituierten aufzuwerten und als ganz normalen "Dienstleistungsberuf" anzuerkennen. Man kann heute oft hören, dass Jesus auch auf deren Seite stand. Wir dürfen allerdings auch fragen: Sollten wirklich die sogenannten Biedermänner, die wie die Zöllner damals die Ehrlichen und Gutgesinnten skrupellos um ihr sauer Verdientes bringen, und die Frauen aus dem Rotlichtmilieu, die ihren Körper verkaufen, noch dafür belohnt werden? Vor allem „entschuldigen“ diese Leute nicht vor allem die Freier, die Unzucht treiben? Wollen da vielleicht einige unter dem Mantel der „Menschlichkeit“ ein unmenschliches Gewerbe aufrechterhalten?

Wer sich gerne auf Jesus beruft, sollte nicht übersehen, dass die Dirnen dem Johannes, dem Mann mit der harten Lebensweise, geglaubt haben. Jesus geht es um die radikale Wandlung der Einstellung, um die persönliche Umkehr, nicht um die Umkehrung der moralischen Normen.

Die viel beschworene Umkehr ist allerdings nicht nur eine Sache des guten Willens. Es ist ein Prozess in uns selbst vergleichbar einem Sturm, der uns aufwühlt, dem Wirken des Salzes in den Speisen, des Sauerteigs im Mehl, dem Wachsen der Saat auf dem Acker. Es ist etwas, was wir nicht selbst machen, sondern was mit uns geschieht. Es tritt nur dann am ehesten ein, wenn wir verunsichert sind, den Boden unter den Füßen verloren haben, wenn wir nicht mehr weiter wissen, wenn uns bewusst ist, dass wir Hilfe brauchen. Genau in einer solchen Situation sind wir mit unserem Innersten verbunden und dessen Kräfte kommen in Bewegung. Da brauchen wir keine Ablenkung, weil sie uns nichts mehr bedeutet. Menschen in Krisen sind für jede Hilfe dankbar und für Neues aufgeschlossen. Für viele öffnet sich in einer schwierigen Lebenssituation oft nach recht schmerzlichen Erlebnissen die Welt des Glaubens.

Jesus sieht in den Zöllnern und Dirnen eher das Elend, das ihre Lebensgeschichte bestimmt, als die verwerfliche Tat. Gerade aber das schwere Schicksal wurde bei denen, die Jesus erwähnt, Anlass zur Umkehr. Wer nur vom Leben bestätigt wird, wer in guter Position und sattem Wohlstand lebt, wer sich im Religiösen nichts vorzuwerfen braucht, hat keinen Grund, sich in Frage stellen zu lassen und Neues, Ungewohntes zu suchen.

Ganz anders ist es bei Menschen, die am Rande des Zusammenbruchs sind und alle Kräfte auf das bloße Überleben konzentrieren müssen. Im Evangelium nach Lukas wird uns eine Frau geschildert, die als Sünderin bezeichnet wird, also zu denen gehört, die Jesus lobt. Es ist etwas vom Mut der Verzweiflung, wenn sie es wagt, sich vor der versammelten Festgesellschaft Jesus zu nähern und sich den durchbohrenden, missbilligenden Blicken der anwesenden, ehrenwerten Männer auszusetzen.

Es geht ihr um das Ganze; das eigene Elend ist ihr Antreiber zum letzten Einsatz. Aus diesem Impuls sind ihr Weinen und ihre Gesten der Hingabe zu verstehen. Es mag wohl gewesen sein, dass sie in der Nähe Jesu eine überströmende Dankbarkeit und ein Glück verspürte, das sie buchstäblich fassungslos machte.

Das gute Beispiel der Sünderin oder auch des verlorenen Sohnes besteht darin, dass sie sich der Dunkelheit ihres Lebens stellten, die Frau beim vornehmen Gastmahl, der junge Mann im Schweinestall. Die Umkehr, die Jesus meint, beginnt nicht bei den gewaltsamen Vorsätzen, sondern beim demütigen Blick ins Innere. Wer der eigenen Bedürftigkeit nicht mehr ausweicht, weckt die Kräfte, die ein neues Leben beginnen lassen.

Die eigene Bedürftigkeit entdecken wir aber nur, wenn wir uns Ruhe gönnen und Zeit nehmen, wenn wir mutig genug sind, uns nicht mit allem volldudeln zu lassen, sondern zu erspüren, was in uns eigentlich los ist. In der Stille - vor Gott – ohne Ablenkung – da spüre ich, was in mir los ist.
Es beginnen die Herbstferien. Vielleicht finden wir ja einmal Zeit, in uns zu schauen. Zum Beispiel in Stille vor dem Tabernakel.

Der nächste Sonntag zumindest, der Erntedanksonntag, macht deutlich wie bedürftig wir sind: ohne Gott hätten wir nichts.

Eine Umkehr im Sinne Jesu wäre allein schon, dafür wirklich dankbar zu werden. Und es in einer Kultur des Tischgebetes zu verwirklichen.

81. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Liebe Schwestern und Brüder!

Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!

Diese Worte aus der Lesung an die Philipper sind sozusagen wie gemacht für das Erntedankfest.

Bitte und Dank. Darum geht es Paulus.
...bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!
Beides, Bitten und Dank, sind Ausdruck menschlicher Tugend.
Ich meine nicht das „Sag mal, bitte!“, „Man sagt Danke!“, das uns unsere Eltern als Kinder beigebracht, vielleicht manchmal sogar eingebläut haben. Da geht es nämlich um Höflichkeit und guten Ton. Das ist wichtig.

Tiefer aber gehen die Bitte und der Dank bei Paulus.
...bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!
Es geht ihm um das Bitten und Danken der Menschen Gott gegenüber. Denn wer dies ehrlich tut, tut Großes, nämlich wahrhaft Menschliches.

Wer Gott bittet, der weiß sich als Mensch, der überhebt sich nicht zum Übermenschen oder gar zu einem Gott. Wer Gott bittet, der ist weise, weil er die Wahrheit anerkennt und einübt: Gott ist Gott, ich bin ein Mensch. Von Gott stamme ich. Er ist das Ziel meines Lebens. Er ist der Geber aller Gaben. Ohne ihn, ist nichts.

Wer Gott dankt, der sieht sein Leben, alles, was er zum Leben braucht – Nahrung, Kleidung, gelungene menschliche Beziehungen – nicht als etwas Selbstverständliches an.
All das wird ihm zum Geschenk. Wird ihm zur Gnade, um einmal das alte Wort für die Geschenke Gottes an uns zu nutzen. Wer dankt, ist offen für die anderen, den anderen.

Der Mensch, der Gott bittet und dankt, steht im rechten Verhältnis zu sich selbst und zu Gott. Er lebt in gesunder Form die Tugend der Demut. Wieder so ein altes aber tiefes Wort, wie das von der Gnade.
Demut heißt: anerkennen, dass ich das bin, was ich bin – ein Mensch – ohne darüber zu klagen, dass ich nicht mehr, größer bin – ein Gott.
Demut ist gelebter Realismus.

Das Gegenteil von Demut ist der Hochmut. „Hochmut kommt vor dem Fall.“ Sagt der Volksmund zu Recht. Der Hochmütige denkt sich eben höher, größer, als er in Wahrheit ist. Die Realität wird ihn dann irgendwann von seinem Sockel stoßen und er fällt.

Der Hochmütige meint, er kann alles, darf alles, ja ihm gehöre alles. Er kennt keine Selbstbescheidung. Bitten und Danken muß er nichts und niemanden, da er sich alles erlauben kann und alles vermag. Aus eigener Kraft. Der Hochmütige wird so leicht zum Hochnäsigen und auch Raffgierigen: Er kann alles, ihm gehört ja alles.

Hochmut kommt vor dem Fall.
Dieses Sprichwort kam mir in den letzten Tagen immer wieder in den Sinn, wenn ich die Schlagzeilen über den Bankencrash las öder hörte. Die Banken, die da gefallen sind, waren sie nicht von Chefs und Mitarbeitern geblendet, die in ihrem Hochmut raffgierig und ohne Maß agierten? Sie sind von ihrem Hohen Roß gestürzt und leider reißen sie viele – auch kleine und unschuldige Leute – mit in die Tiefe. Und dann besitzen sie die Frechheit auch noch staatliche Hilfspläne einzufordern. Darum gebeten haben die nicht. Danken dafür werden die erst recht nicht.

Ich will nicht böse sein: aber manchmal wünschte ich einem solchen Bankenboss, der mit unsichtbaren Milliarden anderer sein riskantes Geschäft gemacht hat, dass er jetzt ganz konkret am eigenen Leib spürt, wie das ist, wenn man kaum das Nötige zum Leben hat. Vielleicht würde der eine oder andere sich bekehren. Realistisch werden. Demütig eben.

...bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!
Das ist unsere Haltung am heutigen Tag. Wir sind realistisch und demütig genug, Gott für die Gabe dieser Ernte zu danken und für eine gute künftige zu bitten
Wir machen uns nichts vor. Wir wissen, daß wir in den barmherzigen Händen Gottes sind. Wir selber allein könnten uns nicht tragen.

Wir fühlen uns deshalb nicht geknechtet oder gedemütigt. Vielmehr wissen wir uns geborgen und handeln, ohne uns zu überheben. Das gibt uns die nötige Gelassenheit für das Leben.

Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!

82. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Das liebe Geld, schon wieder das liebe Geld.

Schwestern und Brüder,
die Nachrichten sind voll von dem Wort Finanzkrise. Wir fragen und sorgen uns, wo denn das ganze Geld geblieben ist. Und wird es schwindelig, wenn wir hören, wie da mit Milliarden herumgeworfen wird. Irgendwie ist das ganze beklemmend.

Und hier in der Kirche, wovon ist im Evangelium die Rede? Wieder vom Geld. Da will man sich erbauen, etwas abschalten in der Nähe Gottes, Kraft finden – und schon wieder hat uns der Alltag wieder.

So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!
Es ist einer der so bekannten Sätze aus der Hl. Schrift, der uns heute trifft.

Jesus sagt ihm denen, die ihm eine Falle stellen wollen.
Dem verhassten römischen Kaiser Steuern zu bezahlen, war etwas unendlich Schreckliches für die gläubigen Juden damals.
Sie warteten auf die Ankunft des Messias, der ganz konkret und direkt in Israel herrschen sollte und so Israel zum größten, mächtigsten Land werden lassen würde. Da tat es besonders weh, sich einzugestehen, das man eine nicht sonderlich bedeutende Provinz eines Reiches war, dass man unterworfen und besetzt war, dass man eben steuerpflichtig war, statt Steuern erheben zu können.

Jede Steuerzahlung war also nicht nur eine finanzielle Einbuße – Experten gehen von einem Steuersatz von 40% aus, den die Juden zu zahlen hatten – nein, jede Steuerzahlung war eine Demütigung:
man mußte bezahlen, weil man eben zu den Unterworfenen zählte, nicht zu den Herrschenden,
man durfte nur mit dem römischen Denar bezahlen, die eigene Währung galt nichts,
man mußte somit letztlich Unreines berühren, im Tempel gab es eine eigene Währung, daher auch die Geldwechsler, vermutet man.

Die Münze selbst aber mußte jeden Juden die Zornesröte ins Gesicht treiben. Auf ihr stand um das Abbild des Kaisers herum geschrieben:
Kaiser Tiberius, des göttlichen Augustus anbetungswürdiger Sohn.
Für einen Juden ein Greuel. Erstens gibt es nur einen Gott, den Gott Israels. Ein Kaiser ist niemals Gott.
Und außerdem macht man sich kein Bildnis von Gott, auch nicht auf einer Münze.

Angesichts dieser Situation spürt man die Gerissenheit der Frage an Jesus, ob es erlaubt sei, dem Kaiser Steuern zu zahlen.
Würde er antworten, dass man dem Kaiser die Steuern bezahlen sollte,wäre er bei den gläubigen Juden unten durch. Niemand würde mehr auf einen solchen Rabbi hören, der mit dem JA auch die Fremdherrschaft der Römer akzeptiert. Er könnte also einpacken, wenn er JA sagte. -
Wenn Jesus allerdings NEIN sagte und sich gegen die Steuerzahlung aussprechen würde, dann würde er sofort von den Anhängern des Herodes bei den Römern angeschwärzt. Die sofortige Verhaftung wegen des Verdachtes, ein Aufrührer zu sein, wäre ihm sicher.

So in die Enge getrieben hofften die Pharisäer Jesus, diesen unbequemen Jesus, loszuwerden.
Aber nichts da. Jesus geht als Sieger aus dieser brenzligen Situation hervor. Nicht nur, dass er sich die Münze zeigen läßt – damit veranlasst er die Pharisäer sich ja unrein zu machen: sie müssen die Münze anfassen und zugeben, dass sie die Steuer zahlen
– nein, sein Satz: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört! hilft ihm nicht nur aus der Klemme, sondern spricht eine Wahrheit aus, die bis heute gilt.

„Bezahlt eure Steuern, dem der sie erhebt. Er hat das Sagen und ein Anrecht darauf. Die Herrscher dieser Welt kommen und gehen. Gott aber gehört nicht euer Geld, sondern euer Herz. Denn er bleibt.“

Liebe Schwestern und Brüder,
ich kenne keinen, der gerne Steuern bezahlt. Weder damals wie heute. Steuern wurden gezahlt, um Anliegen der Allgemeinheit, die ein Einzelner nicht übernehmen kann, zu finanzieren: Die Sicherung der Grenzen durch die Armee, den Bau von Wasserleitungen, Handelswegen und dem Gerichtswesen.

Das gleiche gilt natürlich auch für unsere heutige Gesellschaft: Steuern, die wir zahlen, sind nicht (in erster Linie) das Privateinkommen der Bundeskanzlerin, sondern dienen auch uns selbst. Steuerbetrug ist immer ein Betrug am Mitbürger und letztlich eine Schädigung der eigenen Bürgerrechte. Zu diesen Bürgerrechten gehört aber auch, daß wir durch Wahlen und Eingaben die Rechtmäßigkeit und Angemessenheit von Steuern mitbestimmen wollen. Manche Abgabe ist für manchen zu hoch, manche Verwendung nicht zu akzeptieren, z. B. wenn Steuergelder für Abtreibungen verwendet werden sollten.

Dem Kaiser sollten wir darüber hinaus nicht nur Geld geben, sondern unsere Bereitschaft, an den gesellschaftlichen Aufgaben mitzuarbeiten. Die positive Gestaltung der Gesellschaft ist Bürgerpflicht. Und wir Christen tragen viel dazu bei und haben auch viel dazu beizutragen, damit nicht menschenverachtende Ideologen dies tun.

Was aber ist das, was Gott gehört? - Das, was wir Gott geben sollten, ist genausowenig wie die staatliche Steuer ein Privatvergnügen des Allmächtigen. Mehr sogar noch: Im Gegensatz zu unseren hochrangigen Politikern braucht Gott nichts von uns - gar nichts. Er ist nicht darauf angewiesen, dass wir ihm sein Dienstwagen finanzieren - er ist doch schon überall.
Es ist noch mehr wie beim Staat: Was wir Gott geben sollen, dient letztlich uns selbst. Wenn mit unserem Geld "Gotteshäuser" finanziert werden, dann sind es letztlich Häuser für die Menschen - in denen sie Gott begegnen können. Gott braucht kein Dach über den Kopf - aber wir brauchen einen Ort, an dem wir mit Gott unter einem Dach sein dürfen.
Was wir Gott noch geben können - die Einhaltung der Gebote, die Nächstenliebe, die Feier der Sakramente - dient auch letztlich uns selbst.
So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!
Und noch etwas lässt uns diese Antwort Jesu tiefer erkennen. Kaiser und Gott sind verschieden und nicht zu verwechseln.
Da wo aber das Geld zum Gott wird, also zum Götzen, da geht diese Trennung auseinander und führt zum Chaos. Letztlich liegt in der Vergötzung, der Anbetung des Profites, der Gewinnmargen, der Spekulation mit anderer Leute Geld der eigentliche Grund der Finanzkrise. Da wo Raffgier herrscht statt echter Frömmigkeit, geht alles den Bach runter. Dem einen oder anderen Banker wünsche ich, daß er die Folgen seiner Götzenverehrung am eigenen Leib bzw. auf seinem Konto spürt. So, daß er daraus lernt.

So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!
Wir sind jetzt hier, um Gott zu geben, was ihm gehört: unser Lob und Dank. Beschenkt werden wir dadurch. Was für ein Geschäft.

83. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Liebe Schwestern und Brüder!

„Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.“ so lautet der Kehrvers des Liedes aus dem Gotteslob Nr. 106.

„Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.“
Das ist das, wonach wir Menschen uns sehnen. Egal ob wir alt oder jung, gesund oder krank, Mann oder Frau, weiß oder schwarz sind.

Wir sehnen uns nach dem Heil, weil um uns so vieles unheil ist.
Da tobt der Krieg an vielen Ecken der Welt.
Da erkrankt ein lieber Mensch aus der Verwandtschaft oder Bekanntschaft.
Da gehen Ehen und Familien zu Bruch.
Da fühlt sich der eine oder andere innerlich leer, ausgebrannt.
Da weiß jemand nicht, warum er überhaupt noch leben soll, da ihm alles sinnlos erscheint.

Wir sehnen uns nach dem Heil. Genauer, wir sehnen uns nach einem, der alles heil machen kann. Nach dem, den wir mit dem etwas aus der Mode gekommenen Wort Heiland nennen.

Die Sehnsucht, das Heil, den Heiland zu sehen, verschlug Johannes den Täufer in die Wüste. Dort wollte er sich ganz auf die Ankunft des Messias bereiten.
Und er wollte die Menschen wachrütteln durch seine Predigt, dass auch sie dem Herrn den Weg bereiten.

Im Evangelium hören wir, wie der Täufer im Gefängnis Jesus fragen lässt: Bist Du der, der kommen soll? Bist Du wirklich der Heiland?

Jesus lässt ihm ausrichten:
Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören...
Ja, ich bin der Heiland. In meiner Gegenwart werden die Menschen gesund, heil, an Leib und Seele.

Ist dieser Jesus wirklich der Heiland, der, der kommen soll?
Diese Frage stellen uns Christen jene Menschen, die nicht an ihn glauben. Auch viele Christen, angefochten von einer unheilen Welt, fragen sich das.
Unser Lied antwortet auf diese Fragen ähnlich, wie es Jesus tat.
In der 3. und 4. Strophe heißt es:

Aus Gestein und Wüstensand werden frische Wasser fließen; Quellen tränken dürres Land, überreich die Saaten sprießen.
Blinde schaun zum Licht empor, Stumme werden Hymnen singen, Tauben öffnet sich das Ohr, wie ein Hirsch die Lahmen springen.

Aber stimmt das denn? Wo sehen wir denn Quellen aus dem Wüstensand entspringen? Wo singen denn die Stummen, wo springen denn die Lahmen?

Es gibt solche außerordentlichen Wunder. In Lourdes z. B. Oder bei den Heiligsprechungsprozessen werden solche unerklärlichen Ereignisse festgestellt. Da ist Gott am Werk. Da bricht das ewige Heil mit Macht in die unheile Gegenwart auf der Erde.

Aber es gibt auch weniger aufsehenerregende Wunder, die deutlich machen, dass Christus wirklich der Heiland aller Welt ist.

Ich durfte während meines Studiums in Freiburg erleben, wie aus einem verhärteten Herzen und einer verwüsteten Seele Ströme lebendiger Liebe flossen.
Da war ein Mann, der zwei Menschen auf dem Gewissen hatte. Mit einem Bombenanschlag riss er zwei Ausländer aus dem Leben. Verurteilt. Lebenslänglich.
Im Gefängnis kam er mit dem katholischen Seelsorger, bei dem ich wohnte, zusammen. Angesichts der Botschaft Jesu erkannte er seine tiefe Schuld. Er bekehrte sich.

Nicht nur, dass er seine Schuld und seinen Glauben in Kunstwerken verarbeitete, nein, er wurde zu der Vertrauensperson für alle im Gefängnis: wenn es zu Streit kam, vermittelte er zwischen den Insassen, den Wärtern, dem Anstaltsleiter.
Der Beamte, der ihn bei Freigängen begleiten musste, wurde sein Freund.

Ich habe nie wieder jemanden gesehen, der so wie er um die eigene Schuld wusste. Ich habe aber auch nie wieder jemanden gesehen, dessen Augen soviel Dankbarkeit ausstrahlten, weil er sich trotz der Schuld von Gott geliebt wusste. Aus dem Mörder ist ein Mensch geworden, der wirklich lieben kann.

Ich weiß von einer Frau, die im sowjetischen Kommunismus groß geworden ist. Ihre kommunistische Überzeugung schwankte mit der Zeit. Die Welt war ihr irgendwie unheimlich geworden. Sie suchte nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält, nach einer Heimat. Viele Jahre trug sie diese Fragen in sich. Blind war sie, ihre Lebenskraft wie gelähmt.

Eines Tages, als sie zufällig eine Kirche betrat, spendete der Priester den Segen. Sie sah die knienden Gläubigen. Und wie von selbst kniete auch sie nieder. Auf einmal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Dieser Gott war es, den sie suchte. Mittlerweile ist sie eine bekannte Autorin christlicher Bücher.

„Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.“
Das ist die Verheißung, die wir uns gegenseitig mit dem Lied 106 zurufen. Uns und auch den Suchenden.
Vielleicht überlegen Sie in den nächsten Tage auch einmal, wo sie so etwas erlebt haben. Bei anderen. Bei Ihnen selbst.

Das kann eine Kraftquelle sein für ein Leben in einer unheilen Welt: zu wissen, dass es diesen Heiland wirklich gibt. Und dass er wirkt.

Um darüber nachzudenken, um die Gegenwart des Heilandes in der Welt zu entdecken braucht man Ruhe, eine Wüste. Wie Johannes. Versuchen Sie sich doch diesen Raum in der kommenden Woche zu erkämpfen. Trotz, gerade wegen der Hektik dieser Tage...

84. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Liebe Schwestern und Brüder!
Geht es Ihnen manchmal auch so? Denken Sie auch schon mal bei sich:„Also, lieber Gott, wenn Du jetzt ein richtiges Wunder machen würdest, dann könnte ich richtig glauben. Irgendeine mächtige Tat von Dir, die alle sehen, und alle könnten gar nicht anders als an Dich glauben.“

Ja, das wär’s doch: So ein richtiges Wunder, vor aller Augen.

Nun, dieses Experiment hat Gott schon mehrmals durchgeführt. Er hat schon vor aller Augen Wunder gewirkt. Er hat immer wieder in das Leben der Menschen, in das Weltgeschehen eingegriffen. Nur blieb der Erfolg leider aus.
Schauen wir nur auf das Evangelium von heute.

Da heilt Jesus einen Blindgeborenen. Einer, der nie sehen konnte, kann durch das Wirken Jesu auf einmal sehen. Ein Wunder. Ein wirkliches Wunder. Da müssten doch die Umstehenden zum Glauben kommen. Von Wegen.

Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet, blindgeboren zu sein, überhaupt blind war.

Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet sehend geworden zu sein, auch der ist, der am Straßenrand saß und bettelte, oder ob es sich lediglich um einen Doppelgänger handele.

Da wird gezweifelt ob derjenige, der behauptet, blindgeboren und geheilt worden zu sein, ein zuverlässiger Zeuge in eigener Sache sein kann, schließlich war die Blindheit in den Augen der Menschen damals eine göttliche Strafe für Sünder. Und kann man Sündern vertrauen? Erst recht Asozialen und Bettlern?

Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet blindgeboren und geheilt worden zu sein, überhaupt sagen kann, was und wie es geschehen ist. Er war doch blind. Er hat den Heilenden ja nicht einmal gesehen.

Da wird gezweifelt, dass eine Heilung an diesem Tage habe stattfinden können, wo doch am Sabbat verboten ist, sich die Hände durch einen Teig schmutzig zu machen.

Das Experiment mit dem Wunder ist gescheitert. Jedenfalls bei einem Großteil der Menschen. Gut, der Blindgeborene selbst und vielleicht einige wenige andere, aber sonst...?

Woran ist dieses Experiment gescheitert? Am Wunder selbst kann es nicht gelegen haben. Das war eindeutig, zwingend.

Nun das Experiment mit dem Wunder ist an denen gescheitert, die aufgrund des Wunders hätten zum Glauben finden können.

Sie waren nicht bereit, ein Wunder anzunehmen.
Sie konnten sich nicht vorstellen, dass Gott seine Macht ausgerechnet so demonstrieren wollte. An einem Sabbat, an einem Bettler, so ganz ohne Glanz und Gloria...
Wunder? Ja! Aber bitte nach unseren Kriterien und Vorstellungen.

Vielleicht hatten die Menschen damals auch verlernt, mit Wundern zu rechnen? Vielleicht war ihnen der Gedanke, dass Gott in unser Leben, in das Weltgeschehen eingreifen könnte, gänzlich verlorengegangen? Und weil sie mit dem Eingreifen Gottes nicht mehr rechneten, merkten sie es auch nicht mehr.

Wir merken, liebe Schwestern und Brüder, mit dem Wunder allein ist es nicht getan. Wir müssen schon bereit sein, Wunder sehen und anerkennen zu wollen.

Gott will niemanden zum Glauben zwingen. Das kann er auch nicht. Denn Glauben verlangt Freiheit.
Gott greift aber in unser Leben ein durch Wunder und wunderbare Fügungen. Das muss keine Heilung von Blindheit sein. Es genügt manchmal schon, dass mir gerade derjenige über den Weg läuft, der mir in dieser Situation helfen kann. Es liegt an uns, ob wir offen dafür sind. Es liegt an uns, ob wir sie wahrhaben wollen.

Wunder gibt es immer wieder, heißt es in einem Schlager.
Wunder gibt es immer wieder, so sagt auch die Kirche. Sie erkennt immer wieder nach langen Untersuchungen merkwürdige, aufsehenerregende Geschehnisse als Wunder an: z. B. Heilung von Kranken, Erscheinungen der Gottesmutter oder anderer Heiliger.
Die Kirche rechnet mit Wundern, rechnet mit dem Eingreifen Gottes und seiner Heiligen in unsere Welt und Zeit.

Indem sie Wunder untersucht und anerkennt, will sie die Gläubigen daran erinnern, dass Gott zu uns spricht, ihm unser Leben nicht egal ist.
Indem die Kirche diese Wunder aber auf das sorgfältigste untersucht und nur einen Bruchteil der vermeintlichen Wunder und Erscheinungen offiziell anerkennt, will sie uns Gläubigen aber auch vor einer Wundesucht warnen.

Es gibt Menschen, die von einer vermeintlichen Marienerscheinung zur nächsten jagen. Immer auf der rastlosen Suche nach dem religiösen Thrill, nach dem spirituellen Happening.
Es gibt auch Menschen, die Wunder, Wallfahrtsorte und alles, was damit zu tun hat, als groben Unfug und reine Geschäftemacherei ablehnen.

Die einen verlieren sich dann in einer wunderbaren Scheinwelt, verlieren den Bezug zur Realität, werden weltfremd. Vor lauter vermeintlichen Wundern, sehen sie die eigentlichen Wunder nicht.

Die anderen wiederum versperren sich einen Zugang zu Gott, indem sie Gott sozusagen das Recht absprechen, in unserer Welt, in das eigene Leben einzugreifen durch Zeichen und Wunder.

Überspitzt gesagt: Die einen hätten die Heilung des Blindgeborenen gar nicht wahrnehmen können, weil sie gerade auf dem Weg zu einer großartigen Gotteserscheinung mit ca. zweieinhalbtausend Menschen waren. Drei Sterne sollen auch vom Himmel fallen. Was ist dagegen schon so eine einfache Heilung. Dafür hat man doch keine Zeit.

Die anderen hätten der Heilung des Blinden jegliche Realität abgesprochen. Schließlich hätte Gott sie ja vorher fragen können, bevor er so etwas tun will. Wo kommen wir denn da hin.

Das Experiment mit dem Wunder.
Es scheitert nicht an Wundern. Es kann scheitern an unserer Bereitschaft, das Eingreifen Gottes wahrzunehmen und wahrhaben zu wollen.

Das Experiment mit dem Wunder.
Es geht weiter. Rechne ich mit Gott? Jetzt...

85. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Liebe Schwestern und Brüder!
Der Sonntag nach Pfingsten hat den Namen „Dreifaltigkeitssonntag“.
Eine jüngst geführte Umfrage hat an den Tag gelegt, dass nicht einmal die Hälfte der Deutschen Wissen, was wir an Pfingsten feiern. Gut, dass bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, eine Umfrage zur Dreifaltigkeit und deren Bedeutung zu machen. Vermutlich wären zwei Drittel der Deutschen – der Christen einschließlich – überfordert.
Gewiß, die Lehre von der Dreifaltigkeit oder die Trinitätslehre, ist eines der kompliziertesten Materien im Theologiestudium. Da geht es um das filioque oder die hypostatische Union oder sonst welche abstrakten Begriffe.
Die Dreifaltigkeit scheint ein Gebiet für Spezialisten zu sein. Was hat der normale Christ, der kein Theologieprofessor ist damit zu schaffen?
Nun eine ganze Menge. Ständig haben wir die Dreifaltigkeit im Mund, z. B., wenn wir das Kreuzzeichen machen, das Glaubensbekenntnis sprechen oder Kirchenlieder singen. Da ist ständig die Rede von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Wir sind sogar auf den Namen des dreifaltigen Gottes getauft worden. Das unterscheidend Christliche unserer Religion ist unser Glaube an die Dreifaltigkeit.
Und dennoch: das eigentlich Entscheidende, das Normale – die Dreifaltigkeit – ist uns Christen irgendwie flöten gegangen. Wir haben uns mit allem möglichen beschäftigt, kaum aber damit, was wesentlich ist und trägt.

Das ist unserer Gesellschaft auch passiert. Z. B. bei der Familie. Sie ist der Ort, aus dem heraus die Gesellschaft wächst und Bestand haben kann. Die Familie war aber in der Politik ein Stiefkind. Viel wichtiger schien es für sogenannte gleichgeschlechtliche Paare, die die Würde der Ehe und der Familie untergraben, rechtliche Verbesserungen zu erzielen. Glücklicherweise steht mittlerweile das Wohl der Familie wieder auf der politischen Tagesordnung, weil man gemerkt hat – zu spät gemerkt hat – dass ohne sie unsere Gesellschaft ausstirbt und unerträglich wird. Leider wird das Thema aber auch immer mehr zum Feld persönlicher Profiliersucht.
Liebe Schwestern und Brüder,
bleiben wir bei der Familie. Sie bietet uns einen guten Ansatz, das Entscheidende des heutigen Festes zu verstehen. Ich wage den kühnen Satz, dass die Dreifaltigkeit unsere Familie ist, in der wir leben und aufwachsen, in der wir in der Wahrheit erzogen werden und Kraft für unser Leben gewinnen.
Der eine und dreifaltige Gott, an den wir glauben, ist Beziehung. Der Vater liebt den Sohn, der Sohn den Vater und die Liebe der beiden ist der Hl. Geist. Die drei sind eins, vollkommene Liebe. Und Liebe will sich mitteilen, will wachsen. Deshalb hat Gott die Welt erschaffen und uns. Und er will, dass wir mit und in ihm Leben. Deshalb hat er seinen Sohn gesandt.
Gott ist in Jesus als Mensch zu uns gekommen. So sind wir seine Brüder und Schwestern geworden. Und auch untereinander sind wir Brüder und Schwestern, weil wir den einen Vater, den einen Bruder haben.
Aber mehr noch: wir sind nicht nur Brüder und Schwestern. Wir sind sogar Söhne und Töchter Gottes! Jesus hat uns seinen Geist gegeben. In der Taufe und in der Firmung, vor allem aber auch in der Eucharistie werden wir mit Christus eins.

Durch die Sakramente der Kirche, in denen der Hl. Geist wirkt und lebt, werden wir sozusagen von der Dreifaltigkeit adoptiert, Teil der himmlischen Familie. Und dieses große Geschenk wollen wir ja am Gemeindetag in den Blick nehmen.
Als Adoptivkind erhält man dann den Namen der Familie und hat das Recht auf das Erbe. Auch wir tragen einen Familien Namen „Christen“- „Kirche“ und uns ist das Erbe verheißen, dass Christus erworben hat, das ewige Leben.
Kinder die adoptiert werden, kommen oft aus schwierigen und dunklen Verhältnissen, aus zerrütteten und verwahrlosten Familien hierzulande oder als Waisen oder Opfer von Armut in anderen Ländern. Die Adoption ist für diese Kinder oft die einzige Rettung. Und immer wieder höre ich von der tiefen Dankbarkeit solche Kinder ihren Adoptiveltern gegenüber. Sie sind dankbar, weil sie sich gerettet, geachtet, geliebt fühlen. Sie wissen auch um die Opfer und Schwierigkeiten, die eine Adoption für die Eltern mit sich bringen kann. Sie wissen oft auch, dass sie sich nicht immer so dankbar gezeigt haben, wie sie es eigentlich sollten.
Sicherlich, es gibt auch auf Erden auch Adoptiveltern, die ihre Zöglinge schlecht behandeln. Doch in unserer himmlischen Adoptivfamilie kommen die Probleme allein von uns, den Adoptivkindern. Oft zeigen wir uns undankbar dem dreifaltigen Gott gegenüber, manchmal wollen wir unsere Sippschaft verleugnen, die Kirche, oder benehmen uns unseren Schwestern und Brüdern gegenüber schlichtweg ungezogen. Dabei wissen wir zuinnerst, dass wir der Zugehörigkeit zur Dreifaltigkeit eigentlich alles verdanken: dass bei uns nicht Sünde und Tod, sondern Vergebung und Leben das letzte Wort haben. Sie sind sozusagen unser familiärer „Stallgeruch“.
Schwestern und Brüder, wir werden von unserer Adoptiv-Familie nie verstoßen. Unser himmlischer Vater hat unendliche Geduld mit uns. Er ist Barmherzigkeit und mütterliche Liebe. Das wird gerade auch im Sakrament der Beichte immer neu erfahrbar.
Sie erneuert die Familienbande mit der Dreifaltigkeit. Dann wird auch die Eucharistie wieder zu einem frohen Mahl für alle. Auch am Tisch zuhause in unseren Häusern können wir oft erst zusammenkommen, wenn wir uns versöhnt haben, mit den Geschwistern und vor den Eltern.
Schwestern und Brüder, ich weiß, diese Gedanken sind angesichts der Größe des Geheimnisses der Dreifaltigkeit ein Nichts. Mir helfen sie aber immer wieder, etwas von dem Geheimnis für mein Leben fruchtbar zu machen. Ich hoffe Ihnen auch einige Anregungen zur Betrachtung zu geben.
Ich jedenfalls bin froh, ein solches Adoptivkind zu sein.

86. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.

Liebe Schwestern und Brüder!
Die Weisen aus dem Morgenland gehen in die Knie vor dem Jesus Kind.
Und sie geben ihm Geschenke.

Beide Handlungen der Weisen sind Zeichen, weisen über sich hinaus.
Wer vor jemanden in die Knie geht, erkennt an: Du bist größer, mächtiger als ich. Die weisen gehen vor dem Kind Jesus anbetend in die Knie, weil sie in ihm den Größten und Mächtigsten sehen und bekennen wollen: Gott.

Gold, Weihrauch und Myrrhe sind bezeichnende Geschenke. Gold steht für die Macht und den Glanz des Königs. Weihrauch wird zur Ehre Gottes verbrannt und geopfert. Myrrhe wurde als Balsam für den verstorbenen, menschlichen Leib verwendet. Die Geschenke der Weisen - Gold, Weihrauch und Myrrhe- bezeichnen so Jesus als den König der Welt, wahrer Gott und wahrer Mensch.

Liebe Schwestern und Brüder,
wir brauchen Zeichen, damit wir eine tiefe Wahrheit entdecken und ausdrücken. Denn wir sind Menschen mit Sinnen. Ganzheitlich wollen wir spüren, schmecken, riechen, sehen, hören. Das gesprochene Wort allein reicht uns nicht.

Es reicht uns vor allem nicht, wenn wir lieben.
Liebende sagen meist„Ich liebe Dich.“ mehr durch ihre Taten und Gesten als durch ihre Worte.
Und die Liturgie der Kirche sagt in all ihrer Feierlichkeit und überlieferten Form, dass wir Gott lieben und uns von ihm geliebt wissen.

Wie die Weisen handeln auch wir. Wir sind zusammengekommen, um das Hl. Messopfer zu feiern. Die Gesten und Gebärden, die goldenen Gefäße und die prächtigen Gewänder, der feierlich geschmückte Kirchenraum sind auch bezeichnend: Sie zeigen, dass wir nicht uns und unsere Gemeinschaft hier im Raum feiern, sondern unseren Gott. Die Liturgie der Kirche ist der sinnenhafte Ausdruck unseres Glaubens, dass Gott in Jesus Christus unter uns wohnte und in den Gestalten von Brot und Wein eben dieser Jesus mit Leib und Blut unter uns ist und sich uns schenkt.

Wer sich in einen Menschen verliebt, dem fehlen oft die Worte, auszudrücken, was er empfindet. Deshalb greift er zu Geschenken, Küssen, Umarmungen und auch zu Liedern. Die Liebe ist DAS Thema der Musik, ob alt oder neu.

Gerade deshalb hat die Musik und das Lied seinen festen Platz in der Liturgie.
Ein großer Kenner und Liebhaber der Musik ist Papst Benedikt. Von ihm stammen folgende Worte:

...von Anfang an hat zur Heiligen Messe die Musik, das Singen, gehört.
Wenn der Mensch vor Gott steht, reicht ihm das bloße Reden nicht aus.
So wie ganz allgemein Liebe und Leid die Grenzen der bloßen Worte sprengen und einen Ausdruck suchen, der auch das Unsagbare einbegreift, so ist es auch in der Begegnung mit Gott, in der der Mensch sich selbst überschreiten will.

Während das Beten Israels auch die Instrumente, die Stimmen der Schöpfung, zu Hilfe gerufen hatte, um Gott angemessen zu antworten, hat die Kirche zunächst aus vielerlei Gründen nur die menschliche Stimme für würdig gehalten, ihre Freude an Gott und ihr Ringen mit Gott auszudrücken.
So ist der gregorianische Choral entstanden, dessen innere Reinheit und Leuchtkraft uns auch heute ganz unmittelbar die Gegenwart Gottes spüren lässt.
Im Mittelalter, in der Welt der Kathedralen, fing man an, nach noch mehr und nach Größerem zu suchen: Es entstand die Polyphonie.
Zur Orgel als einer Synthese der Stimmen der Schöpfung traten nun auch die verschiedenen Instrumente. Alles sollte aufgeboten werden, um Gott zu lobpreisen. Von da an sahen es die großen Meister der Komposition als eine ihrer höchsten Möglichkeiten an, dem Gotteslob in der Liturgie der Heiligen Messe musikalische Gestalt zu geben, Messen zu komponieren, gleichsam ihre Meisterschaft Gott selbst zu Füßen zu legen und dabei zugleich der Gemeinschaft der betenden Menschen zu dienen.

Liebe Schwestern und Brüder,
gerade an den vergangenen Feiertagen haben wir immer wieder gespürt, wie gut es tut, dass wir Gott mit Liedern preisen können.
In dieser Woche hören wir auch die Orgeln unserer Pfarrei beim Festival OrgelPlus erklingen.

Unsere Pfarrgemeinde ist reich, wenn wir auf die Kirchenmusik schauen:
10 Chöre und eine Instrumentalgruppe singen und spielen regelmäßig in unseren Kirchen. Immer wieder kommen andere als Gäste hinzu.
Es ist eine bunte Vielfalt.

Die kirchenmusikalische Vielfalt bei uns ist – so hoffe ich doch – Ausdruck dafür, dass wir als Pfarrgemeinde sozusagen sprachlos werden angesichts der Größe und Güte Gottes und nicht anders können als ihn vielstimmig zu preisen.
Sie ist Ausdruck dafür, dass wir Gott lieben und uns von ihm geliebt wissen.
Sie ist eine große Hilfe, wie der Papst es ausdrückt: der Gemeinschaft der betenden Menschen zu dienen., weil sie nicht zur eigenen Ehre erklingt, sondern zur Ehre Gottes.

Liebe Schwestern und Brüder,
...da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. steht es von den Weisen in der Schrift.

Wir bringen unserem Gott unseren Gesang und unsere Musik als Gabe. Als Liebeslieder.
Wir danken allen in unserer Pfarrei, die sich in der Kirchenmusik engagieren und uns so helfen, unsere Sprachlosigkeit zu lösen und uns zu öffnen für den Gott, der in Jesus Christus uns heute erschienen ist. Amen.

87. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

Im Evangelium haben wir gerade gehört, was damals geschehen ist. Aus dem fernen Morgenland kamen weise Leute, Magier, Sterndeuter – wir könnten auch sagen: Wissenschaftler – und fragten nach dem neugeborenen König der Juden, dem sie huldigen wollten. Ein Stern hatte ihnen nämlich die Geburt dieses Königs angekündigt. Wie man heute mit guten Gründen vermutet, war es eine seltene Sternkonstellation, nämlich ein Zusammentreffen der Planeten Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische, was nur etwa alle 800 Jahre eintritt. Für die babylonische Sternkunde ist Jupiter der Stern des Weltenherrschers, Saturn der Stern Palästinas; das Sternbild der Fische war für sie ein Zeichen für die Endzeit. Daraus konnte man sich nach der damaligen Wissenschaft nur folgenden Reim machen: Der endzeitliche Weltenherrscher wird in Palästina geboren. Um diesen Weltenherrscher zu sehen, traten also die Sternkundigen aus dem Osten die 1000 km lange Reise an. Das war ganz gewiss kein touristisches Unternehmen, sondern eine sehr beschwerliche Expedition. Nur Menschen, die von einer tiefen Sehnsucht geleitet sind, echte Gottsucher, die ihr unruhiges Herz spüren, werden sich auf einen derart langen und ungewissen Weg machen. Nur sehr wenige Menschen spüren, dass sie zeit ihres Lebens Pilger und Wanderer zwischen zwei Welten sind, dass sie auf der Erde nur eine befristete Heimat haben und darum Ausschau halten müssen nach einem, der ihnen ewige Heimat bieten kann. Diese Sehnsucht, verbunden mit ihrer Wissenschaft hatte sie nun überraschenderweise nicht zu einem Königssohn im Palast, sondern zu einem unscheinbaren Kind in einer Krippe geführt. Im Evangelium heißt es dazu: „Als sie das Kind und seine Mutter erblickten, fielen sie nieder und beteten es an.“ Doch gerade diese überraschende Huldigung weist auf den eigentlichen Sinn des heutigen Festes hin, den Höhepunkt, auf den alles zustrebt: Jesus finden und ihn als Gott verehren. Darum auch die Geschenke, die die Sterndeuter mitgebracht haben: Gold – aller Glanz dieser Welt soll Jesus gehören! Weihrauch – aller Ruhm soll zu Gott emporsteigen! Myrrhe – unser Leben soll im Tod in Jesus aufgehen. Durch die Gaben drücken die Sterndeuter aus, dass sie gefunden haben, was sie suchten, dass ihre Unruhe gestillt ist: sie können glauben und im Glauben Ruhe finden. Sie verschenken sich selbst an das Kind mit allem, was sie sind und haben. Sie haben Gottes Liebe in ihrem Herzen gespürt und nun schenken sie sich ganz und gar an Gott zurück. So soll es auch in unserem Leben sein – daran erinnert uns dieses Fest. Was wir an Weihnachten gefeiert haben, soll nun nach außen sichtbar werden, soll in unserem Leben aufscheinen und wie ein Funke auf andere überspringen. Was ist denn ein Christ überhaupt? Einer, der in die Kirche geht? Einer, der etwas für gute Zwecke spendet? – Gewiss, aber das ist noch zu oberflächlich gesehen. Ein Christ ist einer, der Gottes Liebe im Herzen trägt, der daraus froh wird, der sich deswegen wohltuend von den anderen Leuten unterscheidet, die mit einem missmutigen Gesicht durch die Welt laufen und an allem und jedem etwas auszusetzen haben. Ein Christ ist einer sauber geputztem Fensterscheibe vergleichbar, durch die die Sonne in diese Welt hineinscheint, die Sonne der Liebe Gottes. Ein Christ – das ist einer, der weiß, dass er Kind Gottes ist, beschenkt mit einer unermesslich hohen Würde. Ein Christ kann deswegen gar nicht anders als Gottes Liebe in seinen menschlichen Worten und Gesten an andere weiterzugeben. Er strahlt die Liebe aus – aus seinen Augen, aus seinem Lachen, aus seinen Umarmungen, ja, auch aus seinen Tränen des Mitleids etwa für einen, der leidet. Ein Christ ist wie ein lebendiges Evangelium, an dem die Menschen, ohne selbst in die Bibel schauen zu müssen, die Frohe Botschaft ablesen können. Das ist unsere wahre Berufung als Kinder Gottes! Denken Sie nicht, das ist zu schwer, das ist zu ideal gedacht, wer schafft das schon?! Mit menschlicher Kraft ist das natürlich nicht zu schaffen. Es ist eine Gnade. Aber Gnade heißt nicht, dass man sie nicht bekommen kann. Gnade ist ein Geschenk von Gott, das jeder bekommt, der darum bittet. Nur wir bitten wohl zu wenig darum. Wir sollten uns nicht mit Mittelmäßigkeit begnügen, die vergleichbar ist mit einem total verschmutzen Glas, durch das nur wenig Sonnenlicht dringt. Bitten wir heute Gott um die Gnade, aus unserem Glauben froh zu werden und die Freude der Weihnachtszeit widerzuspiegeln!

88. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Liebe Schwestern und Brüder,
dass wir heute die Weihe einer Kirche zu Rom feiern, dass dieses Fest sogar die Texte des Sonntag verdrängt, zeigt die Wichtigkeit dieses Festes.
Da die Lateranbasilika der erste offizielle Amtssitz des Papstes war – ungefähr tausend lang – stellt uns dieses Fest mitten hinein in die Weltkirche. Wir sind durch unseren Glauben mit allen Schwestern und Brüdern aller Zeiten und Orte verbunden.
Da die Lateranbasilika das gleiche Patronat besitzt wie unsere Pfarrkirche, können wir auch an die Weihe dieser Kirche denken.

Wir begehen die Erinnerung an den Weihetag der Kirche mit einem Fest. Liturgisch wird das mit großer Feierlichkeit getan. Aber auch im weltlichen Bereich gibt es Feste: Die Kirchmeß-Feier, wie man den Weihetag im Deutschen auch nennt – ist der Ursprung einer jeden Kir-mes.

Der Weihetag der Kirchen soll also nicht vergessen werden. Denn ein solcher Weihetag erinnert uns an Wesentliches unseres Glaubens. Aber an was?

Ich möchte nun einen Prediger zu Wort kommen lassen, der in Rom am Weihetag der Lateranbasilika gesprochen hat. Sein Names ist Cäsarius von Arles. Die Predigt ist ca. 1500 Jahre alt. Aber von bleibendem Wert.

„Durch die Güte Gottes dürfen wir heute den Weihetag dieses Gotteshauses mit Freude und Jubel begehen. Der wirkliche und lebendige Tempel jedoch müssen wir selber sein.


Dennoch feiern die christlichen Völker mit Recht das Fest der Mutterkirche. weil sie wissen, dass sie durch diese Kirche im Geist wiedergeboren wurden. (...) Die erste Geburt gebar uns für den Tod, die zweite rief uns zum Leben zurück.
Vor der Taufe, meine Lieben, waren wir alle Tempel des Teufels, nach der Taufe wurden wir Tempel Christi.

Wenn wir aufmerksamer über das Heil unserer Seele nachdenken, erkennen wir auch, dass der eigentliche und lebendige Tempel Gottes wir selber sind.
Gott wohnt nicht bloß in dem, was von Menschenhand gemacht ist, und nicht in einem Haus aus Holz und Stein, sondern vor allem in der Seele, die nach dem Bild Gottes geschaffen und von der Hand des Künstlers selbst gebildet ist. Der heilige Apostel Paulus sagt: Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr.

Christus kam und warf den Teufel aus unserem Herzen hinaus, um in uns für sich einen Tempel zu schaffen. Nach Kräften wollen wir darum mit seiner Hilfe daran arbeiten, dass ihm in uns nicht durch böse Taten Unrecht geschieht. (...)

Wenn wir daher, meine Lieben, mit Freuden den Gedächtnistag des Gotteshauses feiern wollen, dürfen wir den lebendigen Tempel Gottes nicht in uns durch böse Werke zerstören. Wie wir die Kirche vorfinden wollen, wenn wir zu ihr kommen, geradeso müssen wir unsere Seele bereiten.“

Liebe Schwestern und Brüder,
ein schönes Bild ist das. Wir wollen unsere Seele sauber halten, wie wir unsere Kirche in Ehren halten, damit sie ein Ort sein kann, in dem man Christus begegnen kann.

Als Menschen sind wir aber nicht nur reine Geistwesen, wir haben auch unseren Leib und unsere Sinne.

Und als solche werden wir im Alltag oft und oft über Gebühr in Anspruch genommen: im Beruf, durch die Medien, in der Gesellschaft. Alles muß sich rechnen, muß sich lohnen. Da geraten wir auch als Christen in Gefahr, unsere Seele mit allem möglichen „zu zumüllen“, so daß der Herr darin keinen Raum mehr findet. Unsere Seele bedarf so des Öfteren einer Tempelreinigung.

Und dazu helfen uns die Gotteshäuser, die ja dem alltägliche Gebrauch entzogen sind. Die Kirchen werden als sakrale, geweihte Räume um so lebensnotwendiger – sagt der große deutsche Philosoph Josef Pieper

„je mehr der Absolutheitsanspruch des bloß Nutzenden die gesamte Existenz mit Beschlag zu belegen droht. Desto mehr bedarf der Mensch, um eines wahrhaft menschlichen Lebens willen, dieser Chance, aus dem akustischen und optischen Getöse (kaufe dies, trinke das, iß jenes, wähle den, amüsiere dich hier, demonstriere für oder gegen), aus diesem pausenlosen Angeschrienwerden immer wieder hinaustreten zu können in einen Raum, in welchem Schweigen herrscht und also wirkliches Hören möglich wird und das Vernehmen der Realität, auf welcher unser Dasein ruht und aus der es sich immerfort nährt und erneuert.“

Liebe Schwestern und Brüder,
wir dürfen sehr froh sein, daß wir in unserem Dorf so schöne Kirchen und Kapellen haben. Wir sind dankbar für unsere Pfarrkirche, die auch vielen Nicht-Kirchhellenern ein Anziehungspunkt ist.
Es ist gut zu wissen, daß sich die Kirchhellener immer wieder einsetzen, wenn es um den Erhalt und Unterhalt der Kirche geht.


Indem wir nämlich als Pfarrgemeinde unsere Kirchen offenhalten, halten wir in gewissem Sinne den Himmel offen.
Der Kirchbau erinnert uns daran, daß Gott unter uns wohnt und in uns wohnen will.

Der heutige Festtag macht deutlich, daß Gott in dieser Welt Raum hat, daß er in den Herzen der Menschen einziehen will, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.
Gott will Raum gewinnen in uns. Dann wird er Raum gewinnen in der Welt, weil die Menschen ihm durch uns begegnen.

Wir sind der Tempel Gottes. Wenn wir die Botschaft dieses Festtages ernstnehmen, dann erkennen wir auch unseren Auftrag auf dieser Erde, den ein Kirchenvater einmal so zusammengefasst hat:
„Was die Seele für den Leib, das ist die Kirche für die Welt.“

89. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

An der Jahreswende legt es sich nahe, auf das vergangene Jahr zurückzublicken und zugleich gute Vorsätze für das Neue Jahr zu machen. Ich bin nun im fünften Jahr Pastor hier in St. Pankratius. Was hat dieses Jahr aus der seelsorglichen Perspektive gebracht? Zunächst ein paar Zahlen: 25 Kinder wurden von ihren Eltern zur ersten heiligen Kommunion geführt (für viele war dies auch die letzte). 27 Jugendliche sind gefirmt worden. 14 Kinder wurden getauft. Trauungen gab es keine. 5 Mitglieder unserer Gemeinde haben den Kirchenaustritt erklärt. 17 Personen sind gestorben. Im gleichen Zeitraum hat der Kirchenbesuch in erschreckend hohem Ausmaß abgenommen, und das in dem Jahr, in dem der Pfarrgemeinderat sich den Kirchenbesuch als Jahresthema vorgenommen hat. Eine wesentliche Folge ist der ebenfalls erhebliche Rückgang der Kollekte für die eigene Gemeinde: Waren es bisher rund 4.500 Euro, die jährlich für die Pfarrgemeinde gespendet wurden, so sind im Jahre 2007 nur noch 3000 Euro zusammengekommen, d.h. 35 % weniger. Dennoch möchte ich an dieser Stelle zunächst allen ein Wort des Dankes sagen, die im letzten Jahr ehrenamtlich in unserer Gemeinde mitgearbeitet haben. Manche haben sehr, sehr viel Freizeit geopfert, um das Gemeindeleben zu erhalten oder zu verlebendigen. Ohne diese vielen Dienste im einzelnen aufzählen zu können, darf ich als Pastor wohl sagen, dass es gerade diese Mitarbeit ist, die unsere Gemeinde lebendig erhält. Was ich selber dazu tun konnte, war vergleichsweise wenig. Haben Sie alle herzlichen Dank und geben Sie diesen Dank auch weiter! Ich muss aber auch mit allem Nachdruck darauf hinweisen, dass unsere Gemeinde ohne die großzügige Spende der Kirchenbesucher ihre vielfältigen Aufgaben nicht erfüllen kann. Die Kirchensteuerzuweisungen werden in den nächsten Jahren weiter zurückgeschraubt. In Capelle ist nicht einmal mehr Geld für den nötigen Kirchenanstrich da. An diesen Punkt werden auch wir bald kommen, wenn die Kollekten nicht wieder besser werden. Was viele übrigens nicht wissen: Es sind vorwiegend die Nichtkirchgänger, welche durch ihre Kirchensteuer den Betrieb der Gemeinden finanzieren. Der Großteil der Kirchenbesucher zahlt hingegen überhaupt keine oder nur sehr geringe Kirchensteuer. Wenn diese dann nur ein paar Cent in das Kollektenkörbchen werfen – was ist das dann anderes als Geiz? – Ich weiß, dass alles teurer wird und das Geld knapper. Aber nicht jeder hier gehört zu den Armen. Lassen Sie sich bitte im kommenden Jahr nicht lumpen! Der erste Tag des Jahres ist im liturgischen Kalender der Gottesmutter gewidmet. Diese Erklärung des 1. Januar zum Hochfest der Gottesmutter ist ein Aufruf zur Besinnung auf das Wesentliche unseres Glaubens, ein Aufruf zur gelassenen Gläubigkeit, gleichsam eine Medizin gegen die Gottvergessenheit und die übertriebene Zukunftsangst, die daraus entsteht. Wenn wir heute (morgen) auf Maria blicken, beten wir darum, dass ihr Glaube, ihre Fürsprache und ihr Segen das neue Jahr bestimmen mögen. Wir Christen können trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge gelassen in das Neue Jahr gehen, weil wir nicht alles selbst machen müssen; wir wissen: Gott hat schon an der Menschheit gehandelt, er hat in der Fülle der Zeit an Maria gehandelt, die uns den Heiland geboren hat. Jesus, der Sohn Gottes, hat uns freigekauft, damit wir Kinder Gottes werden (Gal 4,5) und das Reich Gottes erben. Das ist die große Gabe, die uns Gott geschenkt hat. Es ist ein geistiges Kapital, mit dem wir wuchern können und sollen. Ich wünsche mir sehnlich, dass wir Christen in Deutschland dieses Geschenk im kommenden Jahr mehr würdigen als im vergangenen. Von Maria heißt es, dass sie „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte und darüber nachdachte“ (Lk 2,19). In dieser Haltung kann sie uns ein Vorbild sein: Wir unterliegen heutzutage einer Dauerberieselung, die kaum jemandem noch Zeit zum Nachdenken lässt. Ständig strömen Nachrichten und Neuigkeiten auf uns ein, die Flut der Bilder und Worte reißt uns mit und macht uns wehrlos gegen Manipulation. Dagegen hilft die Meditation des Wortes Gottes, die stille Einkehr im Gebet. Die einfachste Weise, zur Ruhe zu kommen, ist immer noch die Mitfeier der Heiligen Messe, denn wem gelingt es schon zu Hause, eine halbe Stunde still zu werden und zu meditieren? Klagen wir nicht über den Rückgang der Gottesdienstbesucher, sondern nehmen wir uns vor, selber das Gebet und die Feier der Messe im Neuen Jahr wieder wichtiger zu nehmen! Dann wird für uns das Neue Jahr ein gutes Jahr in St. Pankratius werden!

90. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

Das Osterfest war ursprünglich ein jüdisches Fest, es hieß Pascha, Vorübergang des Herrn. Man gedachte des Auszugs aus Ägypten und der erschütternden letzten Plage, vor der Gott sein Volk verschont hatte. Denn ihre Türpfosten waren mit dem Blut des Lammes bestrichen worden: dieses Blut war das Zeichen ihrer Rettung.

Bis heute ist es beim jüdischen Paschamahl Sitte, dass der jüngste Sohn den Vater fragt: „Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen?“ Und der Vater erzählt dann die lange Geschichte von Gott, dem Schöpfer und dem, der Abraham berufen hat, vom Volk Israel, das in Ägypten versklavt wurde und schließlich vom Auszug aus Ägypten durch die mächtige Hand Jahwes und vom Durchzug durch das Rote Meer.

Wenn der Herr vorübergeht und eingreift, dann ist nachher alles anders als vorher. Die Veränderung kann massiv äußerlich erfahrbar sein wie beim Vorübergang des Herrn an den ägyptischen Häusern oder beim Durchzug durch die Wasser des Roten Meeres. Sie kann aber auch wie bei Elija die Seele betreffen und sich nur durch ein sanftes, leises Säuseln bemerkbar machen; die äußeren Naturerscheinungen sind dann allenfalls Vorboten für die eigentliche und tiefe Veränderung, auf die es Gott ankommt, auf den Trost der Seele, die Bekehrung des Herzens: „Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln.“ (1 Kön 19,11-12)

Auch wir haben in den letzten zwei (drei) Tagen den Vorübergang des Herrn gefeiert. Die Osternacht ist der Höhepunkt. Was würden wir antworten, wenn uns einer fragte: „Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen?“ Können wir darauf überhaupt antworten? Daran entscheidet sich, ob wir wahrhaft Christen sind.

Die Liturgie der Osternacht hilft uns, den Unterschied zu erkennen. Mitten in der Feier braust plötzlich die Orgel wieder auf, die Glocken läuten, das Licht wird entzündet. Nach der Lesung der alttestamentlichen Texte wird uns das unterscheidend Neue verkündet: das Neue Testament, die Frohe Botschaft. Das jüdische Pascha kennt nur die Erinnerung an den Vorübergang des Herrn und die Verschonung der Juden aufgrund der mit Blut bestrichenen Türpfosten. Die christliche Osternacht geht darüber hinaus: der Herr geht nicht nur vorüber, sondern er kommt auf die verzweifelten Jünger zu. Er dokumentiert seine Macht nicht mit einem Schreckensbild der Verwüstung, sondern er macht sich selbst zum Lamm, dessen Blut die Gläubigen heiligt. Die Verschonung, die er erwirkt, betrifft nicht das leibliche Leben, sondern die Gewissenslage der Seelen, sie wird nicht auf Zeit, sondern für die Ewigkeit gewährt.

In jener Osternacht hat eine grundlegende Veränderung die Welt ergriffen. Die (heutige) Ostersequenz beschreibt sie unter dem Bild eines Kampfes: „Tod und Leben stritten im Kampf, wie nie einer war; der Fürst des Lebens erlag dem Tod; zum Leben erstanden triumphiert er als König.“ Vom „Ostersieg“ sprechen auch viele Osterlieder. Auch das Exsultet, das Osterlob, benutzt eine entsprechende Ausdrucksweise: „Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und aus der Tiefe als Sieger emporstieg.“ Hierzu passt auch, dass Matthäus von einem gewaltigen Erdbeben berichtet, vom Auftreten eines furchterregenden Engels sowie davon, dass die „Wächter begannen vor Angst zu zittern und wie tot zu Boden fielen“. (Mt 28,4) – Aber wie schon bei Elija sollte klar sein, dass die äußeren Erscheinungen nur die Vorboten des tieferen Geschehens sind. Wenn der Herr vorüber geht, dann kann das tatsächlich Angst und Schrecken mit sich bringen, aber die Herzen werden damit noch nicht erreicht. Die Wächter haben nicht zum Glauben gefunden, ebenso wenig die Pharisäer, die Jesus ans Kreuz gebracht haben. Überhaupt kann niemand zum Glauben finden, der nur an sich und den eigenen Vorteil denkt, der nicht wenigstens einen Funken Liebe in sich hat. Man muss schon lieben, um die Erfahrung machen zu können, dass die Liebe stärker ist als der Tod. Man muss sich wecken lassen, um dem Auferweckten zu begegnen. Im Bild gesagt: Wer schwimmen lernen will, der darf nicht wasserscheu sein.

Um dieses Bild ein wenig weiter auszumalen: Der moderne Mensch ist wasserscheu in religiösen Dingen. Er sagt: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ Das fängt schon bei der Taufe an: Viele wünschen die Taufe für ihr Kind, aber sie sehen gar nicht ihre eigene Verantwortung für die religiöse Erziehung dem Kind gegenüber. Sie scheuen den Einsatz, das entschiedene JA zu Gott, zum Glauben, zur Kirche. So bleibt es bei einer Unentschiedenheit, die die Bibel auch Lauheit nennt: weder warm noch kalt. „Kann ja nicht schaden…“ Aber mit dem pflaumenweichen „Kann ja nicht schaden…“ bringt man nichts zustande. Auf so etwas baut man keinen Lebensentwurf. Auf diese Weise haben die ersten Jünger nicht zum Glauben gefunden, und so haben sie ihn auch nicht empfohlen.

Vielleicht denken Sie: Ja, wenn ich damals dabei gewesen wäre, dann könnte ich fester und entschiedener glauben. Aber so!? Wer weiß, ob das alles wirklich stimmt. Ist ja auch schon so lange her… – Noch einmal: Wer wasserscheu ist, wird niemals schwimmen lernen. Wer wie Pilatus fragt: „Was ist Wahrheit?“ und bloß sein eigenes Lebensinteresse verfolgt, der wird nie die Wahrheit finden. Wer aber schon angefangen hat, sein eigenes Wohl hintanzusetzen um der Wahrheit und der Liebe willen, der kann dem Auferstandenen begegnen: An dem geht Jesus nicht nur vorüber, sondern dem zeigt er sich – vielleicht ähnlich wie damals dem Elija gleichsam im sanften, leisen Säuseln, das auf dem Grunde der Seele zu spüren ist, ausgelöst z.B. durch die Mitfeier der Osterliturgie, nicht weniger aber auch durch die Begegnung mit einem wahrhaft gläubigen Christen.

„Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen?“ Das war die Frage des jüdischen Kindes. Jesus hat zwar auch mit seinen Jüngern das Paschamahl gefeiert, aber er hat das zeichenhafte Geschehen dann in seiner Person erfüllt; er hat dem Zeichen auch Taten folgen lassen und es so in Wirklichkeit umgesetzt. Seit der Osternacht hat der Tod seine endgültige Macht verloren; der Auferstandene lebt und kann jedem begegnen, der nicht „wasserscheu“ ist. Im letzten Buch der Bibel heißt es: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.“ (Offenbarung 3,20) Wenn er anklopft, dann sollten wir ihn auch hereinlassen!

91. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Zur Weihnachten steht das Kind Jesus sozusagen im Mittelpunkt. Am letzten Tag der Weihnachtszeit öffnet sich unser Blick auf den hin, der Jesus seine Sohn gesandt hat: auf Gottvater.

Einige haben in der Kirchengeschichte ein Bild vom Vatergott entworfen, das mehr dem Bild eines Tyrannen ähnelt. Da wird Gott zu einem Vater, der nur darauf aus ist, seine Kinder für ihre Fehler und Sünden zu bestrafen, der Katastrophen, Epidemien und Gewalt über die böse Welt ausschüttet.
Gottvater ist aber kein Tyrann.

Andere haben aus dem barmherzigen Vater so eine Art lieben Onkel gemacht. Schon fast treudoof vergibt dieser Vater allen alles, weil er ja ach so gut und so lieb ist. Warum sich dann noch um Gebote kümmern, warum sich dann noch etwas von der Kirche sagen lassen?
Gottvater ist auch kein lieber Onkel.

Liebe Schwestern und Brüder.
Bei der Taufe Jesu sagt der Vater:
Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.
Der Vater liebt den Sohn.
Jemanden lieben - das hat nichts mit dem zu tun, was uns Herz-und-Schmerz-Serien im Fernsehen suggerieren wollen.
Jemanden lieben - Das heißt wollen, daß jemand ist.
„Ich liebe dich!“ heißt: „Ich will, daß du bist, daß du mit mir bist. Ich will dich, so wie du bist. Mit all den guten und weniger guten Seiten an dir. Mit all den Möglichkeiten und Grenzen, die du hast.“

Der Vater liebt seinen menschgewordenen Sohn. Und in seinem Sohn liebt er uns.
Bei unserer Taufe hat er zu jedem, zu jeder von uns gesagt: „Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter.“
Er liebt uns so, wie wir eben sind, ganz menschlich. Vor Gott dürfen wir wirklich die sein, die wir sind: Menschen, mit all den guten und schlechten Seiten, mit unseren Möglichkeiten und Grenzen.

Jesus selbst stellte sich damals in die Reihe derer, die auf die Taufe des Johannes warteten. Diese Taufe war eine Taufe der Umkehr. Die, die sich taufen ließen, bekannten, daß sie Sünder waren. Jesus stellte sich damals also in die Reihe der Sünder.
Er selbst war kein Sünder. Aber er hat uns damit gezeigt, daß sein Vater auf unserer Seite steht.

Das heißt nicht, daß Gott die Sünde will. Nein, er verabscheut die Sünde. Aber er liebt die Sünder.
Er ist eben nicht Tyrann, eben nicht ein lieber Onkel.
Er ist ein erbitterter Feind der Sünde und ein wahrer Freund der Sünder.

Eben davon spricht das Sakrament der Taufe.
Die Taufe schenkt uns neues Leben, weil sie uns von der Sünde und vom Tod befreit. In der Taufe wird uns die Schuld vergeben und wir werden von der Erbsünde befreit.

Das Wort Erbsünde ist aus der Mode gekommen. Viele wissen nichts mehr damit anzufangen. Sünde kann man doch nicht vererben.

Ich erkläre diese Realität gerne mit einer Apfelkiste.
Stellen sie sich mal eine Kiste auf dem Markt vor. Voll mit den schönsten und saftigsten Äpfeln. Wunderschön grün und frisch.
Da kommt jemand und legt einen Apfel, mit einer kleinen faulen Stelle unten links in die Kiste.
Wenn nichts geschieht, wird bald die ganze Kiste nur noch voll fauler Äpfel sein. Obwohl der kleine faule Apfel nicht mit allen Äpfeln in der Kiste in Berührung kam, nur mit eins, zwei vielleicht, hat er die ganze Kiste sozusagen vergiftet. Nur wenn man die anderen Äpfel gut schützt, quasi imprägniert, bleiben sie resistent.
Diese faulige Atmosphäre ist sozusagen ein Bild für die Erbsünde. Seit dem ersten Mal, dass sich ein Mensch gegen Gott entschieden hat, ist in dieser Welt der Wurm drin. Schauen wir uns nur um in dieser Welt. Und in diese faulige Atmosphäre werden wir hineingeboren, obwohl wir doch eigentlich nichts dafür können. Erst recht nicht die kleinen Kinder.

Und wir würden darin untergehen, gäbe es nicht die Taufe. Sie ist – wenn man so will – eine Imprägnierung gegen die moderige, zum Tode neigende Atmosphäre der Sünde in und um uns. Die Beichte erneuert diesen Schutz, wenn er aus eigener Schuld leck geschlagen ist. Und wieder hört der Getaufte dann die tröstenden Worte Gottvaters: „Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter.“

Schwestern und Brüder,
Gregor von Nazianz schrieb einmal ein Loblied auf die Taufe:
„Die Taufe ist die schönste und herrlichste der Gaben Gottes ... Wir nennen sie Gabe, Gnade, Salbung, Erleuchtung, Gewand der Unverweslichkeit, Bad der Wiedergeburt, Siegel, und nach allem, was besonders wertvoll ist.
Gabe, denn sie wird solchen verliehen, die nichts mitbringen; Gnade, denn sie wird sogar Schuldigen gespendet;
Taufe, denn die Sünde wird im Wasser begraben;
Salbung, denn sie ist heilig und königlich (wie die, die gesalbt werden);
Erleuchtung, denn sie ist strahlendes Licht;
Gewand, denn sie bedeckt unsere Schande;
Bad, denn sie wäscht;
Siegel, denn sie behütet uns und ist das Zeichen der Herrschaft Gottes“

Der Getaufte ist damit hoffnungsfroher Realist:
Wer sich von diesem Sakrament beschenkt weiß, weiß ganz klar: „Sünde und Schuld gehören zu meinem Leben, zu dieser Welt unausweichlich dazu. All dem kann ich nicht enfliehen. Ich spüre es in mir und um mich herum.“
Er weiß aber auch mit dieser Realität umzugehen.
Er wird nicht versuchen, seine Schuld zu verdrängen.
Er wird sich nicht so leicht von der Traurigkeit über die eigene Sündhaftigkeit lähmen lassen. Oder blauäugig meinen, der Mensch macht schon alles gut, wie viele aus der Aufklärung entstandenen Ideologien.
Die Sünde verdrängen - sich von ihr lähmen lassen: Möglicherweise ist das häufiger der Grund, warum Menschen die Couch des Psychiaters aufsuchen.

„Du bist mein geliebter Sohn. Du bist meine geliebte Tochter.“
Das ist die Botschaft, die uns zu Schwestern und Brüdern, zur übernatürlichen Familie der Kirche macht.

„Du bist mein geliebter Sohn. Du bist meine geliebte Tochter.“
Das ist die Botschaft des heutigen Festes, das die liturgische Weihnachtszeit beendet.

Auf seine Weise faßt Dietrich Bonhoeffer diese Botschaft zusammen:
Der Menschgewordene ist das unergründliche Geheimnis der Liebe Gottes zu Welt. Gott liebt den Menschen. Gott liebt die Welt. Nicht einen Idealmenschen, sondern den Menschen, wie er ist; nicht eine Idealwelt, sondern die wirkliche Welt. ... Gott tritt auf die Seite des wirklichen Menschen und der wirklichen Welt gegen alle ihre Verkläger.“

92. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

Petrus steht heute im Mittelpunkt der Lesung aus der Apostelgeschichte. Er ist soeben in das Haus des römischen Hauptmanns Kornelius aus dem palästinensischen Caesarea eingekehrt und hat erfahren, dass Gott auch die Heiden mit der Gabe des Heiligen Geistes beschenken will – was für einen Juden schwer vorstellbar war.

Darum ruft Petrus aus: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.“ (Apg 10,34f) Und dann fasst er in knappen Worten das Evangelium zusammen: „Ihr wisst, was im ganzen Land der Juden geschehen ist, angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat: wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm.“ (Apg 10,37f) – Petrus lässt das Evangelium mit der Taufe Jesu durch den Täufer Johannes beginnen. In der Tat – bei diesem Ereignis öffnete sich der Himmel: Gott wendet sich den Menschen wieder freundlich zu, indem er Jesus mit dem Heiligen Geist und mit Kraft „salbt“ (wie es heißt). Das äußerlich sichtbare Zeichen ist die Abwaschung mit dem Jordanwasser, innerlich geschieht etwas, das die Bibel mit einer Salbung vergleicht, also mit der Auftragung einer Substanz, die sofort unter die Haut eindringt und ihre heilende und stärkende Wirkung entfaltet. Der so Gesalbte – der Christus/ Messias – hört innerlich die Stimme des Vaters im Himmel: „Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.“ (Mt 3,17)

Mit diesem Akt beginnt in der Tat die Erlösung der Menschheit. Nicht Jesus wird erlöst, er ist ja bereits der geliebte Sohn des Vaters, die Menschen dürfen nun hoffen, in Jesus ihren Erlöser gefunden zu haben. Und zwar nicht nur die Juden, sondern alle Menschen aller Völker und aller Zeiten.

Doch das mussten die Apostel erst einmal kapieren. Petrus musste eine ganze Zeit vom Geist Gottes bearbeitet werden, bis er sich überhaupt in das Haus des heidnischen Hauptmann begab. Für Juden war es nämlich ein unreiner Ort, den man nicht betreten durfte. Die Heidenmission begann also erst, als Petrus den Kornelius und seine Familie taufte. Das Evangelium ging von nun an von den Juden zu den Heiden, von Jerusalem nach Rom.

Wir wissen, dass sich nicht alle Heiden darüber so freuten wie der römische Hauptmann Kornelius. Einige reagierten mit Unverstand, andere mit Widerstand und Verfolgungen. Es gab abwartendes und spöttisches Interesse, und es gab religiöse Aufgeschlossenheit.

Wie steht es mit den Menschen heute, die ungetauft sind? Sind sie mit den Heiden damals vergleichbar? Die bloße Tatsache, dass sie nicht getauft sind, macht sie noch nicht zu Heiden. Ein Heide ist ein Mensch, der vorchristlichen Göttervorstellungen anhängt, der versucht, die Macht der Götter durch gewisse Gegenleistungen zu sichern; diese sind teils magischer, teils moralischer Art. Er stellt sich die jeweilige Gottheit nicht als ein moralisches oder gar liebendes Wesen vor, sondern als eine höhere Macht, die man allerdings durch bestimmte Verehrungsformen gnädig stimmen kann. – Solche Heiden gibt es in der modernen westlichen Welt fast gar nicht mehr. Die heutigen Ungläubigen sind keine Heiden, sondern sie sind „religiös unmusikalisch“, wie Habermas es in einem Gespräch mit Kardinal Ratzinger formuliert hat. Wären sie doch nur richtige Heiden! Dann könnte die christliche Verkündigung sie überraschen und zum Nachdenken bringen. Denn dem Heiden gegenüber ist das Evangelium wirklich genau das, was der Name besagt: Frohe Botschaft. Es sagt: Gott ist ein Gott der Liebe! Er interessiert sich für dich! Er will nicht dein äußerliches Opfer, sondern er will dich zum Freund haben. Er wartet nicht, bis du dies und das geleistet hast, sondern er geht dir entgegen, ja, er trägt sogar deine Sünden an deiner Stelle.

Der moderne ungläubige oder religiös unmusikalische Mensch kennt diese Antwort des Christentums. Er hat sie zur Kenntnis genommen und aufgeteilt; die eine Hälfte hat er behalten, die andere vergessen. Behalten hat er den Teil des Evangeliums, das ihm sagt: „Du, Mensch, bist unendlich wichtig.“ Vergessen hat er den Teil, in dem es heißt: „Du sollst Gott fürchten und tun, was recht ist!“ (Vgl. Apg 10,35) Vergessen hat er also gerade den Teil, der für die Heiden selbstverständlich war.

Was ist an die Stelle dieser Überzeugung getreten, an die sich Heiden wie Christen über Jahrhunderte erinnert haben? Der Glaube an den Fortschritt von Wissen und technischer Macht! Dieser Glaube macht den Menschen religiös unmusikalisch, denn er ist selbst eine Ersatzreligion. Alles, was die Religion dem Menschen verheißt, soll sich der Mensch selber verschaffen können: durch Wissenschaft, Technik und Fortschritt.

Diese Ersatzreligion ist freilich schon seit längerem ins Wanken geraten. Statt Segnungen bringt der technische Fortschritt vielerorts nur Probleme, Rückschläge und sogar Kata­strophen. Auch politisch und wirtschaftlich können wir feststellen, dass die von Gott losgelöste Vernunft die Menschheit keineswegs weitergebracht hat. Sie hat lediglich die Macht einiger weniger gestärkt – auf Kosten der großen Mehrheit.

Darum ist es nur eine Frage der Zeit, dass die Menschen aufwachen aus diesem Wahn, sich selber erlösen zu können, der immer mehr zum Alptraum wird. Der Philosoph Habermas hat dies erkannt; einstweilen leidet er noch unter seiner fehlenden religiösen Musikalität. Wie damals Petrus hat Kardinal Ratzinger sich nicht gescheut, mit dem Ungläubigen zu reden.

Gott ist geduldig, er kann warten. Er sendet seinen Geist, wohin es ihm gefällt. Für alle Zeiten bleibt bestehen, was wir in der Lesung gehört haben: „Für Gott ist in jedem Volk willkommen, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.“ (Apg 10,35)

93. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Eis der Antarktis dünn wie nie
Bauer sucht Frau – 4 verliebt, 5 alleine
Europa – Größte Rezession in der Nachkriegszeit erwartet
Manager von Tokio Hotel – Natürlich singt Bill live

In Betlehem wir Jesus Christus geboren.

Boris Becker – Neue Frisur! Alte Freundin?
Selbstmord eines Kranken im britischen Fernsehen ausgestrahlt
Gundis Zambo macht das Dschungelcamp schön
Zwangsurlaub bei deutschen Autobauern – Retten die Milliardenhilfen


Liebe Schwestern und Brüder,

haben Sie es gemerkt:
In den Schlagzeilen dieser Tage geht die Nachricht von der Geburt Christi fast unter.
Zwischen den Nachrichten über Boris, Bill und BMW fällt die Botschaft von Betlehem kaum auf.

Die Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen sind voll mit Schlagzeilen.
Solche Schlagzeilen spiegeln etwas vom Seelenzustand einer Gesellschaft wider.

Zum einen werden wir mit Belanglosigkeiten bombardiert, z. B. über den Tagesablauf von kameraüberwachten Spießbürgern in einem Wohncontainer oder viertklassigen Stars im australischen Dschungel.
Nachrichten, die die Welt wahrhaftig nicht braucht, und die an Inhaltslosigkeit fast nicht zu unterbieten sind.
Zum anderen werden wir durch viele Nachrichten auch im Innersten beunruhigt.
Wie sicher ist unser Wirtschaftssystem? Haben wir blind auf den Konsum gebaut und geht jetzt alles den Bach runter?
Kommt der Klimaschutz unter die Räder oder gar zu spät? Schlägt die Natur zurück?
Was ist mit mir, wenn ich alt werde? Tragen dann noch die Sozialsysteme? Tötet man demnächst die Leidenden, weil die Gesellschaft kein Leid mitansehen will?

Belanglosigkeit und tiefe Beunruhigung.
Beides prägt die Schlagzeilen unsere Tage.
Beides prägt die Gemütsverfassung unserer Gesellschaft.

Dazwischen nun die Botschaft des heutigen Tages, die Botschaft von Weihnachten: Gott wird Mensch in Jesus Christus.

Gott wird Mensch auf der Erde. In Jesus Christus teilt Gott unser Schicksal.
Wenn Gott unser Leben auf Erden lebt in seinem Sohn, dann kann dieses Leben der Menschen nicht belanglos sein.
Die Botschaft von Weihnachten mahnt uns, unser Leben ernst zu nehmen.

Weil Gott unser menschliches Leben gelebt hat, können wir unser Leben nicht mit Belanglosigkeiten vertun, wenn wir wirklich menschlich leben wollen.

Angesichts des Kultes der um die Bewohner von Wohncontainern und Dschungelcamps oder heiratswilligen Bauern getrieben wird, habe ich die Befürchtung, dass aus dem einstigen Land der Dichter und Denker ein Land der Spinner und Spanner zu werden droht.

Denn die Stars und Sternchen der künstlichen Medienwelt, sind alles andere als Vorbilder; erst recht keine Helden, an denen man sein Leben ausrichten könnte.
Vorbildlich leben diejenigen, die in ihrem konkreten Lebensumfeld ihren Mann oder ihre Frau stehen. Und nicht in einem konstruierten Wolkenkuckucksheim.

Helden dieser Tage sind diejenigen, die sich bemühen, ihren Glauben zu leben und zu bekennen. Und das tagtäglich auch über Weihnachten hinaus, allen inneren und äußeren Anfechtungen zum Trotz.
Helden dieser Tage sind diejenigen, die gewissenhaft ihrer Arbeit nachgehen und sich zudem ehrenamtlich für die Gesellschaft engagieren, die nicht nur sich sehen, sondern auch das Ganze und die anderen.
Helden dieser Tage sind die Väter und Mütter, die in der Ehe zueinanderstehen und sich gemeinsam um die Kinder kümmern.

Jesus Christus ist schließlich auch nicht in einer Scheinwelt aufgewachsen, sondern in der konkreten Welt Palästinas, unter ärmlichen Umständen, in einem von den Römern besetzten Landstrich, unter Pharisäern, politischen Mitläufern und religiösen Schwärmern.
Den größten Teil seines Lebens hat er arbeitend, als Zimmermann verbracht.
Gerade deshalb ist seine Botschaft für uns von Belang. Die Flucht in die Welt der Belanglosigkeiten aus Spass-TV und Regenbogenpresse ist alles andere als christlich. Das nämlich ist „Opium fürs Volk“. Nicht der Glaube.

Die Botschaft von Weihnachten lautet: Gott wird Mensch in Jesus Christus.

Wenn Gott unser Leben teilt, dann sind wir ihm wichtig. Wenn er, der Ewige, in unsere Zeit hinabsteigt, dann ist ihm nicht gleichgültig, was aus uns wird.
Auch daran erinnert uns das Weihnachtsfest. Und das kann uns Halt geben angesichts der Nachrichten, die uns zu Recht beunruhigen.

Auch wenn die politischen und wirtschaftlichen Systeme, unser Staat ins Wanken geraten sollte. Gott ist da für uns.
Sein Reich ist ein ewiges Reich und steht allen offen. Und seine Kirche hat – wenn auch unter Verfolgung – viele Staats- und Gesellschaftsformen überlebt. Selbst die Nazis und die Kommunisten konnten seine Kirche nicht vernichten.

Auch wenn Katastrophen uns gefährden sollten.
Gott ist da für uns.
In all den bedrohlichen Szenarien, die sich uns darstellen, dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott es ist, der unsere Welt trägt und lenkt. Er lässt seine Schöpfung nicht ins Leere fallen. Die vergängliche Welt hat nicht das letzte Wort, denn Christus hat diese Welt besiegt. Für uns.

Auch wenn die Würde des Menschen und das Recht auf Leben mit Füssen getreten wird. Gott ist da für uns.
Mord, Krieg, Terroranschläge, Abtreibung, Euthanasie – all das scheinen Anzeichen dafür zu sein, dass uns Menschen das Maß verloren geht. Wir selber spielen uns immer mehr zu Herren über Leben und Tod auf. Die Würde des einzelnen Menschen wird immer mehr in Frage gestellt.
Bei Gott aber ist niemand vergessen. Unsere Namen sind in seine Hand geschrieben. Er wird uns nicht aus seiner Hand fallen lassen. Für jede, für jeden einzelnen von uns ist er Mensch geworden, um jeden einzelnen, jede einzelne von uns zu erlösen.

Die Botschaft von Weihnachten lautet: Gott wird Mensch in Jesus Christus.
Er ist nicht umsonst für uns Mensch geworden. Er hat sich nicht ohne Sinn erniedrigt. Durch seine Menschwerdung hat er uns erlöst, damit wir nicht unser Heil in einer halt- und heillosen Welt suchen.

Die Botschaft von Weihnachten bewahrt uns davor, dass unser Leben in Belanglosigkeiten dahindümpelt.
Die Botschaft von Weihnachten schenkt uns Hoffnung, wo andere verzweifeln, weil sie sich allein an vergängliche Güter festmachen.
In Betlehem wird Christus geboren. Gott ist da für uns.

Was für eine Nachricht...

94. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

Jahr für Jahr hören wir am Weißen Sonntag das Evangelium vom sog. „ungläubigen Thomas“. Und fast jeder kann im Schlaf das Wort Jesu aufsagen: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ – Ich möchte dieses Wort heute in einen aktuellen Zusammenhang stellen, nämlich in die Debatte um das Lebensrecht von Menschen, die noch nicht oder nicht mehr über Kommunikationsfähigkeit verfügen, konkret also von Kleinkindern und demenzkranken Menschen.

In dieser Debatte kann es nämlich wahre Blindheit geben, sogar unter hochgebildeten Professoren. Hierzu gehört der australische Philosoph Peter Singer, der davon ausgeht, nur das sei wirklich, was man objektiv feststellen kann. In diesem Punkt ist er ganz mit dem sogenannten „ungläubigen Thomas“ einig. Daraus hat er aber eine erschreckende moralische Konsequenz gezogen: Gefragt, was eine Person ausmacht, beruft er sich auf objektiv feststellbare Merkmale wie Selbstbewusstsein, Selbstkontrolle, Sinn für Vergangenheit und Zukunft und die Fähigkeit, mit anderen Personen zu kommunizieren. Wer darüber verfügt, der ist in den Augen von Singer eine Person, wer darüber nicht verfügt, der ist keine Person. Also wäre zum Beispiel ein Schimpanse eine Person, nicht aber ein Embryo, nicht ein Säugling und auch nicht ein geistig schwer Behinderter. Genau das vertritt Peter Singer seit Jahren schon und hat darüber hinaus gemeint, dass Wesen, die keine Personen sind, nur ein eingeschränktes Lebensrecht besitzen. So hat er den empörenden Satz geschrieben: „Das Leben eines neugeborenen Kindes ist weniger wert als das eines ausgewachsenen Schweins.“ Solche Behauptungen hat er anscheinend am Schreibtisch und auf Kongressen aufgestellt, also weit entfernt von der Wirklichkeit und rein theoretisch.

Aber dann geschah etwas, das dem Erlebnis des Thomas an Ostern vergleichbar ist. Seine Mutter erkrankte an Alzheimer, sie wurde dement. Nach Singers eigener Definition war sie nun keine Person mehr. Dennoch organisierte er einen Pflegedienst, der 24 Stunden für seine Mutter bereit stand. Als man ihn auf den Widerspruch zu seiner Theorie ansprach, bekannte Singer in einem Interview: „Ich denke, dass diese Sache mir die Augen dafür geöffnet hat, dass diese Dinge sich für Menschen als sehr schwierig darstellen, die von diesen Problemen betroffen sind. Vielleicht ist es schwieriger, als ich früher dachte, weil es etwas anderes ist, wenn es sich um deine eigene Mutter handelt.“ – Auch wenn sich Singer um ein klares Bekenntnis herumdrückt, zeigt doch seine Praxis, dass ihm wirklich die Augen geöffnet wurden: Es gibt Dinge, die kann man nicht direkt mit Augen sehen, und dennoch sind sie wirklich, realer sogar noch als so manche objektiv feststellbaren Tatsachen.

Solcherart ist die menschliche Person als eine lebendige und geistige Ganzheit. Dem analytischen Blick des Wissenschaftlers ist dieses Ganze nicht zugänglich, und doch ist es da und wird schon vom kleinen Kind unmittelbar geschaut – sogar als Erstes, noch bevor es die Welt nach und nach auch in ihren Einzelteilen erfasst. Das Kind sieht seine Mutter als eine Einheit und Ganzheit, es sieht eine Person, und zwar eine ganz besondere Person, einen Menschen, der es lieb hat und sich ihm zuwendet. Das Kind sieht mit einem einzigen Blick eine geistige Gestalt, und es nimmt mit demselben Blick wahr, wie ihm die Mutter gerade zugewandt ist: freundlich bestätigend oder abweisend, tadelnd oder ermunternd, fröhlich oder besorgt. – Irgendwann wenn das Kind dann erwachsen geworden ist und von unserer Gesellschaft dazu verführt worden ist, nur das für existent zu halten, was man wissenschaftlich beweisen kann, wird das anfangs so Offenkundige plötzlich problematisch, und das alte Vertrauen wird von Zweifel zerstört.

Dann kommt der Spruch auf: „Ich glaube nur, was ich sehe“. Dieses Motto vertrat auch der Apostel Thomas. Er suchte sicheres Wissen und hielt darum das Detail für wichtiger als das Ganze: die Wundmale als Identifikationsmerkmale seines Herrn und Meisters Jesus Christus. Heute hätte er einen genetischen Fingerabdruck zur Identitätsfeststellung gefordert. – Ich möchte diese kritische Einstellung nicht in Bausch und Bogen verwerfen; aber sie hat doch ihre Grenzen, und die sollte man erkennen.

Und das hat Thomas dann auch getan, und darum ist von ihm im Evangelium überhaupt die Rede. Denn nachdem Jesus sich auf seine Forderung einließ und mit nur leichtem Tadel bedachte, da verließ Thomas seinen Standpunkt der Absicherung und bekannte weit mehr, als er selber sicher wissen konnte: „Mein Herr und mein Gott!“ Er drang damit zur Person vor, zum Geheimnis Jesu, das niemals in Wissen aufgelöst werden kann, das sich aber dem zeigt, der bereit ist, die begegnende Wirklichkeit ernstzunehmen und die eigene Denkweise daran zu messen und gegebenenfalls zu korrigieren, anstatt schon vorher wissen zu wollen, was es geben kann und was nicht. So wurde Thomas auch ein Vorbild für all diejenigen, die den Sprung des Vertrauens wagen

Liebe Gemeinde! „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Ich gewinne diesem Wort Jesu heute einen Sinn ab, der das Seligmachende des Glaubens in den Vordergrund rückt. Wer durch das Sehen und exakte Wissen zum Geheimnis der Wirklichkeit vorstoßen will, der hat einen beschwerlichen Weg vor sich, einen Weg, der dauernd zum Umkehren nötigt, einen Weg, der auf den längsten Strecken ein Irrweg ist. Wie selig ist da derjenige, der im Vertrauen auf den immer größeren Gott und auf Seine Zeugen von solchen Umwegen befreit ist! Aber wie dumm ist derjenige, der weder selber sehen will (weil das zu anstrengend ist) noch denen glaubt, die gesehen haben, sondern ausgerechnet denen sein Ohr zuneigt, die zwar sehen wollen, aber nicht sehen!!! Wie dumm ist der wissenschaftsgläubige Mensch!

95. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Nun hat die Adventszeit wieder begonnen, und schon seit Wochen sehen wir in den Geschäften die Weihnachtsartikel, werden uns in der Werbung in aufdringlicher Weise alle möglichen Artikel angepriesen, hören wir von allen Ecken und Enden bis zum Überdruss Weihnachtslieder. Es gibt viele, die sagen, dass sie diesen ganzen Rummel leid sind, dass die schöne Adventszeit ihnen gar nicht mehr so schön vorkommtwie vielleicht früher einmal. Aber – wie ein chinesisches Sprichwort sagt – es ist besser, ein Licht anzuzünden als über die Finsternis zu schimpfen. Das haben wir eben gemacht, als wir den Adventskranz entzündet haben. Und das haben Sie gemacht, als Sie sich entschlossen haben, in die Kirche zu gehen. – Und als Sie den Kirchenraum betreten haben, da ist Ihr Blick sicher sogleich auf das wunderbare Chorwandgemälde gefallen. (Vielleicht haben Sie ja wie ich gestaunt, was für eine künstlerische Ader unsere Frauen da entfaltet haben.)

 

Vielleicht wissen einige von Ihnen, dass der Priester Sieger Köder ursprünglich dieses adventliche Bild gemacht hat. Er hat ihm den Titel gegeben: „Ein Reis wird hervorgehen aus dem Stumpf Isais.“ Dieser Satz stammt aus dem Buch Jesaja, aus einem der großen Verheißungstexte – wir haben ihn gerade gehört. Der Stumpf Isais, das ist die zerschlagene Dynastie Davids; Isai war der Vater Davids. Er wird hier genannt, weil der Prophet die Neuordnung da ansetzen lässt, wo es noch keine Verderbnis gab, also beim Vater Davids, nicht bei dem zwar großen König, aber doch auch schon in Sünde gefallenen Menschen. Dass die davidische Dynastie untergehen wird, hat der Prophet ein paar Kapitel zuvor mit folgenden Worten angekündigt: „Bis die Städte verödet sind und unbewohnt, die Häuser menschenleer, bis das Ackerland zur Wüste geworden ist... Sie werden schließlich vernichtet, wie bei einer Eiche oder Terebinthe, von der nur der Stumpf bleibt, wenn man sie fällt.“ (Jes 6,11.13) Dieses Bild vom Baumstumpf hat der Maler aufgegriffen und eindrucksvoll dargestellt. Man sieht noch das Blut am gefällten Holz: Es ist das Blut der vielen gefallenen Juden, die dem Ansturm der Babylonier hilflos ausgeliefert waren. Die abgestorbenen Arme des toten Baumstumpfs ragen wie ein Flehruf zum Himmel, als würden sie rufen: „O komm, o komm, Emmanuel, mach frei dein armes Israel. In hartem Elend liegt es hier, in Tränen seufzt er auf zu dir.“ Rings um den Baumstumpf ist schwarze Dunkelheit. Sie steht für die Zeit der Unterdrückung der Juden in Ägypten und in Babylon, unter der Herrschaft der Perser, Mazedonier und später der Römer, aber ganz generell auch für alle dunklen Seiten im Leben. Doch die Finsternis wird von oben her aufgebrochen: „Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht, über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.“ Das ist die dritte Jesajastelle (9,1), die der Maler hier aufgreift. Wir hören sie immer in der Heiligen Nacht. Denn sie kündet die Geburt des Messias an. Aber schauen wir noch einmal zum Baumstumpf: Mitten zwischen den toten Armen wächst eine Rose. „Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.“ (Jes 11,1) aus einem toten Stamm entsteht Leben. Gott schafft dieses neue Leben. Israel darf wieder hoffen. Mag die Nacht noch so dunkel sein, „das Licht leuchtet in der Finsternis“ (Joh 1,5). Mag der Tod scheinbar endgültig sein – die Kraft der Rose ist stärker. Sie wächst aus dem Tod, überwindet den Tod. So verbindet Sieger Köder in einem Bild die drei entscheidenden adventlichen Texte des Jesajabuches. Wir dürfen es nun in den kommenden Wochen anschauen und uns davon inspirieren lassen. Dass wir nicht über die Finsternis schimpfen, sondern ein Licht anzünden bzw. das Licht betrachten, das Gott in die Welt gesandt hat, damit sie nicht im Dunkeln bleibt und zugrundegeht. Beklagen wir nicht, dass wir in der Adventszeit soviel Stress haben! Nutzen wir vielmehr die Zeit, um unsere Hoffnung zu entflammen. Schauen wir dieses Hoffnungsbild immer wieder an; es sagt uns: „Du, Mensch, fürchte dich nicht! Du bist mein. Ich der Herr, bin dein Gott, dein Befreier. Fürchte dich nicht. Denn ich bin mit dir.“ (Jes 43, 1.3.5) Die Rose soll ein Zeichen dafür sein, wie teuer du Gott bist, wie sehr Gott dich liebt.

96. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Wir sind in einer bewegten Zeit. Mobilität wird großgeschrieben in unserer Gesellschaft. Sie gilt als Voraussetzung für beruflichen Erfolg, blühendes Geschäft und Spaß in der Freizeit. Überhaupt sind viele von uns unterwegs. Fortbewegungsmittel gehören zu unserem täglichen Leben: Fahrrad oder Flugzeug, Bahn oder Bus – und vor allem das Auto, das ein bekannter Zeitkritiker als das „rollende Sakrament der Moderne“ bezeichnet hat (P. Sloterdijk). Unterwegssein heißt aber noch nicht viel. Es gibt auch eine leere Bewegung, eine Betriebsamkeit, die im Grunde zu nichts führt. Von einem jüdischen Rabbi ist uns die folgende Weisheit überliefert: Wenn einer Vorsteher ist, müssen alle nötigen Dinge da sein, ein Lehrhaus und Zimmer und Tische und Stühle, und einer wird Verwalter, und einer wird Diener und so fort. Und dann kommt der böse Widersacher und reißt das innerste Pünktlein heraus. Aber alles andere bleibt wie zuvor, und das Rad dreht sich weiter, nur das innerste Pünktlein fehlt. Der Rabbi hob die Stimme: Aber Gott helfe uns, man darf’s nicht geschehen lassen! Unser Problem ist nicht so sehr dies, den „Betrieb an sich“ auf Touren zu halten, sondern darüber zu wachen, dass das „innerste Pünktlein“ nicht abhanden kommt. Ohne es ist die Last nicht zu halten, und die Katastrophe wird um so größer, je schneller es rotiert. Die Frage ist: Wohin sind wir unterwegs? Wo ist das Ziel? Wonach streben wir? Welche Wege gehen wir als Menschen und als Christen? Auf dem Weg sind wir also in einem anderen, tieferen Sinn. Wir alle sind, durch unser Leben, durch unseren Glauben, auf dem Weg zu Gott. Mit vielen Bildern macht es die heilige Schrift immer wieder deutlich: Du zeigst mir den Pfad zum Leben; Er leitet mich auf rechten Pfaden; muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir. In der Geburt des Erlösers, auf die wir uns vorbereiten, und in seiner Gnade ist uns nicht nur ein äußerer Wegweiser gegeben, sondern ein innerer Helfer und Weggefährte, der uns auf dem Weg zur letzten Wahrheit unseres Lebens schon hier und jetzt führt, der uns in alle Wahrheit einführt. Nicht Betriebsamkeit und allgemeine Mobilität ist das Entscheidende, sondern der Aufbruch zu Gott. Wichtiger als alle geographischen Wege sind die Wege des Glaubens: der Weg zum Nächsten und der Weg zu Gott. Johannes der Täufer will auf den rechten Weg bringen, er will mobil machen. Er rüttelt auf, er bringt in Bewegung, er mahnt zum Aufbruch, damit wir so dem lebendigen Gott begegnen. Seine Botschaft ist markiert durch die Rufe: Kehrt um! ... Tut Buße!... Bringt Frucht hervor!... Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Das Wort Bereitet dem Herrn den Weg!, das von Jesaja stammt, meinte zu seiner Zeit: Gott hat sein Volk in der Verbannung in Babylon nicht verlassen; deswegen geht es darum, Jahwe in der Wüste voller Hoffnung von neuem einen Weg zu bereiten. Ja er selbst wird in der Einöde Pfade bereiten und für eine triumphale Rückkehr nach Jerusalem „alle Berge zu Wegen machen“. Bereitet dem Herrn den Weg!, so heißt es nun neu und definitiv bei Johannes dem Täufer, denn Gott kommt nun in seinem Sohn zu uns und geht in ihm endgültig seinen Weg zu uns Menschen. Ich bin der Weg! wird daher Christus rufen. Dieser Weg ist nicht nur Bild, nicht nur Weisung, er ist Person, in ihm haben wir Zutritt zum Vater. Der Advent macht uns den Wegcharakter unseres Lebens besonders deutlich. Er ist wesentlich Gottes Weg zu uns und unser Weg zu ihm. Wir gehen ihn gemeinsam mit der ganzen Kirche, aber er ist auch ein unübertragbar persönlicher Weg. Es gilt immer neu, einen Aufbruch auf Gott hin zu wagen, statt in bequemer Weise irgendwo stehen zu bleiben. Gott kommt auf uns zu – wir gehen auf Gott zu. Um dem Herrn den Weg zu bereiten, müssen wir uns selber auf den Weg machen. Sie haben sich heute auf den Weg zur Kirche gemacht. Auch in der Woche können Sie auf Gott zugehen, indem Sie auf andere Menschen mit Liebe und Freundlichkeit zugehen.

97. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

O komm, o komm, Emmanuel!
So, liebe Schwestern und Brüder, beginnt das Lied, das uns heute als Grundlage für die Predigt dienen soll. Sie finden es unter der Nummer 902 im Gotteslob.

O komm, o komm, Emmanuel!
Emmanuel – das heißt: Gott mit uns.
Einen nahen, gegenwärtigen Gott erfleht dieses Lied. Die Melodie hat etwas Sehnsüchtiges. Ja, es scheint sehr dringend, sehr notwendig zu sein, das etwas geschieht. Die Schmerzgrenze ist erreicht, vielleicht sogar überschritten.

Wer ist es denn, der hier so fleht? Und warum?

Mach frei dein armes Israel. In hartem Elend liegt es hier, in Tränen seufzt es auf zu dir.
Es ist das Volk Gottes, das sich am Boden fühlt, niedergedrückt ist. Elend. Tränen. Israel scheint am Ende zu sein. Die, die Gottes Volk sind können nicht mehr. Sie fühlen sich von Gott in Stich gelassen. Sie brauchen seine Hilfe. Allein kommt sie nicht mehr weiter.

Niedergedrückt, am Ende, hilflos ausgeliefert, am Boden zerstört. Von Gott verlassen.

So fühlen wir uns Menschen auch manchmal.
Da wird die Krankheit zu einer innerlichen Zerreißprobe.
Da lässt eine schlimme Diagnose eine Welt in sich zusammenbrechen.
Da löst der Tod eines lieben Angehörigen tiefe Trauer aus.
Da verspürt man Angst angesichts der Rede von Klimakatastrophe.
Da ist man sprachlos angesichts der traurigen Fälle von sterbenden und verwahrlosten Kindern.
Und ich glaube, ja ich weiß, dass sich viele in diesen Momenten auch von Gott verlassen fühlen.

"Wie kann Gott das zulassen, Herr Pastor?"
"Warum ausgerechnet ich?"
"Was können denn die Kinder dafür?“

Ja, es gibt Grund zu klagen. Ja, manchmal ist es wirklich zum Weinen.

Vermutlich haben wir alle schon einmal innerlich rebelliert gegen das Elend und Unglück, das wir am eigenen Leibe erfahren oder bei anderen miterleben mussten.

Vielleicht haben wir uns auch schon mal mit dem lieben Gott angelegt, ihm mal richtig deutlich unsere Meinung gesagt:
"Sieh dir das doch mal an, Gott. Das darf doch wohl nicht wahr sein: Meine Krankheit ... sein Tod ...das Elend überall ... die Katastrophen im Fernsehen: Das kann doch wohl nicht wahr sein? Wie kannst du das nur zulassen?"

Schwestern und Brüder,
unser Lied ermuntert uns dazu, all den Kummer, die Sorgen, den Frust in uns ernst zu nehmen und sozusagen herauszuschreien. Es Gott vor die Füße zu werfen, es ihm ans Herz zu legen, es ihm hinzuhalten. Wie immer man es auch nennen mag.

Unser Lied ermuntert uns letztlich zu beten. Mit ganzem Herzen. Ganz ehrlich. Ohne Redeverbot.
Wir brauchen vor Gott aus unserem Herzen keine Mördergrube zu machen. Was raus muss, muss raus.
So lehrt uns auch das große Gebetbuch der Bibel, das Buch der Psalmen mit seinen großen Klage- und Bittpsalmen.

Das Gebet ist heilsam. Es verschafft Ruhe. Und auch in der größten Trostlosigkeit vermag es Halt und Hoffnung zu geben.

Das Gebet ist heilsam. Aber nicht, weil es ein irgendwie gearteter psychologischer Trick ist. Es ist auch kein psychotherapeutischer Automatismus.

Nein, das Gebet ist heilsam, weil es mit dem Heiland verbindet, mit dem Gott-mit-uns, mit dem Emmanuel.

Wer betet, wer vor Gott klagt, der rechnet noch mit Gott.
Wer sich innerlich mit Gott anlegt, ihn anklagt, der ist nicht ungläubig, nein, der glaubt an Gott. Deswegen ruft er ihn ja an. Auch wenn er ihn im Moment nicht versteht.

Der Glaube ist eine Beziehung. Zwischen mir und Gott.
Und so wie Menschen miteinander kommunizieren, reden müssen, so bedarf der Glaube auch des Sprechens miteinander.

Wir sprechen zu Gott, in dem wir zu ihm beten. Nicht nur dann, wenn es etwas zu beklagen gibt, aber auch dann.
Gott spricht zu uns durch sein Wort, durch die Feier der Sakramente und durch die Zeichen der Zeit, durch Begegnungen in unserem Leben.
Um für diese Sprache Gottes offen, empfänglich zu sein, bedürfen wir auch des Gebetes.

Liebe Schwestern und Brüder,
viele werden jetzt vielleicht denken: Beten ist ja schön und gut, aber was bringt es? Erhört Gott denn meine Bitten überhaupt?

Es ist wahr:
· Das Gebet heilt nicht die Krankheit, wie eine Tablette.
· Das Gebet macht die unheilvolle Diagnose nicht ungeschehen.
· Das Gebet gibt mir den Toten nicht zurück.
· Das Gebet kann nicht das Weltklima ändern oder uns Menschen die Verantwortung nehmen.

· Aber das Gebet heilt den Kranken, weil er sich in der Krankheit von Gott getragen weiß, der in seinem Sohn selber gelitten hat.
· Das Gebet heilt diejenige, die eine schlimme Diagnose erfahren hat, weil es ihr hilft, die Angst zu tragen, ohne zu verzweifeln, so wie der Herr im Ölgarten die Angst vor dem kommenden Tod überwunden hat.
· Das Gebet heilt die Trauernden und Verstorbenen, weil durch das Gebet die Hoffnung auf die Auferstehung Trost und Halt gibt. Das Leben geht weiter für die Trauernden und für den Toten, aber anders, verwandelt.
· Das Gebet schenkt Trost, weil es Hoffnung schenkt, dass im letzten alles gut wird. -> Spe salvi

O komm, o komm, Emmanuel!
Dieser Ruf ist nichts anderes als die Sehnsucht, dass Gott bei uns sein möge, egal, was geschieht.
Dieser Ruf ist immer ein Zeichen echten Glaubens, der vielleicht im Moment angefochten scheint.
Dieser Ruf verbindet uns mit Gott, der die Macht hat zu heilen, was verwundet ist.

O komm, o komm, Emmanuel!
Liebe Schwestern und Brüder,
vielleicht kann Sie dieser Gebetsruf ja in der kommenden Woche begleiten. Als ein Stoßgebet, das Sie offen macht für das Weihnachtsfest, das sie spüren lässt, dass ER, der Emmanuel, wirklich mit Ihnen ist.

98. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Wir hören heute im Evangelium die Frage des Täufers: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Es ist eine Frage, die damals den Täufer brennend bewegt hat, und müsste eigentlich auch die Frage sein, die für uns an erster Stelle steht.

Doch zuerst zum Täufer: Er ist am Tiefpunkt seines Lebens angelangt: seine Wirkmöglichkeit ist am Ende, er ist gefangen und gefesselt im dunklen Kerker des Herodes. Die feige Schwäche des Herodes hat ihn dorthin gebracht. Und was hat sich geändert? Was hat seine mutige Predigt genützt? – Nichts, so scheint es. Was er verkündet hat, ist anscheinend immer noch nicht Wirklichkeit geworden: Noch ist die Erde nicht mit Feuer getauft, die Spreu nicht vom Weizen getrennt; Herodes regiert und nicht der von Gott Gesandte. War seine Bußpredigt, war sein unermüdlicher Einsatz also umsonst, sein Leben sinnlos? Muss Johannes jetzt verzweifeln – an seiner Lage, an Jesus, den er doch als den Größeren, den Retter verkündet hat?

Jesus gibt die Antwort. Er tut es mit einem Hinweis auf die Prophezeiung des Propheten Jesaja (Lesung): „Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.“ Konnte diese Antwort Johannes an seinem Tiefpunkt neue Hoffnung geben? Konnte sie ihm helfen, an Jesus keinen Anstoß zu nehmen – wie Jesus sagt: „Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt“?

Wir müssen dabei die skeptische Nachfrage im Ohr behalten: „Oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Johannes fragt ja deshalb, weil er die prophetischen Verheißungen kennt, weil sein ganzes Leben von diesen Verheißungen gespeist war und weil er Jesus als den angekündigt hat, der diese Verheißungen erfüllt. Sollte er sich etwa getäuscht haben? – Genau auf diese Frage antwortet Jesus, wenn er den Propheten Jesaja zitiert und feststellt: Jetzt ist es erfüllt. Mit mir ist das Verheißene eingetreten.

Freilich – es ist anders eingetreten, als Menschen es sich erdacht hatten, auch anders, als Johannes es sich vorgestellt hatte. Jesus ist nicht gekommen mit der Wurfschaufel in der Hand, als der Vollstrecker des Zorngerichts Gottes, sondern allein mit der Waffe der Barmherzigkeit. Er hat nicht mit königlicher Macht das Römerregime hinweggefegt und den ehrlosen, fiesen und feigen Schmarotzer Herodes entmachtet – Grund genug für viele Juden, Anstoß an ihm zu nehmen. Aber er hat dennoch, ja viel mehr noch die alten Verheißungen erfüllt, indem er allen, den Armen zuerst, die Barmherzigkeit Gottes geschenkt hat, an Leib und Seele, durch Heilungen und durch Sündenvergebung.

Johannes der Täufer wird dies sehr gut verstanden haben, die Antwort Jesu hat seinen Blick erweitert und ihn aus seinen Zweifeln befreit.

Doch was ist mit uns heute? Auch für uns kann die Stunde kommen, wo alle unsere Hoffnungen zerplatzen, unsere Erwartungen zunichte werden, wo unser Glaube durch Schicksalsschläge so sehr geprüft wird, dass wir vielleicht denken: Habe ich mein ganzes Leben aufs falsche Pferd gesetzt? Ist Jesus vielleicht gar nicht derjenige, der Rettung und Heil bringt? Müssen wir noch auf einen anderen warten?

Die meisten Christen in Europa kennen Jesus von Nazareth von Jugend an; er stellt für sie kein Neuigkeits- und Überraschungserlebnis dar. Ihre Erinnerung an Jesus ist jedoch zumeist nivelliert, verkitscht, verweht. Darum suchen viele heute das ganz Andere, Neue. Ihnen geht es wie Johannes dem Täufer in seiner Gefängniszelle, der in den Zweifel geraten ist, ob der Messias vielleicht noch gar nicht gekommen ist.

Wie kommt es zu solchem Zweifel? – Der Zweifel nährt sich von falschen Bildern, die man sich von Gott und seinem Messias macht; wenn der wahre Jesus in einer Weise verfälscht, verkitscht und übermalt wird, dass der kritisch denkende Zeitgenossen befremdet und abgestoßen wird. „Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.“ sagt Jesus. Dieser Anstoß hat manchmal mit der Art der Verkündigung zu tun, z.B. wenn gesagt wird: ‚Wenn ihr nur genügend betet, dann wird Gott euch schon erhören’ – so als ob Gott unser Wunscherfüllungsgehilfe wäre. Oder wenn der Ernst aus dem Evangelium herausgeschnitten wird, wenn so getan wird, als wäre alles easy, locker und leicht – und in Wahrheit will man es bloß bequem und gemütlich haben. Oder wenn sich die christliche Gemeinde zu sehr angepasst hat an den Stil dieser Welt, wenn die Christen sich nicht mehr durch ihren Lebensstil von den Nichtgläubigen unterscheiden, wenn sie so leben, als ob es Gott nicht gäbe. – Wenn dies geschieht, nehmen die kritisch Denkenden Anstoß. Die Jugendlichen werfen ihren Glauben weg, die Entrechteten und Leidenden wenden sich anderen Heilslehren zu.

Das dürfen wir nicht geschehen lassen! Wir müssen bei unserer eigenen Einstellung zu Jesus beginnen und sie erneuern. Die wichtigste Voraussetzung hierfür ist das ehrliche Eingeständnis, dass die Erde uns keine ewige Heimat bietet, dass wir also angewiesen sind auf einen Retter, der von oben kommt.

In acht Tagen singen wir wieder: „Christ, der Retter ist da!“ – Wir wollen es mit echter Überzeugung singen und nicht nur aus Gefühlsduselei. Treffen wir darum unsere Entscheidung für Christus neu – jetzt in dieser Messfeier und in den kommenden Tagen!

99. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Liebe Schwestern und Brüder,
seit einigen Jahren gibt es im Fernsehen sogenannte Casting-Shows, bei denen sich junge Talente (und solche, die sich dafür halten) einem Millionenpublikum präsentieren. Die meisten haben jahrelang für diesen Wettkampf um die Gunst einer Jury und der Zuschauer hart gearbeitet, aber nur ganz wenigen
ist ein wirklicher Durchbruch als Star gelungen wie etwa dem Handy-Verkäufer Paul Potts, dessen umwerfender Gesangs-Auftritt viele zu Tränen rührte und der nun die halbe Welt als Operntenor bereist.

Von einem Casting unter ganz anderen Vorzeichen erfahren wir im heutigen Evangelium zum vierten Adventssonntag. Gott selbst ist es, der hierbei einziges Mitglied der Jury ist. Man konnte sich auch nicht bei ihm bewerben, sondern Gott hat in seiner Weisheit selbst Ausschau nach einer geeigneten Kandidatin gehalten. Von ihm allein ging die Initiative aus. Gesucht war eine Jungfrau, die nach Gottes Urteil würdig war, seinen Sohn als Kind zur Welt zu bringen.

Bei Gott geht es anders zu. Er sucht die Kandidatin aus und kürt sie.
Und er hat ganz andere Kriterien, als sie die Bohlens dieser Welt haben. Einmal ganz abgesehen davon, dass er die Kandidaten nicht anpöbelt und niedermacht, wie dieser doch wohl eher drittklassige blonde Popmusiker –
bei Gott findet alles im Stillen statt, ohne große Show. Aber dafür mit Tiefe.

Gott sendet seinen Engel in ein Städtchen in Galiläa namens Nazaret, damals mit weniger als 200 Einwohnern ein verschlafenes Nest und so unbedeutend, dass es nirgendwo im Alten Testament erwähnt ist. Wir würden vielleicht dazu sagen: dunkelste Provinz.
Nazaret ist etwa 100 km und damit vier Tagesreisen von der Hauptstadt Jerusalem entfernt. Durch eine ausgeprägte Hanglage bestand die Mehrzahl der dortigen Wohnhäuser damals aus ausgebauten Höhlen, die es dort zahlreich gab.
Das ist weit entfernt vom Glamour des Showbiz.

Bei Gott geht es anders zu.
Während bei den Castingshows Menschen etwas leisten müssen, sich hinstellen müssen, in dem Bewußtsein: Ich kann das. Ich mach das. Ich bin klasse –
Sagt die Kandidatin Gottes: Mir geschehe.
Bei Gott geht es nicht um Macht, Leistung, Glänzenwollen oder –können, bei ihm siegt, wer dient, wer ertragen kann, in den Hintergrund tritt, damit der eigentliche Star glänzen kann.

Bei Gott geht es anders zu.
Groß ist bei Gott nicht der, der zum eigenen Ruhm sich bewirbt, sondern die, welche ihr Leben in den Dienst aller Menschen, in dem Dienst am Heil aller Menschen stellt.

Die Größe eines Menschen hängt nicht von seiner Macht ab, meist ist es zerstörerische und egoistische Macht – die Größe eines Menschen hängt von seiner Liebe, seiner Hingabe, seiner Teilhabefähigkeit ab.

Bei Gott geht es anders zu.
Ein Star oder sogenannter Superstar (oder was man dafür hält) muß sicherlich etwas können. Aber gerade die Sieger von Castingshows sind mittlerweile gut geplante, vermarketet Produkte.
Der Erfolg läßt sich kalkulieren

100. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Ich möchte den heutigen 4. Advent noch einmal zum Anlass nehmen, mit Ihnen das Altarbild zu betrachten. Wir sehen den toten Baumstumpf und die Rose. Spontan kommt mir dabei in den Sinn: Das passt doch gar nicht zusammen. Hier sind Gegensätze zusammengestellt: Tod und Leben, Symbole von Vergänglichkeit und Ewigkeit. Das spannungsgeladene Bild ist ein Bild auch für den Widerspruch, der in der menschlichen Existenz liegt: Wir sind eingebunden in den Kampf ums Dasein und stehen insofern notgedrungen in der Konkurrenz mit den anderen. Aber wir sind auch Geistwesen, ausgestattet mit Vernunft und Liebe und tragen eine Friedens¬sehnsucht in uns, die keine Konkurrenz kennt. Einerseits unterliegen wir dem Gesetz des Stärkeren, andererseits dem der Barmherzigkeit. Einerseits liegt es in unserer biologischen Natur, dass wir sterben müssen, andererseits hegt jeder die Hoffnung auf Unsterblichkeit. Dieser Widerspruch ist in der Welt. Er gibt der Menschheit ein Rätsel auf, auf das schon viele Lösungsversuche gegeben worden sind. Ich nenne nur zwei: Platon hat das Rätsel auflösen wollen, indem er das materielle Leben abgewertet hat. Wenn der Tod aus der Materie kommt, dann ist auch nur der Geist wert zu leben, dann ist der Tod die befreiende Loslösung des Geistes aus dem Gefängnis des Körpers. Ganz andersherum argumentiert die moderne Biologie: Der Geist ist nach ihr aus der Materie herausentwickelt gemäß den Gesetzen vom Daseinskampf und vom Survival of the fittest. Darum gibt es auch gar keine echte Liebe, sondern es gibt nur die vitalen Interessen. Also ist die Sehnsucht nach Unsterblichkeit sinnlos. Die Bibel löst das Rätsel jedoch anders. Sie fragt tiefer nach dem Grund des Widerspruchs in der Schöpfung. Sie schlägt den Knoten nicht durch und begeht keinen denkerischen Kurzschluss, sondern sie hält die Spannung aus. Sie sagt: Die Konkurrenz und der Kampf ums Dasein sind nicht ursprünglich. „Gott hat den Tod nicht gemacht.“ (Weish 1,17) Und wenn das so ist, dann kann Gott den Tod auch wieder aufheben. Symbol dafür ist die Rose: Gott pflanzt auf dem toten Baumstumpf eine Rose und gibt so ein Zeichen für den Neu-Anfang, für die neue Schöpfung. So sehen wir in diesem Bild sowohl das Rätsel als auch die Auflösung. Die Rose ist das Zeichen der Liebe. Die Liebe kommt von oben: „Sie ist nicht von dieser Welt, die Liebe, die mich am Leben hält, oh, ohne dich wär’s schlecht um mich bestellt. Denn sie ist nicht von dieser Welt, die Liebe, die mich am Leben hält, oh, ohne dich wär’s schlecht um mich bestellt.“ Warum kommt die Liebe von oben? Weil sie Eigenschaften besitzt, die in dieser Welt sonst nicht vorkommen. Die Welt ist bestimmt von Egoismus, vom Kampf und vom Recht des Stärkeren, vom Ellenbogen. Das sehen wir jetzt z.B. wieder an der Mindestlohndebatte, die verlogener nicht sein kann. Da wollen die einen die Löhne drücken, um den Profit der Aktionäre zu steigern; die anderen wollen an die politische Macht und suggerieren den Wählern, sie könnten durch ihre Stimmabgabe ihren Lohn erhöhen – was eine Irreführung ist. Doch ganz gleich, wer das spricht: Immer dreht es sich um das eine: Macht und Geld – ums Überleben auf Kosten der anderen. Die Liebe stört in diesem Diskurs – sie wird ins Private abgeschoben. Das Leben wird offenbar nicht durch die Liebe bestimmt, sondern durch Geld und Macht. Darum ist es wahr: Die Liebe ist nicht von dieser Welt. Der Apostel Paulus hat damals zwei Fragen gestellt: Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? (Röm 10.14) – Wir müssen heute folgende ganz verwandten Fragen stellen: Wie sollen die Menschen auf einen göttlichen Erlöser hoffen, wenn sie gar nicht auf die Idee kommen, dass es eine andere Hoffnung geben könnte als die auf den ökonomischen und technischen Fortschritt? Und woher sollen sie diese Idee haben, wenn ihnen alle Welt einredet, dass das Leben nicht mehr ist als ein zeitlich befristeter Kampf ums Dasein? Das ist in der Tat der Punkt, wo wir ansetzen müssen: Woher kommt diese Idee, die im Symbol der Rose auf dem toten Baumstumpf dargestellt ist? Sie wird von vielen belächelt als romantische Träumerei, von anderen zynisch verachtet als Vernebelung des Geistes. Und nicht wenige waren früher einmal von dieser Idee beseelt, wurden aber so oft enttäuscht, dass sie sie nun gewaltsam aus ihrer Seele herausgerissen haben und seitdem ihr Leben hassen und am liebsten wegwerfen würden. Was Not tut, ist eine Infragestellung und Widerlegung dieser Stimmen. Für manche genügt es vielleicht, das Altarbild einfach wirken zu lassen, um dann zur Zustimmung zu kommen: Ja, so ist es, „die Liebe ist nicht von dieser Welt, die Liebe, die mich am Leben hält.“ Wer darüber hinaus Vernunftgründe sucht, sich dieser Einsicht anzuschließen, der möge einmal die Logik der Zyniker in Augenschein nehmen. Wie argumentieren die denn eigentlich? Und dann sieht man sehr bald, dass hier immer aus der Machtperspektive argumentiert wird: Ein einzelnes Ich oder eine kleine Gruppe möchte sich ihr Überleben auf Kosten der Allgemeinheit sichern. Die Botschaft an die anderen lautet entweder einschmeichelnd: „Schließt euch unserem Denken an, dann bekommt ihr vielleicht auch etwas von dem Kuchen mit!“ Oder sie kommt mit Einschüchterungen daher: „Wagt es bloß nicht, unser Denken zu kritisieren! Wir haben die ganze Macht von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf unserer Seite! Also fügt euch und haltet still!“ – Doch was ist eine solche Rede wert? Nichts! Alle, die so sprechen, werden genauso sterben, wie diejenigen, die dadurch überredet oder eingeschüchtert werden sollen. Der Psalmist hat dafür folgende Worte: „Warum toben die Völker, warum machen die Nationen vergebliche Pläne? Die Könige der Erde stehen auf, die Großen haben sich verbündet gegen den Herrn und seinen Gesalbten. «Lasst uns ihre Fesseln zerreißen und von uns werfen ihre Stricke!» Doch er, der im Himmel thront, lacht, der Herr verspottet sie. Dann aber spricht er zu ihnen im Zorn, in seinem Grimm wird er sie erschrecken: «Ich selber habe meinen König eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg.» (Ps 2,1-6) Liebe Gemeinde, lassen wir uns nicht einschüchtern! Lassen wir uns nicht die Hoffnung rauben, die uns so viele Jahre schon getragen hat! Hören wir nicht auf die lauten Stimmen, die doch nur von ihrem eigenen Vorteil gespeist sind! Sondern hören wir wieder auf die leise Verheißung der Bibel, die uns verkündet: „Immanuel – Gott ist mit uns!“ Gott hat den Tod nicht gemacht, Gott hat die Konkurrenz und den Unfrieden nicht gemacht, sondern Gott will, dass alle leben und in Frieden und in Fülle leben. Das ist unsere Hoffnung.

101. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Es ist schon wieder Advent. Man mag es nicht glauben. Aber es ist so.

Heute beginnt damit für uns auch ein neues Kirchenjahr. In diesem neuen Jahr werden uns an den Sonntagen besonders das Evangelium nach Matthäus begleiten.

Das hervorstechendste Wort des Evangeliums dieses ersten Adventssonntags lautet: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt… Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.“

Manchmal fragt man sich, warum Gott uns etwas derartig Wichtiges wie die Stunde seines Kommens verborgen hält, die für einen jeden von uns im einzelnen mit der Stunde des Todes zusammenfällt.

Die traditionelle Antwort lautet: „damit wir wachsam seien und ein jeder glaubt, dass dies zu seinen Tagen geschehen kann“ (Hl. Ephräm der Syrer).

Der Hauptgrund aber ist, dass Gott uns kennt. Er weiß, welch schreckliche Angst wir hätten, kennten wir die genaue Stunde im Vorhinein und müssten wir zusehen, wie sie sich langsam, aber unvermeidlich nähert.

Gerade das ist es auch, was bei bestimmten Krankheiten die meiste Furcht einflößt. Zahlreicher sind heute die Menschen, die an plötzlichen Herzkrankheiten sterben, als jene, die an so genannten schweren unheilbaren Krankheiten leiden. Und dennoch: Wie viel mehr ängstigen diese Krankheiten, scheinen sie uns doch die Unsicherheit zu nehmen, die es uns gestattet zu hoffen.


Die Ungewissheit der „Stunde“ darf uns nicht dazu bringen, gedankenlos zu leben, sondern als Menschen, die wachsam sind.

Nimmt das liturgische Jahr seinen Anfang, so geht das weltliche Jahr zu Ende. Dies ist eine sehr gute Gelegenheit, um eine Überlegung über den Sinn unserer Existenz anzustellen.

Im Herbst lädt uns die Natur selbst dazu ein, über das Vergehen der Zeit nachzudenken. Was der Dichter Giuseppe Ungaretti über die Soldaten im Schützengraben auf dem Carso während des Ersten Weltkriegs sagte, gilt für alle Menschen: „Man ist wie im Herbst auf den Bäumen die Blätter.“ Das heißt: Man kann von einem Moment auf den anderen fallen. So sagt Dante Alighieri: „Die Zeit vergeht, und der Menschen wird dessen nicht gewahr.“

Ein Philosoph der Antike brachte diese grundlegende Erfahrung in einem Satz zum Ausdruck, der bis heute berühmt geblieben ist: „panta rhei – alles fließt“. Im Leben ist es wie beim Fernsehen: Die Programme folgen rasch aufeinander, und das neue löscht das ältere. Der Schirm bleibt derselbe, die Bilder aber wechseln.

So ist es mit uns: Die Welt bleibt, wir aber gehen einer nach dem anderen. Von allen Namen, Gesichtern, Nachrichten, die die Zeitungen und Fernsehsendungen von heute anfüllen – von mir, von dir, von uns allen –, was wird davon in ein paar Jahren oder Jahrzehnten bleiben? Nichts. Der Mensch ist nichts anderes als „ein von der Welle auf dem Strand des Meeres geschaffenes Zeichen, das von der nachfolgenden Welle ausgelöscht wird“.

Sehen wir zu, was uns der Glaube zur Tatsache, dass alles vergeht, zu sagen hat. „Die Welt und ihre Begierde vergeht; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit“ (1 Joh 2,17). Es ist da also jemand, der nicht vergeht – Gott –, und es besteht die Möglichkeit, dass auch wir nicht gänzlich vergehen. Wenn wir den Willen Gottes tun, das heißt glauben, bei Gott sind.

In diesem Leben sind wir wie Menschen auf einem Floß, das durch die Strömung eines reißenden Flusses auf das offene Meer hinaus getrieben wird, von dem es keine Rückkehr gibt. In einem bestimmten Moment kommt das Floß an die Nähe des Ufers. Der Schiffbrüchige sagt: „Jetzt oder nie!“, und springt ans Festland. Was für eine Erleichterung, wenn er den Felsen unter seinen Füßen spürt! Das ist das Gefühl, das oft derjenige hat, der zum Glauben kommt. Aber er muß springen.

Die heilige Teresa von Avila hat als eine Art geistliches Testament das bekannt Wort hinterlassen : „Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken. Alles vergeht, Gott allein bleibt.“

Liebe Schwestern und Brüder.
Das ist auch die Hoffnung, die unser Leben trägt und unser Handeln und Denken durchprägen sollte. Von dieser Hoffnung, dass Gott bleibt und dass wir bleiben, wenn wir uns an ihm festmachen – von dieser Hoffnung spricht die gestern veröffentlichte Enzyklika Benedikt XVI.

Das ist die Botschaft eines jeden ersten Adventssonntages. Das Kommen Christi als Herr der Welt – nicht als Kind in der Krippe – steht da im Vordergrund.
Auf IHN, seine Barmherzigkeit und Liebe zu hoffen – das ist eine adventliche Haltung, die uns nicht nur in diesen Tagen vor dem Weihnachtsfest gut zu Gesichte steht.

102. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Das Ereignis der Verklärung nimmt eine ganz wichtige Stelle im Leben Jesu und seiner Jünger ein; darum nimmt Jesus auch drei Zeugen mit auf den Berg. Bevor Jesus seinen Leidensweg beginnt, sollen seine Jünger erfahren, welche Herrlichkeit ihm eigentlich zukommt und auf welches Ziel er zusteuert, wenn auch durch den Tod hindurch. Jesus weist auf seine Auferstehung voraus, damit der Glaube der Jünger gefestigt werde und sie so nicht irre werden, wenn sie ihn später werden leiden sehen.

Im zweiten Petrusbrief wird an das Geschehnis erinnert: „Denn wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe. Er hat von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit empfangen; denn er hörte die Stimme der erhabenen Herrlichkeit, die zu ihm sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe. Diese Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren.“ (2 Petr 1,16-18)

Die Verklärung auf dem Berg erweckt zuerst ein Gefühl des Geborgenseins, sodann Staunen und Furcht. Die Jünger sind fasziniert und erschrocken zugleich. Das ist ganz angemessen für eine Gotteserscheinung, denn Gott ist das mysterium fascinosum et tremendum, das faszinierende Geheimnis, das zugleich erzittern läßt. Diesen majestätischen Aspekt Gottes haben wir heute zu sehr abgeblendet, indem wir nur das Nette und Niedliche an Gott herausgestellt haben. Von der unendlichen Erhabenheit Gottes, von seiner majestätischen Größe, Herrlichkeit und Macht, von seiner absoluten Heiligkeit machen wir uns kaum noch eine Vorstellung. Damit geht aber eine ungeheure geistige Verarmung einher und eine falsche Selbstsicherheit, die leicht dahin führen kann, was Paulus im Brief an die Philipper so ausdrückt: Man lebt als Feind des Kreuzes Christi, alles dreht sich um Essen und Trinken und irdische Vergnügen. Daß nicht der Bauch unser Gott wird, das ist nicht zuletzt der Sinn des Fastens. Doch verstehen kann diese Anstrengung nur, wer begriffen hat, wer Gott in Wahrheit ist: der absolut heilige, Ehrfurcht gebietende Herr des Himmels und der Erde.

Das haben damals die drei Jünger verstanden und nie wieder vergessen. Die Begegnung mit der umwerfenden Wirklichkeit Gottes, die alles Bekannte in den Schatten stellt, hat sie gerüstet für die kommende Zeit, die keineswegs einfach war.

Nutzen wir diese Fastenzeit, um auch uns zu rüsten für die Aufgaben des Lebens. Auch wenn wir nicht wie die Apostel zum Martyrium berufen sind, so sollen doch auch wir Zeugnis ablegen für unseren Glauben an Jesus Christus, was mitunter viel Mut kostet. Darüber hinaus erwarten jeden von uns früher oder später allerlei Leiden oder Krankheiten, die wir besser überstehen können, wenn unsere Beziehung zu Gott vertraut und gefestigt ist. – Die Verklärungsepisode wird uns nicht zuletzt auch deshalb heute verkündigt, damit wird Mut fassen und Kraft schöpfen für die Arbeit der Selbstdisziplin, zu der wir aufgerufen sind. Wir dürfen sicher sein: Alle Mühe dieses Lebens lohnt sich, keine Träne ist umsonst geweint, denn Gott hat denen Großes bereitet, die ihn lieben. (Vgl. 1 Kor 2,9)

103. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Stellen Sie sich vor, ein Vater hat einen Sohn, der auf die schiefe Bahn geraten ist. Er hat Geld gestohlen und verjubelt, wurde erwischt und muß jetzt den Schaden wiedergutmachen. Der Vater bürgt für ihn, nimmt einen Kredit auf und bezahlt die Schuld seines Sohnes. Der Sohn verspricht ihm hoch und heilig, von nun ein rechtschaffenes Leben zu führen. Aber es dauert nicht lange, da beginnt er, sich wieder mit seinen schlechten Freunden zu treffen und die Nähe seines Vaters zu meiden. Es kommt zur Aussprache. Der Sohn sieht seine Schuld ein, ändert aber sein Leben nicht. So geht es lange Zeit.

Können Vater und Sohn auf Dauer so weiterleben? Oder muß der Vater dem Sohn nicht irgendwann eine Frist setzen: „Dies ist deine letzte Chance! Wenn du sie nicht nutzt, mußt du gehen?“

Das ist eine ernst gemeinte Frage, nicht nur ein Gleichnis. Können Menschen auf Dauer eine Gemeinschaft bilden, wenn auch nur einer von ihnen ständig die Liebe verletzt und nur egoistisch seinen eigenen Vorteil sucht? Nehmen wir an, es ist wirklich nur einer der Störenfried. Wird er nicht den Frieden der ganzen Gemeinschaft zerstören? – Wir werden wohl sagen müssen: Das gibt es gar nicht, daß nur einer sich falsch verhält und alle anderen richtig; jeder hat seinen eigenen Anteil am Unfrieden, an der Lieblosigkeit. Aber wenn es wirklich so sein sollte, daß alle gut sind bis auf einen, dann muß der Schlechte sich bessern; ansonsten kann er nicht bei den anderen bleiben.

Um es kurz und bündig zu sagen: Eine Ewigkeit mit Bösen zusammen zu sein, wäre die Hölle. Himmel dagegen ist, wo nur die Liebe regiert.
Nun ist Gott die Liebe selbst. Wir sind es gewohnt, uns Gott so vorzustellen, daß er keine Probleme hat mit den Sündern. Egal was Menschen auch anstellen, sie finden immer einen gnädigen Gott. Das ist zwar richtig, aber nur die eine Seite der Wahrheit! Richtig daran ist, daß Gott jedem, auch dem größten Sünder eine Chance gibt – und solange er lebt, immer wieder eine Chance. Falsch aber ist, zu denken, das bedeute, eine Umkehr sei also gar nicht nötig. Jesus sagt es im Evangelium gleich zweimal in äußerster Klarheit: „Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.“ Nicht die einzelne Sünde ist für Gott ein Problem, sondern die fehlende Bereitschaft, sich davon wirklich abzuwenden.

Die Botschaft des heutigen Evangeliums ist eindeutig: Da werden Galiläer von Pilatus grausam ermordet; 18 Menschen finden den Tod beim Einsturz eines Turms. Wie soll man das verstehen? Verlockend und eingängig ist die Volksmeinung: Das Unglück ist die Strafe für begangene Sünden. Also: Sie waren selbst schuld. Die anderen, die nicht getroffen wurden, können sich sicher wähnen. – Doch Jesus sagt kategorisch: Nein! Solche Katastrophen sind niemals Zeichen der Schuld der Betroffenen. Denn wenn schon von Schuld gesprochen werden soll, dann muß man sagen: alle sind schuldig, ohne Ausnahme. Keiner kann sich sicher wähnen, solange er sich nicht aufrichtig von seiner eigenen Schuld abkehrt. Und zwar jetzt gleich, nicht irgendwann in der Zukunft.

Jesus sagt es im Gleichnis: Für den Feigenbaum ist es höchste Zeit, die Frucht zu bringen, die man ungeduldig von ihm erwartet. Dabei ist es eine besondere Gnade, daß der Weingärtner noch um Aufschub für ihn bittet, daß er sogar den Boden umgräbt und düngt, wo der Baum doch eigentlich schon seine Chance erhalten und verspielt hatte.

Offenbar sieht Jesus sich selbst in der Rolle des Weingärtners. Er hat Mitleid mit dem Feigenbaum, der ein Bild ist für die Stadt Jerusalem, die ihn und seine Botschaft ablehnt. So ruft er einmal aus: „Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt. Darum wird euer Haus (von Gott) verlassen.“ (Lk 13,34) Er sieht voller Trauer den Untergang der Stadt voraus: „Als Jesus näher kam und die Stadt sah, weinte er über sie und sagte: Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt. Jetzt aber bleibt es vor deinen Augen verborgen. Es wird eine Zeit für dich kommen, in der deine Feinde rings um dich einen Wall aufwerfen, dich einschließen und von allen Seiten bedrängen. Sie werden dich und deine Kinder zerschmettern und keinen Stein auf dem andern lassen; denn du hast die Zeit der Gnade nicht erkannt.“ (Lk 19,41ff)

Diese Worte Jesu gehen auch uns an. Jedem einzelnen ist die Chance zur Umkehr gegeben, aber keiner kann wissen, wie lange die Frist noch währt. Wir sind nicht besser als die Bewohner von Jerusalem. Aber wir sollen und wir können es sein – wenn wir die Gnade Gottes annehmen, die uns angeboten wird, nämlich jetzt. „Jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist er da, der Tag der Rettung.“ (2 Kor 6,2)

104. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Angesichts des großartigen Gleichnisses von heute könnten wir uns einmal die Frage stellen: Wem gleiche ich zur Zeit am meisten: dem Vater, dem jüngeren oder dem älteren Sohn? Oder wir können auch umgekehrt fragen: Wem dieser drei bin ich am wenigsten ähnlich, mit welcher Verhaltensweise habe ich die größten Schwierigkeiten?

Ich schlage diese kleine Besinnungsübung vor im Hinblick auf die Ausstrahlung unserer Gemeinde nach außen. Gewiß hat dieses Gleichnis Jesu auf die Hörer aller Zeiten eine ungeheure Anziehungskraft ausgeübt, die hier erzählte Barmherzigkeit des Vaters zieht fast jeden unwiderstehlich an. Umgekehrt stößt die Hartherzigkeit und Sturheit des älteren Sohnes ab. Vermutlich war die Erfahrung solchen Verhaltens von seiten der führenden Juden für Jesus überhaupt der Anstoß, dieses Gleichnis zu erfinden. Er war traurig und enttäuscht, statt Begeisterung vorwiegend Empörung über seine Predigt zu erfahren. Man ließ ihn unmißverständlich wissen, daß man auf ihn und seine Botschaft gut verzichten konnte.

Auf diesen Punkt kommt es mir heute an. Genau dasselbe erleben wir Christen heute nämlich auch: daß man uns nicht hören will, daß man gut auf unsere Botschaft verzichten und ohne sie ganz gut leben kann. Was aber ist der Grund, daß wir diese Ablehnung erfahren? Es gibt hier nämlich die drei Möglichkeiten: weil die Mehrzahl der Christen sich so wie Jesus verhält und sich darum bei den Mächtigen, besonders den Ausbeutern und Kapitalisten verhaßt macht; oder weil sie sich wie der jüngere Sohn verhält und durch moralischen Tiefstand abstößt; oder weil sie sich wie der ältere Sohn verhält und ein Bild der Umbarmherzigkeit abgibt.

Vielleicht denken Sie jetzt, es gibt auch noch viele ganz andere Gründe, die in meiner Aufzählung nicht vorkommen, z.B. daß die Leute ganz einfach desinteressiert sind an religiösen Fragen, ohne daß dies mit dem Verhalten der Christenheit zusammenhängen muß. Das will ich nicht bestreiten, denn es gibt Zeiten in der Geschichte, da ist in der Tat weniger Offenheit für die Religion gegeben als zu anderen Zeiten. Das haben wir auch nicht in der Hand. Aber das soll uns nicht von der grundsätzlichen Prüfung unserer Frage abhalten, zumal es durchaus Anzeichen dafür gibt, daß wir derzeit vor einer Wende hin zu mehr religiösem Interesse stehen. Gerade dann aber ist es von um so größerer Wichtigkeit, daß wir Christen ein Bild nach außen abgeben, das einlädt und nicht vor den Kopf stößt.

Um es einmal so zu sagen: das Scheitern, das Jesus erleben mußte, hatte einen edlen Hintergrund und letztlich hatte es die besten Folgen. Denn das Kreuz ist Zeichen des Sieges, das „Blut der Martyrer ist der Same für neue Christen“ . Wer bei seinen Mitmenschen nicht ankommt, weil er Zeuge der Barmherzigkeit des Vaters ist, der ist auf der besten Seite und muß sich keine Vorwürfe machen. Dieses Zeugnis ist heute gewiß nicht leicht, leben wir doch in einer Gesellschaft, die den Menschen immer mehr nach seiner Leistungsfähigkeit beurteilt, in der den Müttern empfohlen wird, ihr Kind in eine Krippe zu geben, damit sie bald wieder arbeiten gehen können, während andererseits vielen Arbeitswilligen die Türen verschlossen werden. Geld regiert die Welt, für Barmherzigkeit ist nicht einmal mehr im Raum der Kirche Platz. Da klingen sehr schnell die biblischen Worte wie hohle Phrasen, vor allem in den Ohren der Verlierer. Aber auch diejenigen, die auf der Gewinnerseite stehen, sind von Angst um ihren momentanen Vorteil besetzt und von daher kaum imstande, sich den Verlierern in wirklicher Barmherzigkeit zuzuwenden.

Die schwache Ausstrahlung unseres Glaubens nach außen kann also damit zusammenhängen, daß die Mehrzahl der Christen dem Vater in unserem Gleichnis zu unähnlich ist bzw. daß es zu wenige Vorbilder der Barmherzigkeit gibt. Sie kann freilich auch darin ihren Grund haben, daß in unseren Reihen zu viele „verlorene Söhne und Töchter“ sind, die bei den Außenstehenden das Urteil aufkommen lassen: „Die sind ja auch nicht besser!“ Und schließlich könnte es sein, daß ein Großteil von uns mit der Zeit selbstgerecht und hartherzig geworden ist wie der ältere Sohn. – Ganz gleich wie ein jeder diese Besinnungsfrage für sich beantwortet, das heutige Gleichnis gibt uns den entscheidenden Anstoß für eine Vertiefung unserer Praxis als Christgläubige: Wir alle leben von der Barmherzigkeit und brauchen sie wie die Luft, die wir atmen. Nichts zieht den Menschen mehr zur christlichen Botschaft als die Güte und Barmherzigkeit Gottes. Sie schenkt uns Wert und Würde, die heute so sehr angegriffen und mit Füßen getreten werden. In unserer Gesellschaft leiden so viele unter dem Gefühl, wertlos zu sein oder ihre Würde verloren zu haben: z.B. Frauen, die nicht arbeiten können, genauso auch solche, die arbeiten müssen und ihr Kind in staatliche Obhut geben; unglücklich Verheiratete, die sich scheiden lassen, wie auch solche, die zusammenbleiben. Jeder sieht sich kollektiver Kritik und Abwertung ausgesetzt, kaum einer hört ein aufrichtendes und ermutigendes Wort. Sollte da unser Evangelium nicht aktuell sein?

Eine Welt ohne Barmherzigkeit ist ein kalter Ort. Sie allein hilft uns, unser Leben zu bejahen, gerade wenn es gebrochen oder von Unzulänglichkeit und Scheitern gezeichnet ist. Gott sagt sein JA zu uns und schenkt uns damit eine unverlierbare Würde. Seine Barmherzigkeit zieht uns an. Möge sie auch andere anziehen, weil sie sie an uns und durch uns erfahren!

105. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne" heißt es. Und es stimmt vom Anfang her lässt sich vieles erst recht verstehen.

Ohne den Anfang mitbekommen zu haben, kann man einen Fernsehkrimi nicht verstehen.
Es ist oft entscheidend für menschliche Beziehungen wie und wo sie angefangen haben.

"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne."
Das Evangelium heute spricht auch von einem Anfang.

Zum ersten Mal nämlich wirkt Jesus ein Wunder. der Hochzeit zu Kanaa.
Zum ersten Mal offenbart er sich vor der Welt als der Messias, der Herr.
Welcher Zauber diesem Anfang innewohnt, dieser Frage wollen wir heute ein wenig nachgehen.

Jesus wirkt das Wunder während einer Hochzeit.
So eine Hochzeit damals in Palästina dauerte zwischen drei und sieben Tagen. Das ganze Dorf und die komplette Verwandtschaft der Brautleute sind versammelt.
Jesus ist dabei. Mittendrin im Leben der Menschen. Er schließt sich nicht aus, dünkt sich nicht besser als die anderen. Er nimmt teil an der Freude der Menschen.
Ihm ist nicht egal, was um ihn herum geschieht. Die anderen sind ihm nicht egal.

Und auch deren Sorgen im Alltag sind ihm nicht egal.
Mich berührt es immer wieder, dass das erste Wunder Jesu keine Aufsehen erregende große Heilung oder Dämonenaustreibung war. Nein, er hilft einem in Verlegenheit geratenem Brautpaar und einem Wirt aus der Patsche. Wein fehlt. Das Fest würde sehr traurig enden.

Das verhindert der Herr durch sein Wunder. Ihm ist es egal ob die Gäste vielleicht zu viel getrunken oder der Wirt zu wenig einkalkuliert hat.
Er hilft ganz unscheinbar. Keiner weiß eigentlich am Ende, woher die sage und schreibe 600 Liter guten Weines kommen. Außer Jesus und Maria. Vielleicht noch die Diener, die das Wasser geschöpft haben...

Das ist das erste Zauberhafte, was ich in der ersten Wundertat Jesu finde: Ich und meine alltäglichen Sorgen sind ihm nicht egal. Er will sogar, dass ich mich freuen kann.

Der zweite Zauber der dem Anfang zu Kanaa innewohnt, ist die Tatsache, dass der Herr auf unsere Mithilfe baut.

Er, der Sohn Gottes, der Herrscher über Himmel und Erde- ER hätte doch schlicht und einfach so Wein in die großen Krüge befördern können.

Aber nein, erst müssen die Diener Wasser herschleppen.
Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser. Und sie füllten sie bis zum Rand.

Die Diener müssen das alltägliche, normale Wasser heranschleppen, damit es verwandelt wird in den außerordentlichen Wein der Freude.

Unser Alltag, der oft ja so langweilig, eintönig, freudlos erscheinen mag, kann verwandelt werden, kann außerordentlich, ja ein Genuß werden.
Wie die Diener sollten auch wir versuchen, die Krüge bis zum Rand zu füllen, unser Bestes zu geben, da wo wir sind, sei es am Schreibtisch, am Herd, im OP, im oder in der Werkstatt.

Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, große Dinge zu beginnen. Es reicht dem Herrn ja das Wasser.

Vielmehr dürfen wir die kleinen Schlusssteine nicht vergessen, den einen Brief eben doch noch zu Ende schreiben; das eine Gewürz doch noch zu verwenden, auch wenn man die neue Packung aus dem Keller holen muß, den Kollegen doch noch um Rat vor diesem Eingriff fragen, dieses eine Werkstück so herstellen, als wäre es für einen selbst. Es geht eben darum, die Krüge bis zum Rand zu füllen.

Das können wir unserem Herrn anbieten, den gut gelebten Alltag. Er soll, er wird etwas daraus Großes machen.
Die Diener haben zwar die Krüge bis zum Rand gefüllt, das Wasser in Wein verwandelt hat aber allein der Herr.
Die Diener haben ihre Pflicht getan und dann alles von Christus erwartet, ohne zu wissen, was er denn eigentlich mir der riesigen Menge an Wasser vorhat.

So lehrt uns das Wunder zu Kanaa eine Maxime für unser christliches Leben, die der Hl. Benedikt einmal so prägnant formuliert hat:

Betet, als ob alles von Gott abhinge,
und arbeitet, als ob alles von euch abhinge.

Pause – Wiederholung

Wenn wir uns das vornehmen zu tun, dann können Wunder geschehen. Kleine Wunder, ohne großes Spektakel.
Jesus hat nicht ein Wort über das Wasser gesprochen, geschweige denn irgendwelche Gebärden gemacht.

Es werden aber Dinge geschehen, die uns wie Wunder vorkommen, weil plötzlich der graue Alltag gar nicht mehr so grau scheint, weil das schale Wasser auf einmal nach köstlichem Wein schmeckt.

Der treue Dienst, die gutgemachte Arbeit der Diener und der Beistand Gottes haben ein Fest vor der totalen Pleite gerettet, Freude verbreitet. Alle konnten den Wunder-Wein verkosten.
Unser ehrliches Bemühen und Verrichten kann im Verein mit unserem aufrichtigen Gebet viele menschliche Unstimmigkeiten ausräumen und eine frohe Stimmung verbreiten. Ale verkosten dann die liebende Macht unseres Herrn.
Denn alle werden es irgendwie spüren, dass ER mittendrin ist, bei uns ist. Wie damals bei Hochzeit zu Kanaa.

Wie zauberhaft wäre dann unsere Welt...

106. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Als man den Kirchenvater Hieronymus fragte, wie die Hochzeitsgesellschaft von Kana eine solche Weinmenge trinken konnte, da gab er zur Antwort: „Von diesem Wein trinken wir noch heute!“

Damit gibt der große Theologe um das Jahr 400 zu verstehen, daß uns diese Geschichte erzählt wird, um uns etwas über die Weise zu sagen, wie Gott sich zu uns Menschen verhält bis heute. Das berichtete Wunder steht nicht zufällig am Anfang des Johannesevangeliums: es ist das erste öffentliche Zeichen Jesu und will seine Herrlichkeit zur Erscheinung bringen. Es hat darum auch eine Verwandtschaft mit dem Weihnachtsgeschehen und der Taufe Jesu, die wir am letzten Sonntag gefeiert haben. So heißt es im Stundenbuch der Kirche in einem Gebet am Hochfest Erscheinung des Herrn: „Drei Wunder heiligen diesen Tag: Heute führt der Stern die Weisen zum Kind in der Krippe. Heute wurde Wasser zu Wein bei der Hochzeit. Heute wurde Christus im Jordan getauft, uns zum Heil, Halleluja!“

Das Wunder von Kana markiert den Beginn des öffentlichen Auftretens Jesu und ist wie eine grandiose Ouvertüre, in der Vieles vom späteren Wirken Jesu schon aufleuchtet. Das Evangelium beginnt mit einem Mangel: Der Wein ist ausgegangen. Wir müssen dabei wissen, daß Wein immer auch eine symbolische Bedeutung hat und für Freude und Fest steht. An Freude mangelt es also, obwohl Menschen zusammengekommen sind, um zu feiern und sich zu freuen. – Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, daß wir das auch kennen: Wir sind eingeladen, aber die Stimmung ist öd. Außer lauter Musik und wilder Zecherei gibt es nichts. Freude läßt sich nicht verordnen und nicht machen. Und das gilt nicht nur für Feste, sondern auch für das Zusammenleben überhaupt. Der Mangel an Freude ist eine allgemeine Erscheinung, eine Not, die wir alle kennen und x-mal erlebt haben. Freilich haben wir auch schon unsere Methoden gefunden, damit umzugehen: z.B. reichlich Alkohol konsumieren oder andere Versuche, den Mangel durch Konsum oder blinde Aktivität aufzufüllen. Es gibt Leute, die fahren Hunderte von Kilometern mit dem Auto, nur um ihre trübe Stimmung zu vertreiben. –

Wir sollten das, was hier über Jesus berichtet wird, nicht mit solchen Ersatzmitteln verwechseln! Jesus bringt keinen Ersatz, sondern die echte Wirklichkeit, kein Surrogat, sondern wahre Fülle. So sagt er es später: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 101,10) Und interessant ist, wie er den Wein beschafft, nämlich über die Wasserkrüge, die dazu dienten, daß sich die Leute wuschen, wie das Gesetz es vorschrieb. Diese Art der Reinigung wird nun ebenfalls verwandelt und durch etwas Besseres ersetzt: Die Wasserkrüge werden zu Weinbehältern, die rituelle Waschung weicht den Sakramenten, die in der neuen Zeit gegeben sind, vor allem Taufe und Eucharistie. Die äußere Reinigung, die das Gesetz gefordert hat, geht in die innere Reinigung über, an der wir in der Eucharistie Anteil gewinnen. „Von diesem Wein trinken wir noch heute!“

Wir tun es immer dann, wenn wir zu Christus kommen und aus seiner Fülle empfangen, was vor allem in der Messe geschieht. Die Teilnahme an der Eucharistie ist ein Heilmittel gegen die Freudlosigkeit, die auch uns Christen zu schaffen macht. Natürlich nicht die bloße körperliche Anwesenheit ohne innere Teilnahme. Vielmehr die echte Mitfeier, d.h. das aktive Zuhören, das Mitsingen, das Einschwingen in die Hingabebewegung Jesu zum Vater, die sich z.B. im Gebet des Hl. Nikolaus von Flüe niederschlägt:

„Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir. Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.“ Aus diesem Gebet spricht eine Haltung, die Maria, die Mutter Jesu in vollendeter Form besessen hat. Darum hat sie auch den wichtigen Vermittlungsdienst leisten können, ohne ihren eigenen Willen über Gottes Willen zu stellen. Sie wurde nicht traurig, als Jesus ihre Bitte nicht sofort erfüllte, sondern fand vielmehr ihre Freude im schlichten Dienen, das in jenem Moment vor allem im zurückhaltenden Warten bestand und im Wort: „Was er euch sagt, das tut!“. Und gerade so machte sie das Wunder möglich.

Das heutige Evangelium stellt uns Maria als Vorbild vor Augen. Könnten doch auch wir so still und zurückhaltend warten und auf den Herrn vertrauen! Könnten doch auch wir unseren Eigenwillen zurücknehmen und den Willen des Vaters annehmen! Dann wären wir viel gelassener und weniger mißmutig. – Wir können das lernen: auf unsanfte Weise durch das Leben, auf milde Weise aber durch die eingeübte Mitfeier der Eucharistie.

Davon spricht das heutige Gabengebet: „Herr, gib, daß wir das Geheimnis des Altares ehrfürchtig feiern; denn sooft wir die Gedächtnisfeier dieses Opfers begehen, vollzieht sich an uns das Werk der Erlösung.“

107. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Der Evangelist Lukas beginnt sein Evangelium mit einer interessanten Vorbemerkung. Sie macht deutlich, wozu er den Bericht über das Leben Jesu überhaupt verfaßt, welche Informationen er dazu eingeholt und welche Zeugen er befragt hat. So erfahren wir, wie wir seine Ausführungen verstehen sollen.

Wir fragen manchmal: Sind die neutestamentlichen Berichte auch wahr? Während in früheren Zeiten hieran überhaupt kein Zweifel war und man eine solche Frage schon für skandalös hielt, scheint es heute von einem kritischen Geist zu zeugen, wenn man die biblischen Erzählungen ins Reich der Legende verweist. Es handle sich nicht um Geschichte, sondern nur um Geschichten.

Doch Lukas will offensichtlich nicht bloße Geschichten erzählen, so wie auch der Autor des 2. Petrusbriefes klarstellt. „Denn wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe.“ (2 Petr 1,16) Dasselbe Wort von den Augenzeugen verwendet auch Lukas in seiner kurzen Vorbemerkung. Am Anfang der Überlieferungen, die Lukas gesammelt hat, müssen Augenzeugen stehen, damit sein Bericht auch „zuverlässig“ und glaubwürdig ist.

Freilich ist das geschriebene Evangelium nicht ein vom Himmel gefallenes Dokument, in dem uns Wort für Wort haarklein und detailgetreu berichtet wird, was Jesus gesagt und getan hat. Vielmehr ist es in einem Überlieferungsprozeß entstanden, der insbesondere drei Etappen umfaßt:

1. Das irdische Leben Jesu

Jesus hat selbst nichts geschrieben, nur mündlich gelehrt. Dabei wandte er vielfach eine Sprachtechnik an, die es sehr erleichterte, das Gesagte im Gedächtnis zu behalten, vor allem Bilder, Gleichnisse, rhythmische Wiederholungen sowie Parallelismen und Antithesen, z.B. „Die Ersten werden die Letzten sein, und die Letzten die Ersten.“ (Mt 20,16) Solche Sätze prägen sich ein wie markige Werbesprüche, und die Apostel, die sie häufiger hörten, brauchten sie gar nicht aufzuschreiben, sondern konnten sie ohne Mühe im Gedächtnis behalten.

2. Die mündliche Predigt der Apostel

Bald nach der Auferstehung und Himmelfahrt Jesus begannen die Apostel damit, überall von Jesus zu predigen. Sie schöpften aus ihren reichen Erfahrungen mit Jesus und erzählten das Erlebte natürlich so lebendig wie möglich, d.h. nicht in der Absicht, eine genaue historische Abfolge vom Leben Jesu zu geben, sondern betonten mal dies, mal jenes, je nach dem, was für die Hörer gerade nützlich erschien, um im Glauben gestärkt zu werden. Nicht die Oberfläche der Geschehnisse war ihnen wichtig, sondern der tiefe Sinn, der dahinter steckte und den sie nach Ostern klar erkannt hatten. Ob es 4000 oder 5000 Männer waren, die Jesus bei der Brotvermehrung gespeist hat oder ob es solcher Wunder mehr als eines gegeben hat, war ihnen nicht wichtig und kann darum heute auch nicht mehr entschieden werden.

3. Die geschriebenen Evangelien

Ungefähr 30 Jahre nach dem Tod Jesu begannen einige Autoren, die apostolische Predigt, die auf mündlichem Weg zu ihnen gelangt war, schriftlich festzuhalten. Vermutlich gab es zu der Zeit schon einige kleinere schriftliche Sammlungen von Einzelberichten. Lukas erwähnt, daß es „viele“ waren, die es bereits unternommen haben, erste Zusammenfassungen in schriftlicher Form abzufassen. Einige dieser Berichte hat er vor sich, anderem ist er selber genauer nachgegangen, „von Grund auf“, wie er sagt, um es vom Anfang der Überlieferungskette her, d.h. von den Augenzeugen zu verifizieren. Selbstverständlich mußte er für sein Werk in den literarischen Stoff selbst stark gestaltend eingreifen: durch Auswahl des Besseren oder Wichtigeren und Auslassung des Nebensächlichen; durch Einpassung in eine sinnvoll erscheinende Ordnung, die nicht unbedingt die chronologische sein mußte; durch eine Färbung und Gewichtung nach persönlicher Vorliebe und im Hinblick auf den Leserkreis. Während z.B. Matthäus, der für Judenchristen schrieb, viele Zitate aus dem Alten Testament einbaute, um zu beweisen, daß sie in Jesus erfüllt sind, mußte Markus, der für Heidenchristen schrieb, die jüdischen Gebräuche, z.B. die Reinigungsvorschriften eigens erklären. Lukas schreibt vor allem für die Armen und Geringen, und darum liegt ihm die Herausstellung der Barmherzigkeit Gottes am Herzen, worin eine „eine gute Nachricht für die Armen“ sieht (Lk 4,18). Sein Evangelium betont ferner stärker als die anderen das Wirken des Heiligen Geistes, den er erwähnt, wenn Matthäus einfach nur vom Guten spricht. (Lk 11,13; Mt 7,11)

Solche Differenzen zwischen den Evangelien schmälern nicht deren fundamentale Wahrheit. Sie zeigen nur, daß sie keine historischen Bücher im modernen Sinn sind, keine detaillierte, aber im übrigen langweilige Chronologie von Geschehnissen, die mit uns nichts zu tun hätten. Gerade weil das Berichtete den Hörer unbedingt angeht, also auch für uns heute über den großen Zeitenabstand hoch bedeutsam ist, darum konnten sich auch die Evangelisten nicht neutral und distanziert zurückhalten, sondern mußten ihren eigenen Glauben mit in ihr Werk einbringen, ihre glühende Liebe und Hingabe, ihre Freude und ihr Engagement.

Das Neue Testament ist etwas Einmaliges in der Weltliteratur. Religiöse Tiefe und historische Zuverlässigkeit treffen hier zusammen, wie es sonst nirgends der Fall ist. Wir Christen brauchen uns mit unserer Bibel vor niemandem zu verstecken. Wir sind nicht auf irgendwelche klug ausgedachten Geschichten hereingefallen!

Vgl. Klaus Berger: Sind die Berichte des Neuen Testamentes wahr? Ein Weg zum Verstehen der Bibel. Gütersloh 2002.

Vgl. Bernhard Wenisch: Geschichten oder Geschichte? Theologie des Wunders. Salzburg 1981.

108. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Ich möchte heute zwei Fragen besprechen. 1. Warum werden die Landsleute Jesu in Nazareth so wütend auf ihn? Was erklärt ihren Stimmungsumschwung? Und 2. Was können wir tun, damit wir nicht von der Miesmacherei angesteckt werden?

Der Schlüssel zur Antwort auf die erste Frage steckt in der Bemerkung: „Ist das nicht der Sohn Josefs?“ Das heißt: Was kann er uns schon Neues sagen? – Wenn Jesus diese Einschätzung stehengelassen hätte, dann hätte er seine Sendung verraten. Er hätte sich in die viel zu engen Schubladen der Leute einsperren lassen, und man hätte ihn fortan nur nach Menschenart angesehen. Seine eigentliche Botschaft aber hätte keine aufnahmebereiten Hörer mehr finden können.

Andererseits wußte Jesus, daß die Einschätzung der Leute letztlich aus ihrem Neid stammte, der nach der Regel verfährt: „Also schloß er messerscharf, daß nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Der neidische Mensch mißgönnt dem anderen Menschen seine Überlegenheit und seine Erfolge; überhaupt alles, was herausragt, ist ihm ein Dorn im Auge, und er muß es schlecht machen und niederhalten. „Wenn ich diese Fähigkeit schon nicht habe, dann soll sie auch kein anderer haben, dann darf sie keiner haben“, räsoniert er im stillen und schmiedet Pläne, wie er den vermeintlichen Konkurrenten zur Strecke oder wenigstens ins Wanken bringen kann. So dachten damals auch die Landsleute Jesu, die sich mit seiner neuen Rolle nicht anfreunden wollten. Der gefühlte Neid hielt Jesus vermutlich davon ab, in seiner Heimatstadt Wunder zu wirken, denn damit hätte er diesen nur noch vergrößert. Aber auch so war der Neid schon schlimm genug, er vergiftete das Klima in der Synagoge derart, daß alle weiteren Erklärungen Jesu nur noch Aggression erzeugten. Die Wahrheit hatte an jenem Tag keine Chance. Die spätere Passion Jesu zeichnet sich schon ab.

Nun zur zweiten Frage: Wie schützen wir uns vor dem verbreiteten Virus der Miesmacherei und den vielen negativen Gefühlen, die in uns und um uns herum wirksam sind? Offensichtlich bietet nicht einmal die Kirche einen durchgreifenden Schutz, war es doch damals eine Synagoge, in der sich die Aggressionen hochschaukelten, und sind es auch heute nicht selten Inhaber hoher politischer wie auch kirchlicher Ämter, die aus Mißgunst und Neid Intrigen spinnen und ihre mißliebigen Parteifreunde oder Mitbrüder verunglimpfen, demütigen und verleumden.

In der Gemeinde von Korinth etwa hat es Auswüchse dieser Art gegeben, Paulus beklagt sie eingehend in seinem Brief. Da gibt es eine Reihe von Leuten, die sich einbilden, was Besseres zu sein, vor allem deshalb, weil sie sich im Besitz gewisser Gnadengaben oder Charismen wähnen, die sie vor den anderen auszeichnen. Sie wollen diese Gaben aber nicht in den Dienst der Gemeinde stellen, sondern nur in ihrem kleinen Club pflegen, und so provozieren sie eine Spaltung der Gemeinde. Kurz: Sie wollen nicht dienen, sondern bewundert werden. Paulus legt seine ganze Persönlichkeit in die Waagschale, um gegen diese Aufgeblasenheit und Eitelkeit anzugehen.

Den Höhepunkt seiner Ausführungen bildet das Hohelied der Liebe, in dem er den Maßstab aufzeigt, an dem alle Gaben der Menschen gemessen werden müssen. Die Liebe ist demnach der Weg, „der alles übersteigt“. Sie ist der einzige Weg, der zum Ziel führt, während alles andere nicht ausreicht: weder die tiefste Erkenntnis noch die heroischste Ethik. Ich kann noch so glänzende Fähigkeiten haben, wenn ich nur mich selbst suche, nur mich verwirklichen will, dann laufen meine Begabungen ins Leere. Ich kann noch so fromm tun, noch so fromme Predigten halten, wenn es mir dabei nur um meine Selbstdarstellung geht, dann wächst daraus kein Segen. Ich kann alles verschenken, wenn es mir dabei nur darum geht, von den anderen bewundert zu werden, dann nützt mir das nichts. Ja, ich könnte selbst als Martyrer sterben, wenn dahinter nur eitle Ruhmsucht stünde, hätte ich nichts davon. Die Liebe ist der Prüfstein. An der Liebe entscheidet sich alles. Ohne Liebe ist alles nur klingende Schelle und lärmende Pauke – viel Lärm um nichts.

Die Liebe war der Beweggrund Gottes, in die Welt zu kommen und sie zu retten. „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“ (Joh 3,16) Alle, die mit der Aufgabe betraut sind, diese Liebe Gottes vor der Welt zu leben und zu verkünden, müssen diesen Dienst selber aus Liebe und in Liebe tun, sonst sind sie keine Boten Gottes und reden nur aus sich selbst: aus ihrer Verachtung der anderen Menschen, ihrer Fehler, ihrer Wohlstandskultur, ihrem Mißbrauch der Macht oder der Natur. Solche Motive sind weit entfernt vom Niveau der christlichen Predigt. „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf.“ (1 Kor 13,4)

So ist die Liebe auch der wirksamste Schutz gegen mögliche Verhärtung und gegen die Gefahr, vom allgemeinen Mißmut angesteckt zu werden. „Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf.“ (1 Kor 13,7) Die Liebe ist ein Höhenweg, der alles übersteigt. Wer sich auf diesen Weg einläßt, der sucht nicht sich selbst, sondern Gott. Der sucht nicht sich selbst, sondern den anderen. Darum hört wahre Liebe niemals auf, denn sie ist nicht nur der Weg zum Ziel, sondern auch das, was uns am Ziel erwartet: uneingeschränkte, ewige und selig machende Liebe.

109. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Wenn die Meßfeier auf ihren Höhepunkt zusteuert, ruft der Priester uns auf: „Erhebet die Herzen!“ Natürlich meint diese Aufforderung nicht, daß sich nun alle erheben sollen, auch wenn dies dazu gehört. Vielmehr sollen von nun an alle in das Geheimnis Gottes eintreten, und zwar mit ganzem Herzen, Willen und Verstand.

In diesem Augenblick sind wir in einer ähnlichen Lage sind wie der Prophet Jesaja bei seiner Berufungsvision. Die Lesung erzählt, wie Jesaja Gott begegnet ist: er, der unwürdige, kleine Mensch dem heiligen, unnahbaren Gott. Deshalb ruft er aus: „Weh mir, ich bin verloren, ich bin ein Mensch mit unreinen Lippen.“ Er erfährt den unendlichen Abstand zu Gott, seinem Schöpfer, und seine eigene Unwürdigkeit angesichts der Heiligkeit Gottes. Und so läßt ihn der Gesang der Engel erschauern, die rufen: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt.“

Genauso stehen wir vor Gott, und deshalb wiederholen wir ja in jeder Messe diesen Lobpreis der Engel, besser: wir stimmen in ihn ein, nachdem wir unsere Herzen zu Gott hin erhoben haben und unmittelbar vor der Wandlung stehen, d.h. dem Augenblick, wo Gott in unsere Mitte herabsteigt und Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu verwandelt. Müßten wir dann nicht eigentlich auch sagen: „Weh mir, ich bin verloren“?

Das ist der erste Teil der unheimlichen Begegnung zwischen dem Propheten Jesaja und Gott. Dann kommt ein Engel mit einer glühenden Kohle in der Hand und berührt damit den Mund des Propheten, um seine Schuld zu tilgen. Es geschieht etwas anscheinend sehr Schmerzhaftes – wer möchte schon seinen Mund an eine glühende Kohle halten? –, aber zugleich auch etwas Befreiendes, das die Lage des Propheten entscheidend verändert: Gott erscheint nicht mehr als der Erdrückende, Gefährliche und Bedrohliche, sondern als der Bittende und Fragende: „Wen soll ich senden? Wer geht in unserem Auftrag?“

Jagt uns Gott Schrecken ein? Müssen wir vor Gott Angst haben? Die Frage kommt aus einer schiefen Perspektive und kann uns darum in die Irre führen. Wir sollten besser anders fragen: Haben wir es manchmal nötig, erschreckt zu werden? Kann es für uns heilsam sein, daß wir aufgerüttelt werden aus einer falschen Sicherheit? Wenn ich z.B. auf der Autobahn fahre und langsam eindöse, für Sekunden das Bewußtsein verliere – muß ich da nicht aufgeschreckt werden, um nicht ins Verderben zu fahren? So ist es auch mit unserem religiösen Leben und mit der Praxis der Gottesdienstfeier: sie kann zur Routineangelegenheit werden – eine Gefahr, die besonders die Priester ständig bedroht. – Und auch unser Leben: Wie oft stecken wir in einer unfruchtbaren Selbstgefälligkeit, die uns für Gottes Ruf taub macht? Da kann ein Erschrecken sehr wohl heilsam sein, wenn es auch weh tut wie eine glühende Kohle.

So ist es auch Petrus und seinen Freunden gegangen, als sie Zeuge des wunderbaren Fischfangs wurden. Schlagartig wurde ihnen bewußt, wie klein und unwürdig sie waren im Vergleich zu dem erhabenen Herrn, der sogar über die Fische Macht hatte. So rief Petrus aus: „Herr, geh weg von mir, ich bin ein Sünder“. Das Erschrecken war nötig und heilsam, weil sie sonst nie auf die Idee gekommen wären, Jesus auf seinem Weg zu folgen und wie er Menschenfischer zu werden.

So sehen wir: Das Erschrecken ist das notwendige Durchgangsstadium zum neuen Selbstbewußtsein, das Gott uns schenkt, wenn er einem jeden von uns sagt: „Ich brauche dich. Ich will dich senden, für meine Dienste einspannen.“

So ruft uns Gott auch heute. Zum Beispiel wenn Katechetinnen gesucht werden für die Kommunionvorbereitung oder die Firmvorbereitung oder Leute für den Vorstand in KAB oder Frauengemeinschaft. „Weh mir, ich bin verloren“, mögen einige Eltern gedacht haben, als sie die vor ihnen stehende Aufgabe als Katechetinnen bedacht haben. Aber die Frage „Wen soll ich denn senden?“ hat sie ermutigt zu sagen: „Hier bin ich, sende mich!“ Und siehe da: Es geht, und zwar gut, wie ich fest annehme. Der Heilige Geist wirkt in den Herzen der Kommunionkinder, weil einige Eltern ihre Mitarbeit angeboten haben.

Es ist ein Wunder, das sich täglich wiederholt und angesichts dessen wir immer wieder singen können und dürfen: „Heilig, heilig, heilig...“

110. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Immer wieder wird gesagt, der Wohlstand sei schuld daran, daß so viele Menschen nicht mehr glauben. Das scheint mit Jesu Warnung übereinzustimmen: „Weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten!“ Sollten wir also wünschen, arm zu sein?

Ich glaube nicht, daß irgend einer, der hier sitzt, so etwas wünscht. Wir können mit den Seligpreisungen und Weherufen Jesu ja auch nicht so umgehen, als gäben sie uns konkrete Normen des Handelns vor. Es handelt sich vielmehr um Jesu ureigene Empfindungen angesichts der Situation der Menschen um ihn herum. Jesus drückt seinen Schmerz aus, weil ihm die Hartherzigkeit seiner Zeitgenossen weh tut und ihn auf den Kreuzweg des Leidens geführt hat, aber auch, weil er die bösen Folgen für die Menschen voraussieht. So sagt Jesus zu den Frauen, die ihn beweinen: „Ihr Frauen von Jerusalem weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder! Denn es kommen Tage, da wird man sagen: Wohl den Frauen, die unfruchtbar sind, die nicht geboren und nicht gestillt haben.“ (Lk 23,29)

Tun uns die Herzenshärte unserer Mitmenschen und unsere eigene Gefühlskälte in ähnlicher Weise weh? Tut uns der Unglaube weh? – Warum sollte er uns denn wehtun? – Ich glaube nicht, daß es am Wohlstand liegt, daß so viele Menschen in Westeuropa in religiösen Dingen so gleichgültig geworden sind. Sonst wäre nicht verständlich, warum die mindestens ebenso wohlhabenden US-Amerikaner bis heute ihren Glauben nicht nur sehr hoch schätzen, sondern auch mehrheitlich den Gottesdienst besuchen – ungefähr 36 % jeden Sonntag. Ich schließe daraus: Es tut den Erwachsenen in Westeuropa viel weniger weh als denen in den USA, daß Gott in ihrem Alltag nicht vorkommt und daß ihre Kinder religiösen Hunger leiden. Sie sorgen sich um alles Mögliche: Ausbildung, Kleidung, Sport, Musik, Theater, usw., aber kaum um das einzig Wichtige.

Warum ist der Glaube das Wichtigste? Der Visionär Friedrich Nietzsche zeigt es uns anhand der Folgen des Unglaubens, den er freilich selbst herbeigewünscht hat:

„Wohin ist Gott? Ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet – ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir dies gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszu­trinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? Müssen nicht Laternen am Vormittage angezündet werden?“

Liebe Gemeinde! Der Unglaube kettet die Erde von ihrer Sonne los, so daß sie fortwährend in eine grauenhafte Kälte und Dunkelheit stürzt. Das Grauen hat unsere Gesellschaft schon seit längerer Zeit erfaßt. Unsere Kinder erfahren immer weniger Liebe und Geborgenheit, statt dessen werden sie immer früher in den Daseinskampf gezogen, in dem das Recht des Stärkeren gilt. Sollte das die einzige Erfahrung sein, die ihr Leben grundlegend bestimmt?

Der Pfarrgemeinderat hat neulich beschlossen, sich mit dieser Situation nicht abzufinden. In den nächsten Monaten werden wir mit verschiedenen Aktionen für den Glauben und den Gottesdienst werben. Aber bitte denken Sie jetzt nicht: „Gut, daß der Pfarrgemeinderat endlich mal was tut.“ Denn an dieser Aufgabe müssen wir alle mitwirken. Wir können uns nicht auf den Lorbeeren früherer Zeiten ausruhen. So wie mir mal ein Mann gesagt hat: „Unsere Oma geht ja jeden Tag in die Kirche; das ist doch das beste Vorbild für meine Kinder.“ Wobei er das Entscheidende übersehen hat: das eigene Vorbild. Wenn wir es nicht selber tun, dann springt kein Funke über, mögen da noch so viele sein, die in unserer Verwandtschaft ein frommes Leben führen.

Liebe Gemeinde! Wir müssen wieder entdecken, welchen unvergleichlichen Wert der Glaube hat und warum wir alle mit höchster Intensität wünschen sollten, daß keines unserer Kinder zum Atheismus verführt wird. Wenn wir dies erkannt haben, dann werden wir auch sehen, daß es beim bloßen, wenn auch dem intensivsten Wunsch nicht bleiben kann, sondern daß Taten folgen müssen, wenn es uns mit dem Wunsch ernst ist.

Als der atheistische Philosoph Voltaire starb, da sagte die Krankenschwester, die dabei war: „Für alles Geld Europas möchte ich keinen Ungläubigen mehr sterben sehen.“

Tut Ihnen die Vorstellung nicht weh, daß Ihre Kinder und Enkel womöglich einen ähnlich schrecklichen Tod haben wie Voltaire, ja daß sie schon ihr ganzes Leben als sinnlos und grausam erfahren müssen? Aus dem Weh folgt der Ruf nach Heilung. Wer Zahnschmerzen hat, geht zum Zahnarzt. Wem der Unglaube weh tut, der kehrt zu Gott zurück.

So müssen wir alle uns bekehren, umwenden, zu Gott zurückkehren, damit der Fluch des Unglaubens von uns genommen wird. Konkret bedeutet das, daß wir die Symbole für Gottes gegenwärtige Liebe wieder zum Sprechen bringen und in unseren Alltag zurückholen, z.B. das Tischgebet, das Kreuz, das Weihwasser, vor allem aber die rechte Feier des Sonntags, der nicht allein durch Ausschlafen und gemeinsames Familienfrühstück bestimmt sein darf.

Bei alledem darf uns nicht die Angst aufhalten, daß unsere Nachbarn und Arbeitskollegen uns vielleicht die kalte Schulter zeigen: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, wenn sie euch beschimpfen und euch in Verruf bringen um des Menschensohnes willen. Freut euch und jauchzt an jenem Tag; euer Lohn im Himmel wird groß sein!“

Gallup-Umfrage, März 2000. Danach gehen weitere 24 % einmal im Monat in die Kirche.

111. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Die heutige Schriftlesungen führen uns den Tod vor Augen, den Abgrund, vor dem wir Menschen stehen und der uns Angst machen kann, der uns traurig und verzweifelt macht und uns den Halt nimmt. Demgegenüber erfahren wir heute: Der Tod ist nur die vorletzte Wirklichkeit. Die letzte Wirklichkeit ist das Leben, das Leben in Person.

Jesus begegnet einem Beerdigungszug. Eine Frau, die bereits ihren Mann verloren hat, beklagt nun auch noch den Tod ihres einzigen Sohnes. Jesus macht keinen Bogen um sie, er schottet sich nicht ab und sucht keine Ausflüchte. Er geht vielmehr auf diese Frau zu und tröstet sie: „Weine nicht!“ Und dann zeigt er ihr, daß er Macht sogar über den Tod besitzt: Er erweckt den Toten wieder zum Leben und gibt ihn seiner Mutter zurück. Damit gibt er ein gewaltiges, aufrüttelndes, ja geradezu furchterregendes Zeichen der Hoffnung und führt so lebendig vor Augen, daß die alten Prophezeiungen vom Reiche Gottes sich zu erfüllen beginnen: Alle Tränen sollen einst abgewischt werden, wenn Gott endlich alle widergöttlichen Mächte beseitigt hat.

Was aber kann dieser Text für uns heute bedeuten? Er ist geeignet, unseren Glauben an Gott zu stärken, der das Leben selbst ist. Dadurch gewinnt ferner unsere Hoffnung wieder festen Grund, unsere Hoffnung auf ein Leben jenseits des Todes. Vor allem aber werden wir zur tätigern Liebe ermutigt, konkret zum Mitleid: Das Leid und die Trauer der anderen sollen uns zu Herzen gehen, wir sollen für ihren Schmerz unsere Augen öffnen und nicht wegschauen.

Die Episode des heutigen Evangeliums könnte die Überschrift tragen: „Der Herr hatte Mitleid.“ Ja, sein Mitleid war so groß, daß er etwas tat, was eigentlich erst Ostern geschehen sollte. Aber Jesus konnte angesichts seines übergroßen Mitleides nicht so lange warten.

Wenn wir ihn schon nicht nachahmen können in seiner wunderbaren Totenerweckung, so können wir es doch im Mitleid. Aber das ist gar nicht so leicht. Man möchte keine Fehler machen und kein falsches Wort sagen. Darum schweigen wir so oft und meiden die Trauernden. Aber für dieses ist es dann doppelt schlimm, müssen sie dann doch denken, daß sie auch noch von ihren Freunden im Stich gelassen werden.

Anteilnahme ist darum eine Kunst, denn die vielen gut gemeinten Worte sind schon tausendmal zur Phrase erstarrt, und viele sind da sehr empfindlich und wollen solche Worte nicht hören. Aber andererseits: Wer diese schwierige Lage mit einem trauernden Menschen aushält und Anteil nimmt, der tut ein sehr gutes Werk und ein sehr nötiges. Denn er hält demjenigen den Himmel offen, für den sich gerade alles verschlossen hat, für den, der an nichts mehr glauben und auf nichts mehr hoffen kann. Der Trost eines Freundes kann hier die Rettung sein, sein Mitleid das einzige Licht.

112. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Nicht auszurotten ist der Hang des Menschen, über abwesende Dritte zu reden und insbesondere über deren wirkliche oder vermeintliche Fehler herzuziehen. Warum tun die Menschen das so gerne? Die anderen? Nur die anderen? Oder sollte ich mich selbst lieber gleich mit einschließen?

Daß solcher ehrabschneiderische Tratsch nicht okay ist, fällt uns nur selten auf, meistens haben wir dabei sogar ein gutes Gewissen. Woran liegt das? Ich denke, es liegt daran, weil wir tief in unserem Unterbewußtsein spüren, daß wir keineswegs völlig okay sind, daß unser moralischer Zustand ungefestigt ist und daß es viele Schwachstellen gibt, die besser nicht ans Tageslicht kommen sollten; wir verdrängen sie. Und eine sehr wirksame Methode der Verdrängung besteht in der Wegwendung der Aufmerksamkeit auf die Schwächen und Fehler anderer. So räsonieren wir gerne ungefähr so: „Solange es noch Menschen gibt, die schlechter sind als ich, brauche ich mir um mich selbst keine Sorgen zu machen, und habe ich keinen Grund, mich zu ändern und zu bekehren.“

Jesus hat im Beispiel vom Pharisäer und Zöllner im Tempel diese selbstgerechte Denkweise treffsicher auf den Punkt gebracht: „Gott, ich danke dir, daß ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.“ (Lk 18,11) Ganz genauso denkt auch der Pharisäer Simon, bei dem Jesus zum Essen eingeladen ist und der ganz sicher kein schlechter Mensch war, vielmehr ein zu Recht angesehener Mann. Ihm war gar nicht aufgefallen, daß er es an den gebührenden Höflichkeitserweisen Jesus gegenüber hatte fehlen lassen. Da kam ihm die Frau gerade recht, die vermutlich stadtbekannte Sünderin, die in wunderbarer Weise von seinen eigenen Versäumnissen ablenken konnte. Ich vermute, daß in ganz ähnlicher Weise den CSU-Politikern Beckstein und Huber und die außereheliche Affäre des Gesundheitsministers zupaß kam, um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen.

Aber wichtiger noch als die moralische Frage nach Schuld und Entschuldigung ist die theologische Frage nach unserem Stand vor Gott. Im Beispiel vom Pharisäer und Zöllner sagt Jesus: „Ich sage euch: Der Zöllner kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Lk 18,12) Dem Pharisäer Simon gibt er eine ähnliche Lehre: „Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie (mir) so viel Liebe gezeigt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe.“ (Lk 7,47)

Jesus wird nicht müde, ein Bild von Gott zu zeichnen, das es wirklich verdient, Frohe Botschaft genannt zu werden. Die Sünderin hat Jesus vermutlich schon vorher erlebt: als wortgewaltigen Prediger, als barmherzigen Helfer in der Not und als eine Persönlichkeit mit einer Ausstrahlung, die gerade die in ihrem Selbstwertgefühl zutiefst erniedrigten Sünder anzog und sie erkennen ließ, daß er ihr Leben grundlegend wenden konnte. Wir können uns ausmalen, was die Begegnung mit diesem Mann für sie bedeutete: Endlich einer, der sie annimmt, der sie nicht wegstößt, der ihr wieder Hoffnung gibt, aus der Verlorenheit ihrer Existenz herauszukommen! Jedenfalls erfaßte diese Frau in der Begegnung mit Jesus, daß die Liebe, von der die Schriftgelehrten in blutleeren Worten und abstrakten Prinzipien redeten, ohne sie in der Praxis zu üben, wirklich existiert und daß sie tatsächlich schöner und erhebender ist als die Art von Liebe, der sie sich bisher hingegeben hatte.

Da erwacht ihr Glaube und leitet nun die ganze Leidenschaft und Liebeskraft dieser Frau in ganz neue Bahnen. Sie durchbricht alle Schranken der Zurückhaltung und nähert sich Jesus beim Gastmahl, um ihm ihre dankbare Liebe zu zeigen. Obwohl ihr Vorhaben zutiefst peinlich und anstößig ist, führt sie es aus und nimmt die damit verbundene Demütigung in Kauf, und Jesus, dessen Freiheit durch keine falschen Rücksichten gebunden ist, läßt es geschehen, womit er schon wortlos andeutet, daß er die Liebe dieser Frau annimmt. Jesus bleibt souverän, obwohl er spürt, was in Simon vorgeht, daß dieser nun auch über ihn schlecht denken wird. Feinfühlig lenkt er das Gespräch von der Frau ab und versachtlicht es, und so schützt er sehr geschickt die Intimsphäre der Frau. Er gibt zu verstehen: Ihre Schuld und Reue gehen keinen von euch etwas an.

Das Gleichnis von den beiden Schuldnern soll den theologisch geschulten Pharisäer zur Einsicht führen, daß Gottes Barmherzigkeit bald größer, bald geringer ist – je nach der Größe der Schuld, daß sie aber immer ein Geschenk ist und als solches dankbare Gegenliebe erweckt. So lädt er den Pharisäer ein, einzustimmen in die dankbare Freude der Frau, ähnlich wie der Bruder des verlorenen Sohns sich freuen soll, daß der Verlorene wiedergefunden wurde.

Aber diese Art zu denken, ist neu und ungewohnt für Simon und neu auch noch für uns Christen heute. Schadenfreude ist auch für uns noch die reinste Freude, und Freude über die Umkehr eines Sünders fast nur aus den Heiligenviten bekannt.

Die Botschaft Jesu ist nie nur theoretisch gemeint. Sie betrifft unser Handeln, sie appelliert an unsere Liebe. Sucht nicht, vor den anderen als Gerechte dazustehen, indem ihr mit Fingern auf andere zeigt und euch an ihrem Schaden freut, sondern handelt wie Jesus, indem ihr die Schuld der anderen zudeckt und euch nur über das, was gut ist, freut!

113. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Wenn ein Kind geboren wird, ist es immer ein Zeichen, daß Gott lebt. Diese indische Weisheit leuchtet in der Erzählung des heutigen Evangeliums neu auf. Wir feiern selten den Geburtstag eines Heiligen, fast immer seinen Todestag, als den „Geburtstag für den Himmel“. Nur bei zwei Heiligen feiern wir auch den irdischen Geburtstag für diese Welt: bei Maria (am 8. September) und am heutigen Tag das Geburtsfest Johannes des Täufers. Denn diese beiden Menschen waren nicht nur außerordentlich heilig, sondern ihre Geburt hat uns auch Gottes Heil näher gebracht. Als sie geboren wurden, da wurde der Menschheit ein neuer Anfang des Heils geschenkt. Im Anfang ist das Ganze und seine Vollendung schon keimhaft grundgelegt. So sieht es jedenfalls die Heilige Schrift. Das zeigt auch der Name Johannes: Jahwe ist gnädig. Das neu geborene Kind soll nicht so heißen wie sein Vater; sein neuer Name soll anzeigen, daß sich Jahwe in diesem Kind auf neue Weise seines Volkes erbarmt.

Den Geburtstag Johannes des Täufers feiern wir sechs Monate vor dem Geburtsfest Christi, am 24. Juni. Darin besteht ein tiefer Sinn: Am Tag der Sommersonnenwende, da, wo die Mittagshöhe der Sonne ihren höchsten Punkt erreicht hat, soll das Geburtsfest des Johannes auf den Triumph des Lichtes Christi hinweisen. Von nun an werden die Tage wieder kürzer. Darin sah der hl. Augustinus eine kosmische Bestätigung für das Johanneswort: „Dieser Jesus muß wachsen, ich aber muß kleiner werden.“

Was aber war die Sendung des Täufers? Warum war Johannes so wichtig für Gottes Erlösungsplan? Darauf kann in zweifacher Weise geantwortet werden: historisch und theologisch.

1. Die historische Bedeutung des Täufers. Sie ergibt sich aus seinem Tun. Johannes war ein wahrer Prophet, wie ihn Israel lange nicht mehr gesehen hatte. Schon die außergewöhnlichen Umstände seiner Geburt ließen die Frage aufkommen: „Was wird wohl aus diesem Kind werden?“ – Tatsächlich war die Hand des Herrn mit Johannes, dessen Leben so radikal anders war, daß er die Aufmerksamkeit des ganzen Volkes auf sich zog. Seine Umkehrpredigt war so gewaltig, daß sich viele Menschen dem Taufritus unterzogen, den er eigens erfunden hatte. Die Leute fragten einander und ihn selbst, ob er nicht vielleicht der angekündigte Messias sei. Doch Johannes sagte immer wieder: „Ich bin es nicht. Nach mir kommt einer, der stärker ist als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.“ (Mt 3,11)

Das Wirken des Täufers war von eminenter Bedeutung für Jesus von Nazareth. Er war in der Tat dessen Wegbereiter. Ohne sein Zeugnis wäre Jesus vermutlich nicht so schnell bekannt geworden. Viele der Jünger des Johannes folgten bald Jesus nach – mit vollem Einverständnis des Täufers: „Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes! Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus.“ (Joh 1,36f)

2. „Lamm Gottes“! Dieses Symbolwort, das wir in jeder hl. Messe verwenden, leitet zur theologischen Bedeutung dieses letzten Propheten des Alten Bundes über. „Seht das Lamm Gottes“, rief Johannes damals aus und zeigte auf Jesus. Matthias Grünewald, der Maler des berühmten Isenheimer Altarbildes, hat sich von diesem Wort inspirieren lassen und den Täufer unter dem Kreuz Jesu positioniert – mit einem langen Finger, der auf den Gekreuzigten weist, weil er alle vorchristlichen Opfer in sich vereinigt und überbietet – wie ein Lamm, das für die Sünden der Menschen geschlachtet wird. Dieses Bild stellt keine Historie dar, denn Johannes war schon tot, als Jesus am Kreuz hing. Grünewald malt Heilsgeschichte, Glaubensgeschichte. So stellt er auch unter dem Kreuz das Lamm dar, dessen Blut in den Kelch fließt und auf die Eucharistie hinweist: „Durch Christi Wunden sind wir geheilt.“ (Jes 53,5)

Der Täufer ist der Fingerzeig Gottes. Sein großer Finger weist auf Christus hin: Dieser muß wachsen, d.h. in unserem Leben größer werden, wir müssen kleiner werden, d.h. wir müssen unser eigenes Ich zurücknehmen, um Platz zu schaffen für den, „der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“. (Gal 2,20)

3. Wer ist heute Fingerzeig Gottes in der Welt? Wer weist heute hin auf die Bedeutung der Eucharistie, in der uns Christus als das geopferte Lamm begegnet und in der wir das ewige Leben haben? – Im Pfarrgemeinderat machen wir uns seit Monaten Gedanken darüber, wie wir unseren Mitmenschen die Feier der Heiligen Messe am Sonntag ans Herz legen können. Aber ich spüre die Resignation nur zu gut, und auch ich bin manchmal tief enttäuscht über die sich ausbreitende Mißachtung der Sonntagsmesse. Da denke ich manchmal: Wofür sich noch anstrengen? Wenn die Leute lieber schlafen und verschiedenen Freizeitaktivitäten nachgehen wollen – was regen sie sich dann auf, wenn vielerorts Kirchen geschlossen werden? Müssen wir uns wundern, wenn in einer solchen Zeit niemand mehr Priester werden will?

„Sein Name sei Johannes“: Jahwe ist gnädig. Das heutige Fest soll uns die Resignation nehmen und neue Zuversicht geben, daß unsere Mühe nicht vergeblich ist. So wie jedes neugeborene Kind von Gottes Güte kündet, so erinnert uns die Geburt des Täufers an die große Macht Gottes, der stärker ist als alle menschliche Bequemlichkeit und Verblendung.

114. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
Liebe Schwestern und Brüder,
dieses Wort werden Sie vermutlich gut kennen, es zumindest schon einmal gehört haben.

Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
Der Herr bedient sich hier eines Bildes aus dem Alltag der landwirtschaftlich geprägten Welt des damaligen Israels.

Für uns, die wir doch eher städtisch geprägt sind, leuchtet dieses Bild auf Anhieb nicht ein. Und wenn wir an das Pflügen denken, kommen uns wohl eher die Traktoren mit ihren gewaltigen, schweren Pflügen in den Sinn, die die Erde scheinbar wie Butter durcharbeiten.

Damals, zur Zeiten Jesu, war das anders. Der Pflug wurde meist von einem Rind gezogen. Und der Pflug selbst war aus Holz, vielleicht auch einmal aus Metall. Er war aber niemals sonderlich schwer. Deshalb musste der Bauer sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Pflug legen, um ihn sozusagen schwer zu machen, damit er die nötige Tiefe gewann, um den Boden wirklich gut bearbeiten zu können.

Wenn der Bauer sich aufrichtete, verlor das Pflügen an Tiefe. Diese Arbeit verlangte vom Bauern also vollkommene Aufmerksamkeit ohne Kompromisse.

Einer, der die Hand an den Pflug legte und zugleich zurückschaute, riskierte also an Gewicht und Tiefe zu verlieren, seine Arbeit um den Ertrag zu bringen.

Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
Jesus wendet dieses Bild auf die Menschen an, die ihm nachfolgen wollen, auf diejenigen, die für das Reich Gottes taugen wollen.
Er wendet auf uns Christen an.

Unser Glaube soll Tiefe haben, soll die Erde für die Saat bereiten, soll sichtbare Spuren hinterlassen, damit das Reich Gottes Gestalt annehmen kann in unserem Leben und im Leben unserer Gesellschaft.
Dazu bedarf es des ganzen Einsatzes. Wie der Bauer sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Pflug legen muss, so verlange der Herr von uns, dass wir uns mit unserer ganzen Person der Nachfolge Christi verschreiben. Halbheiten nützen weder dem Bauern, noch dem Glaubenden.
Man kann nicht nur ein bisschen glauben, das, was man gerade passend, nett findet.
Man kann auch nicht nur zu bestimmten Zeiten glauben, dann, wenn einem so feierlich zumute ist, wenn man gerade das Bedürfnis danach hat.

Wer glauben will, wer mir nachfolgen will, sagt Jesus, der muß es mit Haut und Haar wollen, der muß sich ganz mir überlassen. Anders geht es nicht. Andernfalls wird der Glaube flach, ohne Tiefe, hinterlässt keine Spuren.

Vielleicht ist dieser fehlende Wille, es ernst mit dem Glauben zu machen, auch Ursache dafür, dass das einst "christliche Abendland" nun eine Verfassung hat ohne Gottesbezug, ohne Hinweis auf die christlichen Wurzeln. Die Gläubigen, die Kirche, die christlichen Politiker haben scheinbar zu wenig Gewicht in diesem Europa.

Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
Das Bild sagt auch, dass der Glaube nicht rückwärtsgewandt ist. Es gilt nicht zurückzuschauen, sondern voranzugehen.

Nicht das, was war, soll uns beschäftigen, sondern das, was kommt, und das, was zu tun bleibt.

In unserer Zeit ist die Versuchung groß, zurückzublicken. Wie oft höre ich es, wie sich die Älteren erinnern, wie voll damals die Kirchen waren, wie präsent die Kirche in der Gesellschaft war, wie viel man in der Familie gebetet hat. Und manchen überkommt eine gewisse Nostalgie: So müsste es wieder sein, so wie damals.

So verständlich diese Regungen sind, sie helfen im Heute nicht weiter. Die Kirche, die Gesellschaft der 50er, 60er Jahre ist nicht die Kirche, nicht die Gesellschaft in 2007. Aber in dieser Welt 2007 gilt es, dem Glauben Gewicht zu geben. Das heißt nicht, dass man das Gute und Bewährte vergisst und über Bord wirft. Es will in der Sprache von heute gesagt werden.

Wenn man so will, muss die Kirche heute aktuell sein. Das heißt nicht, dass sie sich dem Zeitgeist anpassen muß. Denn: Aktuell ist nicht das, was eine Gesellschaft gerade will, sondern aktuell ist vielmehr das, was eine Gesellschaft braucht.
Die Kirche muß nach vorne schauen. Das kann sie voll Hoffnung und Vertrauen, weil ihr der Herr den Rücken stärkt.

Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
Was für die Kirche als Ganze gilt, hat auch Bedeutung für den einzelnen Christen. Denn manchmal kann es sein, dass uns unsere Vergangenheit zu sehr beschäftigt, dass wir zu sehr an unsere Fehler und Sünden denken. Wir sollen aber nicht zurückschauen auf das, was war, sondern nach vorne schauen, auf das, wozu wir berufen sind.
Der vietnamesische Kardinal van Thuan hat das einmal sehr schön ausgedrückt: Die Heiligen haben eine Vergangenheit. Die Sünder eine Zukunft.

Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
Sich ganz und gar auf das Abenteuer des Glaubens einlassen, ohne Wenn und Aber, ohne Mittelmäßigkeit. Und dabei hoffnungsfroh und zuversichtlich in die Zukunft sehen.
So taugen wir für das Reich Gottes. So werden wir das, was die Kirche heilig nennt, treue Diener und Dienerinnen des Herrn.
So kann unser Leben Spuren hinterlassen, aus denen Gutes erwachsen kann, so wie auf einem gut durchpflügten Feld das Getreide wächst und gedeiht.

115. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Zur Freiheit sind wir befreit und berufen – das hat uns die heutige Lesung in Erinnerung gerufen und dazu die Mahnung ausgegeben: „Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch!“ (Gal 5,13) Wir haben es mit einem ganz zentralen Punkt der Verkündigung des heiligen Paulus zu tun, einem Punkt, der allezeit aktuell ist. Was ist damit aber gemeint?

Wie nimmt man sich die Freiheit als Vorwand für das Fleisch? Wenn man seinen egoistischen Launen freien Lauf gewähren will und dazu die gegebene Freiheit mißbraucht. Beispiele gibt es genug: Kinder, die spät abends heimlich fernsehen; Jugendliche, die die „sturmfreie Bude“ ausnutzen; Verheiratete, die bei Kegelausflügen über die Stränge schlagen; Angestellte, die während der Arbeitszeit privat telefonieren und im Internet surfen usw. Zu alledem ist die Freiheit nicht da. Paulus setzt betont dagegen: „Dient einander in Liebe!“ Die Freiheit ist für die Liebe da, und Liebe ist wesentlich wechselseitiger Dienst.

Nun wird der eine zustimmen und sagen: Genau so ist es! und ein anderer wird sagen: Das ist mir zu hoch! Ein bloßes Ideal, das keiner erreicht. Gewiß sieht die Welt meistens anders aus: Die Menschen wollen einander nicht dienen, zumindest nicht umsonst, sondern dabei wenigstens etwas verdienen. Aber es dürfte auch klar sein, daß der pure Egoismus selbstzerstörerische Folgen hat. Paulus drückt dies drastisch so aus: „Wenn ihr einander beißt und verschlingt, dann gebt acht, daß ihr euch nicht gegenseitig umbringt.“ (Gal 5,15) Der Egoismus hat keinen Bestand, denn er ist parasitär: er lebt von der Bereitschaft anderer, dem Gemeinwohl zu dienen, einer Bereitschaft, die er aber selber nicht aufbringt; darum wird eine durch und durch egoistische Welt zugrundegehen. Anders die Liebe: sie führt kein Schmarotzerdasein und lebt nicht auf Kosten anderer, sondern im Gegenteil: Wer seine Freiheit für die Liebe einsetzt, der stellt seine eigenen Interessen zurück, um anderen das Leben zu ermöglichen und zu erhalten. Das tun die Eltern für ihre Kinder, die Eheleute füreinander, die ehrenamtlich Engagierten für ihren Verein oder ihre Gemeinschaft – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Wir wissen aber, daß wir noch sehr weit vom Idealzustand entfernt sind: Erstens müßten alle Menschen und Menschengruppen so handeln, also auch z.B. die Lehrer für ihre Schüler, die Chefs für ihre Angestellten, die Reichen für die Armen – und sicher müßten auch umgekehrt die Schüler ihre Lehrer achten, die Angestellten ihre Chefs und die Armen ihre Wohltäter. Davon aber kann nur sehr begrenzt die Rede sein. Und zweitens mischt sich auch in die Liebe der Erstgenannten immer das hinein, was Paulus das „Fleisch“ nennt, also Egoismus, Eifersucht, Neid, Streitlust, Arroganz, Selbstgerechtigkeit oder Ungeduld, so daß selbst in den Familien keine heile Welt ist, und auch die Kirche geht hier nicht mit bestem Beispiel voran.

Viele haben daraus für sich den Schluß gezogen, daß die Menschen eben schlecht sind, also müsse jeder das Beste für sich daraus machen. Ich denke an so viele Griesgrame und Übellaunige, die ständig über andere Menschen meckern und herziehen, denen nichts gut genug ist, die aber selbst kaum einen Finger rühren, damit das Leben besser wird. Sie haben den Kampf aufgegeben. Ihre ganze ständig geäußerte Empörung gegen die böse Welt macht nur denjenigen, die sich um das Gute bemühen, das Leben unnötig schwer und nimmt ihnen die Kraft und den Mut.

Bin ich vielleicht schon in Gefahr, mich der Fraktion der Nörgler anzuschließen? Dann sollte ich mir unbedingt folgende Frage vorlegen: Wie liebenswürdig erscheinen mir die anderen Menschen? Sehr – wenig – oder gar nicht? Denn es gilt die Regel: „Je mehr man liebt, desto liebenswürdiger erscheinen einem die anderen.“ – Freilich gilt auch das Umgekehrte: Je mehr wir lieben, desto liebenswürdiger erfahren uns die Mitmenschen. Allein unsere gelebte Liebe kann andere Menschen anstecken und für das Gute begeistern. Allein so werden sie nach dem Geist fragen, der uns leitet.

Dieser Geist ist der Heilige Geist, der Geist, der uns zu Kindern Gottes macht und so von aller Knechtschaft befreit. Wer die „Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21) erfahren hat, dem liegen Intoleranz und Fanatismus fern. Es ist eine ständige Versuchung der Christen, wenn sie die Macht dazu haben, den Glauben und die Gerechtigkeit des Reiches Gottes gewaltsam durchzusetzen. So wollen Johannes und Jakobus angesichts der verweigerten Gastfreundschaft Feuer auf ein samaritisches Dorf fallen lassen. Jesus muß sie zurechtweisen. (Lk 9,55)

Freiheit und Liebe sind Früchte des Heiligen Geistes. Als solche müssen sie erbetet sein. Sie sind indessen nicht minder Frucht einer guten Erziehung und guter Vorbilder. Der eine zieht den andern mit – nach oben oder nach unten. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! Ihr seid zur Freiheit berufen.Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe!“

116. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

„Freut euch darüber, daß eure Namen im Himmel verzeichnet sind.“ Mit diesen Worten wendet sich Jesus an jene 72 Jünger, die er ausgesandt hat, damit sie ihm in die Städte und Dörfer vorhergehen, in die er selber kommen will.
Die Jünger sind gerade eben zurückgekommen, denn sie haben ihren Auftrag erfüllt und konnten in Jesu Namen viel Großes und Wunderbares wirken: Sie heilten Kranke, verkündeten das Evangelium vom Reich Gottes und trieben Dämonen aus.
Es ist verständlich, daß sie nun bei ihrer Rückkehr voll Freude von ihren Erfahrungen und Erlebnissen erzählen. Sie sind stolz auf ihre „Erfolge“.
Jesus hört sich das alles geduldig an.
Dann aber belehrt er sie darüber, daß sich die Jünger all das Große nicht selber zuzuschreiben haben. Sie sind ja gesandt worden und haben in der Vollmacht dessen gewirkt, der ihnen den Auftrag gegeben hat. Ihre Kraft kommt von Gott allein. Der himmlische Vater hat im Heiligen Geist seinen Sohn in diese Welt gesandt; und der Sohn – Jesus Christus – sendet die aus, die er erwählt hat: die Apostel, die Jünger sowie alle, die an sein Wort glauben.
Die Jünger dürfen jetzt nicht beim Äußeren stehenbleiben, so großartig ihr Wirken auch war. Wesentlich ist nicht, daß ihnen die „Geister gehorchen“, sondern daß sie von Gott geliebt und erwählt sind, daß sie berufen sind, ins Reich Gottes einzutreten, daß ihre Namen „im Himmel verzeichnet sind“.
Liebe Brüder und Schwestern!
Von uns hat niemand die Gabe der Krankenheilung und des Wirkens von Wundern erhalten – und wenn dies so wäre, dann müßte dies von der Kirche erst geprüft werden –, wir dürfen aber die Worte Jesu an die Jünger in gewissem Sinn auch auf uns anwenden, wenn er sagt: Freut euch, daß eure Namen im Himmel verzeichnet sind!
Gottes Wille ist unser Heil, unsere Rettung. Dazu ist ja der Sohn Gottes Mensch geworden, und dafür ist er gestorben und auferstanden, um uns zu erlösen von allem Bösen.
Unsere Welt ist keine „heile“ Welt: es gibt die Sünde, das Leid, den Tod. Doch die Macht des Bösen ist ein für allemal gebrochen durch das Heilswerk des Erlösers, das er in Macht und Herrlichkeit vollenden wird, wenn er wiederkommt am Ende der Zeiten. Auch uns wurde das Reich Gottes verkündet
Und wir sind bereits eingetreten in dieses Reich durch die heilige Taufe, die wir empfangen haben. Freuen wir uns also, daß wir gleichsam jetzt schon „Himmelsbürger“ sind! Im Glauben gehören wir zu Jesus Christus, und diese Gemeinschaft verbindet uns auch untereinander in der von Christus gestifteten und vom Heiligen Geist geleiteten Kirche.
Freut euch, daß eure Namen im Himmel verzeichnet sind!
Liebe Schwestern und Brüder, mal ehrlich:
Freuen Sie sich wirklich darüber? Haben Sie sich jemals darüber gefreut? Kommt Ihnen das überhaupt einmal in den Sinn: Hurra, der Herr hat mich erlöst.
Den Christen wird oft vorgeworfen, dass sie nicht einen sonderlich frohen, erlösten Gesichtsausdruck haben. Und das stimmt auch wirklich zum Teil. Es gibt Vertreter des Christentums, des Katholizismus, die alles andere als Freude ausstrahlen, vielmehr ständig mosern, gegen den Papst, die Bischöfe, den Pastor usw.
Ihnen ist die christliche Freude verlorengegangen, weil sie sich zuwenig von der eigentlichen Botschaft des Evangeliums und der Kirche beeindrucken lassen und sich fast ausschließlich auf Nebenschauplätzen austoben.
Wir aber, wir sollten den Rat des Herrn hören und ernstnehmen:
Freut euch, daß eure Namen im Himmel verzeichnet sind!
Als ich die Pilger unserer Gemeinde aus Lourdes wiederkommen gesehen habe, da sah ich diese Freude aus den Augen blitzen. Diese Freude kam vom gemeinsam erlebten Gebet zusammen mit den anderen aus der Gruppe und den Kranken und all den Pilgern aus der ganzen Welt. Ich hoffe, dass die jungen Christen, mit denen ich gleich im Anschluß an die Messe nach Assisi wallfahren werde, ähnlich froh heimkehren werden.

Blicken wir noch einmal zurück auf die zweiundsiebzig Jünger, die Jesus ausgesandt hat! Welche Aussichten hat ihnen Jesus gegeben? Durften sie mit vorbehaltloser Anerkennung von Seiten der Menschen rechnen? Keineswegs! Die einen würden das Wort Gottes annehmen, die anderen es ablehnen und womöglich auch die Boten des Evangeliums schlecht behandeln. Der Jünger steht nicht über seinem Meister. Wie sie ihn verfolgt haben, so werden auch seine Jünger verfolgt werden. Wie sein Wort Aufnahme findet, so dürfen auch die Verkünder des Evangeliums Gehör und Annahme erwarten.
Wir alle, liebe Brüder und Schwestern, sollen durch unser Leben Zeugen der frohen Botschaft des Glaubens sein, die uns anvertraut worden ist. Es gehört mitunter Mut und Zivilcourage dazu, sich zum Glauben zu bekennen, wo dies aufgrund sogenannter „political correctness“ nicht erwünscht ist. Wenn wir aber nicht eintreten für die Werte, die uns als Christen verbinden, wer wird dann unsere Gesellschaft gestalten? Die Wölfe unter die wir gesandt worden sind, schlafen nicht. Der Teufel macht keinen Urlaub.
Eine „Zivilisation der Liebe“ läßt sich nur aufbauen auf dem Fundament des christlichen Glaubens, der nicht nur mit den Lippen bekannt wird, sondern auch in die Tat umgesetzt werden soll. Glaube und Leben müssen eine Einheit bilden!
Haben wir keine Angst, denn Gott ist bei uns. Seine Liebe trägt uns und wirkt in den Herzen der Menschen, die Gott im Heiligen Geist anruft, seine Botschaft im Glauben anzunehmen.

117. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

„Homo homini lupus“ – „der Mensch ist für den Menschen ein Wolf“, so hat der Philosoph Thomas Hobbes gesagt und damit gemeint, daß die Menschen einander feindlich gegenüberstehen, weil sie um ihr Überleben kämpfen müssen und jeder dabei des anderen Konkurrent ist. Diese Wolfsnatur des Menschen lasse sich zwar zähmen, indem die Menschen sich einer höheren Autorität unterwerfen, die sie vor gegenseitigen Übergriffen schützt. Aber dennoch bleibe der Mensch im Grunde seines Wesens egoistisch und friedlos.

Ich glaube nicht, daß Hobbes damit das Wesen des Menschen richtig bestimmt hat, aber ganz unrecht hatte er wohl auch nicht. Im Licht der Bibel gesehen, trifft seine Beschreibung auf den Menschen zu, so weit er von der Sünde bestimmt ist. Sie kommt jedoch an ihre Grenze, sobald es um die Erlösung geht. Für Hobbes kann die Wolfsnatur nicht geheilt, sondern allenfalls gebunden und eingeschränkt werden. Das Evangelium Jesu Christi verkündet uns dagegen die Hoffnung auf einen Frieden, der aus einem erneuerten Herzen des Menschen kommt: nicht einen, „wie die Welt ihn gibt“. (Vgl. Joh 14,27)

Zwischen der Welt mit ihrem wolfsähnlichen, unfriedlichen Verhalten und dem Reich Gottes als dem Inbegriff des Friedens gibt es keinen kontinuierlichen Übergang, denn beide sind durch einen Gegensatz getrennt. Darum sendet Jesus seine Jünger mit den Worten aus: „Ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe.“ Hier die Wölfe, d.h. diejenigen, die sich mit Gewalt und gegen die anderen das Überleben sichern wollen, dort die Schafe, d.h. jene, die ihr Leben allein von Gott erwarten und darum keine irdische Feindschaft mehr kennen. Ein ungleicher Kampf, möchte man meinen, von vornherein aussichtslos für die Schafe! Und doch stehen wir hier vor dem Geheimnis der Erlösung, das Thomas Hobbes anscheinend nicht kannte oder jedenfalls völlig verkannt hat. Der Apostel Paulus, der ungefähr 25 Jahre nach dem Kreuzestod Jesu seinen Brief an die Galater geschrieben hat, erklärt, wie das Kreuz Jesu tatsächlich die entscheidende Wende gebracht hat: die Wende in seinem eigenen Leben und die geschichtliche Wende zu einer neuen Epoche, die seitdem nach Christi Geburt gezählt wird.

Er schreibt: „Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. Denn es kommt nicht darauf an, ob einer beschnitten oder unbeschnitten ist, sondern darauf, daß er neue Schöpfung ist.“ (Gal 6,14f) Die Welt ist für den Apostel tot, die „alte Welt“ nämlich, in der die Menschen einander Wolf sind, die Welt, die sich nicht um Gott und seinen Willen kümmert, sondern nur um sich selbst. Dagegen steht die „neue Schöpfung“, die Gott eingeleitet hat, indem er Jesus, den Gekreuzigten, auferweckt hat. Auf diese neue Schöpfung kommt es allein an, denn nur sie hat auf ewig Bestand, während die alte friedlose Welt sich selbst zugrunderichtet. Für den Gegensatz von alter Welt und neuer Schöpfung gilt das Wort Jesu: „Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es gewinnen.“ (Lk 17,33) Wer Wolf bleiben will, wird als Wolf sterben. Wer sich aber wie ein wehrloses Lamm den Händen Gottes anvertraut, der wird zwar wie alle anderen aus dem irdischen Leben scheiden, um dann jedoch das Leben in Fülle haben. (vgl. Joh 10,10)

Die neue Schöpfung ist freilich noch nicht in ihrer vollendeten Gestalt sichtbar, denn sie ist mit der alten gleichsam vermischt. Alte und neue Schöpfung sind wie Unkraut und Weizen durcheinander gemischt. Unsere Gesellschaft enthält neben den christlichen Werten, die sie über Jahrhunderte durchsäuert haben, noch viel Rücksichtslosigkeit, Brutalität und Ungerechtigkeit. Und auch in jedem einzelnen kämpfen gleichsam zwei Seelen in der Brust.

Die Aussendungsrede Jesu gibt uns eine Regel an die Hand, wie wir mit dieser Spannung am besten umgehen. Das erste, was die ausgesandten Jünger tun sollten, war, den Häusern, in die sie kamen, Frieden zu wünschen. „Und wenn dort ein Mann des Friedens wohnt, wird der Friede, den ihr ihm wünscht, auf ihm ruhen.“ (Lk 10,6) Zwar gibt es auch Ablehnung und Mißerfolg, aber wo Menschen für die Botschaft der Liebe eine gewisse Aufnahmebereitschaft zeigen, da wirkt der Segen wie eine Kraft, die die Wirklichkeit positiv verändert. Der Friede ist kein unerreichbares Fernziel, denn wir Christen sind mit dem österliche Frieden Christi beschenkt und werden es immer neu: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden geben ich euch“ (Joh 14,27). Der Friede Christi kann und soll von uns, seinen Jüngern, ausströmen wie Wasser aus der Quelle, wie der Strahl aus der Sonne. Nicht immer erreicht er sein Ziel, oft versickert unsere Friedfertigkeit in der Bosheit der Umwelt, manchmal zischt es auf, wie wenn Feuer von Wasser getroffen wird. Aber oft erreicht er auch sein Ziel, kommt an und zeigt seine umwandelnde Kraft. So wie ein Lächeln fast unwiderstehlich ein anderes Lächeln herausfordert, so ruft der Christ, der im Frieden Christi ruht, bei seinen Mitmenschen ein freundliches Echo hervor.

„Ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe.“ – Jesus ist uns vorangegangen als das Lamm, das unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet wurde. Seine wehrlose Ohnmacht war das größte Zeichen seiner Liebe. Er hat uns damit den schlimmsten Teil der Friedensmission abgenommen. Seitdem hat die Friedensbotschaft in aller Welt Gehör gefunden und ihre verwandelnde Kraft entfaltet. Wenn wir nur ein kleines bißchen Ehre haben, dann müßte uns dies herausfordern zu einem eigenen Zeugnis des Friedens – in der sicheren Hoffnung, daß dieses Werk alle Anstrengung lohnt.

118. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn man eine Umfrage machen würde, welches denn wohl das bekannteste Gleichnis sei, das Jesus erzählt hat, dann würde neben dem Gleichnis vom verlorenen Sohn bzw. dem barmherzigen Vater sicherlich auch das Evangelium von heute genannt werden: Der barmherzige Samariter.

Selbst jene, die mit der Kirche sozusagen nichts am Hut haben, kennen großteils diesen Teil der Hl. Schrift. "Ein barmherziger Samariter zu sein" ist in die bildhafte Sprache des Alltags eingegangen. Große Künstler haben sich dieses Themas angenommen, z. B. Vincent van Gogh, der auf eindrucksvolle Weise darstellt, wie der Samariter denjenigen auf sein Reittier setzt, der unter die Räuber gefallen war.

Der Barmherzige Samariter ist uns sympathisch: er sieht die Not, hat Mitleid und hilft selbstlos und tatkräftig.
Der Barmherzige Samariter: das ist auch das Idealbild für alle in der Pflege und Medizin beschäftigten.
Insofern ist die Botschaft des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter klar und einfach: Der wichtigste Mensch ist der, dem du gerade begegnest. Der wichtigste Moment ist jetzt. Die wichtigste Tätigkeit ist die, in der du jetzt Gutes tun kannst.
Doch ich glaube, das Gleichnis hat auch noch eine andere Dimension, eine Tiefendimension. Es ist wie eine Muschel, die man im Meer finden kann. Man öffnet die Muschel, und wenn man Glück hat, ist darin eine Perle, etwas Wertvolles und Schönes, auf das es ankommt. Und eine solche Perle können wir auch im Gleichnis finden. Schauen wir einmal genauer hin:
Da ist dieser Mann, von dem wir weder wissen, was er beruflich macht, noch, wie alt er ist und was er vorhat. Wir wissen nur, daß er von Jerusalem kommt und nach Jericho will. Das heißt: Man kann annehmen, daß es sich um einen frommen Mann handelt, um einen, der den Tempel besucht und ein Opfer dargebracht hat. - Ein solcher Mann ist in den Augen des Gesetzeslehrers, der Jesus in das Gespräch verwickelt hat, sofort sympathisch. Man könnte denken: dieser Mann, der da unterwegs ist und überfallen wird, in dem kann ich mich wiederfinden! Ja, dieser Mann - der bin ich selbst! Genau das will Jesus hier: daß der Hörer des Gleichnisses sich mit diesem Mann, der da unter die Räuber fällt, identifiziert! Daß er sagt: Ja, das bin ich!
Genau darum geht es Jesus. Die drei Figuren, die jetzt auftauchen - der Priester, der Levit, schließlich der Mann aus Samarien - sie zeigen durch ihr praktisches Verhalten: nicht der, von dem ich es vielleicht am ehesten erwarte, weil er mein Verwandter, mein Stammesgenosse oder mein Verbündeter ist, sondern der, der mir helfend zur Seite steht, der ist es, der sich mir als mein Nächster erweist!
Was tut also Jesus? Er dreht die Frage des Gesetzeslehrers um. Der Gesetzeslehrer wollte ja wissen: Wie komme ich in den Himmel? - Eine berechtigte Frage, eine Frage, die zeigt, daß es ihm um's Ganze geht. Jetzt aber zwingt ihn Jesus, sich in die Rolle des verletzten, blutenden, ausgeraubten Mannes zu versetzen, der da im Staub liegt und dem die eigenen Mitmenschen nicht helfen!
Was könnte das denn anderes bedeuten, als daß Jesus sagen will: Du Mensch, der du überlegst, was du selber tun kannst, um in den Himmel zu kommen, du mußt dir erst einmal bewußt sein, wer du eigentlich bist! Du mußt dir bewußt sein, daß du selber geschlagen, ausgeplündert und blutend daliegst - durch die Sünde, der du dich ausgeliefert hast, durch die Macht des Bösen, die dir alles genommen hat, was dir wichtig und heilig war!

Und wenn du das erkannt hast, wer du bist und was du hast, dann dankst du für den Menschen, dem du bisher aus dem Weg gegangen und für den du nicht viel übrig gehabt hast, weil er aus Samarien kommt. Er wird jetzt für dich ganz wichtig, denn er rettet dein Leben, er hebt dich auf sein Reittier, er bringt dich in die Herberge, wo man für dich sorgt und du dich erholen kannst!
Ich bin sicher, daß Jesus genau an dieser Stelle von sich selber spricht. Er spricht vom barmherzigen Samariter. Und in der Gestalt dieses Mannes aus Samarien will Jesus selbst erkannt werden. Warum können wir das annehmen? Darauf gibt es zwei Antworten: Einmal, weil Jesus weiß, daß er eines Tages von seinen eigenen Glaubensbrüdern ausgestoßen, verraten und ausgeliefert wird, daß man mit ihm nichts mehr zu tun haben will. - Und zum anderen, weil dieses Gleichnis im Lukasevangelium kurz nach der Stelle kommt, wo es heißt, daß Jesus sich entschließt, nach Jerusalem zu gehen: Jerusalem - da wird er verworfen werden, da wird er auch auferstehen und seine Sendung vollenden.
Und auf diesem seinen Weg nach Jerusalem begegnet er uns, die wir durch die Sünde kraftlos geworden sind und wie Ausgeraubte am Boden liegen. Er lindert unsere Schmerzen mit dem Öl der Sakramente. Er nimmt uns mit in die Herberge, wo wir ausruhen können: ein wunderbares Bild für die Kirche und den Gottesdienst, der uns zu uns selbst und zum lebendigen Gott kommen läßt.
Und so ist dieses Gleichnis wirklich eine Perle und ein Schatz, der uns anvertraut ist, damit wir Jesus, den wahren Samariter, finden und durch ihn leben.

119. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Immer wieder kommen Menschen an meine Tür, die von mir Hilfe erwarten, meistens finanzieller Art. Selten habe ich diese Bettler mit leeren Händen weggeschickt – nur dann, wenn sie in kurzer Zeit allzu häufig gekommen sind, unverschämt waren oder ganz offensichtliche Lügengeschichten erzählt haben. Aber auch wenn ich Grund habe zu glauben, daß sie mir etwas Unwahres erzählen, gebe ich ihnen meistens etwas. Allerdings bin mir ich nicht immer sicher, daß das richtig ist.

Oft fällt mir die heutige Beispielgeschichte ein, und dann frage ich mich, ob sie überhaupt anwendbar ist auf solche Betteleien. Etwas anderes ist es beispielsweise, wenn ich mit dem Auto an einem Unfall vorbeifahre und keiner ist da, der erste Hilfe leistet. Dann bin ich gefordert – ganz egal, was für wichtige Termine ich habe. Ich muß anhalten und den Verletzten beistehen, so gut ich kann.

Wo ist der Unterschied? Ich sehe zwei wichtige Unterschiede: 1. in der Dringlichkeit der geforderten Hilfe und 2. in meinen eigenen Möglichkeiten zu helfen. Die Bettler auf der Straße oder an meiner Haustür haben keine erste Hilfe nötig; sie sind zwar in einer sehr bemitleidenswerten Lage, aber nicht in Lebensgefahr. Manchmal erwecken sie nicht einmal Mitleid, sondern eher das Gegenteil: Zorn und Empörung, weil sie so unglaublich dreist sind. Und zum zweiten: die Spaziergänger, die an den Bettlern vorbeigehen, und die Hausbewohner, die angebettelt werden, wären völlig überfordert, wenn sie verpflichtet wären, den vielen Elendsgestalten zu helfen.

Was folgt daraus? Eine ganz wichtige Regel der Moral, daß nämlich unsere Verantwortung begrenzt ist, und zwar begrenzt durch unsere eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Nicht alle Menschen sind uns gleich nah; einige sind weit weg außerhalb unseres Verantwortungsbereichs, andere stehen uns näher und wieder andere stehen uns am nächsten.

Da unsere Möglichkeiten begrenzt sind, ist auch unsere Verantwortung begrenzt. Wir können nicht allen Armen und Kranken auf dieser Welt helfen, und darum müssen wir es auch nicht. Wir sollen da helfen und Gutes tun, wo Menschen uns wirklich nahe sind, d.h. vor allem in der Familie, am Arbeitsplatz und in der Kirchengemeinde.

Das ist die eine Lehre, die ich aus dem heutigen Evangelium ziehe. Sie entlastet mich und macht mich gerade dadurch frei für andere Werke der Liebe, Werke der Übergebühr, wie man sie auch genannt hat.

Denn davon handelt das Evangelium auch und gibt mir noch diese zweite Lehre: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) Wenn ihr das tut, was über Pflicht und Schuldigkeit hinausgeht, dann seid ihr wirklich Kinder Gottes und habt keine enge Krämerseele. An der Bereitschaft zu solcher Liebe hat man in zwanzig Jahrhunderten die Christen erkannt. Also an einer Liebe, die weder fragt: „Was bekomme ich dafür?“, noch sich gezwungen sieht, weil Pietät und Anstand ein entsprechendes Verhalten gebieten.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die Bettler an der Tür zurückkommen. Nicht selten verfahren diese nach einem ziemlich schäbigen Argumentationsmuster: Sie wollen mir einreden, daß ich als Pfarrer ja wohl durch mein Amt oder wenigstens durch Sitte und Anstand gehalten sei, ihnen großzügig Geld zu geben. Sie nutzen damit mein Amt aus und halten meine Freundlichkeit für selbstverständlich. Entsprechend undankbar treten sie auf. Das ist eine Verhaltensweise, die ich auch in anderem Zusammenhang schon öfter beobachtet habe: Da wird einem Menschen großzügig Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt, und anschließend sagt dieser nur halbherzig „Dankeschön“; statt dessen gibt er seinem Helfer zu verstehen, daß sich sein Verhalten ja eigentlich von selbst verstehe. Darf man etwa von einem Christen nicht Liebe erwarten? – Wenn einem solches gesagt wird, kann selbst der geduldigste und freundlichste Mensch die Beherrschung verlieren! Das sind tiefe Nadelstiche, die dem liebenden Samariter die Freude an der guten Tat echt versauern.

Es wird oft gesagt, daß unsere Gesellschaft kälter geworden ist. Ich glaube auch, daß das zutrifft. Aber das liegt nicht nur daran, daß es weniger Menschen gibt, die bereit sind, wie der barmherzige Samariter über Gebühr Gutes zu tun; es liegt auch an der empörenden Undankbarkeit, die den zum Guten bereiten Menschen entgegengebracht wird. Ich habe kein Recht, über die kalte Welt zu schimpfen, wenn ich nicht selbst Licht und Wärme in meiner Umwelt verbreite.

120. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Glücklich der Mensch, der einen Schatz hat! Stimmen Sie mir zu? Haben Sie selbst einen Schatz? Ist es Ihr Ehepartner, sind es Ihre Kinder, gibt es einen besonderen Gegenstand, den Sie als Ihren Schatz betrachten, oder ist es Ihr Ansehen, Ihre Stellung, Ihr Beruf?

Oder wissen Sie gar nicht genau, ob es etwas gibt, was es wert ist, Ihr Schatz genannt zu werden? Müssen Sie erst überlegen, Pro und Contra abwägen? Jedenfalls haben wir soeben ein Kriterium gehört, durch das sich Schätze auszeichnen: „Wo dein Schatz ist, das ist auch dein Herz.“ Glücklich der Mensch, der einen Schatz hat, denn er hat etwas, an das er sein Herz hängen kann. Nichts ist auf die Dauer nämlich schlimmer als ein leeres, unerfülltes Herz, ein Herz, das zwar zur Liebe geschaffen ist, aber nicht wirklich lieben und sehnen kann.

Das Herz ist der Sitz unseres Fühlens und Liebens, nicht nur ein Organ, das unseren Körper mit Blut versorgt, sondern eines, das all unserem Denken, Reden und Tun eine Seele gibt, es durch und durch mit kraftvollen Gefühlen durchströmt und unser Dasein mit tiefem Erleben füllt. Eine Maschine ist ein Ding ohne Herz: sie fühlt nichts, ersehnt nichts, bangt nicht, hofft nicht, hängt sich an nichts, kennt keinen Schatz. Mag sie auch noch so gut funktionieren – sie verdient unseren Respekt nicht. Wie anders ist doch der Mensch, vor allem wenn er sein ganzes Herzblut in seine Tätigkeit steckt – und wenn er sein Herz an die wirklich hohen Güter verliert, an die, die es wert sind!

„Cor dare“ – sein Herz geben, das ist das lateinische Wort („credere“) für glauben. Der Hebräerbrief sagt es so: „Feststehen in dem, was man erhofft, überzeugt sein von Dingen, die man nicht sieht.“ (Hebtr 11,1) Nicht bloß mit dem Verstand eine unsichtbare Sache für möglich oder sogar wahr halten, sondern einen Schatz im Herzen haben, nämlich den wahren und einzigen Schatz, den Ewigen Gott, und für diesen Schatz alles tun und alles hingeben. „Alles meinem Gott zu Ehren in der Arbeit, in der Ruh“. Abraham verließt um dieses Schatzes willen seine Heimat und zog in die Fremde, ja, er war sogar bereit, seinen innig geliebten Sohn zu opfern. Das ist Glaube!

Das ist sicher auch ein Ideal, das uns heute vor Augen gestellt wird, während wir zugleich wissen, daß wir weit davon entfernt sind. Denn wir tragen „den Schatz in zerbrechlichen Gefäßen“ (2 Kor 4,7), unser Wissen und Verstand ist mit Finsternis umhüllet, wir tun uns schwer damit, den wahren Schatz von den vielen anderen wertvollen Dingen zu unterscheiden. Wir sind nicht ohne weiteres geneigt, „das Unvergängliche mehr zu lieben als das Vergängliche“. Und darum können wir die Aufforderung Jesu auch nicht genauso wörtlich nehmen wie Franziskus oder Antonius, die ihre ganze Habe verkauften, um den Schatz im Himmel zu gewinnen.

Wir können es nicht, und wir müssen es auch nicht. Aber auch für uns gilt die Devise: „Macht euch Geldbeutel, die nicht zerreißen.“ Das ist, finde ich, einer der genialsten Sprüche, die Jesus eingefallen sind. Gerade weil die allermeisten von uns darauf angewiesen sind, Geld zu haben und zu sparen, um sich und die Angehörigen zu versorgen, gerade deshalb brauchen wir ein Korrektiv, das uns davor bewahrt, das Geld als den Schatz zu betrachten, an den wir unser Herz hängen. Denn in der Tat hat das Geld ja eine Reihe Merkmale, die auch einem Schatz zu eigen sind: Es kann nahezu jedem Mangel und jeder Bedürftigkeit abhelfen, fast alle Not lindern, und so verheißt es Glück und Sicherheit für die Zukunft. Darum zieht es auch das Menschenherz so magisch an und läßt es nicht los, auch wenn der Wohlstand ein Maß erreicht hat, das man sich vorher nicht einmal erträumt hat. So wird das Geld zum Götzen, zum Mammon. Es befreit zwar von Sorgen, aber um den hohen Preis, daß das Herz am Ende ganz eng und versklavt ist. Ein seltsamer Schatz!

Damit es gar nicht erst so weit kommt, sollen wir regelmäßig die Mahnung beherzigen, uns Geldbeutel zu machen, die nicht zerreißen, und uns einen Schatz zu verschaffen, der nicht abnimmt (Lk 12,33). Die Währung, die Jesus hier im Blick hat, ist die Liebe, die Hingabe, das Wohltun, das Abgeben, Teilen und Spenden. Die Liebe ist nämlich das einzige Gut auf dieser Erde, das wächst, indem es austeilt. Sie ist darum eigentlich nicht mehr von dieser Welt, sondern kommt aus einer anderen Welt. Die Liebe ist das einzige Gut, das unser Herz wahrhaft sättigt, ohne einen schalen Nachgeschmack zu hinterlassen. Gewiß haben Sie es in Ihrem Leben schon erfahren, daß die Freude am Schenken größer sein kann als die am Beschenktwerden. Wie viele Geschenke zieren unsere Wohnungen – aber welches davon ist schon ein echter Schatz? Wo Sie aber einmal Ihr Herz verschenkt haben, da haben Sie einen Schatz gewonnen, oder sollte ich mich irren?

Wir können wohl nicht in alle Tätigkeit unser Herzblut investieren. Aber damit uns nicht das Blut in den Adern gefriert und andere uns nur noch als Eisblock erfahren, sollten wir die Währung der Liebe wenigstens in kleineren Portionen ausgeben: jeden Tag und unbeirrt von den Undankbarkeiten unserer Mitmenschen. Auch diese tragen ja den Schatz in zerbrechlichen Gefäßen und brauchen immer wieder einen Anstoß zur Überwindung des eigenen Egoismus; vielleicht hilft ihnen heute gerade unser erster Schritt.

121. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Überraschend unbequem ist der Jesus des heutigen Evangeliums, liebe Schwestern und Brüder!
Nicht von der Liebe zum Nächsten oder dem Frieden untereinander oder der Seligkeit der Barmherzigen spricht er, sondern vom Zwietracht, Streit, Entzweiung.

Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung.

Wer nur diesen Satz liest oder hört, der kann es mit der Angst zu tun bekommen. Mit einer Angst vor Gottesstreitern, die in der Nachfolge Jesu ohne Rücksicht auf Verluste alles Nichtchristliche, ja alle Nichtchristen ausrotten wollen.
Vielleicht kommt dem einen oder der anderen die Phantasie von christlichen Fundamentalisten, die wie die z. Zt. wütenden Islamisten Terror und Schrecken verbreiten. Jesus ein Kriegstreiber?

Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung.
Dieser Satz ist sperrig und seine Botschaft irritiert. Wenn man diesen Satz isoliert liest. Was sagt er aber aus, wenn man ihn im Sinnzusammenhang liest, zusammen mit den Worten davor und danach? Was sagt er aus, wenn man ihn vor dem Hintergrund des ganzen Lebens und der Botschaft Jesu liest?

Jesus ist kein Kriegstreiber. Er war niemals ein Feldherr, der seine Truppen mit Waffengewalt gegen Andersgläubige geführt hat. Das hat Mohammed getan, aber nicht Jesus.
Das Wort Jesu ruft uns nicht auf, mit Brutalität gegen alles Nichtchristliche oder gegen die Nichtchristen um uns vorzugehen.

Ihm geht es vielmehr um unser Inneres. Einen inneren Feldzug sollen wir führen gegen das Unchristliche, Nichtchristliche in uns. Es geht ihm um unsere Entscheidung: für oder gegen IHN. Ganz oder gar nicht.

Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. sagt ER.
Das Element Feuer ist in der Sprache der Bibel ein Bild für das Wirken, die Anwesenheit Gottes. Als Feuersäule geht er dem Volk Israel in der Wüste voran. Im Feuer, das brennt aber nicht verbrennt, offenbart es sich dem Mose. Das Feuer von oben verzehrt das Opfer des Abraham.
Das Feuer ist aber auch Bild für die Prüfung, die Reinigung, die Entscheidung. Mit einer glühenden Kohle wird die Zunge Jesajas von Engeln gereinigt. Oft spricht die Schrift davon, dass Menschen wie Gold im Feuer gereinigt werden müssen.

Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen.
Der Herr will, dass wir uns für IHN entscheiden. Ganz Feuer und Flamme für IHN sind. Für IHN, der wie er sagt mit einer Taufe getauft werden muss. Er meint damit sein Kreuz.
„Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe“ überliefert der Kirchenvater ein Wort Jesu, das nicht zur Bibel gehört.

Wer Jesus nahe sein will, muss sich entscheiden. Und das ist nicht immer leicht. Jesus ist ja nicht einer, der mit schönen Kalendersprüchen daherkommt. Für fromme Allgemeinplätze und nette Benimmregeln ist er nicht ans Kreuz geschlagen worden. Er starb am Holze des Kreuzes, weil er sich als der Sohn Gottes offenbarte.

„Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe“ – An Jesus scheiden sich die Geister. Und deshalb auch die Menschen. Wer sich für Christus entscheidet, erntet nicht unbedingt Applaus. Es kann sein, dass sich Menschen von ihm abwenden, dass Freundschaften infrage gestellt werden, dass es auch zuhause zu Konflikten kommt. Darauf geht der Herr deutlich ein, wenn er sagt: Denn von nun an wird es so sein: Wenn fünf Menschen im gleichen Haus leben, wird Zwietracht herrschen: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei.

Wer sich für Christus entscheidet – und damit auch für seine Kirche – kann nicht nur mit Zustimmung rechnen. Gerade in einer Zeit, wo man das Religiöse einzuebnen versucht in ein esoterisches Wohlgefühl oder zu pädagogisieren versucht, als sei Religion nur eine Art wohlfeile Moral für Gutmenschen. Diese Form der unverbindlichen Religiosität scheint mit in unseren Tagen vorherrschend zu sein, eine Art kleinster gemeinsamer Nenner, nach dem Motto: Irgendwie glauben wir doch alle an den einen Gott.

Ein Christ aber, glaubt nicht irgendwie an einen Gott. Er sieht das Antlitz Gottes in Jesus Christus. Und jeder, der in die Augen Jesu schaut, muß sich entscheiden: für oder gegen ihn. Damit einher geht die Entscheidung für die Kirche, seinen mystischen Leib.

Vielen scheint eine solche feste Haltung unmöglich zu sein. Deshalb tut es gut, spornt es an, auf Menschen zu blicken, die sich entschieden haben. Es tut gut sich ein Vorbild an den Heiligen und Seligen zu nehmen.
An ihnen hat mich immer wieder fasziniert, dass sie, nachdem sie sich ganz für Christus entschieden hatten, innerlich frei waren, um für das wirklich Gute einzutreten. Ich denke da z. B. an Mutter Teresa, an Thomas Morus, an Elisabeth von Thüringen oder auch an die Gründerin des Ordens unserer Schwestern in Grafenwald, an Magdalena Postel.

Aber ist das was für uns? Nehmen wir da den Mund nicht etwas zu voll, wenn wir uns mit Heiligen messen wollen?

Die Antwort gibt die Lesung aus dem Hebräerbrief:
Da uns eine solche Wolke von Glaubenszeugen umgibt, wollen auch wir alle Last und die Fesseln der Sünde abwerfen. Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der uns aufgetragen ist, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender unseres Glaubens; er hat angesichts der vor ihm liegenden Freude das Kreuz auf sich genommen, ohne auf die Schande zu achten, und sich zur Rechten von Gottes Thron gesetzt.

Das Vorbild der Heiligen und Seligen - die nicht vom Himmel gefallen, sondern auf der Erde gewachsen sind – kann uns ein Ansporn sein, es ihnen gleichzutun. Zumindest uns zu bemühen.

Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe. – Für Christus und seine Kirche brennen – das ist Heiligkeit.
Und es ist ein offenes Geheimnis, dass es Weltkrisen gibt, weil es an Heiligen mangelt.

Es liegt auch an Ihnen, Dir und mir und der Art, wie wir unseren Glauben ernstnehmen, ob sich etwas zum Guten wendet oder nicht.

122. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Vermutlich haben Sie schon mal etwas von den amerikanischen Fernsehpredigern gehört. Sie erreichen hohe Einschaltquoten und können sich durchaus mit den kommerziellen Fernsehshows messen. Sie sind erfüllt von guter Laune, sie feiern den Überfluß und sie bieten den Menschen genau das, was sie sehen und hören wollen. Sie tun damit wahrscheinlich ziemlich genau das Gegenteil von dem, was Jesus getan hat, denn Jesus hat den Menschen nicht das geboten, was sie wollten, sondern nur das, was ihnen nottat. Das heutige Evangelium gibt uns da ein eindrucksvolles, ja bestürzendes Beispiel.

Vielleicht sind wir schon zu sehr von der geruhsamen Fernseh-Welt eingelullt, daß wir für diese Worte gar kein Verständnis mehr aufbringen. Und doch haben sie über die Jahrhunderte ihr Echo gefunden und Menschen aus falschen Bahnen geworfen – hinein in eine lebendige Beziehung zu Christus. So der berühmte Philosoph Blaise Pascal, in dessen Rock man nach seinem Tode die folgenden Worte auf einem Zettel eingenäht fand:

„Feuer, Gewißheit, Gewißheit, Empfindung, Freude, Friede, Vergessen der Welt und aller Dinge, ausgenommen Gott.“

Ja, Pascal und viele andere haben es erfaßt, was Jesus wollte, nämlich Feuer auf die Erde werfen, das Feuer der göttlichen Liebe, den Heiligen Geist! Mit Leidenschaft gegen Gleichgültigkeit und Trägheit ankämpfen trotz allen Widerstands, ja, Widerstands bis zum Tod! Wenn unsereins, besonders aber die Fernseh-Leute von Liebe sprechen, dann spürt man wenig von innerer Glut, von Entschiedenheit und der unbeirrbaren Bereitschaft, allen Widerständen entgegenzutreten. Im Fernsehen werden uns überwiegend erotische Hochglanz-Bilder präsentiert, lächelnde, vor Gesundheit strotzende Stars, die allseits beliebt sind und von Moral wenig verstehen, geschweige denn praktizieren. Da ist kein Feuer, weder heiß noch kalt, sondern es weht eine laue Luft, eine unentschiedene Beliebigkeit und zugleich eine naive Weltfremdheit, die alles als Unterhaltung und Amüsement aufnimmt, aber keine Ernsthaftigkeit kennt.

Das Feuer der Liebe Christi kommt aus einer ganz anderen Welt. Es drängt zur Entscheidung, und wen es in Brand gesetzt hat, der kann gar nicht anders, er muß dieses Feuer weitergeben, zugleich aber der satten Seichtheit des bloßen Zeitvertreibs entsagen. Da kann es schon mal passieren, daß ein Jugendlicher seinen Eltern sagt: „Ich will Priester werden“ – und die Eltern sind bestürzt, in weitaus größerer Aufregung, als wenn er ein uneheliches Kind gezeugt hätte. Eine solche Situation meinte Jesus beispielsweise, als er davon sprach, daß er nicht Frieden, sondern Spaltung bringen wollte – nicht weil er etwas gegen Harmonie und Eintracht hatte, sondern weil das Feuer der Liebe es nicht duldet, wenn man es mit der Gemütlichkeit der Gartenlaube zu ersticken sucht.

Oft habe ich allerdings das Gefühl, die geruhsame Gartenlauben-Mentalität habe schon so sehr von uns Christen Besitz ergriffen, daß es gar nicht mehr dazu kommt, daß junge Menschen daraus ausbrechen und dem Feuereifer Christi nachstreben wollen. „Wie froh wäre ich“, sagt Jesus, das Feuer wäre schon entfacht. Müssen wir uns diese Sehnsucht Jesu nicht zu eigen machen und alles daran setzen, daß unsere Kinder und natürlich zuerst auch wir selbst von der Liebe Jesu in Brand gesetzt werden?

Bei meiner Primiz hat ein guter Freund gepredigt und dabei u.a. das Stichwort gebraucht: „Ihr müßt Kohlen nachlegen, sonst geht der Ofen aus.“ Der Feuerofen der Liebe Gottes, der seit der Taufe in unseren Herzen brennt, braucht immer wieder neue Kohlen, die ihn neu entflammen. Das Feuer kann erkalten, gewiß. Aber wir können diesem Feuer auch wieder neue Nahrung geben, gleichsam Kohlen ins Feuer werfen. Und wie macht man das?

  • Jesus suchen im Gebet und in der Lektüre der Bibel. Er selbst war es, der den Jüngern den Sinn der Schrift erschloß, und er erschließt sich dort auch uns.
  • Jesus suchen in seiner Gemeinde, seiner Kirche. Jeder kann dem anderen ein zweiter Christus sein. Freilich nur unvollkommen, facettenhaft. Aber so ist es. Schauen Sie auf Ihre Mitchristen in diesem Sinne, lassen Sie sich von den positiven Seiten der Anderen mitreißen, anstatt nach negativen zu suchen und über sie herzufallen. Unsere Kirche heute leidet ja wohl vor allem daran, daß der eine dem andern zunächst mal etwas Schlechtes unterstellt und das Gute nicht anerkennen will. Wieviel Kraft geht dadurch verloren, wieviel Enttäuschung wird so provoziert, wieviel Kälte bricht so in die Kirche ein!

Öffnen wir uns dem Originalton der Stimme Jesu Christi, der uns aufruft, ihm allein zu vertrauen und seiner Liebe mit Entschiedenheit nachzufolgen.

Vgl. Neil Postman:Wir amüsieren uns zu Tode. Frankfurt 1988, S. 149.

123. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Schwestern und Brüder!

„Die Hölle gibt es doch gar nicht!“ oder „Die Hölle ist leer!“
So höre ich viele Menschen reden. Auch viele Christen.

Die Menschen glauben zwar größtenteils daran, dass es nach dem Tode irgendwie weitergeht;

aber den Glauben daran, dass im Jenseits die Guten von den Bösen geschieden werden, die einen in den Himmel, die anderen an einen Ort der ewigen Verdammnis kommen – diesen Glauben verweisen die meisten Menschen –eben auch viele Christen- in das Reich der Legenden.

Nun, an einer gewissen Ablehnung des Gerichtsgedanken ist auch etwas Richtiges dran:
Ein Glaube der sich nur an Gott und an das Gute hält, weil man Angst hat, in der Hölle zu landen, ist ein nicht sehr befreiender Glaube.
Gott und den Menschen soll man lieben, weil beide liebenswert sind, und nicht allein, weil sonst das ewige Feuer droht.
Eine Ehe, die nur aufrechterhalten wird, weil sonst Unterhaltszahlungen drohen, ist keine echte Ehe mehr, erst recht keine Liebe.

Dennoch: Das Leben aus der Sicht des berühmten Karnevalsliedes „Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel“ zu beurteilen hat verheerende Folgen.

Das wäre ein Freibrief für jeden und jede, das zu tun, wonach es einem gerade gelüstet. Nach dem Motto:
Ob ich kaufe oder stehle, ob ich die Wahrheit sage oder lüge, ob ich töte oder das Leben der anderen achte, ist ja egal:
Zum Schluss komme ich ja ohnehin in den Himmel.
Der barmherzige Vater im Himmel degeneriert dann zum treudoofen Onkel.

Ein Glaube, der ein Gericht ablehnt, nimmt unser Leben dann nicht wirklich ernst.
Sowohl das Leben der Heiligen und Seligen, als auch das Leben, der Hitlers und Stalins aller Zeiten.
Aber auch Ihr Leben und das meinige nimmt eine solche Haltung nicht ernst.

Machen wir uns nichts vor:
Es gibt so etwas wie das persönliche Gericht eines jeden Menschen vor Gott.
Bei Gericht dürfen wir nicht daran denken, dass dort ein willkürlicher Despot sitzt und nach Lust und Laune verurteilt. Ein Richter nimmt sorgfältig auf, was war und ist. Danach entscheidet er.
Denn Gott nimmt unser Leben ernst. Er nimmt das ernst, was wir sind und was wir tun.
Das ist keine Drohung, keine Drohbotschaft, mit der ich Ihnen Angst einjagen will.
Das ist eine Frohbotschaft, die die Liebe Gottes zu uns Menschen ausdrückt. Nur wer wirklich liebt, nimmt den Geliebten auch wirklich ernst.

Es ist Gott eben nicht egal, was wir tun und wie wir leben, so wie es Eltern nicht egal sein kann, was ihre Kinder tun und wie sie leben.

Gott nimmt uns ernst.
Nichts anderes hat Jesus, unser Herr, immer und immer wieder gesagt.
Zum Beispiel beantwortet er die Frage aus dem Evangelium heute: „Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?“
indem er auf den Ernst des Lebens verweist: „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen!“

Es geht Jesus nicht darum, stur und leblos irgendwelche Gebote einzuhalten, um mit einer weißen Weste durchs Leben zu kommen.

Es geht ihm darum, dass wir auf das unbedingte JA! der Liebe Gottes zu uns mit einem ebenfalls unbedingten JA! zu Gott antworten. Darauf kommt es am Ende an. Nicht mehr. Nicht weniger.

Aber dieses JA! gilt es einzuüben. Und dazu helfen uns die Gebote Gottes, die Gottes- und die Nächstenliebe.
Wir müssen dieses JA! schon hier und jetzt leben. Wir können dieses JA! nicht auf die Ewigkeit verschieben. Dann ist nämlich die Türe zu, und wir stehen draußen.

Wessen Leben immer nur aus halbherzigen „JA, irgendwie schon“, „JA, morgen“ „JA, vielleicht“ bestanden hat,
oder wessen Leben eine ganze Reihe von bewussten, deutlichen und ausdrücklichen „NEIN!“ beinhaltet hatte, für den wird es unter Umständen in der Ewigkeit zu spät sein. Dann nämlich ist die Tür ein für alle mal verriegelt. Das ist die Botschaft des heutigen Evangeliums.

Liebe Schwestern und Brüder!
Noch einmal: Dies ist keine Drohbotschaft.
Das Evangelium endet ja schließlich mit einer hoffnungsfrohen Vision: Aus allen Himmelsrichtungen kommen Scharen von Menschen, die im Reich Gottes zu Tische sitzen, die also „Drin“ sind.
Übrigens hat die Kirche nie gesagt, wer in der Hölle sei, sondern nur die Seligen und Heiligen genannt, von denen wir glauben, dass sie schon im Himmel sind.

Für uns Christen gilt, dass wir die begründete Hoffnung auf einen „Freispruch“ haben, weil Jesus Christus selbst für uns eintritt. Schließlich ist er genau darum Mensch geworden, um für uns einzutreten. Und mit einem solchen Anwalt können wir das Gericht wirklich bestehen

Wenn wir uns bemühen, dann dürfen wir – egal, ob es uns immer gelingt oder vielleicht auch nicht- uns auch getrost auf die Barmherzigkeit Gottes verlassen.
Bemühen müssen wir uns aber schon: „Müht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen.“

124. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Ein erfolgreicher Vertreter verliert wegen Alkohol am Steuer seinen Führerschein und damit auch seine Arbeit; er kann die monatlichen Zinsen und Tilgung für seinen Neubau nicht mehr bezahlen, verliert auch noch sein Haus und sackt ein paar Stufen ab. Seine früheren Freunde gehen ihm nun öfter aus dem Weg, seine drei Kinder werden von ihren ehemaligen Freunden geärgert, weil sie sich die angesagten Klamotten nicht mehr leisten können. Und Sprüche kann er sich genug anhören: „Das kommt davon, wenn man zu hoch hinaus will! Man sollte auch nicht soviel trinken!“ – Und ein ganz aktuelles Beispiel: Ein Politiker und Bürgermeisterkandidat hat seinen Lebenslauf gefälscht und unrechtmäßig vorgegeben, einen Doktortitel zu besitzen. Kurz vor der Wahl fliegt seine Hochstapelei auf. Er muss seine Kandidatur zurückziehen, verliert alle Anerkennung und muss mit einem Strafverfahren rechnen. Die neue Existenz, die er sich gerade aufzubauen im Begriff war, ist ein Scherbenhaufen.

Zwei Streiflichter durch unsere Welt, beliebig lassen sich ähnliche Beispiele finden. „Wer zu stehen meint, der gebe acht, dass er nicht fällt“, mahnt schon der Apostel Paulus (1 Kor10,12). Und der Volksmund sagt: „Hochmut kommt vor dem Fall.“ – Das ist die eine Seite: Wer zu den Ersten gehört hat, kann plötzlich auf der Verliererseite stehen, auf dem letzten Platz. – Aber rechtfertigt das die Häme und Schadenfreude der anderen? Das ist die andere Seite: Mit Hinweis auf den eigenen guten Leumund neigen wir Menschen dazu, andere zu verachten, die aus welchem Grund auch immer auf einen der letzten Plätze abgerutscht sind. Es ist immer leicht, die Fehltritte anderer aufzudecken und sich darüber zu erheben, aber wir sollten, bevor wir das tun, das Wort Jesu bedenken: „Ja, es gibt Letzte, die Erste sein werden, und es gibt Erste, die Letzte sein werden.“

Dieses Wort Jesu wie auch sein Bildwort von der engen Tür sind eine Mahnung an uns, jeden Tag umzukehren. „Herr, Herr“ sagen allein genügt nicht, auch nicht die regelmäßige Mahlgemeinschaft mit Jesus bei der Heiligen Messe und das Hören der Verkündigung, denn wir sollen „nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit“ (1 Joh 3,18). „Bemüht euch mit allen Kräften!“, sagt Jesus, denn die Umkehr, die von uns gefordert ist, ist schwer, und auch uns gilt die Mahnung: „Wer zu stehen meint, der gebe acht, dass er nicht fällt.“

Das Wort Jesu von den Ersten und den Letzten hat diese zwei Seiten: Mahnung für diejenigen, die sich allzu sicher wähnen, und Trost für diejenigen, die verzweifelt sind. Jesus ist weit davon entfernt, ein Schwarz-Weiß-Bild zu zeichnen, das es uns ermöglichen würde, die Menschheit in Gute und Böse einzuteilen und schnell unseren Platz auf der Seite der Guten zu finden. Es soll uns vielmehr helfen, beide Seiten in uns selbst zu entdecken: den Hochmut zu bändigen und der Verzagtheit mit Mut zu begegnen.

Jesus nennt keine Zahlen, wie viele Menschen gerettet werden. Das hätten wir vielleicht gerne, um uns eine Sicherheit zu verschaffen und uns dann auf unseren Lorbeeren ausruhen zu können. Gegen ein solches Missverständnis setzt Jesus das Wort von der engen Tür. Nicht um damit zu sagen, dass die Chance, gerettet zu werden, gering ist, sondern um uns vor trügerischer Selbstsicherheit zu bewahren.

Das Bildwort von der Tür sagt doch zuerst dies: Die Tür steht für alle offen; „Gott will, dass alle gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.“ (1 Tim 2,4) Die Frage ist nur: Schätzen wir das auch recht ein? Schätzen wir uns selber richtig ein? Ich meine damit: Sehen wir, dass wir selber zuerst der Gnade Gottes bedürfen, und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder? Wenn ich die Fehler anderer so klar erkenne, sind mir meine eigenen genauso bewusst? Wenn ich mich unter den Ersten wähne, halte ich das dann für mein Verdienst? (Oder bin ich vielleicht nur bisher nicht erwischt worden?)

In einem Hochgebet heißt es: „Wäge nicht unser Verdienst, sondern schenke gnädig Verzeihung.“ Das ist die richtige Haltung vor Gott, und wer sie einnimmt, der wird sich schwerlich über einen anderen Menschen erheben, ihn verurteilen oder abschreiben. Wenn wir diese Haltung einnehmen, können wir immer wieder Trost, Kraft und Mut gewinnen und eine Geborgenheit in Gott erfahren, die unser Glaube in erster Linie schenkt. Und dann ist es auch selbstverständlich und leicht, diese Aufrichtung des Glaubens auch anderen zuzugestehen, gerade den vermeintlich Letzten. Sonst kehrt sich das Verhältnis von Ersten und Letzten leicht um.

125. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Die Schriftlesungen des heutigen Sonntags empfehlen eine Tugend, die heute nur selten genannt wird und für viele sogar negativ besetzt ist: die Demut. Viele verstehen unter Demut oft nur ihr Zerrbild: sie haben einen schwachen, mit Minderwertigkeitskomple-xen beladenen Typ vor Augen oder einen schmierigen Kriechertyp, deren falsche Be-scheidenheit vorwiegend dazu dient, ihrer eigenen Verantwortung aus dem Weg zu gehen. In Wahrheit geht es jedoch um das Ideal des Menschen, der sich selbst recht ein-zuschätzen weiß und sich nichts auf seine Charaktereigenschaften, Titel und Erfolge ein-bildet.

Der hl. Pfarrer von Ars hat gesagt: „Die Demut ist das Fundament aller anderen Tugen-den. Wenn sie uns fehlt, nützen uns alle anderen Tugenden nichts.“

Das klingt übertrieben. Wir können es aber nachvollziehen, wenn wir uns das entge-gengesetzte Laster vergegenwärtigen, den Hochmut oder Eigendünkel. Unsre Sprache hat dafür noch weitere Ausdrücke: Überheblichkeit, Arroganz, Hybris, Eitelkeit und Aufgeblasenheit. Es gilt zwar erstens: Kein Fehler macht einen anderen so unbeliebt wie der Hochmut. Aber andererseits gibt es auch keinen Fehler, den wir so schwer bei uns selbst bemerken. Je hochmütiger wir selber sind, um so weniger fällt es uns auf, aber um so mehr verdammen wir den Hochmut bei anderen. Je mehr ich selbst im Mittelpunkt stehen will, um so mehr ärgert es mich, wenn ein anderer sich in den Mittelpunkt stellt. Je mehr ich mich in meiner eigenen Überlegenheit über andere sonne, um so mehr trifft es mich, wenn ein anderer seine Überlegenheit über mich herausstellt, mich von oben herab behandelt oder mich zurücksetzt.

Der Hochmut lebt wesensmäßig von der Konkurrenz, vom Vergleich mit anderen; er ist das Vergnügen, anderen überlegen zu sein. Er verlangt nach Wettbewerb und kennt darum keine Grenzen. Der Hochmut macht die Menschen untereinander zu Feinden, ja, er ist die Feindschaft schlechthin. Er ist der Hauptgrund für alles Elend in jedem Volk und jeder Familie. Er ist ein geistiger Krebs, der den letzten Rest von Liebe, von Zufrie-denheit und sogar von gesundem Menschenverstand zerstört. Dies sehen wir heute z.B. an einer Unterart des Hochmuts, der Eitelkeit und dem Körperkult. Studien der letzten vierzig Jahre belegen, dass die Zufriedenheit der Menschen mit ihrem eigenen Aussehen dramatisch gesunken ist, gerade weil für die Selbstverschönerung ein immer höherer Aufwand betrieben wurde. Je mehr man investiert, um so größer sind die Chancen, un-zufrieden zu sein.

Wo der Hochmut die Herzen der Menschen bestimmt, da herrscht eine Hackordnung, die keine Rücksicht kennt. Jeder benutzt den anderen als Mittel zur eigenen Selbststei-gerung, als Trittbrett um höherzukommen. Die anderen werden klein gemacht, damit man selbst als der Größere dasteht. Das gibt es schon bei Kindern, in Jugendgruppen, nicht selten auch in Ehen und Familien. Ins Maßlose gesteigert, ist der Hochmut das Strukturprinzip der Hölle.

Wir dürfen nicht verkennen, dass auch wir selbst infiziert sind von Hochmut und Selbst-herrlichkeit. Wir haben im Herzen böse Antriebe. Aber wir können auch auf gute Erfah-rungen zurückblicken: Wenn wir z.B. ganz selbstvergessen beim anderen waren und die Sorge um unser eigenes Ich gar keine Rolle spielte – ging es uns da nicht besser als bei anderen Gelegenheiten, wo wir uns fast zwanghaft mit anderen vergleichen mussten und ständig das Gefühl hatten, zu kurz zu kommen? Haben wir es nicht schon wieder-holt erlebt, dass andere Menschen uns gerade dann sympathisch fanden, wenn wir uns bescheiden zurückgehalten haben, anstatt unsere Person in den Vordergrund zu schie-ben? Zeigt uns also nicht die Selbstbeobachtung, dass der Hochmut in der Tat Unzufrie-denheit und Unfrieden erzeugt?

Jesus sagt prägnant: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst er-niedrigt, wird erhöht werden.“ Damit will er keine rein menschliche Klugheitsregel aufstel-len, in dem Sinne, wie Friedrich Nietzsche das Wort verdreht hat: „Wer sich selbst er-niedrigt, will erhöht werden.“ Vielmehr meint er den ewigen Ausgleich durch den gött-lichen Richter, wie es im Spruch heißt: „Gott tritt den Stolzen entgegen, den Demütigen aber schenkt er seine Gnade.“ (Jak 4,6; 1 Petr 5,5) Doch das ewige Gericht zeichnet sich schon in diesem Leben ab: die Hochmütigen sind unbeliebt und voller Verbitterung, und allein die wahrhaft demütigen Menschen haben nicht nur viele Freunde, sondern auch ein frohes Herz – wie Maria, die von sich sagt: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, denn auf die Demut seiner Magd hat er geschaut.“ (Lk 1,46.48)

126. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Am letzten Sonntag habe ich über die Demut und ihren Gegensatz, den Hochmut, gesprochen. Heute möchte ich den Faden wieder aufnehmen und ein anderes Gegensatzpaar bedenken, das aus der Reihe der so genannten sieben Todsünden genommen ist: die Trägheit bzw. ihren positiven Gegensatz, den Starkmut.

Hierzu möchte ich anknüpfen an den Vergleich, den Jesus im heutigen Evangelium anstellt: „Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen?“ Wer das Ziel will, der muss auch die Mittel wollen. Das aber ist keineswegs selbstverständlich; vielmehr kommt es immer wieder vor, dass man eine Sache zwar eigentlich haben will, aber man hat keine Lust, das dazu Nötige einzusetzen. So würden viele gern mit dem Rauchen aufhören, aber sie scheuen die Entzugserscheinungen. Oder jemand würde gern Englisch sprechen können, aber er sieht sich gegen die Arbeit an, die er investieren müsste. Beispiele gibt es genug, die das illustrieren, wogegen Jesus sich wendet.

Dass wir es hier mit der Trägheit zu tun haben, leuchtet vermutlich leicht ein. Was aber ist die Trägheit eigentlich, und warum wird sie von den Theologen als eine der sieben Haupt- oder Todsünden angesehen? Wenn wir die Trägheit beschränken würden auf Faulheit und Bequemlichkeit, dann ließe sich das allerdings nicht einsehen. Warum sollte der Müßiggang „aller Laster Anfang“ sein? Nicht die Muße ist schlecht, und auch die Neigung zur Bequemlichkeit ist noch keine Sünde; aber die Geisteshaltung, die sich dahinter verbirgt oder verbergen kann, hat tatsächlich etwas an sich, das direkt gegen Gott gerichtet ist, und darum geht es bei dem Laster, das die Alten „acedia“ genannt haben und das sowohl Trägheit als auch Traurigkeit einschließt. Gemeint ist die Verweigerung von Anstrengung, insbesondere von geistiger Anstrengung – und zwar aus einem Gefühl der Traurigkeit und Verzagtheit heraus, das Sören Kierkegaard als „Verzweiflung der Schwachheit“ bezeichnet hat. Wer von dieser Verzweiflung der Schwachheit befallen ist, wagt es nicht mehr, er selbst zu sein; er weigert sich, sein eigenes Wesen und seine Berufung anzunehmen: sie ist ihm zu hoch und zu schwer, denn sie mutet ihm eine Würde zu, die ihm eben als Zumutung erscheint, als etwas, für das er sich zu schwach fühlt – „Verzweiflung der Schwachheit“. Das gibt es bei Erwachsenen und sogar schon bei Kindern. Neulich war ich in der Grundschule, um für den morgigen Familiengottesdienst zu werben. Daraufhin sagte mir ein Junge: „Das ist nichts für uns. Wir schlafen immer bis halb 10.“ Entscheidend war die Verachtung, die in seinen Worten lag: Wie kann man nur so blöd sein, für den Gottesdienst früher aufzustehen? Wie können Sie mir bloß eine solche Überwindung zumuten? – Ich frage mich dagegen entsetzt: Wie kann man nur seine Kinder schon in so jungen Jahren zu solch erbärmlicher Trägheit und Respektlosigkeit erziehen?

Der Mensch, der von Trägheit geprägt ist, weicht seiner Berufung aus, er geht sich selbst aus dem Weg und verliert sich in Ablenkungen jeder Art. Er ist wie Jona, der vor Gott fliehen will, damit er den schweren Auftrag nicht ausführen muss. Die Berufung zu einem ewigen Leben bei Gott macht ihn nicht froh, sondern ärgert ihn, so wie er überhaupt über alles unzufrieden und nörglerisch ist. Weil er sich nicht vorstellen kann und will, dass es Freude an Gott gibt, kann er nicht mehr danken. Im Extremfall wird er depressiv und lebensüberdrüssig. Wenn Gott ihm schon das Leben geschenkt hat, so räsoniert er, dann müsse er ihm die Erfüllung dieses Lebens gefälligst in den Schoß legen, anstatt ihn aufzufordern, an seiner Vervollkommnung selbst zu arbeiten.

Von hier aus verstehen wir vielleicht besser, warum der hl. Thomas von Aquin die Trägheit das „Kopfpolster Satans“ genannt hat. Vielleicht kommen wir sogar dahin, wenigstens ansatzweise die schockierenden Sätze Jesu aus dem heutigen Evangelium zu verstehen: über das Geringachten von familiären Banden, Leib und Leben im Vergleich zum Reich Gottes, das Jesus als unmittelbar nahe gekommen ansah. Wer dieses Ziel so klar im Blick hatte wie Jesus, der musste nun auch die Mittel ergreifen, die zu ihm hinführten und alles andere hintanstellen: Nur wer das wollte, der konnte Jünger Jesu sein und mit ihm eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft bilden. Bloßes kraftloses Wünschen hilft nichts, wenn das Ziel durch allerlei Hindernisse verstellt ist. Da muss man die Hindernisse ausräumen! Wer das nicht tun will, sondern untätig herumsteht und andere machen lässt, der arbeitet dem Ziel entgegen.

Im Grunde ist das klar. Anstößig für uns ist eher die Übertragung dieser Forderungen Jesu auf die ganze Gemeinde, für die weder klar ist, dass die Welt jeden Augenblick untergehen kann, noch, dass familiäre Beziehungen dem Reich Gottes im Weg stehen. Aber will der Evangelist die Forderung Jesu wirklich buchstäblich auf seine Gemeinde und sogar auf alle späteren Gemeinden übertragen? – Es geht doch wohl eher um die geistige Haltung und Konsequenz, von denen wir unser Handeln bestimmen lassen sollen – je nach den Umständen mal so, mal so, aber eben überzeugt, unbeirrt und mit frohem und starkem Mut. D.h. wenn man z.B. spürt, dass die Blutsbande ein Hindernis für den Glauben sind, dann muss man sich davon befreien; oder wenn man merkt, dass die weltliche Karriere oder das Luxusleben nach und nach die Religiösität ersticken, dann muss man sich nach Alternativen umsehen; wer diese Konsequenz fürchtet, ruht sich auf dem Kopfkissen des Teufels aus.

Der Trägheit und der geistigen Unlust ist die Tugend der Tapferkeit oder des Starkmutes entgegengesetzt. Wie gewinnt man Starkmut? In erster Linie durch mentales Training, durch das Betrachten des geistig Edlen und Schönen, also u.a. auch durch das, was wir hier im Gottesdienst tun: Kontemplation Gottes und seiner Herrlichkeit, für die es sich lohnt, sich anzustrengen. Auch die Betrachtung der Hässlichkeit der feigen Bequemlichkeit kann uns aufrütteln: „Mir nach spricht Christus, unser Held, mir nach, ihr Christen alle. … Ein böser Knecht, der still kann stehn, sieht er voran den Feldherrn gehen.“

Vgl. Heiko Ernst: Wie uns der Teufel reitet. Von der Aktualität der 7 Todsünden. Berlin: Ullstein, 2006, 183.

Am letzten Sonntag habe ich über die Demut und ihren Gegensatz, den Hochmut, gesprochen. Heute möchte ich den Faden wieder aufnehmen und ein anderes Gegensatzpaar bedenken, das aus der Reihe der so genannten sieben Todsünden genommen ist: die Trägheit bzw. ihren positiven Gegensatz, den Starkmut.

Hierzu möchte ich anknüpfen an den Vergleich, den Jesus im heutigen Evangelium anstellt: „Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen?“ Wer das Ziel will, der muss auch die Mittel wollen. Das aber ist keineswegs selbstverständlich; vielmehr kommt es immer wieder vor, dass man eine Sache zwar eigentlich haben will, aber man hat keine Lust, das dazu Nötige einzusetzen. So würden viele gern mit dem Rauchen aufhören, aber sie scheuen die Entzugserscheinungen. Oder jemand würde gern Englisch sprechen können, aber er sieht sich gegen die Arbeit an, die er investieren müsste. Beispiele gibt es genug, die das illustrieren, wogegen Jesus sich wendet.

Dass wir es hier mit der Trägheit zu tun haben, leuchtet vermutlich leicht ein. Was aber ist die Trägheit eigentlich, und warum wird sie von den Theologen als eine der sieben Haupt- oder Todsünden angesehen? Wenn wir die Trägheit beschränken würden auf Faulheit und Bequemlichkeit, dann ließe sich das allerdings nicht einsehen. Warum sollte der Müßiggang „aller Laster Anfang“ sein? Nicht die Muße ist schlecht, und auch die Neigung zur Bequemlichkeit ist noch keine Sünde; aber die Geisteshaltung, die sich dahinter verbirgt oder verbergen kann, hat tatsächlich etwas an sich, das direkt gegen Gott gerichtet ist, und darum geht es bei dem Laster, das die Alten „acedia“ genannt haben und das sowohl Trägheit als auch Traurigkeit einschließt. Gemeint ist die Verweigerung von Anstrengung, insbesondere von geistiger Anstrengung – und zwar aus einem Gefühl der Traurigkeit und Verzagtheit heraus, das Sören Kierkegaard als „Verzweiflung der Schwachheit“ bezeichnet hat. Wer von dieser Verzweiflung der Schwachheit befallen ist, wagt es nicht mehr, er selbst zu sein; er weigert sich, sein eigenes Wesen und seine Berufung anzunehmen: sie ist ihm zu hoch und zu schwer, denn sie mutet ihm eine Würde zu, die ihm eben als Zumutung erscheint, als etwas, für das er sich zu schwach fühlt – „Verzweiflung der Schwachheit“. Das gibt es bei Erwachsenen und sogar schon bei Kindern. Neulich war ich in der Grundschule, um für den morgigen Familiengottesdienst zu werben. Daraufhin sagte mir ein Junge: „Das ist nichts für uns. Wir schlafen immer bis halb 10.“ Entscheidend war die Verachtung, die in seinen Worten lag: Wie kann man nur so blöd sein, für den Gottesdienst früher aufzustehen? Wie können Sie mir bloß eine solche Überwindung zumuten? – Ich frage mich dagegen entsetzt: Wie kann man nur seine Kinder schon in so jungen Jahren zu solch erbärmlicher Trägheit und Respektlosigkeit erziehen?

Der Mensch, der von Trägheit geprägt ist, weicht seiner Berufung aus, er geht sich selbst aus dem Weg und verliert sich in Ablenkungen jeder Art. Er ist wie Jona, der vor Gott fliehen will, damit er den schweren Auftrag nicht ausführen muss. Die Berufung zu einem ewigen Leben bei Gott macht ihn nicht froh, sondern ärgert ihn, so wie er überhaupt über alles unzufrieden und nörglerisch ist. Weil er sich nicht vorstellen kann und will, dass es Freude an Gott gibt, kann er nicht mehr danken. Im Extremfall wird er depressiv und lebensüberdrüssig. Wenn Gott ihm schon das Leben geschenkt hat, so räsoniert er, dann müsse er ihm die Erfüllung dieses Lebens gefälligst in den Schoß legen, anstatt ihn aufzufordern, an seiner Vervollkommnung selbst zu arbeiten.

Von hier aus verstehen wir vielleicht besser, warum der hl. Thomas von Aquin die Trägheit das „Kopfpolster Satans“ genannt hat. Vielleicht kommen wir sogar dahin, wenigstens ansatzweise die schockierenden Sätze Jesu aus dem heutigen Evangelium zu verstehen: über das Geringachten von familiären Banden, Leib und Leben im Vergleich zum Reich Gottes, das Jesus als unmittelbar nahe gekommen ansah. Wer dieses Ziel so klar im Blick hatte wie Jesus, der musste nun auch die Mittel ergreifen, die zu ihm hinführten und alles andere hintanstellen: Nur wer das wollte, der konnte Jünger Jesu sein und mit ihm eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft bilden. Bloßes kraftloses Wünschen hilft nichts, wenn das Ziel durch allerlei Hindernisse verstellt ist. Da muss man die Hindernisse ausräumen! Wer das nicht tun will, sondern untätig herumsteht und andere machen lässt, der arbeitet dem Ziel entgegen.

Im Grunde ist das klar. Anstößig für uns ist eher die Übertragung dieser Forderungen Jesu auf die ganze Gemeinde, für die weder klar ist, dass die Welt jeden Augenblick untergehen kann, noch, dass familiäre Beziehungen dem Reich Gottes im Weg stehen. Aber will der Evangelist die Forderung Jesu wirklich buchstäblich auf seine Gemeinde und sogar auf alle späteren Gemeinden übertragen? – Es geht doch wohl eher um die geistige Haltung und Konsequenz, von denen wir unser Handeln bestimmen lassen sollen – je nach den Umständen mal so, mal so, aber eben überzeugt, unbeirrt und mit frohem und starkem Mut. D.h. wenn man z.B. spürt, dass die Blutsbande ein Hindernis für den Glauben sind, dann muss man sich davon befreien; oder wenn man merkt, dass die weltliche Karriere oder das Luxusleben nach und nach die Religiösität ersticken, dann muss man sich nach Alternativen umsehen; wer diese Konsequenz fürchtet, ruht sich auf dem Kopfkissen des Teufels aus.

Der Trägheit und der geistigen Unlust ist die Tugend der Tapferkeit oder des Starkmutes entgegengesetzt. Wie gewinnt man Starkmut? In erster Linie durch mentales Training, durch das Betrachten des geistig Edlen und Schönen, also u.a. auch durch das, was wir hier im Gottesdienst tun: Kontemplation Gottes und seiner Herrlichkeit, für die es sich lohnt, sich anzustrengen. Auch die Betrachtung der Hässlichkeit der feigen Bequemlichkeit kann uns aufrütteln: „Mir nach spricht Christus, unser Held, mir nach, ihr Christen alle. … Ein böser Knecht, der still kann stehn, sieht er voran den Feldherrn gehen.“

Vgl. Heiko Ernst: Wie uns der Teufel reitet. Von der Aktualität der 7 Todsünden. Berlin: Ullstein, 2006, 183.

127. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Liebe Schwestern und Brüder,

Neben zwei anderen Gleichnissen hören wir heute im Evangelium die Erzählung vom verlorenen Sohn oder dem barmherzigen Vater.
Wir kennen dieses Gleichnis. Es ist uns seit Kindestagen vertraut. Oft haben wir es gehört.

Es gibt eine Unmenge an Schriften, Meditationen und Erklärungen dazu. Häufig wurden Szenen aus diesem Gleichnis auch gemalt. Ein ganz besonders bekannte Beispiel stammt von Rembrandt, das die Rückkehr des Sohnes in die Arme des Vaters auf ergreifende Weise illustriert.

Wir wollen gleich das Evangelium in seiner ganzen Länge hören.
Anschließend möchte ich nur wenige Deutungen geben.
Das Wichtigste wird sein, dass wir alle dieses Gleichnis auf uns und in uns wirken lassen. Es wir uns im Inneren anrühren, so wie es schon viele Menschen bewegt hat.

Während des Evangeliums können Sie sitzen bleiben

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn zeigt,
wer wir sind,
was die Sünde ist,
wer Gott für uns ist.

Im verlorenen Sohn sehen wir uns, uns und unsere Freiheit.
Aus freiem Willen lässt sich der Sohn seinen Erbteil auszahlen.
Aus freiem Willen verlässt er das Haus des Vaters.
Aus freiem Willen verschleudert er sein Geld.

Aber es gilt auch:
Aus freiem Willen kehrt der Sohn zurück, kehrt er um.

Wir können uns entscheiden: dafür oder dagegen.
Wir unterliegen zwar manchen Zwängen, aber wir sind keine Marionetten. Weil wir frei sind, uns zu entscheiden, tragen wir Verantwortung für unser Leben, für das Gute und das Böse, das wir tun.

Um unseren Willen in die richtige Richtung zu lenken, müssen wir immer wieder das tun, was auch der verlorene Sohn getan hat: Innehalten, in sich gehen, an den Vater denken.
Freilich sollte eine solche Gewissenserforschung nicht nur dann geschehen, wenn wir schon am Boden zerstört sind, sozusagen am Schweinetrog. Nein, wir sollten jeden Tag uns ein paar Minuten dafür nehmen. Z. B. vor dem Schlafengehen oder in der Mittagspause.

Am Tiefpunkt angelangt erkennt der Sohn seinen Fehler:
Er hat die Geborgenheit, Sicherheit und Liebe bei seinem Vater aufgegeben. Er hat nur noch sich selbst, seine Begierden, seine Lust, sich zu zerstreuen, gesehen.
Er wollte, dass es niemand über ihn gibt, er wollte sich selbst genügen.
Zu meinen "Ich reiche mir. Ich habe niemanden nötig. Ich weiß allein am besten, was gut ist." – das zu meinen, heißt mit anderen Worten, sein zu wollen wie Gott.
Nur er genügt sich selbst. Nur er hat niemanden nötig. Nur er weiß, was gut, was böse ist.
Das aber nicht anerkennen zu wollen, heißt sich selber zu einer Art Gott zu erheben: Das ist die Sünde.
Die Sünde trennt uns vom Vater. Die Sünde drückt uns an den Boden, weil wir uns überfordern:
Wir sind nur Menschen, wir sind keine Götter!

Der Sohn hat sich vom Vater getrennt. Aber der Vater hat sich nie von seinem Sohn losgesagt.
Als der Sohn reumütig zurückkehrt, wird er vom Vater freudig aufgenommen. Ja, er gibt ihm alles zurück. Dem neidischen Bruder macht der Vater deutlich: Was wir feiern ist sozusagen eine Wiederauferstehungsfest. Dein Bruder war tot und nun lebt er wieder.

Durch unsere Sünden sagen auch wir uns mehr oder weniger von Gott los. Aber er bleibt unser barmherziger Vater. Wenn wir umkehren und bereuen, dann wird er uns vergeben, egal was geschehen war.

Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder der umkehrt.
Auch wir werden dieses Auferstehungsfest miterleben. Wir können es miterleben in jeder Beichte. In diesem Sakrament werden wir, die wir uns von Gottvater getrennt haben, wieder aufs neue und noch stärker mit ihm vereint. Das Sakrament der Versöhnung ist daher das Sakrament der Freude. Freude darüber, dass die heilbringende Gemeinschaft zwischen mir und Gott wiederhergestellt ist.

Liebe Schwestern und Brüder,
das Gleichnis vom verlorenen Sohn bzw. vom barmherzigen Vater – es ist wohl eines der schönsten und tiefsten der Hl. Schrift. Lassen Sie seine befreiende Botschaft in Ihnen wirken. Vielleicht hilft dieses Gleichnis uns allen, dass wir unser Bemühen um eine gute Gewissenserforschung verstärken, dass wir das Sakrament der Buße, die Beichte neu entdecken und in Anspruch nehmen.

Dann wird schon heute im Himmel bei den Engeln Feststimmung sein. Und wir werden mit innerer Freude erfüllt werden.

128. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Ein beliebter und erfolgreicher Hochschullehrer, glücklich verheiratet mit zwei wohlgeratenen Kindern, fährt zu einem Klassentreffen und kehrt davon völlig verändert zurück: Seine ehemaligen Klassenkameraden haben ihm von ihren verschiedenen Karrieren und Erfolgen erzählt, und seitdem nagt der Neid an dem bis dahin glücklichen und zufriedenen Mann. Seine wohlgeordneten Verhältnisse kommen ihm plötzlich mittelmäßig und langweilig vor, sein Gehalt erschient ihm lächerlich im Vergleich zu dem seiner früheren Mitschüler, obwohl einige viel dümmer als er waren. „Warum haben die anderen, was ich nicht habe? – So viele Jahre schon strenge ich mich an und gönne mir kaum eine Pause – doch wie wenig wird das honoriert. Aber die trüben Tassen und Versager – die schöpfen überall den Rahm ab.“ Der Professor wird vom Neidgefühl so zerfressen, dass er zu einem Psychiater gehen muss.

„So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, … da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.“ (Lk 15,29f) Aus dem Lamento des älteren Sohnes im Gleichnis spricht der Neid, eine der sieben Wurzelsünden, eine Sünde, die ihre eigene Strafe im Gepäck hat, denn sie macht wie keine andere Sünde einsam und unzufrieden. Der ältere Sohn will am Fest nicht teilnehmen, der Professor kann sich seines Lebens nicht mehr freuen. „Der Neid frisst seinen eigenen Herrn.“ Er sticht, nagt und frisst, ist wie ein Wurm in uns und redet uns immer wieder ein, dass wir zu kurz kommen und benachteiligt werden. – Wie steht es mit Ihrer Lebensfreude?

Kain neidet Abel die Gunst Gottes, Geschwister belauern einander, ob der andere vielleicht mehr bekommt: mehr zu essen, mehr Aufmerksamkeit, mehr Zuwendung. Als meine kleinen Nichten in Kanada sprechen lernten, war ein Ausruf von Anfang an im Repertoire: „ Me too !“ – „Ich auch!“ Wenn ein Kind ein Spielzeug haben will, das einem anderen gehört – wie oft hört es dann: „Nein, damit will ich jetzt selbst spielen.“ Die Botschaft ist klar: Das sollst du nicht haben, du sollst nicht in den Genuss von dem kommen, was mir zusteht. Die Angst, selber zu kurz zu kommen, wandelt sich sogleich in Missgunst: Was ich nicht habe, soll der andere auch nicht haben.

Unsere moderne Konsumwelt setzt diesen Neid voraus und lebt von ihm. Permanent stimuliert die Werbung unsere Wünsche, damit wir inmitten des Überflusses das Gefühl haben, uns fehle etwas, wir hätten noch nicht, was uns glücklich machen kann.

Aber der Neid ist nicht harmlos. Den neidischen Menschen selbst verkrüppelt er und wühlt in ihm viele andere negative Gefühle auf: Traurigkeit und Missgunst. Der neidische Mensch sucht einen Ausgleich für das eigene Unglück und findet ihn in der Herbsetzung der beneideten Menschen: („der da, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat“) oder in der Schadenfreude, in Rache durch Intrigen oder Denunziation. Im Extremfall führt der Neid zu Ressentiment und Hass, wie wir am Beispiel Kains sehen können, aber auch z.B. Hitlers, der seinen mangelnden Erfolg mit tiefem Hass auf die beneideten Juden kompensierte und in vielen Deutschen und Österreichern auch willige Neidgenossen fand.

Wie gehen wir mit aufkommendem Neid um? Der Professor, den ich eingangs erwähnt habe, konnte seinen Neid überwinden, indem er mit Hilfe des Psychiaters aufhörte, ständig auf die Besitztümer der anderen zu schauen, und sich stattdessen bewusst machte, wie viel er selbst hatte und wie gut es ihm doch eigentlich ging. Er lernte, seinen eigenen Selbstwert wieder durch das zu definieren, was er Positives geleistet und erreicht hatte, und nicht durch den Vergleich mit anderen. Überhaupt ist das Sich-Vergleichen die Wurzel von Neidattacken. Man kann es auch übertreiben mit dem Vergleichen, vor allem dann, wenn die Maßstäbe, die man dabei setzt, unpassend sind. Wenn man das Vergleichen schon nicht lassen kann, dann sollte man sich auch gleichsam nach unten vergleichen: mit Menschen, denen es schlechter geht, und davon gibt es bekanntlich mehrere Milliarden.

Zweitens sollte man sich überlegen, was einen Menschen denn in Wahrheit zufrieden macht: Sind es denn wirklich Besitz, Geld, Freizeit und Status? Sind wir neidisch, weil wir unglücklich sind, oder unglücklich, weil wir neidisch sind? Macht nicht vielmehr das Bewusstsein glücklich, lieben zu können und selbst geliebt zu sein, vor allem von Gott, der spricht „Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein.“ – Ist es nicht Dummheit und schnöde Undankbarkeit, das zu vergessen?

Und drittens kann es auch helfen, sich einmal zu überlegen, was es den Menschen denn womöglich gekostet hat, um die Position zu erreichen, für die ich ihn beneide. Vielleicht hat er hart arbeiten müssen und auf Freizeit, Bequemlichkeit und Beliebtheit verzichtet – während ich selber all das zur Genüge hatte und weiterhin habe.

Der ältere Sohn im Gleichnis hat seinen Bruder wegen der Barmherzigkeit beneidet, die ihm der Vater geschenkt hat. Ob er aber bereit gewesen wäre, mit ihm zu tauschen und all die Demütigungen zu ertragen, die dieser erlebt hat? Ob er selbst wohl verloren, ja seelisch tot sein wollte? Und wenn nicht – wie kann er dann neidisch sein?

Vgl. Heiko Ernst: Wie uns der Teufel reitet. Von der Aktualität der 7 Todsünden. Berlin: Ullstein, 2006, 69f.

129. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Liebe Schwestern und Brüder,

dieses Evangelium ist schon irgendwie komisch. Es scheint, als ob da ein anderer Jesus auftritt, einer den wir so nicht kennen.

Jedenfalls dieser eine Satz wirkt auf mich – und vielleicht auch auf Sie – zumindest befremdlich:

Und der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters und sagte:
Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes.

Was soll das? Will der Herr uns zu regelrechtem Betrug aufrufen?

Selbst der Hl. Augustinus fragt: "Warum hat uns der Herr dieses Gleichnis erzählt?"

Und er gibt sich und uns eine Antwort, die weiterführt:
"Nicht um den Diener als nachahmenswertes Vorbild hinzustellen, sondern um hervorzuheben, dass er Vorsorge für die Zukunft traf, und um die Christen zu beschämen, denen eine solche Entschlossenheit fehlt."

Und der Diener reagiert ja wirklich entschlossen. Allerdings erst kurz vor Toreschluß und in einer sehr fragwürdigen Weise. Kurz bevor er entlassen wird, betrügt er seinen Arbeitgeber, um sich Freunde für das Leben später zu kaufen. Geschickt mit egoistischem Kalkül. Schlau aber ungerecht.

Und in seiner Entschlossenheit, für seine Zukunft zu sorgen, sollen wir dieses Kind dieser Welt zum Vorbild nehmen. Auch vor uns steht nämlich ein dringender Termin, ein Wendepunkt.
Den verdrängen wir aber gerne. Ich meine unseren Tod.
Dieses Gleichnis fragt uns nach unserer Entschlossenheit, für unsere ewige Zukunft zu sorgen.

Und wie der untreue Verwalter das Geld seines Arbeitgebers zur Verfügung hatte, so haben auch wir Materielles und Immaterielles treuhänderisch zu verwalten, um unsere Zukunft vorzubereiten:
All das nämlich, was uns Gott geschenkt hat: unseren Besitz, all die irdischen Güter und unsere charakterlichen Anlagen und Talente.

Damit gilt es zu wirtschaften. Aber nicht auf Kosten von Betrug und Hinterziehung oder Bestechung.
Es gilt, das in die ewige Zukunft zu investieren, was unser irdisches Leben ausmacht.
Und dabei gibt es eine Regel:
Nicht das, was ich für mich behalte, was ich mit Händen und Klauen verteidige, werde ich mitnehmen. Nein, das Totenhemd hat keine Taschen.
Ich werde das in der Ewigkeit besitzen, was ich auf Erden weggegeben habe.
Ich habe von Gott Talente geschenkt bekommen, damit ich durch sie andere beschenke.
Mir sind irdische Güter anvertraut, damit ich sie gut verwalte.

Das ist die christliche Sicht der Dinge dieser Welt. Sie sind nicht Selbstzweck, sondern sie sind Mittel, um mein Leben zu gestalten, es den anderen angenehmer zu machen und dadurch Gott zu loben.

"Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommen, Gott, von Dir. Wir danken Dir dafür." So lautete das erste Tischgebet, das ich gelernt habe.
Und es ist wahr: Alles Gute kommt von Gott, ist anvertraut, geschenkt. Und unser Umgang damit zeigt, ob wir dem Schenkenden, nämlich unserem Schöpfer, dafür dankbar sind.

Deshalb ermahnt uns der Herr im Evangelium:
Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen.
Wenn ihr im Umgang mit dem ungerechten Eigentum nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? Und wenn ihr im Umgang mit dem fremden Gut nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann euer wahres Eigentum geben?

Wir sehen, dass der Herr sozusagen einen direkten Zusammenhang zwischen Himmel und Erde sieht: Wie Du gelebt hast auf Erden, hat Einfluß auf Dein ewiges Leben.
Wie Du mit den geschenkten irdischen Gütern und Talenten umgehst, das ist auch relevant für das größte Geschenk, das dich erwartet: der Himmel.

Gerade deshalb ist das Christentum keine Weltflucht, wie wir sie in so vielen ostasiatisch angehauchten Meditationsreligionen feststellen müssen.
Nein, der Christ zieht sich nicht in eine spirituelle Scheinwelt zurück, sondern er nimmt die Welt und die Gesellschaft um sich herum sehr ernst. Er setzt sie nicht absolut, aber er vernachlässigt sie auch nicht. Man könnte sagen: Für ihn gibt es nicht nur den Himmel oder nicht nur die Erde. Für ihn gibt es den Himmel durch die Erde.

Der Herr weist darauf hin, dass wir auch die kleinsten Dinge zuverlässig verwalten sollen. Es geht nicht darum, Großartiges, Aufsehenerregendes zu gründen oder zu vollbringen. Es geht um die Aufmerksamkeit für das, was jetzt, im Moment dran ist:
· Den unangenehmen Anruf jetzt zu machen und nicht auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben.
· Das Auto jetzt in die Werkstatt zu bringen, bevor sich dieses komische Geräusch zu einem großen Schaden entwickelt.
· Die vom Arzt verordnete Therapie pünktlich und gewissenhaft zu erfüllen, damit mein Leib nicht unnötig Schaden nimmt.
· Bei der nächsten Gelegenheit, das bürgerliche Recht und die christliche Pflicht wahrzunehmen und zu wählen, egal wie das Wetter und die Laune gerade so ist.

Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen.
Wenn ihr im Umgang mit dem ungerechten Eigentum nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? Und wenn ihr im Umgang mit dem fremden Gut nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann euer wahres Eigentum geben?

Mir scheint, das am Anfang sperrige Evangelium hat es in sich, damit jeder und jede von uns in sich geht, damit jeder und jede von uns sich die Fragen stellt:
Wie setzte ich all das ein, was der Herr mir geschenkt hat? Nehme ich diese Welt ernst, weil Gott ernst nehme und den Himmel?

130. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Am heutigen Caritas-Sonntag haben wir die übliche Leseordnung abgeändert und passend zum Jahresthema das Evangelium von der Kindersegnung ausgesucht. Das Thema ist aktuell: Wir haben die weltweit niedrigste Geburtenquote in der Bundesrepublik mit 1,36 Kindern je Frau. 2005 sank die Geburtenzahl auf den niedrigsten Stand seit 1946.

Viele Zeitgenossen wollen keine Kinder. Sie sehen in ihnen eine Last und ein Armutsrisiko. Andere empfinden Kinder als Störenfriede. Gewiss gibt es immer noch viele junge Paare, die Kinder wollen und Kinder bekommen. Aber inzwischen gibt es neue Probleme, die zum Teil erheblich sind. Mittlerweile gilt jedes siebte Kind in Deutschland als arm und sozialhilfebedürftig. Die Zahl ist in erschreckendem Ausmaß gewachsen. Dazu kommt oft eine geistige Armut, die Kinder daran hindert, sich entsprechend ihren Veranlagungen zu entfalten und menschenwürdig aufzuwachsen.

Aber auch auf der anderen Seite des Spektrums gibt es Probleme, die von Pädagogen und Soziologen mit Sorge wahrgenommen werden: Kinder, die wie Prinzen und Prinzessinnen behandelt werden, die verwöhnt und verzärtelt werden und kaum jemals Grenzen gezeigt bekommen. Kinder brauchen die Eltern als Gegenüber und als Maß, an dem sie sich orientieren können. Sie brauchen Normen und Werte, die ihrem natürlichen Egoismus eine Grenze setzen. Weil auch Kinder sündigen und Fehler machen können, brauchen sie eine feste Hand, damit sie zu charakterfesten Menschen heranreifen können. Doch die wird ihnen oft vorenthalten.

Ein weiterer Punkt: Durch den Pisa-Schock scheint das ganze Schulsystem in Frage gestellt zu sein. Kinder sollen früher eingeschult und in nur 12 Jahren zum Abitur geführt werden. Das stellt schon die Kleinen unter enormen Stress. Elfjährige müssen inzwischen 34 Unterrichtsstunden pro Woche zur Schule, d.h. oft dreimal nachmittags und anschließend noch Hausaufgaben machen. Man raubt den Kindern die schönste Zeit ihres Lebens – und wozu? Dass man ihnen dann, wenn sie ihre Schulkarriere in Siebenmeilenstiefeln hinter sich gebracht haben, sagt: „Wir brauchen euch nicht, wir haben keine Ausbildungsplätze für euch und auch keine Arbeit.“

Jesus begegnet Kindern anders. Als seine Gefährten Kinder von ihm fernhalten wollen, um ihn zu schützen, da reagiert er unwillig und verärgert: „Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes.“ Sie sind besondere Menschen! Und er nimmt sie in die Arme und segnet sie. Er schätzt die Kinder nicht, weil sie dies und das geleistet haben, sondern weil sie von Gott geliebt und gewollt sind; weil sie wertvoll sind. So erinnert uns Jesus heute daran: Kinder sind besondere Menschen. Sie verdienen geliebt zu werden, weil sie ein Wert sind, der alle Anstrengungen und Mühen rechtfertigt.

Für unsere Gesellschaft dagegen ist das Kind oft Konsumgut geworden, das man sich je nach Lust und Finanzlage leistet oder nicht. Und es wird schon sehr früh von der Wirtschaft als Konsument wahrgenommen und umworben, von der Politik als zukünftiger Leistungsträger und Steuerzahler. Nur nicht als Mensch, als einmaliges und unverwechselbares Du mit Wert und Würde, die von Gott stammen.

Diese Erkenntnis aus dem Glauben ist noch etwas anderes als die augenblicklich in den Medien beschworene Sorge über die demographische Entwicklung und die Überalterung der Gesellschaft. Die Politik und bestimmte gesellschaftliche Gruppierungen sind wach geworden. Sie sorgen sich um die Zukunft. Aber es geht dabei vorrangig ums zukünftige Geld, das die Politiker übrigens schon ausgegeben haben, indem sie immer neue Schulden aufgehäuft haben, und nun vor einem doppelten finanziellen Engpass stehen. Um die verhängnisvolle Entwicklung zu stoppen oder gar umzukehren, werden ein weiteres Mal finanzielle Umschichtungen gefordert, um jungen Paaren mehr Anreize zu geben, Kinder in die Welt zu setzen: mehr Kindergeld; kostenlose Ganztagsbetreuung in Kindertagesstätten; steuerliche Besserstellung der Familien…

Das sind vermutlich richtige und auch sehr überlegenswerte Vorschläge. Aber glauben wir nicht, dadurch die Freude am Kind und den Mut zum Kind spürbar und nachhaltig stärken zu können! Das Problem ist doch die Grundeinstellung zum Kind – und die muss sich ändern. Das Kind darf nicht länger als Hindernis auf dem Weg in die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit empfunden werden. Im Gegenteil: Gerade das Kind hilft auf dem Weg der Persönlichkeitsentfaltung. Das können uns die vielen Ehepaare sagen, die sich nach einem Kind sehnen, aber keins bekommen können. Das Kind muss uns wieder für sich gewinnen durch das, was es ist: ein Geschenk, das reich macht und das Leben bereichert.

Jesus zeigt sich nicht nur als Freund der Kinder, sondern sagt sogar gegen unseren Prestige- und Leistungskult: „Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ (Mk 10,15) Das Reich Gottes kann nämlich nicht durch Anstrengung und Leistung erworben werden, es ist ein Geschenk für den, der glaubt. Es kommt uns von oben entgegen, wir müssen nur Herz und Hände öffnen. Das Kind kann uns da ein Vorbild sein, denn es schaut auf, während wir Erwachsenen meist auf andere herabschauen. Aufschauen ist eine Blickrichtung, die Gott, den Vater, wahrnehmen lässt und das Herz mit Vertrauen erfüllt. Jesus selbst hat uns diese Blickrichtung vorgelebt, indem er immer wieder zum himmlischen Vater aufschaute, ihm dankte und seinen Segen auf die Menschen herabrief. Mit seiner ganzen strahlenden Existenz war Jesus auf den Vater ausgerichtet und eben darum auch den Menschen so herzlich zugewandt. Wer wie ein Kind das Aufschauen übt, der wird nicht auf andere herablassend niederschauen und der wird auch nicht bloßer Zuschauer sein, den das Elend dieser Welt nicht berührt.

Ein Lied von Kathi Stimmer-Salzeder kann uns das Jahresmotto der Caritas „Mach dich stark für starke Kinder!“ vielleicht noch ein wenig näher bringen:

1. Kinderaugen - große Augen, voller Staunen, weit und hell.
Wie ein Spiegel aller Liebe, die sie spüren, die sie sehn.
Kinderaugen - Hoffnungsaugen, immer wieder voller Glauben
Tränen sind wie Regen, der befreit, aufgefangen von Geborgenheit.

[Refrain:]
Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind,
dem wird es verloren geh’n.
Denn Gottes Reich ist denen versprochen, die wie Kinder sind,
denn Gottes Reich ist denen versprochen, die wie Kinder sind.

2. Kinderhände – weiche Hände, voller Kraft und doch so zart,
wenn sie streicheln, wenn sie fassen, das, was zu begreifen ist.
Kinderhände – starke Hände, kämpfen gegen Widerstände
und sind von Vertrauen angerührt, wenn sie eine Hand voll Liebe führt.

3. Kinderlachen – welch ein Lachen! Pflanzt sich fort, macht gut und froh.
wie ein Speicher voller Sonne, welch ein Reichtum - Herzlichkeit.
Kinderlachen – Wunderlachen, kann in Herzen Frieden machen.
Menschenwege finden einen Sinn, geben sie sich diesem Wunder hin.

131. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Ein Viertel der Menschheit verbraucht drei Viertel der Energie auf dem Globus, während der Mehrheit der restlichen drei Viertel gerade einmal ein Viertel der weltweit zu vorhandenen Energie zu Verfügung steht.

Mit den Millionen-Etats der europäischen Fußballclubs ließen sich die Haushalte zahlreicher afrikanischer Staaten sanieren.
Während Hamilton und Co Milliarden Dollar auf den Rennstrecken dieser Welt verfahren, haben Abermillionen von Menschen nicht einmal die Möglichkeit, sich ein kleines Auto zu leisten.

Während bei uns Hunderttausende von Euros ausgegeben werden, damit Frauen ihre Haut zum x-ten Mal straffen und Männer keine Glatze mehr haben müssen, entbehren die meisten Menschen dieser Welt einer medizinischen Grundversorgung.

Liebe Schwestern und Brüder,
das sind nur wenige Schlaglichter auf den Zustand unserer Welt.

Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte.
Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel.
Unsere Welt ist die Welt dieses Reichen und des Lazarus.
Wir sind die Reichen. Der weitaus überwiegende Teil lebt aber wie Lazarus.

Das sollten wir uns hier in Deutschland immer wieder einmal vor Augen führen, wenn wir in die aktuellen Klage-Litaneien einstimmen: Wir klagen nämlich auf ziemlich hohen Niveau.
Oder, wie es mir einmal ein afrikanischer Mitbruder halb im Scherz, halb ernst sagte: "Wir in Afrika, hätten gerne Eure Probleme. ... Dann ginge es uns nämlich wesentlich besser als jetzt."

Damit will ich die Krise, in der sich unser Land (trotz Aufschwungbewegung) befindet, nicht schönreden. Aber etwas relativieren will ich sie schon.
Es liegt eine Art depressiver Schleier auf unserer Gesellschaft: Alles wird schlimmer. Immer mehr Kürzungen, Einsparungen. Ja, es gibt sogar eine steigende Tendenz zur Armut.

All das wiegt umso schwerer, weil wir das seit sage und schreibe sechzig Jahren nicht mehr gewohnt sind. Seit der Stunde Null, also nach Ende des Krieges 1945, ging es ja nur bergauf. Die Bundesrepublik war das Wirtschaftswunderland. So stark, dass es sogar die neuen Länder im Osten sanieren konnte, ohne total bankrott zu gehen.
Sage und schreibe sechzig Jahre lang ging es nur aufwärts, gab es immer nur ein Mehr, ab und zu mal ein Weniger.
Seit einigen Jahren nun ist die Waage hin zum Weniger umgekippt. Das spürt jeder von uns, nicht nur diejenigen, die von Hartz IV betroffen sein werden. Auch die Kirche merkt das deutlich.

Wie soll man dieser Entwicklung begegnen? Die einen rufen nach einem Staat, der eingreift. Die anderen wollen alles dem freien Markt überlassen. Wenn man so will ist der "kalte Krieg" zwischen Kapitalisten und Kommunisten nun auf rein sozio-ökonomischer Ebene wieder ausgebrochen.

Was sagt da die Kirche? Sie setzt weder auf die eine noch auf die andere Seite. Ihr grundlegendes Prinzip heißt auf diesem Feld der Gesellschaft: Subsidiarität.

Hinter diesem Prinzip verbirgt sich – einfach gesprochen – dass jeder erst einmal für sich selbst verantwortlich ist. Wenn aber jemand aus eigenen Kräften seine Situation nicht in den Griff bekommen kann, hilft ihm die Solidargemeinschaft. Aber erst dann.
Diese Grundlinie katholischer Soziallehre bewahrt den Einzelnen davor, Opfer eines ungebremsten, kalten Kapitalismus zu werden. Gleichzeitig will sie die nötige Eigeninitiative gegen einen alles kontrollierenden Staatsapparat verteidigen.

Mir scheint, dass sich unsere Gesellschaft zu sehr auf den Staat verlassen hat. Der konnte – als es ihm noch gut ging – mit Vergünstigungen um sich werfen von denen andere Nationen nur geträumt haben.
Auch wenn es hart klingt, so meine ich doch richtig feststellen zu können, dass wir in der Bundesrepublik über unsere Verhältnisse gelebt haben. Wir haben uns an viele Annehmlichkeiten gewöhnt. Jetzt aber heißt es auch wieder zurückstecken zu können. Und das tut weh.

In einer gewissen Weise hat sich hier erfüllt, was der Prophet Amos in der Lesung sehr drastisch ausdrückt.
Weh den Sorglosen und den Selbstsicheren.
Ihr liegt auf Betten aus Elfenbein und faulenzt auf euren Polstern.
Zum Essen holt ihr euch Lämmer aus der Herde und Mastkälber aus dem Stall. Ihr grölt zum Klang der Harfe, ihr wollt Lieder erfinden wie David. Ihr trinkt den Wein aus großen Humpen... und sorgt euch nicht über den Untergang.

Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt. Eine neue Bescheidenheit täte uns gut. Das ist das, was wir neu lernen müssen.
Das Prinzip der katholischen Soziallehre, die Subsidiarität weist dazu einen guten Weg – in Deutschland, Europa und für die gesamte Weltwirtschaft, die aus den Fugen geraten ist.
Noch ist unsere Gesellschaft eher der reiche Mann als der arme Lazarus. Das sollten wir nicht vergessen.

132. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

„Wir haben nichts in die Welt mitgebracht, und wir können auch nichts aus ihr mitnehmen. Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, soll uns das genügen. Wer aber reich werden will, gerät in Versuchungen und Schlingen, er verfällt vielen sinnlosen und schädlichen Begierden, die den Menschen ins Verderben und in den Untergang stürzen. Denn die Wurzel aller Übel ist die Habsucht. Nicht wenige, die ihr verfielen, sind vom Glauben abgeirrt und haben sich viele Qualen bereitet.“ (1 Tim 6,7-10)

Das sind Worte des alternden Apostels Paulus an seinen Schüler Timotheus. Paulus hat seine Erfahrungen mit Menschen gemacht, die der verfluchten Sucht nach dem Geld verfallen sind: Sie werden von ihrer Gier aufgefressen, verlieren alle Freude an Gott, haben kein Mitgefühl mehr mit ihren Mitmenschen und stürzen unweigerlich ins eigene Verderben. Dabei ist es eigentlich so leicht, die entscheidende Einsicht zu gewinnen, die dem Strudel der Habgier entkommen lässt: Du kannst nichts mitnehmen, das letzte Hemd hat keine Taschen. Aber irgendwie kann man dieses Wissen doch auch wieder verdrängen, es wirkt jedenfalls kaum.

Darum ist es von Zeit zu Zeit nötig, die ernsten Aussagen der Bibel zu den Gefahren der Geldgier neu ins Bewusstsein kommen zu lassen. Die Habsucht ist ein Götzendienst, sagt der Epheserbrief (5,5). „Weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten.“ (Lk 6,24) Und noch drastischer: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ (Mt 19,24) Diese sprichwörtlich gewordene Warnung stützt sich auf das rätselhafte Phänomen, dass die Habsucht sich nie begnügen kann, sondern schier unersättlich immer weiter giert und rafft. Wo das Raffen und Anhäufen zum Selbstzweck geworden ist, da haben Vermögen und Besitz ihre ursprünglich positive Rolle verloren und sind zum Mammon geworden, zum Götzen, der den Habgierigen kontrolliert und schikaniert. Nicht er besitzt die Dinge, sondern sie besitzen ihn!

Das Evangelium führt uns diese psychologische Dynamik eindringlich vor Augen: Der reiche Mann denkt offenbar nicht daran, seinen opulenten Reichtum mit dem armen Lazarus zu teilen, ja, nicht einmal, ihm wenigstens etwas von den Resten zu geben. Mit welchen Ausreden mag er sich vor den Pflichten zu drücken versucht haben, die das Alte Testament allen Begüterten gegenüber den Armen klar auferlegt hat, denn Eigentum verpflichtet? Z.B. „Wenn bei dir ein Armer lebt, … dann sollst du nicht hartherzig sein und sollst deinem armen Bruder deine Hand nicht verschließen.“ (Dtn 15,7) Oder in prophetischer Warnung bei Amos: „Hört dieses Wort, die ihr die Schwachen verfolgt und die Armen im Land unterdrückt. Ihr sagt: … Wir wollen den Kornspeicher öffnen, das Maß kleiner und den Preis größer machen und die Gewichte fälschen. Wir wollen mit Geld die Hilflosen kaufen, für ein paar Sandalen die Armen. Sogar den Abfall des Getreides machen wir zu Geld. Beim Stolz Jakobs hat der Herr geschworen: Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen.“ (Am 8,4-7)

„Jeder ist sich selbst der Nächste“, „das Hemd ist mir näher als der Rock“, „wer nichts hat, ist selber schuld“ – und viele andere Sprüche gehen um, um der Verpflichtung des Eigentums auszuweichen. Aber es sind nur die Ausflüchte des Geizigen, dem schon der Gedanke ans Teilen weh tut.

Da ist es schon ein Skandal, wenn nicht nur in der Werbung, sondern auch sonst im öffentlichen Leben der Geiz als Tugend gepriesen wird. Anstatt den knickrigen Haltefest wenigstens mit Spott zu bedenken, wird sein krankhaftes Jagen nach Schnäppchen auch noch als nachahmenswert und „geil“ hingestellt. Doch der Geiz ist Ausdruck einer tief sitzenden Angst, die das Leben ersticken lässt und schlechte Laune, Missmut und Bosheit gebiert. Der geizige Mensch ist klein, bitter und hässlich.

Die ökonomischen und politischen Folgen der Habsucht sind keineswegs rosiger. Gewiss ist es wahr, dass das Besitzstreben die Gesellschaft wohlhabend gemacht hat. Wenn es um den eigenen Grundbesitz und den eigenen Erfolg geht, strengen sich die Menschen mehr an, als wenn sie nur für das Allgemeinwohl arbeiten müssen. Aber es ist ein Irrtum, dass die blanken egoistischen Interessen der Reichen „wie von unsichtbarer Hand“ den Wohlstand auch der Armen befördern, wie Adam Smith vor über 200 Jahren behauptet hat und wie der Neoliberalismus es heute wieder behauptet. In Wahrheit werden im globalisierten Kapitalismus die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Die Verlierer im Kampf ums Dasein werden immer mehr ausgegrenzt, man nennt sie sogar abfällig den „unvermeidlichen Bodensatz“. Eine unbeschreibliche Gefühllosigkeit hat die Menschen ergriffen, nicht nur die 800.000 Millionäre in Deutschland, sondern alle sozialen Schichten, soweit sie von der „demokratisierten Habsucht“ infiziert sind.

Jesus malt im Gleichnis das Schicksal des Habsüchtigen nach dem Tode aus. Es ist töricht, seine Lehre als Drohbotschaft zu verunglimpfen und totzuschweigen. Unser Leben auf der Erde ist endlich, nach dem Tod beginnt das ewige Leben, dessen Unendlichkeit unsere besten Kräfte jetzt schon mobilisieren sollte. Das letzte Hemd hat keine Taschen. Wir können nichts mitnehmen. Einzig unsere guten Taten nehmen wir mit. Sie sind gleichsam die Währung, mit der im Reich Gottes gehandelt wird. Mit der praktischen Nächstenliebe bauen wir an unserer Zukunft.

Heiko Ernst: Wie uns der Teufel reitet. Von der Aktualität der 7 Todsünden. Berlin: Ullstein, 2006, 121.

133. Predigtvorschlag

Liebe Gemeinde!

Der reiche Bauer, von dem wir im Evangelium gehört haben, hätte für die reiche Ernte eigentlich ein großes Dankopfer darbringen müssen. Aber Danke zu sagen, war wohl nicht seine Sache. Worum es ihm ging, fasst er prägnant im Selbstgespräch zusammen: „Ruh dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens!“ (Lk 12,19)

Doch Jesus nennt dieses Denken Narrheit. Wer „nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist“ (Lk 12,21), ist ein Narr, denn er hat nicht begriffen, dass unser Dasein auf der Erde begrenzt ist und dass sich darum nicht alles ausschließlich um dieses irdische Leben drehen darf. Vielmehr kommt es darauf an, vor Gott reich zu sein, denn Gott ist unser Ziel, und unser Leben hier auf der Erde ist gedacht als Weg zu Gott, als Einübung in die ewige Liebe.

Diejenigen Haltungen, die den Menschen von seinem ewigen Ziel abbringen, nennt die Theologie Todsünden. Von der Habgier habe ich am letzten Sonntag gesprochen, sie ist auch im heutigen Evangelium Thema. Dass aber auch die Unmäßigkeit im Essen und Trinken, die Völlerei, zu dieser Gruppe von todbringenden Sünden gehört, ist nicht ohne weiteres einsichtig. Wem soll denn der unmäßige Esser schaden außer sich selbst? Ist er nicht eher ein friedlicher und geselliger Zeitgenosse, der keiner Fliege etwas zuleide tut?

Essen und Trinken sind keineswegs etwas Schlechtes, und auch der damit verbundene Genuss soll nicht madig gemacht werden. Davon zeugen die vielen biblischen Vergleiche des Gottesreiches mit einem Hochzeitsmahl. Wie sonst hätte Jesus ausgerechnet Brot und Wein zu den Zeichen seiner eucharistischen Gegenwart in der Kirche machen können? – Aber hier wie auch im Falle des Geldes liegt der Haken in der Verkehrung der rechten Ordnung, Vergötzung genannt. Der Apostel Paulus weiß ein Lied davon zu singen. Im Brief an die Philipper schreibt er: „Viele - von denen ich oft zu euch gesprochen habe, doch jetzt unter Tränen spreche - leben als Feinde des Kreuzes Christi. Ihr Ende ist das Verderben, ihr Gott der Bauch.“ (Phil 3,18f) Wir leben nicht, um zu essen und zu genießen, sondern wir essen und trinken, um zu leben, und wir leben, um lieben zu können: Gott und die Menschen. Wenn diese Ordnung verdreht ist, dann kommt der Mensch vom rechten Weg ab. Noch einmal Paulus: „Die Speisen sind für den Bauch da und der Bauch für die Speisen; Gott wird beide vernichten.“ (1 Kor 6,13) Das klingt drastisch, ist aber heilsame Wahrheit. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Jenseitsglauben und Konsumverhalten: Wenn es nur dieses eine Leben gibt, muss ich möglichst viel davon mitbekommen. „Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot“, schreibt der Apostel Paulus. (1 Kor 15,32) Die Gier nach Leben kennt dann kein Maß. Wenn man seine Identität nicht von Gott her erwartet und erhofft, sucht man sie im Kaufen, Konsumieren und Einverleiben.

Doch die Maßlosigkeit im Konsum wirkt auch zurück auf die spirituelle Dimension des Menschen: Wer immer nur an Essen, Trinken und Genießen denkt, der hat keinen Blick mehr für die Schönheit der Schöpfung, sondern nur mehr für den Genuss, den sie verspricht. Die Völlerei zerstört und verschlingt alles, was sie berührt. Zurück bleiben verwüstete Buffets, leer gefressene Tafeln und Berge von Abfall, Essensresten und Unrat. Hinzu kommen meist noch unzählige Mengen an Papier, Pappe und Plastik, die unsere Müllberge ins Gigantische wachsen lassen und Zeugnis geben von ökologischer Maßlosigkeit einerseits und Gedankenlosigkeit und Hartherzigkeit gegenüber den Hungernden andererseits.

Der maßlose Konsum stört somit nicht nur das Gottesverhältnis, sondern auch das Verhältnis zum Nächsten. Wer sich der Fressgier ergeben hat, ist egoistisch und selbstbezogen. Er neigt zur Verschwendung und verliert die Ehrfurcht vor den Schöpfungsgaben, verliert die Dankbarkeit und die Solidarität mit den zahllosen Hungernden dieser Erde.

Freilich hat die Völlerei heute ein anderes Gesicht als zu den Zeiten, als die Lebensmittel überall knapp und nur den Reichen in Fülle zugänglich waren. Heute kann sich fast jeder Deutsche mit den besten Speisen mehr als satt essen. Wurde früher der Dicke beneidet, weil er offensichtlich reich war, so ist es heute beinahe umgekehrt: Die Reichen sind schlank und die Armen sind dick. In allen Schichten der Gesellschaft sind wir fast permanent mit Essen beschäftigt, es ist geradezu zur Obsession geworden. In unserer Überflussgesellschaft werden unseren Augen nahezu ständig irgendwelche verführerischen Nahrungsmittel dargeboten: Süßigkeiten, Kuchen, Salzgebäck, Chips, Snacks usw. Und wenn wir es auch meistens schaffen, zu widerstehen, lassen wir unserem Appetit doch spätestens bei einer der zahllosen Einladungen ungehemmten Lauf. So sind wir inzwischen so weit gekommen, dass Essen und Trinken als Bedrohung erfahren werden, als Risikofaktoren, die das Leben verkürzen, statt es zu erhalten. Wenn Essen und Trinken früher eine Art Ersatzreligion sein konnten, so gilt dies heute für die Gesundheitsmoral. Neuerdings schreiben Theologen Bücher „wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult“. Aber es ist wieder nur die alte Vergötzung des Bauches, die hier die theologische Kritik herausfordert. In jedem Fall wird an die Stelle der wahren Religion ein Ersatz geschoben, der den Menschen auf seine animalische Stufe reduziert und seine geistige Dimension ignoriert.

Der reiche Bauer im Gleichnis hätte für seine reiche Ernte Gott danken und seinen Reichtum mit anderen teilen sollen, dann wäre er vor Gott reich und kein Narr gewesen. Damit sind uns zwei Stichwörter gegeben, die uns erinnern, wie wir uns gegen die Verführung zur gierigen Unmäßigkeit wappnen können: Dankbarkeit und Solidarität. Wer vor und nach dem Essen Gott dankt und um seinen Segen bittet, der macht sich den Wert der Schöpfungsgaben bewusst und bewahrt seinen Geist davor, im rein sinnlichen Genuss zu versinken. Wer noch dazu der Armen und der Hungernden gedenkt, der wird schwerlich zuviel essen. So schickte auch Tobit angesichts der reich gedeckten Tafel seinen Sohn los, um einen Armen aus dem Kreis der gottesfürchtigen Juden einzuladen. (Tob 2,1f) Gelebte Solidarität mit den Hungernden ist in jedem Fall ein wirksameres Mittel gegen die Völlerei als 1000 Diäten.

Vgl. Manfred Lütz: LebensLust. Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult. München: Pattloch, 2002.

134. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

In jener Zeit sagte Jesus den Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.

Liebe Schwestern und Brüder,
durch die Liturgie der Kirche spricht Jesus auch heute zu uns. Das was er seinen Jüngern damals sagte ist nicht passé, vorbei, vergangen, ohne Bedeutung für das Heute.

Jedes Wort des Herrn ist auch an Dich und mich gerichtet. Jetzt, hier in Grafenwald, in der Kirche Hl. Familie sagt er zu jedem und jeder von uns, dass wir allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.

Warum sollen wir beten?
Beten heißt, mit Gott reden, Gott preisen, Gott danken, Gott bitten. Wer betet, lebt sein Leben mit Gott. Er rechnet mit Gott.

Wer betet, sagt letztlich: "Gott ist Gott. Niemand anders. Ich bin nicht Gott. Ich bin Mensch."
Wer betet, ist also ein Realist, wenn man so will.
Derjenige, der Gott aus dem Blick verliert, macht oft Dinge, Personen oder sich selbst zum Gott, zum Mittelpunkt und Ursprung des Lebens. Aber damit täuscht er sich selbst, lügt sich in die Tasche, verdrängt die Wirklichkeit.

Schlimmer noch: Wenn der Mensch sich selbst zum Gott macht, dann wird er unmenschlich den anderen gegenüber. Dann wird der barmherzige Vater oft durch einen grausamen Despoten ersetzt. Das sieht man an den gottlosen Regimes des Nationalsozialismus oder des Kommunismus.
Wenn der Mensch sich selber zum Gott macht, zum Maß aller Dinge, dann überfordert er sich gnadenlos selbst. Er stößt an seine Grenzen. Er läuft ständig Gefahr, diese Grenzen zu überschreiten und dann die Kontrolle zu verlieren. Denken wir nur an die Möglichkeiten aber auch Gefahren der Gentechnik. Der Mensch steht heute ständig unter Strom, weil er immer Angst haben muss, dass eine Maschine stehen bleibt, ein Kraftwerk in die Luft geht und so weiter.

Da, wo der Mensch sich selbst zum Maß aller Dinge, zum Gott macht, da verliert er seine Mitte, ja letztlich sich selbst.
Nur mit Gott ist der Mensch wirklich Mensch.
"Nur wer Gott kennt, kennt auch den Menschen" sagte Romano Guardini.

Viele Probleme unserer Welt, unserer Gesellschaft rühren aus einer Gottvergessenheit. Gerade Westeuropa ist gott-los geworden, wir haben ihn irgendwie verloren. Und damit auch das richtige Maß.

In jener Zeit sagte Jesus den Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.

Durch das Gebet lernen wir Gott tiefer kennen. Und damit auch uns.
Deshalb ist es auch die Kirche, die vieles über den Menschen sagen kann und zu sagen hat.
Wohlgemerkt die betende Kirche, nicht diejenige, die sich auf äußerliche Planungen, Sitzungen und Pastoralpapiere beschränkt.

Einer, der diese betende Kirche repräsentiert ist der Heilige Vater. Er selbst ist ein großer Beter. Deshalb hat er der Welt auch einiges zu sagen. Ich durfte das noch vor kurzem erfahren, zusammen mit einigen Pilgern aus Kirchhellen. Wir waren in Rom. Bei der Audienz.

Man wirft ihm dabei häufig vor, nicht aktuell, nicht up to date zu sein. Dabei vergessen die Kritiker, dass nicht das aktuell ist, was eine Gesellschaft gerade will, sondern aktuell ist vielmehr das, was eine Gesellschaft gerade besonders benötigt.

Der Papst steht im Blick der Weltöffentlichkeit. Er gilt als eine moralische Autorität. Er wird nicht müde, die Opfer von Krieg, Ungerechtigkeit und Rücksichtslosigkeit zu benennen und sie so vor dem Totschweigen zu bewahren. Gerade auch deshalb hat er Paul Josef Cordes zum Kardinal erhoben. Dieser Deutsche ist seit Jahren Chef von „Cor unum“ und weiß wie kaum ein anderer Bescheid über die schreckliche Not unzähliger Menschen. Ich kann mich an eine Begegnung mit ihm entsinnen. Das war vor drei Jahren. Mit Tränen in den Augen erzählte er von dem was er zwei Tage zuvor in Dafur sehen musste.

Liebe Schwestern und Brüder.
Damals haben Aaron und Hur dem Mose die Arme gehalten, damit der Kampf gegen die Amalekiter gewonnen werden kann. Unser Gebet heute soll unserem Heiligen Vater unter die Arme greifen, damit nicht die Kultur des Todes und des Hasses obsiegt.

In jener Zeit sagte Jesus den Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.
Vielleicht kann dieses Wort ein Ansporn sein, über Ihr persönliches Gebetsleben nachzudenken und es möglicherweise neu zu ordnen, zu erweitern.
Das Beten lässt uns Gott erkennen.
Das Beten lässt uns uns selber besser erkennen.
Das Beten ist ein Mittel gegen ein gottvergessenes und damit unmenschliches Leben.

135. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Das Gleichnis des heutigen Sonntags möchte ich zum Anlass nehmen, über den Zorn zu sprechen und damit ein vorletztes Mal die sieben Wurzelsünden zu thematisieren. Der ungerechte Richter muss den Zorn der Witwe fürchten, und darum gibt er ihr schließlich nach. Witwen galten im Alten Testament als Inbegriff der Hilflosigkeit, sie waren arm, isoliert und hatten keine Machtmittel, ihre Interessen durchzusetzen. Sie konnten höchstens an das Mitleid der Einflussreichen appellieren, doch das war eine höchst unsichere Stütze. Schon damals waren die Mächtigen der Gesellschaft der Versuchung zu Korruption und Amtsmissbrauch ausgeliefert, und keineswegs waren alle gottesfürchtig und fromm. Jesus wählt ausdrücklich das Beispiel eines Richters, „der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm“ (Lk 18,2).

Nun kommt es ihm im Gleichnis darauf an, zu erörtern, wie barmherzig und gerecht Gott im Vergleich zu den Menschen ist, die manchmal sogar trotz ihrer Schlechtigkeit anderen Gutes tun, so wie hier der Richter. „Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wieviel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn bitten.“ (Mt 7,11) Mir kommt es heute dagegen darauf an, den gefürchteten Zorn der Witwe als Auslöser für das Nachgeben des Richters zu betrachten. Wäre es richtig und in Ordnung, wenn sie dem ungerechten Richter ins Gesicht schlüge? Gibt es einen gerechten, gar einen heiligen Zorn? Und warum ist Zorn dann eine Todsünde?

Dass es gerechten Zorn gibt, steht außer Frage. Denn es gibt Unrecht, empörendes Unrecht, und der angemessene Affekt darauf ist Zorn. Er kann eine edle Emotion sein, wenn er von einem edlen Menschen ausgeht. Eins der bekanntesten Beispiele ist die Vertreibung der Händler und Wechsler aus dem Tempel. Aber auch im Alltag ist manchmal Zorn nötig und angemessen, denn er verschafft Gehör, wenn man sonst überhört würde, er wirkt reinigend und klärend, nicht selten etwa im engen Familienkreis, wo Gefahr besteht, dass einer die Ohren auf Durchzug geschaltet hat.

Aber wir wissen alle, dass der Zorn sehr häufig ausartet und gänzlich unangemessene Formen annimmt: als blinde Wut, zerstörerischer Jähzorn und Aggressivität, ferner als kalter Ärger, schwelender Groll und giftige Rachsucht. Er kann zu ohnmächtiger Wut ausufern, über die eigene Machtlosigkeit noch rasender werden als über den eigentlichen Auslöser. Dann führt er zur Weißglut, in Raserei und sinnloses Toben. Aber auch wenn er sich äußerlich zügeln lässt, kann der Zorn den Menschen innerlich vergiften und verbittern, kann krank machen, vor allem herzkrank oder auch depressiv. Wie viele andere Sünden hat der Zorn die eigene Strafe im Gepäck.

In der modernen Gesellschaft scheint der Zorn eine ganz besondere Verbreitung gefunden zu haben: die Kriminalitätsrate steigt weiterhin bedrohlich, Gewaltausbrüche gegen Kinder lassen uns erschrecken, Schulhöfe werden zu Schauplätzen von Mobbing und Gewalt, bis dahin, dass Amokläufer sie in blutige Schlachtfelder verwandeln; auf Straßen und Autobahnen grassiert die Aggression, „Road-Rage“ genannt, der Terrorismus ist ein weltumspannendes Problem geworden, das tagtäglich Hunderte von Menschenleben fordert. Und nicht zu vergessen: die Grundstimmung in unserem Land ist mürrisch und missmutig, die Leute kriegen beim gering­sten Anlass „einen dicken Hals“, sie ärgern sich über alles und sie verklagen einander, was das Zeug hält.

Allein diese kurze Aufzählung dürfte einen weiteren Beweis unnötig machen, dass der Zorn wirklich eine schlimme Sünde ist und die Wurzel von Elend und Grauen in der Welt. Doch was ist der Grund für die Zunahme der Aggression, und was kann der einzelne dagegen machen? Der Apostel Jakobus schreibt dazu: „Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten? Doch nur vom Kampf der Leidenschaften in eurem Innern. Ihr begehrt und erhaltet doch nichts. Ihr mordet und seid eifersüchtig und könnt dennoch nichts erreichen. Ihr streitet und führt Krieg.“ (Jak 4,1f) Neid, Begehren, Eifersucht, ja auch die übrigen Wurzelsünden sind oft Auslöser von Aggression, also vor allem auch Hochmut und Habgier. Kaum ein Krieg wurde geführt, ohne dass die fehlgeleitete Leidenschaft eines einzelnen oder einer Gruppe am Anfang stand.

Diese psychischen Ursachen werden zum Teil durch bestimmte Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens verstärkt. So haben wir unser Leben in den letzten Jahrzehnten zunehmend verrechtlicht und dadurch ein sehr hohes Anspruchsdenken geschaffen. Was man früher als unvermeidlichen Schicksalsschlag hingenommen hat, das wird heute als ungerecht empfunden, und man sucht immer einen Schuldigen und einen, der für das Unglück bezahlt. Meistens ist dies der Staat, manchmal auch ein einzelner Mensch: der Arzt, die Krankenschwester, der Kollege oder wer immer. Auch der verbreitete Groll gegen Gott kommt aus einem übersteigerten Anspruchsdenken.

Ein zweites kommt hinzu: Der moderne Mensch ist in vieler Hinsicht zum Einzelkämpfer geworden, herausgelöst aus den engen Bindungen an eine Gemeinschaft, hochgradig individualisiert und auf sich selbst zurückgeworfen. Das führt zu verzerrter Wahrnehmung der Wirklichkeit, wie man am Beispiel des Autofahrers gut sehen kann. Da er in seinem Fahrzeug aus Blech und Glas eingekapselt ist und nicht wissen kann, was in den anderen Fahrern vor sich geht, neigt er leicht dazu, diese anderen als Feinde anzusehen, die ihm absichtlich die Vorfahrt nehmen, oder als Idioten, die nicht Auto fahren können. Diese Neigung, über die anderen zu urteilen und ihnen alles Mögliche, vor allem Schlechtes zu unterstellen, ist nicht nur beim Autofahren anzutreffen, sondern auch sonst im Alltagsleben. Paul Watzlawik hat diese Unterstellungsmanie in seinem Bestseller „Anleitung zum Unglücklichsein“ meisterhaft karikiert:

„Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und da bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht's mir wirklich. - Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er «Guten Tag» sagen kann, schreit ihn unser Mann an: «Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!»“

Wenn man die Ursachen einer Verfehlung kennt, dann kann man sie auch leichter vermeiden. Gegen den zuletzt erwähnten Unterstellungswahn hilft das Gespräch, vor allem das eigene Zuhören. Zuhören ist vielleicht die wichtigste Fertigkeit, um Ärger vorzubeugen. Wer zuhört, weiß: Die anderen haben auch ihre Probleme, und sie sind keineswegs alle bösartig und streitsüchtig. Die Besserwisser, die nicht zuhören können, sind in hohem Maße herzinfarktgefährdet. Dem entspricht der Rat des Apostels Jakobus: „Denkt daran, meine geliebten Brüder: Jeder Mensch soll schnell bereit sein zu hören, aber zurückhaltend im Reden und nicht schnell zum Zorn bereit.“ (Jak 1,19) – Ein zweites Heilmittel gegen die Aggressivität sind Toleranz und Vergebungsbereitschaft: Die anderen so lassen können, wie sie sind, sie nicht anders haben wollen – das spart sehr viel Ärger. Und wenn sie uns tatsächlich einmal etwas Böses angetan haben, dann wird der Zorn am besten durch Vergebung abgebaut. Wer Vergangenes vergangen sein lassen kann, der hat mehr Kraft für die Gegenwart und Zukunft. Das empfiehlt auch der Apostel Paulus: „Lasst euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen! Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen.“ (Eph 4,26)

Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein. Vom Schlechten des Guten oder Hekates Lösungen. München: Piper Verlag, München, 1986, 40f.

Vgl. Heiko Ernst, 166.

136. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

„Der Herr ist der Gott des Rechts.“ (Sir 35,15) Dieser Satz aus der heutigen Lesung ist Frohe Botschaft. Frohe Botschaft vor allem für die, die unterdrückt, ausgebeutet, verfolgt und an den Rand gedrängt sind. Für die Unterdrücker und Ausbeuter dagegen ist der Satz eher bedrohlich, denn er bedeutet, dass die von Menschen errichteten Unrechtsstrukturen in dieser Welt nicht von ewiger Dauer sind, dass Gott vielmehr dazwischentritt und sein Recht durchsetzt.

Am heutigen Weltmissionssonntag sollten wir die Gelegenheit nutzen, uns einmal in die Lage der armen und unterdrückten Völker zu versetzen, die von Bürgerkriegen heimgesucht werden oder in denen eine brutale Zwei-Klassen-Gesellschaft herrscht. Was kann den Menschen dort echte Hoffnung geben? Leere Versprechungen haben sie schon zur Genüge gehört. Der Glaube an das Gute im Menschen ist ihnen gründlich ausgetrieben worden – was bleibt da noch? Nur eins kann ihnen Hoffnung geben: der Glaube an den gerechten Gott, der ihr Schreien hört und sie aus ihrem Elend rettet – und zwar nicht etwa ein bloß gepredigter Glaube, sondern ein Glaube, der von den Verkündern durch und durch gelebt, bezeugt, vielleicht sogar bis zum Blutvergießen bezeugt wird. Nur die Kirche, die den mächtigen Unterdrückern mutig entgegentritt, mit ihnen nicht gemeinsame Sache macht, sondern klar und eindeutig für Gerechtigkeit eintritt, kann in ihrer sonst so hoffnungslosen Welt Hoffnung geben und den Lebensmut der Menschen neu entfachen und stärken.

Mission ist die Fortsetzung der unermüdlichen Predigttätigkeit Jesu: „Den Armen verkündete er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen Freiheit, den Trauernden Freude.“ Freilich beschränkt sich die Frohe Botschaft Jesu nicht auf die Verkündigung einer rein innerweltlichen Freiheit und Gerechtigkeit. Das heutige Evangelium spricht von einer viel tiefer gehenden Befreiung, nämlich von der Befreiung von Schuld. Und auch hier hat die Frohe Botschaft zwei Seiten: „Dieser Mann ging gerechtfertigt nach Hause, jener nicht.“ Was dem reuigen Sünder froh- und freimachende Botschaft ist, das ist dem selbstgerechten Pharisäer Mahnung und Anklage. Nur wer vor Gott eingesteht, dass seine Hände leer sind, der hört das befreiende Wort von der Sündenvergebung. Wer sich dagegen in Selbstgerechtigkeit gefällt, der verweigert die Solidarität mit den andern Menschen und wird genau deswegen von Gott nicht gerechtfertigt.

Was bedeutet das für uns? Eine Geschichte von Martin Buber kann uns eine Verstehenshilfe geben: Ein Rabbi sagt von sich selbst: Ich bin sicher, der kommenden Welt teilhaftig zu werden. Wenn ich vor dem obern Gericht stehe und sie mich fragen: „Hast du nach Gebühr gelernt?“, werde ich antworten: „Nein.“ Dann fragen sie wieder: „Hast du nach Gebühr gebetet?“, und ich antworte desgleichen: „Nein“. Und sie fragen zum dritten: „Hast du nach Gebühr Gutes getan?“ Und ich kann auch diesmal nicht anders antworten. Da sprechen sie das Urteil: „Du sagst die Wahrheit. Um der Wahrheit willen gebührt dir ein Anteil an der kommenden Welt.“

Wenn wir so ehrlich vor Gott sind, dann werden wir solidarisch mit den anderen Menschen, auch mit denen, die ganz anders sind als wir. Dann können wir nicht mehr so leicht sagen: „Ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin … wie dieser ‚Punkt-Punkt-Punkt’ dort.“ Zöllner gibt es keine mehr, aber es gibt den Jugendlichen, der eine Riesendummheit begangen hat, das Paar, dessen Ehe zerbrochen ist, den Arbeitskollegen, der des Diebstahls überführt wurde usw. Wenn ich auf einen Menschen mit dem Finger zeige, dann zeigen drei Finger auf mich selbst. Das Gebet des Zöllners kann uns helfen, ehrlicher uns selbst gegenüber zu werden: „Gott, sei mir Sünder gnädig.“ So ein Gebet verändert – uns selbst und dann auch die Menschen um uns herum. Wenn heute überhaupt etwas den Lichtstrahl der Frohen Botschaft in die Herzen der Menschen trägt, dann ist es die tiefe demütige Ehrlichkeit, die keinen Fehler nur beim anderen sieht, sondern immer zuerst bei sich selbst, die sich einfühlen kann in die Beschämung des Überführten und die darum die Fehler anderer nicht aufdeckt, sondern diskret zudeckt. – Wäre die Welt nicht viel schöner und lebenswerter, wenn die Menschen solche Milde an den Tag legten?

Damit sind wir beim Anliegen des Weltmissionssonntags: Die sanfte Wahrheit von Gottes Güte und Milde möge sich überall auf der Welt verbreiten und alle Selbstgerechtigkeit vertilgen, die doch nur Ausgrenzung, Hass, Fanatismus und sogar Terrorismus zur Folge hat!

Dieses Anliegen kann und soll sich freilich auch in unserer Spendenbereitschaft ausdrücken. Was wir hier nicht tun können, das tun die Missionare in den verschiedensten Ländern der Welt. Sie brauchen dafür Geld – das wissen wir –, und sie brauchen auch unsere Unterstützung im Gebet. Wenn unser Gebet nicht zuerst um die eigenen Interessen kreist, sondern zur Fürbitte für andere wird, ist es Ausdruck unserer hochherzigen Gesinnung und insofern auch das lebendigste Zeichen unserer Freiheit als Kinder Gottes, unserer Freiheit, vom eigenen Ich absehen zu können, um so alles im größeren Horizont der Liebe zu sehen.

137. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Wir schütteln leicht über das Verhalten anderer den Kopf, wenn es uns fremdartig und lächerlich erscheint. So wird es auch bei den Einwohner von Jericho gewesen sein, als sie den Oberzöllner Zachäus auf den Baum steigen sahen. Und doch kann man sein Verhalten verstehen, ja, man kann die ganze verkorkste Lebensgeschichte des Zöllners unter einen Schlüsselbegriff fassen und so verstehen. Zachäus wollte angesehen und anerkannt sein. Und darin glich er fast allen anderen Menschen, nur dass nicht alle mit denselben Mitteln danach streben.

Das erste Mittel, das Zachäus einfiel, war Reichtum und Besitz. Ich denke, da unterschied er sich noch nicht so sehr von den meisten anderen Menschen. Aber aus welchen Gründen auch immer ergriff er ausgerechnet den Beruf des Zollpächters, und damit hatte er zwar eine Karriere als Reicher sicher, aber Ansehen konnte er dadurch nicht erwerben. Die Zöllner vollzogen im Auftrag der ungeliebten Besatzungsmacht die römische Abgaben- und Steuerhoheit. Aber sie waren nicht nur Finanzbeamte des verhassten Kaisers, sondern trieben auch noch die Steuern übergebührlich in die Höhe, und niemand konnte ihnen das verwehren. Dies taten sie, weil ihr eigenes Einkommen an die Höhe der von ihnen eingetriebenen Abgaben abhängig war. Sie konnten zwar nicht den Staat durch Steuerhinterziehung betrügen, aber den Steuerzahler durch überhöhte Zölle.

Vermutlich ist der Gedanke, durch Reichtum glücklich zu werden, zu verlockend, um ihn nicht auszuprobieren, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Aber wenn man dann in die Jahre kommt, merkt man irgendwann, dass es ohne gesellschaftliche Anerkennung nicht geht. Und die hatte Zachäus mitnichten, im Gegenteil, er gehörte zu den meistgehassten Leuten seiner Zeit, die Zöllner wurden oft in einem Atemzug mit Dirnen, Sündern und Heiden genannt. – Wie konnte Zachäus, der vermutlich alles andere als dumm war, die nötige Anerkennung gewinnen? Und von wem konnte er sie bekommen?

Ich kann mir vorstellen, dass solche Fragen in vielen Köpfen herumspuken. Wie viele Zachäus-Existenzen gibt es in unserem Land? Wohlhabende Leute, die irgendwann merken, dass sie aufs falsche Pferd gesetzt haben, die bereuen, dass sie in jungen Jahren sich haben bestechen, verlocken oder korrumpieren lassen?! Die vielleicht mit ihrer Beziehung gescheitert sind, weil ihnen die Karriere wichtiger war, oder die mit ihrer Gesundheit dem Geld hinterhergelaufen sind und sich nun gezwungen sehen, mit ihrem Geld der Gesundheit hinterherzulaufen… Manche haben nicht einmal mehr Verwandte, die etwas von ihnen wissen wollen…

Zachäus jedenfalls bekommt eine zweite Chance, und er ergreift sie auch. Als er hört, dass Jesus in die Nähe kommt, steigt er auf einen Baum, um ihn von dort aus auf jeden Fall sehen zu können. Genau weiß er nicht, wer dieser Jesus ist und ob es sich überhaupt lohnt, nach ihm Ausschau zu halten. Aber die innere Unruhe treibt ihn nach draußen und nach oben auf diesen Baum. – Vielleicht kann man dies vergleichen mit den heutigen Weltjugendtreffen und anderen Großveranstaltungen, zu denen Menschen strömen, um einer tief innen gespürten Sehnsucht nach Heilung und Liebe zu folgen.

Zachäus wird von Jesus tatsächlich gesehen, aber nicht nur das: Jesus hat gleich für ihn den rechten Blick und das rechte Wort. Er lässt sich von ihm einladen und schenkt ihm so eine Anerkennung, die Zachäus schon seit Jahren von niemandem mehr bekommen hat. Je mehr er Jesu grenzenlose Güte spürt, um so leichter fällt es ihm, seinen bisherigen Lebensentwurf zu korrigieren und einen Neuanfang zu wagen.

Zachäus wird so der Prototyp des bekehrten Sünders. Sein verletztes Leben wird geheilt, nun kann er sich wieder vor den anderen sehen lassen und sich durch ein moralisch integres Handeln selbstverdiente Anerkennung erwerben. – Solches geschieht auch heute etwa bei Weltjugendtagen, es sollte und müsste aber auch im christlichen Gemeindealltag möglich sein. Es muss gar nicht so spektakulär sein. Ein einfaches Wort der Anerkennung gegenüber dem anderen, über dessen Verhalten man den Kopf schütteln möchte, kann dazu den Anfang machen. Wer wie Jesus einfühlend und gütig den rechten Blick und das rechte Wort findet, der kann eine Folge von Ereignissen initiieren, die ungeahnt positive Wirkungen haben: „Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden.“

138. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Schwestern und Brüder!
Da spricht das Jesus von der Endzeit, vom Ende, verbreitet Endzeitstimmung im heutigen Evangelium. Seuchen, Kriege, Erdbeben, Verfolgungen seien nur deren Vorboten. Starker Tobak. Einige sehen darin nur Drohbotschaft statt Frohbotschaft.

Von ganz anderem spricht Paulus in seinem Brief an Thessalonicher. Da wird keine Drohkulisse des letzten Tages aufgebaut, sondern es geht schlichtweg um Allerweltskram. Um die tägliche Arbeit und um den täglichen Lebensunterhalt der Christen, die in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihr selbstverdientes Brot zu essen haben.
Auch das passt dem einen oder der anderen nicht. Im Gottesdienst, muß es doch um Höheres gehen, der Gottesdienst soll uns doch erbauen unseren Alltag irgendwie erheben aus seinem Trott.

Beide Stellen der Heiligen Schrift, die uns heute die Liturgie vorlegt, scheinen verbindungslos nebeneinander zu stehen. Endgericht und Alltag. Beide passen nicht nur vielleicht einigen nicht, sondern sie scheinen gar nicht zusammen zu passen. Auf dem ersten Blick.

Doch die Kirche ist in Ihrer Liturgie sehr weise. Wenn wir tiefer schauen passen gerade diese Lesung und das Evangelium zusammen. Sie sind miteinander verwoben, weil Sie uns nämlich die christliche Lebenshaltung vor Augen führen.

Schwestern und Brüder!
Die Christen der frühen Gemeinde in Thessaloniki lebten in der Naherwartung, sie glaubten, dass das was im Evangelium beschrieben wird, bald eintritt. Sie vermuteten, dass sie das Kommen Christi am letzten Tag noch persönlich erleben würden. Paulus dachte das übrigens auch.

Einige aus der Gemeinde sagten sich: „Wenn das Ende nahe ist, was bringt mir dann noch meine Arbeit, mein Alltag. Auf den besonderen Augenblick am Ende der Zeit muß ich auch mit besonderem Tun vorbereiten. Was soll ich mit einem ordentlichen Leben angesichts des außerordentlichen Endes?“ Und so kam es, das einige aus der Gemeinde, sich wohl in ein religiöses Schwärmertum flüchteten, den Alltag Alltag sein ließen und mit der Welt, wie sie war nicht mehr am Hut hatten.

Freilich, wollten sie schon irgendwie versorgt werden, was zu essen haben. Und so lagen sie anderen Gemeindemitgliedern wohlmöglich auf den Taschen. Auf diese Situation geht Paulus ein, wenn er schreibt:
Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.11 Wir hören aber, daß einige von euch ein unordentliches Leben führen und alles mögliche treiben, nur nicht arbeiten.12 Wir ermahnen sie und gebieten ihnen im Namen Jesu Christi, des Herrn, in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihr selbstverdientes Brot zu essen.

Paulus selbst hatte so gehandelt. Er hatte während seiner Predigtreisen immer wieder in seinem Handwerk gearbeitet, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und das, obwohl er ebenfalls dachte, das Kommen Christi sozusagen live mitzuerleben.

Schwestern und Brüder!
In einem Punkt hat sich Paulus geirrt: Das Ende der Welt, der Letzte Tag lässt immer noch auf sich warten.

Daß er kommen wird, wissen wir. Das ist eindeutiges Zeugnis der Schrift. Da hilft kein Herumdeuteln. Wir wissen nur nicht wann. Es könnte auch gleich, jetzt, in drei Jahren, in drei Jahrzehnten sein. Es könnte auch während unser Lebenszeit sein.
Das hat zur Folge, dass wir sozusagen wie die frühen Christen in der Erwartung des Endes Leben sollen. Darum ruft uns der Herr ja immer wieder zur Wachsamkeit auf, damit uns der Tag nicht unvorbereitet trifft.

In einem anderen Punkt ist uns Paulus Vorbild und Orientierung: Er zeigt uns, wie wir als Christen in dieser Welt leben, auch wenn wir um deren Ende wissen und um das Gericht.
Die christliche Lebenshaltung besteht darin, unserer Arbeit nachzugehen. Den Alltag, wie er ist, anzunehmen. Unsere Pflichten zu erfüllen. Und zwar in Ruhe.

Gott gab jedem Ding dieser Welt nämlich nicht nur das Sein, sondern auch Sinn. In der Wirklichkeit – und nur dort: in der realen von Gott erschaffenen Welt – werden wir den Sinn des Lebens finden. Und zu dieser Wirklichkeit gehört die Arbeit. Von Anfang an. Sie ist nicht etwa Folge der Erbsünde, sondern schon vor dem Sündenfall gibt der Schöpfer dem Menschen den Auftrag, die Erde durch Arbeit zu gestalten.
Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte. heißt es im Buch Genesis.

Als Christen flüchten wir uns nicht in die Scheinwelten der Massenmedien und virtuellen Räume;
betäuben wir unsere Sinne nicht mit Drogen, um der Realität zu entfliehen;
setzten wir nicht auf religiöse Praktiken, die uns in Trance oder Ekstase versetzen.

Weltflucht ist die Sache der Christen nicht. Aber Moment, gibt es da nicht die Orden, die diese Welt verlassen? Gibt es nicht die Tage der Einkehr, Exerzitien, so wie ich gerade welche hinter mir habe?

Nun, die Orden – selbst die radikalsten im Christentum – haben eines immer verbindlich: jeder und jede muß arbeiten. Die Arbeit der Benediktiner hat unseren Kontinent gestaltet.
Und Tage der Einkehr sind nicht Weltflucht, sondern Umkehr zur Welt hin. Sie bewahren uns, den alltäglichen „Ach wenn doch“-Versuchungen nachzugeben: „Ach wenn ich doch einen anderen Beruf hätte“, „Ach wenn ich doch eine andere Frau hätte“, „Ach wenn ich doch besserer Gesundheit wäre.“, „ach wenn, ach wenn, ach wenn...“
Tage und Zeiten der Einkehr – so auch jede Hl. Messe – helfen uns die Welt so zu sehen, wie sie ist. Und sie auch so, wie sie ist, zu umarmen.

Und genau das ist Nachfolge Christi. Die Welt umarmen, ja leidenschaftlich lieben.
Denn Sie ist aus Gottes guten Händen gekommen. Wir haben sie verunstaltet.
In ihr hat Jesus, der Sohn Gottes, gelebt. Dreißig Jahre hat er verborgen in Nazareth gelebt, wie einer von uns.
Und er hat diese Welt und uns so sehr geliebt, dass er sie sogar erlöst hat.

Liebe Schwestern und Brüder,
ruhig unserer Arbeit nachgehen, den Alltag annehmen, wie er gerade ist und kommt – das ist die beste Art und Weise als Christ zu leben. Diese Welt bereitet uns auf die kommende vor. Und in dieser Welt können wir, wenn wir aufmerksam sind, schon einen Vorgeschmack der kommenden verkosten. Nur wer diese Welt flieht, wird die kommende verlieren.

139. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Am Ende des Kirchenjahres werden uns immer wieder die ernsten Worte vom Ende der Welt und den Schrecken, die damit verbunden sind, zugemutet. Schon die Jünger fragen: „Wann wird das geschehen?“ Doch Jesus sagt ihnen nur anspornend: „Seht euch vor, lasst euch nicht irreführen.“ Er spricht nicht als Wahrsager, sondern als Prophet, als Weisheitssager. Und der Sinn der Prophetie ist nicht die wortwörtliche Erfüllung, sondern die Umkehr der Menschen, auf dass die vorausgesagten Ereignisse gerade nicht eintreffen. Die Mahnung richtet sich an die Menschen aller Zeiten: „Sehr euch vor, lasst euch nicht irreführen. Haltet euch bereit.“

Das sind ernste Gedanken, die uns am Volkstrauertag beschäftigen, wo wir der vielen Toten und Opfer der unzähligen Kriege gedenken. Aktuell gedenken wir in Südkirchen auch derjenigen, die am vergangenen Sonntag vom Unglück betroffen wurden: des lebensgefährlichen verletzten Mirko, seiner Eltern und Angehörigen und aller, die seelisch in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Der schreckliche Vorfall zeigt uns: Was sonst nur an fernen Orten geschieht, kann plötzlich auch bei uns eintreffen; wovor wir uns sicher dünken, das kann uns dennoch ereilen. Wir kennen nicht den Tag und die Stunde. Unser Leben ruht auf unsicherem Boden.

An solchen Tagen und bei solchen Geschehnissen wird uns bewusst: Die Welt ist nicht in Ordnung. Sie ist durcheinander geraten. Sie hat sich von Gott losgelöst, seit der Mensch von Anbeginn die Schöpfungsordnung durchbrochen hat und seine eigenen Wege gehen wollte. Die Folge der Sünde sind die zahllosen Streitigkeiten, Kriege und inzwischen sogar Umweltkatastrophen. – Das sollen wir ganz realistisch bedenken und mutig zur Kenntnis nehmen.

Aber damit ist der Sinn der Weissagung Jesu noch nicht ausgeschöpft. Das Evangelium bleibt nicht bei der Beschreibung der üblen Zustände stehen, sondern öffnet den Blick für die Überwindung des Bösen: „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.“ Es gibt eine Versuchung, wankend zu werden, zu resignieren und zu denken, das Böse sei stärker als das Gute. Dieser Versuchung gilt es mit aller Kraft zu widerstehen, denn sie stammt vom Bösen, der die Guten verblenden und schwächen will. Doch das Gegenteil ist wahr: Gott ist immer stärker als das Böse, und am Ende wird das Gute allein Bestand haben. Bis dahin müssen wir freilich warten, aushalten und kämpfen. Jeder kann und muss seinen Teil dazu beitragen, dass das Böse nicht überhandnimmt. Keiner darf sich in die Schmollecke verziehen und sich der Tatenlosigkeit hingeben.

Das Ende des einzelnen Menschen wie auch das Ende der Welt ist immer Ankunft der Herrschaft Gottes und Jesu Christi. In diesem Sinne haben wir auch im Eingangslied gesungen: „Komm, Herr Jesu, komm, führ die Welt zum Ende, dass der Tränenstrom sich in Freude wende.“ Dieses Ende ist alles andere als schrecklich, vielmehr das Ende allen Schreckens.

Wer dies im Glauben annimmt, wird nun keineswegs die Flucht aus der Welt antreten und nur noch darauf warten, bis endlich der Tod kommt. Einem solchen Missverständnis tritt der Apostel Paulus gebieterisch entgegen: „Wir hören, dass einige von euch ein unordentliches Leben führen und alles mögliche treiben, nur nicht arbeiten. Wir ermahnen sie und gebieten ihnen im Namen Jesu Christi, des Herrn, in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihr selbstverdientes Brot zu essen.“ (1 Thess 3,11f) Das Ende, auf das wir zugehen, soll uns nicht lähmen, sondern anspornen. „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde, heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn er kommt“, heißt es in einem Lied. Heute noch können wir aus vergangener Schuld etwas Gutes machen, heute noch können wir einen Groll begraben und neue Herzlichkeit ausstrahlen.

Die Zustände in unserer Gesellschaft sind kein Schicksal. Wir haben es in der Hand, wie unsere Umwelt aussieht, jedenfalls zu einem Teil. Jeder kann etwas tun, in der Summe ist es viel. Wenn wir uns auf den Wert der Gemeinschaft besinnen und uns nicht aus der Solidarität miteinander begeben, dann sind wir stark. Die Kraft der Gemeinschaft haben wir am Dienstag beim Gottesdienst wieder erfahren. Vergessen wir das nicht!

Jesus ruft uns heute zu: „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das ewige Leben gewinnen.“ Dafür lohnt es sich. Amen.

140. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Um uns selbst zu erkennen, kann es mitunter nützlich sein, uns in eine andere Person zu versetzen. Der Apostel Petrus lädt uns dazu heute förmlich ein. Als er zu seinen Freunden sagt: „Ich gehe fischen“, da brennt in ihm noch die Erinnerung an seine schmähliche Verleugnung. Was tun mit solchen unangenehmen Erinnerungen? Am besten verdrängen – durch handfeste Arbeit, durch Tun dessen, was man gewohnt ist, bei dem man nicht nachdenken muß.

Aber die Rechnung will nicht aufgehen: Nicht einmal die Fische tun, was sie sollen. Alles geht schief. Alles ist umsonst. Die ganze Welt hat sich gegen mich verschworen. Ist es nicht so? – Petrus ist verzweifelt, traurig, beschämt. Er fühlt sich schmutzig, müde, überfordert, weiß nicht mehr weiter. Selbst die Nähe seiner Freunde kann ihn nicht aus seiner Trübsal herausreißen; er bleibt auf sein Ich zurückgeworfen, fühlt sich einsam und leer. So wird es langsam Tag, und man muß zusehen, daß man nach Hause kommt.

Doch in dem Moment passiert etwas: Ein Fremder steht am Ufer – es erscheint alles irgendwie unwirklich – er möchte etwas zu essen haben – dabei haben sie doch nichts. Und dann fordert er sie noch auf, die Netze erneut auszuwerfen. Warum sie es tun, ist ihnen selbst nicht ganz klar. Vielleicht erinnern sie sich an die Zeit, die ihnen so lange zurückzuliegen scheint, an die wunderbare Zeit, als es noch Wunder gab, als Jesus noch quicklebendig unter ihnen war. Doch als das Wunder wieder passiert, da weiß Petrus: es ist der Herr. Die Schamröte schießt ihm ins Gesicht, er will nur noch ins Wasser, um abzuwaschen, was er angerichtet hat, nicht wiedergutmachen kann und gerade dabei war, zu vergessen.

Er taucht wieder aus dem Wasser auf, fängt sich, bekommt wieder etwas Sinnvolles zu tun: er kann das Netz an Land ziehen und die Fische herausholen. Ihre Zahl ist anscheinend bedeutungsvoll. Aber das berührt Petrus im Augenblick nicht. Er stillt seinen Hunger und genießt die Gegenwart seines Meisters: alles wie früher! Wenigstens für eine Zeit darf er so empfinden, doch dann muß er das gefürchtete Gespräch führen. Aber der Meister macht ihm keine Vorwürfe. Er fragt ihn nur: „Liebst du mich?“ – Die Antwort ist sehr abgewogen: „Ja, Herr, du weißt…“ Sein eigenes Wissen ist ihm nicht mehr geheuer, seit er so großspurig gesagt hat: „Mein Leben will ich für dich hingeben“ (Joh 13,37) – und dann so jämmerlich versagt hat. Dreimal allerdings fragt Jesus ihn so, denn dreimal hat Petrus ihn aus Furcht verleugnet. So wird die Schuld endgültig getilgt, und die Erinnerung daran ist nicht mehr belastend. Fortan kann Petrus Mitleid haben mit allen anderen, die schwach werden. Denn das muß er, soll er doch nun das höchste Amt antreten, das Jesus zu vergeben hat: „Weide meine Lämmer, hüte meine Schafe, weide meine Schafe.“ Die jungen Lämmer soll er lehren und stärken, die Schafe tapfer führen und die eigensinnigen erwachsenen Schafe weiden.

Was wäre aus Petrus geworden, wenn sein Meister nicht der große Pädagoge gewesen wäre, der er war? Wenn Jesus aus Enttäuschung einen anderen, z.B. den treuen Johannes zum Ersten der Apostel erwählt hätte? Vermutlich wäre Petrus dann trübselig geworden, bitter und verschlossen. Wieder einer mehr von denen, die vom Leben enttäuscht wurden, ohne Hoffnung und ohne Perspektive. Aber so ist es eben nicht gekommen! Ostern bedeutet nicht nur das Ereignis der Auferstehung Jesu, es bedeutet viel mehr: der glimmende Docht wird neu zum Brennen gebracht, der gefallene Mensch aufgerichtet, die vergangene Schuld wird in das Vermögen zu höchster Einfühlsamkeit und Barmherzigkeit gewandelt.

So könnte und sollte es auch bei uns sein: Mensch, wer du auch bist, höre die Stimme des Meisters, der dich nach deiner Liebe fragt! Es ist derselbe, der dich aus der Lethargie weckt, dir einen Auftrag gibt – vielleicht nicht, ein Netz einzuholen, vielleicht aber, ein Fahrrad zu reparieren oder ein Buch auszuleihen. Laß dir nicht von den Fehlern der Vergangenheit alle Zukunft verbauen! Ergreife die Chance und antworte wie Petrus: „Du weißt, Herr, du weißt alles. Du weißt, daß ich dich liebe.“

141. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

„Wir sind doch keine Schafe! Bleib mir weg mit dem Bild vom guten Hirten!“ So mögen manche denken, die sich als mündige Christen und nicht als zu hütende Schafe angesprochen wissen wollen.

Andererseits hat wohl jeder Mensch eine Seite an sich, die man seine schwache Seite nennen könnte, jeder sehnt sich mehr oder weniger stark nach Geborgenheit, nach Orientierung und Angenommensein. Unsere Welt ist kompliziert geworden, sie verlangt immer mehr das erwachsene, mündige und kritische Denken, sie ist immer schwerer zu durchschauen. Während wir Menschen auf der einen Seite dieser Anforderung gewachsen zu sein bemüht sind, suchen wir suchen auf der anderen Seite nach einem Raum oder einer Gruppe, wo wir angenommen sind, wo wir ganz einfach Mensch sein dürfen, ohne daß man uns nach Leistung und Verdienst fragt. Diese Sehnsucht wird vom Bild des guten Hirten angesprochen.

Dazu muß man wissen, dass ein Hirte in Palästina zur Zeit Jesu großes Ansehen genoß. Das Land war nämlich weitgehend unwirtlich, das Gras war spärlich, und die Herde mußte ständig von einem Platz zum anderen überwechseln. Es gab keine Schutzmauern, und so war die ständige Anwesenheit des Hirten unter der Herde erforderlich.

Im Alten Testament hat sich Gott selbst als Hirte seines Volkes bezeichnet. „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen“ (Ps 23,1). Auch die Führer des Volkes Israel erhalten den Titel Hirte, aber sie werden daran auch gemessen und von Fall zu Fall auch kritisch beurteilt. So von Ezechiel, der ihnen ins Stammbuch schreibt: „So spricht Gott, der Herr: Weh den Hirten Israels, die nur sich selbst weiden. Müssen die Hirten nicht die Herde weiden? Ihr trinkt die Milch, nehmt die Wolle für eure Kleidung und schlachtet die fetten Tiere; aber die Herde führt ihr nicht auf die Weide. Die schwachen Tiere stärkt ihr nicht, die kranken heilt ihr nicht, die verletzten verbindet ihr nicht, die verscheuchten holt ihr nicht zurück, die verirrten sucht ihr nicht, und die starken misshandelt ihr.“ (Ez 34,2-4) Und dann folgt die Verheißung: „Denn so spricht Gott, der Herr: Jetzt will ich meine Schafe selber suchen und mich selber um sie kümmern.“ (Ez 34,11) Diese soll sich mit dem künftigen Messias erfüllen: „Wie ein Hirt führt er seine Herde zur Weide, er sammelt sie mit starker Hand. Die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er behutsam“ (Jes 40,11). Dieses Bild des vollkommenen Hirten findet seine volle Verwirklichung in Christus. Er ist der gute Hirte, der sich auf die Suche nach dem verlorenen Schaf macht; er hat mit dem Volk Mitleid, weil er in ihm „Schafe ohne Hirten“ erkennt (vgl. Mt 9,36).

Der Abschnitt des heutigen Evangeliums hebt einige Charakteristiken des guten Hirten hervor. Zunächst wird gesagt, dass der Hirte und seine Schafe sich bestens kennen: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir.“ Während in bestimmten Nationen Europas die Schafe in erster Linie wegen ihres Fleisches gehalten werden, werden sie in Israel vor allem wegen ihrer Wolle und ihrer Milch gezüchtet. So blieben sie jahrelang in der Gesellschaft des Hirten, der schließlich den Charakter jedes einzelnen Schafes kannte und es mit einem Kosenamen rief.

Ebenso kennt Jesus seine Jünger. Er kennt sie „beim Namen“, was für die Bibel heißt: in ihrem innersten Wesen. Er liebt sie mit einer persönlichen Liebe, die einen jeden so erreicht, als wäre er der einzige, der vor ihm steht.

Der Abschnitt aus dem Evangelium sagt uns noch etwas über den guten Hirten. Er „gibt sein Leben hin für die Schafe, und keiner wird sie seiner Hand entreißen“. Diese enge Verbundenheit mit dem Hirten wird sogar dreimal wiederholt: Was uns Jesus durch sein Opfer am Kreuz und seine Auferstehung schenkt, ist bereits ewiges Leben, und wer es empfängt und nicht ablehnt, der kann nie mehr zugrundegehen, es kann ihn niemand der Hand Jesu entreißen, und es kann ihn auch niemand der Hand Gottes, des Vaters, entreißen.

Angesichts dieser starken Verheißung können wir allen selbsternannten Führern der Menschheit gelassener begegnen; also denjenigen, denen an den Schafen nichts liegt, die vielmehr nur ihr „ Schäfchen ins Trockene bringen“ wollen, d.h. die nur an sich selbst denken. Solcherart sind heute etwa zahlreiche Menschheitsbeglücker im Fernsehen, die sich einbilden, den Zuschauern ihre Sicht der Dinge aufdrängen zu müssen. Es ist gefährlich, wenn Menschen sich als Lehrmeister der Menschheit aufspielen. Da werden Führer leicht zu Verführern. Dann braucht es eine starke Gegenkraft, die uns davor bewahrt, von solchen Leuten nicht ins Verderben gerissen zu werden.

Leider müssen wir zugeben, daß wir vor dem anderen Menschen, der sich als Wolf gebärdet, mehr Furcht haben als vor Gott. Menschenfurcht ist aber das Kennzeichen der bezahlten Knechte, der schlechten Hirten. Unser Vorbild sollte indessen Christus sein, der gute Hirte, der keine Furcht hatte – weder vor dem Tod noch vor sonst einer irdischen Macht.

Am heutigen Sonntag betet die Kirche um geistliche Berufe, d.h. darum, daß sich immer wieder junge Menschen bereit finden, dem Ruf Jesu zu folgen und in seine Nachfolge zu treten als gleichfalls gute Hirten, die sich um die ihnen anvertrauten Christen wahrhaft sorgen und sich für sie einsetzen.

142. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Im Evangelium haben wir von dem neuen Gebot gehört, das Jesus uns gegeben hat: einander zu lieben, so wie er uns geliebt hat. Über Liebe zu reden ist leicht, sie zu üben und zu tun aber schwer.

Wir geben zwar ohne weiteres zu, jedenfalls im allgemeinen, daß es uns an Liebe mangelt. Aber wir lassen uns nicht gern fragen: „Und was willst du daran ändern?“ Eine solche Frage würde leicht Ärger auslösen. Denn den Mangel an Liebe empfinden wir nicht als Makel, unsere Mittelmäßigkeit erschreckt uns nicht.

Hinzu kommt, daß wir uns von anderen nicht sagen lassen wollen, daß uns ein wenig mehr Liebe wohl anstünde. Schon wenn ein anderer nur leise andeutet, mich darüber belehren zu können, was ich denn aus Nächstenliebe zu tun oder zu lassen hätte, reagiere ich empfindlich mit Abwehr und Zorn. Was bildet der oder die sich eigentlich ein? – Und weil ich das weiß, tue ich mich auch schwer damit, anderen Empfehlungen zu geben, wie sie das Gebot der Nächstenliebe konkret umsetzen könnten oder sollten.

Nun sagt aber Jesus, daß unsere Liebe so groß sein soll, daß sie als Erkennungszeichen dient und eine Empfehlung für andere ist. „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt.” Die Liebe soll anderen zum Motiv für ihre Bekehrung werden, sie soll unsere Gesellschaft durchsäuern und menschlicher machen.

Ich kenne Christen hier in unserer Gemeinde, die genau das tun. Sie setzen sich für ihre Mitmenschen ein, strahlen sie an und schenken ihnen Zeit und Zuwendung. Das ist wunderbar. Was mich dabei jedoch bedrückt, ist die Undankbarkeit, die sie vielfach erfahren müssen. Ihre Liebe wird wie etwas Selbstverständliches erwartet und angenommen, ja geradezu gefordert. Selten ein Wort des Dankes, noch seltener der spürbare Erfolg, die Seele des anderen ein wenig zum Besseren umgeformt zu haben, aus einem Griesgram – jedenfalls für eine kurze Zeit – einen frohen Menschen gemacht zu haben. Strahlen Sie mal einen muffeligen Menschen an – es ist fast so wie bei einem Schwarzen Loch: alles Licht wird aufgesaugt, es kommt nichts zurück. Fragen Sie denselben Menschen anschließend, ob er sich an etwas Gutes in jüngster Zeit erinnern kann: ihm wird nichts einfallen.

Wie soll sich da die Verheißung Jesu erfüllen: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt”? Wie kann man da ein liebender Mensch bleiben? Wie in der Liebe gar noch wachsen?

Das Geheimnis besteht darin, die wahre Quelle der Liebe aufzusuchen und von ihr zu trinken. Allein Jesus kann den Durst nach vollkommener Liebe stillen: „ Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke !“ (Joh 7,37) Wer sich von der Liebe Jesu ergreifen läßt, der wird nach und nach an der Wurzel seiner Seele geheilt und zu einem liebenden Menschen umgestaltet werden. – Es ist ein Geheimnis, das nur demjenigen offensteht, der sich darauf einläßt, der sich auf die Suche begibt, weil er sich nicht satt und selbstzufrieden mit Halbheit und Oberflächlichkeit begnügt. Mutter Teresa zum Beispiel hat dieses Geheimnis entdeckt und aus ihm gelebt. Sie verrät uns, aus welcher Quelle sie ihre schier unerschöpfliche Liebe bezieht:

„Die Tätigkeit der Schwestern, alles was wir tun, ist einzig und allein die Frucht des Gebetes, die Frucht unserer Einheit mit Jesus in der Eucharistie. Dank dieser Einheit ist es uns möglich, uns dem Dienst an den Aussätzigen, den Sterbenden, den Kindern, denen die unerwünscht sind, und anderen Menschen hinzugeben. Wenn wir abends nach Hause kommen, halten wir eine Stunde lang Anbetung. Das ist der größte Schatz der Missionarinnen der Nächstenliebe.“

Wir sollten uns nicht von der Nörgelei und vom Griesgram unserer Zeit beirren lassen. Nach wie vor lassen sich andere Menschen von der Liebe berühren und verändern. Doch wir müssen immer zuerst bei uns anfangen und unser eigenes Herz an den Quell der Liebe bringen. Von anderen Liebe zu fordern, die man selbst nicht bereit ist zu geben, ist erbärmlich und schnöde.

Noch einmal Mutter Teresa:

„Denke nicht, daß Liebe, um wahrhaftig zu sein, außerordentlich sein muß. Notwendig ist nur, unablässig zu lieben. Wie kann eine Lampe brennen ohne unablässige Zufuhr kleiner Öltropfen?

Liebe Freunde: Was sind unsere Öltropfen in unseren Lampen? Es sind die kleinen Dinge des Alltags: die Freude, die Großherzigkeit, die kleinen guten Taten, die Demut und die Geduld. Ein einfacher Gedanke an jemand anderes. Unsere Art still zu sein, zuzuhören, zu vergeben, zu reden und zu handeln. Das sind die wahren Öltropfen, die unsere Lampen unser ganzes Leben hindurch lebhaft brennen lassen.“

143. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Der Text, den wir gerade im Evangelium gehört haben, wird „das Hohepriesterliche Gebet“ genannt. Jesus betet zum Vater in seiner besonderen Rolle als Mittler zwischen Gott und den Menschen, eben als Priester, als Hoherpriester. Das Gebetsanliegen Jesu ist vor allem die Einheit der Christen: Sie - d.h. wir - sollen eins sein nach dem Vorbild der Einheit zwischen Gott Vater und seinem Sohn.

Es ist ein ausgesprochen schöner Text, er gewährt uns einen tiefen Einblick in das innere Leben Gottes, in das innige Verhältnis, das Jesus zu seinem himmlischen Vater hatte. Aber wenn ich Sie jetzt fragen würde, ob Sie mir auch nur einen Satz wiederholen könnten, gäbe es vermutlich kaum jemanden, der dazu in der Lage wäre. Das ist nicht als Vorwurf gesagt, vielmehr geht es mir selber ja auch so, daß ich beim Zuhören eines schwierigen Textes nicht recht mitkomme, womöglich ganz aussteige und dann das Ganze als langweilig empfinde.

Bleiben wir da mal kurz stehen: Was ist Langeweile? Wann kommt sie auf? – Zum Beispiel: Jemand erzählt uns etwas, das uns überhaupt nicht interessiert. - Oder: Wir haben keine Beschäftigung, und die Zeit, die wir gerne mit etwas füllen möchten, ist wie ein leeres Gefäß. - Oder: Jemand erzählt uns etwas schon zum 10. Mal. Das kennen wir alles schon.

Das sind drei verschiedene Formen der Langeweile:
• die Verbindungslosigkeit einer Sache mit uns selber
• die Leere, Ungefülltheit, fehlende Gespanntheit
• die Öde des immer Selben, das fehlende Neue, Überraschende.

Warum kommt uns die Schriftlesung und auch das Beten in der Kirche manchmal langweilig vor? – Weil es mit uns nichts zu tun zu haben scheint. – Weil wir das alles schon mal gehört haben, es ist doch nichts Neues. – Weil wir selber nichts erwarten, unser Denken ist leer.

Bevor ich mit dem Theologiestudium anfing, dachte ich: Das muß ja ungemein langweilig sein! Aber es dauerte nur ein paar Wochen, da war ich fasziniert von dem Vielen, das ich lernte, was mir neu war und was mir neue Horizonte für mein Leben aufschloß. Kurz darauf stieß ich auf folgende Sätze, die mich herausforderten:
• „Denke nicht wie ein Spießer. - Mache dein Herz weit, weltweit, katholisch. Flattere nicht wie eine Henne, wenn du wie ein Adler aufsteigen kannst.“
• „Dein Leben darf kein fruchtloses Leben sein. - Sei nützlich. - Hinterlasse eine Spur. Leuchte mit dem Licht deines Glaubens und deiner Liebe. - Entzünde alle Wege der Erde mit dem Feuer Christi, das du im Herzen trägst.“
• „Wären doch dein Verhalten und deine Worte so, daß jeder, der dich sieht oder mit dir spricht, unwillkürlich dächte: Der da beschäftigt sich mit dem Leben Jesu."

Das ist es, dachte ich mir. Eine Spur hinterlassen, andere faszinieren, begeistern. Erst einmal selber begeistert sein von diesem Jesus Christus, und dann alles Spießertum ablegen und ein weltweites Herz gewinnen.

Sehnen wir uns nicht nach solchen Menschen? Solchen, die leuchten, die wirklich ein Vorbild sind und die den Glauben neu würzen und aus seiner spröden Erstarrung befreien? Jesus war ein solcher Mensch, und die Apostel wurden es durch ihn, und deren Nachfolger wieder durch sie usw. Mut bekamen sie durch Jesus, Selbstvertrauen, Kraft und Ausstrahlung, Hoffnung und genug Impulse zu guten Werken. Sie wuchsen über sich selbst hinaus, weil sie ihr Spießertum abgelegt hatten – dank ihres festen Vertrauens auf Jesus. Das ist das Gegenteil von Langeweile und Chips-Essen vor der Flimmerkiste, das ist Leben pur, Spannung bis zum letzten Atemzug.

Das ist das Leben eines Christen.

Es kommt auf die Einstellung an, die wir einer Sache entgegenbringen. Bibel oder Gottesdienst werden von dem als langweilig empfunden, der gar nicht erst den Versuch macht, diese Dinge an sich herankommen zu lassen. Wie viele haben mit dem Erwachsenwerden auch ihre kindhafte religiöse Wißbegierde abgelegt und meinen, alles Wesentliche schon zu kennen!? Aber so ist es eben nicht. Wer sich offen hält für Gottes Heiligen Geist, der kann jeden Tag etwas Neues und Überraschendes erleben beim Beten, beim Mitfeiern des Gottesdienstes, beim Lesen der Bibel.

Zum Beispiel der Text heute: Er sagt uns das absolut Unerwartete: Wir können und sollen in die Einheit des Vaters mit seinem Sohn mit hineingenommen werden. Wir dürfen am innersten Leben der göttlichen Dreifaltigkeit Anteil erhalten. Es ist die Herrlichkeit. Es ist mehr als schön. Es ist wunderbar, erstaunlich, unbegreiflich, total umwerfend.

Wenn wir es doch begriffen!!!

144. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Wir feiern alle Heiligen zusammen. Wie ist es überhaupt zu diesem Fest gekommen? In Rom waren während der Christenverfolgungen viele Martyrer in den Katakomben begraben worden. Später wurden die Gebeine dieser Verstorbenen als Reliquien verehrt, und es entwickelte sich deswegen sogar eine eigene Art von Kriminalität, der Reliquienraub: Die Gebeine waren vor Dieben nicht mehr sicher. So mussten sie in Sicherheit gebracht werden. Dies geschah im Jahr 609 unter Papst Bonifatius IV., der die Gebeine karrenweise in das Pantheon brachte, den ehemaligen Allgöttertempel, der nun dem Gedenken aller Heiligen geweiht wurde. Das Volk erschauderte beim Anblick so vieler Gebeine der Heiligen, so dass man sich entschloss, ein Fest eigens zu Ehren aller Heiligen einzuführen.

Was aber ist ein Heiliger? Streng genommen gibt es keine heiligen Menschen, nur Gott ist heilig. Aber der Mensch kann von Gott geheiligt werden. Er kann, so wie ein dunkles Stück Eisen, das feurig wird, wenn es ins Feuer gelegt wird, vergöttlicht werden, wenn er ganz in Gott eingetaucht ist. Dies geschieht in der Taufe. Aber wir wissen: das ist nur der Anfang, gleichsam der Same, der sich nun weiter entfalten kann und soll, damit er Frucht bringt. Dieses Wachstum in Glaube und Liebe ist ganz auf Gottes Gnade zurückzuführen, aber es hängt auch vom freien Mitwirken des Einzelnen ab.

Einige Menschen sind da leuchtende Beispiele, und die nennen wir dann heilig. Aber was für ein Bild haben wir von den Heiligen? Ich fürchte, es ist nicht immer derart, dass wir uns von ihrem Leben angezogen und fasziniert fühlen. Es gibt schiefe Vorstellungen von ihnen: dass sie irgendwie traurige Gestalten sein müssen, die von allen irdischen Freuden nichts wissen wollen, weil sie ganz und gar auf das Jenseits hin leben. Oder dass sie so abgehoben sind vom normalen Leben, dass sie uns sowieso nichts zu sagen haben. Gerade von den berühmten Heiligen denken wir oft so, etwa vom hl. Franziskus oder von der hl. Elisabeth, deren Armutsideal uns beinahe erschreckt, dass wir unwillkürlich denken müssen: Das ist kein Weg für mich.

Hier möchte ich nun sagen: Gewiss – das mag sein, dass kaum jemand so radikal auf seinen Besitz verzichten kann wie die genannten beiden. Aber: Heiligkeit ist kein bestimmtes Programm, keine genau festgelegte Lebensform, sondern eine intensive Verbundenheit mit Gott, die sich im Alltag so oder so äußern kann – ganz verschieden, je nach den Zeitumständen und den charakterlichen Eigenarten eines Menschen. Darum ist es auch gut, alle Heiligen auf einmal in den Blick zu nehmen, damit auch die Vielfalt, in Heiligkeit zu leben, bewusst wird. Es gab heilige Bettelmönche wie heilige Könige, heilige Priester und heilige Eheleute, sogar Kinder, die heilig gesprochen wurden. Gemeinsam war ihnen nur das eine: dass Jesus Christus die Mitte ihres Lebens war. Oder anders gesagt: Dass sie sich ihrer Gotteskindschaft bewusst waren und daraus lebten. „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es.“

Leben aus der Kindschaft Gottes. Das ist ganz leicht und dann auch wieder eine schwere Herausforderung. Nur wer sich geliebt weiß, kann selber Liebe schenken. Das gilt für die Erziehung der Kinder, und es gilt für unsere christliche Lebensführung. Je tiefer Gottes Liebe in unsere Herzen eindringt, um so mehr werden wir davon ergriffen und umgestaltet. Ich bin sicher: auch in dieser Gemeinde gibt es Menschen, die ganz tief von Gottes Liebe berührt sind und an deren Augen dies aufscheint. Sie fallen nicht unbedingt auf, aber sie schenken ihren Mitmenschen dadurch Hoffnung und Trost. Sie sind die wahren Stützen der Gemeinde.

Und das geheime Gesetz, das Gott in unsere Natur gelegt hat, wird an ihnen beispielhaft erfahrbar: Glücklich wird nicht der, der viel hat, sondern der, der viel gibt. Oder wie Jesus es ausdrückt: „Selig, die arm sind vor Gott, die Barmherzigen, die reinen Herzens sind, die Frieden stiften – denn ihnen gehört das Himmelreich.“

Das bedeutet freilich nicht, dass den von Jesus so charakterisierten Menschen nichts Böses mehr widerfährt. Kind Gottes sein muss keineswegs immer Spaß machen. Es kann auch weh tun und Mühe bereiten. Ja, oft scheint es geradezu so, als würde Gott ausgerechnet denen, die ihn am meisten lieben, das Schlimmste zumuten. Die Standhaftigkeit ist denn auch oft, die die Heiligen auszeichnet. Mit dem Blick nach oben – die Füße fest auf dem Boden der Wirklichkeit, gehen sie ermutigt durch Gottes Liebe ihren Weg. Das sind die Heiligen. Das ist auch heute faszinierend.

145. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Wenn Kinder in eine neue Schulklasse kommen, dann fragen sie einander zuerst nach dem Namen. Der Name ist ein Zeichen für die einmalige Persönlichkeit. Man möchte nicht mit einem anderen verwechselt werden. Darum kann es für Kinder auch belastend sein, wenn mehrere in ihrer Klasse den gleichen Namen tragen.

Nun hört man immer wieder, die großen Weltreligionen würden im wesentlichen denselben Gott verehren, ob dieser nun Jahwe, Allah oder sonstwie heiße. Der Name sei doch nebensächlich – es gebe schließlich nur einen Gott.

Ist der Name, mit dem wir Gott nennen, tatsächlich nebensächlich? Oder verbirgt sich hinter dieser Meinung eine Verwechslung, die wir unter Menschen keineswegs entschuldigen würden? Wenn ich in den Fernen Osten reise, wo ich die Menschen kaum unterscheiden kann, wäre es dann nicht ein großer Fehler, zu sagen, daß alle gleich aussehen? Sollte ich mir nicht vielmehr Mühe geben, die Unterschiede wahrzunehmen und jedem einzelnen in seiner Besonderheit gerecht zu werden?

Als Mose im brennenden Dornbusch Gott erschien, da frage Mose als erstes nach dem Namen, den er den Israeliten als Gottesnamen nennen sollte. Und er erhielt zur Antwort: „Ich bin der Ich-bin-da: Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ (Ex 3,14f) – Gott hat dem Mose seinen Namen genannt, das heißt, er ist herausgetreten aus der Verborgenheit, er hat sich uns Menschen gezeigt und hat uns angesprochen. Der Name Jahwe ist das Zeichen für die unendlich reiche Persönlichkeit dieses Gottes, der mit den Menschen eine Geschichte angefangen und in Jesus Christus, seinem Sohn, in innigster Weise vertieft hat. Gott will Mit-Liebende – so hat es einmal ein großer Theologe ausgedrückt.

Demgegenüber hat z.B. der Name „Allah“ eine ganz andere Bedeutung. Zunächst einmal ist er nicht als Eigenname zu verstehen, sondern besagt schlicht „der Gott“. Zweitens wird von diesem Gott bei jedem Gebetsruf gesagt: „Er ist Allah, der EINE Allah, der Immerwährende, ER zeugt nicht und ist nicht gezeugt und nichts ist ihm gleich.“ Noch klarer sagt es der Koran (4, 171): „Darum glaubt an Allah und seine Gesandten und sagt nicht [von Allah, daß er] dreifaltig [sei]! … Allah ist nur ein einziger Gott. Er ist darüber erhaben, einen Sohn zu haben.“

Das heißt, mit dem Glauben an Allah verträgt es sich nicht, ihn als Vater, Sohn und Heiligen Geist zu bekennen. Allah kann nicht der Gott und Vater Jesu Christi sein.

Diese Erkenntnis ist freilich noch äußerst dürftig – von Gott nur zu wissen, daß sein Name gleichsam ein Programm ist, eine Botschaft. Es kommt vielmehr darauf an, diese Botschaft auch zu kennen, den Gott immer besser kennenzulernen, der sich uns in Jesus Christus geoffenbart hat. Und wir hören heute im Evangelium, daß die kurze Zeit des irdischen Lebens Jesu nicht ausgereicht hat, die Menschen mit Gott, dem Vater, bekannt zu machen. „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.“ Erst wenn der Geist der Wahrheit kommt, wird er sie nach und nach in die ganze Wahrheit einführen.

Es ist so wie bei flüchtigen Bekanntschaften: Man kennt einander nur ganz oberflächlich, man kann sich leicht irren und den einen mit dem anderen verwechseln. Erst wenn man sich über längere Zeit hinweg kennt und eine gemeinsame Geschichte erlebt hat, kennt man den anderen wirklich. So hat uns Jesus damals einen Blick auf die vielen Facetten seiner Persönlichkeit werfen lassen, aber es bedurfte doch eines langen Nachdenkens, bis seine Jünger verstanden, wer er war und was es z.B. bedeutete, als er sagte: „Ich und der Vater sind eins.“ (Joh 10,30)

Das heutige Fest Dreifaltigkeit macht uns in besonderer Weise deutlich, daß Gott in sich selbst lebendig ist und innere Bezüge aufweist, weil er die Gemeinschaft von Vater, Sohn und Geist ist. In Ewigkeit geht aus dem Vater der Sohn hervor, und aus der gegenseitigen Liebe beider entspringt der Heilige Geist. Indem Gott sein Wesen ausspricht, zeugt er den Sohn. Indem Gott Vater und Sohn einander lieben, hauchen sie den Heiligen Geist.

Doch es sind nicht drei Götter, sondern drei Personen, die nur ein einziges Wesen besitzen. Die Verschiedenheit zerstört die Einheit nicht, so wie auch verschiedene Stimmen in einer harmonischen Melodie eine Einheit bilden. Die einzelne Stimme gewinnt an Schönheit, wenn sie mit anderen Stimmen zusammenklingt. Gott Vater spaltet sich nicht auf, wenn er den Sohn zeugt und mit diesem den Geist haucht. Ihre Einheit ist durch eine unvorstellbare Liebe geprägt, an der wir Menschen Anteil erhalten sollen. Denn „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5).

Wir könnten wir diesen unendlich liebenden Gott verwechseln mit einem Gott, der lediglich Unterwerfung fordert?!

146. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Es waren einmal drei weise Könige, die wohnten in einem fernen Land, im Morgenland...

Unser Evangelium beginnt nicht so, nicht mit „es war einmal“, sondern mit einer geschichtlichen Zeitangabe: „Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem geboren worden war...“ Und dennoch – glaube ich – ist für viele die Geschichte, die im Evangelium berichtet wird, wie ein Märchen. Schön, ergreifend, wunderbar, um sie Kindern zu erzählen, aber nicht als wahre Begebenheit ernst zu nehmen.

Ist das schlimm? Oder ist es gleichgültig, solange nur irgendein Sinn aus dem Evangelium gezogen wird? Zum Beispiel die gute Tradition, daß in diesen Tagen Kinder durch die Straßen ziehen, verkleidet als die Heiligen Drei Könige, um den Segen Gottes in die Häuser zu tragen. Ist das nicht eine wundervolle Anwendung des Evangeliums?

Ich werde niemals sagen, daß das Dreikönigssingen etwas Schlechtes sei oder daß es nichts mit dem Evangelium zu tun habe. Aber wenn das alles wäre, was wir heute sinnvollerweise aus dem Evangelium entnehmen können, dann wäre das doch sehr bedenklich. Bedenklich in dem Sinne, daß wir etwas zu bedenken hätten. Neu nachzudenken nämlich über Wahrheit und Geschichte, und das heißt über den Sinn unseres Lebens.

Ich möchte dieses Bedenken so beginnen: Als ich ungefähr 18 Jahre alt war, wollte ich wissen, was die Wahrheit ist. Was ist Wahres dran an der Bibel, am Glauben der Kirche, speziell an der Gottessohnschaft Jesu Christi und seiner Auferstehung? Zu jener Zeit waren meine beiden Brüder vom Glauben abgefallen und fühlten sich seit Jahren schon als Atheisten. Eines ihrer Hauptargumente war skeptischer Art: Es gibt so viele Religionen und noch mehr Meinungen – woher sollen wir wissen, daß ausgerechnet die katholische Kirche die Wahrheit kennt? – Ein sehr schlagendes Argument, nicht wahr? Es ist beunruhigend, wenn man es überhaupt an sich herankommen läßt. Aber ich wollte es wissen. Das erste große Ereignis, das mich einer Antwort näher brachte, war eine Tagung mit dem Thema: „Der Atheismus als politisches Problem“. Fünf Referenten sprachen dort fünf Tage lang über ihre Forschungen. Der erste war ein Historiker, der mit Max Horkheimer kurz vor dessen Tod einen Briefwechsel geführt hatte und berichtete, wie Horkheimer (einer der Begründer der Frankfurter Schule) eine „Sehnsucht nach dem ganz Anderen“ spürte und die politisch gravierenden Folgen des wachsenden Atheismus zu fürchten begann. Das war 1973. – Mit diesen Ausführungen war nur ein kleiner Teil der Antwort gegeben, sozusagen der Abgrund aufgerissen, vor dem jeder steht, der keinen Glauben hat, und vor dem die Gesellschaft steht, wenn nur noch eine Minderheit gläubig ist.

An den kommenden Tagen sprachen zwei Philosophen, ein Theologe und ein Naturwissenschaftler. Sie trugen so faszinierend vor, daß wir jungen Leute bis spät abends, ja sogar bis in die Nacht hinein zuhörten und fragten und diskutierten. Jede radikale Frage war erlaubt – und dabei wurde mir klar, daß das Christentum auf jeden Fall die größten Köpfe auf seiner Seite hat.

Es würde zu weit führen, mein langes Suchen und Fragen im einzelnen darzustellen. Im nachhinein betrachtet, waren es die begnadetsten Jahre meines Lebens. Ich hatte gesucht und gefunden. (Übrigens nicht nur ich allein, sondern unter anderen auch einer meiner Brüder.) Und damit bin ich wieder bei den Weisen aus dem Morgenland. Was ist das Besondere an diesen Leuten? Sie hatten einen Stern aufgehen sehen, den sie als Vorboten eines neuen Königs deuteten – nach den strengen Kriterien ihrer damaligen Sternwissenschaft. Der Einwand zählt nicht, daß diese Wissenschaft aus heutiger Sicht veraltet ist. Wenn Gott überhaupt etwas durch Zeichen sagen will, dann muß er an das Verständnis der Menschen anknüpfen, an das tatsächlich verfügbare Verständnis. Er muß seine Zeichen in den Horizont des menschlichen Verstehens einfügen, sonst sprechen sie nicht. Also hat Gott diese Sternkonstellation verfügt, die nach damaliger Wissenschaft als Zeichen gedeutet werden mußte. Vermutlich sogar, ohne irgendein Naturgesetz außer Kraft zu setzen. Aber es war ein Zeichen für die, die sehen konnten.

Aber wichtiger ist, was die Sterndeuter taten. Sie machten sich nämlich auf den Weg, auf die Suche. Sie wollten vom Zeichen zum Bezeichneten finden, zum neu geborenen König selbst. Sie suchten die Wahrheit und scheuten weder Zeit noch Mühe. Wie viele Einwände mußten sie sich wahrscheinlich vorher anhören:

  • „Es gehen viele Sterne auf. Woher wollt ihr wissen, daß dieser Stern gerade etwas so Besonderes sein soll?“ – Oder:
  • „Ihr habt doch alles, was ihr braucht. Ihr habt Geld, Kleidung und jeden Luxus. Wozu wollt ihr diese beschwerliche Reise machen?“ – Oder:
  • „Ihr könnt nicht gehen; ihr werdet gebraucht. Denkt an eure Familien: Wir müssen noch dieses Haus bauen und jenes Geschäft tätigen. Später, ja später habt ihr vielleicht Zeit für derartige Spinnereien..."
Die Weisen ließen sich nicht beirren. Und deshalb fanden sie Jesus und die Wahrheit. Nur deshalb werden sie auch im Evangelium erwähnt – als die Helden der Wahrheitssuche. Es ist zu vermuten, daß sie anschließend den Glauben in ihre Heimat brachten.

Wir dürfen heute nicht sagen: „Es war einmal...“ Es kann und soll auch heute so sein. Wir haben es nicht mit einem Märchen zu tun, sondern mit Wahrheit und Geschichte, die jeden einzelnen angeht. Dazu noch ein paar Anmerkungen.

Ich bin davon überzeugt, daß die meisten Menschen in Deutschland sehr wohl wissen, daß Geld und Besitz nicht das Wichtigste im Leben sind, ja, daß sich viele und wohl von Jahr zu Jahr immer mehr Menschen nach „dem ganz Anderen“, nach der Wahrheit sehnen. Haben sie keinen Stern, der ihnen Zeichen gibt? Doch sie haben ihn, nämlich die Kirche. Sichtbar für alle, die sehen wollen, aber auch vielen Fragen und Einwänden ausgesetzt:

  • „Es gibt viele Religionen. Woher wollt ihr wissen, daß die christliche Kirche gerade etwas so Besonderes sein soll?“ – Oder:
  • „Ihr habt doch alles, was ihr braucht. Ihr habt Geld, Kleidung und jeden Luxus. Wozu wollt ihr diese beschwerliche Suche nach der Wahrheit machen?“ – Oder:
  • „Ihr könnt nicht auf die religiöse Suche gehen; ihr werdet gebraucht. Denkt an eure Familien: Wir müssen noch dieses Haus bauen und jenes Geschäft tätigen. Später, ja später habt ihr vielleicht Zeit für derartige Spinnereien...“

Hinzu kommen noch ganz verdrehte Gedanken, die vor allem solche bewegt, die aus christlichem Elternhaus stammen, aber den Glauben verloren haben:

  • „Ist es nicht egal, was der einzelne glaubt? Hauptsache, er ist glücklich.“ – Oder:
  • „Hauptsache, man ist ein guter Mensch.“

Gute Menschen waren die Sterndeuter auch vorher schon. Aber weise wurden sie erst, nachdem sie gesucht und gefunden hatten. Und glücklich wird man auch erst, wenn man die Wahrheit gefunden hat.

Darum möge sich jeder in diesem Jahr vornehmen, neu nach der Wahrheit zu suchen und dabei Orientierung an dem Stern zu nehmen, den Gott bis zum Ende der Zeiten aufleuchten läßt, an der einen, heiligen, allumfassenden und apostolischen Kirche.

147. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Was hat Jesus Neues gebracht? So fragen viele immer wieder, und eine einfache Antwort scheint nicht ohne weiters auf der Hand zu liegen. Der Theologe Franz Mussner hat ein lesenswertes Büchlein zu dieser Frage herausgebracht. In 15 Kapiteln gibt uns der Gelehrte Auskunft über das Neue, das Jesus gebracht hat. Das ist für uns deshalb so wichtig, weil wir immer wieder in der Gefahr stehen, die Botschaft Jesu für altbekannt zu halten und eher nach etwas anderem Ausschau halten, das unseren Drang nach Neuem befriedigen könnte. Zu dem Neuen, das Jesus in die Welt gebracht hat, gehört die neue Sicht des Menschen, die Paulus in seinem Kolosserbrief beschreibt. Wir haben daraus soeben einen Abschnitt gehört. Gleich der erste Satz ist wegweisend: „Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen.“ (Kol 3,12) Neu ist an diesem programmatischen Satz, dass hier nicht mit einer Aufforderung begonnen wird, nicht mit einem Gebot, sondern mit einer Feststellung. Die christliche Ethik ist immer Antwort auf die vorausgehende Liebe Gottes zu uns. Zuerst sind wir geliebt – von Gott – seit Ewigkeit; alles andere ist Antwort auf diese überraschende Wahrheit. Wenn Sie sich einmal fragen: »Warum bin ich überhaupt auf der Erde?«, dann ist das die Antwort: Ich bin, weil ich geliebt werde. Das Hauptwort im heutigen Lesungstext ist „auserwählt“: Gott hat jeden einzelnen von uns seit Ewigkeit aus einer unendlichen Fülle von Möglichkeiten quasi auserwählt – noch bevor die Schöpfung war. Paul Gerhardt drückt dies so aus: „Da ich noch nicht geboren war, da bist du mit geboren, und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt’, erkoren. Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wolltest werden.“ Die nächste Frage, die man sich dann stellen kann, lautet: »Wozu bin ich auf der Erde?, was ist meine Bestimmung?« Die Antwort darauf lesen wir in den folgenden Versen. Paulus spricht bildhaft vom neuen Gewand, das wir nun gleichsam anziehen sollen, indem wir bestimmte Grundhaltungen in uns ausbilden, die zum christlichen Leben gehören, eben zum Neuen, das mit Jesus in die Welt gekommen ist. Kurz: Wir sollen als neue Menschen leben, indem wir auf Gottes Liebe antworten. „Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld.“ Jesus gibt das Maß für den neuen Menschen vor, das Maß, das hier in fünf Grundhaltungen aufscheint. Zuerst „aufrichtiges Erbarmen“: Diese Haltung hat Jesus vorgelebt und in seiner Bergpredigt ausdrücklich genannt: „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden.“ (Mt 5,7) Eine Eigenschaft, die die Bibel immer zuerst Gott zugesprochen hat, soll der neue Mensch verwirklichen, und er kann es, weil er von Gott geliebt ist. Dann als zweites die Güte: Sie ist auf das Gute gerichtet, das es in jedem Menschen gibt, sie sieht es, stellt es heraus, lobt es und stärkt es durch gutes Zureden, Aufmunterung und Ansporn. Ein Lehrer, eine Erzieherin ist gütig zu nennen, wenn er bzw. sie die Fehler und Schwächen beim anderen zudeckt, nachsieht, den anderen vor der Beschämung schützt und jede schlimme Etikettierung im Keim verhindert und statt dessen die gute Seite hervorkehrt und verstärkt. – Fehlt uns diese Güte nicht allenthalben? Drittens die Demut: Für diese Haltung hatte die heidnische Antike noch nicht einmal ein Wort – so fremd und neu ist dieser Mut zum Dienen, den Jesus gezeigt und wärmstens empfohlen hat. Er ist das Gegenteil des Personenkults, die Bedingung für echte Gemeinschaft. Vor allem in einer gefallenen Welt, in der jeder immer wieder schwach wird und Fehler macht, kann es ohne Demut keinen Neuanfang geben, sondern nur Trotz, Verachtung und Ausgrenzung. Viertens die Milde oder Sanftmut. Sie öffnet sich dem Nächsten friedlich und gewaltlos, ohne ihm zu nahe zu treten, ohne ihn zu übermächtigen. Sie verzichtet nicht nur auf Gewalt, sondern sogar auf ihr eigenes Recht, sie schlägt dem anderen die Wahrheit nicht um die Ohren, sondern hält sie ihm hin wie einen Mantel, in den er hineinschlüpfen kann. Schließlich fünftens die Geduld oder Langmut. Das griechische Wort (makrojumi1a) besagt soviel wie „ein weites Herz haben“. Gott hat unendlich viel Geduld mit uns, er „lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte (Mt 5,45) weil er „geduldig ist mit euch und nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass alle sich bekehren.“ (2 Petr 3,9) Menschen mit einem engen Herzen regen sich über alles auf; es muss alles nach ihren Vorstellungen gehen, sonst werden sie unerträglich. Darum mahnt der Apostel: „Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ (Kol 3,13) Die Krone und Wurzel dieser fünf Grundhaltungen ist die Liebe. „Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht. (Kol 3,14) Das griechische Wort Agape meint nicht die Liebe, die auf die eigene Lust bedacht ist, sondern diejenige, die das Gute für den Nächsten will, die Verantwortung übernimmt und zum Verzicht bereit ist, wenn das Heil des anderen es erfordert. Die Heilige Familie wird uns heute als Maß für ein christliches Familienleben vorgestellt, denn in ihr sehen wir die genannten Grundhaltungen in Vollkommenheit verwirklicht. Wir sollten aus ihr keine konkreten politischen Ideale ableiten, aber es spiegelt sich das christliche Menschenbild in ihr. Wer nach erzieherischen Idealen fragt, sollte auf Maria und Josef schauen, die ihrem Sohn aufrichtiges Erbarmen, Güte, Demut, Milde und Geduld vorgelebt haben, so dass dieser „Gefallen fand bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,52) und später seinem Messias-Amt gewachsen war.

148. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“

So, liebe Schwestern und Brüder, rügen die zwei Engel die Apostel, die Christus nachschauen, der in den Himmel auffährt.

„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“
Das ist aber doch natürlich, dass sie ihm nachschauen. Ihm, der in den Himmel aufgenommen wird. So ein Spektakel sieht man schließlich nicht alle Tage.

„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“
Sicherlich liegt in den Blicken der Apostel auch etwas Wehmut und Schmerz über den Abschied von ihrem Herrn. Wie wird es weitergehen, ohne IHN an der Seite zu haben? Solche Fragen können lähmen, den Blick verengen.

„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“
Dieser Ruf der Engel soll zu einem Perspektivenwechsel bei den Jüngern führen. Sie sollen die Welt mit neuen Augen sehen, jetzt, wo der Herr im Himmel ist.

Das Leben Jesu hilft uns die Welt mit neuen Augen zu sehen.
Er hat unser menschliches Leben geteilt. In allem war er uns gleich, außer der Sünde.
All das, was wir Menschen auf Erden erleben, hat der Sohn Gottes auch erlebt: Geburt, Kindheit, Lernen, Arbeit, Tränen, Schweiß, Angst, Liebe, Freude, Leiden, Tod.
All das ist ihm nicht fremd.
Und deshalb hat all das auch mit Ihm, mit dem Sohn Gottes zu tun. Und deshalb können wir auch in all dem, was diese Welt ausmacht Ihm, Gott nämlich, begegnen. In dieser Welt können wir Ihm dienen.
Diese Welt, dieser Planet Erde, unser Alltag – das sind die Orte, wo wir als Christen, als Jünger Jesu leben und leben sollen.
Und diese Welt, diesen Planeten Erde, unseren Alltag können wir uns nicht aussuchen.

Die Himmelfahrt Jesu hilft uns die Welt mit neuen Augen zu sehen.
Die Welt ist zwar der Ort, der uns Menschen zugewiesen ist, aber es gibt ein Mehr. Wenn Jesus die Erde verlässt und zu seinem Vater in den Himmel auffährt, dann liegt darin auch für uns eine Verheißung. Das Tagesgebet der Messe drückt diese mit folgenden Worten aus:
In der Himmelfahrt Deines Sohnes, hast Du den Menschen erhöht. Schenke uns das feste Vertrauen, dass auch wir zu der Herrlichkeit gerufen sind, in die Christus uns vorausgegangen ist.

Diese Welt, die vergeht, dieser Alltag, der manchmal so zermürbend sein kann – das ist nicht alles.
All das Leid, die Sorgen, die Trauer und Angst, die einem begegnen – das ist nicht alles.

Es gibt ein Mehr, ein ewiges, herrliches Mehr, das all unsere Vorstellungskraft übersteigt.
Ein Mehr, in dem wir von allem, was uns hier unten einengt und bedrängt, befreit werden, in dem unsere Sehnsucht nach glücklichem Leben gestillt wird.
Ein Mehr, in dem wir endlich die sein können, die wir in Wahrheit sind.
Deshalb ist die christliche Religion eben nicht "Opium für das Volk". Wir Christen müssen nicht mit Rauschmitteln in eine andere Welt fliehen. Wir Christen sind nüchterne, realistische Menschen, die ihrer Hoffnung auf eine erlöste Welt in dieser unerlösten Welt Ausdruck verleihen, in Taten, Worten und Gebeten.

„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“
Die Engel treiben die Jünger an, nicht wie Salzsäulen stehen zu bleiben, sondern sich aufzumachen.

Sich aufzumachen in die Welt, in der sie leben. In der auch Jesus gelebt hat.
Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.
Damit alle diese Welt sehen, wie sie in Wirklichkeit ist: kostbar aber endlich.
Damit allen die neue, wunderbare Perspektive eröffnet wird: es gibt ein ewiges Leben, das unsere Sehnsucht stillt.

Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.
Das ist der Auftrag der Jünger in dieser Welt. Unser Auftrag als Christen.
In uns will Christus weiterleben. Unsere Münder, unsere Hände sollen seine Botschaft weiterführen. Jeder, jede von uns ist dazu berufen, ein anderer Christus, ja Christus selbst zu sein.

Wenn wir so mit Christus vereint sind, uns jetzt und hier bemühen, sein Leben weiterzuleben, werden wir auch sein Leben im Himmel in der Herrlichkeit des Vaters erleben.

Christi Himmelfahrt lässt uns so die Welt mit neuen Augen sehen: Als den Ort, wo wir das Leben Jesu weiterführen sollen.
Und als den Weg, der uns zur wahren Freude führt.

Als Christ in dieser Welt zu leben, lohnt sich.

149. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

„Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?“

Diese Frage beschäftigte die Apostel ganz besonders. Sie hatten seit Ostern Jesus immer wieder gesehen, und sie konnten sich nichts anderes vorstellen, als daß Jesus sich nun bald als der Messias offenbaren und das ehemalige Reich wiederherstellen würde. Sie wären dann so etwas wie Minister unter der Regierung Jesu, ihres Herrn.

Doch es kommt dann anders: Jesus geht in die himmlische Herrlichkeit ein, kehrt dorthin zurück, von wo er gekommen war und läßt die Seinen scheinbar allein zurück. Nach all den freudigen Ereignissen von Ostern war das wieder ein ernüchterndes Erlebnis. Aber Jesus geht nicht einfach weg, sondern kündigt die Sendung des Heiligen Geistes an, dessen Kraft seine Jünger erfüllen wird. Er erklärt sogar: „Es ist gut für euch, daß ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden.“ (Joh 16,7) – Der Heilige Geist ist die große Gabe des auferstandenen und erhöhten Herrn an seine Kirche. Ohne diesen Beistand und Tröster bleibt alles menschliche Tun der Vergeblichkeit ausgeliefert; es wird durchkreuzt, hintertrieben und zerstört. Menschliche Reiche, selbst die mächtigsten, wie das römische Kaiserreich oder die kommunistische Herrschaft der Sowjetunion, zerfallen und werden durch junge, frischere Kulturen abgelöst. Die Kirche wäre schlecht beraten, wenn sie auf rein menschliche Kräfte setzte statt auf die Kraft des Heiligen Geistes, wenn sie anstelle ihrer ureigenen Sendung Ministersessel bevorzugte.

Es ist nichts Neues, wenn ich darauf hinweise, daß es dennoch immer wieder die Versuchung gegeben hat, den kirchlichen Dienst auf irdische Machtstrukturen zu gründen, und nicht nur die Versuchung, sondern auch das entsprechende ungeistliche Verhalten. Und auch nicht nur im Großen, sondern ebenso im Kleinen. Denn – Hand aufs Herz – wer wünscht sich heute nicht vollere Kirchen? Wer würde für dieses Ziel nicht auch den Sozialdruck früherer Zeiten als nützliches Mittel in Kauf nehmen?

Doch Jesus verspricht nichts dergleichen. Der Heilige Geist genügt. Er wird den Jüngern helfen, Zeugen zu sein in Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.

Ebenso genügt auch uns der Heilige Geist. Er wird uns helfen, Zeugen zu sein für das Evangelium. In den folgenden Tagen sind wir eingeladen, besonders um den Heiligen Geist zu beten. Denn „ohne sein lebendig Weh’n kann im Menschen nichts besteh’n“, heißt es in der Pfingstsequenz. Allein der Heilige Geist kann uns den Weg weisen in unserer unübersichtlichen Zeit und unser Denken neu auf Gott ausrichten. Er allein kann uns Geschmack an Gott geben, eine Neigung zum Gebet und zum christlichen Dienst. Ohne diese Neigung können wir andere nicht überzeugen, sind wir eben keine Zeugen des Evangeliums.

Feiern wir in diesem Sinne Eucharistie und freuen uns an der Muße, die uns das heutige Fest gewährt!

150. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

„Einen guten Rutsch“ wünschen sich die Leute heute (gestern), d.h. einen guten Anfang, denn das meint das hebräische Wort „rosch“, das wir zu „Rutsch“ verballhornt haben. Jedes neue Jahr ist in der Tat ein Anfang, und den ersten Tagen wohnt ein besonderer Zauber inne, der Zauber des Unberührten und Neuen, der Reiz des Unbekannten und Verlockenden.

All die Hoffnungen und Befürchtungen, die wir im Herzen tragen, bringen wir vor Gott, der die Zeiten kennt. Was immer da vor uns steht – der entscheidende Anfang ist bereits gemacht, das erfahren wir heute in der Lesung. Denn Gott ist auf die Erde gekommen und hat die Zeit zur Heilszeit gemacht, hat einen Neuanfang gesetzt, den niemand mehr rückgängig machen kann. „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, damit wir die Sohnschaft erlangen.“ (Gal 4,4f)

All unsere menschlichen Anfänge ruhen auf diesem göttlichen Anfang. Darum ist es angemessen, den ersten Tag im Jahr der Muttergottes zu weihen, weil wir ihr den neuen Anfang, den Gott mit der Menschheit gemacht hat, verdanken. Weil sie Ja gesagt hat zu Gottes Plänen, konnten diese Wirklichkeit werden. Durch ihren Glauben ist das Tor zum Himmel wieder geöffnet worden. Darum wird sie Mutter der Glaubenden und Mutter der Kirche genannt.

Über ihre Glaubenshaltung wird im heutigen Evangelium eine kurze Bemerkung gemacht, die wir nicht achtlos übergehen sollten: „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“ (Lk 2,19) Sie begriff nicht alles, was da geschehen war, aber sie versuchte es zu verstehen, indem sie es in ihrem Herzen bewahrte. Nicht nur in ihrem Gedächtnis, nicht nur mit ihrem Verstand! Das Herz ist der Sitz der Gefühle und Affekte, das Vermögen des Willens und der Liebe. Maria setzte ihre ganze geistige Kraft ein, um das Geschehen, das Gott gewirkt hatte, in rechter Weise würdigen zu können. So wie sie ihren Sohn neun Monate unter ihrem Herzen getragen hatte und mit ihm schwanger ging – mit ihrer ganzen Liebeskraft und Zuneigung –, so trug sie nun das Gehörte und Gesehene in ihrem Herzen, um davon ganz erfüllt und durchdrungen zu werden. Dieses Nachdenken und Meditieren hat nicht nur neun Monate gedauert, sondern ihr ganzes Leben; und auf diese Weise hat Maria eine Weisheit erlangt, die selbst Salomo nicht besaß, ist sie zum „Sitz der Weisheit“ geworden.

Wie kann das Jahr 2007 zu einem guten Jahr werden? Die meisten meinen, dazu müßten wir mehr Geld haben, eine bessere Wirtschaft, eine funktionierende Gesundheitsversorgung usw. Doch dies alles kommt erst an zweiter Stelle, wenn es überhaupt kommt. Zuerst ist Weisheit vonnöten, ein Urteilsvermögen, das die Dinge ins rechte Licht zu stellen vermag und das die Rangfolge der Werte beachtet. Solche Weisheit fällt nicht vom Himmel und läßt sich auch nicht in einem Volkshochschulkurs mal eben so nebenbei erwerben. Sie ist die Frucht langen Nachdenkens und Meditierens, und zwar über die zentralen Geschehnisse der Geschichte, über das, was Paulus die „Fülle der Zeit“ nennt.

Der Dichter Friedrich Spee beschreibt dieses Nachdenken in einfachen Worten: „In seine Lieb versenken will ich mich ganz hinab.“ – Das kann jeder, dazu braucht man kein Studium, dazu braucht man nur eine Geisteshaltung, wie Maria sie uns exemplarisch vorgelebt hat. Der Barockdichter Paul Gerhardt hat sie in dem folgenden Vers zusammengefaßt:

„Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen;

und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen.

O daß mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer,

daß ich dich möchte fassen.“

Ihr inniger Glaube hat Maria zu einem tiefsinnigen und weisen Menschen gemacht. Am Neujahrstag sollen wir sie uns zum Vorbild nehmen, damit auch wir an Tiefe und Weisheit gewinnen. Dann rutschen wir nicht einfach ins nächste Jahr hinein, sondern fangen es auch gut an und dürfen die Hoffnung haben, daß Gott alles, was er mit uns zusammen anfängt, auch zu einem guten Ende führt.

151. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Dann ging Petrus nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war.

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein eigenartiger Schluss des Osterevangeliums. Jedenfalls empfinde ich das so.
Wäre nicht ein Petrus, der voll Freude ausruft: „Christus ist erstanden!“ angebrachter.
Statt eines überschwänglich jubelnden Petrus begegnet uns ein nachdenklicher, sich wundernder Petrus.
Das Ende dieses Evangeliums hat nichts von der Freude, von dem Halleluja, von der Feierlichkeit unserer Osterliturgie, die wir gerade feiern.

Das leere Grab war für ihn erst einmal schwer zu verkraften.
Das leere Grab wirft für ihn erst einmal alles über den Haufen.
Das leere Grab lässt in ihm Fragen aufsteigen:
Was bedeutet die Botschaft der Engel: Er ist nicht hier, er ist auferstanden?
Wer ist dieser Jesus, dem ich gefolgt bin, der mein Leben verändert hat, den ich verraten habe, der hier beerdigt lag? Wer ist er wirklich?

Später ist Petrus das alles klar geworden. Spätestens seit der Sendung des Hl. Geistes weiß er, was Auferstehung bedeutet, wer Jesus Christus wirklich ist.
Nach Pfingsten nämlich wird er zum ersten großen Prediger der Frohen Botschaft von der Auferstehung der Toten. Als erster Papst bekennt er vor der Welt, dass Jesus Christus, der Herr der Welt, der Herr über Leben und Tod ist.

Anlässlich dieses Osterfestes, anlässlich der Botschaft vom leeren Grab stellen auch wir uns mit Petrus die Fragen:
Was ist Auferstehung? Und wer ist dieser Jesus?

Was ist die Auferstehung?
Bei Umfragen unter Christen wurde vor kurzem deutlich, dass weiß Gott nicht der Großteil an eine Auferstehung Jesu und der Toten glaubt. Bei vielen ist auch ein falsches oder zu kurzes Verständnis über dieses Glaubensgeheimnis anzutreffen.

Es gibt Menschen, Christen, die die Auferstehung mit der Wiedergeburtslehre, der Reinkarnation ostasiatischer Religionen verwechseln oder vermengen.
Die Reinkarnation setzt voraus, dass wir mehrere Leben auf Erden haben. Je nach dem vorherigen Leben werde ich als Mensch oder Tier oder sonst etwas wiedergeboren.
Diese Wiedergeburt ist aber eine Bestrafung. Ziel ist es, nicht mehr an die Erde gebunden zu sein, sondern in das Nichts, in das Nirwana einzugehen.

Wir Christen glauben hingegen, dass wir nur ein Leben auf dieser Erde haben, in dem wir uns auf den Himmel vorbereiten. Und dieser Himmel ist kein Nichts, sondern wir werden darin als ganze Menschen, mit verklärten Leib und geläuterter Seele auf ewig leben. Außerdem ist uns die Erde als Gabe von Gott geschenkt worden: Auf ihr zu leben ist trotz aller Mühsal eine Gnade und keine Bestrafung. Nein, mit Reinkarnation hat das leere Grab nichts zu tun.

Was ist die Auferstehung?
Jesus lebt in seiner Botschaft weiter, sagen viele. Das, was er gelehrt hat, ist lebendig in der Kirche. Die Sache Jesu geht weiter.

Sicherlich, die Lehre Jesu wird weitergetragen von Generation zu Generation. Ähnlich wie die Erinnerung an liebe Verstorbene in uns weiterlebt. „In unseren Herzen lebst du weiter“ heißt es dann oft auf Totenzetteln. Das Gedächtnis der Toten zu pflegen, ist gut und wertvoll.

Aber das ist nicht die ganze Wahrheit, an die wir glauben.
Jesus Christus lebt nicht weiter, weil die Kirche ihn verkündet.
Vielmehr gilt: Die Kirche verkündet Jesus Christus, weil er wirklich lebt.

Der Herr lebt in der Herrlichkeit des Vaters, als der Auferstandene, auch wenn die Kirche ihn nicht mehr auf Erden verkünden sollte.
Unsere lieben Verstorbenen leben in der Ewigkeit, auch dann wenn sich keiner mehr an sie erinnert.
Es wäre schrecklich, wenn wir nur in den Herzen der anderen weiterleben würden. Was, wenn Menschen einsam gelebt haben und keiner sich ihrer erinnert? Was, wenn die Menschen, die sich eines Verstorbenen erinnern, selber sterben?

Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden!
In diesen Worten der Engel ist kurz zusammengefasst, was wir Christen glauben:
Jesus, der Gekreuzigte, lebt als der Auferstandene nicht hier in dieser Welt oder nur in unserer Erinnerung, sondern er lebt wirklich beim Vater. Deshalb ist das Grab auch leer.

Wer ist dann dieser Jesus?
Er ist nicht nur ein Prediger der Liebe Gottes. Er ist nicht nur ein guter Mensch. Er ist nicht nur einer, der sich der Armen und Kranken annahm. Er ist nicht nur ein Wunderheiler. Er ist nicht nur unser Bruder.
Dieser Jesus ist all das, aber er ist noch viel mehr:
Er ist der Sohn Gottes, er ist der menschgewordene Gott. Er ist der Herr über Leben und Tod. Er ist das Leben.

Unser Herr spricht:
Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben.

Gott hat sich mit uns Menschen in seinem Sohn Jesus Christus sosehr verbunden, dass er in ihm unseren Tod gestorben ist. Und er hat sich in ihm sosehr mit uns Menschen verbunden, dass wir an seinem ewigen Leben Anteil erhalten, an seiner Auferstehung.

Wer sich an Christus festmacht wird wirklich auferstehen. Wie er. Auf ewig.
Wer sich von ihm lossagt, wird sterben, tot sein. Auf ewig.

Wer ist dieser Jesus?
Er ist der Herr. Herr über Leben und Tod.

Wenn wir wirklich leben wollen, wenn wir wirklich auferstehen wollen, dann kommen wir an ihm nicht vorbei.

Wir müssen uns entscheiden, wenn wir auf sein leeres Grab schauen.
Für oder gegen ihn.

Dann ging Petrus nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war.
Liebe Schwestern und Brüder!
Petrus hat sich den Fragen gestellt: Was ist Auferstehung? Wer ist dieser Jesus?
Er glaubte und verkündete: Auferstehung heißt wirklich als ganzer Mensch auf ewig zu leben. Jesus ist der Herr über Leben und Tod.
Petrus hat sich entschieden. Für ihn.
Und er wird dann mit all den anderen gejubelt haben: Halleluja!
Und er wird dann mit all den anderen den Glauben an die Auferstehung und an Christus, den Sohn Gottes vor der Welt bekannt haben.

Folgen wir dem Aufruf des verstorbenen Papstes Johannes Paul II. In der Osternacht 2005 konnte er nicht mehr selber predigen. Seine Worte verlas Kardinal Ratzinger. Worte, die ein Vermächtnis sind an uns, an Sie, an Dich, an mich:
„Lasst uns aufwachen aus unserem müden, schwunglosen Christentum! Erheben wir uns und folgen wir Christus, dem wahren Licht, dem wahren Leben. Amen!“

152. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Es gibt kein Fest der Christenheit, das derartig faszinierend ist und eine ähnlich reichhaltige Liturgie aufweist wie das Osterfest, insbesondere die Feier der Osternacht. Vermutlich gibt es aber auch kaum ein anderes Fest, dessen Inhalt Anlaß zu so vielen Zweifeln, Mißverständnissen und Neudeutungen gegeben hat wie das Osterfest.

Herz und Verstand werden beide angesprochen, aber für manchen stehen beide im Gegensatz. So stemmt sich Goethes Faust mit seinem Verstand gegen die Osterbotschaft: „Was sucht ihr mächtig und gelind, ihr Himmelstöne mich im Staube? – Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ – Andererseits ist er zutiefst unglücklich und trostbedürftig, und gerade dem Selbstmord entronnen, ruft er aus: „O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder, die Träne quillt, die Erde hat mich wieder“.

Dieses Gegeneinander von Glaube und Unglaube, Hoffnung und Verzweiflung hat auch schon die ersten Osterzeugen bestimmt, so die Frauen, die am Ostermorgen zum Grab kamen, um den Leichnam ihres geliebten Herrn zu salben, so auch Petrus und die anderen Apostel, Thomas und die Emmausjünger. Die Frauen, die statt des erwarteten Leichnams Jesu zwei Engel am Grab vorfanden, waren geschockt und schauten zu Boden. Doch die Frage der Engel holt sie aus ihrer Erstarrung heraus und ruft sie zur Entscheidung: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“

Diese Frage hallt durch die Jahrhunderte, und immer wieder werden Menschen durch sie aufgerüttelt und mit dem Kern unseres Glaubens neu konfrontiert. Die Frauen suchen Jesus, aber sie suchen ihn an der falschen Stelle, im Grab nämlich, bei den Toten. Das war ganz verständlich und überhaupt nicht zu tadeln, denn schließlich waren sie ja Zeugen seiner grausamen Hinrichtung gewesen. Und doch suchten sie am falschen Ort, und sie hätten es besser wissen können, wenn sie sich an die Worte ihres Meisters erinnert hätten: „Der Menschensohn muß den Sündern ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen.“ Ja, das hatte Jesus so vorausgesagt – aber konnten sie es in diesen traurigen Stunden noch in lebendiger Erinnerung haben? Die Trauer hatte ihnen die Kehle zugeschnürt und die Erinnerung blockiert; ihr Glaube an Jesus war der Verzweiflung gewichen. So suchten sie Jesus nicht unter den Lebenden.

Und es dauerte einige Zeit, bis sie ihre Depression überwunden hatten und das Wort der Engel nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich aufgenommen hatten. Daß Jesus tatsächlich lebte und nicht bei den Toten weilte – das mußten sie erst einmal gegen die bedrückende Erfahrung der vergangenen Tage anglauben. Da mußten sie ihre ganze seelische Kraft aufbringen, und die allein hätte auch nicht ausgereicht, das wissen wir von Thomas, der Ostern nicht dabei war und dem deshalb der Augenschein fehlte, um das wahrhaft Unglaubliche glauben zu können. Es widersprach ja jedem gesunden Menschenverstand, daß ein Toter wieder lebendig wurde, und da schien es viel plausibler, das Gerede von der Auferstehung Jesu als Wunschdenken abzutun und sich mit dem Tod abzufinden.

Das gilt zu jeder Zeit, auch heute. Ich weiß nicht, wie viele Menschen den Lebenden nach wie vor bei den Toten suchen, aber es sind vermutlich viele. Ich nenne nur zwei Gruppen von Menschen. Da sind zum einen die Menschen, die sich an die Wissenschaft halten und argumentieren: Der Tod gehört zu den unabänderlichen Tatsachen des Lebens. Alle müssen sterben, und wer gestorben ist, dessen Leben ist unwiderruflich zu Ende – ausnahmslos. Dies ist ein ehernes Gesetz der Natur, gegen das man sich am besten nicht auflehnt. Wer dennoch von einem ewigen Leben träumt, der beweist damit nur, daß er der Wahrheit nicht ins Auge sehen kann; er ist im Grunde zu bemitleiden oder zu verachten. – Wer so denkt, der sucht die Wahrheit bei den Toten, denn er hält sich in seiner Wissenschaftsgläubigkeit nur an die sterbliche Materie und sieht diese als maßgebend für die ganze Wirklichkeit an. Aber warum soll sich die geistige Welt an die Gesetze der vergänglichen Materie halten? Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?

Zum zweiten sind da die vom Leben Enttäuschten. Sie denken: Es lohnt sich nicht, sich für andere einzusetzen, denn Undank ist der Welten Lohn. Jede gute Tat versinkt in Vergessenheit, aber das Recht des Stärkeren setzt sich gegen alles durch. Das Böse ist ein Teufelskreis, das Gute hat da keine Chance. „Was ist Wahrheit?“ – so fragt nicht nur Pilatus, sondern so fragen alle Zyniker und die Machtmenschen. – So wenig wie Jesus dem Pilatus geantwortet hat, so wenig gibt es eine theoretische Antwort auf diese resignierte Frage. Man kann höchstens die Gegenfrage stellen: Was suchst du den Lebenden bei den Toten? Gewiß gibt es den Teufelskreis des Bösen, aber die Liebe kann ihn durchbrechen, und sie hat ihn immer wieder durchbrochen. Statt Pilatus eine Antwort auf die Frage „Was ist Wahrheit?“ zu geben, hat Jesus ein praktisches Zeugnis für die Wahrheit, die er in Person ist, gegeben, und zwar ganz konsequent bis zum Äußersten. So hat er gezeigt: Wahrheit ist Liebe, und Liebe ist Wahrheit. Das Böse ist demgegenüber die Unwahrheit, es ist nur für eine gewisse Frist stärker, langfristig aber wird es vergehen. Ja, der Tod selbst ist nichts anderes als der Untergang all dessen, das nicht in der Wahrheit und in der Liebe ist. Wer nur das Böse sieht und die Vergeblichkeit des Guten, der sucht noch bei den Toten.

Wende also deinen Blick, starre nicht wie das Kaninchen auf die Schlange, sondern laß dir sagen, daß alles Böse endlich ist, Gottes Liebe aber unendlich! „Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein.“ (Eph 5,14) Suche den Lebenden nicht mehr bei den Toten, sondern suche ihn dort, wo der Teufelskreis des Bösen schon durchbrochen wurde! Denn so spricht der Herr: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“ (Joh 11,25) – Laßt uns diese freudige Botschaft mit nach Hause nehmen: „O Jesu, all mein Leben bist du, ohne dich nur Tod.“

153. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

Das Weihnachtsfest, liebe Schwestern und Brüder, war einmal das Fest der Kinder par exelance. Das war es einmal. Mir scheint, dass es nun hauptsächlich ein Fest für Erwachsene geworden ist. Das sieht man an den Regalen, den Schaufenstern, den Anzeigen und Werbeblättern.
War es früher die Freude der Großen, die Kleinen zu beschenken, so meine ich feststellen zu müssen, dass es heute hauptsächlich darum geht, dass Erwachsene sich gegenseitig eine Freude machen.

Das liegt wahrscheinlich daran, dass immer mehr Erwachsene keine Kinder kennen, die sie beschenken könnten. Darauf hat der fast alles regierende Markt reagiert.

Unser Land – wie viele andere in Westeuropa auch – hat immer weniger Kinder. Das ist so und wird auch erst einmal so bleiben, auch wenn im vergangenen Jahr mehr Kinder geboren wurden als die Jahre zuvor.

Deutschland vergreist. Kindertagesstätten werden nicht nur wegen der Kosten reihenweise geschlossen. Es gibt schlicht zu wenig Kinder.

Das ist der Politik mittlerweile auch aufgefallen, nachdem der drohende Kollaps der Sozialsysteme von niemanden mehr übersehen werden konnte.

Kinder zu kriegen ist zu teuer geworden. Das ist eine der immer wieder angefügten Begründungen des Kindermangels. Aber war das früher anders? Waren Kinder nicht immer teuer, eine finanzielle Belastung? Reiche Länder müssten dann doch eigentlich eher mehr Kinder haben als ärmere? Aber dem ist ja nicht so.

Mütter können den Beruf und die Kindererziehung nicht mehr in Einklang bringen. Ein weiteres vielzitiertes Argument.
Deshalb unternimmt man viele Anstrengungen Kindergarten- und Krippenplätze zu vermehren und flexibler zu gestalten.
Als Träger von vier Kindertageseinrichtungen weiß unsere Pfarrei, was das heißt. Diesen Dienst wollen wir wohl zur Unterstützung der Familien gerne tun.

Dabei kommen mir aber manchmal Zweifel, ob es dem Großteil der Lösungsansätze wirklich um die Kinder geht. Wichtiger scheinen hier wohl die Belange der Wirtschaft zu sein. Frauen sollen frei sein, um im Berufsleben das Bruttosozialprodukt anzukurbeln. Nichts dagegen.

Nur wenn in einer Gesellschaft als Arbeit ausschließlich anerkannt wird, was auch Geld einbringt, jeder Ansatz zur Entlohnung von Familienarbeit aber mit Schlagworten wie "Herdprämie" oder "Heimchenbonus" abzutöten versucht wird, kann es jedenfalls nicht weit her sein mit einer Wertschätzung von Familie. Und dass Menschen, die eben darauf hinweisen – manchmal auch ungelenk oder provokativ – dass solche Menschen in den Medien mit Dreck beworfen oder gar bei laufender Kamera des Studios verwiesen werden, stimmt mich mehr als nachdenklich.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Hemmnisse gibt es. Und sie haben ihre Auswirkung auf die Zahl der Kinder. Sicherlich. Aber Probleme dieser Art gab es immer.

Das Problem scheint tiefer zu liegen.
Es ist der Mangel an Hoffung verbunden mit dem, was das mit sich bringt: der Verlust an Vertrauen in die Zukunft, Lebenskraft, Kreativität, Poesie und Lebensfreude.

So wie die Ehe ein Akt des Vertrauens, des Sich-Trauens ist, so ist das Kinderkriegen vornehmlich ein Akt der Hoffnung. Hoffnung auf Zukunft für die Welt, in die hinein die Kinder geboren werden.

In diese Welt kann man doch keine Kinder mehr setzten – So sagen viele und denken dabei an Kriege, Klimakatastrophe, globalisierter Ungerechtigkeit. usw. Viele haben keine Hoffnung für diese Welt mehr.

Und tatsächlich, wer seine Hoffnung allein in diese Welt setzt, der wird bald keine Hoffnung mehr für diese Welt haben. Der wird resignieren, stagnieren, leblos die Hände in den Schoß fallen lassen.

Hoffnung für die Welt trägt nur der in sich, der seine Hoffnung nicht in die Welt setzt, sondern auf deren Schöpfer.
Gott kennenlernen – den wahren Gott, das bedeutet Hoffnung empfangen. schreibt Benedikt XVI in seiner Enzyklika „Spe salvi“ – Auf Hoffnung hin. Und damit ist er am Puls der Zeit.

Der Glaube schenkt Hoffnung, weil er uns über diese Welt hinaushebt. Wieder der Papst:
Nicht die Elemente des Kosmos, die Gesetze der Materie, herrschen letztlich über die Welt und über den Menschen, sondern ein persönlicher Gott herrscht über die Sterne, das heißt über das All; nicht die Gesetze der Materie und der Evolution sind die letzte Instanz, sondern Verstand, Wille, Liebe – eine Person. Und wenn wir diese Person kennen, sie uns kennt, dann ist wirklich die unerbittliche Macht der materiellen Ordnungen nicht mehr das Letzte; dann sind wir nicht Sklaven des Alls und seiner Gesetze, dann sind wir frei. ...
Das Leben ist nicht bloßes Produkt der Gesetze und des Zufalls der Materie, sondern in allem und zugleich über allem steht ein persönlicher Wille, steht Geist, der sich in Jesus als Liebe gezeigt hat.

Wer Hoffnung hat, lebt anders, dem ist neues Leben geschenkt worden. Und deshalb vermag er auch neues Leben zu schenken.
Aus den Kindern blicken uns nicht nur hoffnungsvolle Augen an, sondern die Hoffnung selbst.
In den Schriften Charles Peguy gibt es eine schöne Stelle – ich habe sie leider nicht mehr so schnell gefunden –darin beschreibt er Glaube, Hoffnung und Liebe wie drei Schwestern, die sich an den Händen haltend einhergehen. In der Mitte ist die Hoffnung. Ein kleines Kind, das die anderen beiden größeren Geschwister zieht.
Wenn die Hoffnung stehen bleibt, bleibt alles stehen, heißt das.

Kinder sind Hoffnung. Wo wenig Kinder sind, ist wenig Hoffnung.

Liebe Schwestern und Brüder,
wir haben als Christen Hoffnung. Denn wir feiern heute die Geburt eines Kindes – Gottes Sohn Jesus Christus strahlt uns mit seinen hoffnungsfrohen Augen an. Gott hat Hoffnung für uns, für diese Welt.
Diese Hoffnung ist kein billiger Optimismus, keine Vertröstung nach dem Motto: Wird schon irgendwie.
Diese Hoffnung ist angefochten – am Kreuz schien sie sogar besiegt zu sein – aber sie ist unsterblich, ewig nicht zerstörbar, weil sie die Welt und ihre Schrecken besiegt hat.

Das göttliche Kind in der Krippe ist der Hoffnungsträger – keine politischen Parteien, Ideologien oder esoterische Ersatzreligionen.
Unsere Hoffnung könne wir stärken – gerade auch in der Anfechtung – wenn wir auf das Kind in der Krippe schauen. Die Umstände seiner Geburt waren alles andere als ein hoffnungsvoller Einstieg in die Welt. Statt eines staatlich mitfinanzierten Krippenplatzes hatte Er nur in einer ärmlichen Krippe Platz.
Es gilt, auf dieses Kind zu schauen, mit ihm zu sprechen, auf ihn zu hören, zu beten – dann wird die Hoffnung in uns wachsen.

In seiner Enzyklika nennt der Papst das Gebet eine Schule des Hoffens.
Pflegen wir das Gebet. Persönlich.
Aber auch besonders in der Familie zu Hause. Unsere Hoffnung reicht weiter, wenn wir nicht nur an Weihnachten beten und zur Kirche gehen.

Liebe Schwestern und Brüder.
Weihnachten war das Fest für die Kinder. Kinder sind unsere Zukunft, sind Zeichen der Hoffnung, das alles gut wird und Gott uns trägt und lenkt.
Weihnachten ist das Fest des göttlichen Kindes, das uns reich beschenkt. Es sagt uns ohne Worte: Gott hat Hoffnung für euch und diese Welt.
Dieses Kind beten wir an. Diesem Kind vertrauen wir uns an. Voller Hoffnung.

154. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Jahr für Jahr hören wir die wunderbare Geschichte von der Geburt des Jesuskindes, und wir hören sie immer wieder gern. So geht es vermutlich den meisten heute nacht (heute morgen): sie sind freudig gestimmt und voller guter Erwartungen. Das neu geborene Kind weckt in uns Menschen den Beschützerinstinkt, es vertreibt die Härte aus unserem Alltag und rührt uns zu zärtlichen Gefühlen. Doch wir sollten bei diesen Gefühlen nicht stehen bleiben. Schauen wir auf das diesjährige Altarbild, das Frauen nach einer Vorlage des Priesters und Künstlers Sieger Köder gestaltet haben! Am vierten Adventssonntag habe ich dazu gesagt, dass dieses Bild uns das Rätsel des Menschen vor Augen führt und zugleich schon die biblische Lösung des Rätsels andeutet. Das Rätsel besteht im Widerspruch, der in unserem Leben waltet: Wir stehen in Konkurrenz mit den anderen und müssen ums Überleben kämpfen – und zugleich sehnen wir uns nach Frieden, nach Aufhebung der Konkurrenz. Wir müssen sterben und wollen doch ewig leben. Wir unterliegen einerseits dem Gesetz des Stärkeren und andererseits dem der Barmherzigkeit. Dieser Widerspruch schlägt uns in dem Bild entgegen: der tote Baumstumpf und darauf die Rose; die Dunkelheit und mitten drin das helle Licht, das von oben herabscheint. Nicht nur das Rätsel wird uns hier dargestellt, sondern auch bereits die Auflösung. „Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart. Wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht.“ Mit Jesse ist Isai gemeint, der Vater des Königs David: Aus der niedergegangenen davidischen Dynastie soll ein neuer Spross hervorgehen – mit dichterischer Freiheit hier unter dem Bild der Rose vorgestellt. Und dieser Spross, diese Rose ist Maria bzw. ihr Sohn Jesus: „Das Röslein, das ich meine, davon Jesaja sagt, ist Maria, die reine, die uns das Blümlein bracht. Aus Gottes ewgem Rat hat sie ein Kind geboren und blieb doch reine Magd.“ – Das heißt: Als Maria ihren Sohn Jesus zur Welt gebracht hat – was wir eben heute mit den Christen auf der ganzen Welt feiern –, da hat sich die alte Verheißung erfüllt, da ist der Retter geboren, auf den die Welt bis dahin voller Sehnsucht gewartet hat. „Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß; mit seinem hellen Scheine vertreibt’s die Finsternis, wahr’ Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide, rette von Sünd’ und Tod.“ Ich sagte, dass damit auch schon die Auflösung des Rätsels gegeben ist. Was ist durch das neu geborene Kind in der Krippe anders geworden? Wenn ich diese Frage vor 2000 Jahren dem König Herodes gestellt hätte, so hätte dieser vermutlich gedacht: »Ich weiß nicht. Aber vielleicht macht mir dieses Kind bald Konkurrenz und erhebt Anspruch auf meinen Thron.« Und er hätte damit nur gezeigt, dass er nichts verstanden hat. Wie übrigens so viele damals und heute. Aus dem Fluch von Konkurrenz, Kampf und Krieg befreit nicht einer, der ebenfalls in diesen Kategorien denkt. Das hieße den Teufel mit Beelzebub austreiben. Dieses Denken hat den Herodes dazu gebracht, eine Unzahl von kleinen Kindern in Bethlehem zu töten, und es bringt die heutigen Herodesse an den Schaltstellen der politischen und wirtschaftlichen Macht immer wieder neu dazu, zu drohen, zu erpressen, zu diffamieren, mundtot zu machen oder gar zu töten und zu morden. Was ist durch das neu geborene Kind in der Krippe anders geworden? Dass Gott in die Welt eingreift, indem er gerade nicht den Weg der Macht und Gewalt wählt, sondern den Weg der Erniedrigung und Armut, den Weg der wehrlosen Liebe, die nicht droht und übermächtigt, sondern bittet und einlädt. Das ist die eigentliche Überraschung, die uns Jahr für Jahr neu in Staunen versetzen sollte. Aber nicht nur überraschend ist diese Botschaft, sondern auch tröstend für jeden, der an der Ungerechtigkeit dieser Welt zu verzweifeln droht. Denn wir wissen ja, dass es nicht bei dem Zeichen geblieben ist, welches das kleine Kind aussendet, das zwar nicht alle, aber doch sehr viele Herzen erweichen kann, sondern dass Jesus später konsequent diesen Weg der Liebe weitergegangen ist. Jesus war kein Softie, der uns etwa zuruft: „Lach doch, Gott liebt dich!“ Das hätte niemanden überzeugt – weder damals noch heute. Nein, Jesus hatte eine überragende Ausstrahlung und Autorität, eine Ehrfurcht gebietende Persönlichkeit und eine überlegene Argumentationskraft, die seine Gegner in den Schatten stellte. Aber Jesus hat diese seine menschlichen Fähigkeiten einzig und allein für den Dienst an den Menschen eingesetzt, zum Schutz für die Verachteten und Entrechteten, die Niedrigen und Geringen, auch für die Sünder. Jesus hatte vor niemandem Angst, denn er wusste sich in der Hand seines Vaters sicher geborgen, er kannte keine Konkurrenz, sondern kündete einen umfassenden Frieden im Reiche Gottes, das mit ihm angebrochen war. Wieso ist dieser Friede in der Person Jesu schon gekommen? Was hat sich geändert, seit Jesus auf der Erde war? Es hat doch seitdem immer wieder Kriege und Streitigkeiten gegeben! – Jesus war der erste, der die Gewalt der Bosheit freiwillig an seinem eigenen Leib ausgehalten und getragen hat. Wie ein Lamm hat er die Sünden getragen und dadurch gerade weggenommen. Als er sich dem Kreuzesurteil unterwarf, hat er den Teufelskreis der Gewalt gebrochen und einen neuen Anfang ermöglicht, einen neuen Weg, eine neue Lebensweise, welche nach und nach die Welt verändert hat. Alle, die sich Jesus im Glauben angeschlossen haben, sind durch die Jahrhunderte hindurch den neuen Weg der Liebe gegangen, haben sozusagen überall, wo tote Stümpfe waren, neue Sprosse der Hoffnung gepflanzt – wie sähe die Welt ohne diese vielen überzeugten Christen, ohne die Heiligen aus? Wir sollten nicht so oft klagen: »Warum ist noch so viel Elend in dieser Welt?« Sondern eher ausrufen: »Wie schlimm könnte es sein ohne den christlichen Glauben und die christliche Liebe!« In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Geschichte vom jungen Mann, der im Traum einen Laden betritt. Hinter der Theke steht ein Engel. Er fragt den Engel: »Was verkaufen Sie, mein Herr?« Der Engel antwortet freundlich: »Alles, was Sie wollen.« Der junge Mann beginnt aufzuzählen: »Dann hätte ich gern das Ende aller Kriege in der Welt, bessere Bedingungen für die Randgruppen der Gesellschaft, Beseitigung der Elendsviertel in Lateinamerika, Arbeit für die Arbeitslosen, mehr Gemeinschaft und Liebe in der Kirche und. .. und ...« Da fällt ihm der Engel ins Wort: »Entschuldigen Sie, junger Mann, Sie haben mich falsch verstanden. Wir verkaufen keine Früchte, wir verkaufen nur den Samen.« Das Altarbild zeigt uns nicht, wie eine Rose die Stelle des Baumstumpfs einnimmt, sondern wie sie auf ihm wächst. Eine Änderung und Verbesserung der Welt ist nicht anders möglich als durch das geduldige Wachsen und Reifen des Guten, durch den Samen des guten Vorbildes, das nach und nach das Denken und Handeln der Menschen umformt. Gott hat in seinem Mensch gewordenen Sohn Jesus Christus dazu den Anfang gemacht. Weihnachten gibt das frohe Hoffnungssignal, dass die Welt nicht im Dunkel versinken wird, sondern vom Licht verwandelt wird. Weihnachten ermutigt uns, selber den Weg der Liebe zu gehen, nicht einzustimmen in der Klagelied der Unzufriedenen und nicht mitzumachen beim allgemeinen Hauen und Stechen, der verbreiteten Selbstbedienungsmentalität zu widerstehen und die eigene Kraft einzusetzen für den Dienst am anderen Menschen, wie Jesus und die Heiligen es uns vorgelebt haben.

155. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

„Ach, hören Sie doch auf, Herr Kaplan, die Jugend glaubt doch an nichts mehr.“
„Glauben – schön und gut. Aber wie die Kirche mit den Frauen umgeht. Nein, Danke!“
„Natürlich gehe ich zur Kirche. Ich bin gläubig. Aber warum ich beichten soll, das sehe ich irgendwie nicht ein.“
„An einen Gott kann ich glauben, an einen, der die Welt erschaffen hat. Aber daß Jesus der Sohn Gottes ist, daran zu glauben, fällt mir schwer.“

Solche und ähnliche Sätze höre ich häufig als Kaplan.
In diesen Sätzen, liebe Schwestern und Brüder, geht es um Zweifel.
Ganz sicher sind jetzt unter uns auch einige, die Zweifel in sich tragen, was Gott, Glaube und Kirche anbelangt.
Aber dürfen die hier im Gottesdienst sein. Das ist doch nur was für richtig fest Glaubende. Oder etwa nicht?

Nun, im Glauben zu zweifeln, heißt noch lange nicht, nicht zu glauben.
„Viele Zweifel sind noch lange kein Unglaube.“ Hat Kardinal Newmann gesagt.

Wer Zweifel in sich trägt, wer nicht alles kommentarlos hinnimmt, wer sich nicht mit glatten Formeln zufrieden gibt, zeigt, dass ihm der Glaube wichtig ist. So wichtig, dass er ihn auch tiefer, gewisser verstehen will. Wer zweifelt, der sucht und fragt.
Deshalb ist ein Zweifler kein Ungläubiger.

Und auch zweifelnde Gläubige haben ihren Platz in der Kirche.
Davon spricht das heutige Evangelium.

Da ist Thomas, genannt Didymus –Zwilling. Er gehört zu den Jüngern. Ja, er gehört gar zu den Zwölf, also zum engsten Kreis um Jesus.

Und er hat Zweifel, ob das alles stimmt, was die anderen über die Auferstehung Jesu sagen.
Er hat Zweifel und sucht nach Antworten, will Gewissheit.
Er will im wahrsten Sinne des Wortes begreifen, dass der Auferstandene auch der Gekreuzigte sei. Deshalb will er seine Hände in die Wundmale Jesu legen.

Diese Zweifel, die seinen Glauben an Jesus zutiefst erschüttert haben müssen, sagt er offen seinen Mitbrüdern, denen, die glauben.

Und dann kommt ein Satz im Evangelium, den ich sehr bemerkenswert finde:
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei.

Thomas war dabei. Die Jünger haben Thomas nicht aus ihrer Gemeinschaft verbannt. Die Glaubenden haben den Zweifler nicht verstoßen. Nein, Thomas war dabei.
Das wird nicht ohne Spannung gewesen sein. Auf der einen Seite die euphorischen Zeugen der Auferstehung, auf der anderen Seite der Zweifler. Schließlich zweifelt Thomas ja nicht nur am Glauben, er zweifelt ja auch die Glaubwürdigkeit der anderen an. Der eine oder andere wird Thomas nicht sonderlich grün gewesen sein.

Und dennoch heißt es: Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei.

Das heißt für uns: Auch diejenigen, die am Glauben zweifeln, die kritische Fragen stellen, die auch andere und ihren Glauben infrage stellen, gehören zur Kirche.
Sie gehören dazu, wenn sie sich wirklich um Antworten bemühen, wenn ihre Fragen echt sind, ihre Zweifel keine Ablehnung des Ganzen, sondern eine Suche nach dem Ganzen des Glaubens sind.

Gerade junge Christen stellen ihre Fragen und Anfragen. Für viele ältere ist das ein Ärgernis oder eine tiefe Sorge.
Ärgernis, weil die Jugendlichen nicht fraglos das tun, was die Älteren tun.
Sorge, weil die Älteren befürchten, dass die Jüngeren sich von Gott und Kirche endgültig wegbewegen.

Die junge Generation hat das Recht, zu hinterfragen, Zweifel an Bestehendem zu erheben. Ansonsten wäre es keine Jugend. Die kritische Auseinandersetzung mit der Welt gehört zum Erwachsenwerden dazu. Und ich persönlich bin froh, wenn sich Jugendliche in unseren Tagen überhaupt den Fragen nach Gott, Glaube und Kirche annehmen. Das zeigt zumindest, dass ihnen diese Fragen am Herzen liegen.

Aber nicht nur die junge Generation hat das Recht, zu hinterfragen. Jeder von uns sollte freimütig seine Fragen stellen, seine Zweifel äußern können. Niemand sollte dem anderen deshalb den Kopf abreißen oder ihn verunglimpfen.

Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei.
Thomas ist trotz seiner Zweifel bei den Jüngern geblieben. Und in ihrer Mitte ist er dem Auferstandenen begegnet. Seine Zweifel schwanden. Er konnte gläubig bekennen: Mein Herr und mein Gott.
Hätte Thomas die Gemeinschaft der Jünger verlassen, wäre es dazu nicht gekommen. Die Kirche ist und bleibt der Ort, wo wir unsere Fragen stellen können und sollen. In ihr finden wir die Antworten, auch wenn sie uns manchmal nicht sofort einleuchten. Oder wir uns schwer mit ihnen tun.

In der Gemeinschaft der Kirche haben alle Platz, die ehrlich suchen und fragen. In der Gemeinschaft der Kirche können sie –wie Thomas- Christus begegnen, Zweifel möglicherweise ausräumen.

Vielleicht nehmen Sie folgende Fragen mit nach Hause:
Wo habe ich Zweifel im Glauben? Wo bin ich ein Thomas?
Wo suche ich meine Antworten? In der Kirche?
Wann habe ich das letzte Mal mit jemandem darüber gesprochen und mit wem? Was hat mich gehindert, darüber zu sprechen?
Kenne ich einen wie den Thomas? Nehme ich in mit in die Gemeinschaft der Jünger, in die Kirche?

156. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ Wie oft haben Sie dieses Jesuswort schon gehört! Ich denke mir manchmal, dieses Wort leidet ein wenig unter Verschleiß sowie darunter, für eine billige Vertröstung mißbraucht zu werden: Wenn wir schon nicht sehen und begreifen können, dann sollen wir uns wenigstens damit trösten, daß uns die Seligkeit verheißen ist.

Ich möchte dagegen heute die Frage stellen: Besteht denn die Anfechtung gegen den Glauben vorrangig darin, daß wir keine Augenzeugen des Ostergeschehens sind und es auch nicht sein können? Fällt es uns schwer zu glauben, weil wir damals nicht dabei waren? Liegt die Schwierigkeit zu glauben nachgerade im fehlenden Wissen, oder liegt sie vielleicht ganz woanders?

Josef Pieper macht darauf aufmerksam, daß es gerade der Wissende besonders schwer hat, zu glauben. Also derjenige, der sich auskennt, der Theologe, ist ganz besonders stark angefochten von der Versuchung, den Glauben aufzugeben. Warum ist das so? Weil er sich nicht einfach vom großen Strom der Glaubenden tragen lassen und gleichsam mitschwimmen kann, sondern weil er alle Gegenargumente durchdenken muß, die im Laufe der Jahrhunderte gegen den Glauben ersonnen worden sind. Er muß sie an sich herankommen lassen und sich ihnen stellen. Insofern ist er, wie der heilige Thomas von Aquin gesagt hat, dem Martyrer zu vergleichen, der trotz aller Gewalt den Glauben nicht preisgibt. Denn auch im Inneren des Menschen spielen sich Kämpfe ab zwischen den Einsprüchen der eigenen Vernunft und dem Willen, ihnen standzuhalten. Von den Tausenden dieser vernunftgespeisten Zweifel will ich nur einen nennen: Wie kann Gott seine allumfassende Rettungsaktion der Menschheit an einen einzelnen Menschen binden, an einen Ort und einen Zeitpunkt in der Geschichte? Wie soll in einem Menschen die Universalität des Heiles begründet sein? Und wieso läßt Gott diese weltbewegende Botschaft über den dünnen Faden der geschichtlichen Überlieferung vermitteln? – Oder etwas einfacher formuliert: Was haben wir Späteren mit den Osterereignissen von damals zu tun?

Joseph Ratzinger hat sich über 50 Jahre lang mit Fragen dieser Art herumgeschlagen und nun in einem ganz neuen Buch die Summe seiner theologischen Einsichten präsentiert. Ohne zu übertreiben, darf man wohl sagen, daß der heutige Papst zu den Martyrern des Glaubens im gerade dargelegten Sinne gehört: Er hat zeitlebens die teilweise überaus heftigen Gegenargumente gegen den Glauben bis auf den Grund reflektiert und ihnen mit aller Glaubenskraft standgehalten. Sein Buch über Jesus von Nazareth gibt davon Zeugnis. Es ist kein offizielles Lehrschreiben der Kirche, darum lädt der Papst ausdrücklich zu Kritik und Widerspruch ein. Es legt vielmehr dar, wie dieser große Theologe Antwort zu geben versucht auf die Haupteinwände historischer Kritik gegen die universale Bedeutung Jesu Christi. Ein gewöhnliches päpstliches Lehrschreiben würde diese Einwände einfach mit Hinweis auf die Tradition der Kirche und die entsprechenden Lehrentscheidungen zurückweisen und die nähere Begründung den Theologen überlassen – man könnte auch sagen: den martyriumsbereiten Christen, die sich in die Abgründe der Zweifel zu begeben trauen, gleichsam in die Höhle des Löwen. Wer diese Auseinandersetzung überstanden hat und noch dazu als Sieger, der kann ein Buch wie das erwähnte schreiben.

Nicht für jeden Christen ist dieses Buch hilfreich und notwendig. Aber für diejenigen, die zumindest hin und wieder wie der Apostel Thomas von Zweifeln geplagt werden und sich nicht mehr so ohne weiteres dem Strom der Glaubenden anschließen können, ist dieses Buch wie ein Leuchtturm – ganz ähnlich wie das unbeirrte Zeugnis der Martyrer für die Schwankenden und Entmutigten. Es zeigt, daß der Glaube trotz aller Anfechtung Bestand haben kann, und sein Autor zeigt, daß man dabei durchaus selig bleiben oder werden kann.

Um zum Anfang zurückzukommen: Das Wort Selig sind, die nicht sehen und doch glauben will uns nicht vertrösten, und noch weniger will es uns dazu anleiten, auf die Bestätigung unserer Vernunft zu verzichten – nach dem Motto: „Augen zu und durch!“ Es macht lediglich darauf aufmerksam, daß die Augenzeugenschaft auf eine kurze Phase beschränkt ist, ohne daß deshalb die späteren Gläubigen im Nachteil sind. Uns fehlt nichts nur deshalb, weil wir Ostern nicht dabei waren. Wir haben nicht größere Schwierigkeiten zu glauben als die Apostel. Aber ganz gleich, ob jemand Augenzeuge der Osterereignisse war oder nicht – wer glaubt und standhaft bleibt, der wird selig sein, nicht erst in Zukunft, sondern im Akt des Glaubens. Denn darum geht es: „daß ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.“

157. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2006)

Mein Sohn, Deine Sünden sind Dir vergeben.

Liebe Schwestern und Brüder,
das ist das eigentliche Wunder in der Heilungserzählung, die wir im Evangelium gehört haben.

Die Heilung des Leibes kommt erst nachher. Wesentlich scheint für Jesus die Heilung der Seele zu sein, die Vergebung der Sünden.

Ich glaube an die Vergebung der Sünden. So bekennen wir.
Gott vergibt die Schuld. Das glauben wir.

Aber manchmal kommen in mir Zweifel auf.
Gerade wenn ich im Beichtstuhl sitze.
Wenn wir als katholische Christen an die Vergebung der Sünden glauben, warum nimmt dann kaum jemand mehr das Sakrament der Vergebung wahr?
Warum sitzen Pastor Stücker und ich im Beichtstuhl und warten häufig so lange vergeblich, daß jemand kommt?
Viele sind es nämlich nicht gerade, die kommen. Meistens ein vielleicht mal zwei. Häufig niemand.

Die geringe Zahl derjenigen, die zur Beichte kommen, ist nicht gerade ein flammendes Zeugnis der Kirchhellener Bevölkerung für ihren Glauben an die Vergebung der Sünden.

Gut, vor Weihnachten kamen ein wenig mehr Menschen. Aber auch deren Anzahl war so gering, daß man meinen könnte: Die Katholiken in Kirchhellen sündigen nicht. Und mit Verlaub, das glaube ich wiederum nicht.
Vielleicht gehen die ja woanders beichten, versuche ich mich manchmal zu trösten. Aber weder die Nachbarpfarrer noch die Pater vom Jugendkloster berichten von Schlangen vor ihren Beichtzimmern.
Es bleibt dabei: Hier wird wenig gebeichtet. Warum ist das so?

Sicherlich, es hat schwere Fehler in der Beichtpraxis gegeben. ältere Menschen erzählen von Druck, Angst, Zwang, Herzlosigkeiten.

Mich haben andere Erfahrungen geprägt: Wenn ich an meinen Beichtunterricht zurückdenke, und der ist nun auch schon fünfundzwanzig Jahre her, da war nichts zu spüren von Angstmacherei usw.
Natürlich kostete mir die Beichte im Anfang Überwindung, aber letztlich war es immer ein sehr tröstendes und schönes Erlebnis für mich.

Und die Kommunionkinder in dieser Gemeinde haben vor Weihnachten zumindest ähnlich positive Erfahrungen gemacht. Ebenso die Firmlinge vor der Firmung.

Jedenfalls meine ich das erkennen zu können in den Gesichtern der Kinder, die zum erstenmal beichten.
Da wird im Beichtstuhl auch schon mal gelacht.
Ab und zu kommen dann Eltern und erzählen, wie schön die Erfahrung der Beichte für die Kinder war.

Und spätestens da frage ich mich dann: Warum kommen dann so wenige aus dieser Elterngeneration zur Beichte, wenn das doch so gut zu gehen scheint?
Brauchen denn bloß noch Kinder die Vergebung der Sünden?

Nein, wir haben sie alle nötig. Bitter nötig. Ich auch. Darum gehe ja auch ich als Priester beichten. Regelmäßig.

Und seit meiner ersten Beichte habe ich noch nie erlebt, daß ein Beichtvater mich – entschuldigen Sie das Wort - abgesaut hat.
Im Gegenteil. Vielfach hat mich der Zuspruch des Priester aufgebaut.
Und aufgebaut hat mich auch immer die Gewißheit, daß Gott mir vergeben hat.
So war, so ist jede Beichte für mich ein Neuanfang, ein neues Aufleben.

„Was soll ich denn beichten? Ich hab doch gar keinen umgebracht.“, sagen viele.
Abgesehen davon, daß man einen Menschen nicht nur mit Messer oder Pistole, sondern auch mit der Zunge oder im Gedanken umbringen kann,
geht es darum, die kleinen Lieblosigkeiten, die kleinen Vergehen gegen Gott, gegen den Nächsten und gegen sich selbst vor Gott zu tragen, damit er sie heilt, er sie vergibt.

Es geht in der Beichte eben auch darum, die kleinen Risse in der Staumauer auszubessern, damit sie nicht weiter aufreißen und irgendwann die Mauer dem Druck der Wassermassen nicht mehr standhalten kann und zusammenbricht.
Es geht darum sozusagen das Dach unserer Seele vom Schnee der Unaufmerksamkeiten und Lieblosigkeiten zu befreien, damit es nicht einstürzt.

Die Beichte hilft so, aufmerksam zu bleiben, damit in mir irgendwann nicht doch der Damm bricht und dann tatsächlich jemanden umbringe. Auch wenn wir es nicht gerne hören: Jeder und jede von uns ist eigentlich zu allem fähig.
Es gibt tiefe Abgründe im Menschen, in mir. Und daß diese mich nicht verschlingen, dazu hilft mir das regelmäßige Bekenntnis dieser meiner Abgründe.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.

In der Beichte lerne ich mich besser kennen,
kann ich lernen, auch mit meinen dunklen Seiten umzugehen,
werden meine dunklen Seiten verwandelt durch die Vergebung Gottes.
In der Beichte erfahre ich: Gott schenkt mir einen neuen Anfang, ein neues Leben.
Letztlich höre ich Jesus zu mir sprechen: Mein Sohn meine Tochter, Deine Sünden sind Dir vergeben.

Wie gesagt: Jesus geht es im Evangelium zuerst um die Heilung der Seele, dann um die Gesundung des Körpers.

Der Gelähmte im Evangelium kann wieder laufen, nachdem Jesus ihm zuerst die Sündenvergebung zugesprochen hat.

Ich stelle immer wieder fest – egal ob ich Beichte höre oder selber beichte – dass die Absolutionsformel „Und so spreche ich Dich los von Deinen Sünden“ oft innerlich Gelähmten wieder neuen Schwung verleiht,
dass die Beichte zurecht immer öfter das Sakrament der Freude genannt wird.

Sicherlich, den Weg in den Beichtstuhl zu finden, kostet Überwindung. Aber was nehmen wir Menschen nicht oft für Opfer auf uns, um unseren Körper zu stählen, ihn gesund zu halten. Sollte unsere Seele etwa zu kurz kommen?

Mein Sohn, Deine Sünden sind Dir vergeben.
Dieses Wort Jesu wartet auf Sie und auf mich. Amen.

Übrigens an jedem Samstag von 16.00 – 16.45 Uhr besteht hier in der Kirche Gelegenheit zur Beichte. Sie können auch uns Pastöre gerne um einen anderen Termin ansprechen.

158. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Predigtvorschlag nach Mk 1, 12-15; 1 Petr 3, 18-22

Liebe Gemeinde!

Gegen die Kirche wird immer wieder der Vorwurf erhoben, sie wolle den Menschen nur ein schlechtes Gewissen einreden, damit sie sich ihrem Einfluß ausliefern und so leichter manipuliert werden können. Wie immer ist auch an diesem Vorwurf etwas dran – es hat solchen Mißbrauch gegeben und gibt ihn auch in unserer Zeit hier und dort. Aber zum einen gilt die Regel: abusus non tollit usum, der schlechte Gebrauch hebt den guten nicht auf! Und zum anderen dürfen wir auch darauf hinweisen, daß das Motiv der Erlösung von der Schuld gar nicht von den Christen erfunden wurde. Es ist viel älter und kommt besonders häufig vor in den Mythen der Menschheit sowie in vielen Märchen. Viele Märchen beginnen mit der Schilderung einer Not, und sie reden sehr oft von einem Retter, der den geheimen Fluch löst und den Menschen ein neues Leben ermöglicht. Ja, gerade auch die moderne Fantasy-Literatur ist ganz erfüllt mit solchen Motiven, und das beweist eindringlich, daß Not und Schuld einerseits und Erlösung andererseits der menschlichen Erfahrung und Sehnsucht zutiefst entsprechen.

So muß der Vorwurf an die Adresse derjenigen zurückgegeben werden, die ihn gegen uns erheben. Wer laut oder insgeheim fordert, daß von Sünde und Schuld möglichst gar nicht mehr die Rede sein soll, damit die Menschen endlich unbesorgt tun können, was ihnen gut dünkt, der verschweigt eine ganz wesentliche Wahrheit; er befreit den Menschen nicht, sondern liefert ihn einer Geistlosigkeit aus, die ihn letztlich entwürdigt. Und es ist sehr die Frage, ob besagte Geistlosigkeit den Menschen nicht erst recht anfällig macht für raffinierte Beeinflussung.

Um der Wahrheit und der Würde des Menschen willen sieht sich also die Kirche veranlaßt, weiterhin von Sünde und Erlösung zu sprechen, besonders in der Fastenzeit. Sie hält uns die biblischen Bilder vor Augen, damit wir uns darin wiederfinden. So spricht Jesus etwa vom verlorenen Schaf, das sich im Gestrüpp verfangen hat und aus eigener Kraft nicht mehr herausfindet. Dieses Schaf ist ein Bild für den Menschen, der sich durch die Sünde verirrt und verloren hat. Jesus aber vergleicht sich selbst mit dem guten Hirten, der dem Schaf nachgeht und es aus den Dornen wieder herausholt.

Dieses Bild nimmt die heutige Lesung aus dem 1. Petrusbrief auf, wenn es heißt: „Christus ist der Sünden wegen ein einziges Mal gestorben, er, der Gerechte, für die Ungerechten, um euch zu Gott hinzuführen“. (1 Petr 3,18) Entscheidend ist die Zielrichtung: „um uns hinzuführen zu Gott“. Er ist dorthin gegangen, wohin die Sünde den Menschen geführt hat, d.h. im Bilde gesagt: ins Dornengestrüpp. Er hat sich der Macht der Sünde ausgesetzt und ist das Risiko eingegangen, selber in die Bosheit der Menschen hineingezogen zu werden. Wer sein Leben für andere einsetzt, der bleibt nicht schadlos. Das erfahren schon Ärzte und Krankenpfleger, die von den Kranken angesteckt werden können, oder Polizisten, die in Ausübung ihrer Pflicht manchmal verletzt werden. Das hat Jesus erfahren, als er sich mit uns Sündern eingelassen hat.

Um uns zu Gott hinzuführen und zurückzuführen – darum ist Christus bis zum Äußersten gegangen, bis zum Tod am Kreuz. Sein Tod war die Folge seiner Bereitschaft, uns Menschen nachzugehen in alle Verirrungen hinein, uns dort herauszuholen und wieder zurückzuführen in das Reich Gottes. Er mußte sterben, nicht weil Gottes Gerechtigkeit seinen Tod gefordert hätte, sondern weil es Menschen gab, die sein Werk vereiteln wollten. Nur insofern kann man sagen, daß Jesu Tod gottgewollt war, als Gott Treue und Gehorsam verlangt, und dem hat Jesus vollauf entsprochen, er war treu und gehorsam – ohne Einschränkung, in äußerster Konsequenz – bis zum bitteren Tod.

Doch dieser Tod hat das Ziel nicht vereitelt: uns Menschen zu Gott hinzuführen. Weil Jesus ihn freiwillig angenommen hat aus Liebe zu uns, darum konnte er uns das Leben geben, das wir ohne ihn nicht hätten. Das Opfer Jesu hat dem Reich Gottes auf der Erde wieder Geltung verschafft. Nun ist dieses Reich endlich wieder nahe, ist es nicht mehr fern und unerreichbar.

Und daraus folgt der stets aktuelle programmatische Umkehrruf: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ Kehrt um von falschen Lebensgewohnheiten, die von Gott wegführen, die letztlich den Tod bringen. Wendet euch neu dem Evangelium zu, der Botschaft von der Erlösung aus Schuld und Sünde. Laßt den guten Hirten sein Werk an euch tun, bittet um Vergebung und nehmt sie an!

40 Tage Zeit sind uns nun wieder gewährt, diese innere Ausrichtung auf Gott neu zu üben. Das Fasten ist dazu eine wirksame Hilfe, die keineswegs als veraltet abgetan werden sollte. In einer Präfation heißt: „Durch das Fasten des Leibes hältst du die Sünde nieder, erhebst du den Geist, gibst du uns die Kraft und den Sieg durch unseren Herrn Jesus Christus.“ Nehmen wir diese Zeit als Chance wahr, unser Leben wieder am Hohen und Edlen auszurichten, anstatt bloßer Mittelmäßigkeit zu verfallen. Mit den Worten eines geistlichen Schriftstellers: „Dein Leben darf kein fruchtloses Leben sein. Sei nützlich. Hinterlasse eine Spur. Leuchte mit dem Licht deines Glaubens und deiner Liebe!“

Das sind wir unserer Würde als Kinder Gottes schuldig, und das sind wir Christus schuldig, der sich nicht zu schade war, den bitteren Weg der Entsagung, des Leidens und des Opfers zu gehen.

159. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2006)

Es gibt Gerüchte, die sich enorm hartnäckig halten. Ein solches Gerücht lautet: „Die Kirche ist leibfeindlich.“

Man macht das gerne an der Sexualmoral und an den Fastengeboten der Kirche fest.
Sicherlich, es gab Menschen in der Kirche, die prüde und vertrocknet wirkten, die durch übertriebene Kasteiungen ihrem Körper unverhältnismäßig viel Leid zufügten.
Aber man darf von den Fehlformen nicht auf die eigentlich gültige Lehre der Kirche schließen.

„Die Kirche ist leibfeindlich.“ - Dieser Satz kann gar nicht stimmen.

Bester Beweis dafür ist die Krippe hier in der Kirche.
Wir glauben an einen Gott, der Fleisch angenommen hat in Jesus Christus. Dieser Gott ist in seinem Sohn leibhaftig unter uns gewesen.
Keine Religion kennt das. Die Inkarnation - die Menschwerdung Gottes - ist und bleibt etwas zutiefst Christliches, etwas, was andere Religionen nicht kennen und sich nicht vorstellen können.

Gott leibhaftig unter uns Menschen - Zur Zeit der ersten Christen war das ein Skandal. Alles Körperliche, Leibliche war minderwertig gegenüber dem Geistigen. „Seele gut, Leib schlecht“ lautete damals die Devise.
Und noch heute gibt es viele Formen der Abwertung des Leibes, gerade in esoterischen, ostasiatisch verbrämten Meditationsformen. Die Seele soll darin vom Leib befreit, erlöst werden.

Die Kirche hat dagegen immer die „Auferstehung des Fleisches“ gehalten.
Der Mensch wird als Ganzer erlöst, mit Leib und Seele. Der Mensch ist schließlich Leib und Seele.
So gesehen ist die Kirche nicht leibfeindlich, sondern leibfreundlich.

Der Leib hat für uns Christen eine hohe Bedeutung, er ist etwas enorm Kostbares. Das haben wir in der Lesung aus dem ersten Korintherbrief gehört, in dem es heißt:
Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt?

Der Leib des Menschen - ein Tempel des Hl. Geistes, ein Tempel Gottes.
Er ist uns geschenkt worden, wir haben ihn nicht selber gemacht. Der menschliche Leib ist eine Schöpfung Gottes. Und was für eine.

Die verschiedenen inneren Organe in ihrer ganzen Komplexität ermöglichen erst unser Leben.
Die Sinnesorgane erlauben uns, miteinander in Kontakt zu treten.
Der Leib ermöglicht es, daß wir uns in dieser Welt bewegen, sie gestalten und formen können.
Wir haben nicht nur einen Leib, wir sind Leib.

Wenn wir diesen Leib von Gott geschenkt bekommen haben, müssen wir auch in irgendeiner Weise damit umgehen. Und zwar so, daß wir dem Geschenk und dem Schenkenden gerecht werden.
In der Lesung faßt Paulus das prägnant zusammen, indem er die Korinther damals und uns heute aufruft:
Verherrlicht Gott in eurem Leib!

Wie aber kann das konkret geschehen?

Nun, wenn der Leib wirklich Tempel Gottes also etwas Heiliges ist, dann sollten wir ihn auch heilighalten, ihn ehren, ihn pflegen.

Gott in unserem Leib verherrlichen hieße dann,
ihm die nötige Hygiene zukommen zu lassen, ihn gesund zu halten, ihm den nötigen Schlaf zu gewähren.
Alles Maßlose sollten wir von ihm fernhalten.

Verherrlicht Gott in eurem Leib!
Dazu paßt nicht, sich unkontrolliert mit allen möglichen Speisen oder Rauschmitteln vollzustopfen.
Dazu paßt nicht, sich jedes Wochenende volllaufen zu lassen und die Nacht zum Tage zu machen. Das sind keine Heldentaten, mit denen man angeben müßte.
Dazu paßt nicht, seinen Body ohne Rücksicht auf Verluste zu stählen, mit übertriebenem Training oder Einnahme von unerlaubten Mittelchen.

Verherrlicht Gott in eurem Leib!
Dazu paßt nicht, die körperliche Unversehrtheit der anderen zu gefährden, indem man sie z. B. im Verkehr oder am Arbeitsplatz unnötigen Gefahren aussetzt.
Dazu paßt nicht, andere zu einem übertriebenen Konsum von Speisen, Getränken und Drogen zu animieren.

Wer das Maß im Umgang mit seinem Leib oder dem Leib der anderen aus den Augen verliert, versündigt sich gegen Gott, versündigt sich gegen den Tempel Gottes.

Verherrlicht Gott in eurem Leib!
Der Leib hat im Christentum, in der Sicht der Kirche eine hohe Würde. Wir sind Leib. Und alles, was den Leib und seine Regungen vom ganzen Menschsein trennt, kann nicht richtig sein. Das gilt gerade im Bereich der Sexualität.

Aus diesem Grunde wehrt sich die Kirche vehement gegen Einflüsse, die den Körper zu einem sexuelles Objekt degradieren.
Die körperliche Sexualität hat ihren Rahmen in der festen Liebesbindung zweier Mensch zueinander, die sich in der Ehe zwischen Mann und Frau – und nur zwischen Mann und Frau -verwirklicht. Alles andere ist in Wahrheit unmenschlich, wird dem Menschen nicht gerecht.

Deshalb verurteilt die Kirche Pornographie, Prostitution und alles, was die Trennung von Sexualität und Liebe fördert.
Dazu zählen auch künstliche Befruchtungs- und Verhütungsformen.
Dazu zählt auch das Erzählen oder Gutheißen schlüpfriger Bemerkungen oder Zoten. Der sogenannte versaute Witz hat im Mund eines Christen nichts zu suchen.

Verherrlicht Gott in eurem Leib!
Dieser Aufruf gilt auch jetzt im Gottesdienst.
Das Sitzen, das Knien, das Stehen sind körperliche Ausdrucksformen für unsere innere Haltung. Der Körper hilft uns beten.
Deshalb ist es gut, uns immer wieder zu prüfen, ob und wie wir mit unserem Leib beten.
Es geht nicht darum, sich stock und steif zu verhalten, aber die Kniebeuge sollte auch als solche erkannt werden; und das Kreuzzeichen sollten wir nicht so schlagen, als ob wir eine Fliege von unserem Gesicht vertreiben wollten.

Verherrlicht Gott in eurem Leib!
Wenn wir diesem Aufruf in unserem persönlichen Leben nachkommen, wird es demnächst vielleicht in der Gerüchteküche brodeln: „Schon gehört, die Kirche ist leibfreundlich.“

160. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Mitchristen!

Seit ich die Szene von der Tempelreinigung kenne, die wir gerade im Evangelium gehört haben, habe ich mir immer wieder die Frage gestellt: Warum handelt Jesus hier so schroff, so unvorbereitet und unvermittelt – geradezu gewalttätig, während er doch sonst voller Güte und Milde ist? Hätte er nicht seine Kritik am geschäftigen Treiben im Tempel etwas diplomatischer zum Ausdruck bringen können, anstatt sofort mit einer Geißel loszuschlagen? Mußte er so nicht auf völliges Unverständnis und Feindlichkeit stoßen, zumal doch der Handel im Vorhof des Tempels von der Tempelbehörde genehmigt war, damit der vorgeschriebene Opferkult vonstatten gehen konnte?
Eine erste Antwort gibt das energische Wort Jesu: „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!“ Die Handelsgeschäfte entweihen den Tempel, das Haus Gottes, das Haus des Vaters Jesu! Die Händler und Wechsler sind wie Störenfriede, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und so dem wahren Eigentümer des Tempels, Gott, die Ehre rauben. Das will Jesus, der ganz auf die Ehre seines Vaters bedacht ist, nicht dulden, und so treibt er sie alle voll Zorn hinaus. Dieses eigentümlich schroffe Vorgehen erinnert an die alten Propheten, die oft durch Zeichenhandlungen ihre Botschaften an die Menschen unterstrichen. Jesus gibt damit zu erkennen, daß er eine besondere göttliche Sendung hat, die ihn dazu ermächtigt, die bestehende Tempelordnung massiv anzugreifen.
Solche prophetische Kritik fordert zur Entscheidung heraus – und genau das beabsichtigte Jesus. Es gibt manchmal festgefahrene Denkgewohnheiten und Blickverengungen, die nur durch eine scharfe Konfrontation aufgedeckt werden können. So war es damals mit dem Opferkult im Tempel: An sich sollte das Lob Gottes im Vordergrund stehen, die Anbetung, der Dank und die Bitte um Verzeihung der Sünden; stattdessen war der Kult immer mehr veräußerlicht worden und diente nicht selten als Alibi für den fehlenden Gehorsam gegenüber Gott. Die Geschäftemacherei im Tempelvorhof war dabei nur der äußere Ausdruck einer inneren Fehlhaltung vor Gott:

  • Anstatt Gottes Ehre zu suchen, suchte man die eigene.

  • Anstatt Gott mit einem reuigen und demütigen Herzen zu dienen, bot man ihm äußere Opfer an, mit denen man sich aus der Verantwortung stehlen wollte, auch innerlich umzukehren von Hochmut und Selbstsucht.

  • Der Opferkult war zum Geschäft mit Gott entartet, nicht die Liebe zu Gott und die Treue zu seinem Bund bestimmten das religiöse Leben, sondern Lippenbekenntnisse und geheuchelte Frömmigkeit.

Und für all das hatte man ein perfektes System von Gesetzen und Vorschriften parat, das die Veräußerlichung des Kultes scheinbar legitimierte, ja den Blick für das Verkehrte daran fast völlig verstellte.

Die prophetische Zeichenhandlung, die Jesus in Form der Tempelaustreibung vollzog, wirkte da wie eine Ladung Dynamit, die die engen Mauern des verkehrten Denkens erschütterte und den An-Stoß zum Umdenken gab. Jeder konnte spüren, daß Jesus sich mit Vollmacht und mit heiligem Eifer für die Rechte Gottes einsetzte. Das, was vorher fraglosselbstverständlich war, wurde plötzlich massiv in Frage gestellt, und das, was fast völlig aus dem Blick geraten war, nämlich die rechte Verehrung Gottes, rückte wieder in den Vordergrund.

Uns wird diese Episode heute erzählt, weil auch wir gleichsam bei uns aufräumen müssen. Denn wir sind selbst der Tempel Gottes. Paulus fragt: „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und daß der Geist Gottes in euch wohnt?“ – „Christ, erkenne deine Würde!“ Der Geist Gottes wohnt in dir! Laß diesen Tempel nicht durch äußerliche Geschäftigkeit entarten, sondern sei dir stets bewußt, daß du Kind Gottes bist und als solches eine erhabene Bestimmung trägst. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir „Gesalbte des Herrn“ sind, Christen (so heißt das griechische Wort auf Deutsch übersetzt), geheiligte Menschen, d.h. solche, die niemals auf rein irdische Ziele festgelegt werden, geschweige denn für innerweltliche Zwecke ausgenutzt und mißbraucht werden dürfen.

Wir dürfen uns nicht unter unserer Würde verkaufen! Wir dürfen den Gott, der uns diese unvergleichliche Würde schenkt, nicht eintauschen gegen den Mammon, den Gott des Geldes! Wie oft fragen wir uns: „Was bringt mir der Glaube? Was habe ich davon, zur Kirche zu gehen?“ Die Antwort sollte immer wieder dieselbe sein: Hier begegne ich meinem Gott, der mich annimmt, wie ich bin, der mich nicht nach dem mißt, was ich habe oder was ich leiste. Die öffentliche Meinung verweigert heute Gott die Ehre, weil man die eigene sucht, weil man nur solche Götter akzeptieren will, die Macht, Lust und Geld versprechen. Wir dürfen da nicht mitmachen! Zu früheren Zeiten gingen wir in den Gottesdienst, weil wir gesehen werden wollen. Zu diesen Zeiten gehen wir nicht, weil wir nicht gesehen werden wollen. Das ist der veräußerlichte Gottesdienst, den Jesus anprangert: es fehlt die innere Beteiligung, es ist keine wirkliche Beziehung zu Gott da.

Es ist Fastenzeit: Zeit, die Vergebung Gottes zu erbitten und Jesus neu ins Herz einzulassen. Zeit, den alten Müll herauszuwerfen, so wie Jesus den Tempel von Müll gereinigt hat, es ist Zeit zum Beichten. So wie der Leib Jesu Tempel des Heiligen Geistes war, so ist es unser Leib, denn wir sind getauft und mit Heiligem Geist beschenkt. Diesen Tempel nicht zur Räuberhöhle verkümmern zu lassen, das ist der Sinn der österlichen Bußzeit. Amen.

161. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

„Er hat alles gut gemacht“, sagen die Leute über Jesus (Mk 7,37). „Er löscht den glimmenden Docht nicht aus und das geknickte Rohr zerbricht er nicht.“ (Jes 42,3; Mt 12,20)

Das wird uns heute an einem typischen Arbeitstag Jesu deutlich gemacht. Nach einem Aufsehen erregenden Auftritt in der Synagoge begibt sich Jesus in das Haus des Simon, wahrscheinlich, um sich auszuruhen. Aber Petrus und Andreas kommen sofort mit einem Anliegen: Ihre Mutter leidet an einem Fieber, und Jesus zögert nicht, sie zu heilen. „Er ging zu ihr, faßte sie an der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber von ihr, und sie sorgte für sie.“ (Mk 1,31)

Jesus nimmt die Kranke bei der Hand und richtet sie auf. Diese Bewegung des Aufrichtens ist kennzeichnend für die anderen Heilungen und überhaupt für das Wirken Jesu. Jesus richtet auf, leiblich und seelisch, alle, die zu ihm kommen. Wie viele Dinge gibt es in der Welt, die uns Menschen niederdrücken und den Kopf hängen lassen! Wieviel Anlaß gibt es, zum Heiland zu gehen, um von ihm aufgerichtet zu werden. Kein Wunder also, daß Jesus am Abend umlagert wird: „Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt.“ (Mk 1,33) – Wie viele Menschen hätten wohl an der Gemeindemission teilgenommen, wenn die Patres die Gabe der Heilung gehabt hätten!?!

Sie hatten diese Gabe nicht – genausowenig wie ich. Aber sie hatten andere Gaben, so wie jeder von uns mit irgend etwas begabt ist, um andere Menschen aufzurichten. Denn das ist doch der Kern von Jesu Botschaft: Das Reich Gottes ist gekommen, und damit ist die Macht der Sünde und der Dämonen gebannt. Die Wunderheilungen Jesu bezeugen das, sie sind die Zeichen für die innere Heilung und Aufrichtung, die mit Jesus gekommen ist. Aber damit ist auch sofort klar, daß Jesus nirgendwo bleiben kann; er muß vielmehr „anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer“, damit er „auch dort predigt“; denn dazu ist er gekommen. (Mk 1,38) Wohlweislich heißt es: damit er „auch dort predigt“. Nicht die Heilungen stehen im Mittelpunkt, sondern die Predigt vom Reich Gottes. Keiner darf ihn für seine privaten Ziele einspannen und festhalten. Im Gegenteil: wer Jesus begegnet ist, dessen Herz soll sich weiten und für den umfassenden Horizont öffnen, vor dem Jesu Wirken allein verständlich ist: für Gottes Reich und das heißt für Gemeinschaft und Liebe, die alle partikulären Interessen aufsprengt.

Wer von Jesus aufgerichtet wurde, sei es im geistigen, sei es im seelischen oder im leiblichen Sinne, der ist selber aufgerufen, aufzurichten und aufzubauen, am Reich Gottes mitzubauen. Nicht ab, sondern aufbauen. Das Handeln des Christen ist nicht destruktiv, sondern konstruktiv. Wir bauen auf durch unser Beispiel und durch ein gutes Wort. Ein Sprichwort aus der Mongolei sagt: „Ein gutes Wort ist wie drei Monate Wärme, ein böses Wort wie sechs Monate Frost.“ Das können wir brandaktuell am Beispiel der Karikaturen Mohammeds sehen: Die lieblose Lust am Spott und an der Destruktion der Glaubensüberzeugungen anderer läßt die Atmosphäre frostig werden und vergiftet das Klima.

Im Epheserbrief heißt es: „Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt, und dem, der es hört, Nutzen bringt.“ (Eph 4,29) Das ist echter Dienst am anderen und an der Gesellschaft! Wenn wir Christen diesen aufbauenden Dienst nicht leisten, dann ist unser Salz schal geworden. Ignatius von Loyola sagt: „Jeder gute Christ muß mehr dazu bereit sein, die Aussage des Nächsten für glaubwürdig zu halten, als sie zu verurteilen. Vermag er sie nicht zu rechtfertigen, so forsche er nach, wie jener sie versteht; versteht jener sie aber in üblem Sinn, so verbessere er ihn mit Liebe.“ –

Liebe Mitchristen! „Er hat alles gut gemacht“, sagten damals die Leute über Jesus. Unsere Zeitgenossen werden zum selben Urteil nur kommen können, wenn sie sehen, daß die heutigen Jünger Jesu sich gleichfalls berufen fühlen, aufzurichten und aufzubauen – in Wort und Tat.

162. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2006)

Mein Sohn, Deine Sünden sind Dir vergeben.

Liebe Schwestern und Brüder,
das ist das eigentliche Wunder in der Heilungserzählung, die wir im Evangelium gehört haben.

Die Heilung des Leibes kommt erst nachher. Wesentlich scheint für Jesus die Heilung der Seele zu sein, die Vergebung der Sünden.

Ich glaube an die Vergebung der Sünden. So bekennen wir.
Gott vergibt die Schuld. Das glauben wir.

Aber manchmal kommen in mir Zweifel auf.
Gerade wenn ich im Beichtstuhl sitze.
Wenn wir als katholische Christen an die Vergebung der Sünden glauben, warum nimmt dann kaum jemand mehr das Sakrament der Vergebung wahr?
Warum sitzen Pastor Stücker und ich im Beichtstuhl und warten häufig so lange vergeblich, daß jemand kommt?
Viele sind es nämlich nicht gerade, die kommen. Meistens ein vielleicht mal zwei. Häufig niemand.

Die geringe Zahl derjenigen, die zur Beichte kommen, ist nicht gerade ein flammendes Zeugnis der Kirchhellener Bevölkerung für ihren Glauben an die Vergebung der Sünden.

Gut, vor Weihnachten kamen ein wenig mehr Menschen. Aber auch deren Anzahl war so gering, daß man meinen könnte: Die Katholiken in Kirchhellen sündigen nicht. Und mit Verlaub, das glaube ich wiederum nicht.
Vielleicht gehen die ja woanders beichten, versuche ich mich manchmal zu trösten. Aber weder die Nachbarpfarrer noch die Pater vom Jugendkloster berichten von Schlangen vor ihren Beichtzimmern.
Es bleibt dabei: Hier wird wenig gebeichtet. Warum ist das so?

Sicherlich, es hat schwere Fehler in der Beichtpraxis gegeben. ältere Menschen erzählen von Druck, Angst, Zwang, Herzlosigkeiten.

Mich haben andere Erfahrungen geprägt: Wenn ich an meinen Beichtunterricht zurückdenke, und der ist nun auch schon fünfundzwanzig Jahre her, da war nichts zu spüren von Angstmacherei usw.
Natürlich kostete mir die Beichte im Anfang Überwindung, aber letztlich war es immer ein sehr tröstendes und schönes Erlebnis für mich.

Und die Kommunionkinder in dieser Gemeinde haben vor Weihnachten zumindest ähnlich positive Erfahrungen gemacht. Ebenso die Firmlinge vor der Firmung.

Jedenfalls meine ich das erkennen zu können in den Gesichtern der Kinder, die zum erstenmal beichten.
Da wird im Beichtstuhl auch schon mal gelacht.
Ab und zu kommen dann Eltern und erzählen, wie schön die Erfahrung der Beichte für die Kinder war.

Und spätestens da frage ich mich dann: Warum kommen dann so wenige aus dieser Elterngeneration zur Beichte, wenn das doch so gut zu gehen scheint?
Brauchen denn bloß noch Kinder die Vergebung der Sünden?

Nein, wir haben sie alle nötig. Bitter nötig. Ich auch. Darum gehe ja auch ich als Priester beichten. Regelmäßig.

Und seit meiner ersten Beichte habe ich noch nie erlebt, daß ein Beichtvater mich – entschuldigen Sie das Wort - abgesaut hat.
Im Gegenteil. Vielfach hat mich der Zuspruch des Priester aufgebaut.
Und aufgebaut hat mich auch immer die Gewißheit, daß Gott mir vergeben hat.
So war, so ist jede Beichte für mich ein Neuanfang, ein neues Aufleben.

„Was soll ich denn beichten? Ich hab doch gar keinen umgebracht.“, sagen viele.
Abgesehen davon, daß man einen Menschen nicht nur mit Messer oder Pistole, sondern auch mit der Zunge oder im Gedanken umbringen kann,
geht es darum, die kleinen Lieblosigkeiten, die kleinen Vergehen gegen Gott, gegen den Nächsten und gegen sich selbst vor Gott zu tragen, damit er sie heilt, er sie vergibt.

Es geht in der Beichte eben auch darum, die kleinen Risse in der Staumauer auszubessern, damit sie nicht weiter aufreißen und irgendwann die Mauer dem Druck der Wassermassen nicht mehr standhalten kann und zusammenbricht.
Es geht darum sozusagen das Dach unserer Seele vom Schnee der Unaufmerksamkeiten und Lieblosigkeiten zu befreien, damit es nicht einstürzt.

Die Beichte hilft so, aufmerksam zu bleiben, damit in mir irgendwann nicht doch der Damm bricht und dann tatsächlich jemanden umbringe. Auch wenn wir es nicht gerne hören: Jeder und jede von uns ist eigentlich zu allem fähig.
Es gibt tiefe Abgründe im Menschen, in mir. Und daß diese mich nicht verschlingen, dazu hilft mir das regelmäßige Bekenntnis dieser meiner Abgründe.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.

In der Beichte lerne ich mich besser kennen,
kann ich lernen, auch mit meinen dunklen Seiten umzugehen,
werden meine dunklen Seiten verwandelt durch die Vergebung Gottes.
In der Beichte erfahre ich: Gott schenkt mir einen neuen Anfang, ein neues Leben.
Letztlich höre ich Jesus zu mir sprechen: Mein Sohn meine Tochter, Deine Sünden sind Dir vergeben.

Wie gesagt: Jesus geht es im Evangelium zuerst um die Heilung der Seele, dann um die Gesundung des Körpers.

Der Gelähmte im Evangelium kann wieder laufen, nachdem Jesus ihm zuerst die Sündenvergebung zugesprochen hat.

Ich stelle immer wieder fest – egal ob ich Beichte höre oder selber beichte – dass die Absolutionsformel „Und so spreche ich Dich los von Deinen Sünden“ oft innerlich Gelähmten wieder neuen Schwung verleiht, dass die Beichte zurecht immer öfter das Sakrament der Freude genannt wird.

Sicherlich, den Weg in den Beichtstuhl zu finden, kostet Überwindung. Aber was nehmen wir Menschen nicht oft für Opfer auf uns, um unseren Körper zu stählen, ihn gesund zu halten. Sollte unsere Seele etwa zu kurz kommen?

Mein Sohn, Deine Sünden sind Dir vergeben.
Dieses Wort Jesu wartet auf Sie und auf mich. Amen.

Übrigens an jedem Samstag von 16.00 – 16.45 Uhr besteht hier in der Kirche Gelegenheit zur Beichte. Sie können auch uns Pastöre gerne um einen anderen Termin ansprechen.

163. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Wir kennen alle solche Situationen, da man nicht mehr weiter weiß: Man fühlt sich wie gelähmt. Das Leben geht an einem vorbei, man sitzt nur da und wartet, daß endlich etwas passiert, das einen da herausholt. Und wenn es länger dauert und ganz schlimm wird, dann wird man depressiv: man hat an nichts mehr Freude und möchte sich nur verkriechen. Solche Situationen gibt es im Leben des Einzelnen wie auch in der Gesellschaft als ganzer. So ist unser ganzes Volk durch die Arbeitslosigkeit und die desolate Finanzlage derzeit wie gelähmt. Es wird zwar viel diskutiert, aber man scheint der Lösung nicht näher zu kommen; der eine blockiert den anderen, es geht nicht voran.

Das heutige Evangelium handelt von solcher Lähmung: von der des Kranken, aber auch von der Menge, die den Weg blockiert, und von den Schriftgelehrten, die unfähig sind, die Heilung zu akzeptieren. Die Geschichte steht wie ein Scharnier zwischen zwei Abschnitten des Markus-Evangeliums: sie schließt den Abschnitt der Heilungsberichte ab und eröffnet zugleich den Abschnitt der Streitgespräche; von beiden Literaturgattungen hat sie etwas. Das verbindende Element liegt in der Befreiung von einer Blockade. Das Reich Gottes wird nämlich zum einen blockiert von Krankheiten, Dämonen und von der Sünde. Jesus durchbricht die Blockaden mit Vollmacht und zeigt so, daß das Reich Gottes in seiner Person angebrochen ist. Zum anderen wird das Reich Gottes gleichfalls blockiert von Menschen, die Jesus, dem Messias, im Weg stehen, und zwar sowohl von den Gutwilligen als auch von so manchem Engstirnigen und Verstockten.

Zunächst die Gutwilligen: Indem sie in Scharen vor der Türe stehen, sind sie ein Hindernis für den Gelähmten, den Schwächsten; sie versperren ihm den Weg zum Leben. Nicht weil sie böse sind, sondern weil sie in ihrem eigenen Durst nach Leben und in ihrer Angst, zu kurz zu kommen, die Sensibilität für den anderen verloren haben, der noch viel schwächer ist als sie selbst. Sie sehen ihn vielleicht, aber sie erfassen nicht wirklich, wie es ihm geht, und lassen ihn nicht durchkommen. – Das scheint mir ein präzises Bild für das derzeitige Massenverhalten gegenüber den Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern zu sein: Von der eigenen Angst gelähmt, benachteiligt zu werden, läßt die Solidargemeinschaft es zu, daß die Ärmsten und Schwächsten von den Quellen des Lebens abgeschnitten werden und verelenden. Mit ihnen kann man es ja machen, denn sie haben ja keinen einklagbaren Rechtstitel wie die Beamten, die Rentner und die vielen anderen, die eine mächtige Lobby hinter sich haben.

Wir müssen uns klarmachen: Auch wir sind gelähmt, wenn wir den Schwachen blockieren. Sobald wir uns dieses Verhalten bewußt machen, schämen wir uns, aber wir wissen auch keinen Ausweg. Gerade darin besteht ja unsere Unbeweglichkeit, unsere Lähmung. Dann brauchen wir jemand anderen, der uns da herausholt, der uns eine Alternative aufzeigt. Genau das tun die vier Männer, sie nehmen die Tatsachen nicht einfach hin, sie durchbrechen die Stagnation, sie brechen sie auf und öffnen eine neue Perspektive: Vom Dach her lassen sie den Gelähmten zu Jesus herunter. Jesus ist beeindruckt, denn darin offenbart sich für ihn ein tiefer, kreativer Glaube. Wenn ein Mensch glaubt, dann geschieht auch etwas: „Alles kann, wer glaubt.“ (Mk 9,23) Wer glaubt, für den sind die blockierenden Tatsachen keine endgültigen Hindernisse, sondern ein Aufruf, etwas zu ändern. Wo andere wie das Kaninchen die Schlange anstarren und keine Lösung mehr erwarten, da fängt der Glaubende an zu handeln.

Durch dieses befreiende Handeln der vier Männer ist die entscheidende Wendung bereits eingeleitet. Ja, sie haben sogar etwas getan, das von derselben Art ist wie das Handeln Jesu: sie tragen Hindernisse weg, die das Reich Gottes blockieren. Genau das tut Jesus nämlich auch, indem er sagt: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Sünden vergeben heißt, die Blockaden gegen Gottes Herrschaft abtragen und wegtragen, denjenigen, der aus Gottes Liebe herausgefallen ist, wieder in sie hineinholen. In dieser Lage war der Gelähmte, in dieser Lage sind aber auch alle, die sich von den blockierenden Tatsachen lähmen lassen.

Das sehen wir am deutlichsten am Verhalten der Schriftgelehrten. Anstatt sich über die ungeahnte Befreiungstat zu freuen, suchen sie das Haar in der Suppe: Sie beschuldigen Jesus der Gotteslästerung, und am Ende werden sie Jesus mit dieser Begründung sogar ans Kreuz bringen. Sie wollen gar nicht, daß sich etwas ändert, daß Jesus ihre beschränkten Vorstellungen von Gott korrigiert, daß er sich gerade auch derjenigen Menschen annimmt, die sie längst abgeschrieben haben. Vom Schicksal des Gelähmten sind sie nicht betroffen, sie bleiben in der passiven Zuschauerrolle und fällen von dort aus ihre selbstgefälligen Urteile.

Diese Blockade gegen Gottes liebende Herrschaft ist die massivste und am schwersten zu durchbrechende. Hier kann Jesus nicht einfach ein machtvolles Wort der Heilung sprechen wie bei den Kranken und Besessenen oder wie gerade beim Gelähmten. Er kann nur an die freie Vernunft der Widerständigen appellieren und argumentieren. Darum folgen im Markus-Evangelium ab hier die Streitgespräche als die Form, wie Jesus geistige Blockaden gegen Gottes Reich zu überwinden versucht. Das Argument, das er hier in Anschlag bringt, ist freilich kaum zu widerlegen: Wenn er Macht hat, das Schwierigere zu tun, dann erst recht auch das Leichtere. Das Schwierigere oder jedenfalls das scheinbar Schwierigere ist die Befreiung des Kranken von seiner Lähmung durch ein bloßes Wort. Und genau das tut Jesus: „Ich sage dir: Steh auf, nimm deine Tragbahre, und geh nach Hause!“ Diese Vollmacht besitzt Jesus also; warum dann nicht auch die Vollmacht, Sünden zu vergeben? – Die Umstehenden jedenfalls sind vom Argument Jesu überzeugt und vom Gesehenen begeistert.

Liebe Gemeinde! Was aber ist unsere innere Antwort auf das heute Gehörte? Ich finde, wir müssen unseren Begriff vom Reich Gottes und dem, was ihm lähmend im Wege steht, neu überdenken. Wir verdienen den Namen Christ erst dann, wenn wir echt glauben wie die vier Männer im Evangelium. Und dazu gehört erstens, daß wir die lähmende Angst, zu kurz zu kommen, überwinden und aufmerksam werden für die Schwachen um uns herum. Und zweitens, daß wir uns von den Schwierigkeiten des Alltags und den Blockaden der Gesellschaft nicht einschüchtern lassen, sondern entschlossen nach neuen Möglichkeiten Ausschau halten. Wir müssen nicht selber die Lösung für die Probleme parat haben, es ist schon viel, wenn wir sie nicht blockieren, noch besser, wenn wir hier und da eine Tür öffnen.

Das können wir auf geistige Weise jetzt in der Eucharistie tun und uns darin einüben, indem wir für andere Menschen beten und sie so in die Nähe von Jesus bringen, damit er sich ihrer annimmt.

164. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

„Was bemühst du den Meister noch länger?“ – Eine verständliche Frage. Denn beim Tod hört die menschliche Macht endgültig auf. Da ist nichts mehr zu machen. Der Tod ist ein radikales Ende, ein Abschied ohne Wiederkehr.

Darum ist der Tod so schrecklich, zum Verzweifeln schrecklich. Seit es Menschen gibt, kämpfen sie gegen den Tod an und müssen doch jedesmal die Aussichtslosigkeit ihres Kampfes eingestehen. Wenn der Tod in unseren persönlichen Lebenskreis einfällt, dann erwachen existentielle Fragen: Warum müssen wir überhaupt sterben? Wozu bin ich eigentlich auf dieser Welt? Ist vielleicht das ganze Leben sinnlos, wenn nach dem Tod alles aus ist?

Zu Beginn meines Studiums habe ich diese Frage intensiv durchdacht und die Antworten der verschiedenen Religionen verglichen. Die überzeugendste Antwort war für mich die des Apostels Paulus: „Wenn Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos, und ihr seid immer noch in euren Sünden.“ (1 Kor 15,17) D.h. Paulus stellt einen Zusammenhang her zwischen der Auferstehung Jesu von den Toten und unserer Hoffnung auf Auferstehung von den Toten. Die eine ist die Ursache der anderen. Die Auferstehung Jesu ist aber eine geschichtliche Tatsache, die einhellig bezeugt ist und anfangs nicht einmal von den Nichtgläubigen bestritten wurde. In diesem geschichtlichen Ereignis von Ostern, das wir Jahr für Jahr und Sonntag für Sonntag feiern, ist unsere Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod begründet.

Diese Hoffnung ist keine bloße Vertröstung; wir haben es nicht mit einem Märchen zu tun, sondern mit wirklicher Geschichte. Alles paßt zusammen. Als erstes gilt: „Gott hat den Tod nicht gemacht. Zum Dasein hat er alles geschaffen.“ (Weish 1,13f) Der Tod ist ein Übel, das nicht ursprünglich zum Schöpfungsplan Gottes gehörte, sondern gleichsam erst nachträglich hineinkam, nämlich aufgrund der Sünde, die den Menschen in die Knechtschaft führte. Doch dabei hat es Gott nicht belassen, er hat den Menschen aus der Verlorenheit erlöst, und damit hat er Ostern begonnen, als er Jesus aus dem Tode befreite. Denn Gott ist Herr über Leben und Tod. Gott kann vom Tod befreien. Die Begebenheit, die wir heute im Evangelium gehört haben, zeigt dies eindrucksvoll auf und belegt damit vor allem, daß dieser Jesus von Nazareth wahrhaft göttliche Vollmacht hat. So ist es kein Wunder, wenn der Evangelist bemerkt, daß „die Leute vor Entsetzen außer sich gerieten“ (Mk 5,42).

Doch was bedeutet das für unser Leben? Was Jesus zum toten Mädchen sagt (Talita kum – ich sage dir, steh auf), das sagt er auch jetzt zu jedem einzelnen von uns. Wir sollen durchaus jetzt schon aufstehen und leben:
- Wir können ohne Angst und Einschüchterung leben. Wie die hl. Theresia von Avila sagt: „Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken. Alles geht vorüber. Gott allein bleibt derselbe. Alles erreicht der Geduldige, und wer Gott hat, der hat alles. Gott allein genügt. Solo Dios basta.“
- Wir sollen gelassen bleiben angesichts von Ungerechtigkeiten, angesichts des eigenen Leids und des körperlichen Verfalls, den wir jetzt oder irgendwann erleben, und auch angesichts von Trauer und Bitternis. Gelassen schließlich auch, wenn wir den Hohn der Mächtigen ertragen müssen. Wenn wir solches erleben, dann sagt der Herr zu uns: „Talita kum! Laß dich nicht unterkriegen, steh auf! Denn ich habe die Macht, dir aufzuhelfen und dein Leben zu bewahren.“
- Jetzt schon aufstehen und leben heißt ferner, sein Herz mit Liebe füllen, nicht mit Kleinmut, Mißmut, Bitternis, Zorn oder Gram. Denn die Liebe allein bleibt, sie hat Bestand bis in die Ewigkeit.
- Jetzt schon aufstehen und leben heißt, in christlicher Würde leben, mit erhobenem Haupte, nicht mit gesenkter Miene, aufrecht stehend, mit Selbstbewußtsein, weil wir Gott im Rücken haben und eine Zukunft vor uns, die unendlich herrlicher ist als alles, was wir kennen.
- Talita kum – das sagt Jesus zu uns vor allem, wenn wir die Eucharistie feiern, denn sie ist das Gedächtnis seines Todes und seiner Auferstehung. Steh auf, tritt herzu und iß vom Brot des Lebens. „Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben.“ (Joh 6,51)

165. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Wer läßt sich schon gern etwas sagen? Wer nimmt gern von einem anderen Mahnung, Kritik und Zurechtweisung an? Ja, selbst Belehrung empfindet man oft als Zumutung, vor allem wenn meint, es komme aus Besserwisserei.

Weil wir Menschen so gestrickt sind, daß wir viel lieber Schmeichelreden hören als Tadel, darum gibt es so wenige, die den Mut finden, die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit – damit meine ich nicht irgendwelche belanglosen Dinge, die passiert sind, sondern die wirklich bedeutsamen Zusammenhänge, die immer etwas mit Gut und Böse zu tun haben und mit Irrtum, Verfehlung und Schuld. Der Prophet Jona läuft vor seinem Prophetenauftrag davon, ebenso wehrt sich Ezechiel mit Händen und Füßen gegen seine Berufung zum Propheten, denn er weiß, er soll den „abtrünnigen Söhnen Israels, die sich gegen Gott aufgelehnt haben“ (Ez 2,3) die Wahrheit sagen; er soll seinen Landsleuten, die ein „trotziges Gesicht und ein hartes Herz“ (Ez 2,4) haben, ins Gewissen reden. Aus dem auserwählten Volk ist ein „widerspenstiges Volk“ (Ez 2,5) geworden – ist da nicht die Mühe des Prophetendienstes von vornherein zum Scheitern verurteilt?

So denken wir und beweisen damit ein wiederholtes Mal, wie wenig Edelmut wir besitzen. Wir ziehen es vor, geschmeichelt zu werden, und wir scheuen davor zurück, unangenehme Wahrheiten zu sagen, weil wir den vorhersehbaren Mißerfolg fürchten. Muß ich das überhaupt durch Beispiele belegen? Nur ein einziges Beispiel aus einem aktuellen Film, der nun in der 37. Woche läuft. Der Film heißt „Wie im Himmel“. Darin spielt eine junge Frau, die in einem Kirchenchor mitsingt und eine Affäre mit einem Mann hat, von dem jeder außer ihr weiß, daß er verheiratet ist; aber niemand sagt es der Ahnungslosen. Zwei Jahre reden alle darüber, aber keiner öffnet ihr die Augen. Dazu hätte es gewiß keines besonderen prophetischen Mutes bedurft, sondern der schlichte Anstand hätte es geboten. Was für ein erbärmliches Verhalten! Aber so geschieht es in jedem Dorf wieder und wieder.

Wenn es einen Punkt gibt, an dem für alle sichtbar und unbestreitbar aufstrahlt, wie anziehend und erleichternd unser Glaube ist, dann ist es die unentwegt bezeugte Eigenschaft Gottes, den trotz seiner moralischen Verkommenheit Menschen nicht fallenzulassen, nicht zu resignieren, sondern mit unglaublicher Zuversicht immer wieder neu an seine guten Seiten zu appellieren. Es ist Gottes Edelmut, der für mich so leuchtend herausragt, daß auch ich meinen Kleinmut wieder überwinden kann. Gott gibt nicht auf, obwohl er doch die Schwäche des Menschen nicht nur kennt, sondern immer wieder bitter erfahren hat. Anders als wir Menschen weist Gott nicht Schuld zu, sondern nimmt sie weg, nagelt uns nicht auf unsere Fehler fest, sondern läßt sich in seinem Sohn selbst an das Holz nageln – um uns so von der Schuld zu befreien.

Doch das Schlimmste und Furchtbarste kommt erst noch: Diese Wahrheit über Gott, die doch so befreiend und entlastend, so tröstlich und aufrichtend, so ermutigend und beflügelnd ist, selbst diese Wahrheit kommt nicht an beim Menschen. Er will sie nicht hören. Jesus, der mit seinem ganzen Leben für diese Wahrheit eingestanden ist, er wird abgelehnt. Er, der den Kreislauf der Schmeichelrede und Lüge durchbricht, der aussteigt aus der Selbstbeweihräucherung und Selbstgerechtigkeit seiner Landsleute, er, der in Wort und Tat das Bild von Gott, seinem Vater, wieder zurechtrückt, er bekommt den Unwillen seiner Verwandten zu spüren, sich von ihm belehren zu lassen.

Es heißt nur lapidar: „Und er wunderte sich über ihren Unglauben.“ „Verwunderung“ ist nur ein schwacher Ausdruck für das, was Jesus in seiner Seele empfunden haben wird. Warum wollen sie diese geniale Botschaft nicht hören? Warum machen sie lieber so weiter wie bisher, gefangen in ihren Unvollkommenheiten und abhängig von der willkürlichen Anerkennung ihrer wankelmütigen Mitmenschen, die heute so und morgen so urteilen? Warum lassen sie sich durch die Ausstrahlung Jesu nicht beflügeln, und warum freuen sie sich nicht über die unermeßliche Anerkennung, die er ihnen im Namen Gottes schenkt? – Die Antwort ist: Weil sie das gar nicht für möglich halten. Weil sie Jesus zu kennen meinen, weil sie ihn in eine ihrer engen Schubladen gepackt haben. War er nicht der einfache Zimmermann, dem sie schon mal einen Auftrag gegeben haben? Im Johannesevangelium heißt es, daß die Leute sagen: „Wenn der Messias kommt, weiß niemand, woher er stammt. Aber von dem hier wissen wir, woher er stammt.“ (Joh 7,27) Ja, das ist der Punkt: die Leute glauben, Jesus zu kennen, und darum glauben sie ihm nichts. Darauf antwortet Jesus: „Ihr kennt mich und wißt, woher ich bin? Aber ich bin nicht in meinem eigenen Namen gekommen, sondern er, der mich gesandt hat, bürgt für die Wahrheit. Ihr kennt ihn nur nicht.“ (Joh 7,28)

Liebe Gemeinde! Die Wahrheit finden wir nur, wenn wir bereit sind, unser Schubladen-Denken zu überwinden und von der uns begegnenden Wirklichkeit größer zu denken. Es ist nicht alles so unedel wie unser eigenes Herz! Gott kann da Wunder wirken, wo wir solchen Glauben aufbringen. Ohne Glauben aber bleibt alles beim Alten, und das wäre sehr traurig.

166. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Am letzten Sonntag hörten wir von der Ablehnung Jesu in seiner Heimatstadt Nazareth. Lapidar hieß es da am Schluß: „Und er wunderte sich über ihren Unglauben.“ Die Leute glaubten, Jesus zu kennen, und darum glaubten sie ihm nichts. Die Ablehnung gehört von Anfang an zur Glaubensgeschichte. Auch uns Christen heute macht sie zu schaffen.

Heute erfahren wir, wie Jesus auf die Ablehnung und den Unglauben reagiert hat. Jesus zieht sich nicht zurück und jammert nicht über die Verstocktheit der Seinen. Was er vielmehr tut, ist: er sammelt seine Jünger. Das wird ganz kurz angedeutet mit den Worten: „Jesus rief die Zwölf zu sich...“

So ruft er auch in diesem Augenblick die zu sich, die zu ihm gehören wollen, d.h. uns. Vor der Sendung steht die Sammlung. Wir sind versammelt, um uns zu sammeln und auf das Zentrum des Glaubens zu besinnen. So hat es auch Paulus gemacht, als er im Gefängnis saß und nichts mehr tun konnte als Briefe schreiben. Seinen Brief an die Epheser beginnt er mit einer Besinnung auf Gottes erwählende Liebe: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus...“ – Der tiefste Grund unserer Existenz liegt in der ewigen Erwählung durch Gott, in unserer Berufung, Kinder Gottes sein zu dürfen. Gottes Segen liegt über unserem Leben – was auch immer uns im einzelnen widerfährt. Dieses Bewußtsein ist nötig, damit unser Tun Wirkung und Erfolg haben kann. Ohne die Sammlung beim Herrn sind wir einsam und versprengt, anfällig dafür, von den oberflächlichen Strömungen des Lebens bewußtlos hin und her gerissen zu werden. Das ist der eigentliche Grund, warum die Mitfeier der sonntäglichen Eucharistie so wichtig ist.

Dann kann der zweite Schritt folgen, die Sendung in die Welt und ihre konkreten Aufträge, die sie uns gibt. Wir sind gesandt, die Frohe Botschaft auch im Mund zu führen, von ihr zu sprechen und Zeugnis zu geben. Bemerkenswert ist, daß Jesus seine Jünger zu zweit ausgesandt hat. Kein Apostel sollte allein sein mit seinen Schwierigkeiten. So geschieht es auch meistens, wenn Christen sich heute auf den Weg machen, das Evangelium in die Häuser zu bringen: Ob Caritas, ob Frauengemeinschaft oder sonst eine Gruppe – ihre Abgesandten gehen sehr gerne zu zweit los, um kranke Menschen oder Geburtstagsjubilare zu besuchen. Auch die Zeugen Jehovas halten sich strikt an diese Regel. Nur die Pfarrer werden einzeln losgeschickt. So kommt es zu einem fatalen Individualismus der Amtsträger, manchmal sogar zu Vereinsamung und zu Depressionen.

Gewiß geht es „zu zweit“ nicht immer besser als allein, jedenfalls dann nicht, wenn die zwei sich als Konkurrenten verstehen und eher gegeneinander als miteinander arbeiten, wenn der eine den anderen argwöhnisch beäugt und ihm seinen Erfolg neidet und Mißerfolg gönnt. Dann ist das Alleinsein das geringere Übel. Aber das geringere Übel sollte nicht als das Non plus Ultra verkauft werden! Man sollte nicht so tun, als ob alles wunderbar in Ordnung wäre, und berechtigte Kritik unterdrücken! Viel eher sollte man das Evangelium als Maßstab nehmen und von da aus die Lage beurteilen.

Und im Evangelium lesen wir immer wieder, daß es zuallererst auf die Umkehr ankommt. So auch im heutigen Text: „Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf.“ Es darf nicht bei Schönrederei bleiben. Ohne Umdenken und Umkehren bleiben wir dem Reich Gottes fern.

Nutzen wir die Ferienzeit, um uns in der Gegenwart des Herrn zu sammeln und seinen Umkehrruf in uns einzulassen.

167. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Alfred Delp hat einmal gesagt: „Brot ist wichtig, die Freiheit ist wichtiger, am wichtigsten ist die unge­brochene Treue und die unverratene Anbetung.“ Das sind die Stichwörter meiner heutigen Überlegungen: Brot, Freiheit und Treue.

Brot

Zunächst das Brot. Der Mensch ist auf Nahrung angewiesen. Die alten Römer gaben die Losung aus: „Panem et circenses“, d.h. „Brot und Spiele“. Diese Losung gilt auch heute noch weithin. Das Volk sucht sich die Führer aus, die für sichere Lebensversorgung mit Unterhaltungs­wert einstehen. Dabei bleibt freilich der Gruppenegoismus herrschend; sonst würden die westlichen Regierungen wesentlich mehr für die Entwicklungshilfe tun und hätten längst mehr für die Entschuldung der Länder der Dritten Welt getan. Wie viele Menschen warten darauf, daß wenigstens von dem verteilt wird, was bei uns übrig bleibt. Brot teilen bleibt auch im Neuen Jahrtausend eine zwingende Verpflichtung.

Freiheit

„Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische.“ Das Kind gibt einfach, gutwillig und vertrauensvoll, was es hat. In diesem Geben äußert sich Freiheit. Der Junge hängt nicht an dem, was er hat. Wie anders ist es dagegen oft bei uns, die wir im Überfluß haben und uns doch schwertun mit dem Abgeben. Der Wohlstand hat nicht nur gute Seiten. Er kann auch abhängig machen und das Herz einengen.

Leben ist mehr als Sattsein. „Der Mensch lebt nicht von Brot allein.“ Er hungert nach Liebe, nach Zuwendung, nach Ernstgenommenwerden, Wegweisung und Trost. Um dies zu erfahren, muss ich frei werden von den Dingen, die mich binden, frei werden für höhere Werte. Frei wie der kleine Junge. – Als Jesus aufblickte und vom Kind das Brot entgegennahm, als er dann das Dankgebet sprach und an die Leute aus­teilte, da war dieses Tun ein schöpferischer Akt, der uns ermöglicht, dasselbe zu tun. Unser Leben gewinnt eine neue Qualität, wenn wir frei sind zu geben, wenn wir aus uns herausgehen und uns mit dem anderen austauschen.

Treue und Anbetung

Die Menschenmenge sieht, daß Jesus ihnen Brot und Fisch im Überfluß geben kann, und will sich seiner Wunderkraft versichern, ihn zum König machen. Die Masse folgt zunächst eigennützig, und bald folgt sie gar nicht mehr.

Die Jünger Jesu aber sind bei ihm geblieben, ihm treu geblieben. Und Jesus fragt sie beim Letzten Abendmahl: „Habt ihr an etwas Mangel gelitten?“ – „Sie antworteten: „Nein!“ Ihre Treue und ihr Glaube haben sich ausgezahlt. Treue ist Festigkeit im Entschluß, zu dem zu stehen, der mich angenommen und den ich angenommen habe, sie ist gefordert, wenn die Neigung in eine andere Richtung geht, wenn Widerstände sich auftürmen und Nachteile in Kauf zu nehmen sind, wenn es (scheinbar) „nichts mehr bringt“.

Es gibt Zeiten, da ist es leicht, treu zu sein, z.B. dann, wenn das Leben gesichert erscheint, wenn sich alles im rechten Augenblick wie von selber einstellt. Dann ist es leicht, das Wort Jesu zu befolgen: „Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.“ (Mt 6,33)

Dann aber kommt wieder eine Zeit, wo sich der alte Mensch in uns meldet mit seiner Habsucht und seinem Geiz, wo das Berechnen beginnt und die Angst um das eigene Ich. Dann wird es Zeit, sich an die frühere Zeit zu er­innern, wie ein Kind auf Jesus zu schauen, der weiß, was zu tun ist. Dann ist Vertrauen angesagt, neues liebendes Sich fest machen im Herrn: „Der Herr ist mein Hirte; nichts wird fehlen.“

168. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Die heutige Lesung erzählt von Elija, der in die Wüste geht und sich den Tod wünscht. Er war auf der Flucht vor der Königin Isebel, die Grund zum Zorn gegen ihn hatte und tödliche Rachepläne hegte. Elija hatte nämlich in einem aufsehenerregenden Wettstreit zuerst die Machtlosigkeit der Baalspropheten demonstriert und sie dann anschließend umbringen lassen. Dies geschah im 9. vorchristlichen Jahrhundert unter dem König Ahab. Das Volk, das von Isebel zum Götzendienst verführt worden war, bekehrte sich aufgrund der wundersamen Ereignisse wieder zu Jahwe, dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, aber anscheinend war dieser Gesinnungswandel nicht von langer Dauer. Elija ist jedenfalls ganz auf sich allein gestellt und verliert schließlich in der Wüste all seinen Lebensmut. Der so glaubensstarke und mutige Künder des Wortes Gottes muß erfahren, was immer wieder denen widerfährt, die sich von Gott senden lassen: Erfolglosigkeit, Einsamkeit, Verfolgung, Selbstzweifel, Trostlosigkeit, Angst. Vielleicht macht gerade diese Seelenlage ihn uns so sympathisch, ihn, der sonst so streng erscheint, so leidenschaftlich um die Sache Gottes besorgt und so siegesgewiß, daß man beinahe schon Angst bekommt. Nein, Elija muß alle Höhen und Tiefen des Lebens durchschreiten, sein Glaube ist genauso angefochten wie der unsrige, denn er ist ein schwacher, zerbrechlicher Mensch wie wir alle. Aber zugleich ist er ein echtes Vorbild für uns und ein Beispiel dafür, daß Gott seine Getreuen nie verläßt. Gewiß – Elija braucht eine ganze Zeit, um zu begreifen, daß die einfachen Gaben von Brot und Wasser Engelsgaben sind, von Gott geschenkt zu seinem Trost, aber dann macht er sich auch wieder auf, um Gottes Nähe neu zu suchen. Halten wir einen Moment inne und beziehen diese Szene auf uns: Kennen wir nicht auch die Erfahrung der Wüste, der Einsamkeit, der überhand nehmenden Probleme? Lassen wir uns dann von den niederdrückenden Gefühlen ersticken – oder öffnen wir die Augen für die vielen kleinen Zeichen der Hilfe Gottes, Dinge vielleicht, die uns selbstverständlich geworden sind, obwohl sie es nie sind; oder Menschen, die uns wie Engel begegnen, die uns ein verstehendes, helfendes Wort sagen? Wie lange brauchen wir dann, um aus der Tatenlosigkeit zu erwachen und neuen Mut zu schöpfen? – Vielleicht erwarten wir ja eine andere Art der Antwort von Gott, als er sie zu geben bereit ist, ein umwerfendes Eingreifen Gottes so ganz nach unserem Geschmack, nach der Weise, wie Menschen denken. Und dann lassen wir die Hände sinken und machen Gott Vorwürfe, anstatt uns auf die neue Suche nach ihm und seiner Weisung zu begeben. Die Lesung ist als Hintergrund für die Rede Jesu über das eucharistische Brot ausgewählt worden. Sie soll also erklären, was Jesus eigentlich meint, wenn er sagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.“ Wir sollen begreifen, daß die heilige Speise, die uns in der Messe gereicht wird, für unseren Lebensweg so nötig ist wie die Engelsspeise, die Elija neuen Lebensmut gegeben und mit der er sich für den Weg zum Gottesberg Horeb gestärkt hat. Der Mensch lebt nicht von Brot allein, nicht nur von den materiellen Gütern dieser Erde, denen doch die Vergänglichkeit anhaftet. Wir leben letztlich aus Quellen, zu denen wir selbst keinen Zugang haben. Ob sie sich öffnen oder schließen, hängt nicht von unserem Geldbeutel ab. Jesus ist diese Quelle in Person, denn er ist nicht nur ein Bote Gottes, sondern der Sohn Gottes, der „im Schoße des Vaters ruht“ und somit selber Quell des Lebens ist. Die Eucharistie öffnet uns die Quellen des Lebens. „Wer glaubt, hat das ewige Leben. … Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben.“ (Joh 6,47. 51) Essen des Brotes – Kommunizieren – ist dabei ein ganzmenschlicher Vorgang, nicht einfach nur ein mechanisches in-den-Mund-Nehmen und Runterschlucken. Wer ohne Glauben und ohne Liebe die Kommunion empfängt, kommuniziert gar nicht, denn er öffnet sich nicht für die Gemeinschaft mit Gott und den anderen Kommunikanten. Jesus drückt das so aus: „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts.“ (Joh 6,63) Nur ein Kommunizieren im Heiligen Geist hat lebensspendende Wirkung. Ich sehe es immer wieder an den Gesichtern der Menschen, die zur Kommunion gehen: sie leuchten und strahlen. Sie bringen Licht in ihre Umwelt, sie sind wie Engel für die Entmutigten und Erschöpften, sie tragen dazu bei, daß wir alle den langen Weg zum Gottesberg schaffen. – Seien auch Sie so ein Engel!

169. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

„Wollt auch ihr weggehen?“ – Diese Frage Jesu richtet sich heute an uns – über den Zeitenabstand von 2000 Jahren hinweg, jetzt! „Wollt auch ihr weggehen?“ So viele sind schon gegangen, sind protestierend ausgezogen aus der Kirche, die meisten aber schweigend einfach ferngeblieben, weggeblieben, zu Hause geblieben, nicht mehr wiedergekommen – so wie damals schon zu Jesu Zeiten und wie es immer wieder geschah in der langen Geschichte der Kirche. Jeder so mit seinen Gründen, immer andere: weil es zu hart zugeht in der Kirche, weil die Worte Jesu zu hart klingen, weil die Worte des Papstes zu hart klingen, weil das Verhalten der Geistlichen zuweilen anstößig erscheint, weil das Verhalten der Christen insgesamt zu wünschen übrig läßt, weil es einfach nicht mehr die Mühe zu lohnen scheint, weil es auch ohne Gott ganz gut zu gehen scheint... „Wollt auch ihr weggehen?“ Hören wir diese flehende Frage Jesu noch? Ist es uns egal, was mit der Kirche geschieht? Mit den vielen Kindern hier in Südkirchen, die den Sonntagsgottesdienst nicht mehr kennen, obwohl sie eine lange Kommunionvorbereitung mitgemacht haben? Mit ihren Eltern, die eine gute christliche Praxis aufgegeben haben, die sie als Kinder noch eingeübt hatten? Spüren wir noch den Wunsch in uns, sie zurückzuholen? – Doch dazu müssen wir uns selbst in der Kirche wohlfühlen, dürfen nicht die anderen beneiden, die sich von den Christenpflichten befreit haben. Wir müssen uns vor Augen führen, was wir verlieren würden, wenn auch wir einfach weggingen. – Dazu hilft uns das Wort des Petrus, die Antwort auf die Frage Jesu. Als unbedeutender Fischer hatte er in aller Klarheit erkannt, daß es keinen anderen Weg gibt, außer Jesus zu folgen. Wohin sollen wir denn sonst gehen? Wohin? Es gibt doch keinen anderen, der Worte ewigen Lebens schenkt. Es gibt zwar viele kluge Leute, viele Meinungen, viele Ideologien und Weltverbesserungsvorschläge, aber sie alle bauen nur auf den eigenen kläglichen, mit Finsternis umhüllten Verstand. Königreiche erstehen und fallen, Ideologien werden geboren und stürzen wieder zusammen, das alles ist Menschenwerk – aber Gottes Wort bleibt auf ewig bestehen. So gesehen, gibt es nichts Vernünftigeres, als zu glauben und treu zu bleiben. Wer glaubt, der baut auf den festesten Grund, der in Ewigkeit nicht wanken wird. Und dennoch ist Glauben schwer, weil wir eben so oft nichts davon spüren, weil unser Verstand nicht nachkommt, weil so oft keine Hochstimmung da ist, und auch weil viele unserer Bekannten weggegangen sind. Sollten wir es ihnen gleichtun und den Glauben wegwerfen? Nur wohin könnten wir dann gehen? Uns bleibt letztlich doch nur die Antwort des Petrus: „Nein, wir bleiben bei dir, denn du allein hast Worte ewigen Lebens.“ Wenn wir davon zutiefst überzeugt sind, dann können wir es auch den anderen glaubhaft machen, die weggegangen sind oder die noch gar nicht richtig angekommen sind. Es ist ja vielfach einfach Unwissenheit, religiöse Unwissenheit, die Menschen von den Quellen des ewigen Lebens fernhält. Nur wenige Christen sind über einen Kinderglauben hinausgekommen, und die heutigen Kinder wissen noch weniger. Wie können sie da Jesus als ihren Freund erkennen, für den es sich lohnt zu leben und sogar zu sterben? Und es gibt ja auch nicht sehr viele Vorbilder, an die man sich halten kann, Menschen, die die Freundschaft mit Jesus authentisch vorleben. In einer immer stärker säkularisierten Gesellschaft fehlt es an Einübungsfeldern für den Glauben, an Orten des Glaubens. Immer seltener ist die Familie ein solcher Ort des Glaubens. Wo früher gebetet oder über den Glauben gesprochen wurde, da läuft heute der Fernseher. Bei jedem Tauf- und Brautgespräch rede ich über die Notwendigkeit, dem Glauben eine feste Gestalt im Familienleben zu geben, feste Gewohnheiten im Laufe des Tages auszubilden, die dem religiösen Leben Ausdruck verleihen, v.a. das Tischgebet. Und ich stelle immer wieder fest, daß die jungen Leute interessiert und wohlwollend zuhören. Aber wenn ich der einzige bleibe, der darauf hinweist, dann wird dabei wohl nichts herauskommen. Eine einzelne Stimme ist zu schwach im großen Konzert der Meinungen. Darum bitte ich Sie dringend: Erheben auch Sie Ihre Stimme! Geben Sie Zeugnis von Ihrem Glauben und davon, wie Sie ihn gelernt haben! Oder wollen auch Sie weggehen?

170. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Viele Menschen arbeiten viel an ihrem äußeren Erscheinungsbild und geben auch eine Menge Geld dafür aus. Denn sie wollen sich überall „sehen lassen können“. „In diesem Kleid, mit diesem Anzug oder mit dieser Frisur kannst du dich doch nicht blicken lassen!“ hören Ehefrauen genauso wie Ehemänner.
Nicht nur die äußere Etikette muß eingehalten werden, auch für unser charakterliches Erscheinungsbild gelten oft äußerliche Regeln. Meistens ist es am besten, „sich bedeckt zu halten“, sich keine Blößen zu geben. Sogar unsere Toten werden geschminkt und hergerichtet, damit sie ansehnlich werden. Man hat in unserer Welt halt kein Ansehen, wenn der Mensch sich zeigt, wie er ist oder wenn er sich eine Blöße gibt.

Warum soviel Aufwand, um „sich blicken lassen zu können“? Warum soviel Empörung, wenn die Etikette mal nicht eingehalten wird? Es hängt wohl mit der menschlichen Ursehnsucht nach Vollkommenheit zusammen, mit der Meinung, man müsse alles perfekt machen. Weil das aber in der Wirklichkeit wohl nie erreicht wird, werden die größten Anstrengungen unternommen, um die Unvollkommenheiten äußerlich zu verdecken. Es fängt an mit der Schminke, die die Haut glätten und makellos machen soll, es geht weiter mit den Regeln der Höflichkeit und des Anstands, und es hört auf bei all den kleinen und großen Lebenslügen, die so Vieles glätten und verdecken müssen, damit man nach außen makellos dasteht.

Schrammen, Narben, Wunden und Verletzungen des Lebens müssen überdeckt werden. Krankheit, Entstellung, Leiden und Kreuz passen nicht in unser Menschheitskonzept. Wenn wir die Frage stellen: „Wie geht es dir?“ erwarten wir stets die Antwort: „Danke, gut!“ Eine gegenteilige Auskunft bringt uns leicht aus der Fassung. Und doch zeigt ein Blick hinter die Wohnungstüren, daß fast überall ein Leiden, eine Krankheit oder ein seelischer Kummer verborgen ist.

Die Christen verehren einen Gott, der sich nicht gescheut hat, die ganze Schwäche des Menschen anzunehmen. „Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht. Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt“. So sieht es der Prophet Jesaja (53,3f) schon 750 Jahre vor der Kreuzigung Jesu. „Für die Juden das größte Ärgernis, für die Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ (1 Kor 1,23f)

Schon zu Lebzeiten stellte sich Jesus gegen den unehrlichen Vollkommenheitswahn. Seine Verkündigung geht immer wieder darauf hinaus, daß wir uns vor Gott blicken lassen können, so wie wir sind, ohne unsere Schwächen verstecken zu müssen. Jesus will vom Zwang des Perfektionismus befreien. In Israel hatte sich im Laufe der Jahrhunderte eine Menge religiöser Vorschriften angesammelt. Sie mußten erfüllt werden, um sich vor Gott sehen lassen zu können. Hier tritt Jesus mit einer bewundernswerten Freiheit auf. Er rückt zurecht, was im Namen seines Gottes zurechtgerückt werden muß. Dreierlei hält er den Pharisäern und Schriftgelehrten entgegen, die sich empören, als sie merken, daß die Jünger Jesu sich nicht an die Reinheitsvorschriften halten:

1. Menschliche Satzungen, sagt er, seien ihnen wichtiger als der Wille Gottes. Statt nach dem Willen Gottes zu fragen, haben sie ein kompliziertes System von Vorschriften ausgeklügelt, das kaum jemand einhalten konnte. Damit versperren sie vielen Menschen den Zugang zu Gott, der im übrigen viel großzügiger ist, als die Menschen denken, wenn sie immer so aufs Äußerliche bedacht sind. Der große heilige Gott gerät nicht in peinliche Verlegenheit, wenn der Mensch so kommt, wie er ist: zerschunden, geplagt, voller Schmutz oder sogar mit vielen Blößen, die er sich gegeben hat, mit Schuld, die er auf sich geladen hat. Selbst eine begangene Sünde raubt uns nicht das Ansehen vor Gott, wenn diese im Herzen ehrlich bereut worden ist.

2. Der zweite Vorwurf geht tiefer: Die äußere Einhaltung einer Vorschrift macht innerlich noch lange nicht rein. Nicht das Äußere ist vor Gott entscheidend, sondern allein das Herz. Hier, im eigenen Herzen entscheidet sich, ob jemand rein ist oder nicht. Und da es Gott allein ist, der in das Herz der Menschen schauen kann, kann es sein, daß so mancher, der nach außen unbescholten und makellos erscheint, vor Gott geringer dasteht als einer, dessen Verirrung öffentlich bekannt ist, der aber sich innerlich schon lange davon abgewendet hat.

3. Und das Dritte, das Jesus seinen Gegnern klarmacht: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein.“ – „Von innen, aus dem Herzen der Menschen kommen die bösen Gedanken.“ (Mk 7,15.21) – Das könnte man Innenweltverschutzung nennen. Jede Tat des Menschen hat ihren Ursprung im Innern, im Herzen. Im Talmud heißt es: „Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen."

Wenn das Herz allein entscheidend ist, dann sollten wir mehr auf unser eigenes Innere achten als auf unser äußeres Erscheinungsbild. Der Glaube ist die stärkste Kraft, die unser Inneres verändert, die in uns positive Kräfte freisetzt und die negativen Gedanken bekämpft. Kultivieren wir deshalb unseren Glauben durch Gebet und Gottesdienst.

Und zum anderen: Enthalten wir uns eines Urteils über den Wert oder Unwert unserer Mitmenschen. Das ist allein Gottes Sache!

171. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Das Motto unseres Pfarrfestes „Gemeinsam statt einsam“ richtet unsere Aufmerksamkeit auf die Gemeinschaft. „Gemeinschaft“, lateinisch Communio, ist eines der Hauptworte unseres Glaubens. Zugleich ist die Gemeinschaft aber auch ein Wert von allgemeinmenschlichem Rang, sie wird von jedermann geschätzt und anerkannt, aber nicht unbedingt gelebt. Im Gegenteil: Noch nie haben so viele Menschen unter Einsamkeit gelitten wie zu unsrer Zeit. Das hat viele Gründe, ich zähle nur einige auf: Zunächst ist es der Wohlstrand, der möglich macht, daß Menschen aus einer gemeinschaftlichen Wohnung ausziehen und als Single leben. Dazu kommt der allseits beklagte Geburtenrückgang: Wir haben nicht mehr so viele Kinder, und entsprechend kleiner sind die Familien geworden. Dazu kommt die von vielen abverlangte Mobilität: Wie oft müssen Menschen aus beruflichen Gründen umziehen und ihre angestammten Wurzeln verlassen. Wie schwierig ist dann jedesmal, neue Kontakte zu knüpfen. Ferner gibt es heute viele Möglichkeiten, die freie Zeit allein zu verbringen: vor dem Fernseher oder dem Computer, inzwischen sogar in Fitneßstudios. Nicht zuletzt halten die traditionellen Bindungen nicht mehr so fest: die Nachbarschaften, Vereine oder die Kirchengemeinde. Die Bindungen werden lockerer oder zerbrechen ganz. Hieran haben oft auch verfehlte Einstellungen der Menschen schuld: Ein wachsender Egoismus, die Angst sich zu binden aufgrund übertriebener Liebe zur Freiheit und ein Lust-und-Laune-Denken. Wir sehen: die Einsamkeit hat vielfältige Wurzeln. Keineswegs haben die Einsamen immer selbst schuld an ihrer Einsamkeit. Aber ebensowenig dürfen sie die Schuld grundsätzlich bei den anderen suchen. Aber das ist heute nicht mein Thema. Vielmehr möchte ich heute zwei Dinge besonders ansprechen: den Wert der Gemeinschaft und den Schlüssel zum Aufbau guter Gemeinschaft. Vom ersten Punkt handelt die Geschichte, vom zweiten das heutige Evangelium. VOM WERT DER GEMEINSCHAFT Die afrikanische Geschichte erzählt von fünf Vögeln, denen Gott eine schöne Stimme geschenkt hat, die einzeln, für sich aber zu schwach klingen. Erst im Verein klingen sie schön und erfreuen den Bauern. Das ist ein schönes Beispiel für die vielen Dinge des Lebens, die man nur gemeinsam tun kann. (Kinder suchen Beispiele: Mannschaftsspiele, sich freuen, sprechen, ein Fest feiern…) Unser ganzes Leben beruht auf Arbeitsteilung. Jeder ist auf viele andere Menschen angewiesen und steckt in einem Netz von Abhängigkeiten, ohne welches er gar nicht überleben könnte. Daß wir z.B. hier in der Kirche diese Lautsprecheranlage haben, ist das Werk von vielen Spezialisten. Ich habe das Mikrophon nicht gebaut. Und so geht es weiter mit den anderen Gegenständen hier und mit dem Gebäude insgesamt, das nur von vielen Händen gebaut werden konnte. An dieser Tatsache kann man vorbeisehen und denken, daß man doch ganz gut ohne andere leben kann. Aber das ist eine Illusion, die nur aufgrund des Geldes möglich ist. Wir brauchen nur Geld – könnte man meinen, dann haben wir andere Menschen nicht nötig. Aber das ist eine Illusion. Zum zweiten gibt es noch eine Reihe von Dingen, die man zwar alleine tun kann, die aber nur mit anderen zusammen richtig Spaß machen. (Kinder suchen Beispiele: Essen, ins Kino gehen, arbeiten, Sport treiben, singen…) Herr Schlüter putzt die Kirche auch nicht allein, sondern macht es zusammen mit seiner Frau. Und ich möchte Sie einmal fragen: Beten Sie eigentlich lieber alleine oder lieber gemeinsam mit anderen? (Die meisten Leute geben durch Handzeichen bekannt, daß sie lieber in der Kirche beten.) Auch glauben, hoffen und lieben geht mit anderen zusammen viel besser als allein. Die Frucht guter Gemeinschaft ist vollendete Harmonie. DER SCHLÜSSEL ZUM AUFBAU GUTER GEMEINSCHAFT Aber das ist nicht immer so. Es gibt auch Gemeinschaft, die anödet, nervt, einengt, fesselt und erstickt. Dann möchte man ausbrechen. Ein Sprichwort bringt es auf den Punkt: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Es gibt also Hindernisse guter Gemeinschaft, und damit hat auch Jesus zu tun, der seine Jünger gerne zu einer guten Gemeinschaft aufbauen will. Er merkt, daß dies gar nicht so einfach ist. Im heutigen Evangelium hören wir, wie die Jünger sich streiten. Worüber? Sie wollen alle der Größte sein. Wer ist der Wichtigste, der Schönste, der Bester, der Klügste? Wer kann sich am meisten leisten, hat die schönsten Schuhe an, wer glänzt am meisten in der Schule, wer singt am besten usw. Diese Frage stammt aus einem tief sitzenden Geltungsdrang, aus Eitelkeit und Ehrsucht, und sie führt zu Neid, Mißgunst, Eifersucht und Mobbing. Im anderen nicht den Bruder / die Schwester sehen, sondern den Konkurrenten – das ist die eigentliche Wurzel für die schlechte Stimmung unter den Jüngern, das macht die Gemeinschaft schwer erträglich. Wenn man dies erfährt, möchte man ausbrechen aus der Gemeinschaft. Was empfiehlt Jesus also zu tun? Welchen Schlüssel hat er anzubieten? Er sagt: „Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste, und der Führende soll werden wie der Dienende.“ (Lk 22,26) D.h. Gemeinschaft lebt von der Liebe, die bereit ist zu dienen. Er fragt: „Welcher von beiden ist größer: wer bei Tisch sitzt oder wer bedient? Natürlich der, der bei Tisch sitzt.“ (Lk 22,28) Das kennen wir alle: Da sitzen die Leute am Tisch und lassen die anderen springen; sie haben ja das Geld, sie können sich bedienen lassen. Und dann wird noch gemeckert, weil es nicht schnell genug geht. Aber Jesus mahnt: Der Größere soll seine Größe dadurch zeigen, daß er sich klein macht und bedient, wie Jesus es selbst vorlebt hat: „Ich aber bin unter euch wie der, der bedient.“ Was würde heute wohl passieren, wenn keiner mit anpacken und mithelfen würde? Es gäbe nichts zu essen und zu trinken, keine Musik, nichts. Die Gemeinschaft braucht Menschen, die nicht fragen: „Was habe ich davon? Was bekomme ich dafür“, Menschen, die nicht sagen: „Sollen doch die anderen machen. Wieso ich?!“ Vielmehr müßten wir fragen: „Wieso ich nicht? Wieso eigentlich nicht ich?“ Warum sollte ich z.B. nicht die leeren Gläser oder das dreckige Geschirr zurückbringen? Natürlich darf das Dienen keine Einbahnstraße sein, vielmehr sollte es ein wechselseitiges Geben und Nehmen sein. Sein Leben als Dienst verstehen, seine Gaben als Aufgaben, seine Talente einsetzen für die Gemeinschaft. So ergänzt sich alles zu wunderbarer Harmonie. Das ist der Schlüssel zum Aufbau guter Gemeinschaft: die Bereitschaft zum Dienen. So können wir heute gemeinsam unser Pfarrfest feiern. Der Grund für unsere Gemeinschaft ist schon gelegt: Jesus Christus. In der Eucharistie führt er uns in die Kommunion mit ihm und untereinander.

172. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

In Indien wurde einmal ein Mädchen, das seinen kleinen Bruder bergauf trug, gefragt: „Wird dir die Last nicht zu schwer?“ – „Das ist keine Last“, antwortete das Mädchen, „das ist mein Bruder“. In diesen kurzen Worten kommt sehr schön zum Ausdruck, was Nächstenliebe ist. Sie ist keine Kraftanstrengung, die auch noch zu leisten ist und gerade noch geschultert werden kann. Nächstenliebe ist nicht zuerst eine Tat, sondern eine Einstellung, eine innere Haltung, die dem Tun vorausgeht und ihm die Seele gibt.

Wir werden daran erinnert, daß die Liebe zum Nächsten aufs engste mit der Liebe zu Gott zusammenhängt. Der Jakobusbrief spricht dies unmißverständlich aus: „Meine Brüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten?“ (Jak 2,14) Glaube ohne Werke ist toter Glaube (Jak 2,17), im Grunde bloß geheuchelt, denn der Glaube „kommt in der Liebe zur Wirksamkeit“ (Gal 5,6). Und wo es an dieser Frucht fehlt, da ist auch das ganze Gewächs nichts wert.

Der Papst macht in seiner Enzyklika sehr eindringlich auf die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe aufmerksam. Er geht aus von der Frage: „Können wir Gott überhaupt lieben, den wir doch nicht sehen?“ (DCE n. 16) Dazu zitiert er aus dem 1. Johannesbrief: „Wenn jemand sagt: ‚Ich liebe Gott’', aber seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht“. (1 Joh 4, 20) Er erklärt dazu, „daß die Nächstenliebe ein Weg ist, auch Gott zu begegnen, und daß die Abwendung vom Nächsten auch für Gott blind macht.“ In dem Beispiel von eben: Das Mädchen, das seinen Bruder aus Liebe trägt, begegnet in ihrem Tun dem lebendigen Gott, der die Liebe selbst ist. Es lernt die Gottesliebe in der konkreten Liebe zum Nächsten, zum Bruder.

Und umgekehrt: der Bruder spürt in der Liebe seiner Schwester die Liebe Gottes. Gott geht – wie der Papst sagt – „durch Menschen“ immer neu „auf uns zu“; er geht also in dem Mädchen auf den kleinen Jungen zu und trägt ihn, indem das Mädchen ihn trägt.

Das Mädchen empfindet seinen Bruder nicht als Last. Das Tragen ist keine Zumutung, nichts äußerlich Auferlegtes, vielmehr eine Tat, die aus dem Innern seines Herzens herauskommt. So ist das Ideal der Liebe: daß die Pflichten leicht werden, keine äußerlichen Gebote mehr sind, daß der Wille desjenigen, den ich liebe, mit meinem Willen eins wird, so daß ich gern tue, was der andere von mir erwartet bzw. wozu mich meine Verantwortung aufruft. Genauso ist aber auch das Ideal der Gottesliebe: daß – so schreibt der Papst: „der Wille Gottes nicht mehr ein Fremdwille ist für mich, den mir Gebote von außen auferlegen, sondern mein eigener Wille aus der Erfahrung heraus, daß in der Tat Gott mir innerlicher ist als ich mir selbst. Dann wächst Hingabe an Gott. Dann wird Gott mein Glück.“ (DCE n. 17)

Es gibt somit einen Weg von der Nächstenliebe zur Gottesliebe, aber es gibt ebenso einen Weg von der Gottesliebe zur Nächstenliebe – beide stehen in einer „notwendigen Wechselwirkung“. Ich zitiere: „Wenn die Berührung mit Gott in meinem Leben ganz fehlt, dann kann ich im anderen immer nur den anderen sehen und kann das göttliche Bild in ihm nicht erkennen.“ (DCE n. 18) Denn Nächstenliebe heißt ja, dem anderen „den Blick der Liebe“ geben, und das ist so gut wie unmöglich bei Mitmenschen, die ich kaum kenne oder die mir wenig sympathisch sind. Dann muß ich „von Gott her lieben“, „aus der Perspektive Jesu Christi heraus“, der jeden Menschen als Freund annimmt. Dann kann auch der Fremde wie ein Bruder, wie eine Schwester, wie ein Freund werden, denn „sein Freund ist mein Freund.“ Oder wie Jesus einmal gesagt hat: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40)

Und wieder umgekehrt – ich zitiere wieder: „Wenn ich aber die Zuwendung zum Nächsten aus meinem Leben ganz weglasse und nur ‚fromm’ sein möchte, nur meine ‚religiösen Pflichten’ tun, dann verdorrt auch die Gottesbeziehung. Dann ist sie nur noch ‚korrekt’, aber ohne Liebe. Nur meine Bereitschaft, auf den Nächsten zuzugehen, ihm Liebe zu erweisen, macht mich auch fühlsam Gott gegenüber. Nur der Dienst am Nächsten öffnet mir die Augen dafür, was Gott für mich tut und wie er mich liebt. … Liebe wächst durch Liebe.“

Mit diesen Gedanken beschließt der Papst den ersten Teil seiner Enzyklika, um im zweiten Teil auf das Liebestun der Kirche, die Caritas, einzugehen. Hierauf komme ich vielleicht später noch einmal zurück. Aber mir scheint heute ein aktueller Hinweis angebracht: Der Papst hat in einer Vorlesung in Regensburg in Glaubenssachen Frieden und Gewaltlosigkeit angemahnt und einen mittelalterlichen Kaiser zitiert, der die Frage gestellt hat, welchen Beitrag der Islam dazu gegeben hat und heute gibt. Dem Kaiser Manuel ging es in seinem damaligen Dialog mit einem persischen Muslimen um die christliche Einsicht, daß Gewalt im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele steht. Diese Einsicht, die sich aus dem Doppelgebot der Liebe ergibt, vermißt er bei Mohammed. Dieser dachte und handelte aus der Vorstellung, daß Gott sich mit seiner Allmacht durchsetzt und daß folglich derjenige, der Gott auf seiner Seite weiß, auch Gewalt anwenden darf, um der Wahrheit Raum zu geben. Jesus jedoch hat dieser Denkungsart widersprochen und Gott als einen Gott der Liebe gepredigt. Der Papst zitiert den Kaiser: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“ Diese Kritik am Djihad, am Heiligen Krieg, also an der Durchsetzung religiöser Überzeugungen mit Gewalt und Terror, war damals berechtigt und ist auch heute nicht weniger legitim. Es ist eine Tatsache, daß der Koran den Heiligen Krieg empfiehlt und daß Mohammed selbst aus diesem Geist heraus Gewalt ausgeübt hat. Hierauf hinzuweisen, ist keine Beleidigung Mohammeds und der Muslime – wie es z.B. die Karikaturen gewesen sind, vielmehr ein Appell an den guten Willen aller Menschen, sich nachdrücklich von Terror und Gewalt zu distanzieren. Gerade die verbrecherischen Terroranschläge der letzten fünf Jahre beweisen die Notwendigkeit, daß insbesondere die führenden Religionsvertreter Gewalt im Namen Gottes ächten. Dies zeigen um so mehr die gewaltsamen Reaktionen, die aus dem von Papst Benedikt beklagten Ungeist stammen und von Menschen geschürt werden, die Freude an Chaos, Krieg und Gewalt haben. Wir dürfen uns von diesen verbrecherischen Freunden des modernen Djihad nicht einschüchtern lassen, dürfen nicht tolerieren, daß der Papst als der Bote des Friedens und der Liebe von Predigern des Hasses zum Schweigen gebracht wird.

173. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Schon am letzten Sonntag haben wir eine Leidensweissagung Jesu gehört; heute hörten wir die zweite, und es folgt noch eine dritte, die uns in einigen Sonntagen vorgelesen wird. Welch eine Tragik! Der Menschensohn, der in diese Welt gekommen ist, um alle Menschen „von ihren Krankheiten und Leiden zu heilen“ (Mt 9,35), wird den Menschen ausgeliefert und von ihnen zu Tode gebracht. Ich erinnere mich, wie ich als Kind gefragt habe, was das für böse Menschen gewesen sind, die Jesus so grausam gequält und getötet haben. Und meine Mutter antwortete: Das waren nicht nur einige wenige, das waren alle Menschen – auch die heute Leben den. – Natürlich habe ich das nicht wirklich verstanden, aber ich habe es mir gemerkt. Die Frage, das mich damals beschäftigt hat und die immer wieder aufsteigt, ist die, wa rum sich der Zorn der Ungerechten ausgerechnet gegen den Unschuldigen richtet, ge gen den, der nichts Böses, sondern nur Gutes getan hat. Die heutige Lesung läßt uns ein wenig verstehen, worin das Motiv liegt: Der Gerechte ist dem Ungerechten ein „lebendiger Vorwurf, … denn er führt ein Leben, das dem der andern nicht gleicht, und seine Wege sind grundverschieden.“ (Weish 2,14-15) Die Lebensweise des Gerechten ent larvt das Unrecht der Bösen, die ihr falsches Tun gern unter dem Mantel der Gerech tigkeit zu verbergen trachten. Dies gilt im kleinen wie im großen Stil. Denn keiner möchte als schlecht angesehen werden, und jeder reagiert allergisch auf Tadel an seiner Lebensführung. Nun könnte man einwenden: Gut, angenommen, das ist wirklich so. Aber damit ist noch nicht die Gewalttätigkeit erklärt, die sich gegen den Gerechten entlädt. Warum greifen die Ungerechten zu derart grausamen Mitteln, um ihren vermeintlichen An kläger zum Schweigen zu bringen? – Dazu ist zu sagen, daß es zur Gewalttätigkeit si cher nur unter bestimmten Umständen kommt, z.B. wenn sich ein Haufen von Menschen zusammengerottet hat, die durch eine besondere Wut enthemmt sind. Das kann freilich sehr schnell passieren, wenn überhaupt eine Feindschaft empfunden wird und die Bereitschaft da ist, dem lästigen Feind zu „zeigen, was eine Harke ist“. Die Men schenkenner aller Zeiten haben gewußt, daß in jedem Menschen ein gewisses Gewalt potential vorhanden ist und daß fast alle mit dem Strudel der Gewalttätigkeit mitgeris sen werden, wenn sie in seine Nähe geraten. Darum wäre es töricht, zu denken: „Ich bin doch so friedliebend, mir kann so etwas nicht passieren. Ich könnte nicht einmal einer Fliege was zuleide tun.“ – Nein, ich fürchte, unter Umständen ist jeder von uns zu den schlimmsten Entgleisungen fähig. Darum kommt es entscheidend darauf an, daß wir aus unserem Herzen alle Feind schaft verbannen. Denn sie ist der Ansatzpunkt für jede Art von Aggression gegen den anderen. Wer im eigenen Herzen Feindschaft zuläßt, der gehört bereits zu den Un gerechten im Sinne des Buches der Weisheit und damit zu denen, die potentiell den Unschuldigen und Wehrlosen unterdrücken. Jesus hat den Zorn der Ungerechten auf sich geladen, und er wußte, daß der Tag kommt, an dem sich dieser Zorn in Form von höchster Gewalt entladen würde. Dar über hat er mit seinen Jüngern gesprochen, aber sie verstanden ihn nicht, ja, wollten ihn nicht verstehen. Sie wollten lieber „Friede, Freude, Eierkuchen“ mit Jesus, wollten mit Kompromissen leben – so wie wir alle –, wollten vor allem ihre menschlichen Ei telkeiten pflegen, indem sie permanent darüber nachdachten und stritten, wer von ih nen der Größte sei. – Wir müssen da ganz still sein, denn auch wir ergehen uns oft und oft in solchen kleingeistigen Vergleichen und finden da auch nichts weiter dran auszu setzen. Aber die Frage Jesu macht die Jünger doch betroffen: „Worüber habt ihr unterwegs ge sprochen?“ Jesus setzt sich, um ihnen etwas mitzuteilen, was höchst wichtig ist für ihre Jüngerschaft: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ (Mk 9,35) Vor zwei Wochen habe ich schon näher ausgeführt, daß es die dienende Lie be ist, die Jesus seinen Jüngern und damit uns allen hier einschärft. Sie muß das Mar kenzeichen der Kirche sein. Um diese Lehre zu unterstreichen, stellt Jesus ein Kind in die Mitte und nimmt es in die Arme. Kaum ein Mensch kann sich dieser Symbolik verschließen, denn ein kleines Kind erweckt in uns den Impuls, es zu beschützen und zu umsorgen. Jesus sagt: Jeder Mensch soll in uns diesen Impuls erwecken, wir sollen jeden Menschen annehmen, respektieren und in unsere Fürsorge aufnehmen. Das wäre das Gegenteil von der Feindschaft, die leider unsere Welt bestimmt und das Leben so unerträglich macht. Wir können und dürfen nicht warten, bis andere damit anfangen, diese Lehre Jesu um zusetzen. Es haben im übrigen schon viele damit angefangen, aber wir haben es noch gar nicht wahrgenommen, weil wir zu sehr mit uns selbst beschäftigt waren, mit unse rer Eitelkeit, und weil wir dem anderen so gern Böses unterstellen, wodurch doch nur unser eigenes böses Denken zum Ausdruck kommt. Wir müssen selbst anfangen, unser Herz von Aversionen zu befreien und es mit Liebe anzufüllen.

174. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Das Erntedankfest gehört zu den ältesten Festen der Menschheit. Wenn die Ernte des Jahres eingebracht ist, dann hat man es verdient, auszuruhen und zu feiern. Darum versammeln wir uns heute um den Altar, um den Geber aller Gaben zu preisen. Wir tun dies in der Feier der Eucharistie, der höchsten Form der Danksagung. In der Lesung ist der Apostel Jakobus zu Wort gekommen. Er redet den Reichen ins Gewis-sen und prophezeit ihnen die große Katastrophe. Sie haben gespart und gegeizt, aber das aufgehäufte Vermögen wird nichts mehr wert sein. Eine Inflation wird all ihr Gold und Sil-ber entwerten. Die schöns¬ten Modellkleider und die teuersten Maßanzüge werden in den Schrän¬ken verstauben und ein Fraß der Motten, weil es keine Gelegenheit mehr gibt, sie zu tragen. So etwas kann auch uns passieren. Weltweit gibt es zahlreiche Beispiele für den Absturz rei-cher Leute und ganzer Gesellschaften ins Elend. Es gibt keine Garantie für weiteres Wachs-tum. Habgier und Geiz sind kein geeignetes Mittel, sein Leben auf Dauer zu erhalten – das macht das heutige Gleichnis ganz unmißverständlich klar. Jakobus redet den Reichen ins Gewissen. Wer sind diese Reichen heute? Auf wen trifft die Charakterisierung zu: Andere um ihren gerechten Lohn betrügen, ein üppiges und ausschweifendes Leben führen, den Gerechten verurteilen und umbringen? – Ich denke da aktuell an die Firma BenQ, die in unverantwortlicher Weise einen ganzen Produktionszweig in Deutschland zugrundegerichtet hat – nicht ohne sich zuvor das Knowhow zu beschaffen, um später im eigenen Land Profit machen zu können. Tausende von Menschen in Deutschland werden vom Management ei-nes Konzerns zuerst zu niedrigen Löhnen gezwungen und dann in die Arbeitslosigkeit ent-lassen – das ist Ausbeutung im modernen Stil. Dafür gibt es immer wieder neue Beispiele, viel zu viele. Die Mahnung des Jakobusbriefs trifft gewiß auf keinen aus unserer Gemeinde zu. Welcher Bauer zahlt seinen Knecht nicht aus? Diese Zeiten sind vorbei. Die von Jahr zu Jahr weniger werdenden Land¬wirte müssen ohne Knechte und Mägde ihre Höfe bewirt-schaften. Maschinen ersetzen den Menschen. Es geht alles schneller und kosten¬günstiger. Heute muß man froh sein, wenn man seine Milch verkaufen kann. Heute ist man beim Ver-kauf des Viehs von den Launen des Marktes abhängig oder von unvorhersehbaren Skanda-len, die das Vertrauen der Verbraucher erschüttern. Heute steht man in fortwährendem Konkurrenzkampf mit an¬deren Ländern und ihrem Warenangebot. Dies alles gibt dem Ern-tedank einen anderen Stellenwert. Dennoch darf uns die gewachsene Unsicherheit der heutigen Zeit nicht zum Jammern und Klagen verführen. Nach wie vor ist Dankbarkeit angesagt. Im Vergleich mit anderen Län-dern gehören wir immer noch zu den Reichen. Wir leben nicht schlecht. Die meisten haben ein gut gefülltes Sparkonto. Darum müssen wir auch fragen: Meint Jakobus mit seiner Mah-nung wirklich nur die anderen? Jedenfalls will er uns die Augen öffnen für die Not der anderen. Wie schnell sind wir oft mit unseren Urteilen über Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben! Wie hart fällt manches Urteil über Menschen aus, die auf der Straße leben! – Die Dankbarkeit für die Ernte, über-haupt für die Schöpfungsgaben, mit denen wir gesegnet sind, soll ins Teilen münden. Das verstehen schon die Grundschulkinder, die am letzten Freitag ihren Erntedankgottesdienst gefeiert haben. Sie fanden unter vielen gefüllten Körben auch einen leeren Korb vor und wußten sogleich, was das bedeuten sollte: Vom Überfluß abgeben, damit auch die Armen leben können. Denn eines ist sicher: Am Ende haben wir alle gleich viel, das letzte Hemd hat keine Taschen. „Geben“, so sagte eine alte Bäuerin, „geben, muß man mit warmen Hän-den.“ Menschen in Not kann geholfen werden. Jeder von uns kann seinen Beitrag leisten. Ernte-dank wird auf diese Weise nicht nur Lobpreis des Schöpfers und Gebers aller guten Gaben, sondern auch ein Teilen der Gaben mit unseren Mitmenschen in nah und fern.

175. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

„Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ – Dieses Wort Jesu ist uns gut vertraut. Wir hören es bei jeder Trauung, und auch sonst wird es häufiger zitiert. Jesus hat dieses Wort nicht aus dem Alten Testament übernommen wie das andere Wort: „Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins.“ (Mk 10,7f) Jesus interpretiert vielmehr das alttestamentliche Zitat, indem er lehrt, dass Gott es ist, der Mann und Frau zu einem Fleisch verbindet. Das war wirklich eine neue Lehre, die weder damals selbstverständlich war noch es heute ist. Zur Zeit Jesu gab es zum einen die Auffassung, dass man die Ehe aus nahezu jedem beliebigen Grund wieder auflösen konnte. Zum anderen gab es eine strengere Lehre: nach ihr bestand ein Recht zur Ehescheidung nur für den Fall der Untreue. Von Jesus erwarteten die Fragesteller, dass er die Streitfrage entschied und sich dabei in die Fallen der pharisäischen Wortklauberei verstrickte. Er würde sich entweder zum strengen Gesetzes¬buch¬staben bekennen und seinen Ruf als Prediger der Barmherzigkeit verlieren oder die laxe Auslegung vertreten und dann als Verräter seiner eigenen Prinzipien dastehen. Aber es kam anders: Jesus stellte vielmehr klar, dass das Gesetz, auf das sich seine Gegner beriefen, bereits ein Zugeständnis an die menschliche Hartherzigkeit darstellt; am Anfang der Schöpfung hatte Gott einen anderen Plan, den Plan der unaufkündbaren Liebe zwischen Mann und Frau. Diese Liebe hat der Schöpfer Mann und Frau eingestiftet und sie gerade dadurch verbunden. Diese Liebe sollte so sein, wie es später Paulus ausgedrückt hat: „Sie erträgt alles, … hält allem stand“ (1 Kor 13,7), sie hält insbesondere auch den Kränkungen und Verfehlungen des anderen Partners stand. – Wer dagegen ein hartes Herz hat, wer die Schuld beim anderen sucht, statt sie zu ertragen und mit ihm zu tragen, der wird nicht lange standhalten und eine Ehekrise sehr bald durch eine Scheidung zu beenden suchen. Es geht Jesus wie so oft um die Barmherzigkeit: Sie ist das Kennzeichen des angebrochenen Reiches Gottes. Der Streit um die strengere oder laxere Gesetzesauslegung ist ein Streit jenseits der Barmherzigkeit, ein Disput um den Buchstaben, geistlos und lieblos. Doch der alttestamentliche Buchstabendienst soll dem neutestamentlichen Dienst des Geistes weichen! (Vgl. 2 Kor 2,7f) Das Gesetz Gottes soll zur Liebe führen, nicht zur Selbstgerechtigkeit; darum kommt es nicht auf den Buchstaben an, sondern auf den Geist. Wer diesen Geist der Liebe hat, wessen Herz vom Heiligen Geist erfüllt ist (Röm 5,5), der spürt schon anfänglich, wie der Geist ihn belebt, das Vertrocknete tränkt, die Verhärtungen auflockert und das Erkaltete wärmt. Wer in die Welt eintaucht, von der Jesus predigt, der wird nicht mehr so leicht die Moral als Waffe gegen seinen Mitmenschen oder gar gegen seinen Ehepartner einsetzen. Wir hören leider aus Jesu Worten meistens heraus, als ob er uns ein noch strengeres Gesetz zumutete als die strengsten Gesetzeslehrer seiner Zeit. Barmherzigkeit als das neue Supergesetz! So kann man es ja tatsächlich verstehen: „Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden.“ (Lk 6,37) Aber es ist eben kein Gesetz, das uns klein macht, bedrängt und anklagt, sondern ein neuer Zugang zu Gott, der unser Herz weit macht, beflügelt und freimacht. Barmherzigkeit ist überhaupt kein Gesetz, nichts Einklagbares, sondern ein Geschenk, aus dem wir leben und das wir weitergeben dürfen. Das heißt dann freilich auch, dass Barmherzigkeit keine Einbahnstraße ist. Sofern die Rede möglich ist, dass man sie üben soll, dann natürlich auch in alle Richtungen, insbesondere auch gegenüber denjenigen, deren Ehe gescheitert ist, z.B. weil einer der Partner oder beide nicht fähig waren, die nötige Barmherzigkeit dem anderen gegenüber zu erweisen. Es ist nicht im Sinne Jesu, über andere die Nase zu rümpfen, weil sie es nicht geschafft haben, ihr Treueversprechen einzuhalten. Von außen kann keiner beurteilen, welche Schwierigkeiten sie gehabt haben, an denen sie schließlich gescheitert sind. Das Evangelium fügt gleichsam zur Verdeutlichung die Episode von der Segnung der Kinder hinzu. Die Kinder werden hier ausdrücklich Vorbild für jeden hingestellt, der das Reich Gottes aufnimmt, also gerade auch für die Eheleute, die, wenn sie sich ihrer Kindschaft Gott gegenüber bewusst sind, dem Partner nicht mit der Haltung überlegener Erwachsenheit gegenübertreten können. Kinder sind noch nicht so stur, die Versöhnung mit dem anderen abzulehnen, doch gerade an dieser Sturheit gehen die Beziehungen der Menschen kaputt: „Der ist für mich gestorben!“ - „Mit dem rede ich kein Wort mehr.“ - „Wenn die nicht den ersten Schritt tut, dann ist es eben aus; ich werde jedenfalls nicht zu Kreuze kriechen...“ (usw.) Kinder streiten sich zwar, aber sie können sich auch schnell wieder vertragen. Und zweitens: Wer vor Gott die Haltung des Kindes bewahrt, dem fällt es leichter, die unvermeidlichen Spannungen des Lebens zu ertragen und dem anderen Verständnis und Wohlwollen entgegenzubringen. Kindschaft vor Gott – das schließt drittens auch die Tugend der Dankbarkeit ein. Diese Tugend ist dem Anspruchsdenken unserer Zeit fremd. Man will für nichts danken, man will vielmehr seine Rechte einfordern. Wer aber immer nur auf seine Rechte bedacht ist – auch gegenüber dem Ehepartner –, der wird für die kleinen Aufmerksamkeiten im Alltag blind, der wird gedankenlos und undankbar und kann auf Dauer keine Beziehung durchhalten. Menschen, die sich ihr Kindsein bewahrt haben, gehört das Reich Gottes.

176. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Das Markusevangelium legt Jesus folgendes Wort als sein allererstes in den Mund: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ Daß Gott nun seine Herrschaft auf der Erde errichtet, daß sein Reich nahe ist – davon war Jesus nicht nur mit größter Festigkeit überzeugt, das hat auch all seinen Umgang mit den Menschen geprägt und seine Predigt grundlegend bestimmt.

Was ist die Konsequenz, wenn Gott auf der Erde herrscht und nicht mehr der sündige Mensch? – Dann wird alles anders, dann bekommt alles ein anderes Gewicht. Paulus hat es einmal sehr deutlich ausgedrückt: „Ich sage euch, Brüder: Die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine, wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht.“ (1 Kor 7,29-31) Die Gestalt dieser Welt vergeht, ihre Struktur ändert sich dramatisch, wenn Gottes Reich kommt. Wenn das Ziel erreicht ist, verlieren die Mittel zum Ziel ihren Wert, wenn das Vollendete da ist, muß man sich nicht mehr mit dem Vorläufigen und Unvollkommenen begnügen. Wofür Schätze ansammeln, wenn das Leben auf ganz andere und viel effektivere Weise gesichert werden kann?

Der Ankündigung der Nähe des Gottesreiches folgt der Ruf zur Umkehr, zum Glauben und zur Nachfolge – ganz logisch. Jesus ruft überzeugte Mitstreiter für das Reich Gottes in seine Nachfolge. Die ersten waren damals Simon, Andreas, Johannes und Jakobus, einer der späteren war der Mann, von dem das heutige Evangelium spricht. Dieser fragt für uns ganz nachvollziehbar: „Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Mk 10,17) – Die Frage ist völlig unabhängig davon, ob das Reich Gottes nahe ist oder fern ist, ob Jesus mit seiner Predigt recht hat oder nicht, die Frage ist eine typische Menschheitsfrage, die noch nichts von der überraschenden Botschaft gehört, daß Gott sich selbst auf den Weg zum Menschen machen will, um ihn zu retten. – Jesus antwortet deshalb anfangs auch ziemlich nüchtern und erinnert fast hausbacken an die Zehn Gebote. Diese beschreiben den Weg zum ewigen Leben. Vielleicht will Jesus dem Mann damit auch einen Gewissensspiegel vorhalten, um ihn zu prüfen, ob er denn auch niemandem seinen gerechten Lohn vorenthält und ob er für seine alten Eltern sorgt. Doch der Mann kann gelassen antworten, daß er von Jugend an alle diese Gebote befolgt hat.

An diesem Punkt sieht Jesus die Chance, dem Mann seine eigentliche Botschaft anvertrauen zu können. Ausdrücklich sagt der Evangelist, daß Jesus ihn ansah und liebgewann – so wie er so viele andere Menschen zuvor in sein Herz geschlossen und in seine Nachfolge berufen hat. Er beginnt so: „Eines fehlt dir noch.“ (Mk 10,21) Das soll nicht heißen: Ein Gebot fehlt dir noch, ein 11. Gebot, das Moses noch nicht kannte. Sondern vielmehr: Ein Zuspruch fehlt dir noch, der letzte Sinn fehlt dir noch, die Erfüllung fehlt dir noch. Merkst du es nicht selbst, wie leer du bist trotz deines Reichtums, wie einsam trotz deiner Freunde? Hältst du nicht sehnsuchtsvoll Ausschau nach etwas, was dich wirklich trägt und hält, nach einer Liebe, für die es sich lohnt, alles zu geben? – Und nichts wünscht sich Jesus sehnlicher, als daß die Menschen es merken, daß er selbst es ist, der die Sehnsucht stillen kann, der der Schatz ist, der das unruhige Herz endgültig zufrieden macht.

Vielleicht war Jesus zu schnell mit der sogleich hinterher gestellten Forderung (aber vermutlich hat der Evangelist wie sonst auch ein langes Gespräch nur drastisch gekürzt und auf das Wesentliche zusammengezogen): „Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!“ (Mk 10,21) – Nicht alle Menschen konnten oder wollten Jesus in diesem Punkt Glauben und Vertrauen schenken, daß mit ihm wirklich das Reich Gottes gekommen ist, daß er wirklich über einen bleibenden Schatz im Himmel verfügte und daß es nur darauf ankommt, alles Hinderliche abzustreifen, insbesondere das Hängen am Besitz. Der Mann gehörte zu denen, die traurig weggingen und dem Ruf Jesu widerstrebten. Er hing zu sehr an seinem Vermögen, das er zu seiner Lebenssicherung erworben hatte und das doch niemals das Leben endgültig zu sichern imstande ist. Das Vordergründige, Vorläufige und Sichere war ihm lieber als das Endgültige, aber eben nicht unmittelbar Sichtbare, von dem Jesus sprach.

Hat der Mann das ewige Leben, das er gesucht hat, verloren? Wir müssen es umdrehen: Gott hat einen Menschen verloren, der berufen war, Zeuge für sein ewiges Reich zu werden. Der Mann, der die Berufung ausgeschlagen hat, wird wahrscheinlich zeitlebens den Stich im Herzen gespürt haben: »Weil ich immer Sicherheit gesucht habe, ist mein Herz leer geblieben.« Für uns Hörer und Leser des Evangeliums soll die Begebenheit zum Anlaß werden, unser Verhältnis zu Jesus Christus zu überdenken. Ist es so, wie ein Wortspiel von Lothar Zenetti es sagt: „Was Jesus für mich ist? Einer der für mich ist. Was ich von Jesus halte? Daß er mich hält.“ Papst Benedikt XVI. drückt es so aus: „Habt keine Angst vor Christus. Er nimmt nichts, und er gibt alles.“

177. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Er hat lange auf diesen Augenblick gewartet, dieser Blinde am Straßenrand von Jericho – sein Name ist sogar noch überliefert: Bartimäus. Mit seinem ganzen Wesen sehnt er sich nach Heilung, nach Licht. Jetzt ist die Chance da, und er ruft mit lauter Stimme: „Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner.“ Er stört sich nicht an den vielen, die die Not des Blindseins nicht kennen und ihm befehlen zu schweigen, er schreit nur noch viel lauter.

Es ist leicht, diese Begebenheit auf unser geistliches Leben zu übertragen. Zwar ist uns der Herr immer nahe, aber manchmal geht er auch vorüber, wenn wir ihn nicht durch lautes Rufen auf uns aufmerksam machen. Der heilige Augustinus sagt in einer Predigt: „Ich fürchte, Jesus könnte an mir vorübergehen und nicht wiederkommen.“ – Das ist in der Tat ein ernster Gedanke. Wir können ihn beziehen auf unser persönliches Leben wie auch auf die großen Entwicklungen in der Welt.

1. In unserem persönlichen Leben kommt es immer wieder vor, daß wir merken: wir kommen alleine nicht zurecht. Wir wissen nicht, welcher Weg der richtige ist, wohin wir uns wenden sollen, welcher Stimme wir folgen sollen, was jetzt für uns dran, was zu tun ist. Oder wir erkennen uns plötzlich nicht wieder und haben auch ein getrübtes Bild von der Welt und von unseren Mitmenschen. Das Gute und Schöne zeigt sich nicht mehr, wir sehen nur noch die Schattenseiten des Lebens – als wären wir blind geworden. Geistige und geistliche Blindheit ist nicht weniger schlimm als die leibliche, aber sie kommt viel häufiger vor, zu gewissen Zeiten fast bei jedem Menschen.

Wenn wir merken, daß auch wir davon befallen sind, dann wird es Zeit, daß wir Christus herbeirufen, der immer wieder auch unsere Wege kreuzt. Die Bitte des blinden Bettlers „Ich möchte wieder sehen können“ sollten wir zu unserer eigenen Dauerbitte machen: „Ja, Herr, nimm die Blindheit von meinen Augen, die mich hindert, deine väterliche Liebe zu erkennen.“ Von der Stunde unserer Geburt an bis zum letzten Atemzug werden wir von der Liebe Gottes umfangen und gehen gleichgültig an ihr vorbei. Unsere Augen sehen nicht, wie Jesus uns jeden Tag nahe ist, wie er jeden Tag darauf wartet, uns sein helfende Hand zu reichen. Unsere Aufmerksamkeit ist auf vergängliche Dinge gerichtet, die uns mit ihrem gleißenden Licht anlocken und den Blick auf die entscheidenden und bleibenden Werte verstellen. – Doch Jesus kann jede Blindheit heilen und uns die geistige Klarheit neu schenken, wenn wir ihn nur innig und unbeirrt darum bitten.

2. Doch gilt dies nicht nur für unser persönliches Leben, sondern auch für das gesellschaftliche Leben und sogar für das ganze Weltgeschehen. In diesem Bereich sehen wir sogar am ehesten ein, daß guter Rat teuer ist, hat uns doch seit langem schon der Fortschritts­opti­mis­mus verlassen und einer allgemeinen Zukunftsangst Platz gemacht. Hier sind wir Christen gefragt, ob wir unseren Glauben als eine weltverändernde, heilende und befreiende Kraft oder nur für eine Privatsache ansehen. Wenn wir uns wie die anderen nur auf rein innerweltliche Strategien verlassen, dann sind auch wir von Mutlosigkeit und Resignation bedroht, die sich einstellen, wenn die ergriffenen Maßnahmen versagen. Europa steht am Scheideweg: Wird es wie der blinde Bartimäus den vorübergehenden Christus zu Hilfe rufen, oder wird es weiterhin seine christliche Vergangenheit in stolzer Verachtung mit Füßen treten? Die zwölf Sterne der europäischen Flagge erinnern an Maria, die in der Offenbarung geschildert wird als „Frau, mit der Sonne bekleidet … und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.“ (Offb 12,1) Aber in der europäischen Verfassung soll von Gott nicht einmal die Rede sein. Die Völker Europas, die einst ihre Geisteskraft und ihren Glauben so stolz in alle Welt getragen haben, sind im Materialismus versunken und suchen ihr Heil nur noch in der Ökonomie. Die muslimischen Völker haben nur Verachtung für uns übrig. Und sie wissen: bald wird Europa nicht nur arm an Kindern sein, sondern auch seinen wirtschaftlichen Reichtum verlieren – wenn wir uns nicht ändern und uns auf Christus besinnen, der nur darauf wartet, uns fragen zu können: „Was soll ich dir tun?“

178. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Weltuntergangsängste und entsprechende Mythen sind so alt wie die Menschheit selbst. Die Menschen wissen nämlich – anders als die Tiere –, daß sie sterben werden, ja, daß alles Irdische vergänglich ist. „Windhauch ist alles“, das haben die Teilnehmer der Bibelwoche in der letzten Woche immer wieder vom Prediger Kohelet gehört, „es ist alles Windhauch“, d.h. flüchtig und vergänglich.

Dieses Menschheitswissen greift Jesus auf und bestätigt es mit kräftigen Bildern. Er benutzt dabei die sog. apokalyptischen Vorstellungen, die zu seiner Zeit sehr im Umlauf waren: daß sich die Sonne einst verfinstern wird, daß der Mond nicht mehr scheint und gar die Sterne vom Himmel fallen – alles gewaltige Zeichen für das Ende und den Untergang der Welt. Aber er bestätigt nicht einfach die verbreiteten Vorstellungen, sondern er lenkt sie in eine andere Richtung, denn er malt nicht nur den Schrecken aus, sondern kündigt zugleich die Rettung an: die Engel werden die „Auserwählten aus allen vier Himmelrichtungen zusammenführen“ (Mk 13,27). Mitten im katastrophalen Ende soll von Gott her, bei der Wiederkunft Christi, das endgültig und ewig Bleibende errichtet werden. Das Flüchtige, das nur Windhauch ist, geht zwar zugrunde, aber von Gottes bleibender Ewigkeit her wird der Mensch, der sich in Gott festgemacht hat, gerettet.

In die gleiche Richtung geht der Vergleich mit dem Feigenbaum. Jesus verwendet den Feigenbaum öfter als Bild für das auserwählte Volk Israel. Einmal verflucht er einen unfruchtbaren Feigenbaum, weil dieser keine Frucht bringt, wozu er doch da ist (Mk 11,12-14). Ebenso weint er über Jerusalem, weil seine Bewohner nicht erkannt haben, was ihnen Frieden bringt. (Lk 19,41f; vgl. 13,34) Hier aber kündigt er eine frohmachende Veränderung an: „Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wißt ihr, daß der Sommer nahe ist.“ (Mk 13,28) D.h. für den verdorrten Feigenbaum gibt es die Hoffnung auf einen neuen Sommer; Israel wird eines Tages aufblühen und Frucht bringen, die Frucht der gläubigen Hinwendung zum wirklichen Messias.

Dies alles soll inmitten von Bedrängnis und Schrecken geschehen. Was vom Menschen her die reine Katastrophe zu sein scheint, das ist von Gott her gesehen neues Aufblühen und Fruchtbarwerden, ist Zeit der Ernte Gottes. Das also können wir vom Vergleich mit dem Feigenbaum lernen: daß das Weltende für die Gläubigen nicht den Zusammenbruch ins Nichts hinein ist, sondern Aufbruch ins Ewige Gottes.

Soviel ist gewiß. Anderes dagegen bleibt ungewiß, vor allem wann das alles geschehen wird. „Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.“ (13,32) Wir können den Tag nicht berechnen, und wir sollen uns erst recht nicht irremachen lassen von Leuten, die zu wissen meinen, der Tag sei bald gekommen – ganz gleich, ob sie sich auf die Klimakatastrophe oder sonst etwas berufen. Apokalyptische Ängste schüren ist etwas Unverantwortliches, denn es lähmt den Menschen und hindert ihn daran, seinen Verstand und Phantasie einzusetzen zur Abwendung der gegenwärtigern Gefahren. Hüten wir uns vor den Sektierern, die unter dem Mantel der Frömmigkeit den Menschen zuerst verängstigen und dann unfrei machen!

Halten wir uns besser an diejenigen Menschen, die zu anderen Zeiten vor ähnlichen Problemen wie wir heute standen und sie in Gelassenheit und Gottvertrauen angegangen sind. Der Not der Vergänglichkeit ist z.B. der Barockdichter Andreas Gryphius mit folgendem Gedicht entgegengetreten:

Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen.

Mein sind die Jahre nicht, die etwa mögen kommen.

Der Augenblick ist mein, und nehm’ ich den in Acht,

so ist der mein, der Zeit und Ewigkeit gemacht.

179. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

„Deus caritas est. Gott ist die Liebe.“ Diesen Satz aus dem 1. Johannesbrief kennen seit einem halben Jahr fast alle Menschen. Denn so hat Papst Benedikt XVI. seine erste Enzyklika überschrieben. Ich möchte Ihnen dieses päpstliche Lehrschreiben heute und an den folgenden Sonntagen vorstellen und die wichtigsten Aussagen erklären. Heute möchte ich beginnen mit der Grundaussage. Was hören wir eigentlich aus dem programmatischen Wort heraus „Gott ist die Liebe“? Was ist gemeint? Unser Papst sagt, hier sei die Mitte des christlichen Glaubens ausgesprochen, das christliche Gottesbild wie auch das Bild vom Menschen. Vielleicht wird es klarer, wenn ich es negativ sage: Die Mitte unseres Glaubens ist nicht die Erkenntnis, ebensowenig ein Ritus, nicht eine Unterwerfung, nicht eine schriftliche Urkunde, nicht eine bestimmte Tradition; unser Glaube hat es nicht mit Macht zu tun, weder mit der göttlichen Macht noch dem Versprechen, durch den Glauben mehr Macht zu haben. Und so könnte ich fortfahren… Nein, all das macht unseren Glauben nicht aus, sondern einzig die Liebe verdient es, als das Wesentliche des Glaubens genannt zu werden. Wir glauben an einen Gott der Liebe, und das heißt zuerst und vor allem: Gott ist ein Jemand, eine Person mit Name und Gesicht, mit dem Vermögen zu lieben und geliebt zu werden. So heißt es im 1. Joh 4,7f: „Liebe Brüder, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe.“ Und weiter (V. 10): „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat.“ Es lohnt sich, kurz darüber nachzudenken, warum Papst Benedikt ausgerechnet dieses Thema zum Inhalt seiner ersten Enzyklika erwählt hat. Er selbst spricht davon, daß dies „eine Botschaft von hoher Aktualität und von ganz praktischer Bedeutung“ ist, weil wir in einer Welt leben, „in der mit dem Namen Gottes bisweilen die Rache oder gar die Pflicht zu Haß und Gewalt verbunden wird“. (n. 1) Damit erinnert er an die Bedrohung der heutigen Welt durch eine neue Form des Terrorismus, der insofern nie dagewesene Ausmaße angenommen hat, als hier die religiösen Gefühle gläubiger Muslime für die inhumansten Zwecke eingespannt und mißbraucht werden. Offenbar hegt der Papst die Hoffnung, daß die Menschen guten Willens diesem verderblichen Denken leichter widerstehen können, wenn sie sich bewußt machen, daß Gott die Liebe ist und darum niemals zur Legitimation von Gewaltanwendung herangezogen werden kann. Eine zweite Absicht richtet sich mehr auf uns Christen in Europa, die wir die Botschaft von der Liebe Gottes schon so lange kennen und tradieren und doch anscheinend immer noch weit entfernt davon sind, sie wirklich innerlich aufgenommen und umgesetzt zu haben. Vielmehr sieht es ganz so aus, als taumelten wir immer zwischen zwei Extremen hin und her, ohne die rechte Mitte zu finden: Das eine Extrem betont Gottes Heiligkeit und entsprechend seinen Zorn über die Sünde; das Evangelium wird dann als Drohbotschaft verstanden; das äußere Verhalten wird durch sozialen Druck und durch Angstmache reguliert; man tut zwar das Rechte, aber nur ungern, gezwungen und ohne Überzeugung, und man will aus diesem Zwang ausbrechen. – Das andere Extrem betont Gottes nachsichtige Güte und Barmherzigkeit, angesichts derer die Rede von Sünde antiquiert erscheint; das Evangelium wird als Bestätigung des Menschen verstanden, als freies Angebot, dem keinerlei Verbindlichkeit zukommt, als folgenloser Appell an das Werteempfinden der Menschen; die Menschen folgen ihren Launen und beginnen sich wieder nach strenger Ordnung sehnen. Obwohl das ein wenig schwarz-weiß gezeichnet ist, trifft es wohl weitgehend zu. Ich vermute, der Papst wollte mit seiner Enzyklika zeigen, daß beide Extreme vom Unverständnis der Liebe Gottes geprägt sind. Das erste nicht, weil es ganz auf Angst und Druck baut, das zweite aber ebensowenig, weil Liebe hier mit unverbindlicher Nachsichtigkeit verwechselt wird. Denn man spricht hier vom harmlosen „lieben Gott“ und hat ein Bild von Gott im Kopf wie das von einem Urgroßvater, der seinen Lebensabend im Heim verbringt. Man besucht ihn an Feiertagen und hört sich seine alten Geschichten an. Grundsätzlich ist man ihm schon dankbar, vor allem, wenn er auch jetzt noch Geschenke verteilt oder weil man sich ein Erbe erwartet. Aber ansonsten läßt man ihn im heutigen Leben nicht mitreden. Ein solcher Glaube kostet nicht viel, bringt aber auch nichts; er ist wirkungslos, und die Rede von Liebe ist unwahr. Das sagt die heutige Lesung ganz klar: „Wer sagt: Ich habe ihn erkannt!, aber seine Gebote nicht hält, ist ein Lügner, und die Wahrheit ist nicht in ihm.“ (1 Joh 2,4) Liebe Gemeinde! Die Enzyklika des Papstes könnte man als Kommentar zu diesem Satz auffassen: „Wer sagt: Ich habe ihn erkannt!, aber seine Gebote nicht hält, ist ein Lügner, und die Wahrheit ist nicht in ihm.“ Als einen Kommentar jedoch, der an die Freiheit des Hörers oder Lesers appelliert, nicht als Rückfall in die alte Form der Drohbotschaft. Denn so könnte man den Satz ja auch verstehen und dann mißdeuten: Wenn ihr die Gebote nicht haltet, dann seid ihr Lügner. Fangt also schon mal an, euch vor dem Zorn Gottes zu fürchten! So nicht! Eher so: Lügt euch nicht in die Tasche! Macht euch nichts vor, und laßt euch nichts vormachen! Glaubt ihr wirklich, daß ihr freier werdet, wenn ihr das Gebot der Liebe in den Wind schlagt? Daß ihr frei werdet, wenn ihr den Tag des Herrn, den Sonntag, zum Werktag degradiert? Es ist doch gerade umgekehrt: Die Gesetze der Ökonomie zwingen immer mehr Menschen, rund um die Uhr, auch nachts und sonntags, zu arbeiten. Sie machen uns nicht frei, sie machen uns kaputt. Seht ihr nicht, daß Gottes Gebote unser bester Schutz davor sind, ausgebeutet und kaputt gemacht zu werden? Der Glaube ist nichts Theoretisches, sondern etwas Praktisches, er ist eine Praxis, ein Handeln. Johannes sagt dies mit folgendem etwas merkwürdig klingenden Satz: „Wenn wir seine Gebote halten, erkennen wir, daß wir ihn erkannt haben.“ (1 Joh 2,3) Gott erkennen, an Gott glauben heißt immer auch, tun, was er uns sagt, denn er sagt uns nichts anderes, als in der Liebe zu bleiben und aus der Liebe zu leben. Glauben heißt, auf Gottes Liebe antworten und sie erwidern. „Wer sich aber an sein Wort hält, in dem ist die Gottesliebe wahrhaft vollendet.“ (1 Joh 2,5) In allen Geboten geht es immer nur um das Eine: die Liebe zu Gott und zum Nächsten umzusetzen. Dann halten wir uns an sein Wort und erfahren, daß der Glaube uns trägt.

180. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

„Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit.“ (1 Joh 3,18) Mit der Anrede „Meine Kinder!“ erteilt uns der Evangelist eine gütige und eindringliche Mahnung: Wir sollen nicht nur schöne Worte gebrauchen, sondern Taten folgen lassen. Liebe ist nicht nur ein Wort, Liebe, das sind Worte und Taten. Liebe ist nicht von der Wahrheit zu trennen, und Wahrheit ist im biblischen Sprachgebrauch nie etwas rein Theoretisches, sondern immer etwas Praktisches. Mein Freund und Lehrer in Paderborn pflegt seit ein paar Jahren „Wahrheit“ so zu definieren: Wahrheit ist die Fähigkeit, mich und den anderen am Leben zu erhalten. Im Gegensatz zur Wahrheit steht das Eigeninteresse; das Interesse ist die Schrumpfform der Wahrheit, in der ich nur mich selbst am Leben erhalten will. Mit dieser Definition sind wir schon beim Schnittpunkt der heutigen Lesungen mit dem Beispiel unseres Pfarrpatrons, des hl. Pankratius. Dieser jugendliche Marytrer hat das Interesse, sein eigenes Leben zu erhalten, hintangestellt und für die Wahrheit Zeugnis abgelegt. Dies konnte er, weil er wußte, daß Gott die Wahrheit selber ist, denn Gott hat die Fähigkeit, alle partikulären Interessen zu versöhnen und alle Menschen auf Dauer am Leben zu erhalten. So hat Pankratius sein junges Leben loslassen und in die Hände seines Schöpfers zurückgeben können. Die Kirche aber hat darin immer den Triumph gesehen und gefeiert, den Sieg der Wahrheit über das Interesse, den Sieg des Glaubens über die Welt, den Sieg der Liebe über den Egoismus. Gott ist groß, das sieht man an den Großtaten gerade der Kleinen und Schwachen. „Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob.“ (Ps 8,3) Liebe Brüder und Schwestern! Wir brauchen die Heiligen, weil sie uns das Evangelium vorgelebt haben. Wir brauchen sie zur Erinnerung und zum Wachwerden, wenn wir saumselig geworden sind. Wir brauchen sie, damit wir frohe Zuversicht schöpfen und uns nicht von den schlechten Nachrichten, die das Leben bietet, nach unten ziehen lassen. Wir brauchen sie, weil sie uns helfen, in der Kirche und bei der Praxis des Glaubens zu bleiben. BLEIBEN! Dieses Wort haben wir heute sehr oft gehört, zweimal in der Lesung und neunmal im Evangelium. Wieder und wieder betont Johannes, wie wichtig es ist, mit Christus verbunden zu bleiben, in ihm zu bleiben. Man darf vermuten, daß der hochbetagte Lieblingsjünger Jesu diese Mahnung aus der traurigen Erfahrung heraus geschrieben hat, daß viele der ersten Christen nicht geblieben sind, sondern sich wieder von Christus getrennt haben – teils weil sie irrigen Lehren gefolgt sind, teils weil sie vielleicht nicht genug Durchhaltevermögen besaßen. Laßt euch nicht entmutigen! rief er damals den Christen zu. Sucht eure Bleibe nicht woanders, auch wenn euch die Kirche nicht mehr die Heimat und Geborgenheit zu schenken scheint, die ihr in ihr gesucht habt! Das Gleichnis vom Weinstock ist eine Antwort auf diese Anfechtung. Trennt euch nicht von der Kraftquelle eures Lebens! Macht euch nicht los von der Sonne, sonst stürzt ihr in die eisige Kälte des Weltraums. Jesus bleibt bei uns, steht zu dir und mir – laß es dir gesagt sein! „Nimm Gottes Liebe an, du brauchst dich nicht allein zu mühn. Denn seine Liebe kann in deinem Leben Kreise ziehn. Und füllt sie erst dein Leben und setzt sie dich in Brand, gehst du hinaus, teilst Liebe aus, denn Gott füllt dir die Hand.“ – So heißt es in einem Lied von Kurt Kaiser. Das Erste ist immer das Annehmen der Liebe, Glauben, daß Gott wirklich mich meint und mich liebt. Das ist gar nicht so einfach, weil uns das Gewissen so oft anklagt, das Herz verurteilt. Wir sind zwar auch sehr oft im Unschuldswahn befangen, aber dann auch wieder in der Angst, versagt zu haben und keine Liebe zu verdienen finden, die rechte Mitte zwischen beiden Extremen finden wir nicht. Darum ist unser Herz voll Unruhe, ist nicht fest, nicht geborgen, heimatlos, immer auf der Flucht, solange es die Wahrheit nicht gefunden hat. „Wir werden unser Herz in Gottes Gegenwart beruhigen“, schreibt Johannes. „Denn wenn das Herz uns auch verurteilt – Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles.“ – „Wenn dein Herz dich unruhig macht, wenn du fühlst, daß nichts ist, wie es sein sollte; wenn dich die große Verantwortung für dieses oder jenes drückt ... - dann gib dich ins Wissen Gottes. Er weiß. Er weiß in ewiger Liebe um alles, auch um dich.“ (R. Guardini) Ganz gleich, welche Stürme in deiner Seele wüten – stürze dich in das Meer des gütigen göttlichen Verstehens und Erbarmens! Nimm Gottes Liebe an! Dann kommt der zweite Schritt wie von selbst, das Fruchtbringen, die eigenen Taten der Liebe. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht.“ (Joh 15,5) Verbunden sind der erste und der zweite Schritt, das Annehmen der Liebe und die eigenen Taten der Liebe, durch das Bleiben am Weinstock, das Bleiben in der Gemeinschaft mit Christus. Jetzt bei der Feier der Eucharistie wird diese Gemeinschaft neu genährt und vertieft, unser Bleiben erneuert und gefestigt. Hier wird uns das wahre Leben geschenkt, ein Leben, das nicht mehr in Konkurrenz mit den Interessen anderer steht, weil es aus der Wahrheit Gottes stammt. Brot, das lebt und Leben spendet! Kommt und schmeckt das Brot des Lebens!

181. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

„Gott ist (die) Liebe.“ Heute hören wir die Aussage wieder, die der Papst als Überschrift seiner ersten Enzyklika gewählt hat. In meiner 2. Predigt darüber möchte ich über die verschiedenen Bedeutungen des Wortes „Liebe“ sprechen.

Der Papst macht auf die Schwierigkeit aufmerksam: „Das Wort ,,Liebe’’ ist heute zu einem der meist gebrauchten und auch mißbrauchten Wörter geworden, mit dem wir völlig verschiedene Bedeutungen verbinden.“ (n. 2) Und er zählt einige Beispiele auf: Vaterlandsliebe, Liebe zum Beruf, Liebe unter Freunden, Liebe zur Arbeit, Liebe zwischen den Eltern und ihren Kindern, zwischen Geschwistern und Verwandten, Liebe zum Nächsten und Liebe zu Gott. Er fragt: Gehören alle diese Formen zusammen, ist Liebe eine einzige Wirklichkeit? Oder haben wir es mit vielen verschiedenen Phänomenen zu tun, die nur zufälligerweise mit einem einzigen Wort bezeichnet werden?

Immerhin gibt es in anderen Sprachen verschiedene Wörter, während wir nur dies eine Wort „Liebe“ zur Verfügung haben. Im Griechischen und Lateinischen gibt es drei Arten von Liebe:

3Eroß / amor – Fili1a / dilectio – Aga1ph / caritas.

Der Eros meint die Liebe zwischen Mann und Frau, die bräutliche Liebe und v.a. das Verliebtsein. Der Eros kann den Menschen geradezu übermächtigen, er kommt gleichsam von außen über ihn. Der Eros richtet sich ganz exklusiv auf einen einzigen Menschen. – Die Agape (Caritas) meint die Nächstenliebe. Sie kommt aus dem Eigenen des Menschen, insbesondere aus der gläubigen Einsicht. Es handelt sich um die schenkende, selbstvergessene Liebe, die sich auf viele Menschen erstrecken kann und soll, letztlich sogar auf alle.

Dazwischen liegt die Freundschaftsliebe. Von ihr handelt die Enzyklika nur am Rande, Jesus aber spricht im heutigen Evangelium ausdrücklich von ihr: Sie steht im Gegensatz zum Verhältnis von Herr und Knecht. Sie meint wahre Zuneigung, die aber nicht erotisch ist und darum auch nicht exklusiv. Man kann viele Freunde haben, verliebt ist man aber nur in eine Person. Die Freundschaftsliebe basiert auf einer Geistesverwandtschaft, die große Freude auslöst: Da ist ja einer, der genauso denkt und empfindet wie ich! Einer, der mich versteht!

Das erste große Thema der Enzyklika ist aber das Verhältnis von Eros und Agape. Um das Problem zu sehen, müssen wir uns ihre gegensätzlichen Eigenschaften noch einmal vor Augen führen:

Der Eros kommt überfallartig über mich, wie man am Beispiel des Verliebtseins sieht. Der / die andere überwältigt mich und verheißt mir ein unbändiges Glück. Dieses Gefühl hebt mich über alles hinaus, was ich im Alltag erlebe, und schenkt mir unsagbare Lebensfreude und Erfüllung. Darum wird der Eros gerne mit der Trunkenheit und dem Rausch verglichen, ja mit Raserei und Wahnsinn. Darum ist er auch oft vergöttlicht worden; viele heidnische Religionen hatten einen Gott der Liebe, die Römer etwa den Gott Amor, mit dem man sich im Kult verbinden wollte. So kam es zur sog. Tempelprostitution, was von der Bibel scharf als Perversion und Abgötterei verurteilt wurde.

Wie anders ist da die Agape, die Caritas, sie hat nichts davon, ist gleichsam nüchtern und vergeistigt. Diese Liebe kommt nicht wie ein Überfall von außen, sondern mehr von innen, aus der Vernunft und als Frucht des Glaubens. Hinter ihr steht nicht die Selbstsucht, sondern die Selbstlosigkeit; sie will nichts gewinnen, sondern frei schenken.

Der Eros ist somit begehrend, die Agape schenkend, der Eros egoistisch, die Agape selbstlos, der Eros will empfangen, die Agape geben, der Eros kommt aus einer Leere, die Agape aus einer Fülle.

Papst Benedikt stellt nun fest, daß beide Formen der Liebe einander bedingen, und darum gehören sie zusammen und bilden beide das eine Phänomen der Liebe. Ohne die Ergänzung durch die andere Form der Liebe wird der Eros schrankenlos, ja, zerstörerisch. In diesem Zusammenhang fällt der berühmte und oft zitierte Satz: „Der zum ,Sex’ degradierte Eros wird zur Ware, zur bloßen ,Sache’; man kann ihn kaufen und verkaufen, ja, der Mensch selbst wird dabei zur Ware.“ (n. 5) Zur Ware werden will kein Mensch, das sieht jeder ein. Dies ist aber erst die Endstufe eine Verfehlung, deren Vorstufen nicht so klar als Irrformen der Liebe erkannt werden. Daß man überhaupt von einem anderen Menschen erwartet, daß er mich endgültig glücklich machen kann – darin liegt schon die Verkehrung, ein doppelter Irrtum, denn

1. sollte die wahre Liebe nicht fragen: Wie kann ich glücklich werden?, sondern: Wie kann ich den anderen glücklich machen?

2. kann nur Gott endgültiges Glück schenken. Ein Mensch ist mit dieser Aufgabe überfordert.

In der Enzyklika wird besonders der 1. Punkt betont. Wahre Liebe ist erst dann gegeben, wenn der egoistische Zug überwunden ist, wenn die Liebe das Gute zuerst für den Geliebten will, wenn sie darum auf das eigene Glück verzichten kann und will, wenn sie bereit wird zum Opfer. (n. 6) Jesus drückt dies im heutigen Evangelium so aus: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13) Wer liebt, der sehnt sich so sehr nach dem Glück des anderen, daß er sein eigenes Glück hintanstellt, ja, sein Leben hingeben kann, wenn die Liebe entsprechend groß ist. Der Papst bringt ein anderes Jesuswort ins Spiel (Lk 17,33): „Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es gewinnen.“ Damit wird ein tiefer Zusammenhang von Lieben und Sterben aufgezeigt; der Papst spricht vom „Weg aus dem in sich verschlossenen Ich zur Freigabe des Ich, zur Hingabe und so gerade zur Selbstfindung, ja, zur Findung Gottes“. (n. 6) Das ist eine tiefe Einsicht: Um wahres Glück zu finden, muß ich aus mir herausgehen, mein verschlossenes Ich sprengen, mich vergessen, mich hingeben, an den anderen übergeben und so in gewisser Weise sterben, aber ich werde mich dadurch gerade nicht verlieren, sondern das Leben gewinnen. Denn so ist Gott: Gott ist hingebende Liebe, im scheinbaren Verlieren gewährt er das Leben.

Dies also ist das erste große Thema der Enzyklika: in der Vielfalt der verschiedenen Formen der Liebe ihre Einheit erkennen. Die Antwort ist in der christlichen Offenbarung enthalten, die sagt: Alle Liebe wurzelt in Gott. Auch die bräutliche Liebe, der Eros, stammt von Gott, aber sie ist nicht selbst göttlich, sondern bedarf der Ergänzung, sonst stürzt sie ab. Die Ergänzung kommt ihr von der schenkenden Liebe zu, der Agape. Diese aber kommt uns zuerst von Gott selbst entgegen. „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt hat.“ (1 Joh 4,10) Diese Liebe Gottes ist das Angebot seiner Freundschaft. Wir dürfen Gottes Freunde sein, nicht nur seine Knechte, dürfen auf einer Augenhöhe mit ihm stehen, mit ihm geistesverwandt werden. Und Paulus, der dies tief erfahren hat, ruft aus: „Wenn Gott für uns ist, wer ist dann gegen uns?“ (Röm 8,31) Wenn Gott mein Freund ist, was können meine Feinde dann noch gegen mich ausrichten? Wovor muß ich dann noch Angst haben?

182. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

„Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben.“ (1 Joh 4,11) Der Evangelist Johannes stellt diese Folgerung auf angesichts der überraschenden Aussage, daß „Gott (die) Liebe ist.“ (1 Joh 4,8.16) Papst Benedikt kommentiert diese Aussage dahingehend, daß uns hier ein ganz neues Gottesbild vor Augen gestellt wird. (DCe n. 9) Für uns erscheint diese Aussage vielleicht gar nicht so neu, weil unsere Tradition sie seit Jahrhunderten überliefert, so daß sie eher alt und nichtssagend zu sein scheint.

Aber der Schein trügt, denn auch in unserer Zeit herrscht ein Denken vor, in das die Liebe nicht so recht hineinpaßt. Das Denken, das ich meine, ist vom Willen zur Macht bestimmt. Der moderne Mensch hat, wie der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker gesagt hat, mit Wissenschaft und Technik das Wagnis einer „ Erkenntnis ohne Liebe“ unternommen. Am Anfang der Neuzeit hoffte René Descartes, daß die Technik uns Menschen „zu Herren und Eigentümern der Natur machen“ könnte und daß insbesondere die Medizin uns vor allerlei Krankheiten, „ja vielleicht sogar auch vor Altersschwäche bewahren“ können müßte. Er sah den Leib des Menschen als eine Maschine an, die man mit den nötigen Kenntnissen beliebig lange in Betrieb erhalten kann. Seit diesen Worten sind gut 300 Jahre vergangen, die Atombombe ist gebaut worden und hat ihren Schrecken über die Menschheit gelegt. Aber die Menschen träumen weiter vom Sieg der Technik über die Natur und verdrängen ihre eigene Sterblichkeit. Sie setzen auf die machtförmige Wissenschaft und überlassen der Liebe höchstens den zweiten Platz in ihrem Leben.

Fragen Sie einmal in Ihrem Bekanntenkreis: Was ist die alles bestimmende Wirklichkeit? Sie werden verschiedene Antworten bekommen, aber wohl kaum hören, daß es die Liebe sei. Viele werden sagen: das Geld; andere werden auf Wissenschaft und Technik verweisen, wieder andere auf die militärische Macht. Da sind sich selbst Präsident Bush und der iranische Diktator Mahmud Ahmadineschad vermutlich einig. Denn auch wenn sie beide ein verschiedenes Gottesbild haben, so wird dieses doch in genau diesem einen Punkt übereinstimmen: ihr Gott ist der Allmächtige, und jeder will seinen Gott durch den Erfolg erweisen, den er in der Geschichte errungen hat – letztlich durch Inanspruchnahme menschlicher Macht. Aber wir brauchen gar nicht so weit zu gehen und die Inhaber höchster Ämter zu befragen, auch der kleine Mann auf der Straße wird so urteilen: Wenn es überhaupt einen Gott gibt, dann muß er die alles bestimmende Wirklichkeit sein, d.h. er wird zur Durchsetzung seiner Interessen alle seine Macht einsetzen. Und wenn er dies nicht tut, dann gibt es ihn gar nicht. Das meine ich, wenn ich eingangs sagte, auch unser Denken sei vom Willen zur Macht bestimmt oder jedenfalls infiziert.

Die Bibel fordert uns heraus, dieses unser Denken in Frage stellen zu lassen und zu ändern. Wir sollen uns auf die überraschende Botschaft einlassen, daß Gott zwar allmächtig ist, aber daß er vor allem die Liebe ist und daß er deshalb nicht einfach die Wirklichkeit nach seiner beliebigen Willkür beherrscht, sondern der menschlichen Freiheit Raum zur Entfaltung läßt. Gott hat in seiner Liebe zu seinen Geschöpfen so großen Respekt vor unserer Freiheit, daß er seine eigene Freiheit und Macht zurückzieht, selbst dann, wenn die Freiheit zum Bösen mißbraucht wird.

Wie wenig wir das wirklich verstanden haben, zeigt sich daran, daß wir immer sogleich entrüstet fragen, warum Gott denn dies und das zugelassen hat. Warum läßt Gott es zu, daß so viele Verbrechen geschehen? Warum geht es den Guten so schlecht und den Bösen so gut? – Ich behaupte nicht, daß ich eine Antwort auf diese oft wirklich bedrängende Frage wüßte. Die kann nur Gott selbst geben. Aber dies eine sollte doch klar sein: Wenn Gott auch die Bösen zum Guten führen will – was ich fest glaube –, dann kann er das nur erreichen, indem er durch seine werbende Liebe ihr Herz erreicht; dann muß er wohl viel Geduld haben – wie uns die Heilige Schrift ausdrücklich versichert (Röm 2,4; 2 Petr 3,9) –, denn er kann nicht einfach mit Gewalt durchsetzen, was doch aus Einsicht und freier Entscheidung kommen soll. Die Liebe zieht sich darum immer wieder zurück und gebraucht keine Gewalt, sondern wartet in selbstgewählter Ohnmacht ab, bis der andere verstanden hat. Und gerade so erweist sich die Liebe als die größte Macht dieser Welt, als diejenige Wirklichkeit, die uns letztlich aus der Macht der Nichtliebe und des Todes erlösen wird. Aber das ist ein Glaubenssatz, der durch die Erfahrung nur unvollkommen gedeckt ist.

Der Papst weist in diesem Zusammenhang auf eine Stelle beim Propheten Hosea hin. Hier geht es um den Abfall des Gottesvolkes vom Bund; Israel hat sozusagen die „Ehe“ gebrochen – „den Bund; Gott müßte es eigentlich richten, verwerfen. Aber gerade nun zeigt sich, daß Gott Gott ist und nicht ein Mensch: »Wie könnte ich dich preisgeben, Efraim, wie dich aufgeben, Israel? ... Mein Herz wendet sich gegen mich, mein Mitleid lodert auf. Ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken und Efraim nicht noch einmal vernichten. Denn ich bin Gott, nicht ein Mensch, der Heilige in deiner Mitte« ( Hos 11,8-9).“ Und Benedikt XVI. kommentiert: „Die leidenschaftliche Liebe Gottes zu seinem Volk – zum Menschen – ist zugleich vergebende Liebe. Sie ist so groß, daß sie Gott gegen sich selbst wendet, seine Liebe gegen seine Gerechtigkeit. Der Christ sieht darin schon verborgen sich anzeigend das Geheimnis des Kreuzes: Gott liebt den Menschen so, daß er selbst Mensch wird, ihm nachgeht bis in den Tod hinein und auf diese Weise Gerechtigkeit und Liebe versöhnt.“ (n. 10)

Der Papst fährt nun fort, indem er das biblische Gottesbild als eine großartige Synthese deutet, eine Synthese von Vernunft und Liebe, von Erkenntnis und Hingabe, von Nüchternheit und Leidenschaft. Was wir Menschen so gerne trennen, das ist in Gott Eines; jede Einseitigkeit verbietet sich von hier aus. Auch die Differenzen im Begriff der Liebe sind geeint, wie der Papst schreibt: „Damit ist der Eros aufs Höchste geadelt, aber zugleich so gereinigt, dass er mit der Agape verschmilzt.“ Darum kann es auch eine liebende Vereinigung des Menschen mit Gott geben, „aber diese Vereinigung ist nicht Verschmelzen, Untergehen im namenlosen Ozean des Göttlichen, sondern ist Einheit, die Liebe schafft, in der beide – Gott und der Mensch – sie selbst bleiben und doch ganz eins werden.“ (n. 10)

Das neue Gottesbild hat ein neues Menschenbild zur Folge. Darüber werde ich beim nächsten Mal sprechen.

Carl Friedrich von Weizsäcker: Die Geschichte der Natur. Zürich: Hirzel, 1948, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 61964, 126.

René Descartes: Discours de la méthode. Hamburg: Meiner, 1990, VI, 2.

183. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Der Evangelist Lukas beginnt seine Nacherzählung der Heilsgeschichte mit großen Namen: Kaiser Tiberius, Pontius Pilatus, Herodes u.a. Alle wichtigen Menschen der damaligen Zeit werden genannt, aber keiner nimmt Notiz von dem, was dann als das eigentliche Ereignis erzählt wird: Johannes der Täufer tritt auf und erfüllt die Weissagung des Propheten Jesaja, indem er sagt: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt.“

Die große politische Welt bekommt nichts mit von dem, was sich da am Jordan abspielt, aber die kleinen Leute erkennen, daß etwas Großes sich ankündigt und daß dieser Johannes anscheinend endlich wieder ein von Gott gesandter Prophet ist.

So ist es auch heute: Zwar bestimmen die Großen die Politik und die Wirtschaft, aber die wirklich entscheidenden Ereignisse und Bewegungen haben sie nicht in der Hand. Das kann uns Mut machen, wenn wir oft denken: Was können wir schon ausrichten? – Wir können viel, wenn wir uns nur anrühren und bewegen lassen von dem Großen, das Gott in der Geschichte getan hat und weiter tut. Ein einzelner Mann wie Johannes der Täufer hatte die Kraft, Jesus den Weg zu bereiten, und eine nicht unbeträchtliche Volksmenge ließ sich auf diesen Weg bringen. Damals wußte niemand, auch nicht Johannes, wohin das alles führen würde. Ja, anfangs wußte man noch nicht einmal, wer denn dieser Messias war, dem der Täufer den Weg bereitete.

Auch wir wissen heute nicht, was die Zukunft bringt. Aber wir wissen besser als die Leute damals, daß der Erlöser und Heiland tatsächlich gekommen ist, wir kennen ihn. Oder müßten wir sagen: Wir kennen ihn doch nicht ganz? Wir sollten ihn eigentlich viel besser kennen, aber wir haben uns um anderes gekümmert. – Wie dem auch sei – heute wie damals gilt es, diesem Einzigen, der alle Not wenden kann, den Weg zu bereiten. Denn wäre Gott tausendmal in Bethlehem geboren, doch nicht in dir, du wärest ewiglich verloren.

Das größte Unglück des Menschen besteht darin, keine Sehnsucht mehr zu haben, nichts mehr zu erhoffen, was das Irdische übersteigt. Das ist ein Unglück, weil der Mensch dann zu klein von sich selber denkt, er bleibt ein Gefangener der Dinge und der irdischen Maßstäbe und neigt am Ende entweder zu Depressivität oder zu Zynismus. Glücklich aber ist, wer ein Herz voller Sehnsucht hat, wer täglich neu sein Herz auf Gott hin ausweitet, um die Maße des Himmels zu bekommen. Wenn wir unser Herz zu Gott erheben, dann empfinden wir Freude und Trost, wir wachsen über uns hinaus, Gott entgegen.

Lassen wir uns nicht einschüchtern von dem, was die Welt groß nennt! Blicken wir lieber auf Christus, der uns befreien will. Räumen wir alle Hindernisse weg, die unser Herz an das Irdische ketten! „Bald wird kommen unser Gott, herrlich werden wir ihn schauen. Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.“

184. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2006)

Ich finde diesen Täufer Johannes faszinierend, ja nachahmenswert, liebe Schwestern und Brüder!

Keine Angst, ich will Sie nicht in die Wüste schicken. Auch dürfen Sie nicht erwarten, daß ich demnächst im härenden Gewand durch Grafenwald gehe. Auch will ich mich nicht ausschließlich von Insekten und wildem Honig ernähren. Dann bliebe von mir schmalen Kerlchen ja bald garnichts mehr über.

Nein, in einem anderen, wesentlich wichtigeren Punkt, finde ich den Täufer nachahmenswert: In seiner Art nämlich von Jesus Christus zu sprechen.

Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.
So heißt es über ihn in der Hl. Schrift.

Das Licht ist Jesus Christus, der Herr. Er ist die Lichtquelle, die strahlt.
Johannes verstand sich als eine Art Reflektor, als eine Art Spiegel, der das Licht Christi wiederspiegelt.

So wie der Mond nur strahlt, weil er das Licht der Sonne reflektiert, so leuchtet Johannes der Täufer, weil er vom Licht Christi angestrahlt wird.
Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis abgeben für das Licht.

Dieser Johannes muß einen enormen Eindruck auf die Leute damals gehabt haben. Ansonsten wären sie nicht so zahlreich zu ihm gepilgert.
Sicherlich, bei vielen wird auch eine gewisse Sensationslust mit im Spiel gewesen sein: Wann sieht man schon so einen Mann, der nicht nur rein äußerlich aus dem spießbürgerlichen Rahmen fällt.

Sein Auftreten hat für Aufregung gesorgt. Die Leute fragten sich, ob er der Messias sei. Das Volk war voller Erwartung.

Und er hat auf diese Frage ganz offen und ehrlich geantwortet.
Er hat sich nicht zum Messias gemacht: „Ich bin nicht der Messias. Nach mir kommt einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert ihm die Schuhe zu öffnen.“
Er hat also nicht angegeben oder übertrieben. Er hat sich selbst nicht überschätzt.

Er hat sich aber auch nicht unterschätzt. Er hat sich nicht unter Wert verkauft.
Er wußte um seine Bedeutung, seinen Auftrag, den Gott ihm gegeben hatte. Deshalb lehrte er die Menschen, was sie tun sollten und er taufte sie mit Wasser, um sie auf die Taufe mit dem Geist vorzubereiten.

Er hat schlicht und einfach die Wahrheit über sich und über Jesus Christus gesagt:
Christus ist der Herr, ich bin sein Diener.
Christus ist das Licht, ich spiegle nur sein Licht wieder.

Liebe Schwestern und Brüder!
Als Christen sind auch wir aufgerufen, für Christus Zeugnis abzulegen.

Aber mal ehrlich: Hat Ihnen schon jemand einmal die Frage gestellt, mit der sich auch Johannes konfrontiert sah, die Frage: Wer bist Du?
Wenn Menschen mit uns Christen zusammenkommen – weckt das in ihnen eine Erwartung nach mehr?
Wenn nicht? Warum nicht?
Könnte es sein, daß wir Christen, ich schließe mich da mit ein, nicht mehr auffallen?
Kann es ein, daß wir Christen keine Fragen in den Herzen der anderen mehr aufwerfen?
Kann es sein, daß wir in der Masse aufgegangen sind?
Oder noch anders gefragt: Sind wir vielleicht spießbürgerlich geworden, Menschen, die so mitschwimmen?

Natürlich, wir sind normale Bürger unseres Landes. Wir haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen.
Aber wir haben bestimmte von Gott gegebene Wertvorstellungen, die wir in die öffentliche Diskussion einbringen sollen.

Und da heißt es auch schon einmal, sich den Zorn der öffentlichen Meinung zuzuziehen, die mit Gott nichts mehr am Hut zu haben scheint.
Und da heißt es auch schon mal, sich auszuklinken, nicht mitzumachen mit der Masse.

Ich kann mich als Christ nicht über die miserable moralische Qualität der Fernsehsendungen aufregen und gleichzeitig fast jeden Nachmittag irgendwelche fragwürdigen Talkshows ansehen.

Ich kann mich als Christ nicht über die Jugend beschweren, die ja gar nicht mehr zur Kirche geht, und gleichzeitig selbst immer wieder Ausnahmen für mich persönlich geltend machen, wenn es um die Einhaltung der nach wie vor verpflichtenden Sonntagspflicht geht.

Man darf sich nicht nur das Etikett „Christlich“ geben. Man muß sich auch bemühen, danach zu leben. Das gilt für einzelne, wie für Verbände, wie für Parteien.
Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis abgeben für das Licht. heißt es von Johannes dem Täufer.
Er hat das Licht Christi in seine Umwelt hineingetragen. Er war wie ein Spiegel.

Auch wir sind aufgerufen in diese Welt die hell- und heilmachenden Strahlen des christlichen Glaubens zu senden.

Aber es gelingt uns nicht immer. Oft ist unser Spiegel verschmutzt, verklebt, blind. So kann das Licht Christi von uns nicht in seiner ganzen Leuchtkraft reflekiert werden.
Es kann sogar sein das der Spiegel unseres Herzens so verdreckt ist, daß wir uns selber nicht mehr darin erkennen können.

Wie jeder Badezimmerspiegel bedarf auch unser innerer Spiegel einer regelmäßigen Reinigung, damit er seine Aufgabe erfüllt und nicht an die Seite gestellt oder gar weggeworfen wird.

Johannes der Täufer war die Stimme in der Wüste, die rief:
Ebnet den Weg für den Herrn! Kehrt um!
Als eine der großen Gestalten des Advent ruft er uns auch heute noch zu Umkehr auf.

Als der künftige Pfarrpatron der großen Gemeinde ruft er uns in Gedächtnis, wofür wir da sind: Zeugnis zu geben für Christus, Räume eröffnen, um ihm zu begegnen, andere auf Christus hinweisen.
Die Kirche als Ganze und jede einzelne Pfarrei ist nie für sich selber da. Es geht nicht bloß um uns. Es geht in aller erster Linie um IHN
Wer wirklich umkehrt, der strahlt vor Freude. Der strahlt aber auch das Licht Christi aus, so wie es damals Johannes der Täufer tat.

185. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Das bischöfliche Hilfswerk Adveniat, das Jahr für Jahr zu Spenden für die armen Länder aufruft, hat in diesem Jahr eine Anstecknadel herausgebracht, die es wert ist, beachtet zu werden. Sie zeigt den Kopf einer Mariendarstellung, die einzigartig in der Welt ist. Der Journalist Paul Badde hat im vorletzten Jahr ein Buch über dieses Marienbild geschrieben, das bald zum Bestseller avancierte. Das Bildnis ist bekannt als die „Jungfrau von Guadalupe“.

Seine Entstehungsgeschichte ist abenteuerlich, geradezu unglaublich. Es war im Jahre 1531 in der Nähe von Tenochtitlan, der heutigen Stadt Mexiko. In jener Zeit hatten die Spanier das Land der Azteken zwar erobert und die alten Herrscher entmachtet, aber sie hatten die Herzen der Einwohner nicht gewonnen. Obwohl keine heidnische Religion blutrünstiger war als die der Azteken – deren Götter forderten Tausende von grausamen Menschenopfern –, fand der christliche Glaube der Konquistadoren wenig Gehör.

Eine Ausnahme war der arme Bauer Juan Diego, der schon bald nach der Eroberung Mexikos getauft worden war. Auf dem Wege zur Kirche in einer weit entfernten Stadt hatte er am 9. Dezember 1531 auf dem Berg Tepeyac eine Erscheinung der Jungfrau Maria. Sie erschien ihm als Frau mit indianischem Aussehen und gab ihm in seiner Sprache den Auftrag, ihr zu Ehren auf dem Berg eine Kapelle zu errichten. Juan Diego ging zum Bischof, doch dieser glaubte ihm nicht. Drei Tage später erhielt Juan Diego bei einer weiteren Erscheinung an derselben Stelle den Auftrag, Rosen zu pflücken und sie dem Bischof als Beweis zu bringen. Er fand die blühenden Rosen mitten im Schnee und nahm sie in seinen Umhang. Als er sie vor dem Bischof ausschüttete, zeichnete sich dort, wo die Blumen waren, in seinem Mantel das Bild der Jungfrau Maria ab.

Dieses Bild ist bis heute erhalten, obwohl der Stoff des Umhangs, Agavefaser, ähnlich unserem Jutestoff, normalerweise nur rund 20 Jahre hält. Sofort verbreitete sich die Nachricht von dem Wunder, und der Bischof ließ kurz darauf die Kapelle bauen. Später wurde dann eine riesige Basilika erbaut, um den immer zahlreicheren Wallfahrern Raum zu geben. Viel wichtiger und erstaunlicher aber ist die Wirkung, die das Bild auf die Ureinwohner Mexikos hatte: Die Menschen fanden in dem Bild die Wahrheit des christlichen Glaubens bestätigt.

Maria ist auf dem Bild als Mestizin dargestellt, d.h. als indiospanischer Mischling, womit angezeigt ist, daß sie die beiden Kulturwelten vermittelt. Sie steht außerhalb der Reihe der Sieger und Besiegten. Während die indianischen Götter Masken trugen, ist dieses Antlitz ohne Maske: Maria ist also keine Göttin, sondern eine menschliche Mutter. Gleichwohl ist sie größer als die einheimischen Götter, weil sie die Sonne verdeckt, sie jedoch nicht auslöscht. Sie ist mächtiger als die höchste Gottheit, der Sonnengott, mächtiger auch als der Mondgott, denn sie steht auf dem Mond, zertritt ihn aber nicht. Sonne, Mond und Sterne sind versöhnt und in Frieden zusammen – ganz im Gegensatz zu den geläufigen aztekischen Vorstellungen. In deren alter Überlieferung wurde das Erscheinen von neuen Sternen als Zeichen dafür gedeutet, daß das Ende einer Epoche gekommen war. So war zehn Jahre vor der Eroberung eine Unzahl von Sternen erschienen. Wie diese das Zeichen des Endes gewesen waren, so kündigten sie auf dem Mantel der Gottesmutter den Beginn einer neuen Ära an. – Die Tunika der Gottesmutter ist mattrot, die Farbe des höchsten Gottes, der dem Menschen das Leben schenkt. Rot ist auch die Farbe des Ostens, der siegreich aufgehenden Sonne, also auch Symbol des wiedergeborenen Lebens. Vor der Brust der Frau sind schwarze Bänder befestigt; sie waren bei den Frauen das Zeichen ihrer Mutterschaft. – Der Mantel der Gottesmutter ist blaugrün. Blau war die Farbe des Himmels, Grün die Farbe der Jade, die für die Azteken unvergleichlich wertvoller war als Gold und Silber. Grün und Blau waren Zeichen der Göttlichkeit, sie stellen die beiden Kräfte des Universums dar. Sie bedeuten Fruchtbarkeit und Leben. Sie bezeichnen die Gottesmutter als Mutter und Königin des Universums. – Ein Engel trägt die Figur der Gottesmutter in der Art, wie man bedeutende Personen auf den Schultern trug.

Das anmutige Bild und seine Symbolwelt war für das Volk wie ein Buch, ein symbolreicher Katechismus, den alle lesen konnten. Die Menschen erkannten in diesem Bild die Wahrheit der christlichen Offenbarung und bekehrten sich in unvorstellbaren Massen. Innerhalb von zehn Jahren traten 7 bis 8 Millionen Menschen zum Christentum über, und diese Bewegung ergriff auch auf die anderen lateinamerikanischen Länder.

Es ist gut, wenn wir uns acht Tage vor Weihnachten dieses Bild anschauen und in ihm die Frohe Botschaft wiederfinden, die allen Menschen verkündigt wird, die wir Europäer aber oftmals für veraltet und wertlos abtun. Gott hat auf die Niedrigkeit der armen Jungfrau Maria geschaut, und in ihrem Gesicht spiegelt sich nun die Freude über diese Erwählung und über das Erbarmen Gottes. Ähnlich schaut Gott auf jeden einzelnen von uns und will uns aus der Macht der lebensfeindlichen Mächte befreien.

Ich wünsche Ihnen, daß Sie in dem Bild der Jungfrau von Guadalupe das Frohmachende unseres Glaubens neu entdecken können. Dann können Sie erfahren, was der Apostel Paulus uns heute in der Lesung zusagt: „Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.“ (Phil 4,7)

Paul Badde: Maria von Guadulupe. Wie das Erscheinen der Jungfrau Weltgeschichte schrieb. München: Ullstein, 22004.

186. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Einige von Ihnen haben in den letzten Wochen eine der abendlichen Roratemessen miterlebt und dabei wahrscheinlich gespürt, wie gut es tut, in einer dunklen Kirche allein bei Kerzenschein stille zu werden und zu beten. Da gehen unsere Adventslieder noch tiefer zu Herzen, und die bekannten eucharistischen Gebete beginnen neu zu sprechen und machen unsere Antwort des Glaubens leichter.

Es geht doch darum, daß das Wort Gottes mich in meinem heutigen Alltag erreicht. Wann trifft es mich so, daß es mich ändert und bessert? Was kann ich dafür tun, daß es nicht an mir vorbeirauscht?

Das heutige Evangelium stellt uns die Gestalt Marias vor Augen, und in ihr treffen wahre Größe und unverstellte Offenheit für das Wort zusammen. Ja, an ihr wird deutlich, daß der Mensch in dem Maße groß wird, in dem er sich von Gott in Anspruch nehmen und von ihm führen läßt. Elisabeth preist ihre Cousine selig, weil sie geglaubt hat; und dieser Glaube war nicht so ein billiges „Herr, Herr“-Sagen, sondern eine bis in die letzte Lebensader dringende Grundentscheidung für Gott, eine totale Verfügbarkeit für Seine Offenbarung und Seine Führung. Wie sollte ihr kleiner Verstand schon verstehen, daß sie als Jungfrau Mutter werden sollte – und zwar die Mutter des Höchsten Gottes? Und mußte sie nicht damit rechnen, daß ihre Nachbarn und sicher auch ihr Bräutigam Josef ganz etwas anderes denken würden? In dieser Situation dennoch das Ja des Glaubens zu sprechen, war gewiß ungeheuer schwer, denn es bedeutete, ihr ganzes Leben von Gottes Plänen durchkreuzen zu lassen – und so kam es dann ja auch. Maria sagte JA zu ihrem Kind, zu den wirklich äußerst schwierigen Lebensumständen, die sich daraus ergaben, und sie sagte zuletzt noch JA, als sie ihren Sohn am Kreuz sehen mußte, was für sie die größte Schande bedeuten mußte.

Maria blieb fest im Glauben verwurzelt, daß Gott in ihrem Sohn Jesus wirkt, und am Ende durfte sie dann mit ihren Freunden das unbegreifliche Geschehen der Auferstehung erleben. Ähnlich ergeht es auch uns: auch unsere Lebenswege erfahren ihre geheimnisvolle Sinngebung meistens erst nach langen Jahren: Glücklich, wer auch in den dunklen Stunden an die Erfüllung des eigenen Lebens glauben kann und auf den verborgen wirkenden Gott sein Vertrauen setzen kann!

Das Beispiel Marias müßte uns doch Aufwind geben, in unserer Zeit Hoffnung und Gestaltungskraft zu zeigen. So sehr das Schicksal unserer Gemeinde im Dunkel der Zukunft liegt, so sehr gilt es heute, voller Zuversicht die anstehenden Dinge anzupacken.

Für mich als Pastor ist es nicht leicht, immer mit Hoffnung und Freude voranzugehen. Die Doppelaufgabe belastet mich schwer, und ich weiß kaum, den so verschiedenen Pflichten gerecht zu werden. Überall bleibt Wichtiges ungetan, und ich kann diesen Zustand nicht ändern. Dazu kommt noch, daß die Gutmeinenden sich manchmal gegenseitig im Wege stehen und ihre Energie in unnötigen Eifersüchteleien aufbrauchen. – Ich möchte allen so gerne Mut und Zuversicht vermitteln und spüre doch, wie sehr ich am Ende meiner Kraft angelangt bin.

Liebe Schwestern und Brüder! Wir gehen auf Weihnachten zu, haben das Licht von Bethlehem schon fast erreicht. Lassen wir uns von Maria den Weg zeigen zu unserem Herrn, der zwar durch so manche Finsternis führt, der aber sicher im strahlenden Licht des göttlichen Glanzes endet – beim Kind in der Krippe von Bethlehem. Amen.

187. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Am letzten Sonntag habe ich gesagt, daß Europa am Scheideweg steht: Wird es sich eingestehen, daß es wie der blinde Bartimäus auf Hilfe von oben angewiesen ist und wird es sich wieder auf Christus besinnen, oder wird es weiterhin seine christliche Vergangenheit in stolzer Verachtung mit Füßen treten? Mit dieser Frage habe ich Sie etwas ratlos zurückgelassen, da ich nicht gesagt habe, was Sie und ich damit zu tun haben bzw. was wir denn tun können, damit die Deutschland und die Völker Europas wieder auf einen guten, d.h. vom christlichen Glauben bestimmten Weg kommen.

Das Versäumte möchte ich heute nachholen. Die erste wichtige Einsicht, die hierhin gehört, ist: Ein Staat oder ein Staatenverbund ist kein Subjekt im Gegenüber zu den Staatsbürgern, sondern vielmehr die Gemeinschaft aller Subjekte, die zum Gemeinwesen gehören. Wir sind der Staat, und wir sind Europa, freilich nicht wir allein, sondern noch ganz viele Menschen mit uns, aber immerhin sind wir ein Teil des Ganzen. Wir können und wir dürfen uns nicht einreden lassen, was der Staat und was die Europäische Gemeinschaft tun, das geschähe völlig unabhängig von unserem Denken und Handeln. – Aber genau diese Vorstellung steckt in den Köpfen. Denn wie sonst ist es zu erklären, daß unser Land zu 70 Prozent aus Christen besteht und doch zunehmend den Eindruck erweckt, als wäre es ein reiner Atheistenstaat? Offenbar betrachten die meisten Christen ihren Glauben als Privatsache und somit als ein persönliches Gut, das im öffentlichen Leben nichts zu suchen hat.

Nun ist es aber eine Tatsache, die inzwischen sogar von Jürgen Habermas, dem führenden Vertreter atheistischer Sozialphilosophie, anerkannt wird, daß eine Gesellschaft von rein diesseitig orientierten Menschen immer egoistischer wird und daran eines Tages zugrunde gehen muß. Wer rein diesseitig orientiert ist, dem fehlt das Motiv, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Egoismus ist parasitär: er lebt von der Bereitschaft anderer, dem Gemeinwohl zu dienen, einer Bereitschaft, die er aber selber nicht aufbringt. Eine Gesellschaft, die der dienenden Liebe ihr wichtigstes Motiv raubt, nämlich den religiösen Aufblick zu Gott, sägt den Ast ab, auf dem sie selbst sitzt.

Würden die Christen ihren Glauben nicht als Privatsache betrachten, dann würde sich in unserem Land und in ganz Europa Entscheidendes ändern. Ich denke, die erste und bedeutendste Konsequenz wäre die Wiederherstellung des sozialen Friedens. „Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“, sagt Jesus in der Bergpredigt. (Mt 5,9) Daß uns die Seligpreisungen am Allerheiligenfest vorgelesen werden, hat unter anderem darin seinen Grund, daß es die Heiligen waren, die hier auf Erden die Bergpredigt gelebt und ins öffentliche Leben eingebracht haben. Es waren Menschen wie du und ich, die uns vorgemacht haben, daß und wie der Glaube tatsächlich die Gesellschaft zu gestalten vermag. Das ist die zweite Einsicht, die ich Ihnen heute eröffnen möchte: Es ist möglich, den Glauben in die Praxis umzusetzen in einer Weise, die das öffentliche Leben zum Guten verändert.

Am Gut des Friedens möchte ich dies ein wenig näher ausführen. In der letzten Weihnachtspredigt habe ich gesagt: Heute spricht jedermann von der Notwendigkeit, etwas für die Gesundheit zu tun, doch wer mahnt die Menschen zur regelmäßigen Friedensarbeit? Wir dürfen den Frieden nicht als etwas selbstverständlich Gegebenes auffassen, sondern als eine ständige Aufgabe, weil er ein Gut ist, das ähnlich zerbrechlich ist wie die Gesundheit. Friede entsteht auch nicht einfach durch das Gebet im stillen Kämmerlein, so wichtig das Gebet ganz gewiß ist. Friede erfordert Einsatz und Mut, mitunter Zivilcourage. Wir dürfen nicht tatenlos zusehen oder wegsehen, wenn andere Menschen Gewalt anwenden. Wir dürfen die Verantwortung nicht einfach an andere abschieben, sondern müssen sie selbst wahrnehmen. Ob Südkirchen das friedliche Dorf bleibt, das es ist, hängt entscheidend davon ab, wie sehr sich seine Bewohner einmischen und einsetzen. Wir dürfen unter uns keine soziale Ungerechtigkeit zulassen, sondern müssen unsere Phantasie anstrengen, um Lösungen für die großen Probleme zu finden, die aus der Arbeitslosigkeit erwachsen. Der Rückzug ins Private ist das größte Verhängnis, das wir uns selber bereiten. Er ist das Gegenteil der Heiligkeit, ein Zeichen von Schwäche und Verantwortungslosigkeit.

Die Heiligen machen uns Mut, aus dem privaten Raum ins öffentliche und politische Leben einzutreten. Ihre Nähe zu Gott brachte sie in die Nähe zu den Menschen und machte sie zu einem Sauerteig, der die Gesellschaft von innen her mit Geschmack versah.

Unser Land hat Heilige gehabt und hat sie auch heute noch. Sie sind unsere wahren Vorbilder, sie spornen uns an und befreien unser Herz von Armut und Enge, auf daß auch wir unsere Berufung entdecken, Friedensstifter zu sein in dieser Welt.

188. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2006)

Liebe Schwestern und Brüder,
wie passt dieses Evangelium zum Fest Christkönig?

Da wird doch nichts von einer Königsmacht deutlich. Jesus sagt zwar er sei ein König, aber das wirkt doch lächerlich in dieser Situation.
Als Jesus vor Pilatus stand, hatten scheinbar die Römer und die herrschenden Juden die volle Macht über Jesus. Ganz sicher war Jesus kein König, kein Mächtiger, denn er starb ja am Kreuz. Und trotzdem sagt er von sich: Ja, ich bin ein König.
Scheinbar hatten am Anfang dieses Jahrhunderts, als das Fest Christkönig eingeführt wurde, ganz andere Kräfte die Macht in der Hand. Und doch hielten die Christen daran fest:

Der eigentliche König ist und bleibt Jesus Christus.
Scheinbar haben auch heute ganz andere Kräfte die Macht auf ihrer Seite. Für viele ist es das Geld, das alle regiert. Für andere ist es die politische Macht, die Wirtschaft, die Banken oder einfach nur die USA.
Und trotzdem bleiben die Christen dabei: Jesus ist der eigentliche Herr.
Aber, und das gehört dazu: «Mein Königreich ist nicht von dieser Welt.» Er will nicht einfach sein Königreich gegen die Reiche dieser Welt setzen. Und so geht es auch beim Christkönigsfest nicht darum, allen Politikern und Staatsmännern das Vertrauen zu entziehen und nur noch Gott zu gehorchen. Es geht vielmehr darum, sich selbst zu fragen, nach welchen Maßstäben ich mich hier in dieser Welt eingerichtet habe.

  • Wer in unserer Welt als ein Großer und Mächtiger gelten möchte, der muss andere Menschen fest im Griff haben.

  • Im Königreich Jesu ist der ein Großer und Mächtiger, der muss sich selbst im Griff hat.

  • In unserer Welt zählt derjenige als ein König, der viele Menschen unter sich hat. Je mehr es sind, desto bedeutender ist er.

  • Im Glauben ist der ein König, der selber den Menschen dient. Dabei kommt es nicht darauf an, wie vielen er dient, sondern mit welcher Hingabe er es tut.

  • In der kommerziellen Welt gilt der als ein König, der sich gut verkaufen und vermarkten lässt. Ob als König der Popmusik, König der Volksmusik oder als ein Meister des Humors.

  • In der Welt unseres Königs ist selbst der wertvoll, der nichts mehr zu verkaufen hat, weil er von Gott geliebt wird; arm ist nur der, der ärmlich denkt, schlechtes tut und wenig liebt.

  • In der Welt der Politik ist der der wichtigste, der bei seiner Wahl die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte.

  • In der Welt Jesu ist der der Größte, der seine Stimme zum Lob Gottes einsetzt.

Das heißt nicht (wenn ich diese Gegenüberstellung mache), dass die Welt nur schlecht ist. Aber sie wird immer schlechter, wenn wir uns nicht darum bemühen, nach anderen Maßstäben zu denken und zu leben.

Das Königreich Jesu ist nicht von dieser Welt, weil die Maßstäbe, mit der Gott uns bemisst, vollkommen andere sind.
Mit welchen Maßstäben Gott uns misst, können wir in unserer Kirche immer wieder sehen. Schauen Sie auf das Kreuz:
Jeder und jede von uns ist das ganze Blut Christi wert. Jeder und jede von uns ist von ihm geliebt. Für jeden und jede ist er gestorben. Die selige Mutter Teresa sprach immer wieder davon, dass man lieben muß, bis es weh tut. Wir tun uns damit wirklich schwer, wir haben sogar Manschetten, uns selbst in den Finger zu pieken. Noch schwerer ist es, für jemanden anderen zu leiden.
Jesus ist für uns gestorben, damit wir leben. Das ist unser König.

Und sein Reich strahlte auf, wo ein Hl. Maximilian Kolbe sich anbot für einen anderen zu sterben.
Und sein Reich strahlt schon unter uns auf, wo wir in seinem Namen für andere da sind, Opfer bringen, lieben.
Es ist letztlich das Reich, das alle anderen überdauern wird. Denn die einzige Macht, die nicht korrupt macht, ist die Macht der Liebe. Amen.

189. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

In der letzten Predigt über die Enzyklika des Papstes habe ich über das neue Gottesbild gesprochen, das sich in dem Satz äußert: „ Gott ist (die) Liebe .“ Der heutige Dreifaltigkeitssonntag stellt uns eben diese Liebe, die Gott wesenhaft und in sich ist, heraus: Gott ist kein einsamer Monarch, sondern in sich selbst ein Gegenüber von Personen, die einander unendlich lieben und in dieser Liebe so sehr EINS sind, daß es keine Spaltung, keine Trennung, kein Zerwürfnis, keine Entfremdung, keinen Mißklang und keine Konkurrenz gibt. Die biblische Offenbarung vom Dreifaltigen Gott ist darum keine bloße Zutat zum Christentum. Sie ist vielmehr der Höhepunkt der Selbstoffenbarung Gottes. Sie besagt, daß Gott im tiefsten Wesen Liebe ist, Mitteilung seines unendlichen strömenden Lebens: vom ewigen Vater zum ewigen Sohn, von beiden zum Heiligen Geist: Austausch und Beziehung in der Einheit des göttlichen Wesens.

Heute möchte ich darüber sprechen, welche Folge diese Offenbarung Gottes für das Bild vom Menschen hat. Denn wenn der Mensch, wie es schon im ersten Buch der Bibel heißt, nach dem „Bilde Gottes“ geschaffen ist (Gen 1,26), dann muß es einen Unterschied auch für das Menschenbild machen, ob zu Gott wesenhaft die Liebe gehört oder nicht. Und tatsächlich erzählt uns die Bibel schon ein paar Seiten später, daß „es nicht gut ist, daß der Mensch allein bleibt“ (Gen 2,18). Wenn Gott in seinem innersten Wesen Beziehung ist, dann ist der nach seinem Bild geschaffene Mensch ohne Beziehungen unvollständig – sozusagen nur ein halber Mensch. Doch kommt hier nur eine Beziehung zu einem anderen Menschen in Frage, Tiere sind dazu nicht in der Lage, dem Menschen die nötige Hilfe und Ergänzung zu sein. Als darum Gott dem Mann die Frau hinzuschafft, ruft dieser aus: „Das ist endlich Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“. (Gen 2,23) Und dann folgt eine Prophezeiung: „Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch.“ (Gen 2,24)

Der Papst findet an dieser Erzählung zwei Punkte bemerkenswert: Der erste betrifft die Weise der menschlichen Liebe, die Eros genannt wird. Er schreibt: „Der Eros ist gleichsam wesensmäßig im Menschen selbst verankert; Adam ist auf der Suche und »verläßt Vater und Mutter«, um die Frau zu finden; erst gemeinsam stellen beide die Ganzheit des Menschseins dar, werden ,,ein Fleisch’’ miteinander.“ – Und dann kommt er auf den zweiten Punkt zu sprechen, den Sinn des Eros: „Nicht minder wichtig ist das zweite: Der Eros verweist von der Schöpfung her den Menschen auf die Ehe, auf eine Bindung, zu der Einzigkeit und Endgültigkeit gehören. So, nur so erfüllt sich seine innere Weisung. Dem monotheistischen Gottesbild entspricht die monogame Ehe. Die auf einer ausschließlichen und endgültigen Liebe beruhende Ehe wird zur Darstellung des Verhältnisses Gottes zu seinem Volk und umgekehrt: die Art, wie Gott liebt, wird zum Maßstab menschlicher Liebe. Diese feste Verknüpfung von Eros und Ehe in der Bibel findet kaum Parallelen in der außerbiblischen Literatur.“ (DeC n. 11)

Fassen wir es noch einmal kurz zusammen: 1. Der Mensch ist gleichsam unvollständig, solange er ohne Beziehung in Einsamkeit lebt. 2. Die erotische Liebe zwischen Mann und Frau ist dem Menschen eingestiftet, damit die zwei sich zur Ganzheit ergänzen. Gerade in dieser Liebesbeziehung können sie Ebenbild der göttlichen Liebe sein. 3. Diese Beziehung ist exklusiv und auf Endgültigkeit angelegt; sie sagt: „Nur du – und du für immer!“ Und dies ist so, weil dies die Art ist, wie Gott liebt, und weil Gottes Liebe den Maßstab für die menschliche Liebe abgibt.

Der Eros ist freilich nicht die einzige Form der Liebe. Der Mensch steht noch in anderen Beziehungen zu seinen Mitmenschen, und auch hierin spiegelt sich sein Geschaffensein nach dem Bilde Gottes. So werden die Brautleute unmittelbar vor ihrer Trauung gefragt: „Sind Sie beide bereit, als christliche Eheleute Mitverantwortung in der Kirche und in der Welt zu übernehmen?“ Das heißt: In dem Augenblick, in dem es um die exklusivste Bindung von Menschen aneinander geht, wird deutlich gemacht, daß diese Bindung nicht als isolierte Zweisamkeit verstanden werden darf, sondern wesentlich auf Außenbeziehungen angelegt ist. Anders gesagt: Der Mensch ist ein soziales Wesen, und diese seine Natur erschöpft sich nicht darin, einen Lebenspartner zu finden, zu heiraten und Kinder zu zeugen. So vielgestaltig die Liebe ist, so mannigfaltig können und sollen auch die Beziehungen sein, in denen der Mensch seine soziale Natur verwirklicht. In dem ganzen zweiten Teil seiner Enzyklika geht der Papst auf die christliche Caritas ein, das Liebestun der Kirche, zu dem jeder einzelne berufen ist. Und immer wieder weist er auf die eigenartige Struktur der menschlichen Sozialnatur hin, die nur dann zur Selbstverwirklichung kommt, wenn der Mensch „aus der Enge seines Daseins heraus“ geht (n. 4; 14), wenn er „den Weg aus dem in sich verschlossenen Ich zur Freigabe des Ich, zur Hingabe und so gerade zur Selbstfindung“ (n. 6) geht.

Das christliche Menschenbild ist somit weit entfernt von einem Individualismus, der von der Autonomie des Einzelnen ausgeht und die Gemeinschaft als etwas nur Sekundäres auffaßt. Es ist aber genauso weit vom Kollektivismus entfernt, der das einzelne Individuum mißachtet und als bloßen Teil eines großen Ganzen betrachtet, so wie in einem Ameisenhaufen alle gleichgeschaltet sind, und der einzelne nicht für sich, sondern für das Kollektiv da ist. In beiden extrem entgegengesetzten Vorstellungen wird der Liebe keine Bedeutung beigemessen: der Individualist kennt nur die Selbstliebe, der Kollektivist hat kein personales Gegenüber und verliert selbst sein persönliches Gesicht in der Masse, in der er gerne untergeht.

Wenn Jesus kurz vor seiner Himmelfahrt den Auftrag gibt, zu allen Völkern zu gehen, alle Menschen zu seinen Jüngern zu machen, sie auf den Namen des Dreifaltigen Gottes zu taufen und sie zu lehren, alles zu befolgen, was er geboten hat (Mt 28,19f), dann wünscht er, daß alle, die die Liebe Gottes erfahren haben, diese auch weitergeben – und zwar uneingeschränkt. Die Mission ist selbstverständlich für denjenigen, der von der Liebe Gottes ergriffen ist. Es wäre schnöde Undankbarkeit, wollte ich diese Liebe nur für mich allein haben, und törichter Unverstand, wenn ich nicht wünschte, daß alle Menschen gleichfalls von dieser Liebe ergriffen würden. Der Papst fordert uns auf, Menschen zu sein, „die von der Liebe Christi berührt sind, deren Herz Christus mit seiner Liebe gewonnen und darin die Liebe zum Nächsten geweckt hat. Ihr Leitwort sollte der Satz aus dem Zweiten Korintherbrief sein: »Die Liebe Christi drängt uns« (2 Kor 5, 14). (n. 33)

190. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Wenn ich Sie fragen würde: „Was bedeutet eigentlich das Wort ‚Hostie’?“, dann gäbe es vermutlich kaum jemanden, der mir die ursprüngliche Wortbedeutung nennen könnte: nämlich ‚Opfer’ oder ‚Opfertier’. Wir verbinden mit der Eucharistie alles Mögliche, am wenigsten aber den Gedanken an einen Opferkult. Das war in der Urkirche anders. Da sah man ganz klar den Zusammenhang zwischen Jesus Christus, der Eucharistie und den alttestamentlichen Opferkulten.

Der Hebräerbrief zeigt uns diesen Zusammenhang auf: „Denn wenn schon das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer Kuh die Unreinen, die damit besprengt werden, so heiligt, daß sie leiblich rein werden, wieviel mehr wird das Blut Christi unser Gewissen von toten Werken reinigen.“ (Hebr 9,13f) Und kurz vorher heißt es: Christus „ist ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen, nicht mit dem Blut von Böcken und jungen Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut, und so hat er eine ewige Erlösung bewirkt.“ (Hebr 9,12) – Was heißt das? Es heißt, kurz gesagt, erstens, daß Jesu Tod ein Opfer gewesen ist, d.h. ein Hingabeakt und eine Gabe an den Vater zum Zweck der Vergebung und Versöhnung. Zweitens: Dieses Opfer ist ein für allemal geschehen, es ist nicht wiederholbar, sondern steht einmalig in der Geschichte da, weil es eine Kraft hat, die alle bisherigen Opfer übersteigt. Und drittens: an diesem Opfer nehmen wir Anteil, wenn wir die Eucharistie feiern: Die Kommunion ist die Hostie, die Opferspeise: der geopferte Leib Jesu.

Aber warum Opfer, warum Tod, warum Blut? Wir finden die Antwort in der Enzyklika des Papstes über die Liebe Gottes. Am letzten Sonntag habe ich von der menschlichen Sozialnatur gesprochen, die nur dann zur Selbstverwirklichung kommt, wenn der Mensch „den Weg aus dem in sich verschlossenen Ich zur Freigabe des Ich, zur Hingabe und so gerade zur Selbstfindung“ geht (DeC n. 6). Der Papst begründet diesen Gedanken mit einer Schriftstelle:

„Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es gewinnen“ ( Lk 17, 33)... Jesus beschreibt damit seinen eigenen Weg, der durch das Kreuz zur Auferstehung führt – den Weg des Weizenkorns, das in die Erde fällt und stirbt und so reiche Frucht trägt; aber er beschreibt darin auch das Wesen der Liebe und der menschlichen Existenz überhaupt von der Mitte seines eigenen Opfers und seiner darin sich vollendenden Liebe her.“ (n. 6)

Liebe ist demnach wesentlich Hingabe, und als Hingabe ist sie Opfer: Verzicht auf das Eigene zum Wohle des anderen. In einer Welt, die mit Bosheit angefüllt ist, kann die Liebe sogar die Gestalt des blutigen Opfers annehmen – und gerade so überwindet sie die Bosheit von innen her.

Der Papst zeigt von hier aus den Zusammenhang mit der Eucharistie auf: „Diesem Akt der Hingabe hat Jesus bleibende Gegenwart verliehen durch die Einsetzung der Eucharistie während des Letzten Abendmahles.“ Die Eucharistie ist die Feier, in der der Opfertod Jesu immer neu gegenwärtig gesetzt wird, damit alle Menschen, eben auch wir, zugegen sein können und die Frucht der Versöhnung erhalten. Während der Alte Bund einen Kult erforderte, bei dem immer neue Opfertiere geschlachtet werden mußten, hat Christus mit seinem Blut einen neuen Bund gestiftet, der am Kreuz ein für allemal besiegelt wurde und unsererseits keine neuen Opfer erfordert, sondern lediglich die Bereitschaft, uns davon erfüllen und umwandeln zu lassen.

Und nun kommt ein sehr tiefer Gedanke in der Enzyklika:

„Wenn die antike Welt davon geträumt hatte, daß letztlich die eigentliche Nahrung des Menschen – das, wovon er als Mensch lebt – der Logos, die ewige Vernunft sei: Nun ist dieser Logos wirklich Speise für uns geworden – als Liebe. Die Eucharistie zieht uns in den Hingabeakt Jesu hinein. Wir empfangen nicht nur statisch den inkarnierten Logos, sondern werden in die Dynamik seiner Hingabe hineingenommen.“ (n. 13)

Wovon lebt der Mensch? Nach der Auffassung der griechischen Philosophen lebt der Mensch von der Theorie, der Schau, der Vernunft. Die christliche Lehre überbietet diese Meinung: Der Mensch lebt zwar auch von alledem, aber mehr noch lebt er von der Liebe. Ja, er kann nur leben, wenn Logik und Liebe keine Gegensätze mehr sind, wenn sie zusammengehen. Und darum darf die Kommunion auch nichts Statisches bleiben, kein bloßes Konsumieren und Besitzen; sie zielt vielmehr auf eine Dynamik, auf die Liebe Christi nämlich, an der der Kommunizierende Anteil nehmen kann und soll. Der Empfang der Opferspeise soll mich selbst bereit machen zur Liebe, zum Mitgehen mit der Liebe Christi, zum Eingehen in sein Opfer; die Kommunion soll wirklich sein, was das Wort bedeutet: Gemeinschaft.

Hieran schließt sich ein weiterer wichtiger Gedanke: Die Kommunion ist nie etwas Isoliertes, das allein einem einzelnen zukommt.

„In der Kommunion werde ich mit dem Herrn vereint wie alle anderen Kommunikanten: »Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib, denn wir alle haben teil an dem einen Brot«, sagt der heilige Paulus (1 Kor 10, 17). Die Vereinigung mit Christus ist zugleich eine Vereinigung mit allen anderen, denen er sich schenkt. Ich kann Christus nicht allein für mich haben, ich kann ihm zugehören nur in der Gemeinschaft mit allen, die die Seinigen geworden sind oder werden sollen. Die Kommunion zieht mich aus mir heraus zu ihm hin und damit zugleich in die Einheit mit allen Christen.“ (n. 14)

Die Liebe Gottes macht sich gerade darin kund, daß sie die von ihr Ergriffenen berührt und zu einem Leib zusammenschmilzt. In dieser Mitte des christlichen Kultgeschehens ist jeder Egoismus ausgeschlossen! Man kann nun nicht mehr Kult und Ethos getrennt praktizieren oder gegeneinander ausspielen, also das eine tun und das andere lassen. Wer ohne Liebe an der Eucharistie teilnimmt, dem fehlt das wichtigste – er geht leer aus. Ich zitiere:

„Im ‚Kult’ selber, in der eucharistischen Gemeinschaft ist das Geliebtwerden und Weiterlieben enthalten. Eucharistie, die nicht praktisches Liebeshandeln wird, ist in sich selbst fragmentiert, und umgekehrt wird … das ‚Gebot’ der Liebe überhaupt nur möglich, weil es nicht bloß Forderung ist: Liebe kann ‚geboten’ werden, weil sie zuerst geschenkt wird.“ (n. 14)

Liebe Gemeinde! „Gott ist Liebe!“ ist kein schöner Kalenderspruch, sondern eine Wahrheit, die wir nicht genug bedenken können. Heute steht mit der Eucharistie der Aspekt dieser Liebe im Vordergrund, der darauf zielt, daß wir alle immer mehr von dieser Liebe durchdrungen werden. Und wir antworten darauf mit Dankbarkeit und hochgemuter Freude, wenn wir nun den Leib des Herrn durch unser Dorf begleiten.

191. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2006)

Liebe Schwestern und Brüder!

Am heutigen Sonntag gehen wir in die Schule. Eine ganz besondere Schule: In die Schule der Hl. Familie.
Unsere Lehrer heißen Jesus, Maria und Josef.
Und wir haben drei Lektionen zu lernen:
Die erste: Die Arbeit.
Die zweite: Die Erziehung.
Die dritte: Das Gebet.

Die Arbeit.
Josef war ein Zimmermann, ein Handwerker. Es ist sicher, dass er Jesus sein Handwerk beigebracht hat. Das war Gewohnheit damals in Palästina.

Aus meiner Sicht scheint es mir unvorstellbar, dass Josef schlecht gearbeitet haben könnte oder Jesus nur sehr oberflächlich in die Arbeit einwies.

Jesus, der Sohn Gottes, ist die menschliche Arbeit nicht geflohen. Den Großteil seines irdischen Lebens hat er seinem irdischen Vater bei der Arbeit geholfen. Und Jesus war sicherlich ein guter Handwerker. Denn er war vollkommen Mensch.

Und auch Maria kann nicht eine faule Frau gewesen sein. Andernfalls würden nicht so viele Bilder und Gemälde existieren, die die Madonna arbeitend zeigen, währen der Engel zu ihr kommt, um ihr zu verkünden, dass sie zur Mutter Gottes berufen sei.

Das Haus der Heiligen Familie war sicherlich ein Haus, in dem gearbeitet wurde, gut gearbeitet wurde.
Gut gearbeitet, weil sie ihre Arbeit geheiligt haben. Die Mitglieder der Hl. Familie wussten sich nämlich in der Gegenwart Gottes, der den Menschen die Fähigkeit und die Kreativität gegeben hat zu arbeiten. Jesus, Maria und Josef haben Gott ihre Arbeit als ein Opfer angeboten, weil sie wirklich ganz Mensch sein und ihren Schöpfer ehren wollten.

Das ist das Ergebnis der ersten Unterrichtseinheit: Gut zu arbeiten ist eine gerechte und gute Sache, weil wir so Gott zeigen können, dass wir ihn lieben.
Jeder von uns muß arbeiten: sei es zu Hause, in der Fabrik, im Büro, auf der Station, im Labor...
Jeder von uns kann seine Arbeit heiligen, indem er durch sie anderen hilft, die Welt mitgestaltet und so Gott lobt.

Die zweite Lektion: Erziehung.
Jesus war vollkommen Mensch. Das heißt aber nicht, dass er es nicht nötig gehabt hätte zu lernen. Der Sohn Gottes wurde erzogen von Josef und Maria.

Der Evangelist Lukas nähert sich dieser Realität so:
Dann kehrte er mit ihnen nach Nazareth zurück und war ihnen gehorsam.
Das ist ein Beispiel für die jungen Menschen oder für die junggebliebenen, die weiter lernen wollen:
Man muss die Bereitschaft haben, die Ratschläge der Menschen anzuhören, die Erfahrungen haben. Nur der Mensch reift, der reifen Menschen horcht.
Der Sohn Gottes, der König der Welt war Maria und Josef gehorsam. Auch wir sollten also bereit sein, weise und kluge Ratschläge und Hinweise anzunehmen. Das gilt auch für das Glaubens- und Gebetsleben.

Aber die Hl. Familie zeigt auch wie es möglich sein kann, die jungen Menschen in einer angemessenen Form zu erziehen:

Wußtet ihr nicht, dass ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört? So fragte Jesus seine Eltern, nachdem sie ihn nach langer Suche endlich gefunden hatte.

Eine wirklich angemessene Erziehung zielt darauf ab, freie Personen hervorzubringen, die die Fähigkeit haben, ein eigenständiges Leben zu leben. D. h. dass die Erziehenden niemals die zu Erziehenden für sich besitzen. Die Kinder sind nicht das Eigentum der Eltern, die Schüler nicht das der Lehrer.
Jene freilassen, loslassen können, um die man sich sorgt – das ist wohl mit die größte erzieherische Herausforderung. Man muß lernen, die Kinder sozusagen von sich weg zu erziehen.

Beginnen wir nun mit der letzten Unterrichtsstunde für heute: Das Gebet.

Beten heißt, sprechen mit Gott. Aber wie? Die Antwort der Hl. Familie auf diese unsere Frage klingt folgendermaßen: Mit Einfachheit, mit Natürlichkeit, mit Vertrautheit.

Schauen wir auf Maria und Josef: Sie sprechen mit Jesus – also mit Gott – jeden Tag, über wichtige und weniger wichtige Themen, während des grauen Alltagstrotts und bei besonderen Gelegenheiten. Und sie sprechen mit Jesus auch häufig ohne Worte, weil auch ein liebender Blick, eine kleine Hilfe spricht.

Diese Atmosphäre des Gebetes fasst der Hl. Josefmaria, der Gründer des Opus Die, einmal so zusammen:
Du hast mir geschrieben: "Beten ist Sprechen mit Gott. Aber wovon?" - Wovon? Von Ihm und von dir, von Freude und Kummer, von Erfolgen und Mißerfolgen, von hohen Zielen und alltäglichen Sorgen... Von deinen Schwächen! Danksagungen und Bitten. Lieben und Sühnen.
Kurz, Ihn erkennen und dich erkennen: Beisammen sein!
Die Hl. Familie lehrt uns aber darüber hinaus auch die kirchliche Dimension des Gebetes: Im Evangelium des Lukas heißt es auch einmal, dass Maria und Josef das Jesuskind nach Jerusalem getragen haben, um es aufzuopfern, wie es im Gesetz des Herrn geschrieben steht.
Die Hl. Familie ist so ein gutes Beispiel, die Gebote und Ratschläge der Kirche ernst zu nehmen, weil Maria und Josef die Gebote des Alten Testamentes ernstnahmen.
Die Tradition der Kirche ist reich an geistlichen Hilfen, z. B. die Sonntagspflicht oder das Beobachten der unterschiedlich geprägten Zeiten des Kirchenjahres. Nutzen wir diesen Reichtum!

Natürlich und einfach zu beten zusammen mit der Kirche – das ist der letzte Lehrerfolg unserer heutigen Lektionen.

Sicherlich lohnt es sich immer häufiger in die Schule der Hl. Familie zu gehen. Diese Erziehung kann uns Gläubige gerade jetzt Orientierung geben, in einer Zeit, in der wir als Pfarrgemeinden zusammengehen.

192. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Das heutige Evangelium ist das einzige im NT, in dem vom jugendlichen Jesus die Rede ist. Wir wissen über die psychologische Entwicklung des jungen Jesus sonst nichts. Lediglich das heutige Evangelium erzählt uns von einem Ereignis, das für Jesu Selbstverständnis und auch das Leben seiner Familie fundamental und existentiell tiefgreifend war.

Es muß damals wie ein Lauffeuer durch die Plätze und Hallen des Tempels gelaufen sein: Ein Zwölfjähriger aus Nazareth sitzt „mitten unter den Lehrern, hört ihnen zu und stellt Fragen“! (Lk 2,46)

Was war vorher passiert? Die heilige Familie war zum Paschafest nach Jerusalem hinaufgezogen. Dort erlebten sie die Opferfeier mit: Tausende von Opferlämmern wurden geschlachtet zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten und zur Entsühnung des Volkes. Es ist zu vermuten, daß dieses blutige Ritual Jesus nicht kalt gelassen hat. Die Erschütterung hat vermutlich zur Entwicklung seines Selbstbewußtseins wesentlich beigetragen. Ihm dürfte jetzt klar geworden sein, daß diese Opferlämmer etwas mit seinem eigenen Weg zu tun hatten: Er würde sich hingeben als das wahre Lamm, um die Sünden der Welt zu tragen und hinwegzunehmen.

So mußte er die Gelehrten fragen, was sie von der Schrift verstanden, insbesondere von den Verheißungen des Messias. Jesus war offenbar so sehr in dieses Gespräch vertieft, daß er nicht nur die Zeit, sondern auch seine Eltern vergaß; so kam es zu der brüskierenden Frage: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49) So als wäre es das Selbstver­ständ­lichste auf der Welt, daß er dort mit den Schriftgelehrten im Tempel saß!

Dies Erlebnis hat Maria und Josef sehr betroffen gemacht. Was Jesus da von sich und von seiner einzigartigen Beziehung zu seinem Vater im Himmel sagte, war für sie neu. Es überstieg ihr Fassungsvermögen. „Sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte.“ (Lk 2,50)

Maria hat sich über die Antwort Jesu nicht geärgert, sie verstand einfach nicht, was da mit ihrem Sohn los war. Es heißt schlicht, daß sie „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte“ (Lk 2,51) – in der Hoffnung, daß sie es später vielleicht einmal verstehen würde. Maria und Josef mußten lernen, daß ihr Sohn ein Geheimnis hatte, sie mußten mit Jesus einen Weg gehen, der sie immer tiefer in den Glauben führte. In den Glauben an einen Gott, der in einzigartiger Weise der Vater ihres Kindes Jesus war.

Wir nennen Maria, Josef und Jesus die „heilige Familie“. Schon diese Bezeichnung macht das Ganz-anders-Sein dieser Familie deutlich, so daß wir verführt sind zu meinen, daß wir eine solche Idealfamilie nie sein und darum auch nichts von ihr lernen können. Aber bei allem Unterschied kann uns die Begebenheit des heutigen Evangeliums doch etwas Wichtiges über den Generationenkonflikt sagen. Wenn es schon für Maria und Josef schwer war, ihren Sohn zu verstehen, muß es uns dann wundern, wenn auch heute zwischen den Generationen Mißverständnisse und Unverständnis aufkommen?

Nicht das ist das Schlimme, daß es solche Mißstimmungen gibt, sondern daß viel zu häufig falsch damit umgegangen wird! Z.B. daß man sich gegenseitig die Schuld zuweist, das Gespräch abbricht, einander die kalte Schulter zeigt. Die Erfahrenen sollten vor allem Geduld walten lassen, die Jungen dagegen bedenken, daß ihr Standpunkt nicht der einzig wahre und der einzig mögliche ist. Ihnen kann vielleicht der witzige Spruch von Mark Twain helfen: „Als ich 14 Jahr alt war, war mein Vater für mich so dumm, daß ich ihn kaum ertragen konnte. Aber als ich 21 wurde, war ich doch erstaunt, wie viel der alte Mann in sieben Jahren dazu gelernt hatte.“

Maria hat ihren Sohn gefragt: „Kind, wie konntest du uns das antun?“ Sie spricht damit all ihre Sorge und Angst aus, die sie drei Tage lang erlitten hat. Das hat ihr zwölfjähriger Sohn offenbar nicht gewußt und auch nicht gewollt. Es war in Ordnung, ihm das vor Augen zu führen. Aber Maria hat nicht hinzugesetzt: „Was haben wir nicht alles für dich getan! Und das ist der Dank dafür?“ – Solche Vorwürfe sollte man seinen Kindern ersparen, denn sie erzeugen nur unnötigen Druck und tragen zum Verständnis nichts bei. Dies gilt freilich noch weit mehr von der berüchtigten Satzeinleitung: „Solange du deine Füße unter unseren Tisch setzt…“

Konflikte sind im Leben unvermeidlich. Wenn sie auf eine vernünftige Weise ausgetragen werden, können sie zu einer reiferen Beziehung führen, zu einem besseren gegenseitigen Verständnis und zu einer wachsenden Hochschätzung des Anderen. Dies wird freilich nicht immer gelingen, manchmal scheint es einfach keine Lösung zu geben. Dann ist aber immer noch Zeit und Gelegenheit, Maria, Josef und Jesus als Fürsprecher anzurufen. Sie kennen sich mit so etwas aus, und sie können gewiß vom Himmel her helfen.

193. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Heute feiern wir den Tag, an dem der Herr das irdische Dasein endgültig hinter sich gelassen und in das Licht des ewigen Vaters zurückgekehrt ist. Das irdische Dasein Jesu war nur von vorübergehender Dauer, nicht aber sein Leben überhaupt. Diese Welt ist vergänglich, wer in sie eintritt, muß sie eines Tages wieder verlassen. Aber das ist kein Grund zum Jammern und Klagen, denn das wahre Leben kommt erst noch.

Wenn wir glauben, daß Jesus nach Tod und Auferstehung in den Himmel aufgefahren ist, dann bedeutet das zugleich, daß Jesus diesen Himmel überhaupt erst geschaffen hat. „Er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters.“ Wo Jesus ist, da ist der Himmel, da ist das Reich Gottes, da herrscht Gott und nicht mehr das Böse, die Sünde.

Himmel und Erde sind aber nicht völlig getrennt. Jesus ist nicht einfach nur von uns weggegangen, sondern in einer neuen Weise bei uns geblieben. Wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, da ist er mitten unter ihnen. Jesus ist in seinen Gläubigen und in seiner Kirche. Dieses Innesein in jedem, der glaubt, ist erst seit der Himmelfahrt Jesu möglich, denn es ist ein geistiges Sein, das dem rein irdischen Leib Jesu noch verwehrt war. Der verklärte Leib Jesu aber ist so, daß er zugleich im Himmel und auf der Erde sein kann. „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht.“

Dieses In-Sein Jesu in uns wird auf eine noch tiefere Weise wirklich, nämlich in der Eucharistie: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm.“ Jesus ist bei uns, aber viel inniger, als ein Mensch bei uns sein kann: Jesus ist mit Leib und Seele in unserem Leib und in unserer Seele. Ein Stück dieser Erde ist schon verwandelt in die himmlische Wirklichkeit, in der Jesus nun existiert, und im Essen dieses verwandelten Brotes werden wir selber verwandelt, werden Jesus anverwandelt. Wir ahnen schon das Ziel dieser Bewegung: Eines Tages soll die ganze Welt in Gott hineinverwandelt werden, soll jeder Mensch an der verklärte Existenzweise Jesu teilhaben. Und der eucharistische Leib Jesu ist das Mittel zum Ziel, ist das Lebens-Mittel, das uns hinüberführt, wie Jesus sagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, (ich gebe es hin) für das Leben der Welt.“ (Joh 6,51)

Aus dieser Eucharistie entsteht die Kirche. Kirche ist überhaupt nur recht zu verstehen, wenn man die Eucharistie versteht. So wie Jesus in der Eucharistie gegenwärtig ist, so ist er in seiner Kirche anzutreffen. Er ist gewissermaßen die Seele dieser sichtbaren Organisation. Er, der einstmals einzelne Mensch einer bestimmten Zeit und Bewohner eines bestimmten Landes, lebt in der Kirche weiter und beseelt sie von innen mit seiner Kraft. Er baut sie auf durch seine Eucharistie. Wenn darum heute gelegentlich gesagt wird, es sei doch ein gutes Zeichen der Kooperation zwischen Gemeinden, wenn nur noch an einem Ort Eucharistie gefeiert würde und nicht mehr an jedem Ort eine, dann kann man nur mit dem Kopf schütteln über eine derartige theologische Ignoranz. Ja, dann ist zu fürchten, daß die geistliche Dimension der Kirche gänzlich einer rein äußerlichorganisatorischen Sicht gewichen ist, daß der Geist ausgelöscht wurde. (Vgl. 1 Thess 5,19) Doch es gilt: „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben.“ (1 Kor 15,50) Keine rein menschliche Anstrengung und Organisation ist als solche fähig, das Reich Gottes zu erben. Allein die Kraft der Eucharistie gibt uns daran Anteil.

194. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Silvester und Neujahr sind im Leben des Menschen eine Zeit des Neubeginns und des Nachdenkens. Wir stellen uns die bange Frage: Was wird das Neue Jahr uns bringen? Nie-mand weiß es. Es kann Vieles passieren: Gutes und Schlechtes. Die Zukunft ist absolut ver-borgen.
Vielleicht beschleicht einige von uns ein bißchen die Angst vor der unbekannten Zukunft. Andere sind dagegen sehr zuversichtlich und optimistisch. Was wir selber geplant haben, das wird mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch so geschehen, aber selbst da kann uns ein Strich durch die Rechung gemacht werden. Bei aller Ungewißheit wissen wir jedoch eins mit Sicherheit: Gott wird mit uns sein, er wird uns das ganze Jahr begleiten. Dieses Vertrauen kann uns die Angst vor der unbekannten Zukunft nehmen. Darum ist es sinnvoll und gut, das Neue Jahr in Gottes Hände zu legen und den barmherzigen Gott um seinen Segen zu bitten. Ein bewegendes Beispiel gibt uns der evangelische Pfarrer Dr. Dietrich Bonhoeffer, der im Jahre 1944 in der Silvesternacht ein Gebet in Versform niederschrieb, das bis heute bekannt ist und oft und gerne gesungen wird.

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar.
So will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Dietrich Bonhoeffer hatte ein schweres Jahr hinter sich. Freunde waren im Krieg gefallen, andere standen an der Front, waren im Gefängnis oder im Konzentrationslager. Er selbst war verhaftet worden, nachdem der Anschlag auf Hitler am 20. Juli mißglückt war. Vor dem Volksgerichtshof in Berlin wurde Bonhoeffer der Prozeß gemacht: er wurde zum Tode ver-urteilt. Vor diesem Hintergrund müssen wir die Zeilen lesen, die er nach Hause geschrieben hat:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß auch jeden neuen Tag.

Aber noch ein anderes Wort verdanken wir Dietrich Bonhoeffer aus jener schweren Zeit, in der ein dunkler Schatten über unserem deutschen Volk lastete und die Nazis dabei waren, zuerst die Juden auszurotten und anschließend jeden bekennenden Christen einzusperren oder zu töten. Bonhoeffer sah schon damals den Glaubensschwund der kommenden Gene-ration voraus, der die späte Folge des nationalsozialistischen Giftes sein sollte. Aber er sah ebenso prophetisch das Gegenmittel voraus, die Treue und Gerechtigkeit der stillen Beter:

„Es liegt nicht an uns, den Tag vorauszusagen – aber dieser Tag wird kommen –, wann die Menschen von neuem aufgerufen werden, das Wort »Gott« so auszusprechen, daß es die Welt verändern und erneuern kann. Das wird eine neue Redeweise sein, vielleicht ganz und gar unreligiös, aber befreiend und erlösend wie das Sprechen Jesu, über das sie sich entsetz-ten, von dem sie aber zutiefst betroffen waren. Das wird ein Sprechen in neuer Gerechtigkeit und Wahrheit sein, ein Sprechen, das den Frieden unter den Menschen und das Kommen des Reiches Gottes ankündigt. ‚Wenn sie von all dem Guten hören, das ich tue, dann werden sie zittern und beben wegen all des Guten und des Heils, das ich ihm erweise.’ (Jer 33,9) Bis dahin werden die Christen in Stille und Verborgenheit leben; doch es wird Menschen geben, die beten und Gerechtigkeit üben, während sie auf die Zeit Gottes warten. Wenn doch auch du zu ihnen gehören würdest und man auch von dir einmal sagen könnte: ‚Doch der Pfad der Gerechten ist wie das Licht am Morgen; es wird immer heller bis zum vollen Tag.’ (Spr 4,18)“

Liebe Gemeinde! Wir brauchen solche aufmunternden Worte wie das tägliche Brot, damit wir die Hoffnung nicht verlieren. Denn ohne Hoffnung können wir niemandem helfen. Schon viel zu viele haben sich die Parole „Rette sich, wer kann“ zu eigen gemacht, auch in der Kirche, selbst in ihren höchsten Rängen. Da wird das Wort »Gott« nur noch heuchle-risch in den Mund genommen, Wahrheit und Gerechtigkeit zählen dann nicht mehr. So aus-gesprochen, erreicht das Wort »Gott« die Menschen von heute nicht mehr. Es verkommt zur hohlen Phrase, und es schieben sich dann im Leben der Kirche immer mehr rein weltli-che Angelegenheiten und Denkweisen in den Vordergrund. Der kirchliche Betrieb läßt sich zwar weiter aufrechterhalten, aber ohne positiven Einfluß auf den gesellschaftlichen Frieden, denn ohne Wahrheit und Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden.
Um diesen Zusammenhang geht es Papst Benedikt XVI. in seinem Schreiben zum heutigen Weltfriedenstag. Darin fordert er die Christgläubigen auf,

„aufmerksame und verfügbare Jünger des Herrn zu werden. Indem wir auf das Evangelium hören, lernen wir, den Frieden auf die Wahrheit eines täglichen Lebens zu gründen, das sich am Gebot der Liebe orientiert. Es ist notwendig, daß jede Gemeinde in einem intensiven und weit gestreuten Einsatz durch Erziehung und Zeugnis in jedem das Bewußtsein wachsen läßt für die Dringlichkeit, die Wahrheit des Friedens immer tiefer zu entdecken. Zugleich bit-te ich darum, das Gebet zu verstärken, denn der Friede ist vor allem ein Geschenk Gottes, das unaufhörlich erfleht werden muß.“

Der von Bonhoeffer zitierte Vers aus dem Buch der Sprüche weist uns darauf hin, daß tat-sächlich jeder einzelne, und sei er noch so unvermögend, einen Beitrag zum Frieden leisten kann, nämlich durch seine Liebe zur Wahrheit und zur Gerechtigkeit: Doch der Pfad der Gerech-ten ist wie das Licht am Morgen; es wird immer heller bis zum vollen Tag.’ (Spr 4,18) „In der Wahrheit liegt der Friede“, so überschreibt Papst Benedikt seine Botschaft, und wer heute die Wahr-heit tut und aus der Wahrheit lebt, der wird morgen für sein Tun den Frieden ernten. Papst Benedikt sagt: „Die echte Suche nach Frieden muß von dem Bewußtsein ausgehen, daß das Problem der Wahrheit und der Lüge jeden Menschen betrifft und sich als entscheidend er-weist für eine friedliche Zukunft unseres Planeten.“

Die zentrale Bedeutung der Wahrheit für den Frieden können wir auch aus der folgenden Überlegung erkennen: Aller Unfriede hat seine Wurzel darin, daß die Menschen gegensätzli-che Interessen haben, Interessen, die in Konkurrenz miteinander stehen. Das Interesse des Menschen geht darauf, sein Leben zu erhalten und zu steigern – notfalls auch gegen den Le-ben des anderen. Die Wahrheit dagegen beruht auf der Fähigkeit, das Leben aller zu erhal-ten. Wer die Wahrheit liebt, will nicht nur sich selbst am Leben erhalten, sondern auch den anderen, ja, jeden anderen Menschen. So gesehen, ist das Selbstinteresse die Schrumpfform der Wahrheit , eine Verstümmelung der universalen Wahrheit. Die Wahrheit dagegen, die das Leben aller Kreaturen erhalten will, ist ein Ideal, das es nur in Gott gibt, und darum gibt es den wahren Frieden auch nur in Gott und durch Gott.

Am Weihnachtsfest wurde uns der Sohn Gottes geschenkt, der Friedensfürst. „Allen, die ihn aufnahmen, gab Gott Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12). Maria war die erste, die den Friedensfürst aufnahm, und sie war auch diejenige, die das Geschehene im Herzen be-wahrte und darüber nachdachte (Lk 2,19), so daß es in ihr zu reicher Frucht heranreifen konnte. Hören wir noch, was der Papst zum Ende seiner Friedensbotschaft über die Got-tesmutter Maria schreibt:

„Am Anfang dieses neuen Jahres bitten wir sie (Maria), dem gesamten Gottesvolk zu helfen, in jeder Lage Friedensstifter zu sein, indem es sich erleuchten läßt von der Wahrheit, die frei macht (vgl. Joh 8,32). Möge die Menschheit auf ihre Fürsprache hin eine immer größere Wertschätzung für dieses grundlegende Gut entwickeln und sich dafür einsetzen, sein Vor-handensein in der Welt zu festigen, um den nachwachsenden Generationen eine unbe-schwertere und sicherere Zukunft zu übergeben.“

195. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Ich erinnere mich, daß meine Mutter oft gesagt hat, für sie sei Pfingsten das schönste Fest. Vermutlich hat diese persönliche Wertung auch etwas damit zu tun, daß Pfingsten in den Frühling fällt, wenn es in der Regel warm ist und alles in Blüte steht. Aber gewiß empfand meine Mutter auch den Inhalt des Festes als besonders tröstlich und aufbauend, spricht die Heilige Schrift doch vom Heiligen Geist als dem Tröster.

Wenn wir näher hinschauen, entdecken wir eine ganz unerwartete Fülle von biblischen Bildern und Namen für den Heiligen Geist, einen solchen Reichtum, daß ich heute nur einen ganz kleinen Ausschnitt davon darlegen kann. Unsere Zeit leidet sehr unter der Geistlosigkeit, wogegen sich schon der Apostel Paulus mit der Mahnung wenden mußte: „Löscht den Geist nicht aus!“ (1 Thess 5,20) Geistlosigkeit gibt es in verschiedenen Ausprägungen: als platten Materialismus, d.h. als theoretische Lehre, wonach alles eine Funktion der Materie ist, auch das menschliche Denken, Fühlen und Wollen, womit zugleich eine Praxis verbunden ist, insbesondere die Verherrlichung des Konsums, die Anbetung des Geldes und die Vergötzung der Gesundheit als des höchsten Gutes. Geistlosigkeit äußert sich ferner in einer gewissen rationalistischen Denkungsart, die nur das gelten läßt, was sich wissenschaftlich nachweisen läßt. Der Mensch wird auf seinen Kopf, seinen Verstand reduziert, das Herz, der Sitz der Gefühle, wird nicht ernst genommen. Als Folge wird im Menschen jede Freude erstickt.

Geistlosigkeit gibt es selbst in der Kirche, wenn nämlich die Institutionen und die äußeren Strukturen derart einseitig betont werden, daß das innere Leben aus dem Bewußtsein aus dem Bewußtsein verschwindet. Wir spüren, wir sind heute mehr denn je auf den Geist Gottes angewiesen.

Paulus schreibt im Römerbrief: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,5) Die Wahrheit dieses Satzes können wir nicht wissenschaftlich beweisen, und sie schlägt sich auch nicht unmittelbar im äußerlich sichtbaren Leben der Kirche nieder. Es ist zum Beispiel keineswegs sicher, daß die deutsche Kirche mehr vom Geist Gottes mitbekommen hat als etwa die französische, obwohl unsere Kirchen­gebäude super intakt sind und wir unvergleichlich viel mehr Institutionen unterhalten als die französischen Christen. Es ist zwar bedauerlich, daß zur Zeit die Kirchensteuermittel drastisch zurückgehen, aber dieser Umstand bedeutet keineswegs, daß uns der Heilige Geist mehr und mehr fehlt. Es könnte sogar sein, daß der ungewohnte Zwang zum Sparen uns die Augen neu öffnet für die viel bedeutendere Wirklichkeit des Heiligen Geistes.

„Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ Was damals in Jerusalem geschehen ist, das ist nichts Einmaliges, sondern ist im Gegenteil etwas, das sich immer wieder ereignet. Das einzig Besondere am Pfingstereignis waren die spektakulären Begleitumstände der Geistsendung: das Sturmesbrausen, das Sprachenwunder und die große Zahl derjenigen, die durch die Predigt des Petrus bekehrt wurden. Ansonsten aber geschieht jeden Tag auf der ganzen Welt Eingießung des Heiligen Geistes. Natürlich nicht überall und bei jedem! Die Apostel haben sich zuvor zum einmütigen Gebet versammelt (Apg 1,14), sie mußten geduldig warten und konnten das Kommen des Geistes nicht herbeizwingen. Und sie wußten, was ihnen fehlte! Sie hatten die Abschiedsworte Jesu noch gut im Gedächtnis, wonach er sie nicht allein lassen, sondern ihnen den Beistand senden wollte, den Geist, der sie in der Wahrheit halten und in der Anfechtung stärken sollte. Sie fühlten die Leere in ihren Herzen und sehnten sich danach, daß Gott selbst diese Leere füllen möge!

Das, liebe Schwestern und Brüder, ist die Voraussetzung für das Kommen des Geistes und wohl das, was uns zu allererst fehlt. Selbst in den Stunden, in denen wir uns leer fühlen, erwarten wir nicht von Gott, daß er uns umwandeln und neuschaffen möge – sondern wir suchen unruhig nach Ersatzmitteln, die uns die Leere nicht spüren lassen, oder wir schimpfen über Gott und die Welt und versinken in Mißmut. Und warum ist das so? Weil uns von allen Seiten eingeredet wird, jeder Mangel ließe sich durch Konsum beheben: Hunger durch Essen, Kopfschmerzen durch Pillen, Liebeskummer durch Alkohol usw. Womit wir wieder beim Thema Geistlosigkeit wären. Der geistlose Mensch weiß am allerwenigsten, was ihm fehlt. Wir haben zu wenige Vorbilder, Menschen, deren sprühender Geist uns auf die richtige Spur bringt, deren Begeisterung uns ansteckt und deren Liebenswürdigkeit uns aus unserer Selbstsucht herausreißt.

„Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ Paulus beschreibt hier eine Erfahrung, die er an sich selbst und an den Mitgliedern seiner Gemeinden gemacht hat. Gottes Geist ist uns ins Herz gegeben, in das Zentrum unserer Persönlichkeit. Auf dem Grunde unserer Seele flößt er uns gute Gedanken ein und richtet uns auf das Heilige aus, lockt uns immer neu, daß wir das Hohe und Heilige lieben. Ein Theologe aus dem 12. Jahrhundert drückt dies so aus:

„Der Heilige Geist ist in Wahrheit göttliches Feuer. Alle Liebe ist Feuer, aber geistiges Feuer. Was das stoffliche Feuer mit dem Eisen tut, das bewirkt dieses göttliche Feuer im unreinen, kalten, harten Herzen. Wo es ihm eingesenkt wird, legt der Menschengeist allmählich alle Schwärze, Kälte, Starre ab und wird ganz nach dem Wesen dessen, der ihn in Brand setzt, verwandelt. Durch das Flammen des göttlichen Feuers wird er in Glut versetzt, beginnt zu brennen, wird verflüssigt in die Liebe Gottes hinein, nach dem Wort des Apostels: Die Liebe Gottes ist ausgegossen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist (Röm 5,5).“

Richard von St. Viktor: De Trinitate VI c. 14. - Dt. Übersetzung: Die Dreieinigkeit. Übertragung und Anmerkungen von Hans Urs von Balthasar. Einsiedeln: Johannes 22002, 202f.

196. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmid (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

„Denn verschlossen war das Tor, bis der Heiland trat hervor...“ – so singen wir in einem bekannten Adventslied. Vor zwei Wochen haben wir dieses Neugeöffnet-werden des Himmels gefeiert, die Engel haben es verkündet: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade!“
Das war damals in der heiligen Weihnacht nur wenigen Menschen offenbar geworden. 30 Jahre später sollte es die Öffentlichkeit erfahren, nämlich bei der Taufe Jesu im Jordan. Damals öffnete sich der Himmel – wir haben es gerade gehört – und für alle vernehmbar erscholl die Stimme Gottes: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“
Doch warum bezeugt Gott seinen Auserwählten, Jesus, gerade bei der Taufe im Jordan? Wozu hat sich Jesus überhaupt taufen lassen? Und warum machen wir sogar ein Fest davon? – Das sind Fragen, die sich stellen können.
Das Wort Taufe ist uns geläufig. Wir taufen Kinder und Erwachsene, damit sie von Sünden gereinigt, von Gott geheiligt werden und so zu Kindern Gottes werden. Aber Jesus hatte das alles gar nicht nötig, im Gegenteil: er ist es doch, durch den es erst die christliche Taufe gibt, er hat uns doch erst den Weg zu Gott erschlossen. Warum also läßt er sich von Johannes taufen?

Die Taufe des Johannes war etwas anderes als unsere Taufe. Sie war ein Zeichen der Umkehr, eine Bitte an Gott um Vergebung der Sünden – ein Vor-Zeichen auf die christliche Taufe. Die Menschen, die zu Johannes kamen, bekannten sich als Sünder und wollten Buße tun. In diese Schar nun hat sich Jesus eingereiht – nicht weil er selber Sünder war, sondern weil er sich uns Menschen in allem gleichmachen wollte. Das Geheimnis von Weihnachten spiegelt sich in dieser Begebenheit: So ist Gott: er kommt nicht in seiner Allmacht, sondern in der Ohnmacht eines kleinen Kindes und in der Demut eines Buße tuenden Menschen. Durch den Empfang der Bußtaufe bringt Jesus zum Ausdruck, daß er sich nicht über die Menschen stellt. Er schaut nicht vom hohen moralischen Roß auf die Schuld der Menschen herunter – so wie wir es gerne tun, wenn wir meinen, wir hätten alles richtig gemacht, nur die anderen seien die Bösen. Obwohl Jesus allen Grund hätte, die Schuldigen anzuklagen, denn er ist der einzige, der ohne Sünde ist (vgl. Joh 8,7), tut er es nicht, sondern begibt sich in Solidarität mit uns sündigen Menschen. Er will nicht dadurch groß sein, daß er andere kleinmacht und niederdrückt.

Und da öffnet sich der Himmel! Vorher war er verschlossen, wir hatten keinen Zugang zu Gott – aber jetzt ist der Zugang geöffnet, weil Jesus sich auf unsere Seite gestellt hat. Kann das wahr sein? Gott auf meiner Seite? Der heilige Gott zusammen mit dem Schmutz meiner Sünden? Müssen wir nicht sagen: „Herr, ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach, daß du mein Haus betrittst, an meiner Seite stehst“? Ja, sicher, so müssen wir sagen, aber dennoch kommt Christus zu uns, ja, er nimmt alle Schuld der Welt auf sich und trägt sie hinweg, hinauf an das Kreuz; er ist das wahre Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Hier vollzieht sich wahrhaft, wovon die Weihnachtsliturgie singt: „Denn einen wunderbaren Tausch hast du vollzogen: Dein göttliches Wort wurde ein sterblicher Mensch, und wir sterbliche Menschen empfangen in Christus dein göttliches Leben.“

Rückblickend kommt der erste Johannesbrief auf dieses Geheimnis zu sprechen und deutet es als Sieg über die Mächte der Finsternis. „Wer sonst besiegt die Welt, außer dem, der glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist? Dieser ist es, der durch Wasser und Blut gekommen ist: Jesus Christus. Er ist nicht nur im Wasser gekommen, sondern im Wasser und im Blut. Und der Geist ist es, der Zeugnis ablegt; denn der Geist ist die Wahrheit.“ (1 Joh 5,4f) Wasser und Blut, die Taufe im Jordan und der Tod am Kreuz, sind die entscheidenden Heilsereignisse. Seitdem ist der Kreislauf des Bösen durchbrochen, seitdem gilt nicht mehr „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (Lev 24,20). Vielmehr hat die Liebe gesiegt, und niemand muß sich an seine Fehler und Vergehen festgenagelt fühlen.

Die Taufe Jesu zeigt was es heißt: Gott ist die Liebe. Schauen wir nur auf uns und unsere kläglichen Versuche zu lieben und unser tägliches Scheitern – dann wird uns bewußt, welches Format die Liebe Gottes hat. Wie gehen wir denn mit der Schuld unseres Nächsten um? Wie schwer tun wir uns mit dem Schritt zur Versöhnung, wie schwer fällt es uns, wirklich zu vergessen und zu vergeben und allen Groll zu begraben!

Von dieser Frage her können wir vielleicht ermessen, was der Schritt Jesu ins Wasser des Jordan für ihn bedeutet haben muß: Als der Sohn Gottes kannte er die ganze Sündenlast der Menschheit. Jede einzelne Sünde, auch die kleinste, trifft Gott ins Herz. Und doch kennt Gott keinen Groll, er steigt vielmehr zu uns hinab und bietet uns neu seine Freundschaft an. Um den Himmel wieder für uns zu öffnen, lädt Christus die Sündenflut der Menschen auf sich. Gott zerreißt die himmlischen Akten über unsere Verfehlungen, wenn wir uns für seine Barmherzigkeit öffnen – indem wir uns taufen lassen und unserer Taufe entsprechend leben.

197. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2006)

„Rabbi, es ist gut, daß wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija.“

Liebe Schwestern und Brüder,
eine eigenartige Reaktion des Petrus auf das Erlebnis, Jesus als den Verklärten zu sehen: Jesus im hell leuchtenden Gewand, eingerahmt von den Großen der israelitischen Geschichte, eingerahmt von Mose und Elija. Das muß ein atemberaubendes, unglaublich beeindruckendes Geschehen gewesen sein. Gerade auch für den Juden Petrus.

„Rabbi, es ist gut, daß wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen...“
Es scheint mir so, als wollte Petrus diesen Augenblick festhalten, diesen Augenblick der Verklärung, diesen Augenblick, in dem das übernatürlich Schöne den grauen Alltag durchbricht, diesen Augenblick, in dem die Ewigkeit in die Zeit einzubrechen scheint.
Ja, diesem herrlichen Moment will Petrus eine Hütte bauen, damit er bleibt.

Den schönsten, erfüllendsten Augenblick des Lebens wahrnehmen und ihn dann festhalten, das ist auch der Wunsch des Gelehrten Dr. Faust, wie ihn uns Goethe in seinem berühmten Drama darstellt.
Er will in seinem Leben nur einmal zu einem bestimmten Augenblick sagen können: „Verweile doch, du bist so schön.“ Um das zu erreichen, geht er sogar einen Pakt mit dem Teufel ein.

Goethes Faust, Petrus im heutigen Evangelium - sie zeigen beispielhaft auf, was wohl uns allen, Ihnen und mir, zueigen ist: die Sehnsucht nämlich, Momente des Glücks, Sternstunden des Lebens, festhalten, konservieren zu wollen.

Aber diese Sehnsucht kann hier auf Erden nicht erfüllt werden. Wir sind auf dem Weg, beständig unterwegs. Wir vermögen es nicht die Zeit anzuhalten, wann und wo wir wollen. Wie sehr wünschen sich beispielsweise Eheleute, daß das Gefühl der Hochzeit immer so bleibe. Wie sehr wünsche ich mir, das Hochgefühl nach meiner Priesterweihe in mir zu erhalten. Wie schnell hat uns der Alltag wieder, wie schnell holt der Alltag uns wieder ein. Das scheint mir eine Erfahrungstatsache zu sein.

Auch Petrus muß zusammen mit den Jüngern diese Erfahrung machen.
„Als sie dann um sich blickten, sahen sie auf einmal niemand mehr bei sich außer Jesus.“ Mose und Elija - fort, weg. Nur noch Jesus, aber nicht mehr im strahlend weißen Kleid der himmlischen Verklärung, sondern im bescheidenen, schlichten Gewand des Wanderpredigers;
nur noch Jesus, aber nicht mehr der von der Welt entrückte, unnahbahr herrlich erscheinende Gottessohn, sondern der Mensch Jesus, dessen Füße staubig vom Wandern sind, der Durst hat, der Hunger verspürt, den Müdigkeit befällt. Welch Ernüchterung.

Und dennoch: Auch das ist Evangelium, auch das ist frohe Botschaft.
In der Verklärung zeigt sich: Dieser Jesus ist mehr, ist größer als ein Mensch. Und dennoch geht dieser Jesus den Weg des Menschen. Er wird zur Brücke zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Menschen. Er hat sich mit unserem Leben so sehr verbunden, daß er uns auch mit seinem Leben verbinden will. In der Verklärung zeigt er den Jüngern damals und uns heute die Herrlichkeit, die am Ende unseres irdischen Weges uns erwartet.

In der Verklärung Jesu leuchtet etwas von dem auf, wie strahlend, wie unsagbar schön das ewige Leben bei und mit ihm sein wird. Hier auf Erden bleiben wir unterwegs, auf dem Weg, ständig. Am Ende dieses Weges ist uns ein Leben im göttlichen Glanz verheißen, das bleibt, ewig.

Die Verheißung ewigen Lebens gibt unserer irdischen Pilgerschaft eine Richtung, ein Ziel, den Sinn. Das Alltägliche mit all den Sorgen, Nöten und der Routine wird erträglich, wird sinn-voll, wenn ich weiß, daß das Alltägliche vergänglich ist und die Verklärung, das unsagbar Herrliche auf mich wartet.

Diese christliche Botschaft vom ewigen Leben stieß immer wieder auf Widerspruch - bis heute. Ist das nicht Vertröstung auf ein Leben danach? Ist das nicht „Opium für das Volk“? Nimmt diese Botschaft unsere irdische Existenz mit allem, was dazugehört überhaupt ernst? Unterliegen diejenigen, die daran glauben, nicht der Gefahr der Weltflucht, der Versuchung die Welt Welt sein zu lassen, diese Welt einfach hinzunehmen, wie sie ist?

Eben nicht, denn: Der, der verklärt wurde, der die Würde, die Schönheit des ewigen Lebens aufstrahlen ließ, ging ja gerade seinen Weg als Mensch in dieser Welt.
Nicht die überwältigende Nähe des Gottessohnes in der Verklärung blieb den Jüngern, sondern der alltägliche Umgang mit Jesus. Jesus rief seine Jünger - und damit auch uns - nicht auf, die Welt zu fliehen, sondern er sandte die Jünger, er sendet uns in die Welt, das Evangelium zu verkünden und im Geist des Evangeliums die Welt zu gestalten.

Es gilt, IHN, den Außerordentlichen, im Gewöhnlichen zu entdecken und im Gewöhnlichen erfahrbar zu machen.

Der Herr will uns immer wieder als der Verklärte aufleuchten in der täglichen, sonntäglichen Liturgie, im unscheinbaren Zeugnis so vieler Menschen, die sich bemühen, ihren Alltag unter Gottes Anruf zu stellen.

Der Herr will immer wieder den anderen als der Verklärte aufleuchten durch uns, durch unser Zeugnis. Das strahlend weiße Taufgewand, sollte in der frühen Kirche daran erinnern.
Auch heute noch ist das Taufkleid eine Erinnerung daran, wozu wir auf Erden berufen sind und was uns im Himmel verheißen ist.

In der Verklärung zeigt sich: Jesus ist mehr, ist größer als ein Mensch. Er ist Gottes Sohn. Aber er geht den Weg des Menschen. Und er ruft uns auf, im Vertrauen auf ihn, ebenfalls diesen alltäglichen Weg zu gehen, diesen Weg, an dessen Ende die große Verheißung steht: Das ewige Leben bei ihm.

198. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Es gibt kein Fest im Laufe des Kirchenjahres, das auf die Menschen, jung und alt, eine solche Anziehungskraft ausübt wie das Weihnachtsfest. Vor allem die Liturgie der Heiligen Nacht verbreitet eine herzbewegende Stimmung, der sich niemand so leicht entziehen kann. Auch Sie haben, bevor Sie zur Feier der Christmette in die Kirche gekommen sind, in ihren Familien mit Ihren Lieben zusammen vor dem Christbaum und vor der Krippe gestanden und eine traute Atmosphäre geschaffen. Sie haben sich leiten lassen von dem beseligenden Gefühl der Freude dieser einmaligen mit Kerzenschein und Tannenduft erfüllten Nacht. Obwohl in diesen Stunden der Heiligen Nacht Stimmungen und Gefühle aufbrechen, die wir sonst in der Hetze des Alltags nicht kennen, wissen wir, daß dies alles nicht genügt. Wir müssen die Weihnachtsbotschaft auch in unser Herz und in unseren Verstand aufnehmen. Wir müssen sie als eine Botschaft aufnehmen, die an uns ganz persönlich gerichtet ist, die nicht nur für unsere Vorfahren da ist, sondern auch für uns heute. Die Botschaft ist an sich sehr einfach: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“ (Joh 3,16) Gott hat die Welt nicht sich selbst überlassen, sondern eine Rettungsinitiative gestartet, die ihren Höhepunkt darin hatte, daß er selbst in die Welt eingetreten ist. Derjenige, der seit Ewigkeit bei Gott war, der ewige Sohn Gottes, ist auf die Erde gekommen und wurde geboren von einer Frau – als kleines Kind wie jeder andere Mensch auch. Und dieses neugeborene Kind, welches an Weihnachten zum Gegenstand der Bewunderung und nostalgischer Gefühle wird, ist der Retter der Welt, der Retter also auch von dir und mir. Doch sobald ich es so auf den Punkt bringe, kann es geschehen, daß der eine oder andere die Zustimmung des Herzens und Verstandes zurückzieht. Was soll hier „Retter“ heißen? Sind wir überhaupt zu retten? Müssen wir gerettet werden? Empfinden wir uns als rettungsbedürftig? Wovon denn? – Nun können wir leicht einsehen: Wenn es kein Feuer gäbe, dann bräuchte man auch keine Feuerwehr und jede Ausbildung zum Feuerwehrmann wäre überflüssig. Wenn wir Menschen nicht in einer tiefen Not steckten, dann bräuchten wir keinen Retter, und dann wäre Weihnachten ein überflüssiges Fest. Es wäre höchstens ein Beitrag zur vorübergehenden Verbesserung der Stimmung. Die tiefe Not, aus der wir Menschen zu retten sind, ist am ehesten zu greifen an unserer Sterblichkeit, an der Vergeblichkeit unserer Anstrengungen und an dem Leid, das die Menschen einander bereiten. Je nachdem, in welcher Lebensphase jeder einzelne von Ihnen gerade ist, wird er oder sie die existentielle Bedürftigkeit stark, wenig oder gar nicht erfahren. Wir müssen ihr entgegenwirken mit all unseren Kräften, sonst macht sie uns kaputt. Und Gott sei Dank haben wir ja auch viele Möglichkeiten, unsere Not zu lindern, ja, insgesamt sogar ein weitgehend sorgen- und beschwerdefreies Leben zu führen – und sind damit vor den Menschen früherer Generationen und vieler anderer Länder äußerst privilegiert. Leider machen wir uns diese Bevorzugung nur selten bewußt: daß es uns in vieler Hinsicht besser geht als selbst den Königen vergangener Zeiten; man denke z.B. nur an die Reisebedingungen, an Informationsmöglichkeiten, an Hygiene und ärztliche Versorgung. Im Gegenteil: Wir machen uns dieses Privileg nicht nur nicht bewußt, sondern sind trotz aller Begünstigung sogar sehr häufig unzufrieden und manchmal sogar unglücklich. Dies ist ein Hinweis darauf, daß aller Fortschritt unsere Not nicht wirklich behoben und uns nicht wirklich gerettet hat. Wir haben die Bedürftigkeit nur in andere Bereiche verschoben, wo sie nicht mehr so auffällig ist und uns manchmal sogar die Illusion erlaubt, wir hätten gar keine Rettung nötig. Menschen früherer Zeiten waren so sehr in den harten Daseinskampf verstrickt und den grausamen Seiten der Natur ausgeliefert, daß sie sich tagtäglich nach Erlösung sehnten. Für sie war die Weihnachtsbotschaft unmittelbar ansprechend. Wir Menschen der Spätmoderne haben es da in dieser Hinsicht schwerer, und zwar genau deshalb, weil uns das Leben leichter erscheint. Freilich ist das nur ein Schein, hinter dem die Wahrheit nicht weniger bedrückend hervorlugt: Alle Unzufriedenheit der Menschen, alle Einsamkeit, alle Kälte, alle seelische Not sprechen eine andere Sprache. Sie schreien nicht weniger laut nach dem Erlöser und Retter, nach dem, der überirdische Kräfte hat, die Macht, einen Frieden zu geben, den die Welt offenbar immer noch nicht geben kann und nie wird geben können. Liebe Brüder und Schwestern! Einmal wieder hören wir die tröstende Botschaft von einem Gott, der diesen immerwährenden Ruf der Menschheit nicht ungehört verhallen läßt, sondern mit der größtmöglichen Liebe darauf antwortet: indem er sich selbst in das Elend des Menschenlebens herabläßt, um uns die verlorene Würde wiederzugeben. Unsere Würde ist nämlich ein Gut, das man nicht wie einen Mantel kaufen und umlegen kann. Gott kann uns die Würde nicht einfach wie ein Etikett anheften, denn die Würde ist ein Gut der Person, ein solches, das im Herz seinen Sitz hat und ohne die freie Annahme nicht gegeben werden kann. Die Würde ist ein Gut, das der Mensch sich nicht selbst zurückgeben kann, wenn er es verloren hat, das er andererseits aber doch nicht von außen, sondern nur von innen erlangen kann. Darum ist Gott Mensch geworden, weil so beides zusammenkommt: Gott, der die Würde wiederherstellt, und ein Mensch, der diese Würde innerlich annimmt. In Jesus Christus begegnet uns der erste Mensch, der trotz aller äußeren Armut und Not innerlich ganz und ungeschmälert die Würde besitzt, Kind Gottes zu sein. Darum strahlt uns dieses Kind so an, darum leuchtet auf seinem Antlitz der göttliche Glanz eines unverfälschten Ebenbildes Gottes. Darum heißt der zentrale Satz des Prologs im Johannesevangelium: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“ (Joh 1,14) „Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“, heißt es dort gleichfalls (Joh 1,12). Ein Kind Gottes ist derjenige Mensch, der dem Gottmenschen Jesus Christus begegnen und sich von ihm die verlorene Würde zurückschenken läßt. Dies geschieht durch Aufnahme des Erlösers, d.h. durch Annahme der Weihnachtsbotschaft. Dann wird auch etwas von dem Glanz des Antlitzes Christi auf den Christen übergehen. Der gläubige Mensch ist die einzige Bibel, die die Öffentlichkeit noch liest. Nehmen wir den Frieden, der uns heute wieder angeboten wird, an und verbreiten wir ihn über die Menschen in unserer Nähe! Zögern Sie nicht, noch heute Frieden zu schließen mit einem Menschen, mit dem Sie in Streit liegen!

199. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Es braucht schon eine Menge Optimismus, um in der modernen Zeit, in der die Kirche für altmodisch erklärt wird, Jugendliche dazu einzuladen, in eine bestimmte Stadt zu kommen und sich dort mit dem Glauben zu beschäftigen oder gar Gott anzubeten. Solchen Mut und unbeirrte Zuversicht hatte der Papst, als er vor 22 Jahren die christlichen Jugendlichen aus der ganzen Welt nach Rom einlud, das Heilige Jahr der Erlösung mitzufeiern. Erstaunlich viele, nämlich mehr als 300.000 Jugendliche folgten der Einladung des Papstes. Hieraus wurde im Jahre 1985 die Idee der Weltjugendtage geboren. Der Papst schrieb damals an die Jugend: „Für diese Generation in ihrer vielfältigen Form und Ausrichtung sind vor allem die Erwachsenen verantwortlich. Euch kommt die Verantwortung zu für das, was eines Tages mit euch zusammen Gegenwart werden wird und zur Zeit noch Zukunft ist.“ Der Papst hat schon seit Jahren die Vision, daß Europa vom Unglauben wieder zum Glauben findet, also neu evangelisiert wird. Die jungen Menschen werden dies einst in der Hand haben.

Natürlich gab es von Anfang an Zweifler und Schwarzseher. „Da kommt sowieso kaum einer hin!“ – „Die Jugend von heute hat ganz andere Interessen!“ - solche Sprüche mußte sich auch der Papst anhören. Eben die alte Leier, die typische Nörgelei und der Griesgram unserer Zeit, der jede positive Regung lähmt und alle Freude und Begeisterung im Keim erstickt. Doch davon ließ sich unser Papst Gott sei Dank nicht beirren. Und so hat er – man glaubt es kaum – mit den Weltjugendtagen bis heute Millionen von Herzen erreicht und bewegt.

Ich selbst war 1993 in Denver, 1997 in Paris, 2000 in Rom und 2002 in Toronto dabei. Es war jedesmal ein unbeschreibliches Erlebnis der Einheit und des Friedens – Hunderttausende Jugendliche aus allen Teilen der Welt in Eintracht und Frieden versammelt, geeint durch den gemeinsamen Glauben. Fröhliche, singende junge Menschen, denen man die Glaubensfreude an den strahlenden Gesichtern ablesen kann. Zu bestimmten Momenten beten alle einmütig und voll Inbrunst, und bei vielen Jugendlichen fließen Tränen der Rührung.

Der Nachfolger Petri, auf den Jesus seine Kirche gebaut hat, findet immer wieder neue Worte, um Mut zu machen, ins neue Jahrtausend zu gehen, sich des Evangeliums nicht zu schämen, vielmehr stolz darauf zu sein. In Denver sagte er: „Das Evangelium darf nicht aus Furcht oder Gleichgültigkeit versteckt werden. ... Tragt in Euren Händen das Kreuz Christi, auf Euren Lippen das Wort vom Leben, in Euren Herzen die rettende Gnade des Herrn!“

Nun hat er also beschlossen, nach Deutschland zu kommen. Das ist eine so große Chance für uns Christen, daß ich nicht verstehen kann, daß sich bisher nur eine Minderheit dafür begeistert. So wie die Fußball-Weltmeisterschaft jetzt schon ihre Schatten vorauswirft, so müßte auch der Weltjugendtag Vorfreude auslösen. In 7 Monaten ist es soweit. Zuerst dürfen wir Jugendliche aus verschiedenen Ländern bei uns willkommen heißen, Jugendliche, die teilweise seit 2 Jahren dafür sparen, daß sie nach Köln fahren können, die ihren Urlaub lange für dieses Ereignis eingeplant haben. Nicht solche, die noch eine Woche vorher im Zweifel sind, ob sich die Sache überhaupt lohnt, die nicht wissen, ob sie vielleicht müde sein könnten von anderen Aktivitäten. Wir werden ganz gewiß außergewöhnlich nette junge Leute zu Gast haben, denn haben sie sich schon lange im voraus entschieden, dieses Festival des Glaubens mitzumachen. – Nach vier bis fünf Tagen der Gastfreundschaft im kleinen Kreise – allein die Pfarreien unseres Bistum wollen bis zu 40.000 Jugendliche aufnehmen – geht es dann nach Köln. Dort gibt es in der ganzen Stadt ein 5-tägiges Programm. Um die einzelnen Angebote aufzulisten, braucht man schon ein ganzes Buch. Der Höhepunkt ist eine nächtliche Vigilfeier unter freiem Himmel mit dem Papst und am nächsten Tag dann eine gemeinsam gefeierte Messe, an der womöglich eine Million Menschen teilnehmen werden.

Das sind nur nackte Zahlen. Was sich dort wirklich abspielen wird, das kann man nur erleben. Auf jeden Fall wird eines passieren: Viele Teilnehmer werden tief im Herzen berührt werden. Sie werden etwas erleben, was sie bisher für unmöglich hielten: daß Gott sie wirklich persönlich liebt und aufruft, sich für eine bessere Welt einzusetzen. Der Egoismus hat auf dem Weltjugendtag keine Chance – das werden auch die Kölner wohltuend erleben, die auch andere Großveranstaltungen gewohnt sind, die jedoch weitgehend beherrscht sind von Zügellosigkeit, Frivolität, Rücksichtslosigkeit und Ausschreitungen.

Das Motto des Weltjugendtages 2005 lautet: „Wir sind gekommen, um ihn anzubeten.“ Die Weisen aus dem Morgenland, die „Heiligen Drei Könige“ wußten, wen sie für den wahren Herrn der Welt hielten, und sie hatten keine Angst, es dem brutalen König Herodes zu sagen. In Köln werden die Gebeine dieser Weisen aufbewahrt und verehrt. Wenn Hunderttausende von Jugendlichen aus aller Welt dorthin pilgern, werden sie etwas spüren von der befreienden Kraft unseres Glaubens, der uns vor falscher Menschenfurcht bewahrt, indem er uns auf den wahren Herrn der Welt hinweist. Die Anbetung gilt Gott, nicht dem Menschen. Im Mittelpunkt des Weltjugendtags stehen weder die vielen jungen Menschen, die erwartet werden, noch der Papst, sondern unser Herr Jesus Christus. IHN zu suchen, zu finden und anzubeten, bringt Licht und Sinn in unser Leben und überrascht uns mit einer Freude, die ohne Ende ist. Wer sich auf den Weg macht, um Gott zu suchen, zu finden und schließlich anzubeten, der wird eine ungeahnte Freude erleben, und er wird merken, daß er dies nicht allein tun muß, sondern zusammen mit einer Gemeinschaft, die viel größer, stärker und anziehender ist, als er bisher gedacht hatte.

Die Frucht des lebendig gelebten Glaubens ist eine überschäumende Freude, so daß der ganze Mensch strahlt und die Augen leuchten. In der Tat kann man bei den Weltjugendtagen dies erleben: frohe Menschen mit lachenden Gesichtern, die zum Ausdruck bringen, daß die Teilnehmer in der Tiefe des Herzens ergriffen und nicht nur oberflächlich gekitzelt wurden. Gewiß stimmt dies nicht für alle und jeden Teilnehmer, aber doch in einer überraschend großen Zahl, denn nur wer sich für Gottes Liebe geöffnet hat, kann sie im Herzen spüren und nach außen ausstrahlen.

Ich hoffe, daß sich noch weitere Familien in Südkirchen finden, die bereit sind, Jugendliche für einige Tage bei sich aufzunehmen. Wer Näheres darüber wissen möchte, kann die Informationsveranstaltung am Mittwoch abend besuchen.

Ich hoffe weiter, daß der Weltjugendtag Spuren in der deutschen Gesellschaft und Kirche hinterläßt. Ob dies so kommt, hängt davon ab, wie gut wir uns vorbereiten.

200. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

„Wenn du wüßtest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.“
Manchmal denke ich: Ja, so spricht der Herr auch heute zu dir und zu mir. „Wenn du wüßtest!“ - „Wenn Sie wüßten!“, sage ich lieber etwas höflicher. Wenn wir was wüßten?, müßte dann zurückgefragt werden. – Was Sie verpassen, wenn Sie an der Gabe Gottes vorbeigehen! Das betrifft die vielen, die nicht zur Kirche gehen, aber mir scheint, es ist auch an die Adresse der Kirchgänger gerichtet. Oder irre ich mich, wenn ich argwöhne, daß viele sich kaum bewußt machen, was ihnen da geschenkt wird?!

Klar, es wird uns ja auch nicht gerade einfach gemacht, darüber das Richtige zu denken. Wieviele halten uns für ein bißchen verrückt, daß wir uns auch noch diese Pflicht aufbürden lassen, wo die Woche doch schon so anstrengend ist und man sich ein ruhiges Wochenende verdient hat. Und es geht ja nicht nur um die lästige Stunde am Sonntag, sondern da hat man ja noch mehr im Hinterkopf, vor allem die vielen Gebote und Verbote. Ziemlich abschreckend, oder?

Ich kenne jedenfalls viele, die wissen nicht viel darauf zu sagen, wenn man ihnen so kommt. Sie zucken dann mit den Achseln und sagen: „Wir sind eben so erzogen worden. Für mich ist ein Sonntag ohne Messe kein richtiger Sonntag.“ – Gott sei Dank! Aber doch mehr verschämt als überzeugt gesagt. So daß jeder sich dabei denken kann: „Na ja, ich bin eben anders erzogen worden. Und das ist gut so.“ – „Jeder eben so, wie er es mag und empfindet aufgrund von Erziehung, Gewöhnung oder sonst welchen Einflüssen!“ – Nein! Das ist zu wenig, zu schwach, zu ängstlich und zu unterwürfig! Die Antwort müßte von Stolz und Selbstbewußtsein geprägt sein: „Wenn du wüßtest, was du verpaßt, würdest du einfach nur den Mund halten und dich schämen!“

Wenn Sie wüßten, worin die Gabe Gottes besteht, d.h. was Gott Ihnen anbietet, und zwar umsonst, kostenlos, geschenkt! Wenn Sie wüßten, daß Gott Sie sogar darum bittet, die Gabe anzunehmen – er, der Allmächtige, der Ihnen befehlen könnte, auf dessen Wort hin Sie tot umfallen könnten! Wenn Sie wüßten, daß er lebendiges Wasser besitzt, und zwar als einziger auf der ganzen Welt! Alle anderen besitzen nur Kosmetika, die die Haut vor Falten bewahrt, aber nur für einige Zeit und nur für teures Geld! Und die meisten geben selbst das nur vor, und wollen lediglich Ihr gutes Geld. Lebendiges Wasser, Wasser des Lebens! Wenn Sie wüßten, daß dieser unendlich reiche und mächtige Gott Ihnen so entgegenkommt, daß er selbst zum Bittsteller wird, daß er selbst zum Dürstenden wird, damit Ihnen endlich aufgeht, wie sehr Sie vertrocknen ohne die Liebe des einzigen, der den Namen Liebe verdient! Wenn Sie das alles wüßten, dann würden Sie ihn bitten, und er würde auch Ihnen lebendiges Wasser geben.

So müßten wir denen antworten, die uns wegen unseres Glaubens und unserer Glaubenspraxis verspotten. Aber bevor wir so antworten könnten, müßten wir es selbst erst einmal glauben, müßten davon zuinnerst überzeugt sein. Und solange wir es nicht sind, brauchen wir uns auch nicht darüber aufzuregen, daß die Kirchen leerer geworden sind und weiterhin leerer werden.

Nochmals zum Argument zurück, daß die Woche ja schon so ausgefüllt ist. Brauchen wir da nicht Ruhe und Erholung? Aber gewiß! Wir brauchen sie sogar dringend. Brauchen wir da etwa noch andere Lasten und Pflichten? Nein, die brauchen wir nicht, die schaden uns eher. Zum Beispiel am Wochenende Hunderte Kilometer fahren, um Verwandte zu besuchen oder an einem der vielen Freizeitevents teilzunehmen. Oder bis früh in den Morgen auf Partys feiern – will mir einer einreden, das sei erholsam? Das halten nur junge, gesunde Menschen aus, aber auch sie nicht ohne Beeinträchtigung des Wohlbefindens, und auf die Dauer sehen sie viel älter aus, als sie sind. Sie brauchen dann Schminke, damit man ihnen nicht ansieht, wie sehr ihnen das scheinbar so leichte Leben zusetzt.

Nein, was wir in Wahrheit brauchen, ist lebendiges Wasser, das unsere gequälte Seele erquickt. Wenn Sie wüßten, daß es diese erquickende Seelenspeise umsonst gibt, gleich um die Ecke! Jesus spricht: „Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ Und wenn Sie fragen, was mit diesem Bildwort vom lebendigen Wasser gemeint ist, dann lassen wir es uns von Paulus sagen: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ Und was bedeutet die Ausgießung der Liebe Gottes durch den Heiligen Geist? Ein Theologe aus dem 12. Jahrhundert schreibt dazu:

„Der Heilige Geist ist in Wahrheit göttliches Feuer. Alle Liebe ist Feuer, aber geistiges Feuer. Was das stoffliche Feuer mit dem Eisen tut, das bewirkt dieses göttliche Feuer im unreinen, kalten, harten Herzen. Wo es ihm eingesenkt wird, legt der Menschengeist allmählich alle Schwärze, Kälte, Starre ab und wird ganz nach dem Wesen dessen, der ihn in Brand setzt, verwandelt. Durch das Flammen des göttlichen Feuers wird er in Glut versetzt, beginnt zu brennen, wird verflüssigt in die Liebe Gottes hinein, nach dem Wort des Apostels: Die Liebe Gottes ist ausgegossen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist (Röm 5,5).“

Wenn wir uns dies bewußt machen, müßten wir dann nicht mit der samaritischen Frau ausrufen: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe“ und nicht mehr zu anderen Orten gehen muß, um dort vergeblich Wasser zu schöpfen und Erquickung zu suchen?!

201. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

„Licht“ und „Sehen“ sind Schlüsselwörter im Johannesevangelium. Diese Begriffe schließen die Botschaft Jesu auf und sind auch ein Schlüssel, um die Tiefenschichten unseres Lebens zu verstehen.
In der Mitte der heutigen Lesung steht das Wort: „Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz.“ (1 Sam 16,7) Man kann Augen im Kopf haben und doch blind sein. Darum geht es in der Erzählung von der Heilung des Blinden und den ausführlichen Streitgesprächen. Wer meint, er sehe von sich aus schon alles richtig - auch ohne die Gnade, der ist in Wahrheit blind und wird es endgültig sein. Das sagt Jesus als letztes zu den Pharisäern, die genau diese Einstellung haben und insofern unter verdunkelter Urteilskraft leiden: „Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde. Jetzt aber sagt ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde.“ (Joh 9,40f)

Vorher hatte Jesus den Sinn seines Kommens in die Welt so umschrieben: „Um zu richten, bin ich in die Welt gekommen: damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden.“ Das heißt, am Ende kann und wird es nur zwei Gruppen von Menschen geben: Solche, die durch Jesus zum wahren Sehen geführt werden, und solche, die geistig erblinden. Denn Jesus ist das Licht, das in die Welt gekommen ist; an seinem Licht partizipieren heißt glauben und sehen; ohne dieses Licht kann man nichts sehen, sieht man jedenfalls nichts richtig, sondern deutet alles falsch. So heißt es an anderer Stelle im Evangelium: „Denn mit dem Gericht verhält es sich so: Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, haßt das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, daß seine Taten in Gott vollbracht sind.“ (Joh 3, 19-21)

Solche Schwarz-Weiß-Malerei gefällt nicht jedem. Wo bleiben da die Zwischentöne, die verschiedenen Grauschattierungen? Ist nicht in jedem von uns beides: Licht und Schatten? Müßten wir nicht besser sagen: manchmal sind wir blind, aber manchmal sehen wir auch ganz gut? – Das ist ganz ohne Frage richtig. Auf dieser Erde ist alles vermischt, so sehr, daß wir nicht einmal sicher wissen, was Unkraut und was Weizen ist. Davon spricht Jesus selbst im Gleichnis. Wir dürfen uns nicht einbilden, wir könnten jetzt schon die Spreu vom Weizen trennen. Tun wir es doch, dann reißen wir sicher nicht nur das Böse, sondern auch das Gute heraus. Anders gesagt: Wenn Jesus vom Gegensatz von Licht und Finsternis spricht, dann will er uns nicht ermuntern, über andere Menschen zu urteilen. Das tun gerade die Pharisäer, die sich im Licht wähnen, doch sie irren sich sehr und verlaufen sich immer mehr in die Finsternis. Das Licht, das der Glaube schenkt, hat die merkwürdige Eigenschaft, nur dann wirklich zu leuchten, wenn man es zum Dienst für den anderen einsetzt. Es geht sofort aus, wenn wir uns einbilden, es für uns selbst und aus uns selbst zu haben. Wir verlieren es, wenn wir es uns nicht immer neu geben lassen, denn es ist nie unser Besitz, unser Verdienst, unsere Leistung. Das Licht, in dem wir wahrhaft zu sehen vermögen, hat damit dieselbe Eigenschaft wie die Liebe, die gleichfalls nur Bestand hat, wenn sie sich selbstvergessen auf das Wohl des anderen richtet. Die Liebe ist das einzige Gut auf dieser Welt, das wächst, wenn man es ausgibt, und das verkümmert, wenn man es bei sich behalten will. Das Licht wahrer Erkenntnis und die Liebe sind immer Geschenk und nie Besitz, sind nur für die anderen da und können niemals gegen einen anderen eingesetzt werden. So ruft der Apostel Paulus einmal aus: „Was hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“ (1 Kor 4,7)

Der Evangelist Johannes betreibt keine Schwarz-Weiß-Malerei, sondern weist darauf hin, in welcher Weise Licht und Finsternis Mächte sind, zwischen denen unser Leben hin und hergerissen wird, bis wir eines Tages entweder ganz im Licht oder ganz in der Finsternis sind. Es ist ein Kampf, vor allem ein Kampf gegen uns selbst, gegen unseren Stolz, unsere Rechthaberei, unseren Egoismus, unsere Weigerung, Kritik anzunehmen. Denn in jedem von uns steckt ein kleiner Pharisäer. Wenn uns jemand die Wahrheit sagt, dann sagen wir vielleicht nicht wörtlich wie damals die Pharisäer: „Du bist ganz und gar in Sünden geboren und du willst uns belehren?“ Aber wir denken so und sagen etwa: „Du hast ja keine Ahnung!“ – „Du Grünschnabel, was bildest du dir ein!“ – „Halt du dich da raus, das geht dich gar nichts an!“ – Usw. Die Sprache bietet uns viele Möglichkeiten, den Anspruch von außen abzuwehren.
Und die Fastenzeit bietet viele Möglichkeiten, über unsere eigene Blindheit nachzudenken und uns für das Licht zu öffnen, das Gott uns schenken will.

202. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Es hört sich an wie eine Resignation, wenn Petrus nach dem dramatischen Ende seins Herrn und Freundes Jesus meint: „Kommt, wir gehen wieder fischen!“ Und die anderen Jünger sind mit diesem Vorschlag sofort einverstanden und rufen: „Wir kommen auch mit.“ Ihr Handeln ist verständlich: Sie tun wieder das, was sie gelernt haben, wo sie sich auskennen und verzichten auf die großen Perspektiven für die Zukunft. Sie haben ihren Glauben an Jesus nicht verloren, aber sie sind ohne Hoffnung.

Über diese göttliche Tugend spreche ich heute. In gewisser Weise fällt sie uns modernen Menschen schwerer als der Glaube und die Liebe. Das meint auch Charles PÉGUY:
„Der Glaube, den ich am liebsten mag, sagt Gott, ist die Hoffnung... Der Glaube wundert mich nicht... Ich bin so strahlend sichtbar in meinen Geschöpfen... Daß, um mich nicht zu sehen, diese armen Leute wirklich mit Blindheit geschlagen sein müßten....

Die Liebe, sagt Gott, das wundert mich nicht. … Die Liebe ist ganz natürlich, ... sie ist die erste Bewegung des Herzens.
Aber die Hoffnung, sagt Gott, das verwundert mich wirklich sehr. … Das ist wirklich erstaunlich. Daß diese armen Kinder sehen, wie das alles zugeht, und daß sie glauben, morgen gehe es besser... Das ist verwunderlich, und das ist entschieden das größte Wunder unserer Gnade. So daß es mich selber verwundert. Denn Glaube sieht nur, was ist. Sie aber sieht, was sein wird. Und Liebe liebt nur, was ist. Sie aber liebt, was sein wird.“

Hoffnung richtet sich auf ein zukünftiges Gut. Sie sagt: „Es wird gut ausgehen; es wird ein gutes Ende nehmen.“ Erhoffen können wir nur etwas, was wir sehnsüchtig herbeiwünschen, was wir aber nicht in der Hand haben; etwas, von dem wir dennoch in freudiger Zuversicht erwarten, das es uns zuteil wird. Wir können das Erhoffte nicht bewirken, herbeischaffen oder erzeugen, aber es wäre keine Hoffnung, wenn wir nicht irgendwie gewiß wären, daß unsere Erwartung sich einst erfüllen wird.

Nun gibt es vielerlei, was wir erhoffen: gutes Wetter, einen guten Ausgang einer Prüfung, Gesundheit, langes Leben, Gedeihen der Kinder, Erfolge aller Art. Das ist völlig normal und in Ordnung. Menschen, die mit einem natürlichen Optimismus ausgestattet sind, sind uns normalerweise unmittelbar sympathisch. Sie strahlen uns an und machen kurzzeitig unser Leben ein wenig heller. Solche Art von Zuversicht ist eine wertvolle Gabe, die aber als solche noch nicht ohne weiteres Tugend ist. Selbst Petrus und seine Freunde hatten nach Jesu Tod noch dies und das zu erhoffen; jedenfalls hofften sie auf einen guten Fischfang. Aber sie hofften nicht mehr auf einen guten Ausgang ihres Lebens überhaupt, darauf, daß Jesus „der sei, der Israel erlösen werde“ (Lk 24,21). Diese Hoffnung hatten sie begraben. Aber dabei handelte es sich eben um die eine Hoffnung, neben der es keine anderen Hoffnungen gibt, die eine und fundamentale Hoffnung, die sich nicht auf ein einzelnes Gut richtet, sondern auf einen umfassenden Sinn, auf ein zukünftiges Heilsein des ganzen Lebens. Und allein diese eine Hoffnung, von der wir nur im Singular sprechen können, verdient es, Tugend genannt zu werden, sie ist göttliche, d.h. von Gott geschenkte Tugend.

Was ist das Besondere an dieser Hoffnung? Es tritt gerade dann zutage, wenn die Hoffnungen, die es im Plural gibt, zusammenbrechen und ihren Sinn verlieren. Dies ist bei allen unheilbar Kranken oder auch bei den Martyrern der Fall; auf negative Weise auch bei denen, die sich das Leben zu nehmen versuchen. Wenn die gewöhnlichen Alltagshoffnungen dahinschwinden, dann kann die echte Hoffnung ihr strahlendes Gesicht erheben, oder aber auch die Verzweiflung, die verborgen schon da war, den Menschen vollends übermannen.

Am todkranken Papst konnten wir erfahren, was die christliche Hoffnung ausmacht. Er schrieb an die polnischen Schwestern, die ihn seit vielen Jahren pflegen: „Ich bin froh, seid ihr es auch.“ Der unheilbar Kranke bezieht seine Freude aus dem umfassenden Heil, das Gott allein geben kann, das aber noch unsichtbar ist. Diese Freude nimmt die Hoffnung vorweg, von der Paulus sagt: „Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld.“ (Röm 8,24f)

Nun sagte ich eingangs, daß dem modernen Menschen die Hoffnung schwerer fällt als der Glaube und die Liebe. Wer nicht hofft, glaubt nicht, daß sein Leben wirklich einen Sinn hat und auf eine Erfüllung angelegt ist, die in der Zukunft liegt und von Gott verheißen ist. Wer nicht hofft, nimmt die Nicht-Erfüllung vorweg; er ist verzweifelt. Unsere Epoche ist der Versuchung zur Verzweiflung in besonderer Weise ausgesetzt.

Das sieht man freilich nicht auf den ersten Blick, denn allenthalben wird uns ja ein vordergründiger Optimismus präsentiert und eingeredet, alles wäre easy, leicht und locker. Doch dahinter steckt eine Mentalität, die Sören Kierkegaard als „Verzweiflung der Schwachheit“ bezeichnet hat. Die Geisteshaltung, um dies es hier geht, besteht darin, daß der Mensch nicht wagt, er selbst zu sein; er weigert sich, sein eigenes Wesen und seine Berufung anzunehmen: sie ist ihm zu hoch und zu schwer, denn sie mutet ihm eine Würde zu, die ihm eben als Zumutung erscheint, als etwas, für das er sich zu schwach fühlt; darum „Verzweiflung der Schwachheit“. Der Mensch, der davon geprägt ist, weicht seiner Berufung aus, geht sich selbst aus dem Weg und verliert sich in Ablenkungen jeder Art. Weil er nicht in sich ruhen, nicht bei sich selbst zu Hause sein kann, muß er den freilich vergeblichen Versuch machen, aus der eigenen Mitte auszubrechen – zum Beispiel in die Rastlosigkeit des Arbeitens oder auch in die unersättliche Neugierde der Schaulust und des Tratsches. Der Lärm der Unterhaltungsindustrie übertönt das Bewußtsein, daß man an der Mitte seines Lebens vorbeilebt und für die Zukunft eigentlich keine Erwartungen hat. Und da die verborgene Verzweiflung jeden Moment an die Oberfläche gelangen kann, müssen der Lärm und die Reizüberflutung immer stärker werden. Die öffentliche Neugier soll den Menschen in eine Scheinwelt leerer Reizdinge einsperren; symptomatisch sind Fernsehsendungen wie „Big Brother“, sie dienen als Droge gegen das lauernde Bewußtsein, in der Seele krank zu sein und das Ziel des Lebens verfehlt zu haben.

Von dieser „Verzweiflung der Schwachheit“, die mit der nach außen gespielten optimistischen Lebensart einhergeht, sind auch wir Christen angekränkelt. Das Fernsehen und die sonstigen Einflüsse der modernen Welt verfehlen ihre Wirkung nicht. Der durchschnittliche Christ pendelt deshalb oft zwischen Optimismus und Pessimismus, zwischen übertriebener Weltbejahung und Weltverachtung. Wenn wir etwa von den düsteren Prognosen für unser Land erfahren, dann beginnen wir gern, zu jammern und verbittert zu klagen.

Dabei können Krisen durchaus heilsam sein. Sie entstehen durch Enttäuschung, und Enttäuschung besagt dabei durchaus auch etwas Positives, nämlich Befreiung aus einer Täuschung. Freilich ist solche Befreiung nur selten willkommen, sie tut weh, sie geht unter die Haut. Wenn ich z.B. schwer krank werde, zerbricht die heimlich gepflegte Illusion uneingeschränkter Vitalität; wenn ich ein mühsam erstrebtes Ziel nicht erreiche, muß ich einsehen, daß ich aufs falsche Pferd gesetzt habe. Aber gerade in solchen Enttäuschungen bricht mit aller Macht die Frage auf, ob meine Existenz im Ganzen von solchen enttäuschten Hoffnungen abhängt, oder ob sie sich nicht einer höheren Wirklichkeit verdankt, nämlich Gott, der allein der Grund meiner tiefsten Hoffnung sein kann. In der Bedrängnis hoffen – das ist wahrhaft „Hoffnung gegen alle Hoffnung“ (vgl. Röm 4,18).

Wenn die Hoffnung so verstanden wird, ist klar, daß sie eine Haltung ist, die in gewisser Weise das Menschenmögliche übersteigt, eben eine göttliche Tugend. Nur Gott kann mir letztlich die Kraft geben, die irdischen Ziele zu übersteigen und auf das Ewige Leben zu hoffen. Natürlich braucht diese Hoffnung einen Grund, der sie rechtfertigt. Dieser Grund ist kein anderer als Jesus Christus, der den Tod besiegt hat.

Die Welt braucht nicht unbedingt optimistische Menschen, aber sie bedarf dringend solcher Menschen, die Hoffnung ausstrahlen, tiefe vom christlichen Glauben geprägte Hoffnung. Nur die echte Hoffnung wird dem Ernst und Elend dieses Lebens gerecht; nur der Hoffende kann in Leid und Enttäuschung Frieden und Freude bewahren.

Darum gilt die Bitte des Apostels Paulus in seinem Römerbrief auch für unsere Zeit: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes.“ (Röm 15,13)

203. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Das heutige Evangelium enthält fast alle Schlüsselwörter, die Johannes, dem Evangelisten, wichtig sind: Glauben, Sehen, Erkennen; ferner Wahrheit und Leben; schließlich auch das Ineinandersein von Vater und Sohn, das sich fortsetzen soll im Ineinander von Christus und den Christen, wie Jesus besonders am Weinstockgleichnis deutlich macht. „Ich in ihnen [den Christen] und du [Vater] in mir“ (Joh 17,23), betet Jesus.

Dieses Ineinander ist das Wesen und Ziel der Liebe. Wer den anderen liebt, der strebt danach, mit ihm EINS zu sein. Der himmlische Vater liebt seinen menschgewordenen Sohn so innig und dieser liebt seinen Vater ebenso, daß Jesus sagen kann: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. … Glaubst du nicht, (Philippus,) daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist?“ (Joh 14,9f)

Jesus ist das Bild des Vaters, seit Ewigkeit ruht er am Herzen des Vaters und ist darum der einzige, der den Vater gesehen und nun von ihm Kunde gebracht hat. (Joh 1,18) An Jesus können wir leibhaftig anschauen, wer Gott ist und wie er handelt; daß Gott die Liebe selbst ist (1 Joh 4,8.16).

„Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“, schreibt Johannes in seinem ersten Brief (1 Joh 4,10) und reflektiert so das Kommen Jesu in unsere Welt. Und er zieht sofort die Schlußfolgerung: „Liebe Brüder, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben.“ (1 Joh 4,11)

Das ist ein Gebot, aber zuerst einmal ist es ein Geschenk: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,5) Die Liebe ist Gabe und Aufgabe. Sie ist Gabe, weil Gott uns zuerst geliebt und dadurch zur Liebe allererst fähig gemacht hat. Und sie ist Aufgabe, weil sie Sache des freien Willens ist und nicht ein automatisches oder magisches Geschehen in uns. Weil sie beides ist: freies Verhalten und göttliche Gabe, darum ist sie eine göttliche Tugend, und zwar die erste und ranghöchste.

Als freie Zuwendung zum anderen ist die Liebe etwas Urmenschliches und jedermann Bekanntes, nichts Neues. Insofern ist das Gebot der Liebe altbekannt. Andererseits ist die Liebe, die Gott uns erwiesen und zu der er uns erwählt hat, etwas bis dahin Unerhörtes, schlechthin Überraschendes, etwas, das den sog. „alten Menschen“ völlig überfordert. Darum schreibt Johannes: „Liebe Brüder, ich schreibe euch kein neues Gebot, sondern ein altes Gebot, das ihr von Anfang an hattet. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt. Und doch schreibe ich euch ein neues Gebot, etwas, das in ihm und in euch verwirklicht ist; denn die Finsternis geht vorüber, und schon leuchtet das wahre Licht.“ (1 Joh 2,7f)

Was ist so neu an der Liebe, von der das Neue Testament insgesamt mit 320 Wortvorkommnissen spricht? Es sind vor allem zwei Aspekte, die die Liebe als ein neues Gebot erscheinen lassen: 1. Die von Jesus verkündete, gelebte und geforderte Liebe kennt keine Grenze, sie grenzt keinen Menschen aus, sie überwindet selbst das Freund-Feind-Gegensatz. In diesem Sinne sagt Jesus in der Bergpredigt: „Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er läßt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner?“ (Mt 5,43-46)

Der alte, d.h. der egoistische Mensch erschrickt angesichts dieser Worte, sie erscheinen ihm als Zumutung. Doch Jesus ist den Weg dieser Liebe bis zur Vollendung gegangen: „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung.“ (Joh 13,1) Und „Vollendung“ heißt hier Tod, Selbstaufopferung. Jesus erklärt die Grenzenlosigkeit seiner Liebeshingabe mit folgenden Worten: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13) Und zu diesen Freunden zählt Jesus nicht nur diejenigen, die treu zu ihm halten, sondern auch noch Judas, den er ausdrücklich noch „Freund“ nennt, als dieser ihn verriet (Mt 26,50), ja im Grunde auch seine Peiniger, für die er sterbend betet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34)

Die grenzenlose Liebe ist bereit zur Vergebung und kennt auch darin kein endliches Maß, kein „Jetzt ist es aber genug!“ Als Petrus fragt, „Herr, wie oft muß ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal?“, da antwortet ihm Jesus: „Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal.“ (Mt 18,21f) Das heißt: immer und unbegrenzt oft.

Wieder erschrickt der alte Mensch in uns: Wer soll denn dazu fähig sein? Wie schwer fällt es uns, auch nur ein einziges Mal zu vergeben, wenn wir tief verletzt worden sind! Ein Vertrauensbruch z.B. kann eine Beziehung zerstören, weil die Kraft zur Vergebung fehlt. Müssen wir also folgern, daß die Beziehung von Anfang gar keine Liebe gewesen ist? Denn die Liebe ist nach den Worten des Apostels Paulus doch langmütig und gütig (1 Kor 13,4), „sie erträgt alles“ (1 Kor 13,7) und „trägt das Böse nicht nach“ (1 Kor 13,6). Ja, wenn ein Mensch dazu nicht mehr fähig ist, dann muß er sich fragen, ob seine Liebe erkaltet ist, ob er sie womöglich verlassen hat (vgl. Offb 2,4).

Wenn wir bei solchen Betrachtungen stehenbleiben, könnten wir entmutigt werden oder – was noch schlimmer wäre – trotzig aufbegehren und denken: „Wenn das so ist, dann will ich vom Neuen Testament gar nichts mehr hören!“ Darum sollten wir das bereits zitierte Wort aus dem 1. Johannesbrief noch einmal hören und bedenken: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat.“ Hier kommt der 2. Aspekt zum Ausdruck, an dem die Neuheit der christlichen Botschaft von der Liebe aufscheint: Die Liebe ist kein Werk des Menschen, sondern Frucht des Heiligen Geistes (Gal 5,22).

Das Werk der Liebe ist bereits vollbracht und seine Frucht uns geschenkt – das ist die Frohe Botschaft, die uns keiner nehmen und ausreden kann! Darum kann Jesus sagen: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Jesus zeigt nicht nur den Weg zum Vater so wie ein Morallehrer, er selbst ist der Weg und die Brücke zum Vater. Jesus sagt nicht nur die Wahrheit, eine Wahrheit, die kalt und hart wäre, er ist die Wahrheit in Person, die im Fleisch erschienene Liebe Gottes: voller Wärme und Anziehungskraft. Jesus redet nicht nur vom Leben, er selbst ist das Leben und ist gekommen, damit auch wir das Leben in Fülle haben. (Joh 10,10)

Worauf es allein ankommt, ist, mit Jesus zum Vater zu gehen (vgl. Joh 14,12), uns immer mehr von Jesus umgestalten zu lassen, bis wir selbst so voll strahlender Liebe sind wie er. Solange wir auf der Erde leben, ist dieser Weg mühsam, steinig, ein Weg, den wir im Glauben und in der Hoffnung gehen; dereinst sind wir am Ziel, und was bleibt, ist die Liebe.
„Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ (1 Kor 13,13)

204. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Am letzten Sonntag habe ich über die Tugend der Liebe gesprochen und insbesondere herausgestellt, daß die Liebe etwas Neues ist, eine von Gott geschenkte Umwandlung unseres Willens, die uns allererst befähigt, Gott und den anderen Menschen zu lieben. Weil diese Liebe neu ist, erscheint sie dem sog. „alten Menschen“ als Überforderung.

Wie aber steht es mit dem Menschen, der durch die Taufe eine „neue Schöpfung“ geworden ist (2 Kor 5,17)? Empfinden wir, die wir getauft sind, die Botschaft von der Liebe als froh- und freimachend, oder doch eher als schwer und belastend? Wie kommt es, daß wir so oft keine Lust zu dieser Liebe haben?

Ich habe absichtlich die Worte „Lust“ und „Liebe“ zusammengestellt. Was empfinden Sie, wenn Sie beide Worte zusammen hören? Hat Liebe etwas mit Lust zu tun oder gerade nicht? Hier gibt es zwei extreme Auffassungen: Nach der einen ist Liebe geradezu ein anderes Wort für Lust, vor allem für die sexuelle Lust; nach der anderen hat nur der wahre Liebe in sich, der die eigene Lust und Laune überwinden kann und eben nicht nur das tut, wozu er gerade Lust hat. Beide Auffassungen sind einseitig. Sie sagen beide etwas Richtiges, aber verdecken auch einen wichtigen Teil der Wahrheit. Die erste Auffassung beachtet nicht, daß wir in einer sündigen Welt leben, die zweite mißachtet, daß uns die Liebe tatsächlich eine Lust ist oder jedenfalls sein soll, hier auf der Erde zumindest ab und zu, im Himmel ganz gewiß uneingeschränkt.

Wir leben in einer sündigen Welt, sagte ich. Das ist der Schlüssel für das Auseinanderfallen von Lust und Liebe, für die Zerrissenheit in uns selbst, die Paulus so beschreibt: „Denn ich begreife mein Handeln nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse.“ (Röm 7,15) Z.B. schreie ich meinen Ehepartner an, obwohl ich ihm doch eigentlich nur Gutes sagen wollte. Paulus spricht die Erfahrung aus, daß wir oft etwas tun, wovon wir einsehen, daß es nicht richtig ist, weil es gegen die Liebe ist; und solches Handeln hassen und verabscheuen wir aus tiefster Seele, auch wenn wir selbst so handeln. Der Grund ist: die Natur ist aus dem Gleichgewicht geraten, sie ist nicht mehr integer. Unser Herz geht nicht immer mit, wenn wir dem Menschen nahe sind, den wir lieben. Nicht immer tun wir gern, was wir doch aus Liebe tun möchten oder sollen. Eltern lieben ihr Kind, aber wenn es schreit, dann erscheint es ihnen womöglich als Nervensäge. Ehepartner lieben einander, und doch empfinden sie manchmal die Anwesenheit des anderen als störend. Kinder lieben ihre Eltern, aber nicht selten empfinden sie deren Anordnungen als Einschränkung ihrer Freiheit. Und so könnte ich fortfahren, die mangelnde Lust an der Liebe zu schildern. Lust und Liebe sind nicht identisch. Wer nur das tut, wozu er Lust hat, der hat keine Liebe in sich.

In dem Maße, in dem Lust und Liebe auseinandertreten, nimmt die echte Liebe den Charakter der Pflicht an. Das was sie eigentlich will, wozu ihr aber allzu oft die Neigung fehlt, muß sie sich quasi äußerlich auferlegen – als Pflicht oder als Gebot. Die Pflicht ist keine Einschränkung der Liebe, sondern ihr Ausdruck. Darum kann Jesus sagen: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ (Joh 14,15) Freilich ist es ein Zeichen von Unvollkommenheit solcher Liebe, wenn sie ohne eigene Neigung, sondern nur in Kraft der Pflicht das Gute tut. Aber das ist immer noch besser, als wenn jemand gar nicht aus einer eingesehenen Pflicht handelt, sondern von außen dazu genötigt wird. Dies wäre z.B. der Fall, wenn ein Kind sich für ein Geschenk nur deshalb bedankt, weil es sonst von seinen Eltern bestraft würde. Besser ist es, wenn es aus eigener Einsicht „Danke“ sagt, auch wenn es dem Geber gegenüber Abneigung empfindet. Noch besser ist es allerdings, wenn das Kind sich gern bedankt, weil es sich wirklich über das Geschenk freut und echte Gegenliebe zum Geber empfindet, so daß der Dank quasi aus dem Kind herausplatzt. Das sind drei Stufen des guten Handelns: Handeln nur gemäß der Pflicht, die ganz äußerlich bleibt; Handeln aus Pflicht, die innerlich akzeptiert ist; Handeln aus innerlich geliebter Pflicht.

Die höchste Stufe der vollkommenen Liebe, auf der Lust und Liebe sich gegenseitig stützen und verstärken, ist uns in diesem Leben leider nicht immer oder vermutlich nur selten gewährt. Meistens müssen wir uns mit der zweiten Stufe begnügen, auf der sich die Liebe mit der Pflicht verbünden muß, will sie Bestand haben. Wie oft fällt es uns z.B. schwer, auf den anderen Rücksicht zu nehmen oder mit seinen Schwächen Nachsicht zu haben! Des anderen Last tragen ist nur ganz selten süße Pflicht, etwa für die Verliebten oder für die echten Heiligen, meistens ist es schwer, nicht Lust, aber nichtsdestoweniger Werk der Liebe, ja Erfüllung des Gesetzes Christi (Gal 6,2).

Von Gebot und Pflicht zu reden, ist heutzutage nicht besonders angesagt. Es gibt schon zu viele Pflichten im Beruf, im harten Alltag; da sollte wenigstens die Freizeit Spaß machen – so empfinden es die meisten Menschen. Dagegen will ich auch gar nichts sagen. Aber ich muß doch darauf aufmerksam machen, daß das Höchste und Wichtigste im Leben die Liebe ist, die Liebe zum anderen Menschen und die Liebe zu Gott. Sobald ich in Beziehung mit anderen Menschen stehe und diese nicht einfach nur egoistisch ausnutzen will, habe ich Verantwortung für sie – d.h. bin ich aufgefordert zur Antwort auf den Wert des anderen und auf seine berechtigten Bedürfnisse. Die Anerkennung des anderen ist gerade Liebe. Den anderen nicht als Objekt meiner Selbstverwirklichung betrachten, sondern ihn in sich wertschätzen und ihm wohlwollen, das ist Liebe.

Nur ausnahmsweise ist damit ein tiefes Gefühl verbunden, und darum wird solche alltägliche Anerkennung des anderen und das auf ihn gerichtete Wohlwollen meistens unterschätzt. Wenn aber im Fernsehen die Opfer von Naturkatastrophen gezeigt werden und eine Flut von Spenden einsetzt, dann sind starke Gefühle im Spiel, und die Spender fühlen sich als wahre Helden der Nächstenliebe. Hier täuschen wir uns gern über uns selbst. Wieviel Liebe wirklich in uns ist, das können wir aus solchen außergewöhnlichen Vorfällen nicht ersehen, sondern nur daraus entnehmen, wie wir tagtäglich – wenn auch ohne besondere Gefühle – mit unseren Mitmenschen umgehen und wie wir unsere mitmenschlichen Pflichten erfüllen.

Darum sage ich immer wieder zu Leuten, die mich fragen, was sie tun sollen, um in der Liebe zu wachsen: Tut erst einmal eure Pflicht! Das ist schon sehr viel. Versucht, eure Pflicht gern zu tun, legt alle Liebe in die kleinen Dinge des Alltags hinein und träumt nicht von großen Heldentaten!

Wer dies beherzigt, dem gilt das Wort aus dem heutigen Evangelium: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.“ (Joh 14,21)

205. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Am letzten Sonntag habe ich über Liebe und Pflicht gesprochen, über die oft fehlende Lust zur Liebe. Heute möchte ich die Trilogie über die drei göttlichen Tugenden abschließen mit Gedanken über den Ewigkeitswert der Liebe.

Am letzten Sonntag habe ich gesagt: Wenn die Liebe schon hier auf Erden eine Lust ist, dann wird sie es im Himmel erst recht sein, und zwar uneingeschränkt. Weil aber die Natur durch die Sünde aus dem Gleichgewicht geraten ist, kommt es oft vor, daß die Liebe mühsam ist und wir nicht gern tun, was wir doch aus Liebe tun möchten oder sollen. Das muß ich jetzt noch ein wenig präziser ausdrücken. Liebe ist nicht dasselbe wie die Lust, auch nicht im Himmel, Liebe hat vielmehr eine gewisse Lust oder Freude zur Folge. Aber diese Lust können wir nicht anzielen, so ähnlich wie wir uns auf ein genußvolles Essen freuen können und nun die Schritte planen, die nötig sind, damit uns die Lust des Essens schließlich zuteil wird. Die Liebe kann niemals ein bloßes Mittel zum Zweck der Luststeigerung sein. Sie ist vielmehr Zweck in sich selbst und nur als solcher überhaupt möglich.

Hier kann uns die Sprache täuschen, denn wir sagen ja auch: „Ich liebe diese Speise und jenen Wein.“ Aber das ist doch etwas anderes, als zu sagen: „Ich liebe diesen Menschen.“ Denn ich liebe den Menschen nicht um des Genusses willen, den er mir verschafft – wenn es so wäre, müßten wir urteilen, daß gar keine echte Liebe vorliegt, sondern nur eine gewisse Attraktion, ein Anreiz, der mir Erfüllung eines Bedürfnisses verspricht. Von personaler Liebe sprechen wir erst, wenn wir den anderen um seiner selbst willen lieben, achten und ehren, nicht weil er ein Gut für mich ist, sondern weil er in sich selbst gut ist. Den Unterschied von beiden Affekten können wir sehr leicht erkennen, wenn wir uns fragen, wie wir jeweils reagieren auf ein Gut-für-mich und auf ein Gut-in-sich: Etwas ist für mich gut, wenn es sich meinen Wünschen und Bedürfnissen anschmiegt und fügt – dann und gerade deshalb liebe ich es. Die Liebe, die sich aber auf den Wert einer Person an sich richtet und diesen anerkennt, bejaht und hochschätzt, hat die umgekehrte Zielrichtung: sie gibt sich selbst an diesen hin, sie nimmt nicht, sondern gibt, macht nicht gefügig, sondern fügt sich, hält nicht fest, sondern läßt sich los, läßt sich nicht bedienen, sondern dient.

Aber gerade wenn sie dies tut, wenn die Liebe sich dienend hingibt, dann erfährt sie eine ungeahnte Freude, die nicht angezielt war und nicht angezielt werden konnte, weil sie gar nicht im Blickfeld war. Die Freude, von der ich spreche, überragt alle natürliche Lust, sie ist selbst kein Werk der Natur, sondern zeugt von der Wirklichkeit Gottes, der uns eben so geschaffen hat, daß wir zur wahren Erfüllung erst kommen, wenn wir aus unserem Egoismus heraustreten, aus der natürlichen Verhaftung an das eigene Ich. „Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es gewinnen“, sagt Jesus (Lk 17,33). Und von sich selbst stellt er fest: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“ (Mk 10,45)

Daß solche Liebe bis zur Lebenshingabe führt, gehört nicht grundsätzlich zu ihrem Wesen, sondern ist Folge der Sünde. In einer Welt ohne Sünde gibt es keinen Schmerz der Hingabe, sondern nur die unbändige Freude der Hingabe. Was für eine Welt kann das sein? Wenn es sie überhaupt gibt, dann kann es nur die jenseitige Welt sein, die die Bibel „Himmel“ nennt.

Eine Welt ohne Sünde ist eine Welt, in der die Hingabe des einen vom anderen nicht mit Undank belohnt, nicht ausgenutzt oder schnöde zurückgewiesen, sondern mit freudiger Anerkennung und Gegenliebe beantwortet wird. Es ist eine Welt, in der die Liebe des einen die um so größere Liebe des anderen auslöst und so immer weiter bis hin zu unendlicher Steigerung, weil keiner festhalten und für sich allein behalten will, was er vom anderen empfängt. Eine Welt ohne Sünde ist eine Welt ohne Egoismus und ohne die Angst, etwas zu verlieren oder zu verpassen. Das muß uns wie eine Utopie erscheinen: Wie soll das möglich sein? – Und doch sehen wir, daß es ansatzweise diese Welt schon gibt, denn in jeder Liebestat wirft sie ihren leuchtenden Schein in unser Leben hinein.

Wir spüren, daß es ein wirklicher Kampf zwischen zwei Mächten ist, der hier stattfindet: Licht kämpft gegen Finsternis, Liebe gegen Egoismus, Leben gegen den Tod. Und das Merkwürdige ist: Gerade den egoistischen Menschen müßte es ein Anliegen sein, daß die Liebe den Sieg davon trägt, denn sie wollen ja, daß andere sie bedienen. Doch solche gäbe es nicht mehr in einer Welt, in der keiner mehr dienen will, sondern alle nur noch bedient werden wollen; das wäre eine Welt, in der jeder gegen jeden kämpft, eine so schreckliche Welt, daß selbst die Bösen keine Lust am Leben mehr hätten – es wäre die Hölle. Und doch wird kein egoistischer Mensch durch diese Aussicht veranlaßt, sich zu ändern und auf die Seite der Liebe überzuwechseln, vielmehr lediglich denken: „Rette sich, wer kann.“ Aber niemand kann sich selbst retten, weil der Egoismus kein Weg zur Rettung ist, sondern der Weg ins Verderben, gemäß Jesu Wort: „Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren.“

Rettung ist um keinen geringeren Preis zu erhoffen als den der Liebe. Jeder der liebt, hat dadurch bereits Anteil am Sieg Gottes über das Böse. Jede Liebestat bringt uns dem Himmel und der endgültigen Rettung einen Schritt näher. So gesehen, gibt es in unserem Leben überhaupt nur eine Kategorie von sinnvollen Taten: die Werke der Liebe. Sinnvoll sind nur Liebestaten! Alles andere kann sehr zweckvoll und gewinnbringend sein, für die Ewigkeit indes ist es nur wertloses Stroh. So schreibt Paulus im Hohenlied der Liebe: „Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke. Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüßte und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.“ (1 Kor 13,1-2) Das ist so, weil die Liebe die einzige Verbindung dieses Lebens mit dem ewigen Leben ist, das einzige, was in beiden Leben genau gleich ist, weil die Liebe eben das Vollkommenste ist, was es in dieser Welt gibt, und niemals aufhört (1 Kor 13,8), denn es trägt den Keim des Ewigen bereits in sich.

Allein die Liebe genügt. Eine Seligkeit unter dem Niveau der Liebe ist in Gottes Schöpfungsplan nicht vorgesehen. Wenn man dies verstanden hat, dann wird man auch den Satz von Augustinus nicht mißverstehen: „Liebe und tu, was du willst. ... Die Wurzel der Liebe soll das Innerste deines Herzens sein: aus dieser Wurzel kann nichts als Gutes hervorkommen.“

206. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Geradezu wie ein Märchen mutet die Szene an, die wir soeben gehört haben. Einfache Männer, von Beruf Fischer, mit Land und Leuten verwurzelt, reagieren ohne Zögern und Zaudern auf den Ruf Jesu Christi. Sie folgen ihm ohne lange Nachfrage und ohne Rückversicherung und lassen einfach ihre Familie zurück. Als wenn es so einfach wäre! Und so einfach ist es wahrscheinlich auch nicht gewesen. Jedenfalls haben diese Männer nicht unüberlegt ihre Existenz aufs Spiel gesetzt. Andernfalls wäre es verantwortungslos, solche Geschichten immer noch zu verbreiten.

Nein, unüberlegt und rücksichtslos haben die Apostel bestimmt nicht gehandelt. Aber entschieden und aus einer Begeisterung heraus, die unserem Lebensgefühl inzwischen fremd geworden ist. Darum kommt uns ihr Verhalten auch so befremdlich vor, befremdlich auch ihr neuer Auftrag, nunmehr Menschen zu fischen. Beides ist uns fremd, nahezu abstoßend: die leichtfüßige Entschlußfreude und ihr neues Amt, Menschen einzufangen, einzuspannen und ins Netz zu ziehen.

Freilich wohnen da zwei Seelen in unserer Brust: zum einen der Hang, in Ruhe leben zu können, in Ruhe gelassen zu werden und darum auch das Risiko zu vermeiden, mit anderen Streit über Weltanschauungsfragen zu bekommen. „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“ – dieses Motto Friedrichs des Großen ist uns so in Fleisch und Blut übergegangen, daß viele schon meinen, es stamme von Jesus. Und dabei gibt es fast keinen Spruch, der so wenig zur Persönlichkeit Jesu paßt wie dieser. Aber er drückt eben die besagte Vorliebe aus, in Ruhe zu leben. Wir verwechseln dies zu gern mit der wahren Toleranz, die viel schwerer zu leben ist, weil sie Achtung vor dem anderen gebietet gerade in seiner Fremdheit, und die oft alles andere als Ruhe nach sich zieht, vielmehr Eifer und Kampf, wenn andere nämlich diese Achtung verweigern und ich nun nachgerade aufgefordert bin, solcher Verachtung Widerstand zu leisten und sie nicht zu tolerieren. Soviel zu der einen Seele in unserer Brust.

Dann gibt es da noch die andere: die Sehnsucht nach dem Wort, das von Gott kommt und das uns wahre Nahrung gibt. Die Sehnsucht auch nach Menschen, die uns dieses Wort authentisch verkünden und die uns Fenster öffnen, damit wir vom Zeitlichen immer wieder ins Ewige hinüberschauen können; nach Menschen, die unser Herz erheben, die uns und unsere Kinder, ja möglichst viele andere Menschen begeistern, damit sie Hunger und Durst bekommen nach Gott und seinem Reich des Friedens. Kurz: Die Sehnsucht nach Menschenfischern, nach Priestern.
Was sollen diese Menschenfischer tun? Sie sollen andere – und mich – überzeugen, daß die Entscheidung für Christus auf den richtigen Weg führt, auf den Weg, der zum Heil führt.
Sie sollen andere – und mich – bestärken, daß wir in Jesus an denjenigen glauben, der die absolute Wahrheit besitzt, die Wahrheit, die heute unentwegt von Lüge, Heuchelei und Verstellung bedroht ist.

Sie sollen andere – und mich – zum wahren Leben führen und sie so retten vor bloßen Scheinwirklichkeiten, vor verführerischer Täuschung, vor dem Gefangensein in falschen Netzen, vor Tod und Verderben.

Soviel zur zweiten Seele in unserer Brust. Oft merken wir gar nicht, wie wenig sich die beiden Seelen in unserer Brust vertragen. Wir könnten es merken, wenn wir tägliche Gewissenserforschung hielten – doch wer macht das heute noch? Wann denn, wenn der Fernseher bis tief in die Nacht läuft und man dabei schon einschläft? Wir könnten es merken an unserem Widerwillen gegen Menschen, die uns allzu glaubensfroh zu sein scheinen – an unserer Art und Weise, diesen ans Zeug zu flicken. Wir könnten es merken, wenn wir uns vorstellten, was in uns vorginge, wenn eines unserer Kinder auf die Idee käme, Priester oder Nonne zu werden. Wir wären wohl kaum begeistert: not amused. Wir könnten es merken an unserer Müdigkeit, uns für gute Ideen und hohe Ideale zu begeistern. Wir könnten es vielleicht sogar an unseren gelangweilten und mürrischen Gesichtern sehen, am täglichen Nörgeln und an der Überzahl der Negativgespräche ermessen, in denen über andere nach Herzenslust gelästert wird. Aber wir merken es nicht, weil wir – wie gesagt – schon lange keine Gewissenserforschung mehr betrieben haben.

(Wenn ich dies so sage, weiß ich, daß nicht alle in gleichem Maße gemeint und betroffen sind. Das ist mein wöchentliches Dilemma bei der Predigt: Gerade die Menschen mit einem feinen Gewissen, die also gar nicht gemeint sind, nehmen sich meine Worte besonders zu Herzen; die mit einem groben Gewissen glauben ohnehin nicht, daß sie gemeint sein könnten, weil sie ja die Fehler immer nur beim anderen sehen können. Aber wer außer Gott kann hier überhaupt entscheiden, wer zu welcher Gruppe gehört? Nicht einmal von mir selbst weiß ich ganz genau, wie gut ich mein Gewissen gebildet habe. Darum schließe ich mich immer selbst mit ein; auch ich muß meine Fehler erkennen und sie bereuen.)

Daß die Zahl der Priesterberufungen zurückgeht, hat auch damit zu tun, daß wir dem Hang nach Bequemlichkeit nachgegeben haben. Wir wollen uns nicht mehr anstrengen für Gott und das Gute überhaupt – doch woher sollen denn die Leute kommen, denen wir diese Aufgabe immer ausschließlicher zuschustern wollen? Überlegen Sie einmal: Wenn Sie Ihrem eigenen Kind alles gönnen, nur das eine nicht, nämlich daß es Priester wird, kommt dann nicht zum Vorschein, was Sie insgeheim über diesen Berufsstand denken? Etwas drastisch: „Das sind arme Schweine.“ – Und wenn Sie einem Priester statt eines „Dankeschön“ sagen, der Dienst, den er Ihnen getan hat, sei ja schließlich sein Job, dann behandeln Sie ihn wie ein armes Schwein.
Wenn wir die eine, wenig rühmliche Seele in unserer Brust erkannt haben, dann wissen wir, was wir zu tun haben. Jesus sagt es kurz: „KEHRT UM, DENN DAS HIMMELREICH IST NAHE.

207. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Ich sehe in der augenblicklichen kirchlichen Großwetterlage vor allem zwei gefährliche Trends. Zum einen eine gewisse Verzuckerung des Lebens durch Abwendung von der harten Wirklichkeit und Hinwendung zu den verschiedensten Symbolen für das, was als ideal empfunden wird. Für zumindest einen Teil seines Lebens wird soll der Christ, der in diesen Trend gezogen wird, in eine heile Welt eintauchen, indem über alles Schlimme und Schreckliche ein Mantel gelegt und indem das christlich-humane Lebensideal mit allerlei suggestiven Worten beschworen wird. Es paßt in diesen Trend, daß die 1200jährige Bistumsgeschichte schlechthin als „Liebesgeschichte“ tituliert wird, als ob sie nicht ebenso eine Geschichte des Unglaubens, der Rivalität, des Hasses und sogar des blutigen Tötens gewesen wäre. Es paßt in diesen Trend, daß mit einem immensen Öffentlichkeitsaufwand, den man sonst anläßlich von Staatsbesuchen betreibt, eine Kerze durchs Bistum getragen wird: das Symbol für Bischof Liudger, in dessen Strahlenglanz wir offensichtlich die ganze Kirchengeschichte (und vermutlich auch die derzeitigen Amtsträger und ihre unpopulären Verfügungen) sehen sollen. Zu den vielen unsäglichen Worten, die dazu gemacht werden, möchte ich nur die Bibelstelle in Erinnerung rufen: „Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit.“ (1 Joh 3,18)

Das ist der eine Trend. Der andere hängt sich an das allgemeine Klagen und Jammern an und richtet dieses gegen die „böse Gesellschaft“. Zu lange habe die Kirche mit den Mächtigen Hand in Hand gearbeitet und dadurch eine Wirtschaftsordnung gestützt, in der die Besseren, Schnelleren und Stärkeren gewinnen und die Armen und Schwachen verlieren. Nun sei es an der Zeit, aus dieser unseligen Zusammenarbeit auszusteigen und eine selige Gegenkultur zu bilden, in der endlich die wahren Werte der Bergpredigt zur Geltung kommen, in der die Armen, die Trauernden und die Verfolgten zu ihrem Recht kommen. Zwar weiß niemand zu sagen, wie eine solche gettoisierte Kirche aussehen und evangeliumsgemäß wirken könnte. Aber ein vages Idealbild von ihr genügt schon, um kräftige Kritik an den bestehenden oder vermeintlichen Mißständen zu üben. Überhaupt ist es diesem zweiten Trend gemäß überaus beliebt geworden, das Evangelium und gerade auch die Bergpredigt als Polemik gegen die „böse Gesellschaft“ zu deuten und von daher auszulegen. So hört man z.B.: „Selig, die arm sind vor Gott“ – und stellt fest: „Aber in unserer Gesellschaft sind sie nicht selig. Also müssen wir aus dieser Gesellschaft aussteigen.“

Die beiden Trends sind gleichsam die zwei Seiten ein und derselben Medaille, sie entspringen derselben geistigen Quelle. An ihrem Ursprung sitzt eine tiefe Frustration über das Leben und seine grausamen Härten, darüber, daß es unmöglich ist, das verlorene Paradies wiederherzustellen. Sofern man ein gläubiger Christ ist, versteht man Jesus gleichfalls als jemanden, der unter diesem Zustand leidet, und zugleich als denjenigen, der das Paradies in Form des Reiches Gottes neu aufgerichtet habe. Wer eine solche Sichtweise hat, kann den Geist Gottes nur dort am Werk sehen, wo eine ganz neue Lebensweise herrscht. Und darum gibt es den doppelten Hang, zum einen zum Verklären und Verkleistern, zum Kuscheln und Klönen bei Kerzenschein und Räucherstäbchen, zum anderen aber zum Verteufeln und Verleumden, zum Jammern und Klagen in endlosen Diskussionen, solange der Kaffee reicht.

Um es kurz zu sagen: Gründlicher kann man die Bergpredigt nicht mißdeuten. Die Seligpreisungen Jesu sind kein Klagelied über die Mißstände unserer heutigen Welt! Sie geben vielmehr Ausdruck von Jesu eigener Lebenserfahrung: daß er inmitten von Armut und Trauer Seligkeit spürte, Seligkeit infolge seiner Sanftmut, Gerechtigkeitsliebe, Barmherzigkeit und Herzensreinsheit – seiner Verbundenheit mit Gott, seinem Vater. Er hat sich nicht zurückgezogen, als er merkte, daß die große Masse sich bald von ihm abwandte, sondern seine Jünger geschult, damit sie ihm helfen bei der Verkündigung der Frohen Botschaft. Darum darf sich die Kirche nicht in irgendwelche Nischen und Kuschelecken zurückziehen, und ebensowenig die einzelnen Gläubigen, sondern wir müssen die Ärmel aufkrempeln und Hand anlegen: „Sauerteig sein“, um so inmitten der Welt „in Tat und Wahrheit“ Zeugnis von der christliche Liebe zu geben.

Ist nicht der christliche Glaube auch deshalb für viele so unplausibel geworden, weil die genannten Trends überhand genommen haben, so daß man von außen meinen muß, die Christen seien wirklichkeitsfremde Narren? Bei Kaffee und Kuchen läßt sich leicht lamentieren über die Ungerechtigkeit in der Welt. Wo aber bleiben die Taten?

Als im 19. Jahrhundert der Wirtschaftsliberalismus noch weit stärker als heute den Armen, vor allem den Arbeitern jede Chance nahm, da waren es überzeugte Christen, die durch die Gründung von Vereinen, Gewerkschaften und politischen Parteien den Staat durchsäuerten und eine soziale Gesetzgebung erwirkten, auf der bis heute die Idee der sozialen Marktwirtschaft beruht. Ich nenne nur die Namen Adolf Kolping und Bischof v. Ketteler, die das Kolpingwerk bzw. die KAB gegründet haben. Sie sind nicht „ausgestiegen“, sondern „eingestiegen“ und haben so aus ihrer christlichen Überzeugung dazu beigetragen, daß sich die Gesellschaft nicht selbst zerstörte. – Solche Männer brauchen wir heute auch.

208. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Am letzten Samstag habe ich auf ein verbreitetes Mißverständnis der Bergpredigt hingewiesen: sie ist weder ein Klagelied über die Mißstände unserer heutigen Welt noch ein ethisches Hochleistungsprogramm. Jesus beginnt seine Predigt überhaupt nicht mit Forderungen und Appellen, sondern mit Seligpreisungen, das heißt mit einem Zuspruch. Er spricht denen, die mit ihm zusammen nach Gerechtigkeit und Liebe dürsten, Trost zu, weil sie nämlich wie er selbst die Erfahrung machen dürfen, inmitten von Armut und Traurigkeit unendlich geliebt zu sein, gehalten und getragen von Gott, unserem Vater, der unsere Sehnsucht kennt und sie ganz gewiß erfüllen wird.

Auch in der Fortsetzung seiner Rede hält Jesus seinen Zuhörern keine Imperative entgegen, sondern spricht ihnen etwas zu, was sie sich wohl kaum selbst zugetraut hätten: „Ihr seid das Salz der Erde… Ihr seid das Licht der Welt.“ Das Wort vom Salz vergleicht das christliche Leben mit der reinigenden und würzenden Kraft des Salzes, das den Speisen erst Geschmack gibt. Das Salz ist nicht für sich da, sondern um zu würzen. Salz macht die Nahrung schmackhaft, jedoch auf andere Weise als Zucker. Salz beißt, Zucker schmeichelt und versüßt. Den modernen Trends entsprechend, von denen ich vorige Woche gesprochen habe, möchten wir doch wohl lieber der Honig im Kuchen sein als das Salz im Fleisch. Salz oder Sauerteig sein hat immer auch etwas Unangenehmes an sich oder jedenfalls etwas Mühevolles: an das noch Fade und Geschmacklose muß aktiv Hand angelegt werden, um es nach und nach umzuwandeln. Das kann weh tun und Widerstand hervorrufen. Zucker dagegen tut nicht weh, er verklebt, verklärt und verkleistert alle Unstimmigkeiten und versüßt alles Bittere. Die Welt erscheint wie ein Kuchen, dem die Christen den Honig zuführen und von dem sie dann auch nach Herzenslust kosten können, wenn sie sich anpassen und gefügig zeigen. Von Christenverfolgung spricht man da natürlich nicht! – Nun sind wir aber kein Honig im Kuchen, und wenn wir das gleichwohl sein wollen, ist unser Salz bereits schal geworden. Und was tut man damit? Man wirft es weg, denn es taugt wirklich zu rein gar nichts mehr.

Vorige Tage stand in der Zeitung, daß Klaus Esser, der ehemalige Konzernchef von Mannesmann, 200.000 € Schmerzensgeld vom Land Nordrhein-Westfalen gefordert hat, weil man seine Persönlichkeitsrechte verletzt habe, als man ihn wegen unrechtmäßiger Bereicherung vor Gericht stellte. Esser hatte bei der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone rund 30 Millionen Euro Abfindung erhalten. Es ist schon ein Skandal, daß Esser und die anderen Manager, die insgesamt 111 Millionen Mark in die eigene Tasche gesteckt haben, freigesprochen wurden. Seine Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Wollen wir uns das einfach so gefallen lassen? Wo ist das scharfe, prophetische Salz, das die schreiende Ungerechtigkeit beim Namen nennt und Widerstand ankündigt? Wenn vorwiegend kirchenferne Journalisten und Kabarettisten ihre Stimme erheben und die Kirche schweigt, woran sollen die Menschen dann ihren göttlichen Auftrag erkennen, und welchen Grund sollten sie haben, den himmlischen Vater zu loben? Nach einer Meldung der KNA und der „Wirtschaftswoche“ hatte Esser für seine 60 Millionen Mark Abfindung eine Reduzierung der Kirchensteuer beim Erzbistum Köln beantragt, einen 50-prozentigen Nachlaß in Höhe von etwa 1,3 Millionen Euro. Die Staatsanwaltschaft wertete das als Zeichen für die Habgier des Angeklagten. Doch dieser entgegnete, er hätte ja auch aus der Kirche austreten können. „Ich bin mit mir, der Kirche und dem lieben Gott im Reinen“, zitierte die „Wirtschaftswoche“ Esser. Hat ihm keiner ins Gewissen geredet? Nicht einmal die Pharisäer wollten von Judas die 30 Silberlinge zurückhaben, weil Blut daran klebte! (Mt 27,6)

Es ist so viel angenehmer, Zucker und Honig zu sein als scharfes Salz. Und darum nehmen wir lieber das Wort vom Licht auf, weil wir es so leicht verkitschen und verkuscheln können. Wir zünden Kerzen an und fühlen uns wohl. „Alles ist gut“ signalisieren wir nach außen. Aber so hat Jesus das Bildwort nicht gemeint. Das Licht muß gegen die Finsternis ankämpfen, muß aktiv gegen sie angehen. Wir sollen unser Licht in die Dunkelheit hineintragen und es nicht feige unter den Scheffel stellen.

Die Mächtigen sähen es freilich gern, wenn wir Christen das Licht unseres Glaubens für uns behielten. Doch das wäre fatal. Denn wie das Licht nicht für sich, sondern für die Menschen leuchtet, ihnen das Dunkel erhellt und ihnen das Leben ermöglicht, so soll es auch mit dem Licht unseres Glaubens sein. Wir dürfen dieses Licht nicht als Privatbesitz betrachten. Wir dürfen uns als Christen nicht nur selbst wärmen. Christ ist man niemals für sich alleine, sondern immer auch für die anderen: für den anderen, der gerade neben mir steht, lebt, arbeitet, bangt, sucht, leidet und verzweifelt ist.

Wer das Licht eines überzeugend gelebten Glaubens nicht verbirgt, sondern es im Bild gesprochen auf einen Leuchter stellt, der hilft dazu mit, daß es in dieser Welt wärmer und menschlicher wird. Unsere Mitmenschen können dann auf unser Leben aufmerksam werden, das nicht von Egoismus, von Profitgier, von Lüge und Unwahrheit, von Ausgrenzung und Lieblosigkeit bestimmt wird. Wir werden dadurch den Menschen zum Licht der Orientierung werden, die sich nach einer besseren Welt und auch nach einer Kirche sehnen, die dem Auftrag ihres Herrn zum Dienst an den Menschen und der Welt gerecht wird.

Kirche sind wir alle. Deshalb hängt es auch von einem jeden von uns ab, ob wir Licht in der Kirche sind, ob diese Kirche von den Menschen als glaubwürdig erfahren wird, ob sie den Menschen etwas zu sagen hat, ob sie als attraktiv empfunden wird. Es hängt also vom Beispiel eines überzeugend gelebten Glaubens ab, ob wir „Salz der Erde“ und „Licht für die Welt“ sind. Nur ein überzeugend und entschieden gelebtes Christsein bewirkt, daß die Menschen von uns als Christen noch etwas erwarten. Von unserem Glaubensbeispiel hängt es ab, ob die Menschen sich vom Glauben an Jesus Christus gültige Antworten in den letzten und entscheidenden Fragen ihres Lebens erhoffen.

Woher aber kommt uns dieses Licht? Wer gibt uns die Fähigkeit und Kraft, selbst zum Licht zu werden? Wenn Jesus zu uns sagt „Ihr seid das Licht der Welt“ und uns dazu auffordert, in seiner Nachfolge unser Licht vor den Menschen leuchten zu lassen, dann gibt er uns zuerst Anteil an sich selbst. Anteil an sich, der „Licht vom Licht“ ist, dessen Helligkeit auf uns übergreifen kann.
Nur in seinem Licht werden wir das Licht des Lebens haben. Er allein kann von sich selbst sagen: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Mit seinem Beistand und in der Kraft seines Heiligen Geistes wollen wir mit jedem guten Wort und jeder guten Tat dazu beitragen, daß es in unserer Welt heller wird und die Lichter nicht verlöschen.

209. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

„Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt.“ (Mt 7,21) Oft macht die Heilige Schrift deutlich, daß wir nur dann dauerhaftes Glück finden, wenn wir Gottes Willen folgen: „Deinen Willen zu tun, mein Gott, macht mir Freude, deine Weisung trag' ich im Herzen“, sagt der Psalm.

Das heutige Evangelium bildet den Abschluß der Bergpredigt. Jesus hatte gesprochen über die wahre Liebe zum Nächsten, über das Beten, Almosengeben und Fasten, über die Seligkeit derjenigen, die arm sind vor Gott, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, die ein reines Herz haben. Was Jesus verkündet hat, soll nicht nur theoretisch bedacht, es soll auch in die Tat umgesetzt werden. Nicht nur nachdenken über das Beten, sondern selbst beten! Wir sollen nicht nur Verzeihen für gut halten, sondern tatsächlich verzeihen. „Wir sollen nicht nur mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit.“ (1 Joh 3,18)

Glaube zielt auf Praxis. Dem Bekenntnis der Lippen muß das Bekenntnis der Tat entsprechen. Immer wieder fragen Menschen, die von der Frohen Botschaft ergriffen worden sind, was sie nun tun sollen. „Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“, fragt ein Reicher Jesus (Lk 18,8). „Was sollen wir tun?“, fragen Zöllner und Soldaten auf die Predigt des Täufers hin (Lk 3,10-14). Was sollen wir tun?“, fragen nach der Pfingstpredigt des Petrus die Leute (Apg 2,37). Christen lehren nicht nur Nächstenliebe, sie bauen auch Kindergärten und Krankenhäuser. Christen prangern nicht nur bestehendes Unrecht an, sondern sorgen selbst dafür, daß in ihrem Einflußbereich Gerechtigkeit geübt wird.

"Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten...“ Der Fels, auf den wir bauen sollen, sind die Worte Jesu, der Fels ist Er selber. Wer die Worte Jesu befolgt, steht fest wie ein Haus, das auf Felsen gebaut ist. Die Kirche soll sich in Christus festmachen, der die Wahrheit ist und Festigkeit in allen Stürmen verleiht.

Liebe Gemeinde! Wir können diese und viele andere Mahnungen des Evangeliums auf zweierlei Weise hören: Als Zumutung, die uns überfordert, oder als Trost, der unserer Schwachheit aufhilft. Ich möchte Sie eindringlich bitten, den Trost und die Bestärkung herauszuhören. Wir haben einen Felsen, auf den wir unser Lebenshaus bauen können! Wir sind besser dran als die vielen, die überall nur Sand und Sumpf sehen, die dies versuchen und das versuchen, aber mit all ihren Plänen scheitern, weil sie kein tragfähiges Fundament gefunden haben. Beneiden Sie niemals die Menschen, die keinen Glauben haben! Das wäre das Dümmste, das Sie tun können, und zugleich eine schnöde Undankbarkeit gegen Christus.

Wenn wir das wieder ein wenig besser begreifen, dann erscheinen uns alle Mahnungen der Bergpredigt und natürlich auch die heutige Schlußmahnung als völlig logisch und klar. Bitten wir mit der ganzen Kirche: „Schenke uns deinen Geist, damit wir erkennen, was recht ist, und es mit deiner Hilfe auch tun!“

210. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2005)

Die Werke der Barmherzigkeit begleiten uns in diesem Jahr als Leitfaden unserer Betrachtung während der diesjährigen Nachtanbetungen hier in Heede.

Die Werke der Barmherzigkeit sind gelebtes Christentum. Sie lassen etwas von dem widerscheinen, was unser Leben ausmachen soll. Unser Verhalten soll die Barmherzigkeit Gottes in diese Welt tragen. Nicht nur durch Worte, sondern durch Taten.

„Tote bestatten“ ist eines der Werke der Barmherzigkeit, der leiblichen Barmherzigkeit, die uns die Tradition nennt.

„Tote bestatten“ – ein Werk der Barmherzigkeit? Das klingt zunächst eigenartig, oder?

Aber Tote zu bestatten ist wirklich eine Tat, die in vielerlei Dimensionen von der Barmherzigkeit Gottes spricht, die seine Liebe zu uns aufscheinen läßt.

I - Wenn wir Tote bestatten, dann geben wir ein Zeugnis für die Würde des Menschen und geben ihm die letzte Ehre.
Der Mensch ist ein Ebenbild Gottes. Und ein Ebenbild Gottes wirft man nicht weg. Der Leib des Menschen ist kein Müll. Er ist Tempel Gottes. Und nicht etwas, was man mit der Schüppe in den Wind wirft, so wie in einem Friedwald.

Das Bestatten an sich ist eine gute Tat. Wie viele Menschen mußten bestattet werden, ohne den Namen am Grab zu finden. Im Krieg, bei Katastrophen. Ohne Name des Verstorbenen ist das Grab irgendwie tot.

Wir – als Christen – wissen darum, daß wir von Gott bei unserem Namen gerufen sind. Jeder und jede einzelne.
Wir sind vor Gott keine anonyme Masse. Das sind die Menschen im Kommunismus: Evolutionsmüll auf dem Weg hin zum Sozialismus.

„Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen. Du bist mein“. Dieses Wort aus dem Buch Jesaja ist uns Verpflichtung. Wenn Gott einen jeden Menschen bei seinem Namen ruft, dann ist der Name der Ausdruck der Einzigartigkeit jedes Menschen und seiner ganz persönlichen Würde.

Aus diesem Grund können wir als Christen nicht gutheißen, daß Menschen anonym bestattet werden. Das einzige Motiv ist häufig das Geld. Ich weiß, daß in einer Pfarrei, die Caritas bei Sozialfällen einen kleinen Grabstein bezahlt. Anonyme Bestattungen werden auf dem kirchlichen Friedhof nicht erlaubt. Ich finde das eine sehr gute Tat. In dieser Pfarrei hat man auch einen riesigen Grabstein auf dem Friedhof aufgestellt mit den Worten: „Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen. Du bist mein“.

II - Wenn wir Tote bestatten, dann geben wir ein Zeugnis für die Würde des Menschen und geben ihm die letzte Ehre.
Wenn wir Tote bestatten, dann helfen wir den Hinterbliebenen, den Tod zu verarbeiten.

Für uns Menschen ist es wichtig, sinnfällige Zeichen zu haben. Wir haben fünf Sinne. Und mit diesen nehmen wir die Welt um uns wahr. Das ist bei einer Beerdigung auch so. Auch wenn die sichtbaren Zeichen hart sind – das Tragen des Sarges, das Hinunterlassen in das Grab, das dumpfe Geräusch, wenn der Sand auf den Sarg fällt – auch wenn die Zeichen hart sind, so sind sie doch wichtig. Geben sie uns doch Gewißheit: Ja, er/sie ist jetzt wirklich tot. Hier liegt er oder sie.


Das Grab wird dann zu einer Stätte, zu der die Hinterbliebenen gehen können. Das ist wie ein Anker für die Seele. Wie schlimm ist es, wenn man nicht weiß, wo der geliebte Mensch liegt. Fragen Sie einmal Kriegswitwen.
Und fragen sie einmal Menschen, die nun darunter leiden, daß sie ihre Toten anonym bestattet haben. „Ich würde so gerne zu ihm hin gehen.“ Höre ich diese dann oft sagen. „Aber ich weiß nicht wohin.“

Weil wir Menschen sinnenfällige Zeichen brauchen, ist uns das Grab eine Hilfe: dort können wir hingehen, eine Kerze hinstellen, Blumen bringen, ja vielleicht sogar einen kleinen Garten anlegen. Am Grab kann ich beten, kann ich mit dem Toten sprechen, kann ich mit anderen zusammen sein und auch weinen. So können wir Menschen unsere Trauer verarbeiten.

III - Wenn wir Tote bestatten, dann geben wir ein Zeugnis für die Würde des Menschen und geben ihm die letzte Ehre.
Wenn wir Tote bestatten, dann helfen wir den Hinterbliebenen, den Tod zu verarbeiten.
Wenn wir Tote bestatten, dann verkündigen wir die Auferstehung.

Im Römerbrief, den wir gerade in der Lesung ausschnittsweise gehört haben, beschreibt der Apostel Paulus uns Christen als „die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, von den Toten auferweckt hat.“

Das ist unser Glaube. Und er findet seinen Ausdruck in der Liturgie.
Der Ritus der Beerdigung – wenn man ihn einmal auf sich wirken läßt – ist sehr realistisch. Er nennt die Dinge beim Namen: Tod, Leichnam, Erde, Gericht. Aber er gibt gleichzeitig Hoffnung. Denn der, an den wir glauben, ist ebenfalls bestattet worden. Aber er ist auferstanden.

In Jesus hat Gott sich mit uns Menschen verbunden. Er war in allem uns gleich – außer der Sünde. Ja, er ist sogar unseren Tod gestorben. So sehr war er mit uns verbunden.
Und er will mit uns verbunden bleiben. Wenn wir uns an ihm festmachen, unser Leben an ihn binden, dann werden wir mit ihm über den Tod hinaus verbunden bleiben und – wie er – auferstehen.
Bei jeder Beerdigung ist davon die Rede: der Tod hat nicht das letzte Wort, sondern das Leben. Der Tod ist nicht das Ende, sondern der Beginn eines neuen Lebens.

Jede Beerdigung – und mag sie noch so traurig, noch so niederschmetternd sein – trägt in sich den Keim der Hoffnung.
Und jede Beerdigung öffnet uns für den Himmel. Macht uns klar, dass wir Menschen nur Menschen sind, Gott aber Gott ist und bleibt, ein Gott des Lebens.

Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn wir Tote bestatten, dann geben wir ein Zeugnis für die Würde des Menschen und geben ihm die letzte Ehre.
Wenn wir Tote bestatten, dann helfen wir den Hinterbliebenen, den Tod zu verarbeiten.
Wenn wir Tote bestatten, dann verkündigen wir die Auferstehung.

Uns Christen steht es gut zu Gesichte, wenn wir uns – jeder an seinem Platz – für eine gute Bestattungskultur einsetzten.

Und vor allem: Vergessen wir die Toten nicht! Das gehört auch zur Bestattung, daß wir für die Toten beten und Messen feiern.
Lassen wir die Toten nicht in Stich, die noch unserer Gebete bedürfen.
Und nehmen wir Zuflucht zu den Verstorbenen, denen wir vertrauen, neben den Heiligen, auch unseren Familienangehörigen, Freunden, Lehrern, Priestern.
Erst dann wird das „Tote bestatten“ zu einem wirklich vollem Werk der Barmherzigkeit.

211. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

„Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.“ – Ein vertrautes Wort! Wem fällt da nicht der Priestermangel ein? Und der Mangel ist gleich doppelt: Die Zahl der Priester ist zu klein im Vergleich zu der Zahl der Menschen. Und jeder Priester muß sein eigenes Tun als mangelhaft empfinden. Warum? Weil er unmöglich das leisten kann, was er sich als Ergebnis seines Einsatzes wünscht. Es ist wie ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn ich einen Hausbesuch mache, um z.B. ein Taufgespräch zu führen. Was kann ich da schon ausrichten? Werden meine Worte etwas bewirken, wird ein Funke überspringen?

„Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen“, heißt es im Evangelium. Mitleid und Erbarmen bewegen ihn, keineswegs Kleinmut! Für kleinmütiges Jammern ist im Reiche Gottes kein Platz, keine Zeit und kein Grund. Wer in Jesu Fußstapfen tritt, soll wie er von Mitleid und Erbarmen erfüllt sein – sonst bleiben seine Worte und Taten hohl. Aber hier beginnt schon die Schwierigkeit: Die Massenmenschen halten ihr Leben gar nicht für erbarmungswürdig, und sie schleudern dem Priester oder auch dem engagierten Christen ihre offene Verachtung entgegen oder verdächtigen ihn sogar, Schlechtes im Sinn zu haben. Wer so geschmäht wird, kommt in Versuchung, nun seinerseits in bittere Verachtung zu fallen. Er geht den Leuten aus dem Weg und beschäftigt sich nur noch mit dem kleinen Kreis von Leuten, die ihm selbst Anerkennung entgegenbringen. Diese Versuchung ist zumal in unserer deutschen Kirche sehr groß, und es gibt nur sehr wenige, die ihr nicht oder nur selten erliegen. Von daher könnte man beinahe sagen, die Krise unserer Kirche liege daran, daß kein Mitleid mehr empfunden wird, nur noch Selbstmitleid. Und es ist ja auch wirklich schwer, Mitleid zu haben mit Leuten, die mit Glaube und Kirche nichts oder nur ganz am Rande zu tun haben wollen.

Um Mitleid zu empfinden, muß mir erst einmal klar sein, was den Menschen fehlt, was sie so erbarmenswürdig macht. Im Evangelium heißt es: „Sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ Jesus erbarmt sich angesichts der geistigen Orientierungslosigkeit der Massen. Wenn er heute käme, wäre sein Mitleid vermutlich noch viel größer; ein Blick ins Fernsehen würde ihm die unglaubliche Seichtheit und Geistlosigkeit des modernen Lebens zur Genüge vor Augen führen. Da wird der Mensch entwertet zum bloßen Konsumenten von überflüssigen Waren, an denen andere verdienen. Diejenigen, die Hirten sein könnten und sollten, tun wenig oder gar nichts für die große Masse, sie weiden vorwiegend sich selbst und beruhigen das Volk mit Brot und Spielen, genauer noch: mit immer weniger Brot und immer mehr Spielen.

Um Mitleid zu empfinden, müssen wir uns umgekehrt bewußt machen, was uns durch den Glauben und die Gemeinschaft der Kirche geschenkt ist, welchen unschätzbaren Wert unser Glaube für unser Leben hat. Und so zu empfinden, ist ja nicht selbstverständlich. Im Gegenteil: Wie oft leitet uns die dumpfe Empfindung, unser Christsein sei etwas Beschwerliches, es lege uns Lasten auf und mache unser Gewissen eng, es nehme uns Freiheiten und verlange auch noch Opfer, Zeit und Geld. Da richtet sich das Mitleid gern gegen uns selbst, und es kann sogar heimlicher Neid aufsteigen gegen diejenigen, die all das abgeworfen haben. Fehlt ihnen denn überhaupt etwas? Die Frage bohrt und nagt an unserer Glaubensfreude. – Da wird es Zeit, daß wir wieder einmal bedenken, daß wir ohne Gott keinen Halt haben, keine Orientierung und keinen Sinn. Wer kann uns denn die Anerkennung geben, die wir ersehnen, die Zustimmung zu unserer Existenz, ohne die wir des Lebens überdrüssig werden? Wer sagt denn bedingungslos JA zu uns – wenn nicht der liebende Gott, der uns seit Ewigkeit auf den Plan gerufen und zu ewigem Leben berufen hat? Kein Mensch kann uns die Anerkennung geben, die wir brauchen, nicht einmal der Ehepartner. Mit keinem Geld der Welt können wir sie kaufen und mit keiner Leistung verdienen. Und wer kann unseren Durst nach Leben vollends stillen, uns ewiges Leben in Frieden und Freude garantieren?

Diese Fragen können unseren verirrten Blick wieder gerade richten. Nein! Diejenigen, denen Glaube und Kirche nichts sagt, sind wirklich nicht zu beneiden, sondern zu bemitleiden! Wenn es uns gelingt, den unvergleichlichen Wert der Frohen Botschaft wiederzuentdecken, dann verstehen wir das Wort Jesu erst richtig: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.“ Dann beziehen wir es nicht zuerst auf unsere eigenen Bedürfnisse nach einem Pastor, der wie in alten Zeiten überall dabei ist und für alle ein gutes Wort der Anerkennung findet. – Das war gewiß etwas Gutes – aber war es das, worum es Jesus geht? Die Frage entscheidet sich daran, ob man den Fernstehenden und Nichtgläubigen wirklich und ernsthaft wünscht, zum Glauben und dadurch Freude zu finden. Wünsche ich den 180 Schulkindern unserer Grundschule diesen froh machenden, lebendigen Glauben? Und wünsche ich diesen Glauben den Jugendlichen, den frisch Verheirateten, den Berufstätigen, den Alten und Kranken?

Sobald dieser starke Wunsch in mir ist, werde ich mich selbst angesprochen fühlen von Jesu Auftrag: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe.“ Ich werde diese Aufgabe nicht einfach an andere abschieben, an Kindergarten, Schule und die sogenannten Hauptamtlichen. Denn Jesus sagt: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.“ Umsonst geben heißt unbezahlt. So wie eine Mutter sich um ihre Kinder und um den Haushalt sorgt, ohne dafür Geld zu bekommen. Den Lohn ihrer Mühen empfängt sie vor allem von ihren Kindern selbst, wenn sie sieht, was aus ihnen geworden ist. So ist es mit allen, die sich um die Seele ihrer Mitmenschen sorgen. Diese Arbeit ist nicht in Geld aufzuwiegen. Wer darum meint, die Seelsorge sei nur von denen zu leisten, die dafür Geld bekommen, hat nichts verstanden. Das gilt übrigens auch für diejenigen, die für ihren Dienst besoldet werden, besser gesagt: denen die Kirche den Lebensunterhalt sichert, damit sie mehr freie Zeit haben, in der sie umsonst geben können. So etwa, wie wenn eine Mutter das Glück hat, nicht arbeiten zu müssen, damit sie sich ganz ihren Kindern widmen kann.

Bitten wir „den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ – damit dieser Dienst, der nur umsonst geleistet werden kann, nicht verschwindet.

212. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Am letzten Sonntag habe ich die Predigt mit Überlegungen zur Frage beendet, was ein Arbeiter im Weinberg des Herrn ist, aus welchem Motiv die Frohe Botschaft weiterzugeben ist und warum dies umsonst geschehen muß. Heute hören wir ein Wort, das damit gut zusammenstimmt: „Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen.“ Sich vor den Menschen zu Jesus bekennen – das bedeutet, den Glauben nicht nur privat, sondern öffentlich zu praktizieren. In Wort und in Tat.

Doch dagegen steht die Menschenfurcht. Sie ist viel größer, als wir glauben. Die Angst davor, was die anderen wohl denken könnten, sitzt ganz tief in uns. Sie bestimmt selbst junge Eheleute, die es von Kindesbeinen an gewohnt waren, bei Tisch zu beten, aber nun, wo sie miteinander zusammenleben, damit aufhören, weil sie sich schämen. Bei Brautgesprächen und Taufbesuchen spreche ich das immer an. Und fast ausnahmslos stimmen mir die jungen Leute zu und sind ganz überrascht über ihre eigen Verhalten.

Das ist natürlich nur ein Beispiel, aber es zeigt unsere Lage. Wieviel schwieriger ist im Vergleich das Bekenntnis am Arbeitsplatz, auf der Straße, im Gasthof usw.?! Ich erinnere mich noch daran, wie mir die Knie gezittert haben, als ich mich im Sommer 1981 in Münster zum Theologiestudium eingeschrieben habe. Hoffentlich sieht keiner, was ich studieren will! Angst, die mir den Schweiß auf die Stirn trieb.

Was hilft uns, diese Angst zu überwinden? Zuerst das heutige Wort Jesu: „Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen.“ Die Verheißung ist großartig: Für das kleine bißchen Mut, das mir abverlangt wird, will Jesus in der Ewigkeit für mich eintreten. Und dann erwachen andere stärkende Gedanken: Was können mir die Menschen schon großartig schaden? Welche Feigheit, vor einem Menschen einzuknicken! Jesus drückt es so aus: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können.“ Die Macht der Menschen ist beschränkt. Das, was unseren eigentlichen Wert ausmacht, das himmlische Leben, und unsere Seele, kann durch keine Macht des Menschen zerstört werden. Wer an den allmächtigen Gott glaubt, der weiß, daß das irdische Leben nichts ist im Vergleich zum ewigen Leben, der hängt darum nicht verzweifelt am leiblichen Leben, sondern vertraut auf seinen Schöpfer, der ihm auch das ewige Leben schenken kann.

Das andere Wort Jesu ist schwerer zu verstehen: „Nichts ist verhüllt, was nicht offenbar wird.“ Jesus bezieht sich auf die Unscheinbarkeit und Schwachheit seiner Position in der Öffentlichkeit. Seine Lehre ist nur ein kleines Senfkorn, das wenig Aussicht zu haben scheint, sich gegen die mächtigen Gegenstimmen durchzusetzen. Und doch weiß er, daß dieses Senfkorn herrlich wachsen wird; die Frohe Botschaft wird sieghaft aufstrahlen wir die Sonne am Morgen. – So können auch wir Christen manchmal mutlos werden, wenn wir von einer Überzahl von Spöttern umgeben sind. Aber dann dürfen wir darauf vertrauen, daß wir von einem Stärkeren getragen werden.

Unser Gott ist uns nicht fern – das macht Jesus in einer dritten Überlegung klar: „Bei euch sind sogar alle Haare auf dem Kopf gezählt.“ Ein beeindruckendes Beispiel! Die Zahl unserer Haare ist wahrhaftig nichts Wichtiges, noch viel unbedeutender als das Leben der unzähligen Spatzen. Und doch fällt kein Spatz auf die Erde, ohne daß Gott dies weiß und zuläßt, und kein Haar wird uns herausgerissen, ohne daß Gott es merkt. Um jede kleine Einzelheit unseres Lebens ist Gott liebevoll besorgt, und darum gibt es wirklich keinen Grund, vor Menschen Angst zu haben, die uns doch nichts tun können, ohne daß Gott es mitbekommt.

Machen wir unsere Seele in Gott wieder fest oder noch fester als bisher. Je mehr wir auf Gott vertrauen, um so weniger werden wir von der Angst bedroht sein. Gott allein ist es, der uns auch in unserer inneren Einsamkeit, in der Erfahrung der eigenen Ohnmacht und Hilflosigkeit, Halt geben kann. Denn er ruft uns zu – heute und jeden Tag: „Fürchtet euch nicht!“

213. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Die meisten von Ihnen haben junge Leute in der Verwandtschaft, Kinder, Enkel, Urenkel, Neffen, Nichten usw. Ich nehme an, Sie haben sie gern, Sie lieben sie. Also wünschen Sie ihnen Gutes. Wenn Sie aber einmal genauer darüber nachdenken, was Sie Ihrem Kind oder Enkel wünschen und was Sie ihm unter keinen Umständen wünschen – was kommt Ihnen da in den Sinn?

Vermutlich fallen Ihnen u.a. folgende Dinge ein: ein gutes Leben, Gesundheit, viele Freunde, Erfolg in der Schule und im Beruf, daß sie glücklich sind, wohlhabend, angesehen… Auf keinen Fall aber sollen sie leiden und unglücklich sein!

Daß Sie vermutlich solche Wünsche hegen, ist ein Zeichen für Ihr Wohlwollen Ihren Lieben gegenüber. Wenn es anders wäre, liefe etwas falsch. Aber nun die nächste Frage: Wie sieht es aus mit der charakterlichen Entwicklung der jungen Leute? Steht sie auch im Horizont Ihres innigen Wünschens? Und wenn ja, wie verhält sich der Wunsch, dem Leid zu entgehen, mit dem Wunsch, charakterfest zu sein? – Gilt da der Spruch: „Hauptsache glücklich“, so wie es oft ähnlich heißt: „Hauptsache gesund!“? Was wünschen Sie Ihrem Kind oder Enkel, wenn es vor der Wahl steht, entweder einen krummen Weg einzuschlagen oder Einbußen an körperlicher oder seelischer Unversehrtheit hinzunehmen?

Ich nehme an, Sie würden am liebsten antworten: daß sie gar nicht erst in eine solche Lage kommen mögen! Aber das ist unmöglich. Jeder Mensch kommt immer wieder unweigerlich in die Lage, wählen zu müssen zwischen dem, was an sich gut ist, und dem, was nur für ihn gut, angenehm oder nützlich ist. Wählt er das erste, kann er das Leid nicht vermeiden. Verhalten sich Menschen nicht oft deshalb moralisch unzulänglich, weil sie Angst vor Unbill oder Leid haben - dem eigenen Leid oder dem eines anderen, den sie davor bewahrt wissen möchten? Darum wird gelogen, gemogelt, geschmeichelt, feige geschwiegen, gegeizt, die Mithilfe und Solidarität verweigert.

Wenn Sie einen Menschen wirklich lieben, können Ihnen dann solche Schwächen und solches Fehlverhalten gleichgültig sein – Hauptsache er ist glücklich? Oder werden Sie dann nicht vielmehr unablässig wünschen, daß diese Makel verschwinden? Gehört es nicht zur echten Liebe einem Menschen gegenüber, daß wir ihm gerade auch einen guten und festen Charakter wünschen – noch viel mehr als ein unbeschwertes Leben? Könnten wir es ertragen, wenn die Menschen, die wir am meisten lieben, zwar glücklich wären, aber auf eine Weise, die sie uns verächtlich macht und entfremdet – als Ehebrecher, Erpresser, Betrüger, Ausbeuter usw.?

Wenn Sie mir bis hierhin zustimmen können, dann dürfte es Ihnen auch gelingen, dem harten Satz aus dem heutigen Evangelium einen guten Sinn abzugewinnen: „Wer Vater oder Mutter, wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig“. Was kann es heißen, einen Menschen mehr zu lieben als Jesus? Der naheliegendste Sinn ist: von größerer Sympathie und Herzensneigung erfüllt sein. Ich glaube nicht, daß Jesus eine solche Forderung aufstellen wollte. Zunächst einmal müßte klar sein, daß er seine Person hier ins Spiel bringt, insofern er Gott ist und göttliche Würde besitzt. Es geht um die Hoheit Gottes, die alles Geschöpfliche übertrifft. Nur Gott verdient eine uneingeschränkte, bedingungslose Liebe. Alles, was nicht Gott ist, soll mit einer Liebe geliebt werden, die von Gott ausgeht, von Gott Maß bezieht und zu ihm hinführt. Das Maß, das Gott setzt, ist das moralisch Gute, die Reinheit des Herzens oder wie immer wir es nennen wollen. Wir sollen einen Menschen so lieben, daß er diesem Maß entspricht, ihm wünschen, daß er sich diesem Maß immer mehr annähert. Dann lieben wir ihn in rechter Weise und eben nicht maßlos.

Das ist zumindest eine Weise, das heutige Wort zu verstehen. In diesem Sinn erfüllen wir die Forderung bereits, wenn wir unsere Familienmitglieder eben wahrhaft lieben, wenn wir sie nicht verzärtelt und verwöhnt, verlottert und verkommen wünschen, sondern ihnen zuallererst wünschen, daß sie sich an Gottes heiligem Willen orientieren.

Damit sind wir schon bei dem zweiten Wort, das anscheinend mindestens ebenso hart ist wie das erste: „Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“ Das heißt: Wer nur sich selber sucht, der ist auf dem Weg des Todes, ja auf dem Weg in den ewigen Tod. Unser Leben hier auf der Erde ist kein Spiel. Wir üben uns ein in die Haltung der Liebe, oder wir verlieren uns im Egoismus. Der Egoismus hat keine Zukunft. Er ist eine parasitäre Haltung, denn er ist daran interessiert, daß nicht alles andere auch schlecht wird. Der Egoismus lebt davon, daß er Gutes und die Guten ausnutzen kann. Das Gute hingegen ist daran interessiert, sich auszugießen, sich mitzuteilen und zu missionieren. Nur wer in diese Bewegung des Sich-Verströmens hineinkommt, kann auf Dauer das Leben gewinnen. Der Parasit stirbt mit dem, was er ausnutzt – nicht sofort, dafür aber endgültig.

Wer auf egoistische Weise glücklich zu werden sucht, der findet nur Leere und Beziehungsunfähigkeit. Darum gilt es, den Egoismus aufzugeben und der Sünde zu sterben. Es ist ein Kampf im Innern des Menschen, und wir dürfen ihm nicht feige ausweichen. Friedrich Schiller hat es einmal so ausgedrückt: „Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein.“

Wer in seinem Leben Gott an die erste Stelle setzt, lebt in der wahren Freiheit, in der Freiheit von der Sünde, in der Freiheit zur echten Liebe. Wer diesen Weg einschlägt, wird es zwar nicht unbedingt bequem haben in diesem Leben, aber er wird die Freude erfahren, für andere da sein zu können. Es ist ein Weg, der sich wirklich lohnt und den wir unseren lieben Verwandten von Herzen wünschen sollten – noch vor allen zeitlichen Segnungen. Denn der Lohn ist das ewige Leben. Amen.

214. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Wenn ich den Kranken die hl. Kommunion bringe, lese ich gern das heutige Evangelium vor. Es ist ein tröstlicher Text, eine so freundlich ausgesprochene Einladung: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt.“ Die schweren Lasten – sie begleiten unser Leben. Mal sind es mehr, mal weniger. Die alten und kranken Menschen können ein Lied davon singen, aber auch die Berufstätigen an den immer stressiger werdenden Arbeitsplätzen.

„Ich werde euch Ruhe verschaffen“, sagt Jesus. Was meint er damit? Wie macht er das? Ich nenne vorerst nur einen Aspekt, den ich selbst schon oft erfahren habe. Oft ist es mir schon vorgekommen, daß ich abends kurz vor der Messe total erschöpft war, am Ende meiner Kraft und voller Bitterkeit, daß ich noch lange keine Ruhe finden werde, weil es nach der Messe gleich mit irgendeinem Termin weitergeht. An solchen Tagen kommt es mir so vor, als könnte ich nicht einmal mehr die Messe andächtig feiern. Und dann – wenige Minuten nach Beginn der Eucharistie – fällt alles von mir ab und ich spüre eine aus den Tiefen heraufsteigende Erquickung, eine ungeahnte Kraft, so daß ich mich nach einer halben Stunde ganz erfrischt fühle. Ich habe das schon oft erlebt, es ist nicht gelogen und nicht übertrieben. Es ist jedes Mal wie ein Wunder – eine echte Bestätigung des Wortes Jesu: „Ich werde euch Ruhe verschaffen“. Hierin liegt auch einer der Gründe, warum ich die Feier der Messe niemals als Arbeit bezeichnen oder selbst so ansehen würde. Wenn ein Priester die Messe als Arbeit betrachtet und sie so behandelt wie andere Termine auch, dann stimmt etwas nicht mit seinem Berufsverständnis.

Gott sei Dank gibt es hier in St. Pankratius eine Reihe von Gläubigen, die gern zur Werktagsmesse kommen und dort Erquickung von der Ruhelosigkeit ihres Alltags suchen. Jeder, der die Messe andächtig mitfeiert, hilft mir und den anderen, im Gottesdienst wirklich zu Gott zu finden und von ihm Kraft zu beziehen.

Natürlich verschafft Jesus Ruhe nicht allein durch die Feier der Eucharistie, auch wenn es dort in einer besonders dichten Weise spürbar wird. Jesus ist ja unser Freund und hat unser Bestes im Blick, so daß jede echte Begegnung mit ihm den Charakter der Erquickung trägt, so wie uns ja auch jede Begegnung mit einem lieben Menschen bereichert und erfreut. Nicht daß er uns die Lasten, die wir oft so schmerzlich spüren, abnimmt. Aber er hilft uns, sie besser tragen zu können, er trägt sie gleichsam mit uns und hat unglaublich viel Verständnis mit uns, wenn wir uns trostlos fühlen und die Last am liebsten abwerfen würden. So sagt er: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.“ Das Joch, von dem er spricht, ist die Art zu leben, die er uns selbst vorgelebt hat, ist die freie Hingabe an den anderen Menschen. Die Dinge werden leichter, wenn sie mit Sinn erfüllt sind, die Pflichten drücken weniger, wenn wir beginnen, sie gern zu tun.

Von Jesus können wir etwas lernen, was wirkliche Lebenshilfe ist, so daß wir Ruhe finden für unsere unbehauste Seele. Ich kann dies jetzt nicht umfassend ausführen, nur einige Streiflichter werfen. Ein wichtiger Punkt ist, daß Jesus immer bereit ist, unsere Klagen anzuhören und Verständnis zu zeigen, auch dann, wenn alle anderen Menschen ihr Mitgefühl bereits zurückgezogen haben. Jesus wird nie sagen, er habe selbst schon Sorgen genug, er habe keine Zeit für uns oder Wichtigeres zu tun. Seit 2000 Jahren wartet er im Tabernakel auf uns – kann es einen deutlicheren Ausdruck für seine Güte, Milde und Geduld geben?

Ein zweites: Jesus macht uns Mut, das, was wir ändern können, auch wirklich zu ändern, während er uns andererseits Gelassenheit gibt, das Unabänderliche zu ertragen. Wie oft jammern wir zwar über dies und das, rühren aber keinen Finger, um es zu ändern! Ich gebe nur ein Beispiel: die vielen Einladungen und gesellschaftlichen Anlässe, die uns angetragen werden und die doch aufgrund ihrer ins Unermeßliche angestiegenen Häufigkeit mehr Streß als Freude bereiten. Ich höre sehr oft Menschen darüber klagen, es kommt mir aber so gut wie nie zu Ohren, daß irgend jemand sein Verhalten ändert und die Feiern auf die Hälfte reduziert. Es fehlt an Mut. Wer sich zuerst und vor allem an Jesus hält, wird spüren, wie ihm Mut zuwächst, wird es leichter finden, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich Freiräume zu schaffen. Das Joch Jesu drückt nicht, und seine Last ist leicht.

Einen dritten Gedanken hat der hl. Franz von Sales in seinem Büchlein Philothea geäußert. Gott, so sagt er, hat uns von Ewigkeit her genau das Kreuz zugemessen, das wir tragen können. Er hat es uns angemessen, zugeschnitten, unseren Verhältnissen angepaßt. So ist unser Kreuz nicht zu schwer. Gott, der uns von Ewigkeit her kennt und liebt, hat es uns zugemutet. Der Wille Gottes paßt genau zu uns, weil er ganz persönlich um unser ganzes Leben weiß. Denn Gottes Liebe ist nicht nur eine allgemeine Liebe zum Menschengeschlecht insgesamt, sondern auf jeden ganz persönlich ausgerichtet. Sie berücksichtigt meine konkrete Lebenssituation und bezieht meine Vergangenheit und meine Zukunft mit ein. Auch in diesem Sinne ist das Joch Jesu nicht drückend und seine Last vergleichsweise leicht.

Das Leben wird leichter, wenn wir Jesus daran teilnehmen lassen. Nur scheinbar gewinnen wir, wenn wir die Religion, die Bindung an Gott, abstreifen. Die Welt, die uns von Gott fernhalten will, verspricht uns Freiheit, hält aber nicht Wort. Das Joch Christi dagegen macht frei, weil es uns für die Liebe zurüstet und ungeahnte Freude mit sich bringt.

Ich bin sicher, daß in nur wenigen Jahren eine riesige Masse von Menschen diese Wahrheit einsieht, einsehen muß, weil alle Versprechen der gottlosen Welt in sich zusammenbrechen und niemand mehr daran glauben kann. Um so wichtiger, daß wir Christen diese Wahrheit schon jetzt verstehen und daß wir sie als Frohe Botschaft annehmen, als Wort der Rettung und des Trostes.

215. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Ein schönes Gleichnis! Jesus schildert darin ganz realistisch und klar verständlich, welches Schicksal das Wort Gottes im Laufe der Geschichte – im großen wie im kleinen – erfährt. Eltern, Lehrer und Prediger können ein Lied davon singen, was es bedeutet, wenn das eigene Zeugnis des Glaubens bei anderen unter die Dornen fällt oder auf den Weg oder auf den Boden, wo wenig Erdreich vorhanden ist. Das sind Erfahrungen, die wir alle machen und die uns manchmal an den Rand der Verzweiflung bringen.

Ich denke zum Beispiel an die Wirkung der Sakramentenkatechese bei unseren Kindern. Wieviel Mühe geben sich die Katechetinnen; aber bald nach der Erstkommunion ist das Feuer der Begeisterung bei den meisten Kindern erloschen – so scheint es jedenfalls. Und so sieht es auch nach der Firmung aus.

Jesus beschönigt nichts. Er sagt uns nicht beschwichtigend: „Ach, es wird schon wieder werden.“ Oder: „Später einmal werden die Kinder wieder zur Kirche zurückkommen.“ Jesus macht kein Hehl daraus, daß viele Samenkörner verlorengehen; auch Samenkörner, die gleichsam aus Gottes eigenem Munde kommen. Und trotzdem führt das Gleichnis nicht zum Pessimismus. Zuerst einmal deshalb, weil in jedem Samen eine Kraft steckt, und dann, weil Wirkung und Erfolg nicht in unserer, sondern in Gottes Hand liegen.

Wir sind es nicht, die etwas machen können; uns gilt das Wort Jesu: „Und wenn ihr alles getan habt, was in eurer Kraft steht, dann sollt ihr sagen: Unnütze Knechte sind wir.“ Gott ist es, der verborgen wirkt, der die Frucht schenkt, die 30-, 60- oder gar 100-fach aufgeht. Nach dem Tod des Papstes hat der Himmel für eine Zeit gezeigt, was der Heilige Geist vermag, wie viele Menschen er zu bewegen imstande ist.

Aber Gott läßt sein Wirken immer wieder von den Mächten des Bösen durchkreuzen. Jesus selbst mußte ja das Schicksal erleiden, nicht wahrhaft gehört zu werden; die Hartherzigkeit seiner Hörer brachte ihn ans Kreuz. Und nun sagt unser Glaube das Unfaßbare: Gerade dieses Kreuz war es, das die wahre Fruchtbarkeit des Wortes Gottes an den Tag brachte. Es war der Regen, der die verdorrte Erde aufbrach und vielen Verstockten das Herz öffnete für die Annahme des Wortes. So sind am Pfingsttag in Jerusalem 3000 Menschen Christen geworden. Und dies hat sich nicht nur einmal – vor 2000 Jahren – zugetragen, sondern immer wieder in der langen Kirchengeschichte: Vor allem wenn hervorragende Zeugen des Glaubens ihr Blut vergießen mußten, dann war dieses Blut der Same vieler Bekehrungen.

Und so ist es auch im kleinen: Die Tränen einer Mutter um ihren auf Abwege geratenen Sohn – das Kreuz, das sie mit ihm hatte – hatten oft und oft (wenn auch erst nach langer geduldiger Wartezeit) die ersehnte Bekehrung zur Folge – so bei Monika und ihrem berühmten Sohn Augustinus, aber auch in vielen Fällen heutzutage.

Freilich muß unser eigener Boden bereitet werden, sonst leiden wir gar nicht an dem unfruchtbaren Boden der Mitmenschen und spüren kein Kreuz. Wenn wir uns mit dem Glaubensverlust unserer Zeitgenossen arrangieren und aufhören, daran zu leiden, wenn wir aus Furcht vor Erfolglosigkeit gar nicht erst den Samen des Wortes Gottes ausstreuen und unsere Kinder nicht zur Praxis des Glaubens anhalten, dann hat sich unser eigenes Herz verhärtet und ist steiniger Boden geworden, der das Aufgehen der Saat Gottes verhindert. Symptomatisch dafür ist die gedankenlos dahingeworfene Wendung: „Wir können doch keinen zur Kirche zwingen!“ – Es geht nicht um Zwang und Druck, aber um Einschärfung einer Pflicht, die nicht weniger sinnvoll ist als die Sorge um die Gesundheit. Sagen wir etwa auch: „Wir können doch keinen zum Zähneputzen zwingen“? – oder zum Klavierüben oder Fußballtraining? – Da werden „Karius“ und „Baktus“ aufgeboten, die in Schule, Kindergarten und im Fernsehen auftreten, um Kinder auf die Zahnpflege zu einzuschwören, doch bezüglich der Gottesverehrung bleibt es beim phantasielosen „Ich kann doch nicht zwingen“. Oder ist uns der Körper eben doch soviel wichtiger als der Geist? Merken wir überhaupt noch, wes Geistes Kind wir sind? Darum gilt uns zuerst die Mahnung Jesu: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“

Jammern wir nicht über die, die der Kirche fernstehen und ihre Ohren überallhin wenden, nur nicht in Richtung auf den lebendigen Gott! Sondern öffnen wir selbst unsere Ohren und unser Herz, damit das Wort des lebendigen Gottes uns wieder mehr ergreift, in uns Wurzeln schlägt und die versprochene Frucht gibt. Aus der Freude über diese unerwartete Frucht heraus können wir dann daran gehen, anderen das Wort weiterzugeben – in aller Schlichtheit, wie der Sämann, der seinen Samen ausstreut, ohne auf den Boden zu achten, im Vertrauen, daß es immer wieder auch guten Boden finden wird.

216. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

„Erkläre uns das Gleichnis!“ bitten die Jünger den Herrn. Die Frage leuchtet ein, denn das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen enthält einen rätselhaften Zug: Wieso läßt der kluge Bauer das Unkraut nicht gleich beseitigen?

Man muß dazu wissen, daß es im Orient eine sehr verbreitete Pflanze gibt, den Taumellolch, der dem Weizen sehr ähnlich sieht und erst spät an den kleineren Körner vom Weizen zu unterscheiden ist. Dieses Unkraut trägt einen giftigen Pilz, der die ganze Ernte verderben kann. Es müßte deshalb das vorrangige Ziel des Bauern sein, das Unkraut so schnell wie möglich vom Weizen zu trennen.
Im Gleichnis tut er es aber nicht und verbietet seinen Knechten, das Unkraut auszureißen.

Ganz offensichtlich will Jesus mit dieser zunächst unverständlichen Handlungsweise des Bauern etwas über Gottes Art, in dieser Welt zu handeln, sagen. Auf den Punkt gebracht: Gottes Reich setzt sich durch gegen alle Widerstände und gegen den Anschein der Übermacht des Bösen. Gottes Reich wächst in einer Welt, die dafür gar nicht bereit ist.

Jesus selbst erklärt es hinterher den Jüngern: „Der Acker ist die Welt.“ In ihr sät Gott den Samen seines Wortes aus. Er soll in der Seele Wurzel schlagen und Früchte der Heiligkeit bringen. Aber auch der Feind ist nicht untätig. Er versucht, wo er nur kann, das Böse auszustreuen. Und er gibt dem Bösen den Anschein des Guten, damit es diesem ähnlich sieht wie der Lolch dem Weizen.

In dieser Situation steht die Menschheit seit eh und je. Gutes ist neben Bösem, manchmal schwer zu unterscheiden, ja in den meisten Menschen liegt es neben- und ineinander. Auch die Dinge dieser Welt, die Errungenschaften der Technik lassen sich zum Guten wie zum Bösen nutzen. Was auf den ersten Blick wie ein großes Gut erscheint, entpuppt sich nach längerem Hinsehen oder nach einer schmerzlichen Erfahrung als ein dunkles Übel. Der Fortschritt der Technik hat das ökologische Gleichgewicht in katastrophaler Weise beeinträchtigt. Die gute Absicht verfehlt immer wieder ihr Ziel. Bis heute ist es in keiner Weise gelungen, die Welt vom Übel zu befreien. Ja, gerade die rigorosen Weltveränderer mit ihren hehren Idealen haben, wenn ihnen Macht gegeben war, das Böse auszurotten, immer nur größeres Unheil angerichtet. Die Französische Revolution ist nur eins von vielen Beispielen.

Hier wird das Gleichnis Jesu ganz aktuell: Der Herr der Ernte sagt: „Laßt beides wachsen bis zur Ernte!“ Versucht nicht, das Gericht Gottes vorwegzunehmen! Es ist Gottes Sache, das Böse endgültig zu vernichten. Einstweilen müßt ihr damit leben, daß die Welt nicht perfekt ist und daß ihr selber auch nicht perfekt seid. Denn einstweilen übt Gott seine Langmut aus, wie das Buch der Weisheit sagt: „Deine Herrschaft über alles läßt dich über alles Nachsicht üben. ... Weil du über Stärke verfügst, richtest du in Milde.“ (Weish 12,16. 18) Oder wie es der 2. Petrusbrief sagt: „Der Herr ist nur geduldig mit euch, weil er nicht will, daß jemand zugrunde geht, sondern daß alle sich bekehren“. (2 Petr 3,9)

Damit ist freilich nicht gesagt, daß wir die Hände in den Schoß legen und gar nicht mehr gegen das Böse ankämpfen sollen. Unkraut bleibt Unkraut, auch wenn Gott es vorerst stehenläßt. Am Ende wird es wertlos sein für die Scheunen Gottes und dem Feuer überantwortet. Sonst hätte die ganze Botschaft keinen Sinn. Daher sollte es selbstverständlich sein, daß wir uns mühen, zum Weizen Gottes zu gehören. So schreibt der Apostel Paulus: „Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute.“ (Röm 12,21)

Aber eben in Liebe und mit Milde – nach dem Vorbild Gottes und dem Vorbild unseres Herrn Jesus Christus, der die Gewaltanwendung immer abgelehnt hat. Ich denke, daß diese Gedanken vor allem auch bei der Erziehung der Kinder ein bedeutsames Anwendungsfeld haben. Wenn Eltern oder Erzieher versuchen, aus ihnen mit Gewalt alles herauszureißen, was sie als böse erkannt haben, dann zerstören sie ihre Persönlichkeit, auch das Gute, das in ihnen steckt. Geduld und Milde sind erforderlich – auch wenn diese Haltung oft sehr schwer durchzuhalten ist. Man möchte gern gleich die Erfolge der Erziehung sehen, und Mißerfolge erzeugen Enttäuschung oder sogar Wut. Und doch ist auf die Dauer nichts anziehender und formender als das geduldige eigene gute Beispiel.

Lassen wir uns von der Zuversicht unseres Herrn Jesus Christus anstecken – er sieht Gottes Reich wachsen inmitten von Unkraut und Versagen!

217. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Im Zwischengesang haben wir gerade das Lied gesungen: „Heil’ger Geist, o Tröster mein, kehr in unsere Herzen ein mit den sieben Gaben dein. Deine Weisheit hauch uns ein, daß wir suchen Gott allein; daß wir nur in dir uns freu’n.“ Diese Liedstrophe paßt sowohl zur heutigen Lesung als auch zum Evangelium. Wie der König Salomo beten wir um die Gabe der Weisheit, um ein hörendes Herz, damit wir das Gute vom Bösen und die wahren Schätze von dem bloß äußerlich glitzernden Schnickschnack unterscheiden können.

Wie wir aus der Lesung erfahren können, gefällt Gott eine solche Bitte so sehr, daß er sie gerne erhört. Ja, es wird uns gesagt, daß Gott dem so Bittenden darüber hinaus auch die zeitlichen Güter schenkt, um die er gar nicht gebeten hat, nämlich Reichtum und Ehre. Gott zeigt uns auf diese Weise eine Rangfolge der Werte auf, die wir in unserem Streben beachten müssen und nicht umkehren dürfen. Im Gleichnis vom Schatz im Acker und von dem reichen Kaufmann, der Perlen sucht, wird uns diese Rangfolge sogar überdeutlich vor Augen gestellt: Für das Reich Gottes ist kein Preis zu hoch; es ist vielmehr angemessen, alles andere dranzugeben, zu verkaufen, damit man diesen Schatz gewinnen kann. „Daß wir nur in dir uns freu’n“, sagt das Lied.

Heißt das also, daß wir keine Freude haben dürfen an den Gütern dieser Welt? Aus einer solchen Frage spricht die Angst, etwas zu verlieren oder zu verpassen. Mit dieser Angst werden wir tagtäglich an den Konsum geködert und zur Raffgier verführt. Diese Angst macht das Herz der Menschen eng und verdunkelt zugleich unser Urteilsvermögen. Denn es geht ja keineswegs darum, daß Gott die Freude an den zeitlichen Gütern verbieten oder madig machen will. Schließlich hat er ja dem König Salomo auch Reichtum und Ehre geschenkt. Salomo durfte sich selbstverständlich auch dieser Güter erfreuen, aber er hatte eben auch ihren zweitrangigen Wert erkannt. Dem entspricht die Bitte im heutigen Tagesgebet: „Hilf uns, die vergänglichen Güter so zu gebrauchen, daß wir die ewigen nicht verlieren.“

Hier liegt allerdings der Knackpunkt, die beständige Versuchung, die rechte Rangfolge umzukehren: nicht mehr Gott als das Ziel unseres Lebens anzusehen, sondern ihn als bloßes Mittel zum Erwerb zeitlicher Güter einzuspannen. Diese Verdrehung geschieht leicht, weil wir von Natur aus auf unser zeitliches Wohlergehen fixiert sind und Gott nicht sehen und seine überschwengliche Güte nur selten erfahren können. Würden wir allerdings auf unser Herz hören, dann würden wir Mittel und Zweck nicht so leicht verwechseln. Denn tief in unserem Herzen ist eine Sehnsucht nach einem Glück angelegt, die nur Gott erfüllen kann. Diese Sehnsucht macht sich meistens negativ bemerkbar: daran, daß uns die zeitlichen Güter eben nicht erfüllen, sondern leer zurücklassen.

Nach einer aktuellen Umfrage des Kölner Stadtanzeigers ist die Zahl der Jugendlichen, die diese Sehnsucht spüren und nach Gott suchen, in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen. Jetzt sind es 78 %. Die meisten von ihnen haben die Perle noch nicht gefunden, viele von ihnen werden aber die Chance wahrnehmen und beim Weltjugendtag in Köln Ausschau nach ihr halten. Das ist auch eine Chance für die Kirche, die wir nutzen sollten. Ich erinnere an die Glaubensbücher, die aufgrund einer Großspende kostenlos abgegeben werden, damit junge Gottsucher einen Leitfaden an die Hand bekommen. Aber nicht nur gute Bücher sind wichtig, sondern vor allem auch unser lebendiges Zeugnis. Die jungen Menschen achten darauf, welche Rangfolge die Erwachsenen den Werten in ihrem Leben geben. Handeln wir nach dem Motto „Rette sich, wer kann!“, wie es so viele Zeitgenossen tun, oder halten wir uns an Salomos Weisheit? Ist Gott für uns nur ein Notanker oder ist er unser Lebensfundament?

Wir sind nicht sehr geübt in der wahren Weisheit, die allein Gottes Geist uns schenken kann, wir fallen immer wieder in die kleinkarierten irdischen Maßstäbe zurück, und darum ist nichts wichtiger, als beständig Gott um ein hörendes Herz zu bitten, um diese Gabe des Heiligen Geistes. In der Ferien- und Urlaubszeit können wir dies besonders gut tun, da wir mehr Zeit als sonst haben und aus den Zwängen des Alltags heraustreten können hinein in die Freiheit der Welt Gottes.

218. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Die Begebenheit, die wir gerade im Evangelium gehört haben, widerspricht unseren gewohnten Vorstellungen von Jesus; Jesus erscheint hier schroff und abweisend gegenüber der heidnischen Frau, die doch nicht anders als so viele Menschen damals ihn um Hilfe bat. Im Griechischen lautet ihr Flehruf: „Kyrie eleison!“

Doch weil sie nicht zu den Juden gehört, soll sie anscheinend von Jesu heilendem Wirken ausgeschlossen sein – das ist hart und schwer erträglich. Jesus sagt: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“ Und: „Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.“ Der Evangelist Markus (7,27) stellt jedoch noch einen Satz voran, den Matthäus ausgelassen hat. Er macht die harte Aussage Jesu etwas verständlicher: „Laßt zuerst die Kinder satt werden.“ Die frohe Botschaft, die Jesus in Wort und Tat verkündet, soll zuerst dem auserwählten Volk Israel zuteil werden und danach erst den Heiden. So ist es Gottes weiser Ratschluß, und es steht uns nicht zu, daran herumzumäkeln.

Aber damit ist noch nicht alles gesagt, das Entscheidende kommt erst noch: Jesus bleibt nicht dabei, sondern er läßt sich umstimmen durch die beharrliche und zugleich zutiefst demütige und schlagfertige Antwort der Frau: „Ja, du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen.“

Diese Antwort der Frau ist wohl nicht gerade nach unserem Geschmack. Hätte sich nach den schroffen Worten Jesu nicht unser Stolz verletzt gefühlt? Wären wir überhaupt noch zu einem weiteren Anlauf, Jesus umzustimmen, in der Lage gewesen? Ich denke, das Gespräch zwischen Jesus und der Frau kann uns einiges sagen über unser Sprechen mit Gott, über unser Beten. Auch wir machen nämlich mitunter die Erfahrung, daß Gott anders ist, als wir gedacht hatten, daß seine Ratschlüsse für uns fremd und dunkel sind. Gott scheint uns manchmal gar nicht zu behandeln wie seine geliebten Kinder, und unsere Bitten finden oft anscheinend kein Gehör bei ihm. Solche Erfahrungen gehören zum Christenleben dazu, es sind die Stunden der Prüfung. Alles hängt davon ab, wie wir diese Stunden bestehen, wie wir dann reagieren: in stolzer Auflehnung oder in demütiger Ergebenheit.

Die Tugend der Demut ist heutzutage nicht in hohem Kurs, der moderne Mensch will davon nichts wissen. Entsprechend machen wir uns auch gerne unser Gottesbild nach unserem eigenen Geschmack: Gott als willfähriger Partner, als großmütiger Opa, der für alles Verständnis hat und alles mit sich machen läßt, ja im Grunde: Gott als unser Diener. So ist Gott aber nicht, und eines Tages kommt die Wahrheit schon ans Licht. Das Trugbild löst sich in nichts auf, und was bleibt dann übrig? Wir haben dann die Wahl, Gott zu verlassen, vom Glauben abzufallen – oder den Glauben festzuhalten – der augenblicklichen Erfahrung zum Trotz, Gott weiterhin zu vertrauen, seinen Willen anzunehmen und wie die kanaanäische Frau Gott demütig und beharrlich zu bitten: „Herr, hilf mir!“

Wenn wir in dieser Weise bitten, ist Gott viel geneigter, uns zu helfen. Wie Jesus die Frau gelobt hat: „Dein Glaube ist groß“ und wie er sich von ihr hat umstimmen lassen, so wird Gott auch unser beharrliches Vertrauen in den Stunden der Prüfung anerkennen und auf unerwartete Weise belohnen. Amen.

219. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

„Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken“, ruft uns der heilige Apostel Paulus heute in der Lesung zu. Diese Mahnung ist heute genauso aktuell wie zu den Zeiten der Urchristen. Es geht um das unterscheidend Christliche, ja um die Substanz unseres christlichen Glaubens, die verlorengeht, wenn wir uns an die Welt angleichen. „Ihr seid das Salz der Erde“, sagt Christus. „Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen?“ Wenn wir Christen nicht anders leben als die Ungläubigen, dann ist unser Salz schal geworden!

Vor acht Tagen war der Höhepunkt des Weltjugendtags in Köln. Rund eine Million junger Leute sind der Einladung des Papstes gefolgt und feierten zusammen mit ihm die heilige Messe. Es war ein unvergleichliches Fest des Glaubens und der fröhlichen Zuversicht, ein unbeschreibliches Erlebnis der Einheit und des Friedens – soviele Jugendliche aus allen Teilen der Welt in einträchtiger Andacht versammelt, geeint durch den gemeinsamen Glauben und durch die gemeinsame Liebe zum Heiligen Vater. Der Nachfolger Petri, auf den Jesus seine Kirche gebaut hat, machte uns allen Mut, Jesus Christus wieder in die Mitte unseres Lebens zu stellen und uns des Evangeliums nicht zu schämen, vielmehr stolz darauf zu sein. In der Vigil auf dem Marienfeld sprach er u.a. einen Gedanken aus, der gut zu den heutigen Lesungstexten paßt:

„Die Macht Gottes ist anders als die Macht der Mächtigen der Welt. Die Art, wie Gott wirkt, ist anders, als wir es uns ausdenken und ihm gerne vorschreiben möchten. Gott tritt in dieser Welt nicht in Konkurrenz zu den weltlichen Formen der Macht. … Er stellt der lauten, auftrumpfenden Macht dieser Welt die wehrlose Macht der Liebe gegenüber, die am Kreuz – und dann in der Geschichte immer wieder – unterliegt und doch das Neue, das Göttliche ist, das nun dem Unrecht entgegentritt und Gottes Reich heraufführt. Gott ist anders – das erkennen sie [die Weisen aus dem Morgenland] nun. Und das bedeutet, daß sie nun selbst anders werden, Gottes Art erlernen müssen.“

Die Umwandlung und Erneuerung des Denkens ist eine Aufgabe, die sich jedem einzelnen stellt, und das auch immer wieder im Leben. Im Evangelium erfahren wir, daß auch Petrus damit seine Not hatte. „Das soll Gott verhüten, Herr!“, ruft er aus, als Jesus von seinem Leiden und Sterben spricht. Petrus glaubt an Jesus, er glaubt, daß Jesus der Messias ist, aber gerade deshalb versteht er nicht, daß der Gesalbte des Herrn die Schmach des Kreuzes erleiden soll. Doch Jesus weist ihn zurecht und fährt ihn an: „Hinter mich, Satan!“ Er nennt Petrus aber nicht einen Teufel; das Wort „satan´a“ ist hier vielmehr in seiner Ursprungsbedeutung zu verstehen und meint: „Hindernis, Widersacher, Stein des Anstoßes.“ Petrus wird Jesus zur Versuchung, indem er ihm das Kreuz wegwünscht. Und so muß er sich sagen lassen: „Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“ Petrus will einen Messias, der sich mit Macht und Gewalt durchsetzt, Gott will einen Messias, der „der lauten, auftrumpfenden Macht dieser Welt die wehrlose Macht der Liebe gegenüberstellt, die am Kreuz unterliegt und doch … dem Unrecht entgegentritt und Gottes Reich heraufführt.“

Das ist soweit theologisch völlig klar. Aber bis hierhin ist es nur Gedanke, den man in Gelehrtenstuben entwickeln oder in einer schönen Predigt anhören kann, ohne ihn zu leben. Es kommt darauf an, daß wir diesen Gedanken tief in unser Herz einlassen, damit er unser Leben bestimmt. Wir sind aufgerufen, uns zu wandeln und unser Denken zu erneuern. Wie viele gibt es, die sich von morgens bis abends vom Fernsehen berieseln lassen und kritiklos alles aufnehmen, was ihnen dort geboten wird. Zu viele sind es schon, die sich vom Zeitgeist bestimmen lassen und mit dem Strom der Masse mitschwimmen. Erneuerung des Denkens ist daher das Gebot der Stunde, damit wir die alten und doch ewig jungen Worte des Evangeliums wiederentdecken, die uns freimachen von der Anhänglichkeit an diese Welt und ihren verräterischen Glanz, die uns Mut und Hoffnung geben für unser Leben.

In Köln durften wir Zeuge sein, daß sich nicht nur einzelne für das Evangelium begeistern lassen, sondern tatsächlich große Massen. Diesmal konnten die Medien das Großereignis nicht totschweigen, so wie in den Vorjahren. In Köln konnte man es spüren, daß das Evangelium auch heute Mut gibt, das eigene Denken zu erneuern, das schale Salz abzuschütteln, sich im Sakrament der Beichte mit Gott zu versöhnen und gegen den Strom der Verweltlichung zu schwimmen. Gottes Gnade wurde sichtbar, sie leuchtete auf unzähligen jungen Gesichtern!

Ich bin häufig erschrocken darüber, mit welcher Perfidie unsere Gesellschaft die Glaubensverkündigung der Kirche zu hintertreiben versucht. Die Kirche wird so dargestellt, als ob sie bald an Altersschwäche stirbt. Denn wenn das so ist, dann braucht man sich ihrer Botschaft nicht mehr zu stellen. Wie viele Christen haben sich im Grunde mit diesem Bild abgefunden! So werden sie entmutigt, und Glaube und Hoffnung werden schwach. Selbst viele Bischöfe scheinen eine defätistische Haltung eingenommen zu haben und trauen dem Evangelium keine Kraft mehr zu. In den letzten Tagen zeigten uns jedoch die Medien gegen ihren Willen, daß dieses Bild von der Kirche eine Karikatur ist, eine wahrheitswidrige Verzeichnung! Wir haben den lauten Stimmen, die uns den Glauben miesmachen wollen und die alles, was gut und heilig ist, mit ätzendem und zersetzendem Spott übergießen, lange genug Aufmerksamkeit geschenkt. Nun ist es an der Zeit, uns der Erneuerung des Denkens, die schon lange begonnen hat, anzuschließen!

Die Botschaft Jesu ist glasklar: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen?“ Was nützt es, wenn wir das zeitliche Leben retten und das ewige verlieren, wenn wir zwar von den Menschen Applaus bekommen, vor Gott aber mit leeren Händen dastehen? Eine Wohlstandsreligion nützt nichts. Reinhold Schneider sagt: „Das Christentum kann sich einzig und allein erneuern durch die Wendung zum Ursprung, den immer neuen Durchbruch zu Christus, zum Kreuz.“

220. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Im heutigen Evangelium geht es um die Frage, was ich tun soll, wenn mir Unrecht zugefügt wird. Petrus kennt anscheinend einen Menschen, der ihm ständig auf die Nerven geht, und so fragt er, wie oft er ihm vergeben soll; anders gesagt: wann das Maß des Vergebens voll ist. Jesus antwortet: Das Maß ist nie voll. Wir sollen immer bereit sein, von Herzen zu vergeben.

Um zu verstehen, was damit gemeint ist, möchte ich zuerst zwei Anwendungsfälle unterscheiden. Der erste und einfachere Fall ist dann gegeben, wenn der andere mich um Vergebung bittet. Im zweiten Fall tut er es nicht und sieht vielleicht noch nicht einmal sein Unrecht selbst ein. Bleiben wir zunächst beim ersten Fall. Nehmen wir ein Kind, das seine Eltern immer wieder anlügt, oder einen Arbeitskollegen, der immer wieder zu spät kommt und mir dadurch Schwierigkeiten macht. Beide sagen vielleicht jedesmal: „Es tut mir leid. Soll nicht wieder vorkommen.“ Aber kann ich das wirklich glauben? Muß ich nicht irgendwann urteilen: „Also jetzt ist der Bart aber ab. Jetzt reicht’s endgültig!“ ? –

Es gibt viele Menschen, die in solchen Fällen die Vergebung verweigern. Sie brechen dann die Beziehung ab und reden vielleicht kein Wort mehr miteinander. Jesus sagt uns aber, daß wir so nicht handeln dürfen, denn wir selber verhalten uns ja genauso unserem Gott gegenüber: Wir kommen nicht nur zu spät zum Gottesdienst, sondern gehen erst gar nicht hin; wir gestatten uns immer wieder Ausnahmen von seinen Geboten und meinen leichthin: Das wird er mir leicht vergeben. Aber wir irren uns: Die Schuld, die wir vor Gott haben, wiegt im Vergleich zu der Schuld, in der andere Menschen uns gegenüber stehen, wie 10.000 Talente zu 100 Denaren, d.h. sie ist eine Million mal größer. „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ – beten wir jeden Tag, und so sollten wir auch handeln. „Denn nach dem Maß, mit dem ihr meßt, wird auch euch zugemessen werden.“ (Lk 6,38) Wenn uns jemand also um Vergebung für ein Unrecht bittet, dürfen wir die Bitte nicht zurückweisen, auch wenn es uns schwerfällt.

Anders und viel schwieriger ist es freilich, wenn uns der andere gar nicht um Vergebung bittet. Z.B. wenn mein Chef seine Macht mir gegenüber ungerecht ausnutzt – einfach so. Kann ich ihn dann noch lieben, kann ich ihm gegenüber loyal bleiben und das Unrecht vergessen? Oder wie ist es mit meinem Nachbarn, der nicht aufhört, schlecht über mich zu reden? Muß ich da nicht mit denselben Waffen zurückschlagen? Oder wie ist es mit meinen Arbeitskollegen, die mich schneiden, über mich herziehen und mir das Leben schwer machen? Habe ich da nicht Grund, gegen sie Groll zu hegen und sie vielleicht sogar zu hassen? – Unser Sinn für Gerechtigkeit empört sich gegen das Unrecht. Wie sollen wir da vergeben?

Ich selbst gebe zu, daß ich manchmal Genugtuung bei dem Gedanken finde, daß böse Menschen, deren Taten ich ohnmächtig gegenüberstehe, einst die gerechte Strafe dafür erhalten. Ich denke sogar, daß solche Gedanken vielleicht unvollkommen, aber noch nicht unbedingt schlecht sind, da ja Gott die Gerechtigkeit nicht weniger liebt und fordert als die Barmherzigkeit. In diesem Zusammenhang schreibt der Apostel Paulus: „Rächt euch nicht selber, liebe Brüder, sondern laßt Raum für den Zorn Gottes; denn in der Schrift steht: Mein ist die Rache, ich werde vergelten, spricht der Herr. Vielmehr: Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen, wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken; tust du das, dann sammelst du glühende Kohlen auf sein Haupt.“ (Röm 12,19f) Das heißt: Wir dürfen Gottes Gericht nicht vorgreifen, denn jeder Mensch kann sich noch zum Guten ändern, und wir Christen sind verpflichtet, diese Möglichkeit immer offenzuhalten und sie in keinem Fall zu verhindern, indem wir uns weigern, den ersten Schritt auf den anderen hin zu machen. Wenn Gott keinen Menschen vor seinem Tode abgeschrieben hat, so dürfen wir es erst recht nicht tun.

In einem neueren Lied heißt: „In die Schuld der Welt hast du uns gestellt, um vergebend zu ertragen, daß man uns verlacht, uns zu Feinden macht, dich und deine Kraft verneint.“ Solche Vergebung ist schwer, ich würde sogar sagen, ohne die Hilfe des Heiligen Geistes, der uns zur Vergebung antreibt, unmöglich. Wir sind schwach und schaffen es nicht immer, so zu denken und zu handeln, wie Gott von uns verlangt. Darum müssen wir um neue Kraft beten, wie es im Lied darum auch immer wieder heißt:

„Herr, wir bitten, komm und segne uns, lege auf uns deinen Frieden. Segnend halte Hände über uns, rühr uns an mit deiner Kraft.“

221. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg provoziert. Warum? Jesus erzählt eine Geschichte, die unserem Gerechtigkeitsempfinden widerspricht. Ein Streit bricht aus: Die Arbeiter der ersten Stunde fühlen sich ungerecht behandelt und protestieren. Sie halten dem Weinbergbesitzer die Parole vor: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Dieser jedoch bestreitet, daß er irgend jemandem Unrecht zugefügt, daß er vielmehr seine Vertragsverpflichtungen erfüllt habe, und weist so den Protest zurück.

Wir sind die Zuhörer. Ganz automatisch fühlen wir mit den murrenden Arbeitern, wir erleben ihre Erwartung, mehr zu bekommen, und die nachfolgende Enttäuschung mit. So wie das Gleichnis erzählt ist, können wir auch kaum anders, denn wir erfahren nichts über die Absichten und die Ziele des Weinbergbesitzers. So werden wir in die Rolle des Richters versetzt, wir fühlen uns herausgefordert, zu beurteilen, wer denn nun im Recht ist.

Doch für ein sachgerechtes Urteil müßten wir wissen, aus welchen Gründen der Gutsbesitzer handelt. Es sieht ganz danach aus, als wolle er den Streit provozieren. Denn er mußte ja nicht die Letzten vor den Augen der Ersten so großzügig behandeln, er hätte dies ja auch im Verborgenen tun können; dann wäre es erst gar nicht zum Streit gekommen. So werden wir, die Zuhörer, durch die Erzählung gleichsam in eine Falle gelockt: Wir werden gereizt, uns mit den erregten ersten Arbeitern zu ärgern, anstatt uns mit den Letzten zu freuen. Ganz unwillkürlich sitzen wir über Gott zu Gericht und fragen, ob er seine Gunst so ungerecht verteilen darf.

Aber dann schlägt alles um: Der Gutsbesitzer fragt – auch uns: „Oder bist du neidisch, weil ich gütig bin?“ Wir finden uns plötzlich einer Ungeheuerlichkeit verdächtigt und stehen jetzt selber im Rechtfertigungszwang. Sind wir wirklich vom Neid bestimmt? Ist die Gerechtigkeit, die wir einklagen, nur eine Einkleidung unserer Habsucht?

Wir sollen uns fragen, wie unser Denken strukturiert ist – das ist das Ziel des Gleichnisses. In dieser Welt sind Leistung, Lohn und Prestige absolute Werte. Hier ist es klar, daß die ersten Arbeiter betrogen wurden; es muß gar nicht eigens gesagt werden, wir wissen es aus unserer Lebenserfahrung. Denn in dieser Welt ist nur dann einer was, wenn er was Besseres ist. Man gewinnt nur durch Konkurrenz und ist nur gut, wenn viele andere schlechter sind. Wer hier allen gleich viel gibt, nimmt dem Besseren alles, was ihn unterscheidet, und läßt ihn sich als Letzten fühlen. Ja, wer so etwas tut, nimmt den Tüchtigeren die Lust, sich überhaupt noch anzustrengen. Wir kennen dies aus den Jahrzehnten sozialistischer Mißwirtschaft.

Und doch wissen wir auch aus den Erfahrungen des westlichen Kapitalismus oder sollten es jedenfalls wissen, daß viele auf der Strecke bleiben im ständigen Wettbewerbs- und Karrieredruck. Ist es richtig, daß die Menschheit dank der Konkurrenz eingeteilt wird in Gewinner und Verlierer? Ist ein Gymnasiast besser als ein Sonderschüler, ein Immobilienmakler besser als ein Sozialhilfeempfänger? – Wir sind zumindest in Gefahr, so zu denken – darauf weist uns das Gleichnis hin. Gott aber denkt anders, seine Gedanken sind weit über unseren Gedanken. Er hebt die unselige Scheidung zwischen Gewinnern und Verlierern auf, indem er die letzteren den Ersten gleichstellt. So werden Letzte zu Ersten.

Und Erste können zu Letzten werden, wenn sie dies als Affront verstehen, wenn sie sich nicht über das Glück der Beschenkten freuen, sondern mit Enttäuschung und Entrüstung reagieren.

"Oder bist du neidisch, weil ich gütig bin?" Diese Frage will uns Gottes Güte und Barmherzigkeit neu zum Bewußtsein bringen. Würden wir uns mit Gott vergleichen, dann müßten wir unser Geringsein, ja unser Nichtsein bekennen. „Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wieviel mehr wird euer himmlischer Vater denen Gutes geben, die ihn bitten.“ Die Konkurrenz mit Gott halten wir nicht aus. Aber das ist auch nicht nötig, weil wir unsere Identität vor Gott nicht durch Leistung und Wettbewerb gewinnen, sondern durch das Angebot seiner Freundschaft: „Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht...“

So können wir zweierlei mit nach Hause nehmen und in der Woche beherzigen: 1. Gottes Güte bewundern und loben, die so groß ist, daß wir alle – ohne jedes Verdienst – Gottes Freunde genannt werden. Und 2.: Maß nehmen an dieser Eigenschaft Gottes und die gesellschaftsbedingte Einteilung der Menschen in Bessere und Schlechtere überwinden. Dazu fordert uns auch der heutige Caritas-Sonntag auf: Barmherzigkeit üben gegenüber den Verlierern des Konkurrenzkampfes.

222. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

In der Lesung hörten wir gerade einen Text aus dem 1. Thessalonicherbrief. Dieser Brief ist die älteste Urkunde des Neuen Testaments, er führt uns an die ersten Anfänge der christlichen Mission heran, nämlich in das Jahr 50. Paulus hatte in Thessalonich die Botschaft von Jesus Christus verkündet, mußte dann aber abreisen und sandte einige Zeit später seinen Schüler Timotheus dorthin, um zu erfahren, wie es mit dem Glauben der Gemeinde steht.

In der heutigen Lesung blickt Paulus zurück auf die Anfänge der Gemeinde und ruft den Christen dort ins Gedächtnis: „Ihr habt das Wort [Gottes] trotz großer Bedrängnis angenommen. … So wurdet ihr ein Vorbild für alle Gläubigen.“ (1 Thess 1,6f) – Worin bestand ihr Vorbild? Zuerst in der gläubigen Annahme der Predigt des Apostels und dann in der praktischen Umsetzung des Evangeliums.

Die Mitte des Evangeliums ist die Verkündigung der Liebe Gottes. An Gott glauben heißt: in Beziehung zu Gott leben, ihm sein Herz geben, heißt: Gottes Liebe mit dankbarer Gegenliebe beantworten. So versteht sich das erste Hauptgebot wie von selbst: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.“ Doch zur Gottesliebe gehört untrennbar die Nächstenliebe, wie Jesus unmißverständlich feststellt: „Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Denn die Liebe, die Gott mir geschenkt hat, verpflichtet mich, meinem geringsten Bruder diesen göttlichen Liebeserweis nicht nur zu sagen, sondern, soweit ich es kann, auch zu zeigen. „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht.“ (1 Joh 4,20)

Die ersten Christen haben es als einen der elementarsten Liebesdienste dem Nächsten gegenüber angesehen, ihm den christlichen Glauben zu verkünden und vorzuleben. Damit entsprachen sie natürlich zugleich dem Missionsbefehl Jesu. Am heutigen Missionssonntag ist es sicher besonders angemessen, auch über diesen Aspekt nachzudenken.

Es wird heute oft darüber geklagt, daß der Glaube in Deutschland verdunstet und zu wenig weitergegeben wird. Es fehle die Fähigkeit, über den Glauben zu sprechen. Es ist tatsächlich nicht jedermanns Sache, vor anderen sein Innerstes auszubreiten. Aber zum Glaubenszeugnis gehört oft viel weniger: Schon wer ein Kreuzzeichen macht, bevor er – zum Beispiel im Restaurant – mit dem Essen beginnt, legt Zeugnis für seinen Glauben ab. Wer bei einem Ausflug sich danach erkundigt, wo und wann ein Gottesdienst eingeplant ist, der gibt Zeugnis von seinem Glauben. Wer anregt, eine Kirchenführung mit einem Gebet oder Lied zu beenden, der tut das gleiche. All diese schlichten Dinge sind auf ihre Art wirksam. Oder wollen wir etwa den Ungläubigen in unserem Land das Reden ganz überlassen?

Paulus lobt seine Gemeinde, weil sie vorbildlich gewirkt hat. Noch wichtiger als das gesprochene Wort ist das lebendige Vorbild. Nicht nur die Kinder schauen auf Vorbilder und ahmen sie nach, auch die Erwachsenen. Es lohnt sich, sich einmal zu fragen: Für wen bin ich Vorbild oder kann ich es sein? Was müßte sich bei mir ändern, damit die Menschen an meiner Lebensweise ablesen können, woran ich glaube, woran mein Herz hängt?

An dieser Frage hängt das ganze Leben mitsamt dem Glauben.

223. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Die Zeit der Schriftgelehrten und Pharisäer ist vorbei, könnte man meinen. Geheuchelte Frömmigkeit ist sehr selten geworden und wird überdies allgemein verachtet. Sind also die mahnenden Worte Jesu heute gegenstandslos geworden? Wir müssen schon etwas genauer hinsehen, um zu erkennen, daß das keineswegs der Fall ist; wir haben es nur heute mit einer anderen Form der falschen Schriftgelehrsamkeit und der Heuchelei zu tun als zur Zeit Jesu.

Sehen wir zunächst hin, mit welchen Merkmalen Jesus die Pharisäer kennzeichnet:

„Sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen.“ Sie lehren zwar das Gesetz Gottes, aber sie tun es unehrlich und heuchlerisch.
Sie bürden den Menschen schwere Lasten auf, rühren aber keinen Finger, um beim Tragen zu helfen.
Sie suchen unbedingt das Ansehen und die Ehrerweisung der anderen. Sie wollen immer im Mittelpunkt stehen, bei allem mitreden und alles bestimmen.
Alle drei Kennzeichen kann man in einem Satz zusammenfassen: Sie wollen gern bedient werden, aber keinesfalls einem anderen dienen. Damit es Menschen gibt, die ihnen zu Diensten sind, müssen sie angehalten werden, das Gesetz Gottes zu befolgen. Man muß ihnen also ins Gewissen reden, und darin sind die Pharisäer Meister. Und darin besteht das Schnüren schwerer Lasten: Das Gesetz Gottes haarklein auseinandernehmen und einschärfen, damit die anderen – wohlgemerkt: immer nur die anderen – bloß nicht auf die Idee kommen, nach ihrer eigenen Lust und Laune zu leben. Wer bedient werden möchte, braucht schließlich willige Diener. – Und schließlich: Der Dienst, den die anderen leisten sollen, besteht vor allem in Anerkennung, Bewunderung und Ehrerbietung.

Nun stellen wir fest, daß hinsichtlich dieses dritten Punkts unsere Zeit sich von der Zeit Jesu wesentlich unterscheidet. Denn für den Dienst am Wort Gottes gibt es heute normalerweise keine öffentliche Anerkennung mehr, zumindest nicht im großen Stil. Ähnliches gilt übrigens inzwischen für den pädagogischen und politischen Dienst: Lehrer, Professoren, Gewerkschaftler und Politiker genießen viel weniger öffentliches Ansehen als noch vor einer Generation. Enthusiastische Bewunderung und Ehrerbietung werden dagegen ganz anderen Personengruppen gewährt, Rennfahrern und Fußballspielern, Fernseh- und Schlagerstars usw. Doch diese treten mit keinerlei moralischem Anspruch an die Massen heran, sie treten für keine Lehre ein, höchstens dafür, daß jeder nach seiner eigenen Façon leben und selig werden soll. Dann besteht auch keine Gefahr der Heuchelei. Doch für nichts einstehen ist noch schlimmer als ein heuchlerisches Eintreten für Werte, die man selbst zu leben sich nicht zutraut. Denn für nichts einstehen heißt, alles für gleichgültig zu erklären und die Menschen in die Orientierungslosigkeit auszuliefern und versumpfen zu lassen. – Natürlich ist auch den hofierten Stars und Idolen nicht alles gleichgültig; es muß ihnen bloß ein kleines Unrecht geschehen, dann rufen sie sogleich nach Recht und Gerechtigkeit. Doch sie haben schon lange ihr Schäfchen ins Trockene gebracht und soviel Geld einkassiert, daß sie sich für diesen Fall die teuersten Rechtsanwälte leisten können – also leiden sie als letzte unter dem gesellschaftlichen Verfall der Moral.

Den Pharisäer in Reinkultur gibt es insofern heute kaum noch. Die von Jesus kritisierte Charakterfigur hat sich vielmehr aufgespalten in verschiedene Spielarten, die freilich alle dies eine gemeinsam haben: daß sie nicht dienen, sondern einen bevorzugten Platz möglichst weit oben einnehmen wollen.

Nun muß ich mir selbst entgegenhalten: Auf die Fehler anderer zeigen ist einfach! Spricht da nicht schon die Selbstgerechtigkeit? Es ist fast unmöglich, den Pharisäismus zu kritisieren, ohne selbst ein Pharisäer zu sein. Die beste Medizin gegen diese wuchernde Krankheit der Seele ist: bei sich selbst anzufangen und nicht zu denken oder zu sagen: „Aber die anderen müßten doch…“ – Bin ich selber bereit, von der Sorge um mein Ich abzusehen und den anderen Menschen um seiner selbst willen zu achten und zu ehren, ja, ihm zu dienen? – So oder ähnlich kann und sollte sich jeder selbst fragen, um aus der Falle herauszukommen und dem Wort Jesu zu entsprechen: „Der Größte von euch soll euer Diener sein. Denn … wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“

Ein anderes aber ist ebenso wichtig: Wie schütze ich mich und meine Lieben vor den Pharisäern unserer Zeit? Was hat Jesus dagegengesetzt? Es geht ja nicht nur um meine eigene moralische Integrität, sondern auch um ein gutes Leben in einer humanen Gesellschaft. Je schlechter diese wird, um so mehr Verführungskraft gewinnt die Parole „Rette sich wer kann!“

Jesus hat sein eigenes Wort und das Gewicht seiner Persönlichkeit gegen die Pharisäer ins Spiel gebracht. Und obwohl ihn das persönlich ans Kreuz gebracht hat, hat seine Sache doch auf längere Sicht gesiegt. Die Urkirche war eine Gemeinschaft von Menschen, die sich zum gegenseitigen Dienst verpflichtet fühlten. Die Botschaft von der christlichen, d.h. zum Dienen bereiten Liebe hat wie ein Sauerteig die damaligen Gesellschaften durchsäuert und sie nach und nach humanisiert. Wenn wir in unseren Tagen nun erleben, wie dieser Vorgang rückgängig gemacht wird, indem sich ein rücksichtsloser Egoismus breitmacht, dann haben wir Christen die Pflicht, die modernen Verführer beim Namen zu nennen und ihnen die heuchlerische Maske vom Gesicht zu reißen. Wir sind es der nachkommenden Generation schuldig, daß wir sie nicht in einer Gesellschaft aufwachsen lassen, in der die Liebe erkaltet ist und der Mensch nur noch als Mittel angesehen wird, nicht mehr als Zweck an sich selbst. Dazu braucht es allerdings mutige Männer und Frauen – denn die Gegenseite, die von Papst Johannes Paul II. sogenannte „Kultur des Todes“ – hat sich mehr noch als damalige Pharisäerschar gerüstet mit den Waffen der Schmeichelei, Verführung, Bestechung, Erpressung, Ausgrenzung, Verleumdung und Rufmords. – Doch das darf uns nicht erschrecken, denn nur einer ist unser Lehrer: Christus.

224. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Wann ist ein Mensch klug, wann ist er töricht? Nach weit verbreiteter Auffassung ist derjenige klug, der sich überall die besten Vorteile zu verschaffen versteht, dumm und töricht dagegen derjenige, der sein Leben nicht selbst in die Hand nimmt und günstige Gelegenheiten entweder nicht erkennt oder sie ungenutzt verstreichen läßt. Gegen solche Unklugheit ertönt seit neuestem der Werbeslogan „Alles mitnehmen!“

Doch die Klugheit war in der Tradition immer als eine moralische Tugend, ja sogar als Kardinaltugend, angesehen worden, und so wird das Wort auch im heutigen Evangelium gebraucht. Zur Klugheit gehört nicht nur der Einsatz des eigenen Verstandes, sondern mehr noch: das Sehen der Verantwortung und die Wahl der rechten Mittel, um die Verantwortung wahrzunehmen. Klugheit ist mehr als bloße Schlauheit, mehr als das Wissen darum, wie man sein Selbstinteresse am besten durchsetzt. Verantwortung heißt, zur Antwort bereit zu sein, einem anderen Rede und Antwort stehen. Dieser andere ist jeder Mensch, auch der heute noch nicht Geborene, und vor allem Gott, der uns anspricht und auf Antwort wartet. Klug ist, wer zu dieser Antwort stets bereit ist (im Bild gesagt: wer genug Öl dabei hat), töricht ist, wer nur an sich selbst und den jeweiligen Augenblick denkt, wer alles mitnehmen will – auch auf Kosten der künftigen Generationen.

Von anderen Menschen, besonders von den Politikern erwarten wir, daß sie verantwortlich handeln. Das ist zwar berechtigt, greift aber zu kurz. Heimlich schleicht sich dabei nämlich oft eine Haltung ein, die geradezu das Gegenteil von echter Verantwortung bedeutet: Die anderen, d.h. der Staat oder die Gesellschaft, sollen mir meine Verantwortung abnehmen: Andere sollen meine Kinder erziehen und ihnen Freizeitangebote schaffen, andere sollen meinen Dreck wegmachen, für mein Unglück bezahlen, meine Fehler wiedergutmachen, mein kinder- und sorgenloses Leben durch eine gute Rente absichern und später meine Pflege garantieren. Kurz: Andere sollen ihr sauer erarbeitetes und erspartes Öl abgeben, damit ich „alles mitnehmen“ kann, ohne eine Katastrophe für die Zukunft fürchten zu müssen!

Ich gebe zu, daß mir manchmal die Wut hochkommt, wenn ich gewisse Leute von Verantwortung reden höre, die ständig von anderen etwas fordern, ohne bereit zu sein, selbst etwas zu tun. Aber zurück zum Evangelium!

Klug sind die fünf Jungfrauen unseres Evangeliums, weil sie sich erstens bewußt sind, daß sie dem Ziel ihres Lebens entgegen wachen und weil sie zweitens die Mittel zur Erreichung des Ziels bereit haben. Das Öl im Gleichnis versinnbildlicht die Ernsthaftigkeit ihres Wartens, die verbietet, einfach tatenlos die Zeit totzuschlagen. Töricht dagegen sind die anderen, die sich zwar wünschen, bei der Hochzeit dabei zu sein, die sich aber kein Öl besorgen, d.h. die beim bloßen Wünschen bleiben und nicht zu einem echten Wollen übergehen. Wer nämlich wirklich etwas will, der ergreift auch die nötigen Mittel. Die Fünf sind töricht, weil sie sich auf die Hochzeit nur halbherzig vorbereiten, weil sie kraftlos und gleichgültig sind.

Wir kennen diesen Unterschied in der Einstellung und im Verhalten durchaus. Wie viele Menschen wünschen sich eine Welt, die auch der nachkommenden Generation Wohlstand und Schönheit bietet, eine saubere Umwelt, genügend Trinkwasser und Rohstoffe. Aber wie oft bleibt es bei diesem unbestimmten Wunsch, mit dem sich dann doch der egoistische Wille leicht verbindet, sich möglichst viele Vorteile zu verschaffen – auch auf Kosten der Erben! So wird zwar viel über die Politiker geschimpft, aber das eigene Verhalten wird nicht geändert. Ja, wenn unsere Regierung tatsächlich den Mut finden sollte, endlich einmal den Haushalt zu konsolidieren und die unsäglichen Schulden abzubauen – das tut natürlich ein bißchen weh! –, dann kann man leicht das allgemeine Gejammere voraussehen! Hier liegt ein kraftloses und gänzlich unentschiedenes Wünschen vor, das vielleicht im Märchen, wenn man einer guten Fee begegnet, zum Erfolg führt, das im Licht des Evangeliums aber nur als töricht bezeichnet werden kann.

Warum reicht der fromme Wunsch nicht aus? Weil Gott sich nicht wie eine gute Fee verhält, die uns einfach so unsere Wünsche erfüllt. Gott nimmt unsere Freiheit absolut ernst, er nimmt uns wirklich in Verantwortung. Und diese Verantwortung haben wir in einer Welt, in der die Ressourcen endlich und begrenzt sind, die darüber hinaus sogar von zahlreichen Übeln durchkreuzt ist. In dieser Welt, in der wir leben, ist es nötig, sich für das Gute wirksam zu entscheiden, und das geht nur dadurch, daß man sich auch nachhaltig gegen anderes stellt, das diesem Gut entgegensteht.

Bitten wir Gott um die Klugheit, daß wir nicht zu spät zur Einsicht kommen und unsere Verantwortung wahrnehmen!

225. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Die Adventszeit hat begonnen. Es ist eine Zeit des Wartens, der Vorbereitung auf Christus, eine Zeit der Sehnsucht. So sollte es jedenfalls sein. Empfinden wir sie aber auch so? Schauen wir jetzt sehnsüchtiger als sonst aus auf den kommenden Christus? Und wenn nicht, ändern wir etwas an uns, damit die Zeit nicht fruchtlos an uns vorbeirauscht und wir plötzlich überrascht und innerlich leer feststellen müssen: „Oh, es ist ja schon Weihnachten, und ich freue mich noch gar nicht so richtig!“

Um Sehnsucht zu haben, muß unser Herz unruhig sein, unzufrieden mit dem Zustand des Jetzt. Das Volk Israel betete in der babylonischen Gefangenschaft: „Reiß doch den Himmel auf und steig herab!“ Die Israeliten erkannten klar ihre Not und ebenso den Grund ihres Elends: ihre Schuld, ihr Abfall von Gott, ihre Verstrickung in die Sünde. Sie waren sich bewußt: Der Himmel ist verschlossen, Gott selbst muß kommen, den Himmel wieder aufreißen und das Unheil wenden. Mit ihnen singen wir noch heute: „O komm, o komm, Emanuel, mach frei dein armes Israel! In hartem Elend liegt es hier, in Tränen seufzt es auf zu dir.“ – Das Lied drückt wie auch viele andere Adventslieder unsere verborgene Sehnsucht aus. Wir spüren: Diese Welt kann mit all ihrem Glanz unser Herz nicht zufriedenstellen; im Gegenteil: im Grunde ist alles von Vergänglichkeit, Leid und Tod durchzogen. Wir suchen Erfüllung und Glück und müssen immer wieder feststellen: Hier auf Erden ist es nicht zu haben. Wir können es uns nicht verschaffen.

Freilich gibt es auch eine ganz andere Wirklichkeit, die mit großer Macht unser Leben bestimmen will: die moderne Konsumgesellschaft mit ihrer anziehenden Werbung, die uns suggeriert: „Komm, tritt ein, du kannst dein Glück kaufen!“ Wir brauchen nur in ein Kaufhaus in Münster oder Dortmund zu gehen, um zu sehen, was die modernen Tempel unserer Zeit sind. Marmor, Glas, Spiegel, Festbeleuchtung, das Feinste vom Feinsten – all das zieht die Menschenmassen an, während die Kirchen immer leerer werden. Im Hintergrund höre ich gleichsam den Teufel den Leuten ins Ohr flüstern: „Was wartet ihr noch auf Christus? Der kann euch doch nicht helfen! Es ist doch alles da, was ihr haben wollt! Ihr braucht nur zuzugreifen!“

"Es ist doch alles da!"– das ist das trügerische Wort. Es will uns einreden, wir könnten uns selbst erlösen, das Heil sei schon hier auf Erden zu finden, dazu brauchten wir keinen Gott. Wer es glaubt, legt die Unruhe in seinem Herzen still. Aber das Herz rächt sich für diese Erstickung seiner tiefsten Regungen. Es wird kalt, gefühllos, leer und verzweifelt. Selbst die besterleuchteten Kaufparks bringen keine Helle mehr hinein. Das ist die Paradoxie des falschen Konsumdenkens: Je mehr wir uns auf unser eigenes, künstliches Licht verlassen, desto dunkler wird die Welt. Und wir können den Satz umdrehen: Je mehr wir unser Hoffen ausrichten auf Gott, je sehnsüchtiger wir uns ausstrecken nach dem Licht Christi, desto heller wird unser Herz und desto heller wird es auch in unserem Lebenskreis.

Um diesen Zusammenhang geht es in der Adventszeit. Die Kirche gibt uns in diesen Wochen die Gelegenheit, uns neu einzuüben in die Sehnsucht, in das Warten auf den Erlöser. Das geht nicht so hopplahopp, sondern es erfordert wirklich Übung, geduldiges Umdenken und Umkehren. Dazu sind die vier Adventssonntage mit ihren Gottesdiensten und Andachten eine ganz unverzichtbare Voraussetzung. Dazu bieten wir in diesem Jahr sogar eigens Exerzitien im Alltag an, geistliche Übungen, die auch der Berufstätige mitmachen kann.
Wenn wir den Advent ernstnehmen wollen, wenn wir die Weihnachtsfreude wirklich tief erleben wollen, dann müssen wir uns Zeiten der Stille und Besinnung, der Sammlung und des Gebetes suchen.
Der Stern, der uns auf dem Weg zur Weihnacht führt, zeigt uns an diesem 1. Advent den Wachenden, den, der seine Ohren spitzt, um auch die leisen Töne zu hören. Das Lied drückt es so aus:

Stern über Bethlehem, du bringst uns Licht,

erwarten wir den Herrn, schlafen wir nicht!

Drum laß uns wachsam sein zu jeder Zeit.

Stern über Bethlehem, gib uns Geleit!

226. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

„Bahnt dem Herrn einen Weg durch die Wüste!“ Diesen Aufruf des Täufers hören wir heute wieder, am 2. Adventssonntag. Und wir erfahren auch von der erstaunlichen Resonanz dieses Aufrufs: Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems kamen zu Johannes, bekannten ihre Sünden und ließen sich von ihm im Jordan taufen. Wahrhaft erstaunlich!

Nicht zufällig wird uns diese Begebenheit drei Sonntage vor Weihnachten in Erinnerung gerufen, diese Begebenheit, die ganz am Anfang des Evangeliums nach Markus berichtet wird, am Anfang der Heilsbotschaft von Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Denn es braucht immer eine Vorbereitung: für das erste öffentliche Auftreten Jesu war die wegweisende Predigt des Täufers die Vorbereitung, für die Ankunft Jesu bei Ihnen und bei mir am Weihnachtsfest soll die Adventszeit eine ähnliche Wegbereitung sein.

Es gibt nämlich auch in unserer Zeit Wüsten, durch die der Weg erst noch gebahnt werden muß, damit der Herr kommen kann. Ich möchte drei solcher Wüsten nennen: die Wüste der Unzufriedenheit, die Wüste der Geistlosigkeit und schließlich die Wüste der Schuld. Jeder von uns wird im Laufe seines Lebens eine oder sogar mehrere dieser Wüsten in sich erfahren haben.

Da ist zum einen die Wüste der Unzufriedenheit. Schon mit einem noch ganz oberflächlichen Blick können wir erkennen, wie stark unsere Zeit von dieser Wüste bedroht ist. Junge wie alte Menschen, Reiche wie Arme – kaum einer, der nicht mit dem ständigen Verdacht lebt, er könne irgendwo zu kurz gekommen sein; kaum einer, der nicht über irgend etwas klagt. Und diese allgemeine Stimmung ist ansteckend, sie breitet sich aus wie eine Grippewelle. Ich möchte dazu eine Beobachtung meiner Mutter erzählen: Da war ein Junge, der seiner Mutter begeistert von einem schönen Spielzeug erzählt, das er in einem Schaufenster gesehen hat. Doch als die Mutter ihn mit einem Geldschein abfertigt – er solle es sich doch gleich kaufen –, da verschwindet augenblicklich der Glanz der Begeisterung aus seinen Augen. – Nun könnten wir verwundert denken: Er hätte doch zufrieden sein müssen! Wurde etwa sein Wunsch nicht befriedigt? Nein, durchaus nicht! Was der Junge gebraucht hätte, wäre die Zuwendung seiner Mutter gewesen, ihr interessiertes Zuhören, ihr Mitgehen mit seiner Begeisterung, ihr Mitfühlen mit seiner kleinen Sehnsucht. Das hätte ihm inneren Frieden gegeben – dazu brauchte er das schöne Spielzeug gar nicht. Viel wichtiger ist das Wissen um die Harmonie seiner Gefühle mit denen seiner Mutter, das Gespür, verstanden und geliebt zu werden. Das läßt Zufriedenheit entstehen. Die Mutter hat leider das eine mit dem anderen verwechselt: die Begeisterung für ein materielles Ding, mit der viel tiefer sitzenden Sehnsucht nach Verständnis und Liebe. Sie gibt das eine und verschließt ihm gerade dadurch das andere.

Daß wir häufig in solcher Verwechslungsgefahr sind, hängt mit der zweiten Wüste zusammen, der Wüste der Geistlosigkeit. Ich meine damit nicht das Fehlen von Intelligenz und Wissenschaft, sondern die oberflächliche und schnöde Art, die ureigenen Fähigkeiten des Menschen – die wir eben geistig nennen – auf das Niveau von Tieren, ja sogar von Maschinen herunterzustufen. Beispiele gibt es genug: die Verwechslung von Liebe mit Sex, die Rede von künstlicher Intelligenz oder die Meinung, es könne nur solche Dinge geben, die man sinnlich wahrnehmen und technisch beherrschen kann. Entsprechend geistlos sind die allermeisten Fernsehsendungen und die Musik im Radio. Geistige und erst recht geistliche Beschäftigungen erscheinen vielen als zu mühsam oder als langweilig; da sind schon eher die sog. „geistlichen“ Getränke gefragt, deren reichlicher Genuß allerdings in den meisten Fällen zu geistlosen Thekengesprächen führt.

Was passiert mit dem Menschen, der seinen Geist ganz im Materiell-Irdischen – die Bibel sagt dazu „Fleisch“ – untergehen läßt? Er wird ständig vom Gefühl umhergetrieben, daß ihm etwas fehlt, aber er kann nicht sagen, was es ist. Er wird dieses Fehlende dort suchen, wo es mit Sicherheit nicht zu finden ist, und zugleich wird ihm der einzige Ausweg, die Zuwendung zu den geistigen und geistlichen Dingen zuwider sein. Denn – so sagt der Apostel Paulus – „der irdisch gesinnte Mensch läßt sich nicht auf das ein, was vom Geist Gottes kommt; Torheit ist es für ihn, und er kann es nicht verstehen.“ (1 Kor 2,14) Dies ist auch die Erfahrung, die der heilige AUGUS-TINUS in seiner berühmten Selbstbiographie beschreibt: „Wenn mir auch einmal ein Glück von ferne lächelte, mir ekelte, danach zu greifen; weil es entschwand, noch eh ich´s fassen konnte.“ (Conf. VI, 6) In ergreifenden Worten schildert er seinen elenden Zustand und die unverhoffte Rettung: „Ich warf mich auf das Schöngestaltete, das du (o Gott) geschaffen. Du warst bei mir, und ich war nicht bei dir. Und was von dir solang mich fernhielt, waren Dinge, die doch, wenn sie in dir nicht wären, gar nicht wären. Du aber riefst und schriest und brachst mir meine Taubheit. Du blitztest, strahltest und verjagtest meine Blindheit... Und du berührtest mich, ich aber glühte in Sehnsucht auf nach deinem Frieden.“ (Conf. X,27)

Aus diesen wenigen Sätzen wird deutlich, daß nur Gott selber aus der Wüste der Geistlosigkeit befreien kann. Nur der Heilige Geist kann die Geistlosigkeit beenden, und darum kündigt auch Johannes der Täufer an, daß Jesus kommen wird, um mit dem Heiligen Geist zu taufen.

Und so ist es auch mit der Wüste der Schuld. Jede Sünde richtet in der Seele Verwüstungen an. Sündigen heißt, sich von Gott abwenden – wie soll Gott da kommen, wenn ihm keine Wege gebahnt sind? – Auf diese Frage antwortet der Prophet Jesaja mit seiner Frohen Botschaft, die Johannes der Täufer dann aufgreift: „Seht, Gott, der Herr, kommt mit Kraft, und sein Arm greift ein.“ Ja, Gott kommt uns in unseren Wüsten entgegen, wir brauchen nicht zu verzagen. Gott kann die Wüste wieder zum Blühen bringen, ganz gleich, worin sie besteht. Lassen wir uns von dieser tröstlichen Botschaft ermutigen zum neuen Mitwirken mit der Kraft und Gnade Gottes. Dann können wir auch beginnen, für den Herrn Wege zu bahnen, uns von unserer Schuld abzukehren und neu zu Gott hinzukehren, der uns entgegenkommt. Ergreifen wir dazu die Gelegenheit zur Beichte und zur Mitfeier der Bußandacht!

227. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Sowohl die Lesung als auch das Evangelium des heutigen Festes sprechen von unserem Schicksal im Tod und nach dem Tod. Freilich werden wir feststellen, wenn wir die Bibel aufmerksam lesen, daß die Botschaft von der Auferstehung Jesu beinahe auf jeder Seite des Neuen Testamentes präsent ist. Die Lesung stammt aus dem 15. Kapitel des 1. Korintherbriefs, das sehr umfangreich ist. Darin heißt es kurz vor den Versen, die für die heutige Lesung ausgewählt wurden: „Wenn Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos, und ihr seid immer noch in euren Sünden.“ (1 Kor 15,17) Ich erinnere mich gut, wie ich diese Aussage des Apostels Paulus zum ersten Mal mit Verstand gehört habe – ich war vielleicht 17 Jahre alt. Und ich dachte: Genau! So ist es! An der Auferstehung Jesu von den Toten hängt alles. Der ganze christliche Glaube wäre Unsinn, wenn das nicht wahr wäre. – Und dann fährt Paulus ja auch fort: „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.“ (15,20) Das ist der Angelpunkt der Welt! Und es ist wahrlich würdig und recht, unsere Zeitrechnung danach auszurichten, sie mit Erscheinen des Retters in unserer Welt neu beginnen zu lassen.

Nun leben wir in einem Land, in dem diese Botschaft seit Jahrhunderten erklingt, und so besteht die Gefahr, daß wir sie zu selbstverständlich nehmen und ihre revolutionäre Bedeutung nicht mehr wahrnehmen. Damit würden wir zugleich den Tod verharmlosen und so tun, als wäre nichts klarer, als daß unsere unsterbliche Seele irgendwie weiterexistiert. So zu denken wäre allerdings kaum christlich, denn die Bibel weiß sehr wohl, daß der Tod die größte Katastrophe ist, die in die Welt gekommen ist und daß Gott ihn nicht gemacht hat. Im Tod wird alles, was zusammengehört, getrennt, und diese Trennung ist ein Übel, das man nicht herunterspielen darf. Die Seele trennt sich vom Leib, und der gestorbene Mensch wird seinen lieben Freunden und Angehörigen entrissen, denen es kein Trost ist, wenn sie erfahren, daß der Verstorbene als Seele irgendwo herumgeistert. – Nein, der Tod ist nicht harmlos, er ist schlimm, sehr schlimm.

Und dann hören wir: „Da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten.“ (15,21) Wir wissen, was gemeint ist: Adam, der erste Mensch hat gesündigt und wurde deshalb aus dem Paradies vertrieben; und seitdem müssen alle Menschen sterben. Aber das möchten wir gerne verstehen: Warum ist der Tod die notwendige Folge der Sünde? – Das ist offenbar so, weil die Sünde nicht harmlos ist, nicht nur ein kleiner Schönheitsfehler, den man leicht retuschieren kann. Die Sünde ist vielmehr ein Bruch mit Gott und dem anderen Menschen. Wer sündigt, sagt im Grunde: „Ich will nicht dienen. – Ich will wohl bedient werden, aber ich will mich für andere nicht einsetzen, nicht für sie da sein.“ – Wer so denkt und handelt, für den ist die Gemeinschaft mit Gott sogleich zu Ende, der fliegt aus dem Paradies raus. Aber auch die zwischenmenschliche Gemeinschaft wird durch die Sünde verletzt, die Sünde begründet unter den Menschen eine Hackordnung, ein Hauen und Stechen, ein Gieren und Neiden, ein Lügen und Betrügen. In so einer Unordnung kann der Mensch es keine Ewigkeit aushalten, da ist der Tod tatsächlich eine Gnade, er befreit aus dem Netz der Sünde und beendet die Ungerechtigkeit.

Aber der Tod ist eben auch Ende und insofern ein Übel, eine Strafe. Denn eigentlich soll es kein Ende geben, alle Liebe will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit. „Da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten.“ Christus hat die Sünde und den Tod besiegt, indem er selbst den Tod erlitten und dadurch von innen her überwunden hat. Er ist der Erste der Entschlafenen und darum ist er unser König. Darum gibt es das heutige Fest Christkönig.

Was folgt daraus für uns? Wer dies im Glauben weiß, und das tun wir alle, der kann ein anderes Verhalten an den Tag legen als diejenigen, die es nicht wissen, die glauben, daß mit dem Tod alles aus ist. Vielleicht ist der Glaube bei dem einen oder anderen manchmal schwach, aber dann wird er vom Glauben der anderen getragen. Denn keiner muß alleine glauben. Wer also zusammen mit den anderen Christen weiß, daß der Tod nicht das Ende ist, der muß keine Angst mehr haben, etwas in diesem Leben zu verpassen. In der Ewigkeit kann man nichts verpassen, da ist das Leben in Fülle. (Vgl. Joh 10,10)

  • Die Liebe, die wir alle in uns haben, hat dann auch ein viel stärkeres Motiv, sich gegen den gleichfalls in uns wohnenden Egoismus durchzusetzen. Es lohnt sich, den Kampf gegen das Böse zu führen, denn Christus führt die Sache des Guten unfehlbar zum Sieg. Und zu dieser Sache des Guten gehören die Werke der Barmherzigkeit, von denen das Gleichnis spricht, die guten Werke für unsere geringsten Brüder und Schwestern, mit denen Christus sich identifiziert.

  • Durch den Glauben an die Auferstehung werden wir ferner angeregt, unserem Erlöser dankbar zu sein und überhaupt aufmerksam und dankbar zu werden für die vielen Dinge, die uns geschenkt sind.

  • Und schließlich können wir schon in diesem Leben anfangen, mit Jesus Christus, in Gemeinschaft zu leben, ja in Freundschaft. Hier in der Eucharistiefeier schenkt sich uns der Herr und teilt sich uns mit, bietet uns seine Gemeinschaft an im Zeichen von Brot und Wein. Das kann er, denn er ist auferstanden und stirbt nie wieder. Gelobt sei Jesus Christus!

228. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Die drei Verse des heutigen Evangeliums gehören zu den schönsten im Neuen Testament. Sie drücken die Zusage Gottes aus, die verlorene Welt zu retten, nicht zu richten und dem Untergang preiszugeben. Dabei kommt dem Glauben die Rolle des Schlüssels zu: Wer an Christus, den Retter, glaubt, wird vor dem Gericht bewahrt und gewinnt das ewige Leben. Eigens wird gesagt, auf welche Weise wir das Leben gewinnen, nämlich dadurch, daß der Vater seinen Sohn hingibt – ihn in die Welt sendet; dadurch zweitens, daß der Sohn sich senden läßt und sich seinerseits hingibt, ja, sein Leben für uns hingibt; und schließlich drittens dadurch, daß der Heilige Geist in unserem Herzen die Liebe entzündet, so daß wir lebendigen Anteil haben an der unergründlichen Liebe, die der Vater und der ewige Sohn zueinander und zur Schöpfung haben.

Daß wir an den Dreifaltigen Gott glauben, ist keine bloße Zutat zum Glauben, auf die man ohne weiteres verzichten könnte. Nur weil Gott in sich selbst lebendige Beziehung der Liebe ist, darum kann er auch uns lieben, die er geschaffen hat. Die Offenbarung, daß Gott selbst in sich Liebe ist, ist die größte Überraschung für die Menschheit, die immer wieder versucht ist, die Macht für das Wichtigste zu halten. Dann sieht Liebe beinahe aus wie Ohnmacht. Und in der Tat kann sie auch diese Gestalt annehmen, freilich nur vorübergehend. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“ Wenn Gott uns gefragt hätte, wie er die Welt retten soll, dann hätten wir bestimmt gesagt: „Bestrafe die Bösen!“ – „Fege sie hinweg!“ Aber wir hätten nur unser eigenes Urteil gesprochen.

Allein die geduldige Liebe ist in der Lage, das Herz des Bösen zu erweichen. Solche Liebe hat Gott. Gottes Liebe übersteigt alle Vorstellungsmöglichkeiten von uns Menschen. Wir denken vielleicht an die Höhepunkte menschlicher Liebe, an hochzeitlichen Glanz und die süßen Freuden der Liebe. Und damit liegen wir nicht falsch. Aber wir verdrängen so gern, daß die Liebe den Egoismus ausschließt und sich erst dann bewährt, wenn sie auch im Leiden durchhält. Die egoistische Haltung bringt dem Menschen den Tod, wir sehen sie aber immer nur im andern, nicht in uns selbst. Darum machen wir immer die anderen für das Übel verantwortlich, nie uns selbst. Welche Blindheit! Was für eine Selbstgerechtigkeit!

Der einzige, der zu Recht von sich behaupten kann, er sei ohne Sünde, hat keinen Stein erhoben, denn er wußte, daß der Egoismus allein durch die vergebende Liebe aufgeschmolzen und geheilt werden kann, und er wußte dies nicht nur theoretisch, sein ganzes Handeln war von dieser Einsicht durchdrungen. Würden wir doch wenigstens dies verstehen: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“ (Mt 7,1) Selbst derjenige, der Anspruch auf das Richteramt hat, der einzige überhaupt, verzichtet darauf: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“

Wir müssen einsehen, daß das Böse nicht nur im andern, sondern auch in uns ist, sonst können wir nicht gerettet werden. Diese Einsicht ist der erste Teil des Glaubens, dessen zweiter Akt die Annahme der Rettung ist: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.“

229. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Ein Lied von W. WILLMS trägt den Titel: „Weißt du, wo der Himmel ist? Außen oder innen? Eine Handbreit rechts und links?“ – Und es antwortet lapidar: „Du bist mitten drinnen!“ In der zweiten Strophe wird ergänzt: „Nicht so tief verborgen! Einen Sprung aus dir heraus, aus dem Haus der Sorgen.“ Und in der dritten Strophe schließlich heißt es: „Nicht so hoch da oben! Sag doch ja zu dir und mir, du bist aufgehoben!“

In dieser für Kinder vereinfachten Ausdrucksweise wird das Mißverständnis abgewehrt, der Himmel, in den Jesus aufgefahren ist und der unsere Heimat werden soll, sei der Himmel über den Wolken. Wer Englisch spricht, wird nicht so leicht auf diese Verwechslung kommen, denn im Englischen gibt es zwei unterschiedliche Wörter für unser deutsches Wort „Himmel“: Den sichtbaren Himmel nennen die Engländer „sky“, den religiösen „Himmel“ dagegen nennen sie „heaven“. Wenn ein Astronaut mit einer Rakete immer weiter und weiter fliegen würde, dann käme er am Ende dort wieder an, wo er gestartet ist, er hätte sich nur im Kreis gedreht. Das ist genauso, wie wenn man auf der Erde immer nur geradeaus läuft, dann läuft man auch nur einmal herum und kommt hinten wieder an. Durch das bloße Reisen durch den Raum, und sei es der Weltraum, kann man die Welt nicht verlassen, man dreht sich gewissermaßen nur im Kreis.

Der Dichter Eugéne IONESCO hat einmal geschrieben: „Im Kreis gehen die Menschen, im Käfig ihres Planeten, weil sie vergessen haben, daß man zum Himmel aufblicken kann.“ Im Kreis gehen ist auf die Dauer langweilig. Man sieht nichts Neues, man bleibt ständig beim Alten. Und vor allem: man kann den wirklichen Himmel nicht erreichen, den Himmel im religiösen Sinn, denn dieser ist Innen, die Innenseite der Welt, die unseren Augen und Ohren verborgen ist. Der Himmel ist da, wo Gott ist, der alles geschaffen hat und von innen her belebt. Gott ist derjenige, in dem wir leben und sind. Er wohnt inniger in uns, als wir selbst in uns sind. Er ist der unvertreibbare Gast unserer Seele.

Wir können uns das derzeit nur mit räumlichen Bildern vorstellen, auch das Wort „Innen“ ist ja eine räumliche Beschreibung. Das ist wohl auch der Grund, warum die Jünger Jesus in räumlicher Weise haben auffahren sehen, bis eine Wolke ihn verhüllte. Wie anders sollte Jesus seine endgültige Verherrlichung versinnbildlichen als durch eine räumliche Entfernung „nach oben“? Nach oben – das heißt: weg von dieser Erde, die uns auf Dauer nicht Heimat bieten kann.

Wir müssen uns die Frage stellen: „Worauf blicken wir, was haben wir im Blickfeld? Woran halten wir uns, und was hält uns in Krisenzeiten?“ Wenn wir bloß nach rechts und links schauen, dann können wir leicht mutlos werden, weil wir soviel Unheil sehen, soviel Unverstand, soviel Ungerechtigkeit und Leid. Wenn wir aber wie die Apostel nach oben schauen, dann gibt uns das Wort des Herrn Mut und Zuversicht: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. ... Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,18.20)

Heute sprechen wir wieder: „Erhebet die Herzen! – Wir haben sie beim Herrn.“ Dieser Dialog soll nicht ein bloßes Wortgeplänkel sein, sondern die Tiefenschicht unserer Wirklichkeit zum Ausdruck bringen. Indem wir die irdischen Gaben von Brot und Wein zu Gott erheben, erheben wir uns selbst, unsere Herzen, über das Irdische und tauchen ein in das Himmlische. Wir fahren so gleichsam mit Christus zum Himmel auf und erfahren den Segen Gottes über uns, in uns und um uns herum. Auch wenn wir nur in Schwachheit beginnen können, so wird Gott doch unsere Bewegung zu ihm vollenden. Und dann kehrt sich die Bewegung um, und Gott steigt herab auf den Altar, wandelt die Gaben in den Leib und das Blut Jesu Christi und mit diesen Gaben uns selbst. Alles was dazu nötig ist, ist die schwache Erhebung unserer Herzen, das Eingehen in die Hingabebewegung Jesu zum Vater.
„Weißt du, wo der Himmel ist? – Nicht so tief verborgen! Einen Sprung aus dir heraus, aus dem Haus der Sorgen.“

230. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Das Jahr 2004 ist (fast) vorbei. Es war ein Jahr mit außergewöhnlich vielen Schreckensnachrichten, ein Jahr blutiger Terroranschläge und heftiger Naturkatastrophen. Für einige von Ihnen war es vielleicht noch zusätzlich ein Jahr persönlicher Mißerfolge und Rückschläge. Wir stehen noch unter dem Eindruck der grauenhaften Bilder von der Flutkatastrophe in Asien. Ich muß zugeben, daß ich noch immer nicht ganz erfaßt habe, was da wirklich passiert ist und wie schlimm die Lage in den Unglücksgebieten ist. Das Ausmaß des Schreckens übersteigt womöglich die Hilfsmöglichkeiten der Menschen: Zigtausende Tote und unzählige Verletzte und von der Grundversorgung Abgeschnittene! Wie viele werden noch sterben an Seuchen und Unterversorgung?

Das Schreckensereignis erinnert mich an apokalyptische Mahnungen in der Bibel, z.B. die aus dem 1. Thessalonicherbrief: „Ihr selbst wißt genau, daß der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau, und es gibt kein Entrinnen.“ (1 Thess 5,2f)

Paulus schließt daran die Worte an: „Ihr aber, Brüder, lebt nicht im Finstern, so daß euch der Tag nicht wie ein Dieb überraschen kann.“ – Für ihn, den Apostel des Herrn, ist nicht der Tod als solcher das Schreckliche, sondern das Unvorbereitetsein, das Paulus als ein Leben im Finstern veranschaulicht. Wie aber ist man richtig vorbereitet, wie lebt man im Licht? Dazu sagt Paulus: „Wir aber, die dem Tag gehören, wollen nüchtern sein und uns rüsten mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil.“ (1 Thess 5,8)

Uns rüsten mit dem „Panzer des Glaubens und der Liebe und dem Helm der Hoffnung.“ Das wäre ein guter und sinnvoller Vorsatz für das neue Jahr 2005! Wir können keinen Toten ins Leben zurückholen, und wir können auch nur wenig dazu tun, daß die leidgeprüften Überlebenden aus ihrem Elend herauskommen. Aber wir Christen können unsere Hoffnung ausbreiten, die alle irdischen Ziele und Mittel übersteigt. Unsere Hoffnung richtet sich auf das jenseitige Heil, das denen bereitet ist, die Gott lieben. Diese Hoffnung gibt uns eine gewisse Gelassenheit, was das Auf und Ab der irdischen Wohlfahrt angeht. Wer diese Hoffnung nicht hat, taumelt hin und her, je nachdem ob die Nachrichten des Tages gut oder schlecht ausfallen. Die Welt braucht unsere gelebte Zuversicht, daß Gott sich die Fäden nicht aus der Hand nehmen läßt, daß ER der einzig Beständige ist, der uns Halt gibt in dem schnellen Wechsel der Zeit.

Der Neujahrstag wurde im Jahr 1967 von Papst Paul VI. zum Welttag des Friedens erklärt. Menschen in aller Welt sollen sich darauf besinnen, daß der Friede ein Geschenk Gottes ist, das große Weihnachtsgeschenk, das durch unsere gläubige Annahme in den Herzen Wirklichkeit wird. Wir können nun daran mitwirken, daß um uns herum mehr Friede möglich wird.

"Pax et bonum – Frieden und Heil" wünschen die Franziskaner seit jeher allen, denen sie begegnen. Frieden und Heil wünschen – das heißt SEGNEN. Mose sagt seinem Bruder Aaron: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende dir sein Antlitz zu und gewähre dir Heil.“

Mose spricht diesen Segen am Ende des Exodus, des großen Befreiungsweges des Volkes Israel. Mose spürt, daß das Ende seiner irdischen Tage gekommen ist. Lange Zeit hat er das Volk durch die Wüste geführt. Zuerst waren alle begeistert, doch bald wollten viele wieder zurück in die alte Sicherheit – eine Sicherheit, die keine Geborgenheit war, sondern nur die Stillung der einfachen Bedürfnisse. So murrte das Volk gegen Mose und auch gegen Gott.

In dieser Lage will Mose den Menschen einschärfen: Gott ist weiterhin mit euch, gerade auch in Not und Bedrängnis. Dieser Segenswunsch ist immer aktuell. Gott behütet uns und will unser Bestes, auch wenn wir das im Augenblick vielleicht nicht so erleben. Er läßt sein Angesicht über uns leuchten, d.h. er bleibt uns nahe, im Leben wie im Sterben.

Wenn wir Menschen einen Segen sprechen, dann rufen wir Gottes Kraft wirksam herbei. Wenn schon ein aufrichtig gemeinter Wunsch – z.B. für einen Kranken – Gutes bewirkt, wieviel mehr dann ein Segenswunsch, der aus dem Vertrauen in Gottes heilende Nähe gesprochen wird! Wenn Eltern ihr Kind segnen, wenn Angehörige einen Kranken segnen, dann rufen sie Gottes Kraft herbei, die unsere menschliche Kraft übersteigt. Beten ist ein Wünschen, das weiß, daß es nicht ins Leere geht. Der Aaronsegen gibt ein gutes Beispiel für solches Wünschen, das zugleich Gebet ist. Wir Christen sind aufgerufen, diesen Segen auf unser Dorf, unser Land und auf die ganze Welt herabzurufen, gerade angesichts der aus den Fugen geratenen Naturgewalten und angesichts der Friedlosigkeit vieler Menschen.
Machen wir es uns neu zur Gewohnheit, immer wieder stille Segensgebete zu sprechen: für die Menschen, mit denen wir gerade zu tun haben, wenn sich gerade ein Streit anbahnt oder eine Spannung in der Luft liegt.
Gott möge uns segnen im neuen Jahr, er möge uns behüten und seine Gegenwart erfahren lassen, heute, alle Tage, bis in Ewigkeit.

231. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Ein weiteres Mal sind wir den Weg durch die Heilige Woche gegangen und haben den Höhepunkt erreicht: Es ist Ostern! Vorbei sind die Tage der Buße, der ernsten Besinnung und des Fastens – jetzt braust die Orgel wieder, Blumen schmücken den Altar und die vielen Lichter künden vom Ostersieg Jesu über den Tod. Dasselbe tun auch die Texte des größten Festes, das die Christenheit kennt, vor allem das Evangelium. Sie sagen alle: „Freut euch! Laßt alle Traurigkeit hinter euch! Denn der Herr liegt nicht mehr tot im Grab, er lebt und stirbt nie wieder!“

So hören wir es jedes Jahr neu. Ja, jeden Sonntag wird es uns verkündet, denn in jeder Sonntagsmesse feiern wir ja den Tod und die Auferstehung Jesu. Diese ist das Fundament unseres Glaubens, ohne sie ist unser Glaube wertlos und die Verkündigung umsonst. So sagt der Apostel Paulus einmal: „Wenn Christus nicht auferweckt worden wäre, dann wäre euer Glaube nutzlos, und ihr wäret immer noch in euren Sünden.“ (1 Kor 15,17)

Es ist offensichtlich, daß das heutige Festgeheimnis wirklich den innersten Kern unseres Glaubens ausmacht. Und dennoch wird es bei weitem nicht von allen Christen so eingeschätzt – von den zahlreichen Neuheiden einmal ganz abgesehen, die nicht einmal mehr wissen, was Ostern eigentlich gefeiert wird. Es ist anscheinend nicht so selbstverständlich, daß die Osterbotschaft in die Herzen der Menschen dringt, sie dringt nicht so leicht durch. Ich frage mich schon seit längerer Zeit, warum das so ist, denn für mich ist das ganz anders. Für mich gibt es nichts Plausibleres als diese geniale Botschaft, nichts Wunderbareres und nichts Erhebenderes. Ich kann mir keine Botschaft vorstellen, die Anlaß zu größerer Freude geben könnte, denn was ist schlimmer und trostloser als der Tod? Doch darum geht es doch gerade: daß der Tod entmachtet ist, seinen Stachel verloren hat; daß Jesus als der Erste von den Toten auferstanden ist, um nun alle, die mit ihm sterben, zum neuen und ewigen Leben heimzuführen!

Was kann es also sein, das uns den Glauben an die Osterbotschaft so schwer macht? Ich will ja nicht behaupten, daß Sie, die Sie hier sitzen, gar nicht an die Auferstehung Jesu glauben. Aber ich weiß, daß viele Christen nicht selten von Zweifeln geplagt werden und denken: „Nach dem Tod ist vielleicht doch alles aus.“ Andere wiederum können keinen Trost und keine Freude aus der Osterbotschaft schöpfen, ihr Herz bleibt trocken oder sogar kalt.

Verstopfte Ohren, verengte Herzen, blockierte Freude! Es ist, als läge der Stein immer noch - oder inzwischen wieder - auf dem Grab Jesu, oder besser auf unserer Seele. Wer nimmt uns diesen Stein vom Herzen? Wie kommt er da überhaupt hin?

Auch dieser Stein braucht Engelskräfte, um versetzt zu werden! Durch reine Willensanstrengung können wir unsere seelischen Blockaden nicht überwinden. Doch wir singen im Osterlied: „Ihm kann kein Siegel, Grab noch Stein, kein Felsen widerstehn; schließt ihn der Unglaub’ selber ein, er wird ihn siegreich sehn!“ Was heißt das? Selbst der Unglaube, der Jesus in die tote Vergangenheit wegschließen will, selbst die Trostlosigkeit einer Seele, die sich am Osterglauben nicht mehr freuen kann, wird durch die Auferstehung Jesu besiegt.

Wie vollzieht sich dieser Sieg? Es ist ein Geheimnis, aber es geschieht immer wieder. Denn weil Jesus lebt und in jeder Zeit gegenwärtig ist, weil er eben auch hier und jetzt gegenwärtig und wirksam ist, darum kann er jeden Felsen, jeden Stein hinwegfegen und jedes Seelengrab öffnen und mit seinem Osterlicht erhellen. Die Feier der Osterliturgie ist mehr als ein bloßes Erinnern an das, was damals – vor langer Zeit – geschehen ist. Das zu denken heißt schon, sich selbst ins Grab zu legen, sich vom lebendigen Gott abzuschließen und abzuschirmen – so als ob Gott nicht die Macht hätte, die Trennung von Raum und Zeit zu überwinden! Aber selbstverständlich hat er diese Macht! Wie gering denken wir eigentlich von Gott, wie ärmlich und erbärmlich?! Wir tun so, als ob die 2000 Jahre, die uns von Jesus von Nazareth trennen, eine mordsgewaltige Bedeutung hätten, und wir denken so, weil wir unsere eigenen 70 oder 80 Lebensjahre auf dieser Erde viel zu wichtig nehmen. Aber diese Jahre sind ein Nichts – verglichen mit der Ewigkeit! Wir selbst sind nur dann nicht nichts, wenn wir dem Ewigen Gott Raum in unserem Leben geben – und sobald wir das tun, bekommt unser Leben Ewigkeitsbedeutung, dann wird es unendlich wichtig und dann wird auch alles, was wir tun oder unterlassen, unendlich wichtig.

Dann verstehen wir auch, daß der Ostersieg, den Jesus errungen hat, sich auch an uns und in uns ereignen muß. Und wann? – Wieder und wieder, vor allem aber JETZT! In dieser Stunde ist Jesus gegenwärtig und klopft – wie es in der Geheimen Offenbarung heißt – an die Türe unseres Herzens, fragt uns, ob er den Stein wegrollen darf. Wer seine Stimme hört und zustimmt, bei dem wird er das Wunder von Ostern erneut vollbringen, er wird eintreten und mit ihm Mahl halten. (Offb 3,20)

Ja, wir können den Ostersieg auch in uns selbst erleben und Gottes lebenspendende Macht erfahren. Dies geschieht vor allem in seinen Sakramenten, in denen er seine Gegenwart schenkt. Gewiß auch durch die Begegnung mit Menschen, deren herzerfrischender Glaube unsere Blockaden löst, und durch unzählige kleine Zeichen, die das Leben transparent machen für den lebendigen Gott. Freilich gibt es auch Hindernisse für die Erfahrung der Liebe Gottes, an erster Stelle die falsche Selbstgenügsamkeit, d.h. der Irrglaube, wir könnten unser Glück finden abseits von der lebendigen Beziehung zu Gott. Dann schaufelt sich die Seele selbst das Grab und läßt zu, daß sich Steine über sie legen, Felsen der Trübsal, Grabplatten der Verzweiflung.

Bitten wir Gott darum, daß er zum diesjährigen Osterfest all diese Blockaden wieder hinwegfegt! Und versprechen wir ihm, zum Dank ihn mit erneuertem Glauben und erfrischter Liebe in unseren Alltag einzubeziehen!

232. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Die Jugendlichen, die wir vor einigen Tagen zur Firmvorbereitung eingeladen haben, fragen sehr häufig: „Wozu brauchen wir die Firmung überhaupt?“ – Und es ist gar nicht so leicht, darauf eine kurze Antwort zu geben, die sofort einleuchtet. Wenn wir allerdings ehrlich sind, müssen wir zugeben, daß es kaum leichter ist, die entsprechende Frage zu beantworten, wozu wir die Kommunion eigentlich brauchen. Der Unterschied ist nur, daß niemand eine solche Frage stellt, und es ist auch leicht zu erraten, warum das so ist. Wer würde schon die Erstkommunionfeier in Frage stellen!? Und 9jährige Kinder fragen auch noch nicht so hartnäckig wie 15jährige Jugendliche.

Wozu brauchen wir also die genannten Sakramente? Was antworte ich den Jugendlichen, die mich so fragen? Ich beschränke mich heute auf die Frage nach der Firmung, zur Eucharistie soll am Fronleichnamsfest etwas gesagt werden.

Wir brauchen die Firmung, um firm zu werden in unserer Beziehung zu Gott. Diese ist dreigestaltig, wie ich in den letzten Sonntagspredigten ausgeführt habe: in Glaube, Hoffnung und Liebe lebt unsere Beziehung zu Gott, aber wir müssen zugeben: es könnte mehr sein. Glaube, Hoffnung und Liebe gibt es in sehr verschiedenem Grad, und wer wollte leugnen, daß uns eine Intensivierung in dieser dreifältigen Beziehung zu unserem Herrgott durchaus nützlich ist, ja nachgerade nottut?

Nun merken wir aber, daß uns diese Einsicht allein fast überhaupt nicht weiterhilft. Es gibt ja so Vieles, was man sich wünschte, aber man kann eben nicht alles. Ich denke, daß der sog. Durchschnittschrist ungefähr so über die Notwendigkeit denkt, im eigenen Glaubensleben fortzuschreiten. Sie müssen jetzt aber nicht fürchten, ich würde am liebsten die Seele der Münsterländer umkrempeln und aus ihnen flippige Charismatiker machen wollen, die ihre Arme gen Himmel strecken und den Heiligen Geist um seine Gaben anflehen. Mit Gewalt geht gar nichts, und bekanntlich liegt ja in der Ruhe die Kraft, und gegen solche kraftspendende Ruhe werde ich bestimmt nichts sagen.

Leider wird die besagte Ruhe oft mit Gemütlichkeit oder gar Bequemlichkeit verwechselt. Die seichte Sattheit desjenigen, der aus seiner behaglichen Ruhe nicht gestört werden will, ist allerdings eines der Haupthindernisse für den Heiligen Geist, der nicht von ungefähr mit Sturmesbrausen in Verbindung gebracht wird. Er will in Bewegung setzen, antreiben, Mut machen, voranbringen – und wenn wir nur unsere Segel setzen wollten, dann könnte er sein Werk an uns vollbringen. Langsam, aber sicher würde es vorangehen mit unserem Glauben, unserer Hoffnung und unserer Liebe. Mit einer geheimnisvollen Stille und Ruhe wirkt der Heilige Geist sein Werk in den Herzen seiner Gläubigen, er „selber tritt für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“, wie es der Apostel aus eigener Erfahrung sagt. (Röm 8,26) Aber es ist eben eine Ruhe, die aus der Tiefe eine überirdische Kraft bezieht – eine Kraft, die damals die Apostel auf die Straßen von Jerusalem trieb und sie derart erfüllte, daß aufgrund ihrer geisterfüllten Predigt allein an jenem Tag 3000 Menschen getauft werden wollten.

Doch auch schon damals gab es die anderen, die das Motto ausgeben: „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!“ Die fühlten sich damals in der Tat gestört vom Heiligen Geist und von denen, die plötzlich wieder von Jesus Christus redeten, obwohl man doch gemeint hatte, ihn endgültig getötet und seine Freunde mundtot gemacht zu haben. Es gibt sie auch heute, und zwar in großer Menge, außerhalb der Kirche, aber auch innerhalb, Wölfe im Schafspelz, sogar bis in die Spitzenetagen hinauf, geistlose Typen, die nur an die eigene Karriere denken, Hirten, die nur sich selber weiden und die Schafe allein der Wolle wegen lieben. (Vgl. Ez 34,2-4) – Ein Volk, das sich in falscher Ruhe einlullen und von geistlosen Fernsehsendungen verdummen läßt, ist für die Interessen einer egoistischen Führerschaft leichter einzuspannen als ein Volk, das sich vom Heiligen Geist antreiben läßt.

Das ist die politische Seite unserer Frage, wozu wir die Firmung und den Heiligen Geist brauchen. Diese Seite soll uns jetzt nicht weiter interessieren, obwohl es auf der Hand liegt, daß unser Volk allein aufgrund dieses Zusammenhangs ein neues Pfingsten wahrhaft nötig hat. In der Beziehung zu Gott firm zu sein und es immer mehr zu werden, ist keine Nebensache, für die sich nur einige weltfremde Theologen interessieren. Es ist die Hauptsache, von der alles abhängt: die soziale wie auch die individuelle Wohlfahrt. Es nützt nichts, über die Politiker zu schimpfen. Einer alten chinesischen Weisheit gemäß ist es besser, ein Streichholz anzuzünden als über die Finsternis zu schimpfen. Welches sind die Streichhölzer, die wir heute gegen die Dunkelheit anzünden können? Wir selbst sind es, wir Menschen mit unseren verschiedenen Gaben und Fähigkeiten, die Licht und Wärme spenden können, wenn wir unsere Glut nur vom Sturmwind des Heiligen Geistes anfachen lassen.

Es liegt allein an uns, ob wir uns in diesen göttlichen Wind stellen oder ob wir unsere Gaben verkümmern lassen wollen. Es fängt schon bei der Mitfeier der Messe an: Haben wir eine distanzierte, selbstgefällige Haltung, warten wir ab, was kommt – die Arme verschränkt? Lassen wir die Liederbücher geschlossen und warten wir nur darauf, bis der Organist oder der Chor einen falschen Ton erklingen lassen, damit wir anschließend Grund zum Lästern haben? Oder lassen wir uns mitreißen, begeistern? Participatio actuosa, aktive Teilnahme hat das Zweite Vatikanische Konzil die geforderte Mitfeier der Eucharistie genannt. Wir sind noch immer weit von diesem Ziel entfernt.

Stellen wir uns das Wirken des Heiligen Geistes nicht allzu mystisch vor – so als müßten wir darauf warten, daß wir irgendwann seine Anwesenheit in unserem Inneren spüren. Der Geist wirkt zwar im Innern, aber er wirkt anläßlich von Geschehnissen um uns herum, vor allem wirkt er auch durch Menschen. Gerade jetzt wirkt er anläßlich meiner Predigt in Ihrem Innern. Er wirkt durch die schönen Stimmen des Frauenchores, durch das Lächeln Ihres Banknachbarn, durch Orgelklang und sogar durch Gitarren und Schlagzeug. Er kann durch fremde Menschen genauso wirken wie durch bekannte, manchmal sogar wirksamer durch fremde, weil diese oft eine Tür öffnen, durch welche wir aus unseren festgefahrenen Überzeugungen herauskommen und für Überraschungen offen werden. Und es ist bestimmt nicht der Heilige Geist, der die Tür sogleich wieder zumacht, es ist nur der eigene Vogel, der mich in meinen Vorurteilen bestätigt.

Heute ist Pfingsten! Heute gießt der Heilige Geist seine Gaben in größerer Fülle aus und schleicht sich neu in unser Herz hinein. Bitten wir ihn um die Stärkung wenigstens einer Tugend, sei es die Freundlichkeit, sei es die Geduld oder sei es die Treue!

233. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

In diesen Tagen können uns trübe Gedanken kommen. Die täglichen Bilder von der Flutkatastrophe erschüttern uns, sie lähmen uns aber auch. Das Unglück ist zu massiv, zu gewaltig, so daß selbst die unglaubliche Spendenflut wie ein Tropfen auf dem heißen Stein anmutet. Trübsal kann aber auch aus anderen Quellen entspringen, z.B. aus der Monotonie des Alltags, aus Erfolglosigkeit oder aus dem Bewußtsein der Vergänglichkeit. Nach der festlichen Stimmung der Weihnachtstage kann nun Bitternis unser Herz befallen. Nicht nur draußen ist es düster, auch da drinnen: Alles grau in grau, ohne Leben, ohne Richtung, ohne Sinn. – Wohin geht die Fahrt meines Lebens? Ist es nicht voller Zwänge, voller Abhängigkeiten, voller Grenzen – ständig durchkreuzt vom Willen anderer, von den Vorstellungen anderer, von Vorschriften, Konventionen, auch von meinen eigenen Grenzen und Schwächen und schließlich von dem anonymen, überall herrschenden „Man“: „Man muß, das tut man nicht...“? Bin ich überhaupt noch Herr meines Lebens, oder bin ich nicht vielmehr eine Marionette, einer, der bloß funktioniert, eine Rolle spielt, aber sonst keine Rolle spielt?

Die Melancholie ist die Kehrseite der modernen Verherrlichung des Schönen, Starken, Erfolgreichen, denn so wird das bloß Durchschnittliche abgewertet. Nur wenige in dieser Welt scheinen auserwählt zu sein, um sie dreht sich alles; der Rest lebt in dumpfer Bedeutungslosigkeit dahin. – Da tut es gut, die Kontrast-Botschaft zu hören, die alte und doch stets neue Botschaft von Gott, der ganz anderen Maßstäbe setzt und für den jeder Mensch unendlich wichtig ist. Was tut dieser Gott? Nach der Prophezeiung des Propheten Jesaja erwählt sich Gott einen Knecht, auf den er seinen Geist legt, damit er den Völkern das Recht bringt. (Jes 42,1) Er wird blinde Augen öffnen, Gefangene aus dem Kerker holen und alle, die im Dunkeln sitzen, aus ihrer Haft befreien. (V.7) Von den Augen des Herzens, die getrübt oder blind sein können, habe ich am letzten Sonntag gesprochen. Mit einem Schlag wären wir aus der lähmenden Trübsal befreit, wenn der angekündigte Knecht Gottes unsere Herzensblindheit heilen würde, oder besser gesagt: wenn wir ihn an uns heranließen. Hören wir weiter zu, wie der vom Geist Gottes erfüllte Messias charakterisiert wird: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus.“ (V. 3)

Das ist so richtig für unsere Zeit gesagt, für das Empfinden des modernen Menschen, sei er Christ oder sei er ohne Glauben. Ein wenig salopp formuliert: Unsere Welt ist voll von geknickten Rohren und glimmenden Dochten. Nur ganz wenige ragen heraus wie edle Türme, die weithin leuchten, Licht und Wärme verbreiten. Auch wenn Jesus an anderer Stelle sagt: „Ihr seid das Licht der Welt, euer Licht soll vor den Menschen leuchten“ (Mt 5,14), dann geht er doch an dem glimmenden Docht nicht vorbei, dessen Licht fast völlig verloschen ist. Das sehen wir an der tiefsinnigen Zeichenhandlung, von der das heutige Evangelium berichtet, an der Taufe Jesu im Jordan. Nicht nur, daß Jesus damit jedem Schriftkundigen deutlich macht, daß er der angekündigte Gottesknecht ist, auf den der Geist Gottes wie eine Taube herabkommt und an dem der himmlische Vater Gefallen hat (Mt 3,17)! Sondern vor allem, daß er sich damit in die Reihe der Sünder einreiht, sich ganz auf die Seite derer stellt, die durch eigene Unvollkommenheit und Schuld makelbehaftet und entstellt sind – wie ein geknicktes Rohr und ein glimmender Docht.

Es dürfte klar sein, daß damit etwas unerhört Neues in die Welt gekommen ist – in die damalige Welt, aber auch in die heutige. Denn die Welt neigt jederzeit dazu, das Kleine und Schwache zu verachten und das Heil durch eigene Anstrengung herbeiführen zu wollen. Vor diesem Hintergrund ist die christliche Botschaft immer etwas Neues. Und darum ist sie auch in einzigartiger Weise in der Lage, uns Mut zu einem Neuanfang zu machen, immer wieder, also auch heute.

Neuanfang ist nichts Bombastisches, das es nur selten gibt. Wenn es so wäre, dann müßten wir davor zurückschrecken, unser Leben neu zu ordnen. Um das Bild wieder aufzunehmen: Wer sich als glimmender Docht fühlt, wird sich schwerlich vornehmen, von nun an wie eine Osterkerze zu leuchten. Neuanfang bedeutet, das eigene Leben wie auch das der Mitmenschen mit neuen Augen zu sehen und Christus, den Bringer des Rechts, bewußt ins Leben einzulassen. Was das konkret bedeutet, kann uns ein altes englisches Pilgergebet sagen:
"Gott, schenke uns Gelassenheit, das hinzunehmen, was wir nicht ändern können. – Gott, schenke uns Mut, das zu ändern, was wir ändern können. – Gott, schenke uns Weisheit, das eine vom andern zu unterscheiden."

Gelassenheit, Mut und Weisheit sind die Schlüssel zum Neuanfang, zum Gewinnen neuer Perspektiven und Hoffnungen. Und ich möchte noch einen Schlüssel hinzufügen, nämlich den Humor. Gelassenheit bedeutet: heraustreten aus dem sinnlosen, oft mit Selbstmitleid verbundenen Protest gegen das Unabänderliche, ja sagen zum Leben ohne Verkrampfung, lachen können über eigene Schwächen – im Vertrauen, daß oben im Himmel einer ist, der weit mehr aushalten muß als ich. Und dieser sagt ja auch zu mir, nicht nur zu Jesus: „Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter“ – sollte ich da noch meinen, daß meine Person keine Rolle spielt in der Geschichte der Menschheit? Sollte da der glimmende Glaube nicht neue Leuchtkraft gewinnen?

Mut bedeutet: dem Geheul mit den Wölfen aus dem Weg gehen, ausbrechen aus den festgefahrenen Geleisen, aus der bequemen Sattheit des Spießbürgertums, die eigene Verantwortung erkennen und nicht auf andere abschieben – im Vertrauen, daß ich nicht alleine stehe, weil Jesus mir schon den Weg geebnet hat, als er für die ganze Menschheit die Verantwortung übernommen hat und sich nicht fürchtete, ihre ganze Sündenlast zu tragen. Und dieser Jesus, der stärker ist als ich, er geht ja neben mir, mit mir und nimmt mir die Last ab, wenn sie mir zu schwer wird, denn er zerbricht niemals das geknickte Rohr.

Und schließlich Weisheit: unterscheiden können zwischen Möglichkeit und Unmöglichkeit, das rechte Maß finden zwischen Aufbegehren und Anpassung, zwischen Selbstüberschätzung und Verzweiflung, zwischen Angleichung an die Welt und Weltflucht.

Garniert mit viel, viel Humor werden diese drei Schlüssel uns helfen, immer wieder Neuaufbrüche zu wagen, von Irrwegen umzukehren und mit dem Guten wieder neu anzufangen. Amen.

234. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

„Nun freut euch, ihr Christen!“, heißt es in einem beliebten Weihnachtslied. Und jedem ist klar, daß man diese Freude nicht allein haben kann, man muß sie mit anderen zusammen erwecken und zum Ausdruck bringen. Darum sind wir hier in der Kirche zusammengekommen. Wieder ist Weihnachten, heiß ersehnt von den Kindern, herbeigewünscht aber auch von vielen anderen, die in den letzten Tagen und Wochen schwer gearbeitet haben und sich nun auf die Feiertage freuen.

Neulich habe ich in einer Predigt gesagt: „Weihnachten ist kein Fest zum Kuscheln.“ Vielleicht hätte ich etwas genauer sagen müssen: Weihnachten darf sich nicht in Kuschellaune erschöpfen. Das gilt auch für diejenigen, die frisch verliebt sind, oder für junge Eltern, die sich an den strahlenden Augen ihrer kleinen Kinder erfreuen. Bei allen großen Gefühlen, die seit alters her mit diesem Fest verbunden sind, dürfen wir es doch nicht auf bloße Sentimentalität herabstufen. Weihnachten ist zweifellos ein schönes Fest, aber es geht nicht um einen niedlichen Knaben, dessen lockiges Haar uns entzückt. Schon das Geschehen der Heiligen Nacht war alles andere als sentimental – eine Geburt wie diese würden wir keiner Familie, keinem Ehepaar und keinem Kind wünschen. Schon das Geschehen der Heiligen Nacht kennt die ganze Dramatik, die das Leben mit sich bringt und uns abverlangt. Das Evangelium des Weihnachtstages bestätigt diesen Eindruck: „Das Licht kam in die Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt.“ (Joh 1,3) Und an anderer Stelle heißt es: „Die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, haßt das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden.“ (Joh 3,19f)

Damit ist schon angedeutet, warum so viele Menschen Jesus nicht aufnahmen, ihm weder Herberge gaben noch später seine Botschaft hören geschweige denn umsetzen wollten: weil sie Angst vor dem Licht, Angst vor der Wahrheit hatten. Und dieses Drama der Verweigerung geht bis heute weiter. Wie viele schenken auch heute lieber denen Glauben, die ihnen schmeichlerisch das Blaue vom Himmel versprechen, als der Kirche, die seit 2000 Jahren unbeirrt die göttliche Offenbarung in Erinnerung ruft und dabei immer wieder auf den Ernst dieser Botschaft hinweisen muß!? Die Kirche muß der Versuchung widerstehen, die Frohe Botschaft als Spaßprogramm auszulegen, sie zu verniedlichen und zu banalisieren, sonst kann sie die Menschen nicht vor weltfremden Träumereien bewahren.

Das gilt auch für das Verständnis von Frieden, wenn wir – zu Recht – sagen, Weihnachten sei das Fest des Friedens. Der Friede, den die Engel in der Heiligen Nacht verkündet haben, ist offensichtlich keine aus dem Hut gezauberte allseitige Harmonie, die automatisch auf jeden übergeht, der ihren Gesang hört. Das hätten wir vielleicht gerne, aber so ist es nicht. Der Friede, den der menschgewordene Gottessohn tatsächlich gebracht hat und weiterhin bringt, ist vielmehr ein Geschenk, das denjenigen ergreift und verwandelt, der sich bewußt für das Licht und die Wahrheit entscheidet und der sich aufrufen läßt, nun seinerseits für den Frieden in seiner Umwelt einzutreten. Der Friede der Weihnacht muß unsererseits angenommen werden, sonst bleibt die Rede vom Frieden hohl und leer. Wer nur die Frucht des Friedens will, nämlich behagliche Ruhe, Wohlstand und Prosperität, aber selber nichts für den Frieden tun will, der wird leer ausgehen. Frieden kann heute nur der erfahren, der gewillt ist, selbst im tiefsten Herzen ein friedlicher Mensch zu sein.

Frieden zwischen Menschen ist keineswegs selbstverständlich – das hat uns das Jahr 2005 wiederholt schonungslos vor Augen geführt: Terror und Gewalt im Irak und in Afghanistan, bestialische Grausamkeiten im Sudan, Anschläge sogar in Europa, in London. Wir dürfen uns nicht ausruhen auf den Lorbeeren anderer und die 60 Jahre Zeit ohne Krieg im eigenen Land für unser eigenes Verdienst halten. Schneller als wir glauben, kann diese Illusion wie eine Seifenblase zerplatzen – das sehen wir an den bürgerkriegsähnlichen Krawallen in Paris im jüngsten Herbst. – Der Friede ist ein sehr zerbrechliches Gut, und da ist er der Gesundheit sehr ähnlich. Meist merkt man erst, wenn sie verloren ist, wie kostbar die Gesundheit ist, doch dann ist es zu spät. Dann jammert man: „Ach hätte ich doch nicht soviel Raubbau an meiner Gesundheit getrieben!“ Und genauso kann es geschehen, wenn der Friede plötzlich nicht mehr da ist. Doch immerhin spricht heute jedermann von der Notwendigkeit, etwas für die Gesundheit zu tun, doch wer mahnt die Menschen zur regelmäßigen Friedensarbeit?

Darum habe ich mir vorgenommen, dies ab heute immer wieder zu tun, Ihnen und auch mir selbst eindringlich vor Augen zu führen, wie unermeßlich wichtig es ist, daß wir als Gemeinde Friedensdienst leisten. Da ist jeder gefragt, und keiner sage, das gehe ihn nichts an, das sei höchstens eine Sache für die Politik oder die Polizei! Freilich müssen wir dazu wissen, wo die Unfriedenskeime liegen, die ähnlich wie die Krankheitserreger eine ganze Kettenreaktion entfalten und sich seuchenartig ausbreiten können. Von Paris können wir lernen, daß man die soziale Gerechtigkeit nicht mit Füßen treten darf: Wer die Wehrlosen im Lande ausgrenzt und ihrer Zukunft beraubt, der begeht soziale Brandstiftung.

Ein Sprichwort lautet: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Und wir müssen hinzufügen: Es gibt nicht nur böse Nachbarn, sondern wir selbst tragen alle möglichen sündigen Neigungen in uns, die immer wieder zu Streit und Unfrieden, ja zu katastrophalen Schicksalen führen können. Nach Auskunft der Bibel hat aller Unfrieden seine Wurzel im inneren „Kampf der Leidenschaften“ (Jak 4,1), d.h. in sündigen Gedanken und Begehren, die man nicht zu beherrschen gelernt hat. Ich nenne nur ein paar Beispiele: Habsucht und Neid, weitverbreitete Untugenden, die das Klima in Familien, Betrieben, Gemeinden, Ländern und auf der ganzen Welt vergiften; Stolz, Ehrsucht und Rechthaberei, die nur allzu häufig einen versöhnlichen Umgang miteinander verhindern; Feigheit und Bequemlichkeit, wodurch oft dem Bösen erst die Türen geöffnet werden. Wenn wir uns diesen Leidenschaften nicht widersetzen, können wir dem Frieden nicht dienen.

Liebe Mitchristen! Weihnachten ist das große Fest des Friedens, denn wir feiern einen Gott, der selbst eine unvorstellbare Friedensinitiative gestiftet hat, indem er uns vorgemacht hat, wie man aus der Spirale von Ichsucht und Streit herauskommt, nämlich durch Selbstzurücknahme, durch Demut und Verzicht. Denn „derjenige, der Gott gleich war, hielt nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.“ (Phil 2,6-8) Auf diese Weise hat uns der Mensch gewordene Gottessohn das Geschenk der Versöhnung und des Friedens gemacht – um einen geringeren Preis war es nicht zu haben. Erweisen wir uns dieses großen Geschenks würdig, indem wir uns fest vornehmen, der Friedensinitiative Gottes beizutreten und die bösen und unwürdigen Regungen in unserem Innern zu beherrschen. Dann können und sollen wir auch beten:

Herr, mache mich zu einem Werkzeug des Friedens.
Laß mich Liebe bringen, wo Haß ist.
Laß mich verzeihen, wo Schuld ist.
Laß mich vereinen, wo Zwietracht herrscht.
Laß mich Wahrheit bringen, wo Irrtum ist.
Laß mich Glauben bringen, wo Finsternis ist.
Laß mich Freude bringen, wo Leid ist.

235. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

„Menschen auf dem Weg durch die dunkle Nacht“. In großen Buchstaben prangt uns das diesjährige Motto der Adventszeit von der Chorwand entgegen, und das Bild bringt einige Eindrücke von der dunklen Nacht zur Darstellung, durch die die Menschheit zu gehen hat und von der wir manchmal mehr, mal weniger bedrängt und geängstigt werden.

Auf dem Bild sehen wir eine anonyme Masse. Die Menschen scheinen kein Gesicht zu haben, sie lassen sich treiben, laufen mit dem großen Strom der Masse mit. Fast schemenhaft huschen sie dahin. Wohin gehen sie? Was treibt sie an? Ihr Gesicht leuchtet nicht, weil kein Licht darauf fällt. Menschen auf dem Weg durch die dunkle Nacht.

Aber es ist noch mehr zu sehen: Ein Riß geht durch das Bild. Wie wenn man ein Blatt Papier zerreißt. Die Künstlerin hat ihr Bild nach diesem Riß betitelt: „O Heiland, reiß die Himmel auf!“ Laß dein Licht vom Himmel her auf die Menschen scheinen, die auf dem Weg sind und nicht recht wissen, wohin, woher und wozu – die auf dem Weg sind durch die dunkle Nacht! O Heiland, sende dein Licht, damit unser Gesicht wieder zu leuchten beginnen kann!

Der Riß, der durch das Bild geht, deutet das Heilsereignis an, das Gott tatsächlich ins Werk gesetzt hat: Er hat den Himmel geöffnet und sein göttliches Licht auf die Erde gesandt. Doch nicht automatisch kommt dieses Licht bei uns an, nicht einfach dadurch, daß wieder einmal Adventszeit ist und in vier Wochen Weihnachten. Im Johannesevangelium (1,5) heißt es: „Das Licht leuchtet in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht ergriffen.“ Es liegt an unserer Freiheit, ob wir dem Licht Raum geben in uns, oder ob wir im Dunkeln bleiben wollen. Und hier stehen wir vor dem Abgrund des Bösen: „Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht.“ (Joh 3,19) Obwohl die Dunkelheit bedrückend ist, fürchtet man sich doch vor dem Licht, vor Gott.

Der Riß im Bild will auch diese Zerrissenheit in unserem Leben andeuten. Wir sind oft hin und hergerissen zwischen unserer Sehnsucht nach Heil und der Angst, uns zu verlieren, wenn wir uns auf den heilenden Gott einlassen. Der Geschmack am Heiligen ist uns abhanden gekommen. Wir haben Lust zu tausend Dingen, zum Guten aber haben wir so selten Lust. Und verderben uns nicht so oft auch andere den Geschmack? Zum Beispiel: Da haben wir uns solche Mühe gegeben mit dem Adventsschmuck, aber keiner in der Familie hat es bemerkt. Oder: Da haben wir uns mal wieder überwunden und Tante Frieda eingeladen – und was ist der Dank? Von morgens bis abends Streit. Kein bißchen Frieden zu Weihnacht, im Gegenteil. (Tante Unfrieda!) Hoffentlich ist das Fest bald vorbei!

Im Lied heißt es: „Es wird Zeit, daß die Angst vergeht, die uns täglich bedrängt; es wird Zeit, daß die Freude wirkt, die uns Christus geschenkt.“ Und im Refrain fordern wir uns selbst auf: „Christus hat der Welt das Licht gebracht. Hebt die Augen und schaut ihn an!“ – Die Augen nur ein klein wenig heben – das würde bereits unsere Geschmacksverirrung heilen. Die Angst überwinden, daß wir etwas und uns selbst verlieren könnten, wenn wir Gott den ihm zustehenden Platz in unserem Leben geben – das ist die Chance der Adventszeit. Dazu werden wir mit markigen Worten aufgerüttelt. In der Lesung hörten wir gerade: „Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf.“ Im Evangelium mahnt uns Jesus, uns nicht in Selbstsicherheit zu wiegen wie damals die Menschen in den Tagen Noachs. Viele Menschen leben heute wie damals, als gäbe es keinen Gott. Diese Lebensart ist ansteckend und ergreift auch von uns Christen Besitz. Zumindest der Verdacht ist geweckt, daß ein Leben mit Gott ein Leben ohne Spaß sein könnte! Lassen Sie sich das nicht einreden! Machen Sie sich die Logik dieses Denkens bewußt und distanzieren Sie sich bewußt davon! Ein Leben ohne Gott ist ein Leben in Dunkelheit – so wie wir es auf dem Bild sehen.

„Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf.“ Es ist Zeit, sich abzuwenden vom Egoismus und von der Saumseligkeit. „Es wird Zeit, auf das Wort zu hörn, das von Gottes Reich spricht, es wird Zeit, auf die Kraft zu bau’n, die das Dunkel zerbricht.“ Es ist Zeit, wieder Geschmack am Guten und an Gott zu gewinnen. Es ist Zeit für eine gute Weihnachtsbeichte.

236. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

In der Predigt am letzten Sonntag habe ich gesagt: „Der Geschmack am Heiligen ist uns abhanden gekommen, … zum Guten haben wir so selten Lust.“ Von dieser Feststellung aus betrachtet, ist die Adventszeit die große Chance, wieder Geschmack am Guten und an Gott zu gewinnen.

Vielleicht sollte ich zunächst ein mögliches Mißverständnis ausräumen: Ich möchte nicht für das Lust-und-Laune-Prinzip plädieren. Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Lust- und Unlustzustände. Der Mensch ist ein geistiges Wesen, er besitzt Verstand und Willen. Nur durch Tätigkeiten, bei denen unser Geist angesprochen und beteiligt ist, finden wir auf die Dauer Glück und Erfüllung. Das steht fest, daran ist nicht zu rütteln. Aber es ist noch nicht alles. Der Mensch hat auch ein Herz. An diesem Herzen vorbei gibt es genausowenig Glück und Erfüllung. Das heißt: durch bloße Appelle an Willen und Verstand erreichen wir nichts, weder bei anderen noch bei uns selbst. Zur großen Kunst der Erziehung gehört es deshalb auch, die geistigen Fähigkeiten des Kindes auf eine Weise anzusprechen und zu bilden, daß es die zu lernenden Dinge gerne tut, aus ganzem Herzen, mit Freude, Hingabe und Liebe.

Aber wenn wir das so auf den Punkt bringen, merken wir schon, daß dies wahrlich eine Kunst ist. Wer vermag das schon? Wie soll man das zuwege bringen? Und ich möchte eine Vermutung wagen: Nahezu eine ganze Generation hat vor dieser Aufgabe resigniert, hat die Flinte ins Korn geworfen, ehe man überhaupt versucht hat, den jungen Menschen Geschmack am Heiligen zu vermitteln. Der Zweite Weltkrieg hat die Seelen der Menschen verwüstet und diesen Geschmack weitgehend aus ihren Herzen gerissen. Und in den Wiederaufbaujahren mußte fast alles mit eiserner Disziplin geschafft und getan werden. Da ging man eben zur Messe, zur Beichte, zur Andacht usw., weil man mußte, ohne lange zu fragen, ob man dies gerne tat oder nicht. Ich fürchte sogar, schon eine solche Frage galt in weiten Kreisen als verpönt. Für die amtlichen Prediger war es zu dieser Zeit auch viel leichter, an die Pflicht zu appellieren und gegebenenfalls vor dem Letzten Gericht zu warnen.

Heute ist es umgekehrt: da ist es verpönt, an dieses Gericht zu erinnern, von dem der Täufer so eindringlich spricht: „Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, daß ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt?“ Der Lust und dem Spaß wird ein vergleichsweise sehr hoher Stellenwert eingeräumt. Aber was meistens versäumt, ja gar nicht mehr als nötig angesehen wird, ist der Versuch, die Geschmacks- und Gefühlswelt auf das Geistige und vor allem auf das Gute auszurichten. Zwischen diesen zwei Extremen ist die Geschichte hin- und her geschwankt: Pflicht ohne Herz und Herz ohne Pflicht. Doch beidemal wird das Wichtigste - und wohl auch das Schwierigste - versäumt: darauf hinzuwirken, daß einem die Pflicht nicht eine Last, sondern eine Lust wird. Beidemal wird das Eigentümliche der Freiheit verfehlt.

Es ist sicher wahr, daß es nicht immer möglich ist, die Pflicht gerne zu tun. Immer wieder einmal wird sie querstehen zu unseren Neigungen, dann erscheint sie als Last und wird lästig. Doch das als richtig erkannte Gute, eben die Pflicht, auch gegen die Neigung tun – darin äußert sich die Freiheit des Menschen. Ein Tier kann das nicht, es folgt jederzeit seiner Neigung, es flieht die Unlust und folgt dem, was Lust verspricht. Wer nur seiner Lust und Laune folgt, ist nicht frei, er verfehlt sein eigentliches Menschsein. Und in dieser Einsicht liegt ein erstes Motiv, um Geschmack am Guten zu gewinnen. Je mehr ich mich auf das Gute und auf Gott ausrichte, um so freier werde ich. Es kommt mir selbst zugute, wenn ich meine Unlust überwinde. Ich wachse über mich hinaus – das kann jeder erfahren, der sich beharrlich bemüht, das Gute zu tun. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“, sagt Paulus (Gal 5,1).

Es gibt aber nicht nur die Unfreiheit, die aus dem verabsolutierten Lustprinzip folgt, sondern auch die andere Art von Unfreiheit, die dadurch entsteht, daß ich mich vor Pflichten gestellt fühle, die mir als Lasten auferlegt sind, die mein Leben beschweren. Es ist nur allzu verständlich, wenn der Mensch solche Lasten abwirft, sobald er die Möglichkeit dazu hat. Nicht zuletzt die religiösen Pflichten scheinen den Menschen solche Lasten zu sein. Wenn der Täufer uns heute zuruft: „Kehrt um! Bereitet dem Herrn den Weg!“, dann dürfen wir das nicht als einen bloßen Appell an unser Pflichtbewußtsein verstehen. So verstanden erreicht die Botschaft nicht unser Herz, sie prallt ab, denn wer läßt sich schon gerne eine zusätzliche Last auflegen?! Das nahe gekommene Himmelreich meint vielmehr, daß Gott schon etwas von dem zu tun bereit ist, was für dieses Reich charakteristisch ist. Der Prophet Ezechiel drückt es so aus: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch.“ (Ez 36,26) Oder der Prophet Jeremia: „Das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe - Spruch des Herrn: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.“ (Jer 31,33) – Gott selber wird dies tun – aber nicht ohne uns, nicht gegen unseren Willen. Ihm den Weg bereiten zu diesem Wunder, daß unser Herz neuen Geschmack an Gott gewinnt, bedeutet zuerst und vor allem: ihn um dieses Wunder bitten. „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist! Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir! Mach mich wieder froh mit deinem Heil; mit einem willigen Geist rüste mich aus!“ (Ps 51,12-14)
Ein Gebet zum Heiligen Geist faßt das Anliegen genial zusammen:
Atme in mir, du Heiliger Geist, daß ich Heiliges denke.
Treibe mich, du Heiliger Geist, daß ich Heiliges tue.
Locke mich, du Heiliger Geist, daß ich Heiliges liebe.
Stärke mich, du Heiliger Geist, daß ich Heiliges hüte.
Hüte mich, du Heiliger Geist, daß ich Heiliges nimmer verliere.

237. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Wir können Lesung und Evangelium heute so verstehen, daß uns zwei Identifikationsgestalten vorgestellt werden, eine negative und eine positive, nämlich Ahas und Josef. Ahas ist ein Verstandesmensch, dem die Knie weich werden angesichts der drohenden Gefahr, die er aufkommen sieht; Josef ist ein Mensch des Herzens, der sich angesichts der Durchkreuzung seines Lebensentwurfs um so mehr an Gott bindet und auf ihn vertraut. Ahas ist der König von Juda, gegen ihn erheben sich der König von Aram und der König des Nordreichs Israel, um ihn von Thron zu stürzen. Ahas, zu dieser Zeit kaum zwanzig Jahre alt, kann sich Abhilfe nur durch Diplomatie und militärische Allianzen vorstellen, und so wendet er sich an die Großmacht Assur, anstatt – dem Wort des Propheten Jesajas gemäß – sein Vertrauen allein auf die Treue und Macht Gottes zu setzen. Im Buch Jesaja heißt es: Als Ahas von der Verschwörung erfuhr, „da zitterte das Herz des Königs und das Herz seines Volkes, wie die Bäume des Waldes im Wind zittern“. (Jes 7,2) Die scheinbare Sicherheit ist dahin, Illusionen sind nicht mehr möglich, es geht dem Ende zu! Ein gottvergessener Mensch wie Ahas kann da nur vor Angst erzittern, und er zieht auch noch sein ganzes Volk in die Resignation und Mutlosigkeit hinein.

Kennen wir das nicht? Ein von allen Seiten heranschleichendes Gefühl der Depression, ein Raunen ringsum: „Es geht alles den Bach runter. Alles wird schlimmer: Der Staat ist pleite, die Sozialversicherung ausgeplündert, Anstand und Sitte verschwinden.“ – Ich möchte das Lied des Jammerns gar nicht so ausführlich zitieren, nur daran erinnern, daß uns die Gefühlslage des Ahas bzw. des von ihm beeinflußten Volkes gar nicht so fremd ist. So wie damals Ahas trifft uns heute das Wort des Propheten: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!“ – Im Hebräischen ein Wortspiel: im lo ta’aminu, ki lo ta’amenu. Darin steckt das Wort „Amen“. Man könnte das Wortspiel etwa so wiedergeben: „Wer nicht Amen erklärt, der nicht Amen erfährt.“ Oder: „Wenn ihr euch nicht festmacht, werdet ihr nicht fest bleiben.“ Wir stehen vor der Wahl: Wie Ahas das Amen, den Glauben an Gott verweigern und nur auf menschliche Weisheit setzen, oder unser Vertrauen auf Gott setzen und uns in ihm festmachen. Gewiß, die Feinde sind heute andere als vor 2800 Jahren, aber die Bedrängnis ist ähnlich. Wir kommen nicht allein gegen die Übermacht der Medien an, die uns desorientieren, die Werte in den Schmutz treten und den Konsum vergötzen.

Ahas war ein König, also jemand, der Entscheidungen treffen und dazu Mittel und Wege abwägen mußte. Ein militärisches Bündnis mit den mächtigen Assyrern lag ihm näher als die Besinnung auf die Bundestreue Gottes. So geht es bis heute allen, die Regierungsverantwortung haben, auch in der Kirche. Irgendwann sieht man die Gefahr, meist viel zu spät, weil man ein ruhiges Leben führen möchte und darum gerne die Augen vor der Wirklichkeit verschließt; und dann werden die Knie weich, und es folgen panikartige Beschlüsse, Reformen, Dienstanweisungen und Ähnliches. Man geht zweifelhafte Bündnisse ein, investiert in totes Kapital, verschanzt sich in protzigen Gebäuden und plant ständig Umstrukturierungen, während man die Menschen nach dem Maß von Maschinen behandelt. Für sich möchte man gern, daß alles so bleibt, wie es war, während man dem Volk einhämmert, es müßte sich daran gewöhnen, daß sich alles verändert und nichts bleibt. Die Kleinen dürfen nicht so egoistisch sein, ihre gewohnten und meist völlig berechtigten Besitzstände bewahren zu wollen - damit die Großen die ihren nicht aufgeben müssen! - So verfahren - von einigen Ausnahmen abgesehen - seit Jahr und Tag die Mächtigen, wenn sie in Bedrängnis kommen. Aber sie werden nicht bleiben, wenn sie nicht glauben! Auch die Kirche kann nicht bleiben, wenn ihre Führer nicht glauben.

Was mit Glaube gemeint ist, zeigt uns das Gegenbild, der heilige Josef. Er ist wahrhaft in keiner beneidenswerten Situation. Die Entdeckung, daß Maria ein uneheliches Kind erwartete, war für ihn eine Katastrophe. Was werden die Nachbarn sagen? Das Gespött der Gassenjungen steht ihm vor Augen! Er könnte Maria anzeigen, ihr den Prozeß machen; dann wäre sie nach jüdischem Recht gesteinigt worden und er hätte seine Haut gerettet. Doch das fällt ihm nicht ein. Er will seine Verlobte nicht bloßstellen, sondern sie heimlich entlassen. Erst in seinem Inneren (im Traum) wird ihm Klarheit geschenkt. „... er tat, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich“ (Mt 1,24) Er nimmt seine Braut zu sich mit dem Geheimnis ihrer Mutterschaft. Er tut, was Gott ihm befohlen hat. Was er tut, ist reinster Gehorsam des Glaubens. Weil er sich in Gott festmacht, denkt er nicht zuerst an sich, sondern zuerst an Maria und das Kind und daran, was diesen beiden gut tut. Sein Glaube gibt ihm die nötige Gewißheit, daß Gott schon für ihn sorgen wird, und so sorgt er sich in äußerster Hingabe um das Kind und seine Mutter.

Aus dem Glauben entspringt sogleich die Tat. Er jammert und klagt nicht, sucht keine Schuldigen, sondern er handelt. „Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte.“ – Von Josef ist kein einziges Wort überliefert, aber es wird betont, daß er tat, was Gott ihn erkennen ließ. Er tut schlicht und selbstverständlich, was Gottes Wille ist. Auch das gehört zum Glauben. Der Verstand begreift oft nicht die verwirrenden Rätsel des Lebens. Der Glaubende läßt sich auf das Wort der Verheißung ein, auch wenn er es nicht durchschaut.

Wir haben uns die beiden Antitypen ein wenig vor Augen gestellt: Ahas und Josef. Der erste sucht nur sein eigenes Interesse, Josef allein das Interesse der ihm Anvertrauten. Wir stehen vor der Wahl. Die große Wende in der Bedrängnis hat Gott durch das Kind gewirkt, das deshalb den Namen IMMANUEL trägt, Gott ist mit uns. Die Wende wurde ermöglicht durch den Glauben von Josef und Maria, während das angstvolle Taktieren eines Ahas die Bedrängnis weiter verschlimmerte. – Wie ernst ist es uns mit unserm Rufen: O komm, Immanuel?

238. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)

Liebe Schwestern und Brüder,
gerade eben haben wir das Evangelium von der Verklärung Jesu gehört.
Und während er betete, veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes, und sein Gewand wurde leuchtend weiß. (...) Sie sahen Jesus in strahlendem Licht.
Eine außergewöhnliche Erscheinung.
Der verklärte Herr. Der König der Könige, der Herr aller Herren, der Erlöser der Welt, der Heiland, Jesus Christus: Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.

Unfassbar schön muß das gewesen sein. Göttliches tritt in seiner Faszination zu Tage. Überwältigend schön. So überwältigend, dass Petrus diesen Augenblick festhalten will:
Meister, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für Dich, eine für Mose und eine für Elija.

Monate später.
Darauf ließ Pilatus Jesus geißeln. Die Soldaten flochten einen Kranz aus Dornen; dem setzten sie ihm auf und legten ihm einen Purpurroten Mantel um. Sie stellten sich vor ihn hin und sagten: Heil dir, König der Juden! Und sie schlugen ihm ins Gesicht. (...) Sie übernahmen Jesus. Er trug sein Kreuz und ging hinaus zur sogenannten Schädelhöhe, die auf Hebräisch Golgota heißt.

Unerträglich. All das Blut, das zerfetzte Fleisch, die blauen Flecken, die geschwollenen Augen. Unerträglich grausam. Abstoßend. Himmelschreiendes Leid. Ein Mensch am Ende.
Es muß schrecklich anzusehen gewesen sein. Wollte das jemand festhalten? Diesen Augenblick?
Veronika will es.
Keiner weiß, wie sie es geschafft hat. Durch die tobende, glotzende Menge hindurch, an den Soldaten vorbei. Hin zum Herrn. Und sie reicht ihm das Schweißtuch. Sie will ihm eine kleine Linderung schenken. Und sie behält Sein Antlitz. Schweiß, Dreck und Blut bilden das Gesicht eines Geschundenen im Stoff ab.
Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.

Das strahlende, göttlich leuchtende Antlitz.
Das zerschlagene, entstellte Antlitz.
Beides ist Jesus. Gott und Mensch.

Liebe Schwestern und Brüder,
von den Plakatwänden, aus den Fernsehschirmen, in den Zeitschriften blicken uns schöne Menschen an. Man macht Werbung für alles mögliche. Mit schönen, gesunden Menschen.
Man macht Werbung für Gesundheit und Schönheit.
Selbst, wenn man Werbung von Hilfswerken sieht, selbst da: die armen Kinder, der behinderte Junge, die gebrechliche, alte Frau werden schön dargestellt. Anrührend. Nett.

Werbung muß wohl so sein, ansonsten würden wir nicht hinschauen. Ansonsten würden wir wegschauen.
Unsere Gesellschaft ist wirklich großartig im Wegschauen.

Leid, Hässliches, darf nicht vorkommen. Nicht wirklich.

Ich kenne eine Familie, die sich nicht mehr traut, ihren schwerstbehinderten Sohn im Rollstuhl tagsüber durch die Innenstadt zu schieben. "Das können wir nicht mehr aushalten. Die Leute gaffen und rennen fast weg, machen einen Bogen um uns, um ihn. Das kann er nicht verstehen. Das macht ihm Angst."

Ich habe mehrere Fotos von missgestalteten Babys gesehen. Darunter ein Zyklop. Nur ein Auge. In der Mitte. Das gibt es. Schlimm. Und das gleiche Kind habe ich auf einem anderen Foto gesehen. Im Arm der Mutter, umgeben vom Vater und den Geschwistern. Es hängt in deren Wohnzimmer. "Das ist unser Bruder, der gehört zu unserer Familie. Auch wenn er ganz früh gestorben ist."
"Wenn meine Eltern auf die Ärzte gehört hätten, wäre ich nicht Weltmeister geworden." So lautete einmal die Schlagzeile in einer Zeitung. Der das gesagt hat, war gerade Weltmeister im Tischtennis für Behinderte geworden. Eine große Leistung. Die Ärzte damals rieten den Eltern "das da wegmachen zu lassen. Tun Sie sich das doch nicht an."

Leid, Hässliches, darf nicht vorkommen. Nicht wirklich.

Holländische Staatsbürger im Grenzgebiet fragen immer häufiger nach, ob es noch Plätze in deutschen Alten- und Pflegeheimen gibt. "Man weiß ja nicht, was die mit einem machen." sagen sie. Und denken an das Eutanasie-Gesetz in den Niederlanden.

In der Schweiz gibt es Vereine, die sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen, aber ganz legal beim Freitod in Krankheit helfen.

Inge Meysel prahlt damit, alles parat zu haben, die entscheidende Kapsel bei sich zu tragen. "Leiden das will ich nicht. Da bring ich mich lieber rechtzeitig um."

Leid, Hässliches, darf nicht vorkommen. Nicht wirklich.
Nein, am besten schafft man es fort. Am besten man lässt es gar nicht auf die Welt kommen.

Irgendwie sind wir alle wie Petrus. Den erhabenen Augenblick, den wollen wir festhalten, ja uns darin sonnen. Aber wo war dieser Petrus an Karfreitag? Etwa unter dem Kreuz? Nein verraten hat er Jesus. In Stich gelassen in diesem Moment

Anders Veronika. Sie traut sich das Leid, den Leidenden zu sehen. Mehr noch sie will ihm beistehen. Sicherlich, die kleine Geste wird das Ganzen der Passion Jesu kaum gelindert haben. Aber es war weiß Gott nicht umsonst.

Wir brauchen mehr Veronikas.
Aber Veronika ist ja nur eine fromme Erfindung. Die hat es ja gar nicht gegeben. Das kann doch kein Mensch schaffen. Wirklich?

Mutter Teresa 155

Sicherlich, wir sind wohl nicht berufen, Sterbehäuser zu errichten und einen Orden zu gründen wie Mutter Teresa.
Aber wie sie und wie Veronika sollten wir den Mut haben, hinzusehen, ja hinzugehen zu dem, zu der Leidenden. Sei es hier im Krankenhaus oder sonst wo.

Wir werden dann nicht nur einen Menschen sehen.
Nein, die Augen Jesu werden uns anschauen. Voll Dankbarkeit.
Und wird sich und seine Liebe in unser Herz einprägen, so wie er sein Antlitz in das Schweißtuch Veronikas eingeprägt hat.

Und wir werden spüren, dass dieser Jesus wirklich der auserwählte Sohn Gottes ist, der Herrliche, der Heiland, der König der Könige.

Und wir werden sein verklärtes Antlitz schauen, wenn wir auch in sein leidendes Gesicht sehen.
Amen.

239. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Der Apostel Paulus spart in der heutigen Lesung nicht mit deftigen Worten. Er kennt Leute, die „als Feinde des Kreuzes Christi“ leben. „Ihr Gott ist der Bauch, ihr Ruhm besteht in ihrer Schande; Irdisches haben sie im Sinn.“ Gegen diese totale Diesseitsorientierung stellt er das Programm der Christen auf: „Unsere Heimat aber ist im Himmel.“

Es wäre jetzt ein leichtes, eine Moralpredigt gegen die gottvergessene Lebensart des modernen Menschen zu halten: leicht, aber wirkungslos. Statt dessen möchte ich auf das Lied verweisen, das wir zu Anfang gesungen haben und das uns durch die diesjährige Fastenzeit begleiten wird. Da hieß es: „Unser versklavtes Ich ist ein Gefängnis und ist gebaut aus Steinen unsrer Angst.“ Das Bild vom Gefangensein trotz aller Bewegungs- und Konsumfreiheit spricht viele Menschen an, sie finden sich darin wieder. Auch daß es die Angst ist, die einengt und lähmt, Möglichkeiten versperrt und Selbstzweifel aufkommen läßt, leuchtet fast augenblicklich ein. Von allen Seiten werden wir in Angst versetzt und so immer mehr zu Entscheidungen gezwungen, die wir unter anderen Umständen gar nicht treffen würden. Das Geld regiert die Welt immer unverhohlener. Politiker weichen zurück, soziale Errungenschaften werden Stück für Stück abgebaut oder ganz preisgegeben. Die ständige Drohung mit Entlassung zermürbt die Widerstandskraft des einzelnen. Man fühlt sich eingesperrt.

Aber auch mit den weniger dramatischen Seiten des Lebens ist es so, selbst bei den Dingen, die eigentlich zur Freude und zum Ausgleich gedacht sind. Immer mehr Menschen stöhnen darüber, daß sie zu viele Termine haben, daß sie zu viel zu Feiern eingeladen werden und selber kaum die Wahl haben, sich die Gäste ihrer eigenen Feste selbst auszusuchen. Man kann auch nicht zu einer beliebigen Uhrzeit ein Fest verlassen, will man nicht schief angeschaut werden, und Wasser statt Alkohol trinken ist nur möglich, wenn man Auto fahren muß. Der Bauch wird zum Gott – im Großen wie im Kleinen – aber wohlfühlen tut sich keiner so recht dabei, außer die wenigen, die daran verdienen, und die vermutlich auch nicht wirklich. Eine allgemeine Unzufriedenheit breitet sich aus, ein wachsender Überdruß, und die Sehnsucht nach Freiheit, die sich zuvor im Konsum zu erfüllen trachtete, sucht neue Auswege und Aufbrüche. Aber wo und wohin?

"Herr du bist Richter, du nur kannst befreien. Wenn du uns freisprichst, dann ist Freiheit da." Hinter der Erkenntnis dieser Liedstrophe steht ein Bild von Gott, dem Richter, der uns gerade nicht durch Angst knechten, sondern durch Liebe freimachen will. Der grassierenden und versklavenden Menschenfurcht tritt die befreiende Gottesfurcht entgegen, die nach Auskunft der Heiligen Schrift „der Anfang der Weisheit“ ist. Gottesfurcht oder Ehrfurcht vor Gott – was sagen uns diese Ausdrücke? Wie komme ich dazu, zu sagen, daß die Gottesfurcht uns befreit? Die Ehrfurcht vor dem majestätischen Gott ist weder Angst noch Kriecherei. Gott will ja gerade, daß wir ihn lieben – in Freiheit und nicht gezwungen. FRANZ VON SALES sagt: „Wir sollen Gott aus Liebe fürchten, nicht aber aus Furcht lieben.“ Unsere Liebe zu Gott ist Antwort auf Gottes Liebe zu uns, der uns arme Geschöpfe teilhaben lassen will an seiner Herrlichkeit. Wer Gott fürchtet, bewahrt sich vor falscher Gleichgültigkeit und gefährlicher Sorglosigkeit. Wer dagegen Gott nicht fürchtet, neigt dazu, die Stimme seines Gewissens zu mißachten. Dafür hört er um so mehr auf ganz andere Stimmen: auf die Stimme seiner Leidenschaften, des Bauches; auf das Gerede der Leute, auf Schmeichelei und Anbiederung, auf die Verlockungen der Mode und der Werbung, auf ideologische Propaganda und die Einflüsterungen des Zeitgeistes, auf Verführung, Drohung und Erpressung. Wer die Gottesfurcht nicht kennt, fürchtet sich davor, wegen seiner Meinung und seines Glaubens gelästert und verspottet zu werden. Was andere denken und sagen, ist ihm wichtiger als die erkannte Wahrheit. Und gerade so sperrt er sich immer mehr ein in das Gefängnis seines eigenen Ich.

Den Jüngern, die Zeugen der Verklärung Jesu wurden, kam blitzartig die Erkenntnis der majestätischen Größe und Herrlichkeit Gottes und ihres Meisters Jesus Christus. Sie staunen, fühlen sich umgeworfen und spüren die seltsame Mischung von Furcht und Liebe angesichts der ungeheuerlichen Erhabenheit des Göttlichen. Sie brauchen Zeit, die durch Mark und Bein gehende Erfahrung mit Verstand und Herz zu durchdringen. Aber danach sind sie gefestigt, um alle Herzensenge und Menschenfurcht zu überwinden. So frei wie jetzt sind sie noch nie gewesen.

So geht es jedem, in dessen plattes Denken Gott einbricht. Auf einmal ist er da, manchmal ganz ungefragt, und hinterläßt im Gemüt eine Spur und reißt neue Tiefen auf, die vorher nicht da waren oder jedenfalls nicht sichtbar waren. Das Herz wird zum Abgrund, gewinnt eine ungeahnte Tiefe, und auf seinem Grund macht sich eine Sehnsucht kund, die nach einer neuen Begegnung mit Gott ruft. Auf diese Begegnung mit Gott hin sind wir geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in ihm.
Nutzen wir diese Fastenzeit, um diese Sehnsucht neu in unseren Herzen erstehen zu lassen.

240. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)

Liebe Schwestern und Brüder,
wir alle haben noch die schrecklichen Bilder vom Donnerstag, dem 11. 03. im Kopf.
Entsetzlich diese Anschläge in Madrid. Ihre Brutalität, ihre Menschenverachtung, ihre Kaltblütigkeit.
Schrecklich dieses Leiden. Seine Sinnlosigkeit, die Ahnungslosigkeit, die Unschuld der Opfer.

Uns allen sind diese Bilder noch sehr präsent.
Ähnlich wie die Bilder des 11. September aus New York. Ähnlich wie die Bilder des Anschlages von Lockerbie,
die Bilder von Eschede, als der Zugunfall zig Menschen in den Tod riss,
die Bilder vom holländischen Enschede, als die Explosion einer Feuerwerkskörperfabrik einen ganzen Stadtteil der Erde gleich machte,
ja, ähnlich wie die Bilder, die uns die Überlebenden der Konzentrationslager zeigen und die Leichenberge der dort elendig Krepierten.

Auch im damaligen Israel gab es ähnliche Katastrophen. Darüber reden Jesus und seine Jünger im heutigen Evangelium. Damals gab es noch nicht die Massenmedien, die all das Schreckliche so allgegenwärtig, so omnipräsent machen, so wie wir es heute erleben.
Aber die Mund zu Mund-Propaganda gab es auch damals schon. Und wie bei uns heute bewegten solche Ereignisse die Menschen, waren Tagesgespräch.

Katastrophen, Unglücke, Unfälle, Gewalttaten, Anschläge. All das wirft Fragen auf. Damals wie heute.
Wer ist schuldig? Wie konnte das passieren? Wäre das nicht zu verhindern gewesen?

Neben diesen eher analytischen Fragen, gibt es aber auch Fragen, die uns in unserer Existenz anrühren.
Kann das nicht auch mit mir passieren? Was, wenn ich in so etwas hineingezogen werde?

Und für viele stellt sich die Frage nach Gott. Wie kann der so etwas zulassen? Ist das seine Gerechtigkeit? Wo ist da Gott?

All diese Fragen werden wachgerufen. Und es ist schwer, darauf zu antworten. Jedenfalls gibt es darauf keine glatten Antworten.

Ein Weg zu einer Antwort könnte folgendes Gespräch sein, in dem ein jüdischer Rabbi gefragt wird:
"Rabbi, wie kannst du nach Auschwitz noch an Gott glauben?" Der Rabbi antwortet mit einer Gegenfrage: "Wie kannst du nach Auschwitz nicht an Gott glauben?"

Für den einen Fragenden schließt es sich aus, dass Leid und Gott gleichzeitig existieren können.
Für den Rabbi lässt sich das Leid, all das Unglück dieser Welt nur ertragen, wenn es Gott wirklich gibt.
Er lebt aus dem Glauben, der seine Wurzeln in der Begegnung des Mose mit dem brennenden Dornbusch hat. Wir haben die Stelle in der Lesung gehört. In ihr offenbart sich Gott als der "Ich-bin-da". Gott ist da, ist präsent, hört, sieht unser Leid, unsere Not.

Er ist nicht die Ursache all dessen – der größte Teil ist Folge der freien Entscheidung von Menschen: Ground Zero, Auschwitz und jetzt Madrid haben ihre Ursache im Handeln der Menschen. Ebenso ein Großteil der sogenannten Naturkatastrophen.
Und da wo alles Leiden unerklärlich bleibt, bleibt Gott an unserer Seite.

Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, sondern weint über euch und eure Kinder ... Denn, wenn es so dem grünen Holz ergeht, was wird dann mit dem Dürren geschehen?
So spricht Jesus zu den Frauen, denen er auf seinem Kreuzweg begegnet.
Er verheimlicht nicht, dass es Leid gibt. Er, der das Kreuz trägt - ohne schuldig zu sein – weiß darum, dass viele ein schweres Kreuz tragen werden müssen – ohne schuldig zu sein.

Das Kreuz ist eine Wirklichkeit in unserem Leben. Es war harte Wirklichkeit in Seinem Leben.

Das Christentum nimmt diese Welt ernst, weiß auch um die Lasten, die dieses Leben mit sich bringt. Es widersteht der Versuchung, diese harte Wirklichkeit auszublenden, tot zu schweigen, so wie es die Räucherstäbchen-Romantik der esoterischen Weltsichten tun. Der christliche Glaube flüchtet sich nicht in eine Scheinwelt, unterdrückt die bohrenden Fragen nicht durch Drogen-Konsum und anderen Rausch.

Die Frauen am Kreuzweg werden den Anblick von damals nicht vergessen haben. Jesus, mit offenen Wunden, geschlagenem Gesicht, blutigen Händen, die einen wuchtig-schweren Holzbalken umfassen. Leise nur waren die keuchenden Worte des geschwächten Herrn zu vernehmen:
Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, sondern weint über euch und eure Kinder ... Denn, wenn es so dem grünen Holz ergeht, was wird dann mit dem Dürren geschehen?

An diesen Jesus wird die eine sich erinnert haben, als ihr Sohn kurz nach der Geburt sterben musste.
An diesen Jesus wird eine andere gedacht haben, als sie, an Lepra erkrankt, von den Menschen verstoßen wurde.
Dieser Jesus kam einer in den Sinn, als sie vor den Trümmern ihres Hauses stand, das ein Erdbeben zerstört hatte.
Dieser Jesus trat vor das innere Auge der anderen, deren Sohn im Widerstandskampf gegen die römischen Besatzer fiel.

Und alle spürten, dass sie mit ihrem Leid nicht allein waren. Denn sie ahnten schon damals, dass dieser Jesus nicht nur sein eigenes Kreuz getragen hat, sondern dass er auch ihr je eigenes Kreuz trug und mitträgt.

Mose hat den Namen Gottes gehört: "Ich-bin-da".
Die Frauen haben den "Ich-bin-da" mit eigenen Augen gesehen. Er trug das Kreuz. Gott ist der "Ich-bin-da", gerade dann, wenn wir an einem Kreuz tragen. Er hat es schon vor uns und für uns getragen.

Liebe Schwestern und Brüder,
damit wir uns richtig verstehen:
Das Christentum ist keine sadistische oder masochistischen Religion. Wir suchen nicht das Kreuz! Nein, wir versuchen es zu verhindern, zu lindern in seiner Wucht. Gerade auch hier im Krankenhaus.
Aber das Kreuz ist eine unumgängliche Realität dieses Lebens, dieser Erde. Das Christentum ist eben keine "Schönwetter-Religion". Immerhin ist das Kreuz sein Erkennungszeichen und das leere Grab.

Aber das leere Grab existiert ebenso, wie das Kreuz. Und vielleicht haben die gleichen Frauen, die Jesus und sein Kreuz gesehen haben, auch sein leeres Grab besucht.

Und vielleicht hat sie jemand damals gefragt: "Ihr Töchter Jerusalems, wie könnt ihr nachdem ihr Jesus mit dem Kreuz gesehen habt, noch an diesen Jesus glauben?" Und vielleicht hat eine von ihnen geantwortet: "Wie kann ich, nachdem ich Jesus mit dem Kreuz gesehen habe, nicht an ihn glauben?"

241. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)

Liebe Schwestern und Brüder!
Geht es Ihnen manchmal auch so? Denken Sie auch schon mal bei sich:„Also, lieber Gott, wenn Du jetzt ein richtiges Wunder machen würdest, dann könnte ich richtig glauben. Irgendeine mächtige Tat von Dir, die alle sehen, und alle könnten gar nicht anders als an Dich glauben.“

Ja, das wär’s doch: So ein richtiges Wunder, vor aller Augen.

Nun, dieses Experiment hat Gott schon mehrmals durchgeführt. Er hat schon vor aller Augen Wunder gewirkt. Er hat immer wieder in das Leben der Menschen, in das Weltgeschehen eingegriffen. Nur blieb der Erfolg leider aus.
Schauen wir nur auf das Evangelium von heute.

Da heilt Jesus einen Blindgeborenen. Einer, der nie sehen konnte, kann durch das Wirken Jesu auf einmal sehen. Ein Wunder. Ein wirkliches Wunder. Da müssten doch die Umstehenden zum Glauben kommen. Von Wegen.

Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet, blindgeboren zu sein, überhaupt blind war.

Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet sehend geworden zu sein, auch der ist, der am Straßenrand saß und bettelte, oder ob es sich lediglich um einen Doppelgänger handele.

Da wird gezweifelt ob derjenige, der behauptet, blindgeboren und geheilt worden zu sein, ein zuverlässiger Zeuge in eigener Sache sein kann, schließlich war die Blindheit in den Augen der Menschen damals eine göttliche Strafe für Sünder. Und kann man Sündern vertrauen? Erst recht Asozialen und Bettlern?

Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet blindgeboren und geheilt worden zu sein, überhaupt sagen kann, was und wie es geschehen ist. Er war doch blind. Er hat den Heilenden ja nicht einmal gesehen.

Da wird gezweifelt, dass eine Heilung an diesem Tage habe stattfinden können, wo doch am Sabbat verboten ist, sich die Hände durch einen Teig schmutzig zu machen.

Das Experiment mit dem Wunder ist gescheitert. Jedenfalls bei einem Großteil der Menschen. Gut, der Blindgeborene selbst und vielleicht einige wenige andere, aber sonst...?

Woran ist dieses Experiment gescheitert? Am Wunder selbst kann es nicht gelegen haben. Das war eindeutig, zwingend.

Nun das Experiment mit dem Wunder ist an denen gescheitert, die aufgrund des Wunders hätten zum Glauben finden können.

Sie waren nicht bereit, ein Wunder anzunehmen.
Sie konnten sich nicht vorstellen, dass Gott seine Macht ausgerechnet so demonstrieren wollte. An einem Sabbat, an einem Bettler, so ganz ohne Glanz und Gloria...
Wunder? Ja! Aber bitte nach unseren Kriterien und Vorstellungen.

Vielleicht hatten die Menschen damals auch verlernt, mit Wundern zu rechnen? Vielleicht war ihnen der Gedanke, dass Gott in unser Leben, in das Weltgeschehen eingreifen könnte, gänzlich verlorengegangen? Und weil sie mit dem Eingreifen Gottes nicht mehr rechneten, merkten sie es auch nicht mehr.

Wir merken, liebe Schwestern und Brüder, mit dem Wunder allein ist es nicht getan. Wir müssen schon bereit sein, Wunder sehen und anerkennen zu wollen.

Gott will niemanden zum Glauben zwingen. Das kann er auch nicht. Denn Glauben verlangt Freiheit.
Gott greift aber in unser Leben ein durch Wunder und wunderbare Fügungen. Das muss keine Heilung von Blindheit sein. Es genügt manchmal schon, dass mir gerade derjenige über den Weg läuft, der mir in dieser Situation helfen kann. Es liegt an uns, ob wir offen dafür sind. Es liegt an uns, ob wir sie wahrhaben wollen.

Simon von Cyrene war auf kein Wunder aus. Er wollte kein Wunder sehen. Diesem Simon wollen wir in der heutigen Predigt ein wenig begegnen.
Vielleicht wollte er damals nur nach Hause gehen. Und da passierte es:
Einen Mann, der gerade vom Feld kam, Simon von Cyrene, den Vater des Alexander und des Rufus, zwangen sie, sein Kreuz zu tragen.
Sein Kreuz – damit ist das Kreuz Jesu gemeint.
Simon wird gezwungen, das Kreuz eines anderen zu tragen. Welch eine Demütigung. Unter den gaffenden Blicken der Menge einem helfen müssen, der als Schwerverbrecher verurteilt worden ist.

"Was habe ich mit dem Kerl zu tun? Was soll das? Ich will so schnell wie möglich raus aus dieser Situation!" So oder so ähnlich werden die Gedanken bei Simon gewesen sein.
Und diese Gedanken wird man auch in seinem Gesicht hat ablesen können. Augen sprechen ja.

Irgendwann werden sich die Augen Jesu von Nazareth und die Augen des Simon von Cyrene getroffen haben.

Und vielleicht da ist ein Wunder geschehen.
Nicht ein Wunder, das irgendwie spektakulär gewesen wäre, für die anderen sichtbar, wie die Heilung eines Blindgeborenen.
Nein, dieses Wunder hat sich im Inneren des Simon ereignet.

Dieses Wunder nennen wir heute: Bekehrung.
Derjenige, der mit Jesus, mit diesem Kreuz, mit all dem überhaupt nichts zu tun haben wollte,
eben dieser Mann, wurde ein Jünger Jesu. Und mit ihm seine beiden Söhne, Alexander und Rufus. So sagt es die Hl. Schrift.

Simon war nicht blind für Jesus, so wie die Schriftgelehrten und Pharisäer, die einfach nicht wahrhaben konnten oder wollten, wer dieser Jesus ist.

Gott hat in das Leben des Simon eingegriffen. Und er hat es gemerkt. Jesus trat in sein Leben. Ganz unverhofft.
Und sein Leben hat sich verändert. Von Grund auf.
Am Anfang dieses Weges, dieses neuen Lebens steht die Begegnung mit Jesus und mit seinem Kreuz.

Bitten wir in dieser Hl. Messe darum, dass wir nicht mit Blindheit geschlagen sind, wenn der Herr an uns vorüberzieht...vielleicht mit dem Kreuz.

Nein, wir wollen nicht blind sein, für die Wunder, die der Herr mit uns und in uns vorhat.

242. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Nur im Lukas-Evangelium finden sich die beiden Gleichnisse vom verlorenen Schaf und von der verlorenen Drachme sowie das sich unmittelbar anschließende Gleichnis vom verlorenen Sohn. Es sind wahre Goldkörner im Neuen Testament, und nicht zuletzt ihretwegen hat man das Lukas-Evangelium auch das Evangelium von der Barmherzigkeit genannt. Obwohl die Gleichnisse leicht zu verstehen sind, ist es doch immer wieder nötig, sich ihren Sinn neu bewußt zu machen, damit wir Christen heute nicht verlernen, uns über das Wunder der Barmherzigkeit Gottes Tag für Tag zu freuen.

Die Zuhörer Jesu waren einesteils Zöllner und Sünder und andernteils Pharisäer und Schriftgelehrte. Jesus verkündet ihnen die Barmherzigkeit Gottes in Wort und Tat. Aber das Seltsame passiert: nicht die Frommen und Gerechten nehmen diese Verkündigung an und freuen sich darüber, sondern ausgerechnet die Gottfernen und Verbrecher. (Natürlich waren in Wirklichkeit die Gegensätze nicht so eindeutig verteilt: es gab auch Pharisäer, die Jesu Botschaft angenommen haben, und sicher auch viele Sünder, die sich nicht bekehrt haben. Der Evangelist zeichnet Pharisäer und Sünder absichtlich so klischeehaft, um deutlich zu machen:) Wer ganz unten steht, sich verloren und unwürdig vor Gott fühlt, dem liegt es näher, nach Gnade und Barmherzigkeit zu dürsten, und der spürt die ganze Erleichterung, die Freude und den Trost, die Jesu Frohe Botschaft schenkt. Wer hingegen von seiner eigenen moralischen Tadellosigkeit und Ehrsamkeit überzeugt ist, wer sich für gerecht und fromm hält, der empfindet keine Freude über Gottes Barmherzigkeit, denn er braucht sie ja angeblich nicht. Ja, es kann sogar so weit kommen, daß er sie auch denen nicht gönnt, die sie seiner Meinung nach gar nicht verdienen. Doch dazu sagt Jesus: „Im Himmel herrscht mehr Freude über einen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben.“

Doch sehen wir noch einmal genau zu, was Jesus im Gleichnis sagt: Da ist der jüngere Sohn, der von zu Hause weggeht und sich ins pralle Leben stürzt, um es soweit es geht auszukosten. Das ist eine Handlungsweise, die immer wieder geschieht. Dieser junge Mann merkt zuerst gar nicht, welche Folgen sein Tun hat, er hat seinen Vater, d.h. Gott vergessen und sieht nur die Oberfläche des Lebens, das Materielle, die scheinbaren Freundschaften, die seichten Ablenkungen u.ä. Er kommt erst zur Besinnung, als sein Geld verbraucht ist und er bei den Schweinen gelandet ist. Innere Leere und Ekel packen ihn, plötzlich wird ihm bewußt, was ihm die ganze Zeit gefehlt hat: sein Vater, die gute Beziehung zu Gott, die er wegen angeblich viel schönerer Dinge abgebrochen hat. Wohlgemerkt: Diese Erfahrung ist eine Gnade. Lange nicht alle Menschen sind so weit gekommen. „Es geht uns zu gut“, sagen alte Leute manchmal und treffen damit den Nagel auf den Kopf. Erst wenn wieder schlechtere Zeiten kommen, vergeht die falsche Euphorie und wird die Lebenslüge entlarvt.

„Da ging er in sich.“ Das ist die entscheidende Wendung. Er erschrickt über sich selbst, erinnert sich an seine Vergangenheit und bereut von Herzen seine Irrwege. Das In-sich-gehen ist eine Rückkehr, ein erneutes Zu-sich-selbst-finden, dorthin, wo Gott wartet. Denn – so bekennt Augustinus – „Du warst drinnen in mir, während ich draußen umherschweifte, wie ein Schemen meiner selbst“.

Der Sohn kehrt zum Vater zurück, zum Vater aller Väter, der die Liebe ist. Dazu gehört Mut, freilich nicht gar soviel, wie der Sohn sich im vorhinein gedacht hat, denn der Vater geht ihm schon entgegen, umarmt und küßt ihn, lädt ihn ein zum Freudenfest. Kein Vorwurf, keine Anklage, keine Strafe! Die Selbstanklage des Sohnes genügt. Unter das Gewesene ist ein Schlußstrich gezogen – ein für allemal! Welche Freude muß im Herzen des Sohnes aufgestiegen sein, er war doch schon wie tot, und nun lebt er wieder, er war verloren und ist wiedergefunden worden!

Und dann ist da noch der ältere Bruder. So wie das Gleichnis ihn schildert, ist er ebenso verloren wie der jüngere, aber es wird noch nicht einmal erzählt, ob auch er sich wieder-finden läßt. Er bricht die Beziehung zu seinem Bruder ab und nennt ihn nur noch abschätzig „den da, deinen Sohn!“ und will mit ihm nichts zu tun haben. Er ist so stolz auf sein anständiges Betragen, daß er nicht wahrnimmt, wie sehr auch er aus der Liebe seines Vaters lebt, und so selbstgerecht, daß er keine Barmherzigkeit üben will. Ganz offensichtlich ist dieser Sohn ein Bild für die gesetzestreuen Pharisäer. Gott hat es mit ihnen noch schwerer als mit den Sündern, denn scheinbar haben sie ja niemandes Barmherzigkeit nötig. Wenn sie selbst Gott wären (was sie sich sicher manchmal gut vorstellen können), dann würden sie schon aufräumen mit all den Lumpen, den Unwürdigen und Ungerechten! Im Vor- und Aufrechnen sind sie ja gut, auch im Nachhalten und Nachkarten. Sie würden schon dafür sorgen, daß die Mastkälber gerecht verteilt werden, und während sie so für sich selbst sorgen, würden sie unmerklich aus der Liebe herausfallen, immer weiter, bis sie nicht einmal mehr merken würden, sie hohl und aufgesetzt, ja wie verlogen ihre ganze zur Schau gestellte Gerechtigkeit ist!

Liebe Gemeinde! Wir haben „Aufbruch und Befreiung“ als Thema für die diesjährige Fastenzeit gewählt. Am heutigen Sonntag „LAETARE“ fällt schon das erste Freudenlicht von Ostern durch die Gitterstäbe unseres Kerkers. Das Evangelium will uns jedenfalls diese Freude vermitteln. Darum abschließend eine Gewissensfrage: Bedrückt mich meine Schuld, in die ich mich verstrickt habe, und freue ich mich wirklich über die heutige Botschaft, weil sie mir den Ausweg zeigt? Falls nicht, dann sollte ich mich ernsthaft mit der Möglichkeit auseinandersetzen, daß mit dem älteren Sohn ich selbst gemeint bin. Dieser hatte sein ganzes Leben das Licht der Liebe vor Augen und ging doch nicht hinaus ins Freie, sondern blieb in den Mauern seines Ich, verbissen darum besorgt, sich keine Blöße zu geben, nicht einmal die, ein unverdientes Geschenk anzunehmen, geschweige denn selbst etwas oder gar sich selbst zu verschenken.

243. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Die Begebenheit, die wir gerade im Evangelium gehört haben, läßt zwei Eigenschaften Jesu deutlich werden: zum einen seine staunenswerte Fähigkeit, den hinterlistigen Fallen seiner Gegner zu entgehen, und zum anderen seine göttliche Weise, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zu einem Ausgleich zu bringen. Für die Sünderin tröstlich, für die Ankläger beschämend, findet er den einzigen Ausweg aus dem Dilemma: sich entweder gegen das Gott gegebene Gesetz zu stellen oder seine Predigt von der Barmherzigkeit Gottes zu verraten. „Wer ohne Sünde ist, werde den ersten Stein!“ Die Ankläger verstehen: Auch sie sind Sünder, sie haben kein Recht, die Frau zu verurteilen, und so gehen sie nacheinander weg. Die Gerechtigkeit, die sie eingeklagt haben, trifft sie selbst und entlarvt sie als schuldig, das Wort der Barmherzigkeit dagegen hören sie nicht mehr, nur die Frau: „Auch ich verurteile dich nicht.“

Gerechtigkeit und Barmherzigkeit: Gott vereinigt beides in sich. Wir dürfen beide nicht voneinander trennen und der Gefahr nicht erliegen, die Spannung nach der einen oder anderen Seite aufzulösen. Diese Gefahr besteht nach beiden Richtungen.

Da sind zum einen diejenigen, die auf die Gerechtigkeit pochen. Sie teilen die Menschheit auf in Gute und Böse und zählen sich selbst natürlich zu den Guten. Sie denken wie damals der Pharisäer: „Ich danke dir, Gott, daß ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher...“ Ich bring ja keinen um und überfalle auch keine Bank. Und ich zahle ja auch meine Kirchensteuer... – Am letzten Sonntag habe ich schon über diesen Menschentyp gesprochen, der im älteren Sohn gezeichnet wird, der schön brav zu Hause bleibt. Die bürgerliche Bravheit entartet leider oft zur Mißgunst und zur allergischen Wut gegen diejenigen, die vom Pfad der Tugend abweichen, was wohl daher kommt, daß die Selbstgerechten ihr eigenes Tugendleben als großes Opfer verstehen und selbst wenig Freude daran haben. Freudlos, aber wenigstens gerecht – so definieren sie sich. Und weil ihre Gerechtigkeit so wenig mit Liebe zu tun hat, darum haben sie auch keinen Funken Barmherzigkeit in sich. Die Schuldigen mit Steinen zu bewerfen – darin besteht die einzige Freude, die sie sich verschaffen können.

Und dann sind da zum andern die, die die Barmherzigkeit Gottes einseitig auslegen, weil sie die Gebote Gottes nicht ernst nehmen wollen. Sie hängen einfach die Latte tiefer und denken: „Gott wird schon nicht so streng sein. Warum sollte er mir diese Freude nicht gönnen und mir jene Schwäche nicht verzeihen?“

Aber so geht es nicht! Sünde bleibt Sünde, und eine Freude, die z.B. mit Untreue erkauft ist, kann auf Dauer nicht Bestand haben, weil sie aus dem Egoismus geboren ist. Jesus sagt denn ja auch zu der Ehebrecherin: „Geh und sündige fortan nicht mehr.“ – Kann ich mich demgegenüber auf meine Schwäche berufen? „Ich kann ja nichts dafür. Ich bin so schwach.“ Gewiß! Wir können Gott unsere Schwäche hinhalten und ihn bitten: „Gott sei mir Sünder gnädig!“ Dann gestehen wir ja unsere Schwäche ein und appellieren an Gottes Barmherzigkeit, und ein solches Gebet wird sicher Erhörung finden.

Wir müssen aber aufpassen, daß sich so ein Gebet nicht unter der Hand in das eines Pharisäers verwandelt: „Ich danke dir, Gott, daß ich nicht so selbstgerecht bin wie die bösen und hartherzigen Kirchenleute, die ständig von Sünde reden und den Menschen Lasten auflegen, die sie nicht tragen können.“ Dann leugnen wir ja, daß die Schwäche, für die wir Verständnis und Barmherzigkeit erbitten, wirklich eine Schwäche, also eine Unvollkommenheit, ein Mangel ist. Von dieser Geistesart sind heute fast alle Fernsehsendungen: Sie tragen moralische Unordnung in jeder Form in unsere Häuser und werben geradezu dafür, es den dargestellten lasterhaften Personen gleichzutun, ihr Tun zumindest nicht zu verurteilen. Die dahinter stehenden Macher treten schon lange nicht mehr als Bittende auf, sondern als Fordernde: Die Hüter des Moralgesetzes sollen endlich zum Schweigen gebracht werden, damit jeder ungeniert tun kann, wozu es ihn gerade neigt und drängt. Von der Demut des Zöllners oder der Ehebrecherin des heutigen Evangeliums ist diese Geistesart meilenweit entfernt!

Niemals dürfen wir die Barmherzigkeit Gottes als etwas auffassen, das gleichsam der Job Gottes wäre. Sie ist immer ein Geschenk, das er den Demütigen gewährt, während er es den Hochmütigen verweigert. Die Barmherzigkeit hebt nicht die Geltung der Gebote auf. Es ist ein leider weit verbreitetes Mißverständnis, daß Gott seine eigene Gebote nicht ernst nimmt. Oder wie man es heutzutage immer wieder hört: „Die Zeiten haben sich eben geändert.“ Jesus sagt: „Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen... Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich.“

Liebe Schwestern und Brüder! Ich habe mich oft gefragt, welche Sünde schlimmer ist: die Umbarmherzigkeit der Pharisäer oder die Treulosigkeit etwa eines Ehebrechers bzw. allgemein die Verfallenheit an ein irgendein Laster. Das ist vermutlich nicht allgemein zu entscheiden, sondern von Fall zu Fall anders. Die Unbarmherzigkeit ist gegen das Leben gerichtet, ihre Steine treffen zu allen Zeiten den in Schande geratenen Menschen, wenn da nicht ein Mutiger mit dem Finger in den Staub schreibt und an das Wort aus dem Propheten Jeremia erinnert: „Alle, die dich verlassen, werden zuschanden, die von dir sich wenden, werden in den Staub geschrieben“ (Jer 17,13), was soviel heißt, daß Gott der Richter ist, dessen Urteil alle trifft, die sich von ihm und seiner Barmherzigkeit abwenden. An solchen Mutigen, die das Leben auch der Gestrauchelten verteidigen, mangelt es leider, ebenso wie an prophetischen Existenzen, die glaubhaft aufzeigen, daß unsere Gesellschaft sich durch den krassen Libertinismus langfristig selbst zerstört.

Jesus Christus hat den doppelten Mut bewiesen und sich nicht in das Dilemma führen lassen, entweder die Barmherzigkeit oder die Gesetzestreue zu verraten. Seine Botschaft in Wort und Tat ist die einzige, die zum Leben führt, Leben in Fülle spendet, weil sein Urteil freispricht und neue Möglichkeiten für die Liebe öffnet. Lassen wir uns von dieser Liebe ergreifen und zu größerer Barmherzigkeit und gleichzeitig größerer Gesetzestreue führen!

244. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Ich möchte Ihnen heute etwas sagen zum Thema Weitergabe des Glaubens.
Zunächst das Wort des Evangeliums: Jesus verkündet die Heilsbotschaft Gottes und erklärt sie für erfüllt. Aber seine Landsleute lehnen diese Botschaft ab und mit ihr auch den Verkünder, Jesus. Am letzten Sonntag haben wir darüber nachgedacht, wie sehr diese Botschaft Jesu den Sehnsüchten der Menschen entgegenkommt und wie dumm es ist, diese Botschaft nicht an sich herankommen zu lassen. Heute möchte ich den Blick auf Jesus lenken als den, der sich bemüht hat, das Herz der Menschen für diese Botschaft zu gewinnen.

Es gelang ihm nicht immer. Die Erfolglosigkeit begleitete ihn durch sein ganzes öffentliches Leben. Was tut er? Jesus geht weg, und es sieht nicht danach aus, daß er wiederkommen wird. Ihn trifft die Verwerfung nicht, sondern sie fällt auf die Ungläubigen selbst zurück. Christus schreitet weiter, auch wenn die Menschen nein sagen. Wenn sie ihn töten wollen, geht er zu anderen, um ihnen das Leben zu spenden.

Wir sind durch das heutige Evangelium herausgefordert, solche zu sein, die den Glauben ebenfalls verkünden und anderen weitergeben. Wir werden oft und oft in eine ähnliche Lage wie Jesus kommen, auf Verschlossenheit, Mißtrauen und Ablehnung stoßen. Dann gilt es, sich nicht anstecken zu lassen von der finsteren Stimmung, sich nicht zu ereifern und zum Zorn reizen zu lassen – wie Paulus sagt – sondern allem standzuhalten in Geduld und Liebe.

Viele werden sagen: Das ist doch die Aufgabe der Priester, den Glauben weiterzugeben. Das ist so nicht richtig. Sie sind dafür auch zuständig, aber alleine könnten sie überhaupt nichts bewegen. Wenn nicht die Eltern ihre Kinder im lebendigen Glauben aufwachsen lassen, dann ist alle Mühe des Pastors etwa bei der Kommunionvorbereitung umsonst.

An dieser Stelle möchte ein riesiges Dankeschön loswerden: nämlich an die Großmütter und Großväter! Sie sind für ihre Enkelkinder oft weit überzeugendere Glaubenszeugen als die Eltern. Sie haben mehr Zeit, und das religiöse Leben hat für sie oft einen größeren Stellenwert als für die mittlere Generation, die mit anderen Sorgen beschäftigt ist. In Freiburg habe ich einen netten Jungen kennengelernt, der ausschließlich von seiner Oma im Glauben unterrichtet wurde; er wurde Dommeßdiener, später Oberministrant und studiert jetzt in Rom Theologie. – Omas und Opas sind für Kinder einfach faszinierend, und wenn sie vom Glauben begeistert sind, dann springt der Funke leicht auf die Kinder über. Darum möchte ich alle hier sitzenden Großeltern ermutigen, ihren Enkeln durchaus oft von ihrem Glauben zu erzählen, mit ihnen zu singen und zu beten und sie einzuladen, mit in die Kirche zu kommen.

Aber nicht nur Eltern und Großeltern sind verantwortlich für die Weitergabe des Glaubens. Die ganze Gemeinde sollte dieses Ziel vor Augen haben. Im Augenblick bereiten sich ... Kinder auf ihre erste heilige Kommunion vor. Beten wir alle dafür, daß diese Vorbereitung auch Frucht trägt? Ist uns wirklich zur Genüge bewußt, daß das Gebet viel wichtiger ist als alle menschlichen Anstrengungen? Es ist ja der Heilige Geist, der in den Herzen der Menschen wirkt. Ohne sein unsichtbares Wirken wäre all unser Bemühen umsonst.

Schließlich ist noch unser Umgang mit dem Abwehrverhalten anderer Leute zu bedenken. Leider kommt es immer wieder vor, daß andere von unserem Glauben nichts wissen wollen; manchmal sogar die eigenen Kinder oder Enkel nicht. Dann werden wir leicht mutlos und ziehen uns in unsere Privatheit zurück. Wir werden still und verlieren mehr und mehr den Impuls, von dem zu reden, was uns eigentlich wichtig ist. Und die Folge ist, daß uns dies dann sogar nach und nach weniger wichtig werden kann. Die Resignation schlägt in Lauheit um. - Da sollte uns Jesus ein Vorbild sein. Dort, wo er nicht ankommt, geht er weiter. Aber nicht gedrückt und entmutigt, sondern in der vollen Kraft seiner Sendung.

Die Kraft, es ihm gleichzutun, gibt uns die Begegnung mit Jesus hier in der Eucharistiefeier. Hier feiern wir Jesu Sieg über die Mächte der Finsternis, den Sieg der Liebe. „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir – bis du

245. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

„Von jetzt an wirst du Menschen fangen.“ So spricht Jesus zu Petrus. Doch bevor ich dieses Wort auslege, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass Jesus unmittelbar vorher zu Petrus gesagt hat: „Fürchte dich nicht!“ Wovor soll sich Petrus nicht fürchten? Welche Furcht soll nicht sein? Das ist zuerst die Furcht vor dem Heiligen, die Petrus gerade erlebt hat - bei dem wunderbaren Fischfang nämlich, denn hier ist ihm aufgegangen, dass Jesus kein gewöhnlicher Mensch ist, dass er vielmehr göttliche Kraft hat. Und er fühlt sich wie durch eine Kluft von Gott getrennt: „Geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch!“ Und die andere Furcht, die ihn befällt, ist die Furcht zu versagen, das nicht zu können, was ihm aufgetragen wird.

Dazu eine eigene Erinnerung aus meinem Leben. Im Jahre 1980 habe ich Zivildienst geleistet und während dieser Zeit häufig Gespräche mit einem Priester geführt. Eines Tages fragte er mich direkt auf den Kopf zu: „Willst du nicht Priester werden?“ Und sofort stiegen in mir die Ängste hoch: Wird mich das nicht überfordern? Wird das nicht ein Leben ohne Freude sein, ein Leben in Einsamkeit? Die Ängste jagten einander, und doch habe ich in den kommenden Wochen auf den Ruf JA gesagt, der mir da entgegengekommen ist, und gespürt, dass ich nicht berufen bin, weil ich so gut bin und soviel kann, sondern obwohl ich so schlecht bin und mir soviel fehlt.

So also spricht Jesus zu Petrus: „Von nun an sollst du Menschen fangen.“ Schon Fische zu fangen, ist eine Kunst. So hören wir im Evangelium: „Sie hatten die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“ Die Fische entziehen sich dem Netz, sie wollen nicht da hinein. Ob ein Fischer Erfolg hat oder nicht, das bleibt unsicher, er kann den Erfolg nicht erzwingen. Ungleich schwerer aber ist es, wenn es darum geht, Menschen zu fangen und für etwas einzuspannen. Mit welchen Netzen soll man da arbeiten? Wie soll man sie auswerfen?

Wie hat es Jesus denn gemacht? Er ist ja schließlich der Meister. Die Netze, die er ausgeworfen hat, waren vor allem seiner Predigt, seine besondere Art, die Menschen anzusprechen, so dass sie in Scharen zu ihm kamen. Sie waren so fasziniert von ihm, dass er sich in ein Boot setzte, etwas Abstand vom Ufer nahm, damit er sie alle sehen konnte, und dann predigte er. Es waren viel mehr, als hier heute in die Kirche gekommen sind. Er faszinierte die Leute so sehr, dass Petrus sogar einen unsinnigen Befehl ausführte, nämlich tagsüber die Netze auszuwerfen, wo die Fische doch am Boden schwimmen. Obwohl es völlig unmöglich ist, tagsüber Fische zu fangen, sagt Petrus doch: „Wenn du es sagst, so will ich es tun“.

Von dieser Art zu reden müssen wir Priester uns immer wieder eine Scheibe abschneiden und uns anstecken lassen. So wie Jesus sprechen: überzeugt und dadurch überzeugend. Ganz ehrlich und ohne Selbstinteresse: nicht so wie die Menschen, die etwas verkaufen wollen und z. B. in einem Brief schreiben: „Lieber Herr Schmidt, extra für Sie haben wir dieses absolut einmalige Angebot zusammengestellt!“ – und jeder weiß doch, es ist der eigene Profit, der die Menschen zu solchen Formulierungen treibt; sie wollen nicht mich, sondern mein Geld. Ganz anders Jesus: er will wirklich nur mich, meine Person, für sich will er nichts; er entäußert sich selbst und geht bis in den Tod hinein, um mir seine Liebe zu zeigen. Den Menschen ist er ganz zugewandt, sie innig liebend. Seine Predigt ist darum feurig und voller Eifer, alles andere als langweilig. Und schließlich ist sie geheimnisvoll, so dass jeder spürt: das ist keine bloße menschliche Rede, eine bloß menschliche Meinung, derer wir schon überdrüssig sind, sondern vielmehr eine Lehre in Vollmacht.

Aber Jesus blieb nicht nur bei Worten. Er ließ auch Taten folgen, mit denen er gleichfalls seine Netze auswarf. Reden und Tun war eine Einheit - ganz ohne Bruch. Wenn er z. B. die Vergebung Gottes verkündete, dann hat er sie auch gespendet. Seine Barmherzigkeit blieb kein Lippenbekenntnis, sie kam aus seiner tiefsten Menschlichkeit und zeigte sich in leibhaftigen Gesten. Da kannte er keine Menschenfurcht! So ließ er sich z. B. von den Sündern berühren und pflegte Gemeinschaft mit ihnen und wusste doch, dass dies ein Skandal war und dass man ihn selbst deswegen als Sünder ansehen musste. Wer von uns brächte das fertig: einen Menschen zu verteidigen und sogar zu umarmen, der von ausnahmslos allen anderen ausgegrenzt und als Sünder abgestempelt war!? Wir wären viel zu feige dazu.

Und schließlich seine Wundertaten: hier im wunderbaren Fischfang läßt das Wunder das Göttliche in seinem Handeln hindurch scheinen. Aber er tut nicht Wunder, um eine Schau zu geben, sondern um seine Lehre zu unterstreichen. Sein Wort vom „ Menschen fangen“ gewinnt so eine ganz anschauliche Bedeutung: Gegen alles menschliche Ermessen schwimmen die Fische ins Netz, wo sie sich normalerweise doch tagsüber unten am Meeresboden aufhalten, und doch kommen sie und schwimmen ins Netz. So wird es auch im Weinberg Gottes sein: Was Jesus mit dem wunderbaren Fischfang zeigen will, ist: die Verkünder müssen eben nur dieses eine tun – unbeirrt ihre Netze auswerfen und nicht denken, es hat sowieso keinen Zweck! Auf das Wort Jesu hin unbeirrt beim Glauben bleiben und den Glauben verkünden - so wie Petrus - dann kann sich die Kirche ausbreiten. Dann wird es immer wieder Fische geben, die in das Netz schwimmen, Menschen, die sich für das Evangelium öffnen.

Wir Christen – nicht nur die Priester, sondern auch die getauften und gefirmten Gläubigen – sollen in Worten und Taten unsere Liebe zeigen, aber niemals durch List, Täuschung, Trug oder Gewalt versuchen, die Menschen zu binden, denn so erreicht man das Herz des anderen nicht. Und darum ist es auch nicht gut, die vergangenen Zeiten zu hoch zu stilisieren, als die Volkskirche noch blühte; vielfach wurde damals doch nur mit sozialem Druck gearbeitet und die Leute kamen nur, weil sie sonst schlecht angesehen waren. Vielmehr können wir die Menschen gewinnen allein durch Locken und Werben, durch unser einladendes Lächeln, durch unsere eigene Glaubensfreude. Ja, Freude am Glauben!, also den Glauben nicht als ein zusätzliches Kreuz ansehen, sondern als das, was uns befreit inmitten von Kreuz und Leid! Die Menschen gewinnen durch unser Bewusstsein der Freiheit der Kinder Gottes: wir können voller Würde erhobenen Hauptes und aufrechten Ganges durchs Leben gehen und brauchen uns nicht zu fürchten vor denen, die uns verspotten. Diesen können wir vielmehr zurufen: „Ihr habt doch keine Ahnung!“ Und gleichzeitig können und sollen wir und klein machen vor Gott, der der einzige ist, der unsere Ehrfurcht verdient. So ist z. B. erwiesen, dass die Kniebeuge des Vaters das beste Beispiel für die Kinder ist, viel wichtiger als 1000 Worte, die er womöglich über seinen Glauben spricht. Denn diese Geste zeigt, wen der Vater als den wahrhaft Höchsten ansieht.

Die Menschen locken schließlich immer wieder durch unsere gewinnende Liebe, durch unser geduldiges Verstehen, auch und gerade dann, wenn die Menschen, die wir doch zum Herrn führen wollen, andere Wege gehen. Durch unser Vergeben und Verzeihen, vor allem auch durch das Zugeben der eigenen Schuld, d.h. dass wir nicht warten, bis der andere seine Schuld bekennt und um Vergebung bittet. Dazu gehört auch die Fähigkeit, über uns selbst zu lachen und uns nicht zu wichtig zu nehmen, d.h. Humor. Und gleichzeitig sollen wir doch würdigen Ernst behalten, der der Banalisierung widersteht. Es gibt eben ein paar Dinge, die dürfen wir nicht ins Banale ziehen lassen, die sind zu wichtig, als dass wir dulden dürfen, dass andere sie verulken und verhohnepiepeln: eben vor allem der Gottesdienst, den wir feiern.

Kurz: durch unser ausgeglichenes und liebevolles Wesen können wir leibhaftig die frohe Botschaft sein, so dass andere an unserem Gesicht, an unseren Worten und Werken ablesen können, was Jesus Christus für uns ist. so heißt es in einem alten Gebet:

Christus hat keine Hände, nur unsere Hände,
um seine Arbeit heute zu tun.
Er hat keine Füße, nur unsere Füße,
um Menschen auf seinem Weg zu führen.
Christus hat keine Lippen, nur unsere Lippen,
um Menschen von ihm zu erzählen.
Er hat keine Hilfe, nur unsere Hilfe,
um Menschen an seine Seite zu bringen.
Wir sind die einzige Bibel, die die Öffentlichkeit noch liest.
Wir sind Gottes letzte Botschaft, in Taten und Worten geschrieben...
Und wenn die Schrift gefälscht ist, nicht gelesen werden kann?
Wenn unsere Hände mit anderen Dingen beschäftigt sind als mit seinen?
Wenn unsere Füße dahin gehen, wohin die Sünde zieht?
Wenn unsere Lippen sprechen, was er verwerfen würde?
Erwarten wir, ihm dienen zu können,
ohne ihm nachzufolgen?

Wir sind die einzige Bibel, die die Öffentlichkeit noch liest. Wir sollen nicht auf Institutionen vertrauen, auf tote Kirchensteuer, sondern sollen auf die lebendigen Menschen setzen, die sind unser einziges wirkungsvolles Kapital. Und so sagt Jesus einem jeden von uns: „Fürchtet euch nicht!“

246. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

„Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Diese Frage richtet Jesus auch an uns, jetzt - in diesem Gottesdienst fragt er uns so, und immer wieder möchte er von uns die Antwort darauf hören. Die Antwort scheint leicht – wir brauchen sie Petrus nur nachzusprechen: „Du bist der Messias Gottes.“ Und tatsächlich sprechen wir wenigstens jeden Sonntag im Glaubensbekenntnis diese Antwort: „Ich glaube an Jesus Christus, Gottes Sohn, unsern Herrn...“

Aber ist die Antwort wirklich so leicht? Bleibt sie nicht oft nur ein oberflächliches Lippenbekenntnis, mehr geplappert als mit Bedacht und innerer Überzeugung gesprochen? – Die Antwort schließt ja ein, daß Jesus wirklich unser Erlöser ist, der einzige, der unserem Leben endgültigen Sinn und Halt gibt. Wollen wir das akzeptieren? Stellt sich da nicht der Zweifel ein: „Warum sollte diese Gestalt von vor 2000 Jahren denn für uns heute so eine Bedeutung haben? Und leben wir nicht auch ganz gut, ohne daß wir Jesus in die Mitte unseres Lebens stellen?“ Dieser Zweifel, den wir nie ganz loswerden, erhält schließlich immer wieder neue Nahrung durch die Tatsache, daß ja keineswegs Einigkeit herrscht in der Einschätzung der Person Jesu: „die Leute“ denken eben Verschiedenes über Jesus – schon zu seinen Lebzeiten: Die einen halten ihn für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für sonst einen der Propheten. Und auch heute hören wir die verschiedensten Meinungen: Jesus sei ein Revolutionär gewesen, eine Art Psychotherapeut, ein idealer Menschenfreund, der aber gescheitert sei usw. – Mitten in diese Vielfalt der Meinungen hinein fragt Jesus uns: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Er gibt sich nicht zufrieden mit einer neutralen Aufzählung der unterschiedlichen Möglichkeiten, er will unsere entschiedene Stellungnahme: Entweder wir glauben an ihn als den Sohn Gottes und unseren Erlöser und Herrn – oder wir lehnen ihn ab. Ein laues „Ja, aber“ wird der Person Jesu nicht gerecht.

Doch gerade ein entschiedenes Ja zu Jesus ohne Wenn und Aber verlangt einiges von uns. Erstens: Wir müssen Farbe bekennen und uns – wenn es darauf ankommt – auch von anderen abgrenzen. Vielleicht werden wir dafür von anderen ausgelacht, geschmäht, gemieden, benachteiligt oder sogar verfolgt. Wir müssen in Kauf nehmen, wegen unseres Glaubens an den Rand gedrängt zu werden, als Idioten dazustehen, als ewig Gestrige.

Und zweitens: Das entschiedene Ja zu Jesus bedeutet, daß wir auch im alltäglichen Leben daraus Folgerungen ziehen. Wir können nicht sonntags das Glaubensbekenntnis sprechen und werktags genauso leben wie all die anderen, die nicht an Jesus glauben. Das wäre genauso widersprüchlich und verlogen wie das Verhalten eines Ehemanns, der abends seiner Frau sagt: „Ich liebe dich!“ und tagsüber ein Verhältnis mit einer anderen Frau pflegt. Unser Leben als gläubige Christen muß sich wohltuend positiv abheben vom Leben der anderen – sonst ist unser Glaube nicht echt.

Das entschiedene Ja zu Jesus verlangt von uns auch eine entschiedene Lebensweise. Jesus sagt es mit harter Klarheit: „Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst und nehme täglich sein Kreuz auf sich.“ Wir haben Angst davor, das ist nur natürlich. Aber wir haben ja auch die Gnade, die Christus uns in der Taufe geschenkt hat und die er uns immer wieder neu schenkt – gerade auch dann, wenn wir versagen. Deshalb dürfen wir mit immer neuem Mut und Vertrauen Jesu Frage hören: „Für wen haltet ihr mich?“ und unsere ganz persönliche Antwort geben: „Ja, du bist der Sohn Gottes, unser Herr und Erlöser, unser Retter, unser Halt, unser Alles.“

247. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)

Liebe Schwestern und Brüder,
Imagekampagnen sind in. Das äußere Erscheinungsbild ist vielen alles geworden. Image ist alles.

Und wir reagieren auf Imagekampagnen, bewusst oder unbewusst: Diese Partei finden wir nicht wählbar, die hat so'n komisches Image.
Dieses Auto dieser Firma kaufe ich, weil es ein gutes Image hat...und damit auch ich.
Wir reagieren entsetzt und ungläubig, wenn jemand am Image unseres Idols, unseres Stars kratzt. Das kann, darf dann nicht wahr sein.

Und wir selber wollen ein gutes Image haben, wir wollen vor den anderen gut dastehen, eine gute Figur machen.
"Für wen halten mich die Leute?", diese Frage kommt oft in uns hoch, wenn wir uns für etwas entscheiden müssen, etwas kaufen wollen, jemanden besuchen möchten.

Für wen halten mich die Leute?
Diese Frage, genau diese Frage stellt Jesus heute seinen Jüngern. Das scheint irgendwie komisch.
Hat Jesus denn eine Imagekampagne nötig? Ist er denn auf das Wohl und Wehe der anderen angewiesen? Benötigt er die Apostel den als Imageberater?

Für wen halten mich die Leute?
Die Jünger geben Auskunft, über das, was das Volk so denkt. Jesus sei für einige Johannes der Täufer, Elija oder einen auferstandenen Propheten.
Wenn man so will, hat Jesus bei den Leuten gar nicht mal so ein schlechtes Image. Er wird in die Reihe der großen Glaubenden des Volkes Israels eingereiht. Ist doch gar nicht so übel, oder?

Schwestern und Brüder,
das Image bleibt immer irgendwie an der Oberfläche. Es vermittelt ein Bild nach außen, dass nicht stimmen muss. Oft ist es ein Wunschbild, eine Traumvorstellung, eine Illusion. Wenn man dann hinter die Kulissen schaut, wird man oft enttäuscht:
diese Partei besteht fast nur aus Aufschneidern und hat gar kein Konzept;
die Qualität des Autos hält nicht das, was die Werbung verspricht;
und dieser Sänger, der kann eigentlich gar nicht singen und ist total unsympathisch.

Es kann aber auch das Gegenteil eintreten:
eine Partei, die ein schlechtes Image hat, macht in Wirklichkeit ihre Sache gut und verfügt über gute Politiker;
das Auto, das weniger kostet, ist sogar zuverlässiger als das teurere;
dieser Star ist gar nicht der unzugänglich Typ, der ist sogar caritativ engagiert. Hätte ich nicht gedacht.

Das Image ist nie die ganze Wahrheit. Manchmal ist es sogar Lüge.

Um ein Produkt, eine Institution, eine Person wirklich einschätzen zu können, muss man tiefer gehen.

Das weiß auch Jesus. Die Frage an seine Jünger Für wen halten mich die Leute? reicht ihm nicht.
Deshalb stellt eine andere, viel tiefere Frage: Ihr aber, für wen haltet IHR mich?

Da geht es auf einmal nicht mehr um die allgemeine Tendenz, um die öffentliche Meinung. Nein, auf einmal geht es an die Substanz, an das Eingemachte.
Es geht um das persönliche Betroffensein, um das innere Wissen, um die wirkliche Begegnung, das echte Sich-Kennen und Erkennen.

Und Simon Petrus hat sich berühren lassen, ist Jesus begegnet, spürt die Größe seines Meisters. Und deshalb gibt er eine Antwort, kann er eine Antwort geben, die tiefer geht, die wahrer ist als das Image eines Propheten:
Für den Messias Gottes. Für Petrus ist Jesus der Messias, der Erlöser und Befreier, ja Gott selbst. Er hat nicht auf die oberflächliche Meinung der vielen gehört, sondern sich sein eigenes Bild gemacht.

Ihr aber, für wen haltet IHR mich?
Diese Frage stellt Jesus auch uns heute.

Du aber, ja genau Du, für wen hältst DU mich?
Diese Frage stellt Jesus, Ihnen, Dir, mir. Jetzt. Hier.

Für viele ist Jesus ein großer Religionsstifter, ein Friedensprediger, ein großartiger Menschenfreund, einer, der Liebe gepredigt und gelebt hat, ein unbequemer Kritiker der Etablierten und, und, und.

Er hat ein reiches Image in dieser Welt, in dieser Gesellschaft. Aber das geht nicht tief genug.

Wer ist dieser Jesus für mich?
Diese Frage kann ich nur ehrlich beantworten, wenn ich ihm begegnet bin, wenn ich ihn gesucht habe und vielleicht sogar gefunden, wenn ich mich betreffen lasse, von dem, was er gesagt und was er getan hat. Ich muss ihn sozusagen an mich heranlassen, mich ihm öffnen.

Und vielleicht scheue ich vor der Antwort zurück, weil ich merke, dass ich danach mein Leben, mich ändern muss.
Und ich merke gleichzeitig, wenn ich diese Antwort nicht gebe, mein Leben, mich nicht ändere, dann verkümmere ich innerlich.

Liebe Schwestern und Brüder!
Ihr aber, für wen haltet IHR mich?
Wer ist dieser Jesus für mich?
Nehmen Sie diese Fragen mit in die Woche. Es lohnt sich ihnen nachzugehen, weil sie nicht an der Oberfläche bleiben, sondern in die Tiefe gehen. Und ohne Tiefe ist jedes Bild, ist jedes Leben flach und ohne Perspektive. Und ein solches Leben wollen wir doch nicht, oder etwa doch?

Vielleicht hilft Ihnen bei der Beantwortung der Frage: Wer ist dieser Jesus für mich? folgende kleine Übung.
Ich habe sie aus der Lesung aus dem Buch Sachárja entnommen.
Dort heißt es:
Und sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben.

Nehmen Sie sich einmal Zeit in Ruhe ein Kreuz anzublicken, es zu betrachten. Sei es das Kreuz bei Ihnen zuhause, sei es das Kreuz hier in der Kapelle, sei es das Kreuz in Propsteikirche.

Schauen Sie einmal auf den Durchbohrten. Und dann fragen Sie Jesus einmal:
Das hast Du für mich getan? Wer bin ich für Dich, dass Du das für mich erlitten hast?
Und Sie werden der Antwort näher kommen, wer denn dieser Jesus für Sie sei.

248. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

„Herr, sollen wir befehlen, daß Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?“ (Lk 9,54)

Wir verstehen den Groll der beiden „Donnersöhne“ gut, die sich über die ungastlichen Samariter aufregen und nun die göttliche Wundermacht Jesu einsetzen wollen, „um es denen mal zu zeigen!“ – Darin wird eine Urversuchung sichtbar, die in der ganzen Kirchengeschichte real ist. Menschen wollen gern die göttliche Macht für die Regelung irdischer Angelegenheiten einsetzen, für die Selbstbehauptung und für vergleichsweise Niedriges, etwa die Stillung des Rachegefühls.

Der heilige Augustinus hat dafür ein Begriffspaar gefunden: uti und frui, d.h. gebrauchen und genießen. Wir sollen das Irdische gebrauchen und allein Gott genießen. Aber oft machen wir es umgekehrt: Wir wollen das Irdische genießen und dafür Gott gebrauchen. Er soll beispielsweise zuständig sein für gutes Wetter beim Schützenfest, das wir genießen wollen. Aber auch sonst ist die Verkehrung immer wieder deutlich: Priester gebrauchen die ihnen anvertraute Amtsvollmacht zur Durchsetzung der eigenen Interessen, des eigenen Ansehens usw. So wollte schon Simon für Geld die Weihevollmacht erkaufen. Er wird von Petrus scharf zurückgewiesen, aber später hat es immer wieder diese „Simonie“ gegeben. (Apg 8,18f)

Auch Jesus weist Johannes und Jakobus zurecht. Mit welchen Worten, wird nicht gesagt, aber es ist klar, daß ER einen anderen Weg verkündet, das Ur-Gesetz der Liebe und des Opfers: „Wer sein Leben zu gewinnen sucht, wird es verlieren, wer es aber verliert, wird es gewinnen.“ (Mt 10,39) - „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13) Jesus hat dies nicht nur gesagt, sondern daraus gelebt und zuletzt sein Leben aus Liebe hingegeben. Dieses Opfer der Liebe hat nicht nur ihm selbst das Leben zurückgegeben, sondern uns allen ewiges Leben gebracht, Rettung aus dem Tod. Wir sind in Freiheit aufgerufen, nun ebenfalls in diese Hingabebewegung einzuschwingen. Dazu ist auch die Eucharistie gegeben. Mit den Gaben von Brot und Wein sollen wir uns selber geben, damit wir Frucht gewinnen aus der Kraft des Opfers Christi, das auf dem Altar Gegenwart wird für uns.

Daneben gibt es die Antithese, die Verneinung dieser Liebe: Das Leben gewinnen wollen durch Vergrößerung der eigenen Macht, durch Beherrschen des anderen, letztlich durch Töten des anderen. Wir stehen in einem Kampf, und es ist unklar, welche Seite den Sieg erringt. Manchmal sieht es sogar so aus, als sei das Böse stärker. Da gibt es zahlreiche Helfershelfer des Bösen, die es uns scheinbar plausibel machen, wie sie rein egoistisch zu leben. Daß sich das Gute gleichwohl durchsetzt, das können wir oft nur gegen den gegenteiligen Anschein glauben.

Wir Christen haben Christus als Vorbild und Helfer, den Sohn Gottes. Im Kampf gegen die Versuchungen des Bösen müssen wir uns an seine Nähe halten, vor allem an sein Opfer der Liebe, das wir in der Eucharistie feiern. Nur wenn wir in dieser Nähe bleiben, werden wir beschützt vor den geistigen Angriffen des Bösen, werden wir nicht auf die Gegenseite wechseln.

249. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Wir kennen alle dieses Jesus-Wort: „Die Ernte ist groß, der Arbeiter sind wenige. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter in seine Ernte zu senden.“ Warum sollen wir Gott darum bitten?

Die Bitte ist eine der Weisen, wie Gott uns an seinem Heilswerk mitarbeiten läßt. Er will nicht alles allein tun. So hat auch Jesus nicht alles selber gemacht, sondern wir hören heute, daß er Boten vor sich her gesandt hat. Sie sollten ihm den Weg bereiten. Dann will er selbst dorthin kommen. Aber der Wegbereiter sind nur wenige. Darum sollen wir den Herrn der Ernte bitten, daß er immer wieder neue Arbeiter einsetze. Wir verstehen unmittelbar, daß in erster Linie wohl die Priester gemeint sind. Dennoch sind nicht nur sie allein gemeint, sondern jeder Christ kann und soll ein Wegbereiter des Herrn sein.

Was erwartet den, der sich allen Ernstes aufmacht, um das Reich Gottes anzukündigen? Jesus sagt: „Ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe.“ Also nicht wie einen Wolf unter Wölfen, sondern wie das Lamm unter Wölfen. Wir kämpfen nicht mit den gleichen Waffen wie der Gegner, nicht mit Gewalt gegen Gewalt, mit List gegen List, mit größeren Finanzen, sondern mit der Waffe des Friedens, des Duldens und des Opfers. In manchen Ländern ist dies unmittelbar an der Lage der Kirche zu erkennen. Bei uns in Deutschland scheint es anders zu sein, hier ist die KirA?&?I?Ð???????†?che vom Staat anerkannt und prägt die Gesellschaft mit. Aber das ist doch nur der erste Eindruck. Unter der Oberfläche sehen wir doch die Anfeindung, den Spott und die Ausgrenzung.

Da ist die Versuchung groß, sich zu verstecken, sozusagen ein Wolfsgewand überzulegen und vielleicht sogar mit den Wölfen zu heulen. Einige, die sich Christen nennen, haben dies getan, indem sie in das Wolfsgeheul gegen die Kirche mit eingestimmt haben – oft sogar mit dem Anspruch, besonders mutig zu sein. Aber ist der Wolf mutiger als das Schaf? Und wenn sich das Schaf als Wolf verkleidet, dann ist es höchstens listig, aber nicht mutig.

Wir wissen aus der Bibel, daß Jesus sich einerseits als Hirte für seine Schafe verantwortlich fühlte; daß er sich andererseits selbst unter die Wölfe begab und sein Leben hingab, wie ein Lamm, das geschlachtet wird. Er hat uns sozusagen das Schlimmste abgenommen. Aber wenn wir nur ein kleines bißchen Ehre haben, dann darf es uns die Möglichkeit, abgelehnt zu werden, nicht schrecken und zum Schweigen verführen. Ohne unser Zeugnis kann Jesus sein Reich nicht in unserer Welt aufbauen. Wenn die Schafe den Mut verlieren, gibt es bald nur noch Wölfe.

250. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Wir haben die Erzählung vom barmherzigen Samariter schon oft gehört. Wenn man einen Text oft hört, dann schaltet man schnell ab. Was soll ich da schon Neues erfahren? Aber es doch Gottes Wort, das uns immer wieder neu ansprechen und treffen kann!

Dreimal kommt in dieser Geschichte das Wort „Sehen“ vor. Der Priester und der Levit „sahen“, aber sie gingen weiter. Als aber der Samariter kam, da „sah“ er und „wurde von Mitleid ergriffen“. Sehen ist nicht gleich Sehen. Der eine sieht und nimmt nur nebenbei etwas zur Kenntnis, der andere sieht und erkennt seine Verantwortung. Wenn ich einen Menschen sehe, dann ruft mir sein Antlitz zu: „Du bist für mich verantwortlich!“ Aber dieser Ruf ist uns unangenehm, denn er ruft mich aus meinem Trott und aus meiner freien Verfügung über mich.

Die beiden Vorübergehenden hatten zweifellos ihren Grund, weiterzugehen. Sie waren unterwegs zum Kult und durften nicht unrein werden, indem sie einen Verletzten berührten. Sie hatten vermutlich mehr Grund weiterzugehen als so mancher Autofahrer, der an einem Unfallort einfach weiterfährt. Und dennoch taten sie unrecht. Der Überfallene lud ihnen eine größere Pflicht auf als der Gottesdienst, zu dem sie pflichtgemäß unterwegs waren.

Jesus macht dies unmißverständlich klar. Er erzählt diese Geschichte als Antwort auf die Frage des Gesetzeslehrers, der im Zweifel ist, wer denn sein Nächster ist. Jesus sagt: Wer dein Nächster ist, das kannst du SEHEN. Derjenige, der in dein Gesichtsfeld tritt – meist ungefragt und unangemeldet – der deine Hilfe braucht, der ist dein Nächster.

Diese Antwort ist zugleich entlastend und belastend. Sie ist entlastend, weil nicht alle die notleidenden Menschen, von denen wir in den Nachrichten hören, unsere Nächsten sind. Wir können nicht alles Elend durch unser Tun aus der Welt schaffen. Da unsere Möglichkeiten begrenzt sind, ist auch unsere Verantwortung begrenzt. Wir können nicht allen Armen und Kranken auf dieser Welt helfen – und darum müssen wir es auch nicht. Gewiß: manchmal werden wir durch das Fernsehen zu Spenden aufgerufen, damit z.B. Erdbebenopfern schnell geholfen werden kann. Dann werden fremde Menschen plötzlich zu Nächsten, und viele sehen es und werden von Mitleid und Hilfsbereitschaft ergriffen. – Jesu Wort ist entlastend, weil er nicht sagt, daß alle Menschen unsere Nächsten sind. Jesus überfordert uns nicht.

Aber auf der anderen Seite ist die Lehre Jesu doch auch fordernd. Denn sie sagt ganz klar: Wenn ein Mensch in dein Gesichtsfeld tritt und deine Hilfe braucht, dann darfst du dich nicht mit irgendwelchen Entschuldigungen herausreden! Meistens werden es ganz kleine Begebenheiten des Alltags sein, die uns auf diese Weise herausfordern: Wenn ein Kind einen geheimen Kummer hat oder auch nur etwas Wichtiges erzählen will, wenn der Ehepartner sich über irgend etwas ärgert oder sorgt, wenn im Nachbarhaus jemand krank geworden ist, wenn der Arbeitskollege meinen Beistand braucht, wenn der Vereinsvorsitzende die Mitglieder um ehrenamtliche Hilfe bittet usw. Ich denke auch an die vielen pflegebedürftigen Menschen, die zu Hause gepflegt werden. Das kostet enorm viel Kraft, Zeit, Geduld, Opfer und meistens auch viel Geld. Ich weiß nicht, wie viele unbekannte barmherzige Samariter in Südkirchen sind, aber es sind sicher sehr viele. Leider gibt es auch viele, die sich ganz und gar unbarmherzig und undankbar verhalten – wo kämen sonst die Millionen Obdachlosen in Deutschlands Städten her? Oft sind sie durch Ehescheidung oder Wohnungskündigung auf die Straße getrieben worden. Sicherlich haben auch viele selbst schuld an ihrem Schicksal – aber das darf für uns Christen kein Grund sein, sie abzuschreiben. Es kann vorkommen, daß solche vom Schicksal geschlagenen Menschen in unseren Lebenskreis eindringen und um unsere konkrete Hilfe bitten. Dann können sie plötzlich unsere Nächsten sein – auch wenn sie es vorher nicht waren. Was Jesus dann von uns fordert, ist schlicht Liebe, Nächstenliebe: Bereitschaft zum Zuhören, Verständnis und Mitleid.

Liebe Gemeinde! Das Gebot der Nächstenliebe ist nicht immer leicht in die Tat umzusetzen. Noch viel wichtiger als unsere helfende Tat ist jedoch unsere gute Gesinnung unseren Mitmenschen gegenüber. Wir können zwar nicht allen Notleidenden tatkräftig helfen, aber wir können sie aus innerer Gesinnung lieben, ihnen von Herzen gut gesonnen sei. Je mehr wir das üben – und Üben ist wörtlich zu verstehen: immer wieder anfangen, unsere unbeholfene Liebesfähigkeit zu vervollkommnen –, um so leichter wird es uns fallen, dann, wenn wir gefordert sind, als barmherzige Samariter den uns anvertrauten Menschen beizustehen. „Geh und handle genauso!“

251. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)

Marta, Marta, du machst Dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.

Liebe Schwestern und Brüder,

ich weiß nicht wie es Ihnen geht bei diesem Evangelium. Mir jedenfalls kam mir die Marta da immer irgendwie zu schlecht weg.
Immerhin ist es ja Marta, die Jesus bewirtet, sich um ihn kümmert, die wie es im Evangelium heißt ganz in Anspruch genommen (war), für ihn zu sorgen.
Irgendwie scheint Jesus da undankbar zu sein. Zumindest leuchtet seine Reaktion nicht sofort ein.

Seit dem Mittelalter gibt es folgende Deutung von Maria und Marta, die das Leben der Kirche weithin geprägt hat.

Maria, die zu Füßen Jesu sitzt, um ihn zu hören, steht für die kontemplative Kirche, also für jene, die sich in die Einsamkeit der Klöster oder Einöden zurückziehen, um ein Leben nur für das Gebet, die innere Sammlung zu führen.

Marta hingegen, steht für die Vita activa, für das Leben draußen in der Welt, unter den Leuten und für die Menschen, für das alltägliche und öffentliche Leben.

Beide Formen fanden ihren Niederschlag in einer Zweiteilung der Christenheit, zwischen den Christen in und den Christen außerhalb der Welt. Auch die Orden wurden nach diesem Schema eingeteilt: es gibt die beschaulichen, kontemplativen Orden, wie zum Beispiel die Kartäuser oder die Klarissen, die in strenger Abgeschiedenheit leben und beten.
Und es gibt die sogenannten tätigen, aktiven Orden, die sich der Kranken- oder Schulseelsorge oder einer anderen Pastoral widmen. Unsere Clemensschwestern würde man diese Gruppe zuordnen.

Marta, Marta, du machst Dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.
Es scheint, als ob Jesus die Maria der Marta vorzieht, als ob Jesus das beschauliche Leben, die vita contemplativa, dem tätigen Leben, der vita activa vorzöge.
Anders formuliert: Heißt das, dass ein Kartäusermönch ein besserer Christ ist als die Clemensschwester oder die Klarissin eine bessere Christin als die Hausfrau oder der Fabrikarbeiter? Ist Beten besser als Arbeiten und ein Sich-um-die-anderen-Sorgen?

Ist das wirklich so? Was will uns das Evangelium von heute mit auf den Weg geben?

Zu Beginn habe ich gesagt, dass es mir so vorKAM, dass Marta besser wegkäme als Maria. Meine Einstellung hat sich im Laufe der Jahre dazu geändert, weil ich diesen Teil des Evangeliums nun anders lese.

Marta, Marta, du machst Dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.
So sagt Jesus.
Er sagt eben nicht:
Marta, Du bist törichter oder dümmer oder weniger fromm als Deine Schwester Maria. Es ist unnütz den Haushalt zu führen und zu arbeiten. Nein, das sagt er eben nicht.

Das, was er sagt wird noch verständlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass er auf die Frage Marta antwortet, die da lautet:
Herr, kümmert es Dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen.
Marta scheint überlastet zu sein. Es ist ihr alles zu viel geworden. Sie ist überfordert, im Stress. Und wahrscheinlich sehnt sie sich danach, wie Maria einfach nur beim Herrn zu sein. Aber sie meint etwas anderes tun zu müssen.
Marta ist uneins mit sich selber, sie ist zerstreut, nicht ganz bei der Sache, steht neben sich.

Jesus hört die Frage und den kleinen Vorwurf Martas. Und er hört darin einen Hilferuf: "Herr, ich kann nicht mehr, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht!"

Marta, Marta, du machst Dir viele Sorgen und Mühen.
lautet seine Antwort. "Ich sehe, dass Du viel arbeitest. Arbeiten, für mich sorgen, das ist gut. Aber Du darfst Dir nicht zuviel abverlangen. Du musst auch zu Dir selber kommen. Dabei kann ich Dir helfen, wie Deiner Schwester Maria. Sie ist nicht faul, das weißt Du. Sie will bei mir zu sich selbst kommen, Kraft schöpfen für den Alltag. Und das ist eigentlich auch jetzt bei Dir dran. Nimm Dir die Zeit! Du spürst doch, dass Du es brauchst..."
Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.

Es geht Jesus nicht darum, dass die vita activa schlechter sei als die vita contemplativa. Im geht es nicht darum zu sagen: Auf, alle ins Kloster zum Beten. So sollt ihr leben.
Dann fühlten wir uns wohl all vor den Kopf gestoßen.

Nein, beide, Maria und Marta haben ihren Platz in der Nachfolge Christi, sie lassen sich nicht gegeneinander ausspielen.

Worauf es ihm ankommt, ist zu zeigen, dass wir in all unserem Tun, in den alltäglichen Besorgungen und Beschwernissen mit uns selber uneins werden, uns Stress machen, neben uns stehen, wenn wir nicht immer wieder auf die Mitte unseres Lebens schauen: auf IHN, Jesus Christus, der bei uns ist, für uns da ist.

Maria sitzt zu den Füßen Jesu und hört ihm zu. So findet sie sich, so ist sie gesammelt.
Marta ist zu sehr mit allem möglichen beschäftigt, außer sich, zerstreut und sehnt sich letztlich nach dieser Sammlung.

Bei Jesus zu sein und bei sich zu sein, das ist etwas herrliches. Das spüren auch wir. Sonst wären wir nicht hier. Auch Paulus weiß das, wenn er in den Kolossern schreibt: Christus ist unter euch, er ist die Hoffnung auf Herrlichkeit.

Das Evangelium von Marta und Maria ist mir so immer wichtiger geworden. Weil es eine wichtige Botschaft Jesu an mich – und vielleicht auch an Sie - enthält:
"Du willst vieles Gute und Sinnvolle schaffen und tun. Das ist gut. Aber verliere die Mitte nicht aus den Augen. Wenn Du Dich nicht sammelst, nicht immer wieder mal zu mir kommst, zu mir betest, mit mir sprichst, dann läufst Du Gefahr, Dich zu verzetteln, zu zerstreuen. Komm zu mir und Du kommst zu Dir! Das verspreche ich Dir."

Innere Sammlung, kontemplative Momente geben unserem Alltag seine Richtung. Wir rackern dann nicht wie die Bescheuerten, sondern handeln eher wie die Heiligen, viel und gut.
Innere Sammlung heißt nicht die Realität aus den Augen zu verlieren, der Wirklichkeit zu entfliehen.
Innere Sammlung ist vielmehr ein Umarmen der Wirklichkeit, ein Anschauen der Wirklichkeit mit Jesu zusammen. Wenn wir auf ihn hören, wird er uns zur Ruhe kommen lassen, uns sagen, was zu tun ist und uns die nötige Kraft dafür schenken.

Ohne Gebet und innere Sammlung wird der Alltag zur Hölle, weil er so den Blick zum Himmel verstellt.
Ohne Gebet kann ich als Christ nicht meinen Alltag bewältigen.
Maria und Marta sind Schwestern und keine Gegner. Sie gehören zusammen. Sie sind füreinander da. So wie unser Alltag und das Gebet.

252. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

„Herr, lehre uns beten!“ Ich betrachte diese Bitte der Jünger als eines der aktuellsten Anliegen der ganzen Menschheit. Herr, lehre die modernen Menschen beten, zeige ihnen, was sie gewinnen, wenn sie mit dir sprechen, und hilf ihnen, in der richtigen Weise zu beten!

Ich bin nicht der einzige, der so empfindet. In jeder Gemeinde gibt es eine gewisse Zahl von Betern, die darunter leiden, daß ihre Mitmenschen das Beten weitgehend oder ganz aufgegeben haben. Andere empfinden selbst große Schwierigkeiten beim Beten, sie können es nicht mehr und sind darüber sehr betrübt. Dann gibt es immer wieder Leute, die zu wissen meinen, warum die Menschen so wenig beten: Ihnen fehle die Erfahrung der Bedürftigkeit und der Grenze. Sie haben alles und leiden keine Not. Und so wird gern das Sprichwort bemüht: „Not lehrt beten.“

Ich gebe zu, daß ich manchmal selbst so denke. Aber immer, wenn ich tiefer darüber nachdenke, erscheint mir das Sprichwort zum einen töricht und zum andern zynisch. Gewiß, wir haben die Erfahrung unseres Angewiesenseins auf Gott nötig, denn wir sind auf ihn angewiesen, wir sind seine Geschöpfe. Es ist schlicht wahr, daß unsere Kraft begrenzt ist, daß sie nicht ausreicht, um uns gegen den Tod zu wappnen. Diese Wahrheit zu verdrängen, bedeutet maßlose Selbstüberschätzung, und die stürzt uns ins Unheil. Gegen solche Selbstüberschätzung kann in der Tat die Erfahrung der Not helfen: sie stößt uns wieder auf die Wahrheit unseres Geschöpfseins. Aber Gebet entsteht dadurch noch lange nicht. Viel wahrscheinlicher ist sogar Auflehnung und Empörung: „Wie kannst du, Gott, der du doch gut genannt wirst, diese Not, dieses Leid zulassen?“ Manche, die in ihrem Leben nicht viel über Gott nachgedacht und erst recht kaum gebetet haben, werden durch die Erfahrung des Leidens zu grimmigen Gottesleugnern. Aber auch die anderen, die nicht zu Atheisten werden, sind ratlos, wie sie ihre Not zum Gegenstand des Betens machen sollen. Sie haben es nie gelernt und nie geübt.

Nicht durch Not wird Beten gelernt, sondern durch das Vorbild anderer und dann vor allem durch das eigene Tun. Beten lernt man nur durch Beten. Die Jünger sehen Jesus zum Vater im Himmel sprechen, sie sind ergriffen von der innigen Verbundenheit ihres Meisters mit Gott und möchten dies von ihm lernen. Es mußte nicht erst die Not im Ölgarten und am Kreuz kommen, bis sie Jesus beten sahen und selber beten wollten. Eine solche Vorstellung ist nicht nur gänzlich absurd, sondern auch zynisch: so als ob das Leiden etwas Positives wäre, das man geradezu herbeisehnen müsse, damit die Menschen so endlich lernen, was ihnen wirklich guttut! Nur ein Zyniker kann einen Krieg oder eine andere Katastrophe herbeisehnen mit dem Ziel, daß die Menschen endlich aufwachen.

Warum wünsche ich mir mit etlichen anderen Christen so sehnlich, daß die Menschen wieder beten, das Beten wieder ernster nehmen und sich dafür mehr Zeit nehmen? Was gewinnen wir, wenn wir beten? Es gibt einen neuen Trend in der Theologie, er findet zunehmende Beachtung und Zustimmung und verkauft sich auch sehr gut: Da wird auf die positiven psychischen Folgen des Betens aufmerksam gemacht. Empirische Tests zeigen: „Gebete bauen Streß ab, genau wie Meditation. Sie machen innerlich stark, bringen neue Kraft.“ Solche Forschungen sind gewiß wichtig und richtig, aber sie bleiben doch an der Oberfläche und können nicht den wirklichen geistlichen Gewinn des Betens zum Vorschein bringen, im Gegenteil, sie verdecken ihn womöglich noch. Denn so betrachtet, wäre das Gebet doch nicht wirklich unterschieden von anderen Übungen und Techniken zur Lebenshilfe, es bliebe anthropozentrisch und hätte nicht Gott zum Inhalt und Ziel.

Der wahre Gewinn des Betens besteht indessen darin, daß es Ausdruck der unvergleichlichen Würde des Menschen ist, Ausdruck seiner personalen Beziehung zu Gott, seiner Gotteskindschaft und Gottesfreundschaft. Es ist ja gar nicht selbstverständlich, daß Gott mit sich reden läßt. Schließlich ist Gott der Schöpfer und Herr, und wir sind seine Geschöpfe. Was können wir ihm schon sagen, das er nicht wüßte? – Aber wenn wir da aus der Heiligen Schrift und durch das Vorbild von Betern aus den Jahrhunderten erfahren, daß Gott den Menschen würdigt, seine Anliegen zu hören und in seine Vorsehung einzubauen, dann öffnet sich für uns eine ganz neue Dimension unseres Lebens, dann fällt ein seliger Lichtstrahl aus dem Himmel auf unsere vergängliche Erde. Wer erfahren hat, daß Gott Anteil nimmt an seinen Sorgen und Mühen, an seinen Erfolgen und an seinem Scheitern, der besitzt eine Tiefe, die ihn wohltuend von der Banalität des Alltags abhebt. Ein bekanntes Kirchenlied drückt diese Erfahrung so aus: „Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken? Wem künd ich mein Entzücken, wenn freudig pocht mein Herz? Zu dir, zu dir, o Vater, komm ich in Freud und Leiden; du sendest ja die Freuden, du heilest jeden Schmerz. – Ach, wenn ich dich nicht hätte, was wär mir Erd und Himmel? Ein Bannort jede Stätte, ich selbst in Zufalls Hand. Du bist’s, der meinen Wegen ein sichres Ziel verleihet und Erd und Himmel weihet zu süßem Heimatland.“

"Herr, lehre uns beten!" Den angesprochenen Gewinn des Betens kann freilich nur derjenige erfahren, der es sich zur guten Gewohnheit gemacht hat, Gott in alle Ereignisse seines Lebens einzubeziehen. Und da, fürchte ich, haben wir einiges an Gebetserziehung aufzuholen. So wird vielen Kindern leider gesagt, sie brauchten Gott nur einfach zu bitten, dann werde er, der „liebe Gott“, schon alles tun, was man sich wünscht. Oftmals wird ihnen verschwiegen, daß das Gebet kein „Chip für einen Wunschautomat“ ist! Kein Wunder, wenn viele Kinder nach einigen scheinbar erfolglosen Versuchen das Gebet bald aufgeben. Der heilige Augustinus gibt uns da eine wichtige Weisung: „Gott hört auf dein Rufen, wenn du ihn dabei suchst. Er hört dich nicht, wenn du durch ihn anderes suchst.“ Das erste und Wichtigste beim Beten ist, daß wir dabei unsere Beziehung zu Gott verlebendigen. Das schließt auch ein, daß wir ihn um dies und das bitten, mahnt uns Jesus doch selbst dazu: „Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet.“ Gott hört uns an, auch in unseren nichtigen Anliegen. Er nimmt uns ernst und darum auch das, was wir ihm mitteilen. Kein Gebet bleibt unerhört, auch wenn Gott manche Wünsche nicht erfüllt, solche nämlich, die sie sich im Spiegel der seiner unendlichen Weisheit als nicht sinnvoll erweisen.

Stellvertretend für all die, die das Beten verweigern, bittet die heilige Theresia von Avila : „O mein wahrhaftiger Gott, um welch widersinnige Sache bitte ich dich heute: daß du den liebst, dem du gleichgültig bist, daß du dem öffnest, der nicht an deine Tür gepocht, daß du dem Heilung bringst, der krank sein möchte und alles daran setzt, es zu sein!“

253. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Nicht selten höre ich, wie Menschen stolz über sich und ihre Familie sagen: „Wir verstehen uns alle prima. Bei uns gibt es keinen Streit.“ Dann lockt es mich jedesmal, die Frage zu stellen: „Haben Sie schon mal geerbt?“

Unglaublich viel Geld lagert auf den Banken und ähnlich viel Wert steckt in Immobilien – und nicht wenige Menschen meiner Generation spekulieren auf ein ansehnliches Erbe. Doch fast ganz gleich, um wieviel Geld es geht, wenn der Erbschaftsfall eintritt gibt es fast immer einen Mordskrach zwischen den Verwandten. Das war schon immer so – wir hörten gerade, daß jemand Jesus als Schlichter im Erbenstreit vereinnahmen wollte. Doch dieser läßt sich gar nicht erst in diese Rolle stecken: „Mensch, wer hat mich zum Richter oder Schlichter bei euch gemacht?“ Und er warnt vor der Habgier, die zu allen Zeiten der Grund für Zank und Streit gewesen ist. Seine Mahnung ist jederzeit gültig: „Der Sinn des Lebens besteht nicht darin, daß ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluß lebt.“

Das Gleichnis, das Jesus zur Veranschaulichung erzählt, führt ein wohlbekanntes Verhalten vor Augen: Ein reicher Bauer will die Logik des Marktes ausnutzen und seinen ohnehin reichlichen Profit dadurch vergrößern, daß er das Getreide hortet, die Ernte zurückhält und so den Preis hochzutreiben versucht. Sein Besitz ist für ihn zur Ware geworden. Er hätte ja auch zufrieden sein können mit dem, was er hat – aber nein! er will die alten Scheunen sogar abreißen und größere bauen lassen. Seine ganzen Überlegungen kreisen um sein Ich. Dabei genießt er noch nicht einmal sein Leben. Sein Besitz erweckt in ihm keine Dankbarkeit, sondern neue Sorgen, und diese Sorge ist Vorsorge für sein Planen.

Dieses Verhalten erzeugt Ungerechtigkeit in der Gesellschaft, es spaltet die Gemeinschaft in Gewinner und Verlierer. Es ist heute nicht anders als gestern. Ein Arbeiter in Indonesien bekommt für einen Turnschuh, den er für Nike anfertigt, 12 Cent, und dieser Schuh wird bei uns für 120 Euro, das Tausendfache verkauft. Gewinnmaximierung auf Kosten anderer! Ein Kaffeebauer in Brasilien kann sich heute den Kaffee nicht mehr leisten, den er mühsam von den Feldern erntet – das war vor dreißig Jahren noch anders. Da konnte er es, und wir mußten damals noch einen fairen Preis bezahlen. Da es auf der Welt genügend Arme gibt, die für einen Hungerlohn arbeiten, können die multinationalen Konzerne die Regierungen und Gewerkschaften erpressen, Zug um Zug die sozialen Gesetze abzubauen. So verlagert VW einen Teil seiner Produktion nach Polen und zahlt dort einen Stundenlohn von einem Euro.

Jesus prangert dieses Streben nach Gewinn, der nur wenigen zugute kommt, an. Dazu muß er an die Wurzel des Übels gehen, die Habsucht. Gott spricht im Gleichnis zum habgierigen Mann: „Du Narr! Noch in dieser Nacht wird dein Leben von dir zurückgefordert.“ Jedem geschieht so, wie er gelebt hat. Wer das Leben als ein Geschäft auffaßt, als ein Leihen und Spekulieren, dessen Leben fordert Gott zurück, denn er hat es als Leihgabe gegeben. Wer sein Leben aber annimmt als Geschenk, als Gelegenheit zu lieben und zu dienen, der darf sein Leben behalten, und es wird ihm sogar das Ewige Leben dazugegeben.

Wer für sich selbst Schätze sammelt, der ist vor Gott nicht reich. „Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost sie verderben, sondern sammelt euch Schätze im Himmel.“ (Mt 6,19f) – „Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ (Mt 6,21), sagt Jesus an anderer Stelle. „Niemand kann zwei Herren dienen“ (Mt 6,24). Wenn Gott unser Herr und unser Schatz ist, dann muß unser ganzes Streben darauf gerichtet sein, vor ihm reich zu werden, d.h. unser Herz ihm und dem Mitmenschen zuzuwenden. Diese Wahrheit müssen wir uns früh genug bewußt machen, sagt Jesus, jetzt schon, wo wir noch jung sind und es uns gut geht, damit wir nicht nur für uns Schätze sammeln, die doch nur Windhauch sind und vor Gott nicht zählen.

254. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

„Legt euren Gürtel nicht ab, und laßt eure Lampen brennen!“ – ruft Jesus uns im heutigen Evangelium zu. „Haltet euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.“ Diese Worte Jesu scheinen uns zu überfordern. Schon fast 2000 Jahre liegt es zurück, daß sie gesprochen wurden – wie kann man solange auf die Wiederkunft Jesu warten, ohne auf die Dauer nachzulassen in der wachen Bereitschaft, ohne sich ein wenig auszuruhen und auch einzurichten in dieser Welt, die nach diesen Worten nur eine einstweilige Wartestelle sein soll?

Das Problem liegt in der langen Zeit. Ein paar Stunden kann mal wohl warten, zur Not auch mal eine ganze Nacht. Aber nicht Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte. Von Gott her sieht das aber anders aus; im Psalm heißt es: „Tausend Jahre sind für dich wie der Tag, der gestern vergangen ist, wie eine Wache in der Nacht.“ Bei Gott gibt es keine Zeit. Er hat keinen Anfang und kein Ende. In ihm ist nur Liebe, nur Ewigkeit; bei ihm ist alles Gegenwart: unsere Vergangenheit wie unsere Zukunft ist für Gott zeitgleich gegenwärtig.

In dieser Ewigkeit Gottes liegt der Schlüssel zum Verständnis der Mahnung Jesu zur Wachsamkeit. Der Abgrund der Zeit, der uns vom ersten Kommen wie auch von der Wiederkunft Jesu trennt, ist nämlich in der Ewigkeit überbrückt, von der aus gesehen jeder Zeitpunkt gleich nahe ist. An Gott glauben heißt: Gottes ewige Gegenwart für die erste und wahre Wirklichkeit zu halten, unsere vergängliche Welt dagegen nur für eine Abschattung der göttlichen Welt. Glauben, richtig glauben, nicht nur vage über eine höhere Macht spekulieren, bedeutet: das ganze menschliche Erleben und Handeln auf die Ewigkeit hin ausrichten und in jedem Daseinsmoment Gottes Allmacht und Liebe anerkennen.

Bis zum 14. Jahrhundert war dies dem Menschen vergleichsweise leichter möglich. Warum? Weil es noch keine Uhren gab. Die Erfindung der Uhr hat das Erleben des Menschen nachhaltig geprägt; sie hat ihn zu einem Zeit-Messer, dann zu einem Zeit-Sparer und schließlich zu einem Diener der Zeit gemacht. Immer genauer ticken seitdem die menschengemachten Uhren, immer gefüllter werden die Terminkalender, und immer ferner scheint der Ewige Gott zu sein. Wir messen nun seine Nähe mit zeitlichen Kategorien und verstehen nicht mehr, daß diese vor Gott gar keine Bedeutung haben.

Gott sei Dank gibt es Ausnahmen: Wenn zwei Liebende sich gefunden haben, dann spüren sie nichts von Zeiteinteilungen, dann tauchen sie ein in eine Welt, die nur einen einzigen Augenblick kennt, die reine Gegenwart ist – ein Vorgeschmack der Ewigkeit Gottes. In der Tat schenkt die menschliche Liebe eine besondere Möglichkeit, Gottes Nähe zu erfahren, denn Gott ist der Ursprung der Liebe, und in der Liebe bricht die Ewigkeit in die Zeit. Die Liebe ist stärker als die Uhren der Menschen, sie kann uns immer wieder zu einer Unmittelbarkeit zu Gott führen, die wir durch unsere selbstgemachten Zeitmeßgeräte verloren haben.

Aber die Liebe verliert auch oft den Kampf mit der Uhr; darüber dürfen wir nicht in falscher Romantik hinwegsehen. Wer durch die Uhr zum Diener der Zeit geworden ist, lebt nämlich in einer ständigen Angst, etwas zu verpassen. Und diese Angst kann stärker werden als das freudige Auskosten der Gegenwart des Geliebten. Dann beginnt man, halbherzig zu werden, der gegenwärtige Moment wird vergiftet durch den Gedanken an das, was kommt, was man plant, was man nicht verpassen will. Hinter der verfehlten Einstellung zur Zeit verbirgt sich eine falsche Einstellung zum Verhältnis von Ich und Du. Zuletzt entscheidet sich alles daran, ob ich dem anderen dienen möchte oder ob ich möchte, daß der andere mir dient. Wer nicht dienen, sondern bedient werden möchte, der betrachtet die Zeit genau wie das Geld als ein Mittel zur Steigerung des Ich, als eine knappe Ressource, die mit Zähnen und Klauen verteidigt werden muß. Darum ist die unerwartete Wendung im heutigen Gleichnis so wichtig: der Herr bedient seine Knechte, anstatt sich von ihnen bedienen zu lassen. Das Reich Gottes ist so gebaut, daß dort nur Leute Platz haben, deren Herz mit dienstbereiter Liebe angefüllt ist.

Hieran müssen wir uns immer wieder erinnern lassen: „Haltet euch bereit!“ Schöpft aus jedem Augenblick Ewigkeit, indem ihr jetzt schon der Liebe Raum gebt! Ihr könnt es, denn ihr habt Gottes Geist, der euch seine ewige Gegenwart schenkt. Blickt nicht ständig auf die Uhren und rechnet nicht alles in Minuten und Sekunden aus, sondern seid in jedem, was ihr tut, ganz da, mit ganzem Herzen. Denn es zählt überhaupt nicht, wieviel Einzelnes ihr geschafft habt im Leben, sondern einzig, wie ihr eure Augenblicke gelebt habt, ob sich darin Liebe gesammelt hat oder ob alles nur ein halbherziges Abhaken von Terminen gewesen ist.

Wenn wir diese Mahnung zu beherzigen suchen, dann werden wir feststellen, daß es gar kein Problem ist, wie lange es dauert, bis der Herr wiederkommt. Wir spüren dann schon in jedem Augenblick seine verborgene Gegenwart. „Wer Gott hat, der hat alles. Gott allein genügt“, betet Theresia von Avila. In diesem Sinne können wir jetzt das Glaubensbekenntnis beten...

255. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)

Schwestern und Brüder!
Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.
Diesen Satz aus dem Evangelium trifft man anders formuliert auch in der Alltagssprache wieder, wenn wir sagen, das unser Herz an etwas, an jemanden hänge.
Wir drücken damit aus, dass unser ganzes Denken und Planen, unsere Gedanken und Taten auf eine bestimmte Sache, eine bestimmte Person ausgerichtet sind.

Man kann sein Herz an vieles hängen.
Wir kennen ja die schier unglaubliche Zahl an Hobbys, die es in unserer Gesellschaft so gibt. Vom Münzensammeln, über das Nordic-Walking, zum Internet-Chatten, hin zum Schrebergarten und die jährliche Urlaubsreise in den Schwarzwald. Wir tun oft alles, um diese Beschäftigungen ausüben zu können.

Man kann sein Herz an vieles hängen.
Oft hängt unser Herz an Dingen, die wir besitzen. An der Eigentumswohnung, dem neuen Handy, dem Auto, den Klamotten zum Anziehen. Egal ob Erbstück oder Neuanschaffung, wir setzten alles daran, diese Dinge zu erhalten und zu gebrauchen.

Man kann sein Herz an vieles hängen.
Von großer Bedeutung für uns ist es, an welch Menschen wir unser Herz hängen. Ob an die Eltern, die Kinder, die Enkel, ob an die Freunde, Arbeitskollegen, Nachbarn. Ohne diese Beziehungen könnten wir nicht leben.
Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.
Man kann sein Herz an vieles, an viele hängen.
Manchmal haben wir das Problem, das wir unser Herz an zu vieles, an zu viele gehängt haben.
Das spüren wir vor allem, wenn wir uns zwischen dem vielen und den vielen entscheiden müssen. Dann weiß unser Herz angesichts der Fülle gar nicht mehr wohin:
Wenn ich dieses Jahr wirklich in den Schwarzwald fahre, dann habe ich aber nicht ausreichend Zeit für meinen Schrebergarten. Und er hat es ja so nötig.
Handy oder neues Kleid? Für beides reicht mein Geld nicht. Aber beides will ich wohl haben.
Natürlich liebe ich meine Eltern, aber müssen die ihr Ehejubiläum gerade dann feiern, wenn mein Kegelclub diese tolle Wochenendreise macht?

Ja, oft hängt unser Herz an zu vielem gleichzeitig. Es ist übervoll beschäftigt. All die schönen Tätigkeiten, die tollen Dinge und die uns wichtigen Menschen werden dann irgendwie zum Ballast. Es wird uns zuviel. Fast alles wird uns zu Last, statt uns zur Freude zu gereichen.
Wir spüren dann, das es innerhalb unseres Herzens eine Ordnung geben muß: das Wichtigste und die Wichtigsten zu erst.
Aber auch das bedeutet, dass wir uns entscheiden müssen.

Und dabei haben wir häufig das Gefühl, das wir uns eher gegen viel Gutes entscheiden, statt für das eine Notwendige.

Was tun, damit wir unser Herz wirklich an den richtigen Schatz hängen?
Was tun, damit unser Herz den wahren Schatz findet?

Jesus rät:
Verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, droben im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst. Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.
Der Herr fordert uns auf, sozusagen unser inneres Koordinatensystem neu, anders auszurichten. Nicht das irdische, vergängliche soll uns bestimmen, sondern das ewige, himmlische. Unser Herz soll im Himmel sein, nicht auf oder an der Erde kleben.

Letztlich geht es ihm darum, dass wir uns immer von Neuem bewusst machen, dass wir einmal sterben werden, das der Menschensohn zu einer Stunde kommt, in der ihr es nicht erwartet.
All die Hobbys, all die Dinge, ja sogar all die Menschen, an denen wir hängen, werden wir auf der Erde zurücklassen müssen, wenn wir einmal verscheiden. Wir wissen nie, wann und wie, aber wir wissen, dass das geschehen wird.

Wenn man so will, ist der eigene Tod so ziemlich das Sicherste auf Erden. Unausweichlich. Klar.
Vor dieser Tatsache können wir nicht fliehen. Wir brauchen davor auch nicht in Panik geraten. Als Christen glauben wir an ein Leben nach dem Tod.

Von dieser Tatsache aus sollen wir aber unser Leben gestalten, unser Herz innerlich ordnen.
Die wichtigste Frage, die wir in unserem Leben beantworten müssen, die wichtigste Entscheidung, die wir zu treffen haben, lautet:
Will ich in den Himmel? Will ich am Ende meines Lebens in der Glückseligkeit leben?

Spontan wird jeder und jede von uns denken: "Blöde Frage. Selbstredend. Natürlich will ich das!"

Aber richten wir unser Leben wirklich danach aus?
Fragen Sie sich mal:
Wann haben Sie das letzte Mal an Ihren eigenen Tod gedacht? Hier im Krankenhaus geschieht das wohl häufiger, als draußen.

An was klebt, hängt Ihr Herz hier auf Erden? Können Sie sich vorstellen, auch ohne diese Dinge zu leben? Im Urlaub machen wir ja oft eine befreiende Erfahrung, die sich in so einem Satz ausdrücken kann, wie "Du, ich war ganz überrascht, mit wie wenig man so in der Woche auskommt, wie wenig man eigentlich braucht."

Sind Tätigkeiten, Dinge schon zu Ihrem eigentlichen Lebensinhalt geworden? Es gibt Fälle, dass Menschen, die Ihren Beruf aus irgendeinem Grund aufgeben müssen, plötzlich total an sich selber zerbrechen. Der Mensch braucht Arbeit. Das ist unbestritten. Die hohe Arbeitslosigkeit ist eine schwere Hypothek für unser Land. Und Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern eine sehr ehrenwerte Sache. Aber die Arbeit allein darf/kann niemals das ganze Leben sein.

Ja, selbst Menschen, die man liebt, dürfen nicht zu unserem Gott werden. Derjenige, der zu einem Menschen sagt: "Du bist mein Ein und Alles." überfordert sein gegenüber gnadenlos. Das kann kei
n Mensch sein. Das kann nur Gott. Ich weiß, dass klingt hart und fremd, gerade für Liebende. Aber, wenn wir der Sache nachspüren, merken wir, dass es so ist.
Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.
Erhebet die Herzen! – So werden wir in der Liturgie aufgefordert.
Wir haben sie beim Herrn. – So antwortet die Gemeinde.

Und darum geht es Jesus heute. Unsere Herzen sollen ihren Schatz im Himmel haben. Gott und das ewige Leben sollen all unser Denken und Handeln prägen und umformen. Das macht frei von den ungeordneten Anhänglichkeiten an Irdisches.
Wir werden angesichts des eigenen Todes, die Kostbarkeit des irdischen Lebens umso tiefer erfahren. Und mit dem Blick von oben, haben wir den besten Überblick. Dann können wir einfacher unsere Entscheidungen für oder gegen etwas treffen.
Erhebet die Herzen - Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.

256. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

„Um das Glück zu finden, bedarf es nicht eines bequemen Lebens, sondern eines verliebten Herzens.“ Vielleicht stimmen Sie diesem Satz ohne Widerspruch zu, und dann haben wir schon einen Ansatzpunkt, um die harten Worte im heutigen Evangelium wenigstens ein bißchen zu begreifen.

Am besten ist, wir bilden uns gar nicht erst ein, wir könnten diese Worte verstehen – wir sollen Vater und Mutter, Brüder und Schwestern geringachten? Wie kann Jesus das gemeint haben?

Eines Tages wird er von Petrus gefragt: „Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen: Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben.“ (Mk 10,28-30)

Diese Antwort Jesu wirft auch Licht auf unsere Textstelle. Es geht um ein Mehr, ein Besseres als das, was man in der Welt kennt und liebt. Petrus hat es intuitiv erfaßt, indem er sagt, daß er alles verlassen hat, um Jesus nachzufolgen. Aber nun kommt er in Zweifel, ob sich das auch gelohnt hat und noch weiterhin lohnt. Das verliebte Herz hat er schon, und er hat das Glück gespürt, das aus diesem verliebten Herzen kommt, aber er kann das noch nicht richtig einordnen, und so sagt Jesus ihm und den anderen Jüngern, daß jeder Verzicht, jedes Verlassen um Jesu willen ein Hundertfaches zurückgibt.

Freilich kommen auch immer wieder Fragen voller Zweifel wie die von Petrus. Sie kommen deshalb, weil der Schatz, für den man dieses oder jenes – ja eigentlich alles, wenn man das Evangelium genau nimmt – aufgibt, mit natürlichen Augen nicht zu sehen ist. Und sie kommen dann, wenn das Herz weniger verliebt ist. Dann wird plötzlich das bequeme Leben verlockender, obwohl man doch aus Erfahrung wissen müßte, daß dieses nie das Glück zu bringen imstande ist.

Aber wir Menschen vergessen so leicht. Darum müssen wir dieselbe Erfahrung mehrmals machen – die gute wie die schlechte. Die gute Erfahrung vom Glück, das von einem verliebten Herzen ausgeht, und die schlechte Erfahrung von der traurigen Leere, die zurückbleibt, wenn man sich egoistisch einzig um ein bequemes Leben bemüht. Unsere Vergeßlichkeit wird ausgenutzt von der Werbung, auf die wir niemals hereinfallen würden, wenn wir die entscheidenden Lebenserfahrungen immer im Gedächtnis präsent hätten. Während diese aber verblassen, schieben sich die künstlich produzierten Werbebilder und -phrasen davor, die uns ein Glück vorgaukeln, das im Konsum bestehen soll.

Wenn die Erinnerung an das echte Glück verblaßt und nicht durch neue Erfahrungen aufgefrischt wird, nimmt die Verliebtheit des Herzens ab. Das gilt für alle Freundschafts- und Liebesbeziehungen, und es gilt auch für unsere Beziehung zu Gott. Das geht schleichend und unbemerkt, und irgendwann fragt man sich, wo denn die alte Liebe geblieben ist. Damit uns dies nicht widerfährt, müssen wir rechtzeitig aufgerüttelt werden, damit wir zur Besinnung kommen und Gegenmaßnahmen ergreifen. Ein solches Aufrütteln geschieht hier und jetzt: Wir hören das Wort des lebendigen Gottes, das alle einlullenden Laute schrill übertönt und sich querstellt zu verfehlten Lebensentwürfen. Um sich Gehör zu verschaffen, muß der Ton eine gewisse Schärfe besitzen, müssen die Vergleiche drastisch sein. Kann ein Feldherr mit 10.000 Mann gegen 20.000 eine Schlacht gewinnen? Können wir gegen die gewaltige Verführungsmacht der kapitalistischen Gesellschaft etwas ausrichten und den inneren Kampf gewinnen, wenn wir unsere geistigen und geistlichen Kräfte verkümmern lassen?

Was aber stärkt diese Kräfte? Das Evangelium gibt die Auskunft: Der Verzicht, die Hingabe, das Schenken. Das größte Vorbild ist der Herr selbst, der „Gott gleich war, aber nicht daran festhielt, wie Gott zu sein, sondern sich entäußerte und wie ein Sklave wurde und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.“ (Phil 2,6-8) In der Messe feiern wir das Opfer Jesu und sind eingeladen, in diese Hingabebewegung zum Vater mit einzugehen: zuerst mystisch im Kult und dann real im alltäglichen Leben.

Lassen wir uns heute wieder aufrütteln, und erinnern wir uns an die guten Erfahrungen: Wer sein Herz für die Liebe öffnet, es nicht in purer Eigenliebe verengen läßt, der wird mit einer überirdischen Zufriedenheit belohnt.

257. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)

Geiz ist geil! Billig will ich!
So lauten nur zwei der auf uns einprasselnden Werbeslogans.
Es scheint als ob ganz Deutschland darauf aus ist, nur noch zu sparen, das Beste zum günstigsten Preis zu erhaschen.

Die Geschäfte versuchen nun mit Bonuskarten und Treueprämien die Kunden zu halten. Die Käufer versuchen noch die Krawatte zum Herrenoberhemd dazu zu bekommen.

Die neue Lust am Feilschen? Die neue Lust am Geschäftemachen?
Mit Verlaub, feilschen konnten wir immer schon. Vor allem mit dem lieben Gott.
Wenn Du mir diesen Posten in der Bank bescherst, lieber Gott, dann komme ich auch wieder jeden Sonntag zur Kirche. Wenn nicht, dann nicht.
Ich zünde Dir jetzt diese Kerze an, und wehe das klappt nicht, mit der zwei in Mathe.
Kennen Sie solche Gebete?

Kaufen, etwas erwerben, will nur derjenige, der etwas nötig hat oder dem gerade danach ist.
Wenn’s mir schlecht geht, dann bete ich zu Gott, vielleicht gibt er mir ja, was ich brauche. Not lehrt eben beten.
Oder ich gehe nur in den Gottesdienst, wenn ich das Bedürfnis danach habe. Die Kirche als Bedürfnisanstalt.

Viele behandeln den lieben Gott wie einen arglosen Besitzer eines himmlischen Gemischtwarenladens, bei dem man für einen günstigen Preis das bekommen kann, was man so gerade zum Leben braucht.
Ein bisschen Glauben für ein bisschen Himmel. Es müssen ja nicht unbedingt die besten Plätze an der Tafel des ewigen Gastmahles sein. Ein Stehplatz tut’s auch. Aber dafür brauch ich dann auf Erden auch nicht allzu viel zu geben.

Geben wir es zu: Jeder und jede von uns, ich auch, hat schon einmal solche Gedanken. Statt eines hochherzigen Glaubens treibt uns da oft eine religiöse Krämerseele...

Das kann es aber nicht sein. Das spüren wir. Erst recht, wenn wir aufmerksam das heutige Evangelium hören.

Da spricht der Herr ganz anders: Entweder ganz oder gar nicht.
Wenn Du zu mir gehören möchtest, dann musst Du bereit sein, alles zu geben. Alles, wirklich alles. Dein ganzes Herz. Und nicht nur einen Teil davon.

Diese Predigt hält Jesus nicht allein seinen Aposteln, also denen, die ihm besonders nahe sind. Diese Predigt richtet er nicht nur an die ehelos lebenden Priester und Ordensleute. Nein, im Evangelium heißt es ausdrücklich, dass er sich an alle Umstehenden wandte, an die vielen, die ihn begleiteten. Also auch an Sie.

Jesus weiß, was er zu verkaufen hat. Das Wertvollste, was es gibt: Leben in Fülle hier auf Erden und dereinst im Himmel.
Und er weiß, dass dieses Leben einen hohen Preis hat: Das ganze Herz eines Menschen.

Da gibt es nichts mehr zu Feilschen. Ein bisschen Himmel für ein bisschen Herz.
So wie ich eben keinen Turm ohne die nötigen Materialien bauen, und keinen Krieg ohne ausreichende Truppen führen kann, so kann ich eben Christus nicht nachfolgen, wenn ich nicht bereit bin, ihn mit ganzem Herzen zu lieben.

Dabei ist wichtig festzuhalten, dass die Liebe zu Christus niemals und niemanden daran hindert die Menschen und das Gute in dieser Welt zu lieben. Die Liebe zu Christus lässt uns erst die Menschen und die Welt richtig lieben.

Wer also den Himmel will, der muss sich bemühen, sein ganz Herz Christus zu schenken, mit ganzem Herzen zu glauben.

So wie der Bauherr seine Mittel nüchtern berechnen muss, so wie der Feldherr seine Truppenstärke inspizieren muss, so muss auch derjenige, der Christus nachfolgen will, auf sein Herz schauen:
Gebe ich Gott wirklich die Ehre? Mache ich faule Kompromisse im Bezug auf den Besuch des Sonntagsgottesdienstes? Pflege ich das Gebet allein, in der Familie? Suche ich bei Verständigen Rat, wenn ich Fragen zum Glauben habe, oder lass ich es bleiben? Kämpfe ich gegen Einflüsse, die mich vom Glauben und von der Kirche fernhalten wollen?

Wer etwas kaufen will, muss zuerst in seine Geldbörse schauen.
Wer glauben will, den Himmel erwerben will, der muss sein Herz anschauen, sein Gewissen erforschen. Der Selige Josefmaria Escriva sagt: „Gewissenserforschung. – Eine tägliche Arbeit. Wer ein Geschäft betreibt, vernachlässige die Buchführung nicht. Gibt es ein wichtigeres „Geschäft“ als das Geschäft des ewigen Lebens?“

Mit dem Evangelium heute ruft uns der Herr zur beständigen Gewissenserforschung auf. Jeden Tag sollten wir uns kurz befragen, wie es um uns und unsere Liebe zu Gott steht. Das kann geschehen kurz vor dem Schlafengehen oder auch in der Mittagspause.
Da, wo Sie Lieblosigkeiten gegenüber Gott und den anderen feststellen, nehmen Sie das Sakrament der Versöhnung, die Beichte in Anspruch.

Christus schenkt uns den ganzen Himmel, wenn wir ihm unser ganzes Herz schenken. Was für ein „Geschäft“...

258. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Welches Motto sollen wir über das diesjährige Pfarrfest stellen? Soweit ich mich erinnere, hatte niemand im Pfarrgemeinderat einen Vorschlag, und so lassen wir die Liturgie dieses Sonntags entscheiden: Das Evangelium bietet uns reichlich Stoff zum Nachdenken und zur Vertiefung unseres christlichen Gemeindelebens. Es führt uns den womöglich wichtigsten Charakterzug Gottes vor Augen, seine unendliche Barmherzigkeit.

Da fällt mir schon etwas auf: Angenommen, wir hätten mit ein paar Leuten stundenlang nach einem Pfarrfest-Motto gesucht – ich bin sicher, der Name Gott wäre nicht darin vorgekommen. Vielleicht hätte irgendwas von Freude, Fest, Gemeinschaft usw. darin gestanden. Haben wir etwa - unbewußt - Angst davor, in der Öffentlichkeit von Gott zu reden? Ich weiß es nicht. Aber was mir einfällt, ist, daß erst die religiöse Dimension unserem Pfarrfest Sinn und Tiefgang verleiht. Von welcher Freude sollten wir sprechen, wenn nicht von der über Gottes Barmherzigkeit? Welche Gemeinschaft wollen wir feiern, wenn nicht die der Christen, d.h. der von Gott Berufenen und Erlösten? Und welches Motiv sollte uns bewegen, ALLE einzuladen, nicht nur die Freunde und Bekannten aus der Clique, die Angesehenen und die Betuchten, wenn nicht der Glaube, daß Gott seine Barmherzigkeit und Liebe ALLEN anbietet und uns auffordert, dasselbe zu tun?

Aber schauen wir uns die Botschaft des heutigen Gleichnisses etwas genauer an. Es ist freilich unerschöpflich und unergründlich, es können heute nur einige Gesichtspunkte aufleuchten. Im März habe ich das letzte Mal darüber gesprochen und u.a. herausgestellt, daß beide Söhne verloren sind, der daheimgebliebene Ältere nicht weniger als der Jüngere, denn er hat in seiner Selbstgerechtigkeit vergessen, was Liebe und Barmherzigkeit ist. Heute möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf den Vater lenken und auf sein Verhalten beiden Söhnen gegenüber, damit wir etwas lernen für unser eigenes Verhalten gegenüber den sog. verlorenen wie auch gegenüber den vertrotzten Menschen.

Der Vater wird von tiefem Mitleid bewegt. Dieses Gefühl ist keineswegs selbstverständlich, denn er wurde ja von seinem Sohn gekränkt und verletzt; hatte dieser ihm doch zu verstehen gegeben: „Ich mag dich nicht mehr, ich will nur dein Geld und dann weg von dir!“ Wir könnten uns auch ganz andere Reaktionen des Vaters vorstellen und finden sie im älteren Sohn gespiegelt, der dem undankbaren Bruder zürnt, ihn aus seinem Herzen verstößt und mit ihm nichts mehr zu tun haben will. Alle Tage kommt es vor, daß enttäuschte Liebe in Haß und Rachsucht umschlägt. „Geschieht ihm recht, diesem Nichtsnutz!“ – „Eigene Schuld!“ – „Der soll mir fortan gestohlen bleiben!“ Aber so denkt und empfindet der Vater nicht. Nicht einen Moment kommt ihm in den Sinn, über seine verletzte Liebe zu klagen und dem Schuldigen die gerechte Strafe zu wünschen, er sieht nur, in welche Verlorenheit sein nach wie vor geliebter Sohn hineinrennt, und er hofft inbrünstig, er werde doch zurückkommen. Darauf wartet er mit unerschöpflicher Geduld, unbeirrt von den Sprüchen seines anderen Sohnes und erst recht von dem Gerede seines Gesindes, das sicherlich kein gutes Haar am Abtrünnigen läßt. Er wartet, bis der Verlorene zurückkehrt, und geht ihm dann voll Freude entgegen, um ihn wieder aufzunehmen.

Die Liebe des Vaters nimmt hier die reine Gestalt der Barmherzigkeit an, die das Elend des Verirrten am eigenen Leib spürt, mitleidet und zuzudecken bemüht ist. Das beste Gewand muß her, ein Ring sowie neue Schuhe: das Gewand gibt die Ehre zurück, der Ring stellt die verlorene Würde wieder her, die Schuhe symbolisieren die wiedergewonnene Freiheit. Nicht die geringste Demütigung wird dem Zurückgekehrten zugemutet.

Die Liebe des Vaters zeigt sich aber noch in anderer Gestalt – dort nämlich, wo sie sich dem Älteren zuwendet, der seinen Bruder total abgeschrieben hat. Er ist ja im Unterschied zum anderen Sohn im Recht, er hat nichts Verwerfliches getan, was ihn in Schande und Elend gestürzt hätte. Aber trotz seiner Rechtschaffenheit ist er seinem Vater ganz und gar nicht ähnlich, denn er besitzt nichts von dessen Barmherzigkeit, kein Stück. Und so entfremdet er sich ausgerechnet in dem Moment von seinem Vater, in dem sein Bruder zuhause wieder heimisch wird. Das bereitet dem Vater ein neues Leid, denn nun trennt sich auch noch sein bisher zu Hause gebliebener Sohn von ihm und begibt sich in das Dunkel draußen vor dem Festsaal, weil er statt Freude nur Zorn und Eifersucht empfindet. Der Vater versucht es natürlich im Guten, geht hinaus und redet ihm gut zu: Er soll sein Herz doch für die Freude öffnen, den Bruder wieder annehmen und am Festmahl teilnehmen. Solange der Bruder noch ohne Bruder ist, solange empfindet der Vater Schmerz und bleibt die vollkommene Freude fern.

"Jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern!" Das sagt der Vater zu dem, der sich eben noch als der Unwürdigste fühlte, wie auch zu dem, der sich dem brüderlichen Mahl verweigert. Dieses Wort sollte uns heute daran erinnern, daß unser Pfarrfest von diesem Geist belebt sein müßte: vom Geist der Barmherzigkeit, der Geschwisterlichkeit und des Friedens. Es sollte heute keinen geben, der sich ausgeschlossen fühlt, und keinen, der aus Ärger über die Anwesenheit eines bestimmten anderen sich entf

259. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Eine Schar Kinder spielt friedlich und vergnügt. Zwei Erwachsene beobachten sie und stellen sich die Frage: Kann man in diese Gruppe Zwietracht und Streit bringen? Der eine nimmt wortlos eine Hand voll Münzen und wirft sie unter die Kinder. Die Situation verwandelt sich schlagartig. Man sieht nur noch Schreiende und Raufende. Jeder will möglichst viel Geld erhaschen. Da sagt der eine Mann zum anderen: „So wie bei diesen Kindern ist es auch bei den Erwachsenen. Die Gier nach Geld und Besitz entzweit und stiftet Unfrieden.“

Am heutigen Caritas-Sonntag geht es um die zweischneidige Rolle des Geldes. Jesus nennt es „Mammon“, das war der phönizische Gott des Reichtums. Jesus weist durch diese Wortwahl darauf hin, daß das Geld sehr schnell zum Ersatzgott werden kann, zur „alles bestimmenden Wirklichkeit“, wie es jüngst ein Theologe im vielbeachteten Buch „Der verwechselbare Gott“ ausgedrückt hat. Daß Habgier großes Unrecht zur Folge hat, müssen wir tagtäglich erfahren. Die Lesung aus dem Prophetenbuch Amos gibt davon ein prägnantes Beispiel. Für den Mammon verkaufen die Leute am Ende sogar ihre Seele. Spätestens dann wird das dämonische Antlitz des Geldes offenkundig.

Aber darüber möchte ich heute keine weiteren Worte verlieren, sondern auf die andere Seite dieser zweischneidigen Wirklichkeit eingehen: auf das Gute, das wir mit unserem Hab und Gut tun können und tun sollen. „Macht euch Freunde mit dem Geld!“ ruft uns Jesus heute zu. Das dürfen wir nicht falsch verstehen. Jesus meint nicht, wir sollten uns mit Geld Freunde kaufen. Er spricht hier ja von den ewigen Wohnungen und von denjenigen, die bereits gestorben sind und uns dort empfangen – oder eben nicht. Diese sollen unsere Freunde sein! Die Klugheit, die Jesus uns empfiehlt, geht also weit über den engen Horizont des zeitlichen Lebens hinaus. Sie richtet sich auf das ewige Leben, nicht bloß auf die paar Jahre, die wir hier auf Erden verbringen! Und hier stellt der kluge Mensch die alles entscheidende Frage: „Was werde ich anfangen, was wird mir geschehen, wenn ich aus diesem Leben scheiden muß?“ Das lateinische Wort für Klugheit ist prudentia, es kommt vom Verbum providere, das heißt vorausschauen. Der kluge Mensch schaut voraus auf die Zukunft. Die Planung für diese Zukunft bliebe kurzsichtig, wenn sie nicht über den Rand dieses Lebens hinausblickte und das Ende nicht bedächte.

So ist die Botschaft des heutigen Sonntags im Grunde sehr schlicht, aber in ihrer Schlichtheit vielleicht für den einen oder anderen auch ärgerlich: „Das Beste, was ihr mit Besitz und Geld tun könnt, ist, es für gute Zwecke herzugeben. – Ihr könnt es sowieso nicht mitnehmen in die jenseitige Welt, also wandelt es um in Liebe für eure Angehörigen, Nachbarn und bedürftige Mitmenschen!“ Dann werden diese euch in den ewigen Wohnungen empfangen.

Heute ist der Caritas-Sonntag. Wir werden erinnert an die Not vieler Menschen auch in unserem Dorf, an eine Not, die oft verborgen ist, weil man sich ihrer schämt. Es mag ja oft auch selbstverschuldete Not sein – doch sind wir deshalb unserer Pflicht enthoben, tatkräftig zu helfen? Ist der soziale Abstieg nicht ein Übel, das uns, wenn wir es uns vor Augen führen, so schrecklich erscheint, daß wir es nicht einmal unserem schlimmsten Feind wünschen? Und dann maßen wir uns ein leichtfertiges Urteil an, daß die ins soziale Abseits Gestürzten ihr Elend durch ihr Verhalten selbst verdient haben?!

Ganz im Gegenteil müßten wir jeden Tag um so dankbarer sein, daß wir bis heute vor solchem Unglück bewahrt wurden. Nicht jammern und klagen um ein paar Euros, die wir aufgrund der schlechten Wirtschaftslage vielleicht weniger haben, und das Herz noch mehr verschließen und verhärten! Sondern froh und dankbar sein und aus dieser Dankbarkeit heraus das Herz und auch den Geldbeutel für den anderen, für den Armen öffnen.

Wir können ja froh sein, daß es die Caritas gibt und Menschen auch in unserer Gemeinde, die sich sehr sorgfältig umschauen, um abzuschätzen, wo wirklich Hilfe nötig ist. Da sind wir meistens überfordert, denn wir kennen die Lage der Bedürftigen zu wenig und möchten auch nicht von solchen ausgenutzt werden, die in Wahrheit gar nicht so schlecht dran sind. Die Angst, das Geld den Falschen zu geben, kann uns sogar ganz daran hindern, zu spenden. Doch wenn Sie heute Geld in die Kollekte geben, können Sie sicher sein, daß es bei wirklich bedürftigen Familien ankommt. Auch wenn Sie heute nicht sehen können, wieviel Freude Sie einem Menschen damit bereiten, so werden Sie es doch dann gewahr werden, wenn Sie an der Schwelle zur ewigen Wohnung stehen. „Das letzte Hemd hat keine Taschen“, sagt der Volksmund, mitnehmen können wir nichts. Nur die Werke unserer Liebe bleiben uns bis in Ewigkeit. Amen.

260. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Firmlinge, liebe Gemeinde!

In der letzten Woche war ich in Exerzitien in Meschede. Bei einem Spaziergang sah ich in einem Garten ein Kreuz stehen. Auf diesem Kreuz war der Satz zu lesen: „Rette deine Seele!“ Der Ruf „Rette deine Seele!“ war früher oft das Motto von Missionspredigten, die manchmal sehr moralingesäuert waren. Die Älteren unter Ihnen werden sich noch daran erinnern. Solche Predigten sind schon lange aus der Mode gekommen. Vor etwa zwanzig Jahren während meines Theologiestudiums hörte ich einmal in einer Vorlesung, das Motto „Rette deine Seele!“ enthalte gleich drei Irrtümer: Erstens „Rette“: Du kannst gar nicht dein Leben, deine Seele retten, dazu bist du gar nicht in der Lage. Das kann nur Gott. Du kannst nur die Rettung, die Gott dir anbietet, im Glauben annehmen. – Und der zweite Irrtum: „deine“: so als wärest du nur für deine eigene Seele verantwortlich. Dabei ist doch jeder Mitglied einer Gemeinschaft, weshalb es eher heißen sollte: „Rette die Seele anderer, engagiere dich für andere!“ – Und schließlich der dritte Irrtum: „Seele“ - so als gäbe es im Menschen zwei Teile, den Leib und die Seele, der Leib sei unwichtig und nur die Seele wäre zu retten.

Ich muß zugeben: diese Ausführungen haben mir damals nicht wirklich eingeleuchtet und leuchten mir bis heute nicht ein. Sicherlich, ein Professor findet immer etwas zu kritisieren. Aber ich habe mir damals gedacht und ich denke mir auch heute, der Satz „Rette deine Seele!“ ist nicht falsch, er ist vielleicht einseitig, aber gerade dadurch ist er markant und unüberhörbar. So auch das heutige Evangelium. Auch hier könnte ein kritischer Professor selbstverständlich viele Fehler finden, die Jesus da unterlaufen sind, etwa verfehlte Jenseitsvorstellungen. Aber das Gleichnis wirft hellstes und schärfstes Licht auf eine unüberbrückbare Kluft, die damals bestand und auch heute besteht: auf die Kluft nämlich zwischen dem Schlemmerleben der Reichen und dem Elend der Armen. Eine Kluft, die aus dem Mißbrauch der Freiheit entsteht, aus Nichtliebe, Egoismus. Eine Kluft, die zu einer ewigen Trennung führt, zum Verlust der Seele, zum Getrenntsein von Gott, der doch der Quell der Glückseligkeit ist. Das helle Licht des Gleichnisses ruft uns, die wir zuhören, zu: „Rette deine Seele! Begib dich nicht auf die falsche Seite! Bzw. wenn du auf der falschen Seite bist, dann verlasse so schnell wie möglich die falschen Wege des Egoismus!“ Und selbstverständlich geht es hier um jeden Einzelnen persönlich: Du – deine Seele – steht auf dem Spiel! Du allein hast es in der Hand, kein anderer. Und ganz gewiß geht es um deine Seele, nicht um den irdischen Leib, denn der wird ohnehin sterben. Den kannst du nicht retten. In 100 Jahren wird das Fleisch von allen, die hier in dieser Kirche sitzen, unter der Erde liegen.

Nun ist heute zugleich der Eröffnungsgottesdienst der Firmvorbereitung. Eine solche Vorbereitung steht vielleicht nicht unter dem markanten Leitwort: „Rette deine Seele!“, aber sie hat doch sehr viel mit Orientierung zu tun. Woran richte ich mein Leben aus? Was ist höchster Wert und letztes Ziel, und was ist vergleichsweise zweitrangig? Was eignet sich als Mittel zum Ziel, was ist ungeeignet und hinderlich? Firmvorbereitung bedeutet: neue Konfrontation mit Jesus und seiner Botschaft. Sie fordert eine Entscheidung heraus, die fest – firm – sein soll. Wir sollen uns einmal für immer entscheiden, nicht wie ein Blatt im Wind hin und her flattern.

Warum beginnen wir die Firmvorbereitung mit einem Gottesdienst? Darauf gibt es mindestens zwei Antworten. Zum einen empfangen wir Kraft für diesen Weg vor allem von den Mit-Glaubenden, von der Gemeinschaft der Kirche. Alleine kann niemand glauben, selbst der Stärkste nicht. Und zum andern: Glaube ist keine Theorie, die man mit dem Kopf lernt. Glaube ist eine Praxis, ein Tun, ein Dialog zwischen Gott und den Menschen. Gott spricht zu uns, er handelt an uns, und er sendet uns. Genau das geschieht hier im Gottesdienst.

Wir haben gerade die vier Symbole der Firmfeier bedacht, den Chrisam, das Kreuz, das Siegel und die Handauflegung. Nur einige Gedanken zum Symbol der Handauflegung: Es bedeutet, unser Glaube soll handfest sein, d.h. er soll sich in Taten bewähren und Bestand haben in der Anfechtung. Er soll nicht unsichtbar sein, kein geistiger Überbau, sondern vielmehr das Zusammenleben der Menschen bestimmen und färben. Ein Beispiel dafür haben wir in der „Aktion 1 plus“ gesehen, bei der Jugendliche Lebensmittel gesammelt haben für die Münster-Tafel. Dieses Projekt, von dem auch in der Zeitung berichtet wurde, steht als ein Beispiel für viele andere Projekte, bei denen die Firmlinge lernen sollen, daß der Glaube handfest ist, die Hand, das Handeln betrifft.

Das erinnert mich an ein Gebet aus dem Mittelalter, in dem es heißt: „Christus hat nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun“. „Wir sind Gottes letzte Botschaft.“ Gott spricht nicht nur durch die Bibel, sondern auch durch die Menschen, die sein Wort verstanden und im Glauben angenommen haben. Die Bibel liest heute kaum noch jemand, aber an den Gesichtern und den Taten der Christen können andere lesen, was Gott ihnen sagen will. Herz und Hand gehören zusammen, der Glaube bezieht sich auf das Herz und die Hand auf das Handeln. Das heißt, wir können und dürfen die Verantwortung nicht auf andere abschieben, auch wenn wir dazu immer versucht sind. Es ist so leicht, die Schuld bei den anderen zu suchen, aber wir sind selbst gefragt: „Was hast du getan?“, lautet die Frage, nicht: „Was hast du zu meckern gehabt?“ Wir sollen unsere eigene Verantwortung sehen und ergreifen. Dann haben wir verstanden, daß der Glaube handfest ist, dann retten wir unsere Seele und stehen nicht auf der falschen Seite der Kluft, nicht auf der der egoistischen Schlemmer.

Ich wünsche euch, liebe Firmlinge, daß ihr in den kommenden Wochen am lebendigen Glauben eurer Katechetinnen seht, daß Gott durch sie auf euch zugeht und an euch handelt. Dann könnt ihr in 2½ Monaten bei der Firmfeier Ja zum Glauben sagen und Gottes Geist empfangen, der euch firm macht.

261. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Von MISSION UND PHARISÄERTUM möchte ich heute sprechen. Zwei Thesen werde ich dabei entfalten: 1. Mission ergibt sich als logische Konsequenz eines Glaubens, der durch die Liebe wirksam ist (Gal 5,6) gemäß dem einfachen Wort des Herrn: „Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund.“ (Mt 12,34) Und 2.: In den modernen westlichen Ländern besteht das größte Hindernis gegen die Mission in einer pharisäischen Grundhaltung, die im sarkastischen Reim von Wilhelm Busch zum Ausdruck kommt: „Ein guter Christ gibt gerne Acht, ob der andre was Böses macht.“

Beginnen wir beim zweiten. Scheinbar ist es leicht, den Pharisäer zu erkennen, und ebenfalls leicht, ihn nicht zu spielen. Doch müssen wir sehr vorsichtig sein, denn sobald wir über einen anderen urteilen, er sei ein eingebildeter und selbstgerechter Mensch (und ein Heuchler noch dazu), finden wir uns schon selber im Kreise der Pharisäer wieder. Nur Jesus, der ohne Sünde war, steht ein solches Urteil zu. Wenn wir uns seinem Urteil anschließen, dann gleichen wir einem Dackel, der andere ankläfft und sich wohlweislich zwischen den Beinen seines Herrn in Deckung bringt. Das negative Werturteil über einen anderen Menschen ist fast immer geprägt von einer gewissen Selbstgerechtigkeit; Jesus charakterisiert sie prägnant durch den folgenden Ausruf: „Gott, ich danke dir, daß ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.“ (Lk 8,11) Der Pharisäer lebt vom Vergleich, vom Schielen nach unten, damit er sein Gewissen beruhigen kann. Er findet es letztlich sogar ganz gut, daß es schlechte Menschen gibt – jedenfalls solange sie ihm nichts Böses tun –, denn diese machen es ihm möglich, vom hohen Roß der Moral auf sie niederzuschauen – Selbstachtung zu gewinnen durch Verachtung des anderen. „Ein guter Christ gibt gerne Acht, ob der andre was Böses macht.“

Nun habe ich behauptet, diese selbstgefällige Haltung sei der Hauptgrund dafür, daß in unseren westlichen Ländern der Missionsgeist gewichen ist. Das klingt ungewohnt. Uns wird heute doch viel eher eingeredet, die Missionierung stamme selbst aus einem Denken, das von Besserwisserei, Selbstgerechtigkeit und Intoleranz geprägt ist, so daß der Verzicht auf Verbreitung des eigenen Glaubens eine Folge von neu erwachter Demut und Toleranz sei. – Wir müssen schon genauer hinsehen, um die Zusammenhänge zu erfassen. Das gibt es freilich: Werbung für das eigene Denken aus einer besserwisserischen, ja fanatischen Haltung heraus, die sofort aggressiv wird, wenn der andere sich nicht gefügig zeigt. Doch die Frage ist, ob ein solches Tun zurecht „Mission“ genannt werden darf und ob der christliche Missionsgedanke mit der geschilderten Haltung vereinbar ist. Fest steht, daß es solcherart verfehlte Proselytenmacherei immer gegeben hat. Jesus hat sie überaus heftig kritisiert: „Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr zieht über Land und Meer, um einen einzigen Menschen für euren Glauben zu gewinnen; und wenn er gewonnen ist, dann macht ihr ihn zu einem Sohn der Hölle, der doppelt so schlimm ist wie ihr selbst.“ (Mt 23,15) Paulus hat vor seiner Bekehrung die Christen aus eben diesem Geist heraus blutig verfolgt. Aber nachdem er durch Gottes Gnade seine pharisäische Haltung abgelegt hatte, da zog er sich nicht in seinen privaten Glauben zurück, sondern wurde zum Missionar, zum größten der Geschichte überhaupt. Darüber schreibt er an die Gemeinde von Korinth:

„Als ich zu euch kam, Brüder, kam ich nicht, um glänzende Reden oder gelehrte Weisheit vorzutragen, sondern um euch das Zeugnis Gottes zu verkündigen. Denn ich hatte mich entschlossen, bei euch nichts zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten. Zudem kam ich in Schwäche und in Furcht, zitternd und bebend zu euch. Meine Botschaft und Verkündigung war nicht Überredung durch gewandte und kluge Worte, sondern war mit dem Erweis von Geist und Kraft verbunden, damit sich euer Glaube nicht auf Menschenweisheit stützte, sondern auf die Kraft Gottes.“ (1 Kor 2,1-5)

Der Unterschied zu seinem vorherigen Wüten gegen die Christen läßt sich auf die Frage bringen: Woher empfange ich meinen Frieden? Lasse ich ihn mir durch Gott schenken, so daß ich ihn gerne weiterschenke, oder will ich ihn dadurch erreichen, daß ich die Konkurrenten bezwinge? Anfangs wollte Paulus im zweiten Sinne anderen sein Denken aufzwingen, um sich so die satte Ruhe der Selbstzufriedenheit zu sichern. Nachdem Christus ihm gezeigt hatte, daß es auf diesem Wege keinen wahren Frieden gibt, empfing er im Glauben das himmlische Geschenk des Friedens, um es sogleich segensreich an die Völker des römischen Weltreichs weiterzugeben.

Dennoch hat es nach Paulus immer wieder auch die Fehlform einer Mission mit dem Schwert in der Hand gegeben. Denn zu jeder Zeit laufen echte Frömmigkeit und Verirrung Hand in Hand. Um aber erkennen zu können, was Verirrung ist, braucht man einen Maßstab, eine Lehre. Und diesen Maßstab stellt uns Christus vor Augen, indem er die Selbstgerechtigkeit des Pharisäers kritisiert und die Demut des Zöllners lobt. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis angebracht, daß einzig das Christentum eine solche Anleitung zur Selbstkritik gibt, während sie im Koran und auch im Judentum fehlt.

Aber das kann ich jetzt nicht weiter verfolgen. Vielmehr möchte ich nun zeigen, warum das pharisäische Denken nicht nur einen blutigen Fanatismus fördern, sondern auch den echten Missionsgeist ersticken kann. Um das zu verstehen, müssen wir uns bewußt machen, daß jede echte Mission, jede Bemühung um Weitergabe des Glaubens aus einem Herzen fließt, das voller Freude ist über ein empfangenes, unerwartet kostbares Geschenk, das Jesus geradezu einen Schatz nennt (vgl. Mt 6,21; 13,44). Paulus drückt die Erfahrung dieses Beschenktwerdens in folgenden Worten aus: „Gott ... ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi.“ Und er fährt fort: „Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen.“ (2 Kor 4,6f) Es gehört wesentlich zu diesem geistigen Gut, daß wir es uns nicht selber verschaffen können. Wir haben es nicht verdient und können es nicht verdienen. Das einzige, das wir tun können, um uns sozusagen zu revanchieren, ist, diesen Schatz nun unsererseits anderen Menschen zu übergeben, an ihr Herz zu appellieren, sich für die Annahme des Glaubens zu öffnen. Wir müssen aber erkennen, daß beides dem pharisäischen Denken im Wege steht: die Unverdientheit des Geschenks wie auch die dem anderen zugewandte Dienstbereitschaft. Die augenblicklich herrschende satte Selbstzufriedenheit hindert das Herz daran, sich vom göttlichen Frieden erfüllen zu lassen, und macht den Mund stumm, so daß nur noch von Dingen geredet wird, die so banal und leer sind, daß einem übel wird. Ganz typisch für den Pharisäismus dieser Geisteshaltung ist die immer wieder geäußerte Aggression gegen die Kirchenbesucher, die Unterstellung, sie gingen nur aus äußerlichen Gründen dorthin. Nochmals zur Erinnerung: „Ein guter Christ gibt gerne Acht, ob der andre was Böses macht.“ Wessen Herz nur mit Eigenliebe erfüllt ist, der wird die Rede verbreiten, man könne seine Kinder doch nicht „in die Kirche zwingen“ – um zu verschleiern, daß er nicht die geringste Lust hat, ihnen einen Dienst zu leisten, der für ihre geistliche Entwicklung schlechthin unabdingbar ist.

Freilich ist jedes Schwarz-Weiß-Denken verfehlt. In unseren Herzen sind gute und böse Motive fast unentwirrbar vermischt. Dies weiß Wilhelm Busch, den ich nochmals zitieren möchte:

Man kennt, es sind allhier der Dinge gleich viel, ob große, ob geringe,
im wesentlichen so verpackt, daß man sie nicht wie Nüsse knackt.
Wie solltest du dich unterwinden, kurzweg den Menschen zu ergründen?
Du kennst sie nur von außenwärts; du siehst die Weste, nich

262. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Wir alle kennen etliche Menschen, denen der Glaube nichts sagt, die scheinbar ohne Gott ganz gut leben können – es sind viele, sonst wären unsere Kirchen sicher voller. Und es werden immer mehr, so jedenfalls zeigt es der Trend seit mehr als einer Generation. Solche Zeiten der Gottferne und der Lauheit hat es immer wieder in der Geschichte der Kirche gegeben. Anlaß zum Verzagen gibt es jedoch nicht, betet die Kirche doch hoffnungsvoll: „Führe zu dir auch alle unsere Brüder und Schwestern, die noch fern sind von dir.“ – „Die noch fern sind“, betet sie, offenbar in der Zuversicht, daß es nur ein vorübergehendes Fernsein ist. Sie schaut in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit, beklagt nicht diejenigen, die nicht mehr da sind, sondern betet für die, die noch fern sind.

Dahinter steht die durch Erfahrung genährte Überzeugung, daß im Leben eines jedes Menschen sich irgendwann das Ewige meldet, die religiöse Frage nach dem Sinn des Ganzen, die Frage nach Gott und danach, was nach dem Tod kommt. Auch wenn man diese Fragen lange verdrängen oder vor sich herschieben kann – eines Tages stehen sie mit derartigem Nachdruck auf, daß sich nichts anders mehr als wichtiger präsentieren kann. Das ist der heilsame Moment der Krise, die zugleich Gnadenstunde ist.

Dies können wir gut an Zachäus studieren. Er war Oberzöllner, der die Steuern für die Römer eintrieb und sich dabei selbst bereicherte. Ihm ging es fast ausschließlich um Geld und um sein Ich; nach Gott wird er nicht viel gefragt haben, zumal er bei den religiösen Führern seines Volkes als schwerer Sünder galt und verachtet wurde. Und dennoch schlummerte in ihm eine verborgene, ungestillte Sehnsucht nach mehr – nicht nach noch mehr Geld, sondern nach etwas ganz anderem, das er sich für Geld eben nicht beschaffen konnte. Denn sein Innerstes war bei all seinen Geldgeschäften leer geblieben. In die Jahre gekommen, sah er die anfänglichen Illusionen seines Lebens nach und nach verblassen. Sein schrankenloser Egoismus hatte ihn einsam gemacht. Er wurde zwar beneidet, aber nicht geliebt. Hatte es ihn bisher vielleicht nicht viel gekümmert, ob man ihn mochte oder nicht, jetzt hatte sich das geändert. Nein, so konnte es nicht weitergehen! Aber was sollte er bloß tun?

Es ist zu vermuten, daß Zachäus der Verzweiflung nahe war, auch wenn er das niemanden merken ließ. Doch da passiert das Unerwartete: Mitten in diese Lebenskrise tritt von außen ein anderer Mensch, ein außergewöhnlicher Mensch, einer, der die religiöse Saite des unglücklichen Geldmenschen mit Macht zum Klingen bringt. Zachäus will ihn unbedingt kennenlernen. Dafür unternimmt er selbst das Lächerlichste. Und Jesus sieht ihn tatsächlich da oben auf dem Maulbeerbaum. Er hat gleich für ihn den rechten Blick und das rechte Wort. Ja, er läßt sich von diesem Mann einladen und will bei ihm übernachten! Was für ein Skandal für die Frommen, aber was für eine Chance für Zachäus!

Zwei Dinge sind hier zusammengetroffen, was man eine besondere Gunst der Stunde nennen könnte: zum einen die Krise, die Zachäus in sich spürte, das Zusammenbrechen seines bisherigen Lebensentwurfs, und zum anderen die grenzenlose Güte, die ihm von Jesus her entgegenkam, der ihn, den Sünder, nicht verachtete (womit er ihn letztlich auf seinen Lebensstil festgenagelt hätte), sondern der ihm vielmehr heraushalf aus der unseligen Verknechtung an Macht und Besitz.

Weil beides zusammentraf, konnte Zachäus einen neuen Anfang machen. Ohne die Erschütterung seines Lebensentwurfs, ohne die Erfahrung der Krise, wäre er nie auf den Baum gestiegen, und Jesus wäre an ihm vorbeigegangen wie an vielen anderen auch; aber ohne Jesu vorbehaltlose Güte wäre die Krise einfach Krise geblieben, sie hätte ein paar Narben hinterlassen und Zachäus womöglich nur noch verbitterter gemacht.

Jesus war ein Meister darin, kritische Lebenssituationen zu erkennen und ihnen heilend zu begegnen. Überall, wo er auftrat, ereignete sich Heil ("Heute ist diesem Haus Heil widerfahren"). Das Evangelium wird uns aber verkündet, damit wir uns als Jesu Jünger erkennen und von ihm lernen. In unserer Welt laufen Hunderte von Zachäus-Typen herum, und es werden täglich mehr. Aber nicht alle sind gleichzeitig in der Krise, und darum sind auch nicht alle zu jeder Zeit bereit, die helfende Nähe Gottes anzunehmen. Jeder aber wird wenigstens einmal in seinem Leben eine solche heilsame Krise erfahren und Ausschau nach jemandem halten, der ihm da heraushilft. Die Krise wird bei jedem Menschen anders aussehen, es kommt nur darauf an, daß es wenigstens einen gläubigen Christen gibt, der das bemerkt und der Versuchung widersteht zu denken: „Dem geschieht recht! Soll er ruhig jammern und klagen, er hat es ja nicht anders verdient!“ Wenn dieser eine Christ die Gelegenheit wahrnimmt, kann er einfühlend und gütig wie Jesus den rechten Blick und das rechte Wort finden und die Krise so in eine Gnadenstunde umwandeln.

Denken wir daran, wenn wir heute wieder beten: „Führe zu dir auch alle unsere Brüder und Schwestern, die noch fern sind von dir.“

263. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Wenn wir uns die Todesanzeigen in der Tageszeitung anschauen, lesen wir oft: „Wir werden dich immer im Gedächtnis behalten“ und Ähnliches. Was wird mit solchen Worten ausgesagt? Sicherlich zunächst einmal die Liebe, die den schmerzlich Vermißten immer in der Erinnerung behalten will, diese Erinnerung pflegt und aus ihr noch einen gewissen Trost zu schöpfen sucht und die es für einen Frevel hält, den Geliebten einfach zu vergessen.

Es kann dahinter aber auch die weitere Meinung stehen, die Toten lebten im Gedächtnis weiter und nur im Gedächtnis. Je stärker die Erinnerung, um so mehr lebten sie; endgültiges Vergessen aber würde sie ins Nichts sinken lassen. Daran ist natürlich etwas Wahres, aber auch ein Irrtum. Die Wahrheit besteht darin, daß es in der Tat Gottes ewiges Gedächtnis ist, das die Toten ins Leben rettet. „Gott ist kein Gott der Toten, sondern der Lebenden“! ruft Jesus aus. Der „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“ nennt sich so, weil die Genannten nicht im Tode, sondern im Leben sind. Weil Gott den Menschen seit Ewigkeit beim Namen gerufen hat, läßt er ihn nicht einfach ins Nichts sinken. Wenn wir bedenken, daß Gott das unendliche Leben selbst ist, dann ist sogleich klar, daß der Tod nicht die uneingeschränkte Macht haben kann, die wir ihm in der Regel zugestehen. Dann wird auch ersichtlich, worin der Irrtum der angeführten Meinung besteht. Sie traut Gott zu wenig zu, denn sie faßt Gottes Erinnerung nach dem Maße menschlicher Erinnerung auf. Und sie baut zu sehr auf die Kraft des menschlichen Gedächtnisses – so als hinge es von uns ab, ob die Toten leben oder nicht.

Aber nicht wir sind es, die die Toten leben lassen. Wir müssen einsehen, daß selbst die tiefste Erinnerung mit der Zeit verblaßt. Mit unseren Gedanken können wir niemanden aus dem Tod holen oder vor dem Tod bewahren. Aber Gott kann das! Darum dürfen wir sagen: Die Verstorbenen ruhen in Gottes Hand. Sie sind in Frieden.

Freilich erscheint vielen diese Vorstellung lächerlich und absurd. Wir hörten, wie die Sadduzäer sich darüber lustig machen und ein scheinbar einleuchtendes Gedankenexperiment erfinden, indem sie fragen, mit welchem Mann die mehrfach verheiratete und verwitwete Frau denn einst zusammen sein wird. Hinter der Frage steht die irrige Annahme, das Leben nach dem Tod sei so etwas wie eine Verlängerung unserer zeitlichen Existenz in irgendeiner jenseitigen Welt – eben eine zeithafte Existenz, in der geheiratet wird, Kinder gezeugt werden und schließlich gestorben wird. Aber so ist das Leben nach dem Tod nicht vorzustellen. Wir müssen alles Unvollkommene wegdenken, und zur Unvollkommenheit dieses Lebens hier gehört nicht nur der Tod, sondern auch die Notwendigkeit der Fortpflanzung, die doch nur deswegen besteht, weil es den Tod gibt.

Das ewige Leben bei Gott ist Leben pur. Ein Leben, das keine Trennung kennt, kein schmerzliches Vermissen und Vergessen. In dieser Welt sind Raum und Zeit sowohl Weisen, wie wir zusammenkommen, als auch Weisen der Trennung. Der Raum verbindet und trennt, ebenso die Zeit. Wenn ich räumlich bei einem Menschen bin, bin ich zugleich getrennt von einem anderen Menschen. Wenn ich für einen Zeit habe, dann habe ich gerade keine Zeit für einen anderen. Das ist im Himmel anders. Der himmlische Raum und die himmlische Zeit sind so, daß sie nicht mehr trennen, sondern nur noch verbinden. Gott schenkt uns in der Ewigkeit die Möglichkeit, seine Gegenwart ständig zu erfahren und so auch die Gegenwart aller existierenden Menschen. Alle werden uns dann gleich nah und gleich wichtig sein – wie es jetzt schon bei den Engeln ist. Darum gibt es im Himmel auch keine exklusive Bindung an einen Menschen mehr – so wie im irdischen Leben in der Ehe.

Das kommt uns wahrscheinlich unglaublich vor. So was kann doch nicht möglich sein!, denken wir vielleicht. Diese vielen Milliarden Menschen mit den vielen Gesichtern und Namen! Und vielleicht denken wir auch an unsympathische Menschen, an solche, die uns Böses getan haben. Mit denen wollen wir auch im Himmel nichts zu tun haben! – Wer so denkt, ist in Unvollkommenheit befangen. Gott kann alle Menschen so rein und vollkommen machen, daß sie im Glanz ihrer einzigartigen Schönheit erstrahlen, mit der sie bei der Erschaffung ausgestattet wurden – wenn sie es wollen! Gott zwingt keinen. Wer die Häßlichkeit der Sünde liebt, der wird in ihr bleiben; wer aber schon hier auf Erden versucht, ein reiner und schöner Mensch zu sein, der wird von Gott gewürdigt, ein unvorstellbares Glück im Himmel zu genießen, das kein Ende kennt. Und zu diesem Glück gehört es, nicht nur selbst heilig und rein zu sein, sondern auch alle Geretteten, Milliarden von Mitmenschen, in ähnlicher Vollkommenheit zu sehen und sich mit ihnen auf ewig an Gottes Herrlichkeit zu freuen.

264. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Kindern fällt es leicht, zu glauben. Denn sie sind darauf angewiesen, daß ihre Eltern es gut mit ihnen meinen und ihnen die Wahrheit sagen. Dennoch wollen sie auch verstehen, und so stellen sie Fragen, vor allem solche nach dem Warum. Mit ihren Fragen bohren sie in die Tiefe und immer weiter, bis ihre Eltern schließlich in Verlegenheit kommen und manchmal sogar unwillig werden und den lästigen Frager abschütteln.

Für ihre Gedanken brauchen Kinder mehr noch als Erwachsene einfache Vorstellungsbilder, sonst bleibt ihre Suche nach Verständnis unerfüllt und enttäuscht. Doch wenn sie erwachsen werden, dann brechen viele ihrer kindlichen Vorstellungsbilder zusammen. Den Himmel haben sie ganz einfach „da oben“ gesehen – Gott Vater thronte über den Wolken und schaute gütig mit seinem langen Bart auf die Erde herunter, von Engeln umgeben, die selbstverständlich Flügel haben, damit sie schnell zwischen Himmel und Erde hin und her gelangen. Was tritt nun an die Stelle dieser Vorstellungsbilder? Für viele tritt nichts an die Stelle; es bleibt eine bloße Leere, die Worte Himmel und ewiges Leben klingen nicht mehr, sind bloße Worthülsen geworden, die man deshalb im Alltag auch nicht mehr verwendet.

Für den erwachsenen Menschen kommt ein zweites hinzu: das Leben fordert uns eine Menge ab, in vieler Hinsicht ist es stressiger als früher, auf jeden Fall ist es undurchsichtiger, komplexer und sorgenreicher. Zum anderen ist es bunter, vielgestaltiger und abwechslungsreicher, man kann gar nicht alle Angebote und Vergnügen wahrnehmen, selbst wenn man wollte und das nötige Geld hätte. Die alltäglichen Sorgen wie auch die vielen Freizeitmöglichkeiten verdrängen die Frage nach dem Sinn des irdischen Lebens und dem „Danach“. Wer fragt heute schon: „Was ist der Himmel? Wo ist er?“ usw.

Solche Fragen würden vielleicht nie gestellt, wenn es den Tod nicht gäbe. Aber Altern, Krankheit und Tod geben unserem Leben eine unübersehbare Grenze vor. Sobald ein lieber Mensch stirbt, bricht die Frage nach Leben und Tod neu auf. – Die Bibel antwortet in Bildern auf diese existentielle Frage. Jesus spricht von den Wohnungen im Himmel, die er vorzubereiten gedenkt, oft vergleicht er den Himmel mit einem Hochzeitsmahl, das nie aufhört. In der Lesung aus der Offenbarung des Johannes ist von einem neuen Himmel und einer neuen Erde die Rede, davon, daß die heilige Stadt Jerusalem vom Himmel herabkommt und daß Gott seine Wohnung mitten unter den Menschen aufschlägt, ja daß er die Tränen von den Augen der leidgeprüften Menschen abwischt. Die Wohnung ist das Ursymbol für Geborgenheit und Sicherheit, für Heimat und Verwurzeltsein; das Mahl ist das Symbol für Gemeinschaft und vollendete Freude.

Mit diesen biblischen Bildern wird an das irdische Leben angeknüpft. Das, was sich durchhält beim Wechsel vom irdischen in das ewige Leben, ist die Liebe. Sie verbindet Himmel und Erde. „Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken und neu beginnen, ganz neu... da berühren sich Himmel und Erde, daß Friede werde unter uns.“ Und ebenso: „Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen (nämlich die des Egoismus und der Selbstsucht); wo sie sich verbünden und den Haß überwinden“, da...

Die Liebe sprengt die Grenze der Zeit auf und läßt ahnen, was Ewigkeit ist. Die NichtLiebe dagegen, d.h. die Gleichgültigkeit und die Selbstsucht, macht dies Tor wieder zu. Auf die Frage, „was ist der Himmel?“ könnte man darum die Antwort geben: vollendete Liebe. Wo die Freiheit mißbraucht wird, da werden Grenzen und Mauern zwischen den Menschen aufgebaut, da entsteht Trennung und Isolierung, die in letzter Vereinsamung endet. Wo aber die Freiheit für die Liebe eingesetzt wird, da können sich diejenigen, die lieben, verbinden und verbünden, da entsteht eine vollkommene Gemeinschaft, die nicht einmal mehr durch Raum und Zeit getrennt wird – das ist der Himmel. Wir spüren, wenn wir diesen Gedanken verstehen, aber sofort, daß es diesen Himmel hier nicht gibt und nicht geben kann, denn weder gibt es vollkommene Liebe und Gemeinschaft, noch hat je ein Mensch erfahren, daß Raum und Zeit ihre trennende Wirkung verloren haben. Nur Gott kann diese Vollendung bewirken. Hieraus kann man übrigens auch einen Grund gewinnen, warum es den Tod gibt, warum der Tod auch eine Gnade ist; denn ein unbegrenztes Leben auf dieser Erde wäre auf die Dauer unerträglich angesichts der allseits fehlenden Liebe.

Wo die Liebe vollendet ist – ohne Störung –, da ist der Himmel. Der Himmel fängt freilich hier auf der Erde schon an, denn Himmel und Erde können sich berühren, wie wir gerade hörten. Er fängt hier an bzw. er scheint hier auf. Überall wo Menschen die Liebe erfahren und sie leben, da kommt bereits die Seligkeit des Himmels zum Vorschein, und je reiner und inniger die Liebe ist, um so größer auch das Glück und die Freude. So schreibt Franz von Sales einmal: „Herr Gott, wer vermag zu sagen, welche Freude im Himmel sein wird, da man einander im vollen Meer der Liebe lieben wird, wenn schon deren Bächlein so viel Freude bringen!“

Obwohl wir die Liebe auf der Erde erfahren können und sie somit eine echte Brücke liefert, um in das Jenseits des Himmel hinüber denken zu können, bedarf es auch des Glaubens, um den Himmel als real anzusehen. Wir müssen auf Jesu Wort und sein Lebenszeugnis vertrauen, so wie die Kinder auf das Wort und Zeugnis ihrer Eltern vertrauen müssen. Jesu Liebe war stärker als der Tod. Ja, in seiner Liebe ist uns der Himmel begegnet und wurde der Himmel für uns ein für alle mal geöffnet: das feiern wir in jeder Eucharistie. Und in diesem Sinn ist das einladende Wort zu verstehen: „Selig die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind!“

265. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)

Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.

Liebe Schwestern und Brüder!
Das ist eine der vielen Variationen des Liebesgebotes aus dem Neuen Testament.

Einander lieben. – Das wird für viele wohl die Zusammenfassung dessen sein, was Jesus gelehrt hat. Wenn man jetzt eine Umfrage auf den Straßen Recklinghausens machen würde mit der Frage: "Was macht die Botschaft Jesu aus?" – dann würde wohl ein Großteil antworten: den Nächsten lieben, einander lieben.

Einander lieben. Da hat kaum jemand etwas dagegen. Alle sind dafür.

Und dennoch: das Christentum steht nicht gerade hoch im Kurs bei unseren Landsleuten.
Das hat vielfältige Gründe. Einer könnte folgender sein:

Wer sich etwas näher mit der Person Jesu und seiner Botschaft beschäftigt, merkt das die Liebe von der Jesus spricht anspruchsvoll ist.
Es geht hier nicht um ein "Seid nett zueinander." Nein, es geht um viel mehr.
Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.
Jesus selber ist der Maßstab, an dem sich die Liebe ausrichten soll.
Und wie hat er geliebt?

Seine Liebe ging bis ans Kreuz. Sie ging bis zur Selbstaufopferung. Sie war nicht nur nett, sie ging bis aufs Blut.
Man mag über den Film "Die Passion Christi" von Mel Gibson vieles denken, eins hat er aber deutlich gemacht: Wie unsagbar groß das Opfer war, das Jesus auf sich genommen hat, um uns zu erlösen. Der Film führt drastisch vor Augen, was es bedeutete, damals gekreuzigt zu werden. Wir haben uns vielleicht zu sehr an eine recht zahme Vorstellung gewöhnt, wie es damals zugegangen ist.
Das Übermaß der Grausamkeit in diesem Film offenbart das Übermaß der Liebe, die Jesus für uns hat.

Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.
Angesichts der Leidensgeschichte Jesu, heißt das für uns, dass einander lieben auch mit den Erfahrungen von Schmerz und Leid einhergehen kann, ja muß.

Im Deutschen haben wir dafür ein sehr tiefes Wort: Wir sagen ja, wenn zwei sich lieben, dass sie einander leiden mögen.

Die selige Mutter Teresa drückte das häufig in ihren Meditationen so aus: Lieben bis es weh tut.

Einander lieben. – Einander leiden mögen. – Lieben bis es weh tut.

Das scheint unserer Gesellschaft verlorengegangen zu sein:

Ehen brechen heute schnell auseinander, wenn Schwierigkeiten auftauchen. Wenn die romantische Zeit des Verliebtseins aufhört und die Härte des Alltags anfängt, dann geraten viele Paare in die Krise. Gerade dann ist die Liebe gefragt, das Einander-Leiden-Können. Doch allzu viele geben dann vorschnell auf.

Man scheut Konflikte in der Erziehung.
Als kleine niedliche Babys hat man seine Kinder gern. Wenn aber Probleme – z. B. im Laufe der Pubertät auftauchen – dann gehen viele Eltern und Erzieher dem Anstrengenden eines Konfliktes aus dem Weg.
Liebe drückt sich auch darin aus, zu streiten und auf Fehler und Fehlverhalten hinzuweisen.
Nur so kann ein Heranwachsender seine Grenzen kennen lernen, aber auch seine Fähigkeiten und Möglichkeiten.
Wegschauen, Gewährenlassen, Laizes fair sind nicht Zeichen der Liebe, sondern eher des Desinteresses und auch einer gewissen feigen Resignation

Man will das Leiden nicht mehr sehen, es aus der Öffentlichkeit herausdrängen.
Der Ruf nach aktiver Sterbehilfe ist ein Zeichen vorgetäuschter Fürsorge. Man will nicht ertragen, dass man sich um Leidende, Siechende kümmern soll.
Sicherlich, es ist schwer mit an zu sehen, wie ein lieber Freund oder Verwandter leiden muß. Das weiß jeder, der in einem Haus wie diesem arbeitet oder zu Besuch kommt.
Aber diesem Kranken die sogenannte "erlösende Spritze" zu setzen, ist nichts anderes, als ihm die menschliche Liebe und Zuneigung zu verwehren, die ihm als Mensch zukommt.
Ein verstärktes Engagement der Christen für eine Kultur des Sterbens, sei es im Bereich der Hospizbewegung, sei es im Bereich der Palliativmedzin, ist im letzten ein Ausdruck von Liebe für den Menschen.

Einander lieben. – Einander leiden mögen. – Lieben bis es weh tut.

Liebe Schwestern und Brüder,
an dieser Stelle möchte ich mit der Predigt aufhören. Nicht, weil es nichts mehr zu sagen gäbe über die Liebe.
Nein, weil ich spüre, dass man dieses große Gebot Jesu schlicht zerreden kann, möchte ich nun mit Ihnen gemeinsam innehalten.

Lassen sie uns im Stillen drüber nachdenken, wo unsere Liebe gefragt ist, wen wir leiden können und wen nicht, wo unsere Liebe an die Grenzen stößt, wo es wehtut zu lieben.

Und halten wir das dann unserem Herrn hin, der uns geliebt hat bis in den Tod und uns aufträgt:
Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.

266. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

im Evangelium haben wir von dem neuen Gebot gehört, das Jesus uns gegeben hat: einander zu lieben, so wie er uns geliebt hat. Über Liebe zu reden ist nicht schwer. Ich bekomme leicht Beifall, wenn ich über die Liebe predige und sage, daß wir einander lieben sollen. Gelegentlich werde ich aufgefordert, ich solle doch häufiger über Liebe und Güte predigen. Wir geben gern zu, jedenfalls im allgemeinen, daß es uns an Liebe mangelt. Aber wenn wir gefragt werden: „Und was willst du daran ändern?“ dann reagieren wir mit Achselzucken oder sogar mit Ärger. Denn den Mangel an Liebe empfinden wir gar nicht als Makel, unsere Mittelmäßigkeit erschreckt uns nicht.

Doch offenbar ist es, wenn wir Jesus folgen, mit einer nur halbherzigen Liebe nicht getan, unsere Liebe soll so groß sein, daß sie als Erkennungszeichen dient und eine Empfehlung für andere ist. „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt.” Die Liebe soll das Motiv zur Bekehrung der Ungläubigen sein und Kraft zur Durchsäuerung der Gesellschaft. Doch um eine so große Liebe besitzen zu können, muß man die wahre Quelle der Liebe aufsuchen und von ihr trinken. Jesus kann diesen Durst nach vollkommener Liebe stillen: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!“ (Joh 7,37) Wer sich von der Liebe Jesu ergreifen läßt, der wird nach und nach an der Wurzel seiner Seele geheilt und zur Vollkommenheit geführt werden.

Papst Johannes Paul II. predigt seit 25 Jahren sein Programm, Europa und die christliche Welt in Amerika neu zu evangelisieren. Welches Motiv kann jemand haben, andere Menschen zu missionieren und zu evangelisieren? Welchen Grund kann es geben, nicht nur privat fromm sein zu wollen, sondern sich unermüdlich dafür einzusetzen, daß auch möglichst viele andere Menschen zum Glauben an Christus finden? Ganz persönlich gefragt: Wie wichtig ist Ihnen, die Sie hier sitzen, die Bekehrung derjenigen Menschen, die keinen Glauben oder keine Beziehung zu Gott haben? Der Apostel Paulus hat für sich die Antwort gegeben, eine Antwort, die auch für uns vorbildlich sein sollte: Caritas Christi urget noc! Die Liebe Christi drängt uns. (2 Kor 5) Die Liebe Christi – das ist zum einen die Liebe, die Jesus zu uns hat, die wir erfahren, wenn wir uns für ihn öffnen, und es ist zum anderen unsere antwortende Gegenliebe. Angezogen von der unergründlichen Liebe Christi fühlen wir uns gedrängt, diese Liebe auszustrahlen und weiterzugeben.

Papst Johannes Paul II. ist von dieser Liebe persönlich ergriffen, das spürt man diesem charismatischen Mann an. Und in seiner Spontaneität hat dieser Papst im Jahre 1983 die christlichen Jugendlichen aus der ganzen Welt nach Rom eingeladen, um das Heilige Jahr der Erlösung mitzufeiern. Aus dieser Versammlung – erstaunlich viele, nämlich mehr als 300.000 Jugendliche folgten der Einladung des Papastes – wurde alsbald, nämlich im Jahre 1985, die Idee der Weltjugendtage geboren – und zwar als eine dauerhafte Einrichtung. Der Papst schrieb damals an die Jugend: „Für diese Generation in ihrer vielfältigen Form und Ausrichtung sind vor allem die Erwachsenen verantwortlich. Euch kommt die Verantwortung zu für das, was eines Tages mit euch zusammen Gegenwart werden wird und zur Zeit noch Zukunft ist.“ Der Jugend kommt das Vorrecht zu, Ideale zu haben und voller Eifer nach ihnen zu streben. Sie bringt den Mut dazu leichter auf. Doch das gilt freilich nicht exklusiv, denn es gibt auch abschreckende Beispiele unter den Jugendlichen, solche, die völlig abgeklärt und skeptisch in die Zukunft schauen, die nichts anderes wollen, als ihre Ruhe zu haben. Als ich neulich eine Reihe Vorschläge zur Verbesserung der Firmkatechese machte, hatte eine 25jährige Katechetin nichts Besseres zu tun, als jeden einzelnen Vorschlag zu kritisieren und niederzumachen. Die Firmlinge auf dem Weg zu Gott weiterzubringen, war für sie gar kein Ziel, es sollte nur alles so weitergehen wie bisher - ohne große Anstrengung. Daran sieht man: Die Fähigkeit, sich zu begeistern, ist nicht vorrangig vom biologischen Alter abhängig; ein jugendliches Herz kann sich jeder, der will, bewahren.

Unbeirrt von aller Nörgelei und vom Griesgram unserer Zeit und in der Zuversicht, daß sich die Jugendlichen nach wie vor begeistern lassen, hat der Papst die Weltjugendtage ins Leben gerufen. In der Tat hat er damit bis heute Millionen von Herzen erreicht und bewegt. Ich selbst war 1993 in Denver, 1997 in Paris, 2000 in Rom und 2002 in Toronto dabei. – In welcher Hinsicht kann man sagen, daß diese Ereignisse die Liebe der Teilnehmer gefördert haben? Das moderne Leben in der westlichen Welt ist weitgehend vom Kopf bestimmt, das Gefühlsleben wird in die Privatsphäre verdrängt. So wird das Gefühl entrationalisiert und von vielen Menschen für irrelevant erklärt. Umgekehrt wird tendenziell alles, was für bedeutend gehalten wird, vom Affekt getrennt, auch der Glaube. Doch ein lediglich auf den Kopf zugeschnittener Glaube verliert seine Anziehungskraft und Überzeugung; immer weniger Menschen fühlen sich angesprochen. Denn das Herz wird allein von der Liebe berührt.

Wahre evangelisierende Kraft besitzt allein der Glaube, der in der Liebe wirksam ist (vgl. Gal 5,6), d. i. ein Glaube, der von der Liebe Jesu Christi ergriffen ist, so daß das Herz zu brennen anfängt, wie es die Emmaus-Jünger erfahren haben: „Brannte nicht unser Herz, als er zu uns redete und uns den Sinn der Schriften erschloß?“ Die Frucht solchen Glaubens ist eine überschäumende Freude, so daß der ganze Mensch strahlt und die Augen leuchten. In der Tat kann man bei den Weltjugendtagen dies erleben: frohe Menschen mit lachenden Gesichtern, die zum Ausdruck bringen, daß die Teilnehmer in der Tiefe des Herzens ergriffen und nicht nur oberflächlich gekitzelt wurden. Gewiß stimmt dies nicht für alle und jeden Teilnehmer, aber doch in einer überraschend großen Zahl, denn nur wer sich für Gottes Liebe geöffnet hat, kann sie im Herzen spüren und nach außen ausstrahlen. Darum ist es kein Zufall, daß die Weltjugendtage ganz wesentlich vom Bußsakrament bestimmt sind; Tausende und Abertausende Jugendliche fanden in der Beichte zu einer echten Erneuerung ihres Lebens und wurden dadurch mit einer ungeahnten Freude beschenkt. In einigen Ländern ist jetzt schon zu spüren, daß dieses Geschenk Kreise zieht und bisher skeptische Menschen für den Glauben öffnet.

Das Motto des Weltjugendtages 2005 lautet: „Wir sind gekommen, um ihn anzubeten.“ (Mt 2,2) Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt des Weltjugendtags, weder die vielen jungen Menschen, die erwartet werden, noch der Papst, sondern unser Herr Jesus Christus. IHN zu suchen, zu finden und anzubeten, bringt Licht und Sinn in unser Leben und überrascht uns mit einer Freude, die ohne Ende ist.

267. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Der heilige Pankratius hat im jugendlichen Alter seinen Glauben mit dem eigenen Blut bezeugt. Unter Kaiser Diokletian entschied er sich dafür, lieber enthauptet zu werden als seinen Glauben zu verleugnen. Er vertraute auf das Wort des Apostels Paulus: „Ich bin überzeugt, daß die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.“ (Röm 8,18) Wie wenig dieser Satz mit einer Floskel gemein hat, können wir ermessen, wenn wir vergleichbare zeitgenössische Berichte zu Rate ziehen. Hören wir die Geschichte einer Frau aus einem nordkoreanischen Gefangenenlager, die durch das Zeugnis der Martyrer später selbst Christin wurde:

"Ich sah, wie acht christliche Gefangene einen großen Metallkessel mit geschmolzenem Eisen trugen. Ein Wachoffizier schrie sie an und benutzte dabei sehr gemeine Worte. »Morgen ist der Tag des Gedankenreinigens. Morgen geht ihr raus und sagt allen, daß es keinen Himmel gibt, an den man glauben kann – daß es keinen Gott gibt. Sonst müßt ihr sterben, versteht ihr?« Es herrschte Schweigen. Keiner der Gefangenen antwortete dem Offizier. Der wurde wütend und begann, die Männer zu verfluchen. Er schrie: »Alle acht, kommt hierher und legt eure Gesichter auf den Boden!« Sie taten, wie er befohlen hatte. Sie knieten nieder und beugten ihre Köpfe. Der Offizier rief andere männliche Gefangene herbei: »Bringt kochendes Eisen aus dem Ofen und gießt es über sie!« - Die verängstigten Gefangenen liefen und holten einen Kessel geschmolzenes Eisen. Dann gossen sie die glühende Masse auf die still knienden Männer Gottes. Plötzlich drang mir der Geruch brennenden Fleisches in die Nase. Die Körper fingen von der großen Hitze zu schrumpfen an, als das flüssige Metall sich durch das Fleisch brannte. Ich fiel zu Boden und wurde fast ohnmächtig vor Entsetzen. Die Wirkung auf mich war so gewaltig, daß ich schrie, als sei ich verrückt. Auch andere Gefangene im Lager schrieen vor Entsetzen, als die acht Christen starben. – Ich sah ihre eingeschrumpften Körper und dachte in meinem Herzen: »Was glauben sie? Was sehen sie im leeren Himmel? Was kann ihnen wichtiger sein als ihr Leben?« In den Jahren, als ich im Gefängnis war, sah ich viele Gläubige sterben. Aber niemals, niemals verleugneten sie den Gott im Himmel. Sie hätten nur zu sagen brauchen, daß sie nicht an die Religion glauben, und sie wären freigelassen worden. Ich verstand nicht, was ihnen die Angst vor dem Tode nahem. Ihr unglaublicher Glaube ließ eine große Frage in meinem Herzen aufkommen: »Was sahen sie, das mir fehlte?«

Liebe Gemeinde! Die berichtete Begebenheit ist so schrecklich, daß ich lange gezögert habe, ob ich sie Ihnen überhaupt zumuten kann. Aber die Frage, die sie auslöst, ist mir so wichtig – zum einen, um unserem Pfarrpatron Pankratius näherzukommen, und zum anderen für meine Predigtreihe über den Himmel: »Was glauben sie? Was sehen sie im leeren Himmel? Was kann ihnen wichtiger sein als ihr Leben?« Paulus hat damals die Herrlichkeit des Himmels vorweggenommen, um die Leiden der gegenwärtigern Zeit besser ertragen zu können und ausgerufen: „Ich bin gewiß: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ (Röm 8,38f)

Ich stelle darum die heutige Predigt unter die Überschrift: „Der Glaube an den Himmel macht Mut.“ Ich meine nicht zuerst und allein den überragenden Mut zum Martyrium – davor graut mir genau wie Ihnen wahrscheinlich auch; nur eine besondere Gnade Gottes kann die Kraft dazu geben, so etwas zu ertragen – ich meine auch den Mut und die Kraft, gegen den Strom zuschwimmen, gegen die Neigung zur Bequemlichkeit anzukämpfen und die Verantwortung für das eigene Leben und für die anvertrauten Menschen anzunehmen. Daß dies nicht selbstverständlich ist, sehen wir an der wachsenden Zahl derjenigen, die mit ihrem Leben nichts Rechtes anzufangen wissen, die – oft nach einer heißen Phase rauschhafter Gier nach Erlebnissen – eine deprimierende Leere empfinden und ihr Leben am liebsten wegwerfen würden. Die Psychologen sprechen inzwischen schon von einer Quaterlife Crisis, d.h. von einer Krise, die bereits die Mitzwanziger trifft – zum Ende des ersten Lebensviertels, nicht erst zur Lebensmitte.

Wer von Herzen sagen kann: „Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh mit mancherlei Beschwerden der ewigen Heimat zu“, der hat es leichter, die Enttäuschungen des Lebens wegzustecken, weil er weiß: Das Eigentliche kommt noch! Um in diesem Leben Verantwortung übernehmen zu können, braucht es nicht nur seelische Kraft, sondern vor allem auch die Aussicht, daß es sich lohnt. Und es muß sich lohnen nicht nur auf kurze Sicht, denn die wird schnell eingeholt von den zahlreichen Rückschlägen, die das Leben bietet; es muß sich lohnen auf lange Sicht, d.h. im endgültigen Maßstab.

Der Apostel Paulus weist darauf hin, wie Menschen empfinden, die den Glauben an ein ewiges Leben im Himmel nicht teilen: „Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann laßt uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot.“ Und er mahnt: „Laßt euch nicht irreführen! Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten. Werdet nüchtern, wie es sich gehört, und sündigt nicht! Einige Leute wissen nichts von Gott; ich sage das, damit ihr euch schämt.“ (1 Kor 15,32-34)

268. Predigtvorschlag

von Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)

Liebe Schwestern und Brüder!

Kurz nach Ostern veröffentlichte der Vatikan die Instruktion Redemptionis Sacramentum über einige Dinge bezüglich der
heiligsten Eucharistie, die einzuhalten und zu vermeiden sind.

Bevor dieses Dokument erschienen war gab es schon Gerüchte:
"Der Papst will die Messdienerinnen abschaffen."
"Der Papst und der Ratzinger wollen wieder die Messe auf Latein und mit dem Rücken zum Volk einführen." usw.
Wie sich herausstellte – noch vor der Veröffentlichung des Dokumentes – war Stimmungmache gegen den Apostolischen Stuhl aus sogenannten "kirchenkritischen" Kreisen. Nichts von alledem findet sich in er Instruktion.

Andere wiederum – in den Medien oder am kirchenpolitischen Stammtisch – fühlten sich am Tag der Erscheinung oder am Tag darauf geharnischte Kommentare gegen das ach so konservative, rückwärtsgewandte Rom. Wir in Deutschland seien da ja schon viel weiter, offener.
Fragte man dann mal nach, ob die Betreffenden das Dokument denn schon gelesen haben, wurde schnell das Thema gewechselt. Die 74 Seiten durchzulesen haben dann doch wohl die wenigsten geschafft. Geschweige denn, sich überhaupt bemüht, das Dokument zu erwerben.

Dann wurde zum Schluß noch über den kühlen Stil gemeckert, der sei so kalt und juristisch. Da stellt sich mir dann die Frage, ob eine "Instruktion", also eine Anweisung, in Reimform verfasst werden muß.

So wie dieser Instruktion, die eigentlich nur das bestätigt und in Erinnerung ruft, was seit dem zweiten Vatikanum gilt – so wie dieser Instruktion geht es vielen Dokumenten aus Rom.
"Zentralismus" sei das Ganze wird geschrieen. Rom mache die Ortskirchen unmündig, nehme sie nicht ernst.

Da entsteht dann eine andere Frage, ob denn Rom, der Papst, das Lehramt denn noch ernstgenommen werden, oder ob da nicht allzu häufig Vorabverurteilungen kommen – nach dem Motto: "Was kann von da schon Gutes kommen?"

Schwestern und Brüder,
Konflikte, Streitigkeiten kommen unter uns Menschen zwangsläufig vor. Davon bleibt auch die Kirche nicht verschont. Die Frage ist, wie man damit umgeht.

Schon ganz früh gab es in der Kirche heftige Auseinandersetzungen. Davon berichtet die Lesung aus der Apostelgeschichte. Worum ging es da? Und welchen Weg weist uns hier die Hl. Schrift, mit Uneinigkeit umzugehen?

Damals ging es um eine wichtige Frage: Muß man, um Christ werden zu können, zuerst Jude gewesen sein?
Für die frommen Juden, die Christen geworden waren, war die Beschneidung und die Befolgung jüdischer Gesetze unaufgebbare Bedingung. Dagegen stand die Meinung, die auch von Paulus und Barnabas vertreten wurde, dass allein der Glaube an Christus zähle.
Wo diese beiden Meinungen aufeinandertrafen, war klar, daß eine Entscheidung und eine Klärung bald erfolgen mußte. Denn beides zugleich ging nicht, das eine schloß das andere aus. Wer aber hat recht? Was ist zu tun? Wie finden wir die Wahrheit?
Die Gemeinde macht nun keine Umfrage in dieser Sache und läßt auch nicht einfach eine Mehrheit entscheiden. Was sie tun, gibt den Weg der Kirche in den späteren Jahrhunderten vor:
Man geht nach Jerusalem, wo Petrus ist. Bei Petrus sind auch noch andere Apostel. Diesen wird die Streitfrage vorgetragen.
Es ist das erste Konzil der Kirche: Das Apostelkonzil. Die Apostel hören, prüfen und schließlich entscheiden sie. Sie geben Paulus und Barnabas recht: Der Glaube an Christus genügt zur Taufe und zum Heil. Der Geist wirkt überall, auch bei denen, die nicht zum jüdischen Volk gehören.
So begründet das Konzil seine Entscheidung: "Der Heilige Geist und wir haben beschlossen".
Der Heilige Geist kommt also zuerst. In ihm lebt Christus. In ihm lehrt Christus. Jesus hatte versprochen: "Der Beistand aber, der Heilige Geist, (...) der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe" spricht der Herr im Evangelium.
Darauf können die Apostel sich berufen. Sie glauben, was die Kirche seitdem immer glaubte und auch in Zukunft immer glauben wird: Der Heilige Geist läßt die Kirche nicht im Stich. In den notwendigen Entscheidungen hilft er, den richtigen Weg zu finden. Aber es muß Vertrauen da sein. Und es muß gebetet werden. Der Heilige Geist will erbetet, erfleht werden.
Die Apostel in Jerusalem, die Jünger in Antiochia und die vielen, vielen Christen, die auf den Heiligen Geist gehofft haben, sie haben gehorcht mit den Ohren und sie haben gebetet mit dem Mund und sie haben geglaubt mit dem Herzen. Sie werden in der Kunst darum auch gezeichnet mit einem Lichtschein, dem "Heiligenschein", um das Haupt herum. –
Ein Pfarrer, den ich kenne, hatte als regelmäßiges Bonmot, das er immer wieder zum Besten gab: Bei den vielen Sitzungen, die es heute in der Kirche gibt und bei denen mehr geredet als gebetet wird, haben wir demnächst die Heiligenbilder nicht mehr mit dem Heiligenschein am Kopf, sondern um den Hintern. -
Das Gebet ist entscheidend, um mit dem Heiligen Geist in Kontakt zu kommen. Und ein Zweites kommt hinzu, was Barnabas und Paulus und die übrigen Christen auszeichnete: Sie haben gehört.
Nachdem die Entscheidung gefallen war, die das Lehramt in Form des Apostelkollegiums getroffen hatte, hatten sie gehört, die Entscheidung weitergegeben und sind selber der Entscheidung gefolgt.
Dieses Hören und Hörenkönnen ist in unserer Zeit wieder bitter nötig.
Ich frage mich immer wieder, wenn über Dokumente des Papstes von einigen – auch von der Kirche bezahlten – Leuten hergezogen wird:
Glauben die denn nicht mehr, daß Petrus in Rom ist? Daß Christus durch die Nachfolger der Apostel, durch das Bischofskollegium auch heute zu uns spricht?
Ist das Lehramt für jene nur so lange akzeptabel, so lange es die eigene Meinung wiedergibt? Ist die Kirche für diese Menschen noch Hierarchie – was so viel heißt wie heiliger Ursprung, heilige Ordnung – oder ist die Kirche nur eine Art Weltanschauungsverein mit sozialer Note?
Der Papst verkörpert die Einheit der katholischen Kirche. Er tut das nicht willkürlich, sondern in Übereinstimmung mit dem Kollegium der Bischöfe und dem, was schon immer geglaubt worden ist. Es geht da nicht um Erfindung neuer Glaubenssätze, sondern um die Bewahrung der Botschaft Jesu und der Lehre der Apostel. Das erfordert manchmal auch klare Entscheidungen. Und aus denen spricht der Hl. Geist. Auch heute.

Ich jedenfalls für mich allein bin nicht so katholisch, dass ich keinen Papst und keine Bischöfe nötig hätte. Ich bin dankbar für den Dienst der Lehre und auch des Erinnerns, den die Nachfolger Petri und der Apostel leisten.

269. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)

Liebe Schwestern und Brüder!

„Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch.“

Von welchem Frieden spricht Jesus in diesem Abschnitt des Evangeliums? Nicht vom äußeren Frieden, der in der Abwesenheit von Kriegen und Konflikten zwischen Menschen oder verschiedenen Ländern besteht.

Bei anderen Gelegenheiten spricht Jesus auch von diesem Frieden. Zum Beispiel, wenn er sagt: „Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.“

Hier spricht Jesus von einem anderen Frieden, jenem inneren Frieden, dem Frieden des Herzens, dem Frieden des Menschen mit sich selbst und mit Gott.
Man versteht das aus dem heraus, was Jesus sofort danach anfügt: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“
Das ist der fundamentale Friede, ohne den es keinen anderen Frieden geben kann. Milliarden von Tropfen schmutzigen Wassers schaffen kein sauberes Meer, und Milliarden von unruhigen Herzen schaffen keine Menschheit, die in Frieden lebt.

Das von Jesus gebrauchte Wort ist „shalom“. Mit ihm grüßten sich die Juden und tun dies immer noch. Mit diesem Wort begrüßte Jesus die Jünger am Paschaabend, und er ordnet an, dass auf diese Weise die Menschen gegrüßt werden sollten: „Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als erstes: Friede diesem Haus!“ (Lk 10,5-6).

Wir müssen bei der Bibel anfangen, wenn wir den Sinn des Friedens verstehen wollen, den Christus schenkt.
In der Bibel bedeutet „shalom“ mehr als die bloße Abwesenheit von Kriegen und Unruheherden. Es zeigt positiv Wohlstand, Ruhe, Sicherheit, Erfolg, Ruhm an.
Die Heilige Schrift spricht sogar vom „Frieden Gottes“ (Phil 4,7) und vom „Gott des Friedens“ (Röm 15,32). Friede bedeutet also nicht nur das, was Gott „gibt“, sondern auch das, was Gott „ist“. In einem Hymnus nennt die Kirche die Dreifaltigkeit „Meer des Friedens“.

Das sagt uns, dass jener Friede des Herzens, den wir alle ersehnen, ohne Gott oder außerhalb von ihm niemals vollkommen oder dauerhaft sein kann. Den Gott ist es, der diese Welt erschaffen hat und sie trägt und lenkt. Ich meine Augustinus sei es gewesen der einmal sagte: „Friede ist die Ruhe der Ordnung“ – da, wo alles in Ordnung, d. h. im Sinne Gottes ist, da ist Friede. Dem Willen Gottes gehorchen ist so Quelle des inneren Friedens.

Jesus lässt uns begreifen, was sich diesem Frieden widersetzt: die Verzagtheit, die ängstliche Unruhe, die Furcht: „Euer Herz beunruhige sich nicht.“ „Das ist leicht gesagt!“, wird dem jemand entgegenhalten. Wie soll die ängstliche Unruhe, die Nervosität, die uns alle verzehrt und uns daran hindert, ein wenig Frieden zu genießen, verbannt werden? Einige sind aufgrund ihres Temperaments anfälliger für solche Dinge. Ist da eine Gefahr, so machen sie sie noch gefährlicher, und ist da eine Schwierigkeit, so verkomplizieren sie sie hundertfach. Alles wird zum Anlass für ängstliche Unruhe.

Das Evangelium verspricht kein Allheilmittel für diese Übel; in einem gewissen Sinn sind sie Teil unseres Menschseins, da wir ja Kräften und Bedrohungen ausgesetzt sind, die so viel größer sind als wir. Ein Gegenmittel wird aufzeigt: Das Kapitel, dem der Abschnitt des heutigen Evangeliums entnommen ist, beginnt folgendermaßen: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich!“ (Joh 14,1). Das Heilmittel ist das Vertrauen auf Gott.

Ohne dieses Vertrauen auf Gott zu leben, lässt uns unruhig werden, ja verzweifeln. Wenn wir uns umschauen in unserer Gesellschaft, dann sehen wir – vor allem in den Medien – fröhliche, optimistische Menschen. Wenn aber Nachrichten, wie z. B. über die Erderwärmung, sie daran erinnern, dass diese Welt nicht alles und nicht ewig ist, dann kommt auf einmal blankes Entsetzen und Angst zum Vorschein. Wilde Aktionspläne, Petitionen usw. Kurz darauf aber kehrt man zurück zur Spaßgesellschaft, um sich nicht wirklich ändern zu müssen, sondern die Probleme zum Schweigen zu bringen. Mit einem billigen Aktionismus und unrealistischem Optimismus bringt man die Unruhe zum Schweigen. Für kurze Zeit.
Das ist aber im wahrsten Sinne des Wortes nur „ein schwacher Trost“, da ihm die innere Stärke des Glaubens fehlt.

Nach dem letzten Krieg wurde ein Buch mit dem Titel „Letzte Briefe aus Stalingrad“ veröffentlicht. Es handelte sich um Briefe von deutschen Soldaten, die im Kessel von Stalingrad gefangen waren; Briefe, die mit dem letzten Konvoi vor dem Endangriff des russischen Heeres abgesendet worden waren, in dem alle starben. In einem dieser nach Kriegsende aufgefundenen Briefe schreibt ein junger Soldat seinen Eltern: „Ich habe keine Angst vor dem Tod. Mein Glaube gibt mir diese schöne Sicherheit!“

„Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch.“
Liebe Schwestern und Brüder,
lassen wir uns von diesem Frieden beschenken. Er bewahrt uns vor oberflächlichem Optimismus und billigen Vertröstungen.
Er schenkt uns wirklich Frieden, weil er vom Gott des Friedens her in unser Herz strömt.

270. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Im Hohepriesterlichen Gebet spricht Jesus heute von der Herrlichkeit des ewigen Lebens, die Jesus den Seinen geben will. Er betet: „Vater, ich will, daß alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor der Erschaffung der Welt.“ (Joh 17,24)

In diesen Versen führt Jesus nicht näher aus, worin die Herrlichkeit des Himmels konkret besteht; immerhin spricht er aus eigener Erfahrung von dieser Herrlichkeit als derjenigen, die ihm der Vater schon gegeben hat und in die er nach seinem Tod zurückkehrt. Diese Herrlichkeit Gottes leuchtete auf seinem Antlitz (2 Kor 4,6), und sie erleuchtet alle, „die ihn aufnahmen“, und gibt ihnen „Macht, Kinder Gottes zu werden.“ (Joh 1,11) Darum schreibt Johannes: „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es. ... Liebe Brüder, jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, daß wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ (1 Joh 3,2) Die Herrlichkeit des Himmels besteht darin, daß der Glaube in Schau übergeht (vgl. 2 Kor 5,7); „jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.“ (1 Kor 13,12)

Gott von Angesicht zu Angesicht schauen zu dürfen – das ist die Quintessenz der himmlischen Herrlichkeit. Darauf freuen sich trotz allem Leiden die Gläubigen, auch die, die Jesus Christus in ihrem Leben nie gesehen haben. An diese – und damit auch an uns – wendet sich der 1. Petrusbrief: „Deshalb seid ihr voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müßt. Dadurch soll sich euer Glaube bewähren, und es wird sich zeigen, daß er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist. So wird eurem Glauben Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi. Ihn habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht; aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude, da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: euer Heil.“ (1 Petr 1,6-9)

Warum liegt aber in der Anschauung Gottes der Inbegriff des himmlischen Glücks? Das können wir verstehen, wenn wir darüber nachdenken, was uns denn hier auf Erden das Glück immer wieder durchkreuzt und zerstört. Wir werden dafür mindestens zwei Ursachen ausmachen können: zum einen die Vergänglichkeit und zum anderen die Unvollkommenheit bzw. die Schuld. Beides hängt nach dem Zeugnis der Bibel miteinander zusammen, die Sünde ist Grund für den Fluch des Todes. (Vgl. Röm 6,23) Welches irdische Glück wir auch immer als Beispiel nehmen – wir können es nicht festhalten, es vergeht, zerrinnt und weicht einem Zustand des Entbehrens und Vermissens. Das Leben hat zwar unsagbar schöne Seiten, aber es scheint ein grausames Spiel mit uns zu spielen, indem es uns immer wieder wegnimmt, was es uns zuvor zu unserem Entzücken gegeben hat. Darum kann der Apostel Paulus von der ganzen Schöpfung, auch der nichtmenschlichen, sagen, daß sie sehnsüchtig auf die Erlösung wartet (Röm 8,18): „Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, daß die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.“ (Röm 8,19-22)

Die Schöpfung wartet mit uns auf die Vollendung unserer Gotteskindschaft, also auf die Befreiung von Schuld und Vergänglichkeit. Dies geschieht in der Anschauung Gottes, denn Gott allein ist ewig und unvergänglich, und in ihm ist kein Makel, keine Unvollkommenheit, nichts Böses, keine Möglichkeit des Verlierens. Im Bewußtsein der absoluten Vollkommenheit und Herrlichkeit Gottes sagt die heilige Theresia von Avila in einem berühmten Gebet:

Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken. Alles geht vorüber. Gott allein bleibt derselbe. Alles erreicht der Geduldige, und wer Gott hat, der hat alles. Gott allein genügt.

Wer Gott hat, der hat alles! Der kann auch nicht mehr verlieren, was er hat, der hat in ewigem Besitz. Freilich – „kein Auge hat gesehen und kein Ohr hat gehört, keinem Menschen ist in den Sinn gekommen: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“ (1 Kor 2,9) Der Himmel ist auf jeden Fall viel schöner und herrlicher, als wir uns vorstellen können. Wir können uns dies nicht oft genug gesagt sein lassen, denn allein die Hoffnung auf die ewige Vollendung hält von uns die Traurigkeit dieser Zeit, den Lebensüberdruß und die Verzweiflung auf Dauer fern. Die letzten Verse der Bibel sprechen von dieser Sehnsucht und ihrer Erfüllung: „Wer durstig ist, der komme. Wer will, empfange umsonst das Wasser des Lebens. Er, der dies bezeugt [nämlich Jesus], spricht: Ja, ich komme bald. Amen.“ (Offb 22,19f)

271. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)

Werder Bremen hat es geschafft: Deutscher Meister.

Schwestern und Brüder, egal ob sie nun fußballbegeistert, ein Gegner oder ein Fan der Bremer sind...eins muss man dieser Mannschaft lassen:

Einen tollen Mannschaftsgeist haben die Spieler an den Tag gelegt. Das hat ihnen auch die Kraft und das nötige Selbstvertrauen gegeben, auch noch in fast aussichtslosen Situationen und unter hohem psychischen Druck den Glauben an den Sieg nicht zu verlieren. „Mentale Stärke“ nennt das der sportjournalistische Fachjargon.

Der unbedingte Wille zum Sieg und das Füreinander und Miteinander der Spieler haben den Geist dieser Mannschaft in den letzten Tagen ausgezeichnet.

Wir stehen vor dem Pfingstfest
Vor dem inneren Auge taucht uns eine andere "Mannschaft" auf: Die Apostel, die auf den Hl. Geist warten, den der Herr verheißen hat.
Und inmitten der Jünger sehen wir Maria.

So wie vor und nach jeder Saison Mannschaftsfotos der Fußballer gibt, so gibt es auch viele Darstellungen des Pfingstfestes.
Fast allen gemein ist: Maria steht in der Mitte der Jünger. Sie ist das Zentrum, der ruhende Pol.

Diese Bilder sagen vieles über die Kirche aus. Und über Maria in der Kirche.

Maria inmitten der Apostel. Zusammen mit Petrus, Jakobus, Andreas und wie sie alle heißen. Also mit denen war sie zusammen, die ihren Sohn so schmählich und feige in Stich gelassen hatten.

Wir ahnen die menschliche Größe Marias, ihre Bereitschaft zu vergeben und zu verzeihen.

Maria wird den Aposteln und der gesamten jungen Gemeinde von damals eine große Stütze gewesen sein. Vielen wird sie so etwas wie die eigene Mutter gewesen sein. Hatte Christus nicht am Kreuz zu Johannes und Maria gesagt: Siehe Deine Mutter. Frau, siehe Dein Sohn. Maria hat den Aposteln sicher auch Mut gemacht, den Glauben zu wagen, auch wenn die Kirche erst am Anfang stand.

Auf den Pfingstdarstellungen ist Maria nicht nur inmitten der Jünger dargestellt, sie ist die Mitte der Jüngerschar.

Ich kann mir gut vorstellen, wie sie immer wieder nach Jesus, ihrem Sohn gefragt worden ist, wie sie immer wieder bereitwillig Auskunft gegeben hat, erzählt hat, wie es damals war, in Betlehem, in Nazareth. So verkündete sie im Stillen, was Petrus und Paulus später vor der ganzen Welt taten.

Durch Maria hat die früheste Kirche immer tiefer Jesus kennen gelernt. Niemand kannte ihn besser als sie.

Maria war sicherlich auch eine Meisterin des innerlichen Lebens, des Gebetes.
Sie hat Jesus, dem Kind, das Beten beigebracht. Sie wird es sicherlich auch den Jüngern vorgelebt und so gelehrt haben. Beten, das heißt ja: Mit IHM, dem Herrn sprechen. Wer hat jemals vertrauter, inniger mit IHM gesprochen, als seine Mutter. Immer wo ER war, war auch sie: sogar unter dem Kreuz.

Was also zeichnet den "Mannschaftsgeist" von Pfingsten aus?
Einander vergeben, einander beistehen, über den Glauben sprechen, ihm verkünden, beten.

Dieser Geist hat eine Mannschaft zusammengeschweißt, die eine Einheit war. "Sie waren ein Herz und eine Seele...Sie hatten alles gemeinsam...Seht wie sie einander lieben" heißt es über die Urgemeinde in Jerusalem.

Und diese Mannschaft war so schlagkräftig, dass aus ihr die größte Weltreligion hervorging, dass selbst noch heute, hier in Recklinghausen Menschen an Christus glauben.

Dieser Geist stünde auch uns heute gut. Eine Krankenhausgemeinde ist etwas anderes als eine Pfarrgemeinde. Hier wechseln die Mitglieder oft. Es ist ein Kommen und Gehen. Und dennoch möchte ich uns als Gemeinde Fragen stellen:
Wie steht es um unsere Bereitschaft zu vergeben, z. B. wenn der Pfleger etwas unfreundlich oder die Patientin unwirsch reagiert haben sollte?
Gibt es unter uns aufmunternde Worte und Gesten?
Ist der Glaube auf Thema, wenn wir die Kapelle verlassen haben, sprechen wir mit anderen darüber, oder schämen wir uns eher?
Beten wir füreinander, für die Ärzte, Patienten, Schwestern, Angehörigen?

Liebe Schwestern und Brüder, wir werden weniger und wir gehen schwierigen Zeiten entgegen. Die Talsohle ist noch nicht durchschritten.
Wenn uns wirklich an unserem Glauben etwas liegt, dann sollten wir zusammenhalten und gemeinsam Wege suchen, den Glauben für uns neu zu entdecken und uns gegenseitig zu bestärken.

Nur, wenn wir selber überzeugt sind, können wir andere überzeugen.
Nur, wenn wir eins untereinander sind, können wir uns gegenseitig bestärken.
Das ist Mannschaftsgeist, der Siege schenkt.

Davon spricht Christus im heutigen Evangelium:
Sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir.
So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast.
Wir stehen vor dem Pfingstfest: Bitten wir in diesen Tagen unseren Herrn, dass er uns den Geist der Einheit schenken möge.

Dabei dürfen wir uns auf die Fürbitte Mariens verlassen. Sie ist für uns da, steht für uns ein.

272. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Der Gedenktag aller unserer Heiligen sagt uns, was das letzte Ziel unseres Lebens ist. Von diesem Ziel sprechen die Theologen in vergleichsweise dürren Worten wie „ewige Seligkeit“, „Gemeinschaft mit Gott“, „Schau Gottes“. Die Heiligen sind an diesem Ziel bereits angelangt, aber sie haben in ihrem Leben schon eine Fülle von Aspekten davon widergespiegelt.

"Ein Heiliger ist ein Mensch, durch den die Sonne scheint", hat einmal ein Kind gesagt. Es hatte nämlich vorher ein Kirchenfenster mit Heiligenfiguren gesehen und war erstaunt vom hellen Leuchten des Bildes, weil die Sonne es von außen bestrahlte und hindurchschien. Gott ist die Sonne unseres Lebens und will uns zum Leuchten bringen; und ein Heiliger ist, wer sich von dieser Sonne zum Leuchten bringen läßt, so daß andere es wahrnehmen können. Oder mit einem anderen Bild gesagt, das der heilige Franz von Sales geprägt hat: „Heilige sind die erklungene Symphonie, während das Evangelium die Partitur ist.“

Gott selbst ist der durch und durch Heilige, der Quell der Heiligkeit. Seine Schönheit und Herrlichkeit ist unermeßlich, sie ist schreckend und anziehend zugleich. Heute am Fest Allerheiligen erlaubt uns die Liturgie gleichsam einen Blick wie durch einen Spalt in den Himmel: eine große Schar aus allen Stämmen und Nationen, die niemand zählen kann, steht vor dem Thron Gottes – so die Vision des Johannes, die wir in der Lesung gehört haben. Die Heiligen singen das Lied der Rettung: „Lobpreis und Herrlichkeit, Weisheit und Dank, Ehre und Macht und Stärke unserem Gott in Ewigkeit.“

Dieser Blick nach oben, dieses anbetende Aufschauen zu Gott, ist für uns Menschen hier auf der Erde ganz wichtig. Es tut uns gut, unseren Geist zu erheben und immer mal wieder den Blick von all dem Ärgerlichen und Ermüdenden wegzuwenden, das unseren Alltag, auch den kirchlichen bestimmt. „Erhebt die Herzen!“ – „Wir haben sie beim Herrn!“ Das sind Worte, die zugleich eine unsichtbare Realität ausdrücken, die unserem sonst so platten oberflächlichen Leben erst die Tiefendimension gibt.

Dies soll jetzt schon in unserer Liturgie zum Ausdruck kommen, ja, sie soll ein Abbild der himmlischen Liturgie sein, von der wir in der Lesung gehört haben. Dazu ist es nötig, daß unser Gottesdienst nicht die Banalitäten des Alltags wiederholt, sondern sich wohltuend davon abhebt. Darum auch die vielen Zeichen und Symbole, der Blumenschmuck, die Kerzen und (manchmal wenigstens) der Weihrauch. Alle Dinge in der Kirche sollen ein Hinweis darauf sein, daß wir hier mehr tun als nur eine Versammlung abhalten und einer mehr oder weniger interessanten Rede zuzuhören. Wir feiern hier heiliges Geschehen und lassen uns beschenken von dem lebendigen Gott, der jetzt schon unter uns wohnt und den wir dereinst von Angesicht zu Angesicht schauen dürfen, wie die Heiligen, die im Himmel sind.

273. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Die Kreuzesinschrift hat, so wie dasteht, sie damals im Grunde nur ein höhnisches Lächeln hervorrufen können – angesichts der mit der Vorstellung eines Königs hervorgerufenen Erwartungen im Kontrast zur sichtbaren Wirklichkeit.

Man hatte erwartet und erwartet es auch heute noch, daß der Messiaskönig mit göttlicher Macht auf dieser Welt Ordnung schafft. „Bist du nicht der Messias? Dann hilf dir und uns!“ – „König der Juden“, das war ein Wort beißenden Spotts, der sich über ihn ergoß, über einen gedemütigten Menschen, der einerseits gefährlich erschienen war und andererseits als hoffnungsloser Utopist angesehen wurde.

War es eine bloße Utopie, die Jesus verkündete und für die er am Kreuz starb? Kann man von der Herrschaft Gottes sprechen, wenn sich nichts ändert? – Unmißverständlich sagt Jesus: „Mein Königreich ist nicht von dieser Welt.“ Das Gottesreich seines Vaters hat andere Gesetze als irdische Gesellschaften. Jesus hat keinen Anspruch auf ein irdisches Reich erhoben und auf irdische Mittel verzichtet. Zeitlebens hat er der Versuchung widerstanden, seine göttliche Macht einzusetzen, um sich den Weg zu unserer Rettung leichter zu machen. Als ihn eine jubelnde Schar zum Brotkönig machen wollte, da ist er geflüchtet. (Joh 6,15) Weder durch Gewalt noch durch äußere Attraktionen wollte er die Menschen ins Gottesreich führen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Allein durch seine Güte und Liebe will er die Menschen an sich ziehen, denn anders kann er ihren freien Willen nicht bekehren.

Bis heute wird ein Skandal darin gesehen. Denn diese Art des göttlichen Wirkens kommt ganz ohne Gewalt aus, ja ohne jede Gegenwehr. Sie macht sich angreifbar, schwach, wehrlos, ohnmächtig. Darum kann sie so grausam mißachtet, verletzt und verstümmelt werden bis dahin, daß die göttliche Herrlichkeit völlig unsichtbar geworden ist. Aber voll Nichtliebe denken wir meistens: Na ja, von mir aus kann der Messias ja mit sich machen lassen, wie er will. Soll er doch am Kreuz sterben! Aber mir kann er das nicht zumuten! Wenn mir was passiert, dann muß er eingreifen, dem Bösen wehren und mich retten.

Heißt er denn nicht der Retter? Der Messias hat doch göttliche Macht und Kraft, oder? Doch wenn wir genau ins Neue Testament schauen, stellen wir fest, daß das Wort „Retter“ gerade in Situationen der tiefsten Ohnmacht Jesu gebraucht wird. So fällt in die größte Armut des Geschehens von Bethlehem das Wort vom Retter: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren, er ist der Messias, der Herr“ (Lk 2,11). Den Menschen retten bedeutet, die Herrschaft Gottes auf dieser Welt wiederherzustellen. Wo Gott herrscht, da wird der Mensch heil. Jesus hat bei den Verachteten und Bedeutungslosen angefangen, die Herrschaft Gottes wieder aufzurichten.

Besonders Lukas zeigt uns Jesus als den Retter all derer, die von allen anderen im Stich gelassen wurden, nämlich der Armen, der Zöllner und Sünder. Irdische Macht kann sie aussondern, bestrafen und zur Ordnung zwingen. Aber heilen und retten, von Schuld befreien und die Menschenwürde zurückgeben, das kann nur der Heiland der Welt, der die Herzen zu ändern vermag.

Der eine Schächer am Kreuz hat ihn als Retter aus tiefster innerer Not erkannt. Alles hat er verloren: seine Ehre, seine Menschlichkeit, sein Leben. Gerade er aber bezeugt, daß dieser Jesus neben ihm Macht wie kein anderer hat. Dieser kann die Tore auftun in ein neues und herrliches Reich. Dieser machtlose Herr am Kreuz offenbart ihm denn auch seine verborgene Macht: „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!“

Wer sich seiner Verlorenheit bewußt ist wie dieser Verbrecher, findet in dem machtlosen Jesus am Kreuz den mächtigen Retter. Jesus nimmt den Menschen zwar ihr Kreuz nicht ab. Er hat ja auch den Verbrecher nicht vom Kreuz heruntergenommen. Aber er leidet mit ihnen und macht ihnen so den Weg zu seiner Liebe leichter. Dieser Weg ist der Glaube, mit dem sich der Mensch rückhaltlos in Gott und seine Liebe fallen läßt.

Wo immer Christen den Weg der Liebe zum andern gehen, nach diesem „königlichen Gesetz“ leben, da bauen sie an dieser Königsherrschaft mit. Dieses Gesetz wird sie drängen, die Maßstäbe der Gottesherrschaft auch im öffentlichen und gesellschaftlichen Leben zur Geltung zu bringen.

Die Stichworte, die wir heute nach Hause mitnehmen können, sind Güte und Liebe. Am Freitag haben wir das Fest der hl. Elisabeth gefeiert. Diese Frau hat uns vorgemacht, wozu der Mensch fähig ist, der von der Liebe und Güte Jesu ganz ergriffen ist. Alles, was sie an Besitz hatte, und ihre ganze Kraft hat sie eingesetzt für die Armen ihrer Zeit und die Kranken. Und was mußte sie alles an Enttäuschung und Undankbarkeit einstecken! Dennoch gab sie nicht auf, weil Christus ihr König und ihre stetige Kraftquelle war. Solche Heiligen brauchen wir auch heute, und wir sollten uns daran erinnern, daß wir alle zu solcher Heiligkeit berufen sind. Hier bauen wir uns unseren Himmel oder unsere Hölle – je nachdem, ob wir der Liebe Raum geben oder der Gleichgültigkeit. „...Dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut, dann wohnt er schon in unserer Welt, ja dann schauen wir heut schon sein Angesicht in der Liebe, die alles umfängt.“

274. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Das heutige Fest hat den Namen „Fronleichnam“. Wahrscheinlich wissen viele gar nicht, was dieses Wort bedeutet: „Vron“ heißt auf den Herrn bezogen, ihm geweiht, „Leichnam“ bedeutet Leib. Gemeint ist der Herrenleib, der heilige Leib Jesu. Den also feiern wir heute.

Aber hier können wir schon ins Stutzen kommen: Wie kann man einen Leib feiern? Feste zu Ehren unseres Herrn Jesus Christus haben wir ja jede Menge, vor allem das Fest seiner Geburt und seiner Auferstehung. Aber ein eigenes Fest für seinen Leib?

Am Weihnachtsfest wird uns verkündet: „Das Wort ist Fleisch geworden.“ Achten wir einmal genau auf den Wortlaut; es heißt ja nicht: „Das Wort ist Geist geworden.“ Was Gott uns zu sagen hat, das sagt er uns in seinem Sohn nicht nur auf geistige Weise, sondern leibhaftig, mit seinem Fleisch und Blut. Jesu Fleisch und Blut ist wirklich eine Mitteilung Gottes, ein Wort, ein Geschenk, eine Übergabe von ganz besonderer, eben göttlicher Art. Wenn wir uns schon freuen über die alltäglichen göttlichen Gaben wie z.B. Getreide, Gemüse, Wasser, Sonne usw., wieviel mehr müssen wir uns dann freuen über diese einmalige Gabe Gottes: seinen Mensch gewordenen Sohn, der im Fleische sichtbar erschienen ist. Ja, vom heutigen Fest her gesehen, müssen wir noch einen Schritt weitergehen und sagen: Jesus ist nicht nur im Fleische sichtbar erschienen, er hält mit uns eine fortdauernde leibliche Gemeinschaft. Wir haben nicht nur geistigen Kontakt mit Jesus, etwa wenn wir zu ihm beten, sondern wir können leiblich mit ihm eins werden, dann nämlich wenn wir seinen Leib und sein Blut empfangen in der heiligen Kommunion.

Schon in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen ist es ja so, daß uns die rein geistigen Kontakte nicht genug sind. Es ist zwar schön, an einen geliebten Menschen zu denken, mit ihm zu telefonieren, aber nichts geht über eine zärtliche Berührung.

Wenn wir die Bibel aufschlagen, entdecken wir auf vielen Seiten, welch intime Gemeinschaft uns Gott anbietet. Dies wird sehr oft mit dem Bild der ehelichen Gemeinschaft ausgedrückt: Gott schließt mit seinem Volk einen Bund, der so innig ist wie der Bund der Ehegatten, ja, der von Gottes Seite her eine unverbrüchliche Treue einschließt. Dieser Bund erfährt im Neuen Testament eine Überbietung, die wir uns nie hätten ausdenken können: Gott besiegelt seinen Bund mit der Hingabe seines Sohnes, mit seinem Leib, den er für uns hingegeben hat, und mit seinem Blut, das er für uns vergossen hat. Gottes Liebe wird erwiesen durch eine leibhaftige Tat: Jesus läßt seinen Leib für alle Schuld der Welt zerbrechen und sein Blut für alle ichsüchtigen Menschen vergießen.

Von nun an können wir Gottes liebendes Wort ganz in uns aufnehmen, indem wir Jesus in uns aufnehmen in der eucharistischen Gestalt seiner Hingabe, nämlich in der Hostie. (Hostie heißt ja auf Deutsch: Opfer, Hingabe). Dann sind wir wirklich in ihm, und er ist in uns.

So haben wir wirklich allen Grund, ein Fest zu feiern, ein Fest des Leibes und Blutes Jesu, ein Fest, das das himmlische Hochzeitsmahl vorwegnimmt: „Selig, die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind!“

275. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

ÜBER DEN HIMMEL: 4. VORGESCHMACK AUF DEN HIMMEL - Das Fest Christi Himmelfahrt wird in unserer Gemeinde von der Feier der Erstkommunion ein wenig in den Hintergrund gedrängt. Morgen sehen wir vor allem die Kinder in ihren Festgewändern, viele gehen zum Nachbarn, um dort zu gratulieren. Aber auch diejenigen, die nicht unmittelbar mit der Erstkommunion zu tun haben, werden in der Mehrzahl den morgigen Tag als freien Tag genießen, manche begehen ihn als Vatertag. An diesem Tag können wir etwas unternehmen, etwas erleben; wir gehören uns selbst. Das ist auch schön – aber wir sollten dabei die Bedeutung dieses hohen Festes nicht aus den Augen verlieren!

Das Fest Christi Himmelfahrt legt uns die Frage nahe: „Worauf blicken wir, was haben wir im Blickfeld? Woran halten wir uns, was hält uns in Krisenzeiten?“ Religion heißt zu Deutsch Rückbindung, nämlich Rückbindung des Menschen an Gott. Wer religiös ist, der weiß sich von Gott gehalten und getragen, der schaut nicht nur in die Horizontale, hin zum anderen Menschen und zu den Dingen dieser Welt, sondern der schaut auch nach oben, zu Gott, dem Herrn und Schöpfer aller Dinge. Der erwartet Heil und Frieden nicht zuerst von endlichen Gestalten, sondern vom Unendlichen Gott. Der weiß sich nicht allein gelassen im Daseinskampf, der weiß sich getragen von dem, der den Tod überwunden hat und nun eingetreten ist in das Reich des Vaters und doch bei uns bleibt und uns inmitten von Leid und Tod einen Vorgeschmack der Herrlichkeit des Himmels schenkt.

Wie aber erfahren wir diesen tröstenden Vorgeschmack? Achten wir auf das heutige Gabengebet, in dem es heißt: „Allmächtiger Gott, gib uns durch diese heilige Feier die Gnade, dass wir uns über das Irdische erheben, indem wir es zu dir erheben, auf dass du all unser Denken und Tun segnest und so selbst vollendest, was wir in Schwachheit beginnen.“

"Erhebet die Herzen! – Wir haben sie beim Herrn."Dieser Dialog soll nicht ein bloßes Wortgeplänkel sein, sondern die Tiefenschicht unserer Wirklichkeit zum Ausdruck bringen. Indem wir die irdischen Gaben von Brot und Wein zu Gott erheben, erheben wir uns selbst, unsere Herzen, über das Irdische und tauchen ein in das Himmlische. Wir fahren so gleichsam mit Christus zum Himmel auf und erfahren den Segen Gottes über uns, in uns und um uns herum. Auch wenn wir nur in Schwachheit beginnen können, so wird Gott doch unsere Bewegung zu ihm vollenden. Und dann kehrt sich die Bewegung um, und Gott steigt herab auf den Altar, wandelt die Gaben in den Leib und das Blut Jesu Christi und mit diesen Gaben uns selbst. Alles was dazu nötig ist, ist die schwache Erhebung unserer Herzen, das Eingehen in die Hingabebewegung Jesu zum Vater.

Die Erhebung unserer Herzen zu Gott gipfelt im Geschenk der Kommunion. Kommunion heißt Gemeinschaft bzw. Vereinigung: Gemeinschaft mit Gott durch Christus und miteinander - alle, die wir an der Kommunion Anteil nehmen. Die Sehnsucht der Liebe kommt erst ans Ziel, wenn sie sich mit dem Geliebten vereint, verbindet und EINS wird. Dies geschieht auf wunderbare Weise, wenn Jesus in der Eucharistie unsere Speise wird: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm.“ In der Messe sind wir nicht nur geistig mit Jesus verbunden, indem wir an ihn denken und unser Herz zu ihm erheben, sondern Jesus kommt mit Leib und Seele in unseren Leib und in unsere Seele. In einem Gebet für Kinder heißt es deshalb sehr treffend: „Du mein Jesus bist mein Freund, ganz bin ich in dir vereint, du in mir, herzlich dank’ ich dir dafür.“

Weil dies so ist, darum ruft der Priester vor der Kommunion aus: „Selig, die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind!“ Dieses Hochzeitsmahl findet im Himmel statt, aber auch hier auf der Erde – in jeder Messe. Himmel und Erde berühren sich, sind ungetrennt in der seligen Hochzeitsfeier, also der Feier, die das Glück der endgültigen Vereinigung von Gott und Mensch genießt. „Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich.“ (Jes 62,5) Es ist Gottes Freude, unter den Menschen zu sein, denn Gott hat Sehnsucht nach Wesen, die gemeinsam mit ihm lieben, d.h. nach uns Menschen. Und so sind wir geschaffen, daß unsere höchste Freude darin besteht, diesen Gott, der die Liebe selbst ist, zu lieben und seine Gemeinschaft zu genießen. „Selig, die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind!“ Selig, die die Messe als Vorgeschmack auf die ewige Seligkeit erleben.

276. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

„Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut, siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan.“ Dieses Preisgebet Marias wird uns heute vorgelesen, damit wir in seinem Licht das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel besser verstehen können. Das Große, das Gott an Maria getan hat, ist, daß an ihr der Ostersieg schon volle Wirklichkeit geworden ist; es ist die endgültige Erlösung, die wir für uns alle erhoffen. In der Präfation betet die Kirche heute: „Ihr Leib, der den Urheber des Lebens geboren hat, sollte die Verwesung nicht schauen.“ Wenn wir auf Maria schauen, werfen wir sozusagen einen Anker in das Reich der Vollendung und festigen unsere eigene Hoffnung auf Vollendung.

Schon in den Anfängen der christlichen Besinnung auf die Heilsereignisse haben die Theologen Maria mit Eva verglichen und in ihr die neue Eva gesehen. So sagt zum Beispiel der heilige Irenäus von Lyon: „Wie durch den Ungehorsam einer Jungfrau der Mensch zu Fall gebracht wurde, stürzte und starb, so empfing der Mensch durch eine Jungfrau, die auf Gottes Wort hörte, das Leben der Seele. [...] Es war notwendig und billig, daß bei der Wiederherstellung Adams in Christus das Sterbliche vom Unsterblichen verschlungen werde und in ihm aufgenommen werde und die Eva von Maria, auf daß die Jungfrau Fürsprecherin der Jungfrau werde und den jungfräulichen Ungehorsam entkräfte und aufhebe durch den jungfräulichen Gehorsam.“

Als die neue Eva ist Maria wie ein Spiegel, in dem sich die Großtaten Gottes in tiefster und reinster Weise widerspiegeln. An ihrer leiblichen Aufnahme in den Himmel ersehen wir insbesondere auch die Würde des Leibes, der teilhaben soll an der ewigen Herrlichkeit. Der Apostel Paulus spricht davon, daß Christus „unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes“ (Phil 3,21) Davon können wir ein Lied singen, vom „armseligen Leib“. Nicht gerade wenn wir auf die Athleten von Olympia schauen. Aber jeder von uns kennt Menschen, die altersschwach oder krank sind, und wir alle werden irgendwann die Armseligkeit des Leibes erfahren müssen. Da ist es ein Trost, wenn wir hören, daß die Erlösung auch diesen Leib betrifft. Wir Christen glauben nicht nur an die Unsterblichkeit unserer Seele, sondern auch – was viel mehr ist – an die Auferstehung unseres Leibes. Der ganze Mensch ist von Gott gewollt. Unser Leib ist nicht für die Auflösung und Verwesung geschaffen, sondern hat eine Zukunft in der Ewigkeit.

Als Papst Pius XII. 1950 das Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel verkündete, sahen viele darin das notwendige Gegengewicht zu einer menschen- und lebensverachtenden Geisteshaltung, die sich nach den Schrecken des Krieges gebildet hatte, einer Geisteshaltung, die zum Teil verzweifelt und zum Teil zynisch war, bis hin zum Ekel vor dem Dasein. Heute gibt es diese Geisteshaltung wieder, als Reaktion auf das Empfinden der Leere in den Herzen. Der Durst nach Leben wird durch den Materialismus und Konsumismus nicht gestillt, sondern frustriert, und so mehren sich die Stimmen, die eine rein geistige Erlösung predigen, eine totale Loslösung von allem Leiblichen. Auf das eine Extrem folgt leicht das gegenteilige. Unser christlicher Glaube hält dazwischen die rechte Mitte: weder Vergötzung noch Verachtung des leiblichen Lebens. An Maria wird uns deutlich, was Gott an dem Menschen zu tun gedenkt, der sich für seine Gnade öffnet. Ja, der Mächtige hat Großes getan – an Maria und auch an uns.

277. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

„Ich frag mich, wo die Zeit geblieben ist“ – das ist ein Ausspruch, den wir oft hören und selber auch immer wieder in den Mund nehmen, ein Seufzer darüber, daß das Leben unter unseren Händen zu zerrinnen scheint. Mir selbst fiel vorige Tage ein, daß ich bereits vier Monate in Südkirchen bin – und ich frage mich, wo insbesondere die letzten zwei Monate geblieben sind.

Einen Rückblick auf das vergangene Jahr 2003 kann ich Ihnen nicht geben, dazu fehlen mir die ersten zwei Drittel in Ihrer Gemeinde. Es war auf jeden Fall ein Jahr voller Überraschungen und Wendungen, voll Bangen und Hoffnung. Und zum Jahreswechsel kommt noch eine eigenartige innere Unruhe hinzu, läßt doch die Zeitenwende immer Ängste und Sorgen ans Tageslicht kommen, die sonst in uns verborgen sind. Wie wird es weitergehen? Wie werden sich Gesellschaft, Arbeitsmarkt und unsere sozialen Möglichkeiten entwickeln? Was wird aus der Kirche, den Familien und den christlichen Gemeinden werden? Wie wird der Glaube an die nächste Generation weitergegeben werden? Damit uns diese Fragen nicht schrecken, tun wir gut daran, uns zu erinnern, daß wir unseren Weg bisher nicht alleine gehen mußten, sondern auf Gottes Treue bauen konnten. Gottes Treue hat uns begleitet und wird uns weiter begleiten.

Dies können wir uns bewußt machen, wenn wir den priesterlichen Segen des Aaron über das Volk Israel näher betrachten, den wir gerade in der Lesung gehört haben. Die Situation, in die dieser Segen hineingesprochen wurde, war diese: Das Volk Israel steht in seinem langen Wüstenzug. Es ist unterwegs zum gelobten Land. Doch der Weg zieht sich hin. Oft zweifelt das Volk und murrt über sein Schicksal. Wenn nun Aaron und seine Priester den Segen sprechen, wecken sie in Israel zuerst die Erinnerung, daß das Volk nicht allein unterwegs ist und zu keinem Zeitpunkt seines Weges allein war. Oft haben die Propheten und Führer Israels diese Erinnerung bemüht. Die Erinnerung wurde für Israel immer zu einer Quelle der Kraft. Sie führt immer wieder zu der fundamentalen Erkenntnis, daß Gott treu ist und die Seinen nicht alleine läßt.

Und so heißt es dann im Segensgebet: „Der Herr segne dich und behüte dich!“ Das Wort „Segen“ bedeutet Fruchtbarkeit und Lebenskraft sowie Zuwendung und Glückserfahrung. Das Wort „Behüten“ erinnert an den Hirten, der alles für die Seinen tut und sie mit seinen Händen umsorgt – einmal dargestellt in Dorothea Steigerwalds Plastik namens „Bleib sein Kind“, die ein Kind zeigt, das sich in eine große liebevolle Hand schmiegt. Das Segenswort sagt also, daß Gott uns in seine hütende Hand nehmen möge, um unser Leben reich, fruchtbar und glücklich zu machen.

"Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig." Gottes Angesicht ist uns aufgestrahlt in Jesus Christus. So schreibt es Paulus: „Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi.“ (2 Kor 4,6) An Christus entdecken wir, daß Gott Vater seine Gnade, seinen Charme und sein Erbarmen uns zuwenden will. Das Segenswort spricht uns zu, daß wir Gottes Liebe im Herzen spüren mögen, daß sie uns hautnah ergreift und beflügelt, auf daß auch wir Liebende werden und strahlende Gesichter bekommen.

Mit etwas anderen Worten spricht auch das Lied, das wir gerade gesungen haben, von dieser Zuversicht in Form einer Bitte:
„Meine Zeit steht in deinen Händen. Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir.
Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden. Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir.“
Es ist die verfließende Zeit, die uns so oft bedrückt und besorgt. „Mutlos frag ich: Was wird morgen sein?“ – „Hilflos seh’ ich, wie die Zeit verrinnt. Stunden, Tage, Jahre gehen hin, und ich frag, wo sie geblieben sind.“ – Die Erfahrung der knappen Zeit macht uns zu schaffen: „Hast und Eile, Zeitnot und Betrieb nehmen mich gefangen, jagen mich.“ Doch die Erfahrung des Gläubigen, die nur in Erinnerung gerufen werden muß, hält dagegen: „Du liebst mich, du läßt mich los. Vater, du wirst bei mir sein.“ Gott erhört die Bitte: „Herr, ich rufe: Komm und mach mich frei! Führe du mich Schritt für Schritt.“

Das Geheimnis des Trostes liegt in der Erinnerung. Wer in sein Leben hineinspürt und sich zu erinnern weiß, der kann guten Mutes sein, denn er erinnert sich an die Geborgenheit, die Gott immer und immer geschenkt hat. Maria kann uns da ein Vorbild sein, sie, die „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte“. Im Herzen wird das Erlebte zu einer Quelle persönlichen Reichtums, die Erinnerung läßt die Segensworte nicht hohl klingen, sondern verleiht ihnen einen kräftigen Resonanzboden.

Wenn wir am Beginn des neuen Jahres also den Segen Aarons auf uns legen lassen, dann erinnern wir uns an Gottes Treue und dürfen uns in ihr weiter geborgen wissen. Gott ist als der Ewige der Herr über die Zeit, in seinen Händen steht all unsere Zeit, auch die ungewisse Zukunft. So können wir den Weg in die Zukunft getrost und ermutigt gehen.

278. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)

Brannte uns nicht das Herz...Und in derselben Stunde brachen sie auf.

Liebe Schwestern und Brüder,
mit brennendem Herzen machen sich die Jünger von Emmaus auf den Weg, um den anderen zu erzählen, dass Jesus lebe.
Sie sind Feuer und Flamme für den Auferstandenen. Ihre Begegnung mit ihm schenkt ihn einen nie dagewesenen Elan.

Dank solcher Menschen - mit für Christus entbrannten Herzen - haben wir hier unseren Glauben erhalten.
Dank der Apostel, dank der Missionare der frühen Kirche, dank des hl. Liudger, der ersten Bischofs unserer Diözese, dank so vieler Heiliger und Seliger, dank so vieler Glaubenden aus allen Schichten, dank unserer Eltern, Lehrer...

Und heute?

Nur ungefähr die Hälfte der Deutschen ist noch getauft.

Gerade einmal 15% der Katholiken unserer Diözese gehen noch regelmäßig zur Sonntagsmesse. Das heißt im Umkehrschluß: 85% kommen nicht. Wir sind in unserer Kirche in der Minderheit!

Es fehlt an Berufungen. Das gilt sowohl für die Orden, wie für die Priester. Als ich 1990 mein Theologiestudium begann, waren wir 110 Priesteramtskandidaten im Collegium Borromaeum. Als ich meine Studien beschloß waren es noch die Hälfte, 55. Heute sind es um die 25.

Erlischt die Flamme des Glaubens in unserem Land?
Gibt es noch brennende Herzen?
Sind unsere Herzen abgekühlt?

Liebe Schwestern und Brüder,
Das christliche Abendland, Deutschland, Recklinghausen ist Missionsgebiet!!!

Was nottut sind brennende Herzen, vom Geist entflammte Christen, die dieses Missionsgebiet beackern, neu-evangelisieren, wenn wir wirklich wollen, das der Glaube weiterlebt, eine Chance hat in unseren Breiten.

Aber woher sollen diese Christen kommen?
"Herr Kaplan, wir haben doch keine christlichen Familien mehr!" höre ich dann oft klagen. Stimmt, es gibt wohl nur noch wenige christliche Familien in unseren Gefilden. Die selbstverständliche Glaubensweitergabe von Generation zu Generation scheint unterbrochen, zumindest schwer gestört zu sein.
Aber das ist kein Grund, zu verzweifeln, die Hände in den Schoß zu legen und zu jammern.
Immerhin gibt es hier immer noch mehr christliche Familien als damals in Emmaus oder Jerusalem.

Brannte uns nicht das Herz...Und in derselben Stunde brachen sie auf.
Was hat das Herz der Jünger damals brennen gemacht? Schauen wir uns die Stelle genauer an. Vielleicht finden wir dort Hinweise.

Er sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen. Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn.
Als sie mit Christus beteten erkannten sie ihn.
Im sakramentalen Zeichen der Eucharistie, im Brotbrechen erkannten sie ihn.

Nicht während sie über ihn redeten, sondern während sie mit ihm redeten, Gottesdienst feierten, erkannten sie ihn.

Das Gebet und die Feier der Sakramente sind der Weg, um Christus wirklich zu begegnen, die Herzen zu entflammen.
Das ist das Entscheidende. Das bleibt das Entscheidende.
Christus begegnet mir nicht in Pastoralplänen, Umstrukturierung der Diözese, Konferenzen, Tagungen. All das hat seine Bedeutung. Doch wenn es zu wichtig wird, zu hoch eingeschätzt wird, dann erstickt all das die Glut des Glaubens.
Wenn all diese Pläne, Strukturen, Konferenzen, Tagungen nicht zum Gebet führen, die Sakramente erschließen, dann sind sie wie eine Art Käseglocke, die dem Feuer des Glaubens den nötigen Sauerstoff nehmen.

Um das Feuer des Glaubens im Herzen, in meinem Herzen wach zu halten, bedarf es des beständigen Gebetes, des würdigen Empfanges der Sakramente. Gebet und Sakramente sind sozusagen das Holz, das dem Feuer Nahrung gibt. Selbst das kleinste Stoßgebet hält den Glauben am Brennen, wie ein kleiner Reisigzweig das Feuer.

Liebe Schwestern und Brüder,
vielleicht werfen Sie mir jetzt innerlich vor, dass ich die ganze Sache vereinfache. Als ob das Gebet und die Sakramente alles wäre.
Vielleicht haben Sie mit diesem Vorwurf sogar Recht.

Aber ich bin sicher, felsenfest davon überzeugt, dass ohne Gebet und Sakrament alles nichts wäre.
Ein geistlich erfahrener Autor hat einmal gesagt:
"Katholiken, die nicht mehr regelmäßig beten und die Sakramente empfangen leben für eine gewisse Zeit noch von ihren geistlichen Reserven und dann...vom Schwindeln...".

Damit die Flamme des Glaubens weitergegeben werden kann, muß die Kirche eine betende Kirche sein. Und die Kirche sind wir, sind Sie und ich.
Das Gebet, egal ob vorformuliert oder frei, ob lang oder kurz, ob Dank oder Bitte - das Gebet ist immer ein Zeichen der Treue.
Wer betet, bleibt Gott treu. Wer die Sakramente empfängt, bleibt Gott treu. Das gilt für jeden Gläubigen wie für die ganze Kirche.

"Wir sind gekommen, um ihn anzubeten." So lautet das Leitwort des Weltjugendtages kommendes Jahr in Köln. Hunderttausende junger Christen werden in diesen Tagen mit dem Hl. Vater beten und die Sakramente empfangen. Besonders auch das Sakrament der Versöhnung. Tausendfach. Wie schon an den Weltjugendtagen zuvor.
Ein großes Zeichen der Hoffnung, dass der Glaube auch bei uns noch Zukunft hat. Ich möchte Sie alle herzlich dazu aufrufen, diese Tage in Köln schon jetzt mit dem eigenen Gebet vorzubereiten, damit in vielen Menschen Herzen zu brennen anfangen. Für Christus.

Brannte uns nicht das Herz...Und in derselben Stunde brachen sie auf.
Liebe Schwester Gertrude!
"Sagen Sie ja nicht viel über mich, Herr Kaplan. Sonst werde ich Ihnen böse." So haben Sie mich eindringlichst gebeten. Deshalb habe ich bisher auch nur über das Gebet und die Sakramente gesprochen. Und über die Treue.
Und ich vermute mal, dass Sie mir recht geben werden, dass Ihr 40jähriges Ordensjubiläum, das Sie heute mit uns feiern, nicht vorstellbar wäre, ohne ein Leben des Gebetes und den Empfang der Sakramente.
Mit Ihnen freuen wir uns alle heute, dass Gott Ihnen treu geblieben ist. Und dass Sie ihm treu geblieben sind.
Wir haben Grund zu danken, weil wir an einem solchen Tag wie diesem sehen, dass das wirklich geht,
dass ein Herz wirklich brennen kann für Christus – mal lodernd, mal schwach,
dass es sich lohnt, dem Herrn treu zu bleiben – in guten, wie in schlechten Tagen.
Mit unseren Glückwünschen verbinden wir gleichzeitig das Versprechen, für Sie zu beten. Und wir alle hier sind sicher, dass wir auch in Ihrem Gebet heute Platz finden werden.
Ansonsten werde ich nämlich böse ...

279. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmid (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Was ist das Leben, was für ein Rätsel ist doch der Mensch? Was habe ich auf dieser Erde zu schaffen? Selten, aber dann um so heftiger kann diese Frage aus unserem Inneren herausbrechen, ausgelöst z.B. durch eine schwere Krankheit oder auch durch den Tod eines lieben Menschen. So erging es den Zeugen der Kreuzigung Jesu, vor allem Maria, der Mutter Jesu, Maria von Magdala und dem Apostel Johannes. Maria von Magdala kennen wir aus anderen Berichten des Evangeliums; sie hat Jesu heilende Liebe in besonderer Weise erfahren, und darum hat sie ihn so außerordentlich geliebt. Und darum wollte sie auch so früh zum Grab Jesu, um ihm nahe zu sein, wenigstens seinem Leichnam. Der Sinn ihres Lebens war zusammengebrochen – was bedeutete ihr Leben noch, wo Jesus, den sie über alles geliebt hat, tot war?

Maria Magdalena ist sich selbst zum Rätsel geworden. Wie Schreie brachen die existentiellen Fragen aus ihrer Seele hervor. „Woher komme ich? Warum überhaupt dieses Ich? Warum kein anderer? Wie ist es möglich, daß es mich gibt? Mich, der ich unverwechselbar bin? Wer hat mich gemacht? Warum bin ich in diese Welt hineingeworfen? Warum ist alles vergänglich? Wieso sterben die Menschen, die wir doch so lieben, ohne die ein Stück unseres eigenen Lebens fehlt?“

Es ist heute so schwer, solche Fragen ernsthaft zu stellen, weil wir es gewohnt sind, alles locker und leicht zu nehmen, gerade auch die Beziehung zum anderen Menschen, gerade auch die Liebe. Wenn ich alles nur locker nehme, dann ist alles gleichgültig, es geht mich nichts an. So wird oft gesagt: Was nach dem Tod kommt, das weiß keiner. Der eine sagt: Nach dem Tod kommt gar nichts mehr, und der nächste: Die Seele lebt irgendwie weiter; und andere meinen, sie inkarniert sich in Pflanzen, Tieren oder sonstwie. Wieder andere sagen, die Seele kommt in den Himmel, aber was das heißt, weiß ich auch nicht.

Doch diese Frage ist eben keineswegs gleichgültig. Sie muß gestellt werden, und zwar immer, jetzt, nicht erst, wenn ich alt bin und vielleicht dem Tod schon näher ins Auge sehe. Ich muß sie schon als junger Mensch stellen. Als ich 17 Jahre alt war, da war das die wichtigste Frage meines Lebens, und ich habe gesucht und gesucht, diese Frage zu beantworten. Das Wichtigste überhaupt war, die Antwort zu finden. Die Frage muß brennen, sie muß weh tun, sie muß mich unruhig machen, so wie sie die Menschheit seit Bestehen unruhig gemacht hat. „Wozu dieses Ich, wenn es doch so jämmerlich stirbt?“ Alles wird absurd, wenn es auf diese Frage keine Antwort gibt. Was bleibt, wenn ich dieser Absurdität ins Auge sehe, das ist der blanke Egoismus – wie Paulus schreibt: „Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann laßt uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ Der Egoismus schlägt oft in Grausamkeit um – das zeigt uns die Geschichte über die Jahrhunderte, das erfahren wir beinahe tagtäglich in den Nachrichten. Wenn man überhaupt nichts mehr für sinnvoll hält, erst recht seine eigene Existenz nicht, dann kann man auch auf alles einschlagen.

Wenn der Tod das Leben endgültig beendet, dann bestimmt der Erfolg, was Wahrheit ist, dann gilt das Recht des Stärkeren, dann gibt es nur die mitleidlose Ellenbogengesellschaft, deren Härte wir zunehmend beklagen. Dann leben wir in einer Welt, in der jeder vor dem anderen Angst haben muß, davor, daß er vielleicht stärker ist als ich und mich übermächtigt. Dann leben wir in einer Welt des Unfriedens, des Kriegs und des Terrors, kurz, dann leben wir in einer Kultur des Todes, wie der Papst schon seit Jahren sagt.

Allein, wer will das denn? Wir wollen doch in einer Zivilisation der Liebe leben, und darum ist es so wichtig, daß wir auf die Frage „Was kommt nach dem Tod?“ eine Antwort haben und daß diese Antwort auch unsere Vernunft beruhigt. Es wird oft gesagt: „Es ist ja noch keiner wiedergekommen – wie sollen wir es dann wissen?“ Aber gerade das stimmt nicht, denn es ist einer wiedergekommen, und das feiern wir heute an Ostern. Ein Einziger freilich nur, sonst ist noch keiner wiedergekommen, aber dieser Jesus von Nazareth, der auf so schmähliche Weise umgebracht wurde, der drei Tage im Grab lag – er ist auferstanden. Das ist die große Überraschung. Keiner hätte sich das ausdenken können, dieses Ereignis war unberechenbar. Obwohl Jesus es ja selbst angekündigt hat, konnte es ihm keiner glauben, denn es übersteigt schlechterdings die Erfahrung des Menschen. Und doch ist das Unglaubliche passiert. Der schwere Stein war kein Hindernis, er war plötzlich weggerollt, wer weiß wie, und der Tote lag nicht mehr im Grab. Das leere Grab für sich allein ist natürlich kein voller Beweis. Immerhin - Johannes, der Jünger, den Jesus besonders liebte, sah das leere Grab und das zusammengebundene Schweißtuch und glaubte. Und in den folgenden Tagen ereignete sich dann der endgültige Beweis: Der Auferstandene erschien seinen Jüngern, die um ihn getrauert haben, und nicht einmal, sondern mehrfach, nicht nur einer Person, sondern mehreren. Er ließ sich von seinen Freunden wiedererkennen, er zeigte seine Wundmale. Er ist derselbe, und doch ist er anders, er ist irgendwie überirdisch, er läßt sich nicht festhalten, er ist plötzlich weg, und dann taucht er wieder auf. Eben das, was wir Verklärung nennen, ist an ihm geschehen. Er ist schon nicht mehr in dieser Welt, er erscheint nur noch, um uns zu zeigen, daß das, wovon er gesprochen hat, wahr ist, daß er beim Vater in der ewigen Wohnung ist, die er auch für uns bereitet hat.

Es kann keine Halluzination gewesen sein, weil es so viele waren und weil es an so vielen Orten geschehen ist, und weil es nicht vorausgewußt werden konnte, ja nicht einmal für möglich gehalten wurde. Etwa die traurigen Emmausjünger, die glauben, daß alles aus ist, sie sehen ihn plötzlich wieder. Unerwartet, unglaublich, wunderbar. Es ist auch keine erdachte Geschichte oder Lüge, denn sonst wären die Zeugen sicher nicht bei ihrem Wort geblieben, wurden sie doch bedrängt zu widerrufen, unter Druck gesetzt, mit Haft, ja mit dem Tod bedroht. Sie hielten Stand, und sie sind alle für dieses Zeugnis in den Tod gegangen, ausnahmslos. Am erstaunlichsten war die Bekehrung des Paulus, der die Christen gehaßt und verfolgt hat, doch plötzlich seine Leben änderte, weil ihm Jesus erschienen war.

Und so, wie Paulus sein Leben geändert hat, weil das Osterereignis ihm als wahr aufgeschienen ist, müssen auch wir unser Leben in diesem neuen Licht sehen und es ändern. Alles ist neu und anders geworden durch die Auferstehung Jesu!

Unser Leben bekommt eine neue Tiefe und neuen Ernst. Das Gebot der Liebe, von dem Christus immer wieder spricht, gewinnt Kontur. Lieben heißt: sein Leben hingeben für die anderen, den Egoismus überwinden, in das Opfer Christi eintreten und von ihm ewiges Leben empfangen. „Aufbruch und Befreiung“ ist das Motto, das wir über die österliche Zeit gestellt haben. Es mahnt uns, unser eigenes Leben mit neuem Ernst anzusehen und zu bewerten, es nicht zu locker und zu leicht zu nehmen.

Denn das, was wir nach dem Tod erwarten, ist nur die Besiegelung dessen, was wir hier in diesem Leben tun. Die Liebe macht unseren Blick rein, während der Egoismus ihn trübt und alles in verzerrtem Licht darstellt. Die Liebe fördert die Gemeinschaft, und der Egoismus führt uns in die Einsamkeit, und die letzte Einsamkeit ist eben dann erreicht, wenn ich keine Gemeinschaft mit anderen mehr habe. Dann ist die Hölle erreicht: dort sehe ich nur noch mich selbst und „freue“ mich, daß ich nun meinen Willen ganz alleine durchsetzen kann. Aber es gibt dann keinen anderen mehr, mit dem ich diese zweifelhafte Freude teilen kann. Ganz das Gegenteil die Liebe: Klarheit und Strahlen, sie verbündet sich mit allen Menschen, wenn sie an ihr Ziel gekommen ist, und kennt keine Konkurrenz und keine Angst vor dem Anderen.

Durch die Auferstehung Jesu sind wir befreit aus der Sklaverei der Sünde, aus dem Gefängnis unserer Angst. Jesus hat uns herausgeholt aus unserer Selbstsucht. Wir sind frei, für die Liebe zu leben und in ihr zu wachsen, und wir sind frei, wieder zurückzugehen in das egoistische Leben, wenn wir wollen. Durch Jesus Christus haben wir die Kraft, aus der Macht des Bösen zu entkommen und als freie Menschen zu leben. Es lohnt sich, gegen die Neigung des Bösen zu kämpfen, sie ist kein Schicksal. Wir können am heutigen Osterfest den Sieg Christi über das Böse feiern und den ewigen Lohn für unsere dankbare Liebe erwarten.

280. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

In dieser Heiligten Nacht (an diesem Weihnachtsmorgen) haben wir uns auf den Weg zur Kirche gemacht. Wir feiern die Geburt Christi. Was die Propheten des Alten Bundes verheißen haben, ist in der hochheiligen Weihnacht Wirklichkeit geworden.

700 Jahre vorher hat der Prophet Jesaja ein Licht aufstrahlen sehen, das die ganze Welt verändert, er hat die Freude gesehen, die alle Welt erfaßt. Das Licht, die Freude, der Friede gehen von einem Kind aus: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt.“ Gibt es etwas Machtloseres, etwas Hilfloseres als ein Kind? Und doch wird jedes Jahr an Weihnachten deutlich, welche Macht von diesem Kind ausgeht. Menschen fangen wieder an, an das Gute zu glauben, Menschen finden den Weg zur Kirche. Menschen denken aneinander, versöhnen sich.

Vom Weihnachtsfest geht ein Zauber aus, der Menschen aus allen Kulturen anspricht. Wo kommt dieser Zauber her? Warum verblaßt er nicht mit den Jahren? Der Zauber der Weihnacht besteht darin, daß alles zusammenstimmt: das Zeichen, die emotionale Empfänglichkeit für das Zeichen und seine religiöse Bedeutung. Das Zeichen ist schlicht: ein neugeborenes Kind, das arm und hilflos in einer Krippe liegt, umgeben von seinen Eltern und einigen staunenden und hilfsbereiten Menschen. Auf so ein Kind reagiert der normale Mensch immer mit Zuneigung und Herzenswärme, zumal wenn seine Bedürftigkeit so deutlich ist. Selbst schwer beschäftigte Menschen oder solche, die selbst voller Sorge um ihren Lebensunterhalt sind, vergessen für einen Augenblick, was sie bedrückt und öffnen ihr Herz für das Kind. Bliebe es freilich dabei, dann wäre die Wirkung des Zeichens bald erschöpft. Die Hirten würden wieder nach Hause gehen, und von Engeln wäre schon gar nicht die Rede gewesen, höchstens im bildlichen Sinne. Bestimmt würde kein Mensch auf dieser Erde im Jahr 2004 Weihnachten feiern, niemand wüßte, was für eine geweihte, heilige Nacht gemeint sein könnte.

Zur Weihnacht wird das Ereignis erst durch die religiöse Bedeutung des Zeichens: Im neu geborenen Kinde stehen wir nicht einfach nur einem Menschen gegenüber, sondern unserem Schöpfergott höchstpersönlich. Der unbegreifliche Gott läßt sich in diesem Kind berühren und liefert sich dem Menschen aus. Wie kann das sein? Verstehen werden wir es nie, aber das Herz erfaßt doch etwas von der unerhörten Liebe, die sich da kundtut. Gewiß – Gott ist unser Schöpfer und darum unser Herr. Ihm gebührt Anbetung und Gehorsam. Das wissen alle, die verstanden haben, was der Name „Gott“ bedeutet, das wissen die Juden und alle heidnischen Völker. Aber ein herzliches Verhältnis zu Gott ist damit noch lange nicht gegeben, wohl Respekt und Angst, aber keine Liebe. Doch nun erfahren wir, daß dieser Gott nicht nur unseren Respekt will, sondern unsere Liebe, und dafür ist ihm nichts zu schade. Dazu entäußert er sich all seiner Macht, wird niedrig und gering und wählt als Zeichen für seine entäußernde Liebe das Kind. Gott schenkt sich selbst in diesem Kind, er schenkt sich ganz und gar und gibt sich völlig preis. Der Apostel Paulus hat dies später so ausgedrückt: „Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen.“ (2 Kor 8,9) Die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Gottes erscheint in jenem armen Kind, welches die Hirten in der Krippe fanden. Die Antwort Gottes auf die Friedlosigkeit der Welt liegt in der geheimnisvollen Geburt eines Kindes, das trotz seiner scheinbaren Bedeutungslosigkeit die Welt verändert. Die Geburt des Christkindes hat über der Welt einen Stern aufgehen lassen, der nicht mehr versinkt.

Das haben zuerst die ganz einfachen Menschen gemerkt, die Hirten, freilich aufmerksam gemacht durch die himmlischen Boten. Sie gingen hin zu dem Kind und teilten mit ihm ihre wenigen Habseligkeiten. Etwas später kamen die Vertretet der Gelehrtenschaft, die Weisen aus dem Morgenland, geführt vom Stern. Sie brachten dem Kind ihre Schätze mit, Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Nun sind wir gefragt, die wir aus unserem Alltag herausgetreten sind und in der Kirche die alte und stets neue Botschaft hören. Wir stehen vor der Krippe und hören ganz leise in uns die Frage: Was schenke ich dem Christkind? Was erwartet Jesus am Weihnachtsfest dieses Jahres von mir persönlich, von mir ganz allein? – Da können vielleicht einige denken: Ich habe dieses Jahr wieder viel Geld für die Adveniatkollekte mitgebracht, das soll mein Geschenk sein fürs Christkind. Ich möchte sie darin bestärken, es genau so zu sehen: als Geschenk fürs Christkind, denn schließlich sagt Jesus ja: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ – Arme und geringe Brüder und Schwestern hat Jesus genug, nicht nur im fernen Lateinamerika. Vielleicht gibt es einen Menschen, dem ich noch nicht verziehen habe?! Vielleicht ist es für den einen oder anderen hier in der Kirche an der Zeit, einen Schritt zur Versöhnung zu wagen – das Christkind würde sich freuen.

Vermutlich sind auch eine Reihe Menschen hier, die dem Christkind etwas versprechen könnten, was unmittelbar mit ihm zu tun hat: ihm wieder mehr Raum in ihrem Leben zu geben, ihm sonntags die ihm zustehende Zeit und Aufmerksamkeit einzuräumen. – Wieder andere haben einen lieben Menschen verloren und hadern noch mit Gott über den Verlust. Den verstorbenen Menschen loszulassen, auch das kann ein Geschenk sein, das dem Kind in der Krippe dienlich ist. Die ewige Ruhe ist schließlich nichts Schlimmes, sondern die Vollendung aller Liebe und allen Glücks.

Das Kind in der Krippe lächelt uns zu und macht uns Mut, unser Leben anzunehmen, auch mit seinen harten Seiten. Keiner soll sich heute aus der Liebe Gottes ausgeschlossen fühlen und denken: „Für mich hat das alles keine Bedeutung, an mir geht das alles vorbei.“ Jeder kann heute neues Vertrauen fassen, angenommen und geliebt zu sein. Auch wenn ich dies mit allgemeinen Worten sage, so ist es doch für jeden höchst persönlich gemeint. Auch ich als Priester kann mich nicht hinter allgemeinen Aussagen verstecken, sondern muß auch für dieses Jahr Weihnachten meinen Sinn finden und mir überlegen: Und was schenke ich dem Christkind? – Meine Antwort, jedenfalls ein Teil von ihr lautet: So gut ich kann, die Weihnachtsfreude in mich einlassen, um sie wieder auszustrahlen an möglichst viele Menschen. Mein Herz nicht eng machen, sondern weit, nicht schimpfen und nicht klagen, sondern freundlich sein, dankbar und froh.

281. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2002)

Gerecht gemacht aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.

Liebe Schwestern und Brüder!
Frieden mit Gott.
Das, was Paulus hier beschreibt, würde man heute vielleicht einen inneren Frieden, innere Ausgeglichenheit, Harmonie des Lebens nennen.

Und danach sehnen wir uns eigentlich alle. Jedenfalls tue ich das.
Gleichzeitig merken wir schmerzhaft, dass uns der innere Friede häufig fehlt. Bei mir jedenfalls ist das so.

Und dann frage ich mich, woran das liegen mag.
Eine Antwort bietet mir dann das Lied im Gotteslob Nummer 168.
Vielleicht schlagen sie es auf und lesen mit.

Frieden mit Gott.
Im heutigen Evangelium wird klar: Gott ist die Quelle lebendigen Wassers, aus der ich trinken kann. Wenn ich aus dieser Quelle trinke, dann dürstet es in mir nicht mehr. Dann habe ich Frieden in mir. Der Durst treibt mich nicht mehr unstet umher, dass ich ihn stille.

Durst habe ich weiterhin, wenn ich statt aus dieser Quelle aus irgendwelchen Tümpeln trinke, wenn ich zu wenig aus dieser Quelle Kraft schöpfe, wenn ich das Wasser dieser Quelle durch meine Ungeschicklichkeit verunreinige.

Dann ist es meine Schuld, meine eigene Schuld, wenn der innere Friede, der Friede mit Gott fehlt.

O Herr, nimm unsere Schuld, mit der wir uns belasten.
So bitte ich dann unseren Herrn mit den Worten unseres Liedes.
Die Schuld, die mich niederdrückt wie das eine schwere Last auf dem Rücken tut – diese Schuld kann mir nur ein anderer nehmen.

Also suche ich Hilfe. Doch das fällt mir schwer, weil ich durch die Last beschwert nicht aufrecht gehen kann. Meine Sicht ist eingeschränkt. Ich schaue sozusagen nur auf den Boden. Also strecke ich suchend meine Hand aus und bitte Gott:
...führe selbst die Hand, mit der wir nach dir tasten.

Worin liegt denn die Schuld, die mich niederdrückt, mir den inneren Frieden raubt? Warum dürstet es denn in meinem Inneren?

Die zweite und dritte Strophe geben Antwort:

Ich vertraue zu sehr auf mich allein. Ich lebe so, als ob es nur mich gibt.

Ich rechne nicht mehr mit Gott, dass er mir beisteht.
Ich traue ihm zu wenig zu, setzte meine Hoffnung allein auf mein Vermögen. Das überfordert mich aber. Macht mich angesichts einer ungewissen Zukunft verzagt:
Wir trauen deiner Macht und sind doch oft in Sorgen.
Wir glauben deinem Wort und fürchten doch das Morgen.

Dann türmt sich vor mir ein Berg an Sorgen auf. Auf die anderen schaue ich nicht mehr. Ich habe sie nicht mehr im Blick. Ich lasse mir dann von den anderen nicht helfen, geschweige denn, dass ich die Nöte der anderen sehe. Das Miteinander und Füreinander verschwindet aus meinem Gesichtfeld. Aber für mich allein kann ich nicht leben:
Wir kennen dein Gebot, einander beizustehen, und können oft nur uns und unsere Nöte sehen.

Wenn ich also Gott aus dem Blick verliere, dann sehe ich auch die anderen nicht mehr.

Dann kreise ich nur noch um mich, bin an mich selbst gebunden. Dann stehe ich da wie gelähmt.

Wenn ich dann auf Gott schaue, mich von ihm aufrichten lasse, dann kann ich auch wieder auf die anderen zugehen.

Dann werde ich nicht mehr zerfressen von Selbstmitleid und Selbstüberforderung, sondern erfahre, dass ich getragen bin, von Gott und den anderen.

O Herr, nimm unsere Schuld, die Dinge, die uns binden, und hilf, dass wir durch dich den Weg zum anderen finden.
So heißt es in der letzten Strophe.

Frieden mit Gott.
Inneren Frieden. Ihn suche ich. Meine Schuld, meine Sünde verwehrt in mir.

Frieden mit Gott. -
Inneren Frieden. Ihn finde ich, wenn ich folgende Worte aus dem Mund des Priesters höre:
„Und So spreche ich dich los von deinen Sünden. Im Namen des Vater und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“

O Herr, nimm unsere Schuld
In der Beichte werden sie uns genommen, Ihnen, Dir und mir...

282. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2002)

Erschöpfter Johannes Paul II. in Polen begeistert empfangen.
Tritt der Papst zurück?
War die letzte Reise des Eiligen Vaters? Wer wird sein Nachfolger?

So oder so ähnlich lauteten Schlagzeilen in den letzten Tagen. So oder so ähnlich haben Sie sie auch wohl gehört und gelesen, liebe Schwestern und Brüder.

Seit Jahren schon wird öffentlich darüber spekuliert, wie lange Johannes Paul II. noch im Amt bleibt. Es wird weniger über die Inhalte seiner Ansprachen gesprochen als über seinen Gesundheitszustand. Manchmal scheint die Presse seinen Tod herbeischreiben zu möchten...

Dass unser Hl. Vater alt geworden ist, dass seine Gesundheit schwer angeschlagen ist, all das ist unbestritten, weil offensichtlich.
Viele haben Mitleid mit ihm, wenn sie Fernsehbilder von ihm sehen, der Kopf gebeugt, die Hand zitternd, sich auf einen fahrbaren Wagen oder einen Stock stützend.
„Kann der nicht auf sein Amt verzichten? Das tut weh, mit anzusehen, wie er sich quält. Das geht doch über alle menschlichen Kräfte.“

Ja, es stimmt. Unser Heiliger Vater scheint wirklich an die Grenzen seiner körperlichen Kraft gekommen zu sein. Sein Geist und sein Wille aber sind wach. Er brennt vor Glauben.

Und so ist gerade der jetzige Papst ein Zeugnis dafür, was das Amt des Nachfolgers Petri ausmacht.

Zum Petrus hat sich der Herr den Simon erwählt. Einen, der leicht an seine Grenzen stößt, einen Fischer, keinen Gelehrten, einen der mutig sein kann, aber auch feige. Immerhin hat er Jesus verleugnet.

Ausgerechnet diesem Petrus übergibt er die Schlüssel zum Himmelreich.
Ist das nicht eine totale Überforderung. Wäre nicht vielleicht Johannes der Bessere gewesen für dieses Amt? Oder hätte man das nicht auf zwei, drei Leute verteilen sollen?

Diese Fragen sind müßig. Der Herr hat entschieden. Einer soll der Fels der Kirche sein. Petrus und seine jeweiligen Nachfolger.

Ein einziger Mann soll für die ganze Kirche, weltweit Oberhaupt sein,
die Schwestern und Brüder in Ost und West, Nord und Süd im Glauben stärken,
die Interessen und die Sendung der Kirche gegenüber der ganzen Welt vertreten.

Ist damit ein einziger nicht überfordert?
Ja, er ist damit überfordert. Das ist nicht menschenmöglich. Das kann man nur mit Christi Hilfe schaffen.

Und darum geht es: Im Amt des Nachfolger Petri wird deutlich, dass es Christus ist, der diese Kirche trägt und lenkt.
In der totalen Überforderung des einen Menschen sehen wir die Kraft Gottes am Werk.
Nicht das Menschenmögliche zählt, sondern das Gottgewollte.
Wenn es nicht Gott wäre, der ein Interesse am Papsttum und an der Kirche hätte, dann wäre beides schon längst verschwunden angesichts der zahlreichen Sünden und Sünder in der Kirche und auf der Kathedra Petri.

Aber warum könnte Gott ein solches Interesse am Papst und an der Kirche haben?


Antwort gibt das Evangelium:
Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.
Jesus sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.

Jesus Christus ist der Sohn des lebendigen Gottes, der Erlöser der Welt.
So lautet das Bekenntnis des Petrus. So lautet das Bekenntnis der Kirche. Seit Jahrhunderten ist dieses Bekenntnis unverändert.
Selbst der moralisch zügellose Papst Alexander VI. hat für Christus Zeugnis abgelegt, indem er das Angelusläuten für die ganze Kirche verpflichtend machte.

Liebe Schwestern und Brüder!
Der Papst soll Zeugnis ablegen von Christus und seiner Lehre. Es geht nicht darum, dass er sich und seine Qualitäten in den Vordergrund rückt.
Er ist kein politischer Führer, vom Volk gewählt.
Er ist kein Manager auf Zeit für einen Global Player, Weltkonzern Kirche.

Er ist von Gott berufen, das Evangelium zu verkünden und Christus in dieser Welt darzustellen.
Wir dürfen Gott sehr dankbar sein, dass er uns gerade in diesen Jahren einen solchen Papst geschenkt hat, der gerade in seiner körperlichen Gebrechlichkeit ein überzeugender Prediger des Wortes Gottes ist.

Gerade an ihm sehen wir, dass es bei der Kirche auf Gott und nicht so sehr auf den Menschen ankommt.
Mit seinem ganzen Leben, ohne sich zu schonen spricht Johannes Paul II. diesen einen Satz des Petrus der ganzen Welt entgegen: Jesus, du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.

283. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2002)

Erschöpfter Johannes Paul II. in Polen begeistert empfangen.
Tritt der Papst zurück?
War die letzte Reise des Eiligen Vaters? Wer wird sein Nachfolger?

So oder so ähnlich lauteten Schlagzeilen in den letzten Tagen. So oder so ähnlich haben Sie sie auch wohl gehört und gelesen, liebe Schwestern und Brüder.

Seit Jahren schon wird öffentlich darüber spekuliert, wie lange Johannes Paul II. noch im Amt bleibt. Es wird weniger über die Inhalte seiner Ansprachen gesprochen als über seinen Gesundheitszustand. Manchmal scheint die Presse seinen Tod herbeischreiben zu möchten...

Dass unser Hl. Vater alt geworden ist, dass seine Gesundheit schwer angeschlagen ist, all das ist unbestritten, weil offensichtlich.
Viele haben Mitleid mit ihm, wenn sie Fernsehbilder von ihm sehen, der Kopf gebeugt, die Hand zitternd, sich auf einen fahrbaren Wagen oder einen Stock stützend.
„Kann der nicht auf sein Amt verzichten? Das tut weh, mit anzusehen, wie er sich quält. Das geht doch über alle menschlichen Kräfte.“

Ja, es stimmt. Unser Heiliger Vater scheint wirklich an die Grenzen seiner körperlichen Kraft gekommen zu sein. Sein Geist und sein Wille aber sind wach. Er brennt vor Glauben.

Und so ist gerade der jetzige Papst ein Zeugnis dafür, was das Amt des Nachfolgers Petri ausmacht.

Zum Petrus hat sich der Herr den Simon erwählt. Einen, der leicht an seine Grenzen stößt, einen Fischer, keinen Gelehrten, einen der mutig sein kann, aber auch feige. Immerhin hat er Jesus verleugnet.

Ausgerechnet diesem Petrus übergibt er die Schlüssel zum Himmelreich.
Ist das nicht eine totale Überforderung. Wäre nicht vielleicht Johannes der Bessere gewesen für dieses Amt? Oder hätte man das nicht auf zwei, drei Leute verteilen sollen?

Diese Fragen sind müßig. Der Herr hat entschieden. Einer soll der Fels der Kirche sein. Petrus und seine jeweiligen Nachfolger.

Ein einziger Mann soll für die ganze Kirche, weltweit Oberhaupt sein,
die Schwestern und Brüder in Ost und West, Nord und Süd im Glauben stärken,
die Interessen und die Sendung der Kirche gegenüber der ganzen Welt vertreten.

Ist damit ein einziger nicht überfordert?
Ja, er ist damit überfordert. Das ist nicht menschenmöglich. Das kann man nur mit Christi Hilfe schaffen.

Und darum geht es: Im Amt des Nachfolger Petri wird deutlich, dass es Christus ist, der diese Kirche trägt und lenkt.
In der totalen Überforderung des einen Menschen sehen wir die Kraft Gottes am Werk.
Nicht das Menschenmögliche zählt, sondern das Gottgewollte.
Wenn es nicht Gott wäre, der ein Interesse am Papsttum und an der Kirche hätte, dann wäre beides schon längst verschwunden angesichts der zahlreichen Sünden und Sünder in der Kirche und auf der Kathedra Petri.

Aber warum könnte Gott ein solches Interesse am Papst und an der Kirche haben?


Antwort gibt das Evangelium:
Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.
Jesus sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.

Jesus Christus ist der Sohn des lebendigen Gottes, der Erlöser der Welt.
So lautet das Bekenntnis des Petrus. So lautet das Bekenntnis der Kirche. Seit Jahrhunderten ist dieses Bekenntnis unverändert.
Selbst der moralisch zügellose Papst Alexander VI. hat für Christus Zeugnis abgelegt, indem er das Angelusläuten für die ganze Kirche verpflichtend machte.

Liebe Schwestern und Brüder!
Der Papst soll Zeugnis ablegen von Christus und seiner Lehre. Es geht nicht darum, dass er sich und seine Qualitäten in den Vordergrund rückt.
Er ist kein politischer Führer, vom Volk gewählt.
Er ist kein Manager auf Zeit für einen Global Player, Weltkonzern Kirche.

Er ist von Gott berufen, das Evangelium zu verkünden und Christus in dieser Welt darzustellen.
Wir dürfen Gott sehr dankbar sein, dass er uns gerade in diesen Jahren einen solchen Papst geschenkt hat, der gerade in seiner körperlichen Gebrechlichkeit ein überzeugender Prediger des Wortes Gottes ist.

Gerade an ihm sehen wir, dass es bei der Kirche auf Gott und nicht so sehr auf den Menschen ankommt.
Mit seinem ganzen Leben, ohne sich zu schonen spricht Johannes Paul II. diesen einen Satz des Petrus der ganzen Welt entgegen: Jesus, du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.

284. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2001)

Schwestern und Brüder!

„Selig seid ihr!“ so ruft der Herr einigen im heutigen Evangelium zu.
Aber auch mahnt er andere, wenn er sagt: „Weh euch!“

„Weh euch!“ das ist in der Sprache der Hl. Schrift der Beginn einer Totenklage.
Und wen erklärt der Herr damit für tot?
Die Reichen, die Satten, die Lachenden, die allen Sympathischen!
Gerade die, die in unseren Augen doch das Glück auf ihrer Seite haben, die sich in Sicherheit und Erfolg sonnen.
Gerade die sollen wie tot sein?

Denen gegenüber stehen die Armen, die Hungernden, die Weinenden, die Ausgestoßenen.
Die nennt der Herr selig. Ausgerechnet die, die doch vom Leben nichts haben, die zu kurz kommen.

Selig – das ist in der Sprache der Bibel nicht mit „glücklich“ gleichzusetzen.

Selig – das drückt vielmehr die Nähe zu Gott aus.
Selig ist der, der Gott nahe ist.

Gott nahe zu sein, dass muss nicht einhergehen mit irdischen Erfolgen, mit Spaß, mit Geld und Ruhm.

Ein Seliger ist kein Glückspilz, dem alles zu Füssen liegt.
Jene, die von der Kirche seliggesprochen worden sind, waren weiß Gott nicht alle samt und sonders Glückspilze.
Ich denke da an Karl Leisner, dessen junges Leben aufgrund der Folgen von KZ-Haft früh ausgelöscht wurde.
Ich denke da an Schwester Maria Euthymia, die in diesem Jahr seliggesprochen wird. Sie hat sich sozusagen totgeschuftet.
Wer alles hat, wer nur noch darauf aus ist, seine Güter zu vermehren und zu bewahren, wer den Hals nicht voll bekommen kann von all dem, was uns diese Welt bietet, der hat den Kopf nicht frei für das, was das Leben eigentlich ausmacht, der kann auch nach dem Tod nichts mehr für sich erwarten.
Deshalb ruft der Herr:
Weh euch, die ihr reich seid, denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten.

Wer alles zum Leben hat, wer keinen Hunger mehr kennt, sondern nur noch die Sorge, was denn wohl von der reichhaltigen Speisekarte dem eigenen Gaumen am besten munden wird, oder wer alles wahllos in sich hineinstopft, der ist zu voll, der ist zu satt, der ist zu träge, nach dem auszuschauen, was unsere eigentliche Sehnsucht ist.
Deshalb ruft der Herr:
Weh euch, die ihr jetzt satt seid, denn ihr werdet hungern.

Wer seine Sorgen und Ängste nicht wahrhaben will, wer seine Fehler und Schwächen nicht ansehen will, wer all das mit dem breiten Grinsen einer vorgegaukelten Selbstsicherheit übertünchen will, wer all dem durch die Flucht in die Fun- und Actionwelt entkommen will, der ist letztlich verzweifelt, ohne Hoffnung auf Heil.
Deshalb ruft der Herr:
Weh euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet klagen und weinen.

Wer sich immer anpasst, wer sein Fähnchen immer in den Wind hängt, wer nicht zu seiner Verantwortung steht, wer den anderen immer nach dem Mund redet, der wird sich irgendwann selbst in Widersprüche verwickeln, wird irgendwann irrewerden an sich selbst, der wird zu einem verführten Verführer werden.
Deshalb ruft der Herr:
Weh euch, wenn euch alle Menschen loben, denn ebenso haben es eure Väter mit den falschen Propheten gemacht.
„Weh euch“ – In den Augen Jesu sind diejenigen wie tot, die so leben, als ob es Gott, den Urheber allen Lebens nicht gäbe.

„Selig seid ihr.“ – In den Augen Jesu sind diejenigen Gott und damit dem Leben sehr nah, die nicht auf sich und die eigene Stärke allein vertrauen, gerade wenn das Leben sie nicht sonderlich verwöhnt.

Wer seine eigene Bedürftigkeit anerkennt, wer bereit ist abzugeben, wer verzichten kann, wer nicht alles haben muss, der lässt sich auch beschenken, der erwartet letztlich alles von Gott, dem Schöpfer aller Dinge.
Deshalb ruft der Herr:
Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.

Wer Hunger und Durst kennt, wer weiß wie kostbar ein Bissen Brot, wie wunderbar ein Schluck Wasser sein kann, wer nicht abgefüllt, satt und träge ist, dessen Sinne sind frei für den, der unseren Hunger und unseren Durst nach Leben stillen kann.
Deshalb ruft der Herr:
Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden.

Wer seine Grenzen schmerzhaft spürt und anerkennt, wer Reue zeigt über seine eigenen Fehler, wer dem eigenen Leid und dem Leid anderer nicht aus dem Weg geht, der wird den Beistand Gottes erfahren, der sich in Christus als ein barmherziger und mitleidender Gott gezeigt hat.
Deshalb ruft der Herr:
Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.

Wer es wagt in einer Welt, die nicht mehr glauben kann oder will, zu Christus und seiner Kirche zu stehen, wer sich nicht vom Weg der eigenen Überzeugung abbringen lässt, der hat Halt und Orientierung in seinem Leben, wenn auch unter Verfolgung, der ist ein Zeuge für die Wahrheit auch und gerade für andere.
Deshalb ruft der Herr:
Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen ... um des Menschensohnes willen. ... Eure Lohn im Himmel wird groß sein.

Schwestern und Brüder,
Jesus preist nicht die Armut, sondern die Armen.
Er preist nicht den Hunger, sondern die Hungernden.
Er preist nicht die Traurigkeit, sondern die Weinenden.
Er preist nicht die Verfolgung Andersdenkender, sondern die Verfolgten.

Jesus preist sie selig, weil sie sich auf Gottes Nähe verlassen, da wo das Leben sie nicht verwöhnt.

Selig sind die, die nicht allein auf diese Welt und ihre Freuden bauen, sondern auf Gottes Nähe.

Selig sind die, die wissen, dass sie sich nicht alles im Leben aussuchen können, die aber auch wissen, dass ihr Leben in Gott geborgen ist.

Selig sind die, die nicht um sich selbst und die eigenen Bedürfnisse, Befindlichkeiten kreisen, sondern Gott in den Mittelpunkt ihres Lebens stellen.

„Man verlässt sich nur auf Gott, wenn man sich selbst verlässt.“, hat einmal ein kluger Mann gesagt.
Dieser Mann hat verstanden, was Jesus mit seinem „Weh euch“ und mit seinem „Selig seid ihr“ sagen wollte. Auch uns.

„Man verlässt sich nur auf Gott, wenn man sich selbst verlässt.“

285. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmein (erstellt: 2000)

„Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak ... und bring ihn auf einem Berge als Brandopfer dar.“

Schwestern und Brüder!
Jedes Mal wenn ich diesem Auftrag Gottes an Abraham höre, rebelliere ich innerlich. Wie kann er das nur wollen?
Ein Vater soll seinen einzigen Sohn töten. Und damit seine Zukunft.

Und jedes Mal wundere auch mich über Abraham. Er gehorcht Gott. Trotz allem. Was muss sich da nicht alles im Inneren dieses Mannes abgespielt haben. Es muss ihn innerlich zerrissen haben.
Aber er gehorcht.
Und indem er gehorcht, erlangt er die größte Verheißung seines Lebens: „Ich will dir Segen schenken in Fülle und deine Nachkommen zahlreich machen wie die Sterne am Himmel und den Sand am Meeresstrand.“
Weil er Gott gehorcht, hat Abrahams Leben Zukunft.

Gehorchen - Ein Wort, das wir Menschen nicht gerne hören.
Gehorchen - Das erinnert an Kasernenhofton, an Herumkommandiert-werden.
Gehorchen - Wem bitteschön habe ich als aufgeklärter Mensch des 21. Jahrhunderts noch zu gehorchen?

Was aber heißt das eigentlich: gehorchen.
Nun in diesem Wort steckt horchen, also hören.
Ich höre einen Befehl, einen Auftrag und erfülle ihn dann.

Wer nicht richtig hinhört, kann auch nicht gehorchen.
Wenn Abraham nicht richtig hingehört hätte, hätte er auch den zweiten Anruf Gottes nicht gehört: „Streck deine Hand nicht gegen den Knaben aus, und tu ihm nichts zuleide.“

Das Hören spielt in dieser Episode also eine große Rolle. Sowieso ist das Hören ein prägendes Element in der Hl. Schrift.
Abraham hört auf Gott. Samuel hört auf dem Nachtlager die Stimme Gottes. Maria spricht ihr Ja, nachdem sie auf die Botschaft des Engels gehört. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätte sie ihre Ohren und ihr Herz nicht offen gehalten.

Das Hören spielt also eine wesentliche Rolle in der Bibel. Das Hören zeichnet die großen Glaubensgestalten aus.
Deshalb haben die Alten schon sehr früh eine Satz geprägt, der auch heute nichts an Wahrheit eingebüßt hat:
Der Glaube kommt vom Hören.

Der Glaube kommt vom Hören.
Wir sollen hinhören auf das, was Gott uns sagen will. Wir sollen seinen Auftrag an uns wahrnehmen und ihn dann in die Tat umsetzen. Wir sollen nicht soviel vom Glauben und über den Glauben reden, wir sollen hinhören und ihn tun.
Vermutlich aus diesem Grund hat uns Gott nur mit einem Mund, aber dafür mit zwei Ohren geschaffen.

Der Glaube kommt vom Hören.
Dass der Glaube in unseren Tagen verdunstet wie das Wasser in der glühenden Sonne lässt sich nicht bestreiten.
Vielleicht liegt es daran, dass die Menschen nicht mehr hinhören können oder wollen.

Um wirklich hören zu können, bedarf es der Aufmerksamkeit. Aufmerksam bin ich aber nur, wenn ich Stille in und um mir habe. Stille ist aber für den Großteil unserer Zeitgenossen - z. T. auch für uns - etwas total Fremdes geworden.

Es gab wohl kein Zeitalter, dass so laut daherkam wie das unsrige.
Wo man auch ist: irgendwo läuft immer ein Fernseher, spielt immer ein Radio, piept irgendein Computer. Ob zuhause, im Restaurant, im Kaufhaus immer Lärm und Musik. Wobei die Grenzen da auch immer fließender werden.

Wir lassen uns berieseln, statt wirklich hinzuhören. Unsere Ohren sind voll mit Geräusch.
Wer von außen mit Unruhe umgeben ist, kann gar nicht seine innere Stimme hören, durch die Gott zu uns sprechen will. Wir drohen Gott in unserem Inneren zu überhören, weil wir auf alles möglich hören.
Er spricht aber wirklich zu uns. Z. B. dann, wenn sich in uns das Gewissen regt, wenn uns eine innere Stimme mahnt, anregt, aufregt...

Diese Fastenzeit kann uns ein Ansporn sein, dagegen etwas zu tun. Vielleicht wäre es ein lohnendes Fastenopfer, auf die uns gewohnte Geräuschkulisse zu verzichten, indem wir das Radio im Hintergrund abstellen oder den Fernseher gar nicht erst anstellen, bevor wir nicht bewusst ausgesucht haben, was wir sehen wollen.

Der Glaube kommt vom Hören. Und der Glaube scheint zu
schwinden.
Vielleicht liegt es auch daran, dass die Menschen auf die falschen Stimmen hören.
In dem vielfältigen Wirrwarr an Stimmen, Meinungen, Nachrichten, Weltanschauungen fällt es uns Menschen immer schwerer, die Botschaft Gottes zu vernehmen.
Mit Sicherheit liegt darin ein Auftrag für die Kirche, die Botschaft Jesu Christi hörbarer zu machen. Dabei sollte sie auch die neuen Medien nicht scheuen. Da steckt noch allzu vieles in den Kinderschuhen.

Darin liegt aber auch ein Auftrag an uns alle. Es täte uns wohl ganz gut, wenn wir mehr Wert darauf legten, uns mit der Stimme des Evangeliums zu beschäftigen. Wann haben Sie zum letzten Mal in der Bibel gelesen? Oder wann haben Sie zum letzten Mal ein Buch mit religiösem Inhalt als Lektüre gehabt?
Sollten Sie noch keine Bibel haben - was ja vorkommen soll - kaufen Sie sich eine. Und den Weltkatechismus gleich dazu. Beide Bücher dürften in einem christlichen Haushalt eigentlich gar nicht fehlen. Nutzen Sie doch diese österliche Bußzeit dazu, in einem dieser Bücher zu lesen. So hören Sie das Wort Gottes. So hören Sie die Lehre der Kirche.

Der Glaube kommt vom Hören!
Abraham ist da ein Vorbild. Er hörte und gehorchte. Darin bestand sein Glaube. Und dadurch fand er Zukunft für sich und sein Volk.

Der Glaube kommt vom Hören!
Wie kaum ein anderer ist der Hl. Joseph uns darin ein Vorbild. Sein Fest feiern wir am Montag.
Von Joseph ist uns kein einziges gesprochenes Wort in der Hl. Schrift überliefert. Dafür wird häufig berichtet, wie er hinhört auf Gottes Anruf, und wie er schlicht glaubend gehorcht. Denken wir nur an die Botschaften des Engels vor und nach der Geburt Jesu.
Hätte er nicht gehört und gehorcht, wäre Jesus wohlmöglich von Herodes getötet worden als Kind.

Ihm und seinem Glauben verdankt Jesus sehr viel, ja sein Leben.
Wer weiß, was geworden wäre, hätte Joseph nicht glaubend gehorcht? Was wäre aus uns geworden ?
Durch den Glauben, durch das Hören und Gehorchen des hl. Joseph haben wir eine Zukunft in Jesus Christus.

Der Glaube kommt vom Hören. Im Gehorchen auf Gottes Wort liegt unsere Zukunft. Hoffentlich zerreden wir sie nicht, oder überhören sie.

286. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2000)

Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn man von Europa spricht, spricht an auch vom christlichen Abendland. Das will heißen, die Grundwahrheiten und die Grundvollzüge des Christentums sind für das Leben der Europäer im allgemeinen prägend.

Ostern, der christliche Glaube an die Auferstehung ist eine solche Grundwahrheit.
Liest man aber aufmerksam neuere Umfragen, so treten erstaunliche, ja erschreckende Ergebnisse zutage:

Das sogenannte christliche Abendland glaubt in weiten Teilen nicht mehr an das christliche Verständnis von Auferstehung und ewigen Leben.
Ostasiatische, fernöstliche Glaubensvorstellungen greifen um sich: Nirwana, Wiedergeburt, Seelenwanderung sind die Stichworte. Selbst bei den Verkündern der christlichen Botschaft schwindet der dezidiert christliche Auferstehungsglaube, wie eine Studie unter evangelischen Theologen kürzlich feststellte.

Was aber ist eigentlich der christliche Auferstehungsglaube? Was bedeutet das eigentlich, wenn die Kirche von ewigem Leben spricht? Was ist das unterscheidend Christliche im Vergleich mit den Religionen aus dem Land der aufgehenden Sonne, die momentan ja so in sind?

Eine Antwort gibt uns das heutige Evangelium:
All das, was über den Auferstandenen gesagt wird, ist ein Vorbild für das, was an uns geschehen wird, wenn wir zum ewigen Leben auferweckt werden.

Jesus erscheint seinen Jüngern. Er zeigt ihnen seine Wundmale. Er isst vor ihren Augen einen Fisch.

Der Auferstandene zeigt seine Wundmale.
Seht meine Hände und Füße an: Ich bin es selbst.

Die Wundmale an Händen und Füßen identifizieren den Auferstandenen mit dem Gekreuzigten. Dieser Jesus, der den Tod am Kreuz erlitten hat, lebt. Er trägt die Wunden, die Male seiner Leidensgeschichte. Der da vor den Jüngern steht, ist es selbst, ist Jesus, mit all dem, was sein Leben ausmachte.

Für uns bedeutet das: Wir werden auferstehen mit unserer ganzen Lebensgeschichte. All das, was wir auf Erden erleben und erleiden, hat sozusagen Ewigkeitswert. All das Gute, das ich getan, all das Schwere, das ich getragen habe, all das also, was mein Leben ausgemacht hat, geht im Tod nicht verloren.

Ich selbst bin es, der zum ewigen Leben auferweckt wird.
Mein Leben hier auf Erden hat seine Bedeutung für mein Leben im Himmel. Aber nicht so, dass ich je nach Lebensstil als Stiefmütterchen, Gnu oder erleuchteter Prophet weiterlebe, wiedergeboren werde.
Nein, ich bin es selbst, der weiterlebt. Verändert, erlöst, verklärt. Das ja. Aber mit meiner ganz persönlichen Geschichte. Und die ist nicht beliebig wiederholbar. Ich lebe nur einmal.
Wie Christus, werde auch ich als Auferstandener sagen können: Ich bin es selbst.

Ein Zweites: da berichtet das Evangelium folgende uns eigentümlich anmutende Episode:
Da sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier?
Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch;
Er nahm es und aß es vor ihren Augen.

Der Auferstandene isst Fisch. Das Essen, die Nahrungsaufnahme ist notwendig, um den Leib zu erhalten.
Jesus hat also einen Leib, als er seinen Jüngern erscheint. Da schwebt nicht ein numinoser Geist, ein irgendwie geartetes Gespenst herum, nein, da ist Jesus leibhaftig zu sehen und er ist einen Fisch.

Für uns heißt das wiederum: Wir werden als ganze Menschen auferstehen. Mit Leib und Seele. Wir sind nicht nur eine freiumherstreunende Seele, die sich an unwichtigen Hüllen festmacht, an Leibern und in Körpern, um diese dann schnellstmöglich wieder los zu werden.

Während es in vielen ostasiatischen Religionsformen das Ziel ist, die Seele vom Leib zu trennen, schließlich in ein köperloses Nichts, ein Nirwana aufzugehen, bleibt es für das Christentum dabei: Der Mensch ist Leib und Seele. Wer beides voneinander trennen will, zerstückelt den Menschen. Wir aber sind dazu berufen, als ganze Menschen mit Leib und Seele aufzuerstehen.

Das Christentum glaubt eben auch an die Auferstehung des Fleisches. In diesem Osterglauben liegt eine große Bejahung des Leibes. Er ist nicht lästiges Vehikel für meine Seele. Er ist der Erlösung wert.

Das ist die frohe Botschaft von Ostern:
Ich selbst, ich mit meiner Geschichte werde auferstehen.
Ich selbst, ich als ganzer Mensch, mit Leib und Seele soll ewig Leben.
Diese christliche Botschaft von der Auferstehung nimmt uns Menschen ernst. Schon jetzt. Und erst recht nach dem Tod.
Dieser Botschaft braucht sich das christliche Abendland nicht zu schämen.

287. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2000)

Lieber Schwestern und Brüder!
Ich möchte Ihnen zur Erinnerung noch einmal ein paar Abschnitte aus dem zweiten Thessalonicherbrief vorlesen, den wir zur Lesung gehört haben:
Brüder! Jesus Christus, unser Herr, tröste euch und gebe euch Kraft zu jedem guten Werk und Wort.
Im übrigen, Brüder, betet für uns, damit das Wort des Herrn sich ausbreitet und verherrlicht wird, ebenso wie bei euch.

Warum ich diese Sätze zitiere?
Da betet der Apostel für die Brüder, d. h. er betet für die ganze Gemeinde in Thessalonich.
Und die ganze Gemeinde wird aufgefordert, für den Apostel Paulus und seine Mitarbeiter zu beten.

Ja und?

Setzten wir diesen Brief einmal neu auf. So als ob er heute und hier Geltung hätte. Dann könnte er ungefähr so lauten:

Schwestern und Brüder in Epe! Jesus Christus, unser Herr, tröste euch und gebe euch Kraft den Glauben in eurem Alltag zu leben und zu bekennen.
Im übrigen, liebe Christen, betet für eure Seelsorger, für die Pastöre, die Diakone, den Kaplan, damit sie ihren Dienst glaubwürdig versehen und trotz der sinkenden Zahlen die Hoffnung nicht verlieren.

So hört sich das schon anders an, nicht wahr?
Bei der Lesung ist mir aufgefallen, dass der Apostel, also der Hirte für seine Gemeindemitglieder betet. Und es fällt mir auf, dass er die Gemeinde anfleht, auch für ihn, den Hirten zu beten.

Das sagt viel über das Gemeindeleben am Anfang der Kirche aus. Das Füreinander-Beten war -scheint es- eine Selbstverständlichkeit. Etwas Grundlegendes.

Mich hat das im Inneren berührt. Und ich stelle mir die Frage: Sag mal ehrlich, betest Du für die Gemeinde, die Dir anvertraut ist? Für die Firmlinge, die Kommunionkinder, die Kranken, die Familien...? Oder machst Du nur einfach so Deinen Dienst, die Katechese, den Besuch und das war’s dann?
Liebe Gemeinde, ich bete für Sie alle. Abends, bevor ich schlafen gehe z. B., segne ich die ganze Gemeinde, die Alten und Jungen, die Kranken und Gesunden, die Glaubenden und Zweifelnden.
Aber ich weiß auch, dass ich zu wenig für Sie bete, weil man nie genug für die anderen beten kann.

Mich ermutigt dieser Brief des Apostels jetzt auch Sie um Ihr Gebet für uns, für Ihre Seelsorger und auch für mich zu bitten.
Ich weiß, dass Sie das schon tun. Und wir bauen auf Ihr Gebet. Wir brauchen Ihr Gebet für uns. Das trägt uns. Ich weiß auch, dass man nie genug für uns beten kann...

Das Gebet füreinander stärkt die Gemeinschaft untereinander.
Das Gebet füreinander stärkt unsere Gemeinschaft mit Gott.

Wenn wir dieses Füreinander-Beten in unserer Gemeinde pflegen, dann wird das der Gemeinde zum Segen gereichen, weil wir dann nämlich wirklich mit Gott rechnen:

Dann ist die Arbeit in der Gemeinde für die Hirten nicht nur reine Verwaltung von eingetragenen Mitgliedern, sondern Dienst an den Schwestern und Brüdern, für deren Seelen wir einmal vor Gott Rechenschaft ablegen müssen.

Dann vertrauen wir Seelsorger eben nicht nur auf unsere organisatorischen und pastoralen Fähigkeiten, sondern auf den Geist Gottes, der weht, wo er will, auch bei denen, wo wir Hirten es vielleicht nie vermutet hätten.

Dann wird der Pastor vielleicht nicht nur als einer der wichtigsten Arbeitgeber im Dorf gesehen. Und das Seelsorgeteam nicht nur als Moderator und Motivator für die vielen Gruppen und Verbände.

Dann werden die Seelsorger vielleicht auch mutiger oder sogar angefordert, sich um einzelne Seelen zu kümmern, von Gott zu erzählen, Sakramente zu spenden. Dafür sind wir nämlich hauptsächlich da.

Liebe Schwestern und Brüder!
Wer betet, bringt Gott ins Spiel.
Gott ins Spiel bringen – das ist Auftrag Jesu an alle Christen, an alle Gemeinden, auch hier in Epe, an Sie und mich.

Wenn wir wirklich diese Aufgabe erfüllen wollen, dann sollten wir weiterhin füreinander beten und dieses Gebet als etwas Grundlegendes für unser Gemeindeleben ansehen.

Wer betet, bringt Gott ins Spiel. Und ohne Gott ist unser Spiel hier auf der Erde sinnlos.

288. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1999)

Ich finde diesen Täufer Johannes faszinierend, ja nachahmenswert, liebe Schwestern und Brüder!

Keine Angst, ich will Sie nicht in die Wüste schicken. Auch dürfen Sie nicht erwarten, daß ich demnächst im härenden Gewand durch Epe gehe. Auch will ich mich nicht ausschließlich von Insekten und wildem Honig ernähren. Dann bliebe von mir schmalen Kerlchen ja bald garnichts mehr über.

Nein, in einem anderen, wesentlich wichtigeren Punkt, finde ich den Täufer nachahmenswert: In seiner Art nämlich von Jesus Christus zu sprechen.

Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbsz das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.
So berichtet das Evangelium.

Das Licht ist Jesus Christus, der Herr. Er ist die Lichtquelle, die strahlt.
Johannes verstand sich als eine Art Reflektor, als eine Art Spiegel, der das Licht Christi wiederspiegelt.

So wie der Mond nur strahlt, weil er das Licht der Sonne reflektiert, so leuchtet Johannes der Täufer, weil er vom Licht Christi angestrahlt wird.
Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis abgeben für das Licht.

Dieser Johannes muß einen enormen Eindruck auf die Leute damals gehabt haben. Ansonsten wären sie nicht so zahlreich zu ihm gepilgert.

Sicherlich, bei vielen wird auch eine gewisse Sensationslust mit im Spiel gewesen sein: Wann sieht man schon so einen Mann, der nicht nur rein äußerlich aus dem spießbürgerlichen Rahmen fällt.

Sein Auftreten hat für Aufregung gesorgt. Die Leute fragten ihn:
Wer bist Du?

Und er hat auf diese Frage ganz offen und ehrlich geantwortet.
Er hat sich nicht zum Messias gemacht: „Ich bin nicht der Messias.“ Er hat also nicht angegeben oder übertrieben. Er hat sich selbst nicht überschätzt.

Er hat sich aber auch nicht unterschätzt. Er hat sich nicht unter Wert verkauft. „Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft: Ebnet den Weg für den Herrn!, wie der Prophet Jesaja gesagt hat.“
Er wußte um seine Bedeutung, seinen Auftrag, den Gott ihm gegeben hatte.

Er hat schlicht und einfach die Wahrheit über sich und über Jesus Christus gesagt:
Christus ist der Herr, ich bin sein Diener.
Christus ist das Licht, ich spiegle nur sein Licht wieder.

Liebe Schwestern und Brüder!
Als Christen sind auch wir aufgerufen, für Christus Zeugnis abzulegen.

Aber mal ehrlich: Hat Ihnen schon jemand einmal die Frage gestellt, mit der sich auch Johannes konfrontiert sah, die Frage: Wer bist Du?

Wenn nicht? Warum nicht?

Könnte es sein, daß wir Christen, ich schließe mich da mit ein, nicht mehr auffallen?
Kann es ein, daß wir Christen keine Fragen in den Herzen der anderen mehr aufwerfen?
Kann es sein, daß wir in der Masse aufgegangen sind?
Oder noch anders gefragt: Sind wir vielleicht spießbürgerlich geworden, Menschen, die so mitschwimmen?

Natürlich, wir sind normale Bürger unseres Landes. Wir haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen.
Aber wir haben bestimmte von Gott gegebene Wertvorstellungen, die wir in die öffentliche Diskussion einbringen sollen.

Und da heißt es auch schon einmal, sich den Zorn der öffentlichen Meinung zuzuziehen, die mit Gott nichts mehr am Hut zu haben scheint.
Und da heißt es auch schon mal, sich auszuklinken, nicht mitzumachen aus der Masse.

Ich kann mich als Christ nicht über die miserable moralische Qualität der Fernsehsendungen aufregen und gleichzeitig fast jeden Nachmittag irgendwelche fragwürdigen Talkshows ansehen.

Ich kann mich als Christ nicht über die Jugend beschweren, die ja gar nicht mehr zur Kirche geht, und gleichzeitig selbst immer wieder Ausnahmen für mich persönlich geltend machen, wenn es um die Einhaltung der nach wie vor unter Sünde verpflichtenden Sonntagspflicht geht.

Man darf sich nicht nur das Etikett „Christlich“ geben. Man muß sich auch bemühen, danach zu leben. Das gilt für einzelne, wie für Verbände, wie für Parteien.
Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis abgeben für das Licht. heißt es von Johannes dem Täufer.
Er hat das Licht Christi in seine Umwelt hineingetragen. Er war wie ein Spiegel.

Auch wir sind aufgerufen in diese Welt die hell- und heilmachenden Strahlen des christlichen Glaubens zu senden.

Aber es gelingt uns nicht immer. Oft ist unser Spiegel verschmutzt, verklebt, blind. So kann das Licht Christi von uns nicht in seiner ganzen Leuchtkraft reflekiert werden.
Es kann sogar sein das der Spiegel unseres Herzens so verdreckt ist, daß wir uns selber nicht mehr darin erkennen können.

Wie jeder Badezimmerspiegel bedarf auch unser innerer Spiegel einer regelmäßigen Reinigung, damit er seine Aufgabe erfüllt und nicht an die Seite gestellt oder gar weggeworfen wird.

Johannes der Täufer war die Stimme in der Wüste, die rief:
Ebnet den Weg für den Herrn! Kehrt um!
Als eine der großen Gestalten des Advent ruft er uns auch heute noch zu Umkehr auf.
Deshalb nehmen Sie die Angebote der Kirchengemeinden wahr, die Ihnen helfen können, Ihren Spiegel wieder zu reinigen, damit er ganz von Christi hellem Licht Zeugnis geben kann.

Besuchen sie die Bußgottesdienste, die um den 4. Advent stattfinden. Nehmen Sie vor allem die Möglichkeit der Beichte und des Beichtgespräches wahr. Es tut gut und gibt Kraft sich unter das versöhnende Licht Gottes stellen zu lassen.

Wer wirklich umkehrt, der strahlt vor Freude. Der strahlt aber auch das Licht Christi aus, so wie es damals Johannes der Täufer tat.

289. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1999)

„Herr, es ist gut, daß wir hier sind. Wenn du willst, werde ich drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija.“

Liebe Schwestern und Brüder,
eine eigenartige Reaktion des Petrus auf das Erlebnis, Jesus als den Verklärten zu sehen: Jesus im hell leuchtenden Gewand, eingerahmt von den Großen der israelitischen Geschichte, eingerahmt von Mose und Elija. Das muß ein atemberaubendes, unglaublich beeindruckendes Geschehen gewesen sein. Gerade auch für den Juden Petrus.

„Herr, es ist gut, daß wir hier sind. Wenn du willst, werde ich drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija.“

Es scheint mir so, als wollte Petrus diesen Augenblick festhalten, diesen Augenblick der Verklärung, diesen Augenblick, in dem das übernatürlich Schöne den grauen Alltag durchbricht, diesen Augenblick, in dem die Ewigkeit in die Zeit einzubrechen scheint.
Ja, diesem herrlichen Moment will Petrus eine Hütte bauen, damit er bleibt.

Den schönsten, erfüllendsten Augenblick des Lebens wahrnehmen und ihn dann festhalten, das ist auch der Wunsch des Gelehrten Dr. Faust, wie ihn uns Goethe in seinem berühmten Drama darstellt.
Er will in seinem Leben nur einmal zu einem bestimmten Augenblick sagen können: „Verweile doch, du bist so schön.“
Um das zu erreichen, geht er sogar einen Pakt mit dem Teufel ein.

Goethes Faust, Petrus im heutigen Evangelium - sie zeigen beispielhaft auf, was wohl uns allen, Ihnen und mir, zu eigen ist:
die Sehnsucht nämlich, Momente des Glücks, Sternstunden des Lebens, festhalten, konservieren zu wollen.
Sternstunden des Lebens - Das sind Momente, wo wir mit uns selbst, mit den anderen, mit Gott im Reinen sind.

Mit allem im Reinen sein - Das ist wirklich himmlisch schön.
Mit allem im Reinen sein - Das wäre wirklich schön, nur leider sind diese Augenblicke auf Erden rar gesät und ... schnell vorbei.

Schnell hat uns der Alltag wieder.
Und wie schnell ist es geschehen, daß durch unsere eigene Schuld plötzlich nicht mehr alles im Reinen ist.

Da werde ich schuldig gegen mich selbst, weil ich die Grippe, die ich mir eingefangen habe, nicht ausreichend auskuriere und so meine Gesundheit arg strapaziert wird. Obwohl ich es eigentlich besser weiß...

Da werde ich schuldig gegen meinen Arbeitskollegen, über den ich herziehe, weil er sich bei einem Arbeitsauftrag etwas ungeschickt anstellt. Obwohl ich weiß, daß ihm eigentlich niemand erklärt hat, was er eigentlich genau tun soll...

Da werde ich schuldig gegen Gott, weil ich immer Besseres, Bedeutenderes zu tun habe, als z. B. am Abend zu beten...

Mit allem im Reinen sein - Das ist wirklich himmlisch schön.
Mit allem im Reinen sein - Das ist aber höllisch schwer.

Wir wollen zwar, aber wir stehen uns irgendwie selbst im Wege.
Diese Situation greift das Lied, das wir heute einüben auf:
In den Strophe zwei und drei heißt es:
Wir trauen deiner Macht - und sind doch oft in Sorgen.
Wir glauben deinem Wort - und fürchten doch das Morgen.
Wir kennen dein Gebot, einander beizustehen -
und können oft nur uns und unsere Nöte sehen.
Der Sänger diese Liedes weiß aber auch, was zwischen unserem guten Willen und der ausbleibenden guten Tat steht: unsere Schuld.

O Herr, nimm unsere Schuld, mit der wir uns belasten...

Unser Unvermögen, unsere Schuld lastet auf uns, drückt uns nieder, läßt uns gebeugt gehen, verhindert unseren aufrechten Gang.
Oft haben wir daran schwer zu tragen, ja drohen, darunter zusammenzubrechen. So sehr wir uns auch bemühen: Wir bedürfen der Hilfe eines Größeren.

O Herr, nimm unsere Schuld, die Dinge, die uns binden...

Unser Unvermögen, unsere Schuld läßt uns am Boden kleben. Statt wie ein Adler aufzusteigen, flattern wir wie aufgescheuchte Hühner.
Wir brauchen jemanden, der unsere Fesseln löst.
So sehr wir uns auch abmühen: Wir brauchen einen Größeren, der unsere Fesseln löst.

Wir selbst können uns nicht von diesen Lasten, von diesen Fesseln befreien.
Wir selbst können uns nicht davon erlösen. Niemand kann sich selbst erlösen.

Gott hat uns gerettet; mit einem heiligen Ruf hat er uns gerufen, nicht aufgrund unserer Werke, sondern aus eigenem Entschluß und aus Gnade...
so hat es der Apostel Paulus in der heutigen Lesung geschrieben.

Gott allein kann uns erlösen.
So bekennt es auch der Autor unseres Liedes:
O Herr, nimm unsere Schuld...

Durch unsere, der Menschen Schuld ist Christus gekreuzigt worden.
Aus Gnade hat der Vater ihn vom Tod auferweckt.

Deshalb hat der Tod, hat die Schuld nicht mehr das letzte Wort in unserem Leben.

Wer sich an den auferstandenen Herrn bindet, dem wird ebenfalls die Last der Schuld genommen, der wird ebenfalls von der Fessel der Schuld befreit.

Diese Befreiung geschieht schon anfanghaft, wenn wir tief bereuen und den Herrn um Verzeihung bitten.
Die befreiende Kraft Gottes wir uns auch deutlich in jeder Hl. Messe vor Augen geführt.
Die Befreiung von der Schuld wird uns ganz besonders - sozusagen mit Brief und Siegel - im Sakrament der Versöhnung zugesagt.

„Herr, es ist gut, daß wir hier sind. Wenn du willst, werde ich drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija.“
Den Augenblick, den Petrus festhalten wollte, war ein Vorgeschmack auf Ostern. Er sah den verklärten Herrn, der alles ins Reine bringt.

Wer sich vom Herrn die Schuld nehmen läßt, auch der erfährt einen Vorgeschmack auf Ostern, wo alles ins Reine kommt.
So kann jeder Akt der Reue, jede Messe, aber besonders eben jede Beichte eine Sternstunde für mein Leben sein.

Nutzen Sie die Chancen dafür in dieser Fastenzeit.

290. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig,
und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.

Starker Tobak, Schwestern und Brüder, eine harte Rede.
Will Jesus uns unseren Eltern abspenstig machen, ist er etwa eifersüchtig auf die Familien seiner Jünger?

Nein, denn der Herr hat das vierte der zehn Gebote ja nicht aufgehoben, in dem es heißt: „Ehre Vater und Mutter.“ Er hat sogar den Missbrauch dieses Gebotes durch die Pharisäer und Schriftgelehrten deutlich verurteilt.

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig,
und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.
Die Bedeutung dieses Satzes wird uns klarer, wenn wir beachten, an wen der Herr ihn richtet.
Er spricht zu seinen Aposteln. Er spricht zu denen, die in seinem Namen das Evangelium verkünden.

Wer in der Verkündigung der Frohen Botschaft steht, für den muss Christus unangefochten an erster Stelle stehen.
Wer Bote Christi sein will, wer sein Bote ist, der muss eigene Interessen und Bindungen hintanstellen.
Wer Christus verkündet, der muss sozusagen hinter ihm verschwinden. Nur noch Christus zählt.

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig,
und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.
Auch so erklärt, bleibt die Rede Jesu hart. Wer kann schon so entschieden leben?

Liebe Schwestern und Brüder!
Dieses Wort unseres Herrn trifft mich in diesen Tagen sehr persönlich.

Ich nehme Abschied von Epe, von St. Agatha.
Ich nehme Abschied von der mir so ans Herz gewachsenen Münsterländer Parklandschaft.
Ich nehme Abschied von einer schönen Kirche, in der ich gerne zelebriert habe.
Ich nehme vor allem Abschied von Menschen, denen ich in den letzten fast vier Jahren begegnet bin, von Menschen, die ich liebgewonnen habe. Ich verabschiede mich sogar von Freunden.

„Wer die Menschen aus dem Dorf und aus dem Brinkerhook mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig,
und wer die aus der Füchte und aus dem Kottigerhook und sonst wo in Epe mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.“
So höre ich den Herrn zu mir sagen.

Ich bin Priester der Kirche Gottes. Ich bin es gerne.
Als Priester verkündige ich das Evangelium und spende die Sakramente, die uns die Nähe Christi schenken.
Dazu bin ich von unserem Bischof geweiht worden.
Dazu bin ich vom Bischof für vier Jahre nach St. Agatha gesandt worden.

In diesen Tagen, Stunden des Abschieds ist mir erneut sehr deutlich geworden, was es eigentlich heißt Priester zu sein: Hinter Christus zu verschwinden. Ihn darstellen in der Liturgie. Ihn verkünden durch Wort und Beispiel.

Da, wo mir dies in den letzten Jahren nicht gelungen ist, weil ich mich zu wichtig genommen habe, bitte ich Sie und Euch, vor allem aber Gott um Vergebung.


Schwestern und Brüder!
„Ich verlasse meine Gemeinde...Unser Kaplan geht...“
Harmlos klingende Worte, die in den letzten Tagen gefallen sind. In diesen Worten steckt aber auch eine Gefahr.

Denn:
Ihre Seelen, Eure Seelen gehören nicht mir. Und ich gehöre nicht St. Agatha. Wir alle gehören alleine Christus.

Vielleicht ist es das, was eine Gemeinde und ein Priester lernen, wenn sie sich voneinander verabschieden.

Dieser Abschied fällt mir nicht leicht. Aber durch diesen Abschied, der auch wehtut, werde ich aufmerksamer für das, was den Priester ausmacht. Durch diesen Abschied werde ich sozusagen mehr Priester. Vielleicht ist das gemeint, wenn der Herr spricht:
Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.

Schwestern und Brüder!
Neue Aufgaben warten auf mich. Unser Bischof hat mich für ein geistliches Jahr freigestellt. In Rom werde ich ein Jahr lang studieren und beten. Darauf freue ich mich. Gibt mir diese Zeit doch Gelegenheit, tiefer in die Geheimnisse des Glaubens einzudringen und die Kirche als das, was sie ist, zu erleben: die weltweite Familie der Kinder Gottes.

Auf Sie wartet ein neuer Kaplan: Albert Lütkebohmert. Sie dürfen sich auf ihn freuen, weil er seine Gaben und Fähigkeiten einbringen wird, um Christus zu verkünden. So wird auch St. Agatha neue Facetten des unermesslichen Schatzes unseres Glaubens kennenlernen.

Ich möchte noch einmal das Evangelium von heute zu Wort kommen lassen:
Und wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist – amen, ich sage euch: Er wird gewiß nicht um seinen Lohn kommen.

Ich möchte mich bei Ihnen und bei Euch bedanken. Ich habe hier in Epe nicht nur Wasser zu trinken bekommen -in einigen Häusern gab es sogar schon mal ein Bierchen oder Weinchen.
Ich möchte mich bei Ihnen und bei Euch bedanken, weil ich nicht nur Wasser, sondern auch Glauben, Vertrauen, Freundschaft erhalten habe. Auch für Kritik bin ich dankbar.

Euch jungen Leuten möchte ich folgendes sagen: Ich bewundere Euer Engagement in der Kirche. Viele Eurer Altersgenosse werden darüber die Nase rümpfen. Das macht die Sache für Euch nicht leichter. Aber an Christus zu glauben und in und mit der Kirche zu leben, lohnt sich, weil Ihr nämlich darin das finden werdet, was Ihr in Eurem jugendlichen Drang sucht: ein Leben, das Freude und Sinn macht.

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig,
und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.
Dieser sperrige Satz unseres Herrn, stand am Anfang dieser Abschiedsworte.
Er hat uns zu der Wahrheit geführt, dass es Christus ist, auf den es ankommt im Leben der Gläubigen und des Priesters.

Zum Schluss möchte ich Sie und Euch bitten:
Betet für mich. Wie ein Bettler stehe ich hier. Ich bedarf der Gebete der Gläubigen, jeder Priester braucht diese Gebete, damit er seinen Dienst tun kann, damit er hinter Christus verschwinden und ihm den Vortritt lassen kann. Betet für mich. Amen.

291. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

„Rabbi, es ist gut, daß wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija.“

Liebe Schwestern und Brüder,
eine eigenartige Reaktion des Petrus auf das Erlebnis, Jesus als den Verklärten zu sehen: Jesus im hell leuchtenden Gewand, eingerahmt von den Großen der israelitischen Geschichte, eingerahmt von Mose und Elija. Das muß ein atemberaubendes, unglaublich beeindruckendes Geschehen gewesen sein. Gerade auch für den Juden Petrus.

„Rabbi, es ist gut, daß wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen...“
Es scheint mir so, als wollte Petrus diesen Augenblick festhalten, diesen Augenblick der Verklärung, diesen Augenblick, in dem das übernatürlich Schöne den grauen Alltag durchbricht, diesen Augenblick, in dem die Ewigkeit in die Zeit einzubrechen scheint.
Ja, diesem herrlichen Moment will Petrus eine Hütte bauen, damit er bleibt.

Den schönsten, erfüllendsten Augenblick des Lebens wahrnehmen und ihn dann festhalten, das ist auch der Wunsch des Gelehrten Dr. Faust, wie ihn uns Goethe in seinem berühmten Drama darstellt.
Er will in seinem Leben nur einmal zu einem bestimmten Augenblick sagen können: „Verweile doch, du bist so schön.“ Um das zu erreichen, geht er sogar einen Pakt mit dem Teufel ein.

Goethes Faust, Petrus im heutigen Evangelium - sie zeigen beispielhaft auf, was wohl uns allen, Ihnen und mir, zueigen ist: die Sehnsucht nämlich, Momente des Glücks, Sternstunden des Lebens, festhalten, konservieren zu wollen.

Aber diese Sehnsucht kann hier auf Erden nicht erfüllt werden. Wir sind auf dem Weg, beständig unterwegs. Wir vermögen es nicht die Zeit anzuhalten, wann und wo wir wollen. Wie sehr wünschen sich beispielsweise Eheleute, daß das Gefühl der Hochzeit immer so bleibe. Wie sehr wünsche ich mir, das Hochgefühl nach meiner erst kürzlich erfolgten Diakonenweihe in mir zu erhalten. Wie schnell hat uns der Alltag wieder, wie schnell holt der Alltag uns wieder ein. Das scheint mir eine Erfahrungstatsache zu sein.

Auch Petrus muß zusammen mit den Jüngern diese Erfahrung machen.
„Als sie dann um sich blickten, sahen sie auf einmal niemand mehr bei sich außer Jesus.“ Mose und Elija - fort, weg. Nur noch Jesus, aber nicht mehr im strahlend weißen Kleid der himmlischen Verklärung, sondern im bescheidenen, schlichten Gewand des Wanderpredigers;
nur noch Jesus, aber nicht mehr der von der Welt entrückte, unnahbahr herrlich erscheinende Gottessohn, sondern der Mensch Jesus, dessen Füße staubig vom Wandern sind, der Durst hat, der Hunger verspürt, den Müdigkeit befällt. Welch Ernüchterung.

Und dennoch: Auch das ist Evangelium, auch das ist frohe Botschaft.
In der Verklärung zeigt sich: Dieser Jesus ist mehr, ist größer als ein Mensch. Und dennoch geht dieser Jesus den Weg des Menschen. Er wird zur Brücke zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Menschen. Er hat sich mit unserem Leben so sehr verbunden, daß er uns auch mit seinem Leben verbinden will. In der Verklärung zeigt er den Jüngern damals und uns heute die Herrlichkeit, die am Ende unseres irdischen Weges uns erwartet. „Wir wissen, daß wir ihm ähnlich sein werden,... denn wir werden ihn sehen wie er ist.“ Verheißt der 1. Johannesbrief.

In der Verklärung Jesu leuchtet etwas von dem auf, wie strahlend, wie unsagbar schön das ewige Leben bei und mit ihm sein wird. Hier auf Erden bleiben wir unterwegs, auf dem Weg, ständig. Am Ende diese Weges ist uns ein Leben im göttlichen Glanz verheißen, das bleibt, ewig.
Die Verheißung ewigen Lebens gibt unserer irdischen Pilgerschaft eine Richtung, ein Ziel, den Sinn. Das Alltägliche mit all den Sorgen, Nöten und der Routine wird erträglich, wird sinn-voll, wenn ich weiß, daß das Alltägliche vergänglich ist und die Verklärung, das unsagbar Herrliche auf mich wartet.

Diese christliche Botschaft vom ewigen Leben stieß immer wieder auf Widerspruch - bis heute. Ist das nicht Vertröstung auf ein Leben danach? Ist das nicht „Opium für das Volk“? Nimmt diese Botschaft unsere irdische Existenz mit allem, was dazugehört überhaupt ernst? Unterliegen diejenigen, die daran glauben, nicht der Gefahr der Weltflucht, der Versuchung die Welt Welt sein zu lassen, diese Welt einfach hinzunehmen, wie sie ist?

Eben nicht, denn: Der, der verklärt wurde, der die Würde, die Schönheit des ewigen Lebens aufstrahlen ließ, ging ja gerade seinen Weg als Mensch in dieser Welt. Nicht die überwältigende Nähe des Gottessohnes in der Verklärung blieb den Jüngern, sondern der alltägliche Umgang mit Jesus. Jesus rief seine Jünger - und damit auch uns - nicht auf, die Welt zu fliehen, sondern er sandte die Jünger, er sendet uns in die Welt, das Evangelium zu verkünden und im Geist des Evangeliums die Welt zu gestalten.

Es gilt, ihn, den Außerordentlichen, im Gewöhnlichen zu entdecken und im Gewöhnlichen erfahrbar zu machen.
Der Herr will uns immer wieder als der Verklärte aufleuchten in der täglichen, sonntäglichen Liturgie, im unscheinbaren Zeugnis so vieler Menschen, die sich bemühen, ihren Alltag unter Gottes Anruf zu stellen.
Der Herr will immer wieder den anderen als der Verklärte aufleuchten durch uns, durch unser Zeugnis. Das strahlend weiße Taufgewand, sollte in der frühen Kirche daran erinnern. Auch heute noch ist das Taufkleid eine Erinnerung daran, wozu wir auf Erden berufen sind und was uns im Himmel verheißen ist.

In der Verklärung zeigt sich: Jesus ist mehr, ist größer als ein Mensch. Er ist Gottes Sohn. Aber er geht den Weg des Menschen. Und er ruft uns auf, im Vertrauen auf ihn, ebenfalls diesen alltäglichen Weg zu gehen, diesen Weg, an dessen Ende die große Verheißung steht: Das ewige Leben bei ihm.

292. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

Liebe Schwestern und Brüder!

„Wir verkündigen Christus als den Gekreuzigten.“
So faßt der Apostel Paulus im ersten Brief an die Korinther seine Verkündigung zusammen. So läßt sich die Verkündigung der frühen Kirche zusammenfassen: „Wir verkünden Christus als den Gekreuzigten.“

Die Botschaft vom Gekreuzigten - sie stieß damals auf Widerspruch. Denn diese Botschaft war „für Juden ein empörendes Ärgernis“. Wie konnten diese Christen einen total gescheiterten Weltverbesserer als Messias bezeichnen. Einen, dessen unpolitische, friedfertige Haltung so gar nichts mit der jüdischen Messiasvorstellung zu tun hatte. Einen, der nicht der politische, ja militärische Befreier des Volkes Israel werden wollte. Dieser gekreuzigte Jude ein Messias? - das war für viele Juden ein Stein des Anstoßes, ein Ärgernis eben.

Die Botschaft vom Gekreuzigten - sie stieß damals auf Widerstand.
Denn diese Botschaft war „für Heiden eine Torheit.“ Wie konnten diese Christen nur einen als Schwerverbrecher gehängten Juden als ihren Erlöser bezeichnen. Dieser Gekreuzigte war das Gegenbild des weisen Menschen, wie ihn sich die Antike vorstellte. Ein Gegenbild des Weisen, der die Rätsel des Lebens ergründen konnte, der mit Hilfe innerliche Übungen sein Bewußtsein erweitern konnte, der letztlich sich selbst erlösen konnte. Der Weg des Gekreuzigten als Weg zur Selbstfindung - das war in den Augen der Heiden damals Unsinn, Torheit eben.

Noch heute geben die verschiedenen Darstellungen des Gekreuzigten Zeugnis vom Glauben der Kirche. Wir entdecken vielerorts noch Kreuze und Kruzifixe: in den Kirchen und Kapellen, in den Klassenzimmern und Gerichtssälen, in unseren Wohn- und Arbeitszimmern ... Jedes einzelne Kreuz soll uns als Gläubige der Kirche daran erinnern: „Wir verkünden Christus als den Gekreuzigten.“ Die Botschaft ist dieselbe wie damals, wie zu Beginn des Christentums.

Und auch heute erhebt sich Widerspruch, regt sich Widerstand gegen die Botschaft vom Gekreuzigten. Das Kreuz - noch heute erhitzt es die Gemüter, denken wir nur an die zum Teil sehr lebhaften Reaktionen auf das Kruzifixurteil des Bundesverfassungsgerichtes.

Warum ist für viele das Kreuz zum Stein des Anstoßes geworden?
Das Kreuz erregt Anstoß, weil für viele der Anblick eines halbnackten Hingerichteten schlicht unerträglich ist.

Das Kreuz erregt Anstoß, weil viele durch das Kreuz an ihren eigenen Tod erinnert werden, sie sich aber dem eigenen Tod nicht stellen wollen. Sie werden erinnert an die Erlösung, derer wir alle bedürfen, die sie aber von sich aus und nicht durch eine Tat Gottes erreichen wollen.

Das Kreuz erregt Anstoß, weil heute vielen Menschen ein Gott widerstrebt, der Mensch wird, um dann als Schwerverbrecher zu sterben. Für das Gefühl ist das ein Greuel, für den Verstand eine Sinnlosigkeit. Viele können nicht an einen Gott glauben, der seinen Sohn grausam quälen und töten läßt, um Genugtuung für die Schuld der Menschen ihm gegenüber zu erlangen.
Aber ist das denn das Zentrale der Botschaft vom Kreuz, daß Gott sich nur durch Menschenopfer versöhnen läßt, daß Gott einen „Sündenbock“ braucht, auch wenn das manche verkündet haben sollten. Ist das etwa das Gottesbild, das die Christen, das Sie und ich, im Zeichen des Kreuzes bekennen?

Wofür steht also das Kreuz? Warum verkündigen wir „Christus als den Gekreuzigten?“
Bei Gott ist nichts dem Zufall überlassen. Und erst recht, wenn er sich uns in seinem Sohn offenbaren will, ist alles, was dieser Sohn sagt und tut, ist alles was diesem Sohn widerfährt, nicht das Produkt einer „göttlichen Laune“. Also dürfen wir das Kreuz nicht aus dem Plan Gottes mit uns und der Welt streichen.

Eines ist gewiß: Jesus starb am Kreuz. Sein gewaltsamer Tod war die Konsequenz seiner Botschaft, einer Botschaft, die die gestörte Beziehung, die angeschlagene Ordnung zwischen Gott und Mensch, zwischen Schöpfer und Geschöpf heilen wollte. Diese Beziehung, diese Ordnung war und ist un-heil, wo der Mensch nur auf sich schaut und dabei Gott und den Nächsten aus den Augen verliert. Un-heil ist dort, wo die Menschen ihre Freiheit, die sie von Gott ihrem Schöpfer geschenkt bekommen haben, mißbrauchen und mißverstehen. Un-heil ist dort, wo die Menschen Freiheit verwechseln mit einer ichbezogenen Eigenwilligkeit, mit der Möglichkeit egoistischer Selbstverwirklichung.

In diese Welt spricht Gott zu uns als einer von uns: in Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch. Seine Worte und Werke wollen dem auf sich fixierten Menschen den Blick weiten auf Gott und den Nächsten hin. Die Liebe zu Gott und der Dienst an den Menschen - diese befreiende, heilende Botschaft traf auf offene Ohren.. aber auch auf verhärtete Herzen, die Gottes Heils-angebot nicht verstehen konnten oder wollten, die dann unserem Herrn den Prozeß machten und ihn kreuzigen ließen.

Und nun geschieht das schier Unglaubliche: Gott zieht sich nicht beleidigt zurück, wendet sich nicht von uns ab oder vernichtet aus Zorn sogar seine Geschöpfe. Nein vielmehr liefert er sich den Menschen, uns, aus. Ja, er gibt sich den Menschen, uns, ganz hin - aus freiem Willen, aus Liebe.

Der Herr geht den Weg ans Kreuz. Er, der Gottmensch, hat wahrhaftig gelernt und durchlebt, was für uns Menschen leiden heißt, was es für uns heißt körperliche Qualen zu haben, was es für uns heißt von Freunden im Stich gelassen zu werden, mißverstanden und verspottet zu werden. Wir haben einen Gott, der das menschliche Leid kennt, und der so wirklich mit uns mitleiden kann.

Der Herr, geht den Weg ans Kreuz. Für uns Menschen, für uns alle, die wir alle miteinander verbunden sind. Die wir auch miteinander verbunden sind durch die Anfälligkeit, zu sehr auf uns zu schauen, durch die Anfälligkeit, aus Egoismus zu sündigen. Wir sind auch miteinander verbunden durch das gemeinsame Schicksal des Todes.

Für uns Menschen also wird Gott Mensch und teilt mit uns als Gekreuzigter Leid und Tod. Als Auferstander will er uns aber verbinden mit seinem Leben, das heil macht, das freimacht von der Ichbezogenheit, vom Schiksal der Sünde und des Todes, das freimacht für die Liebe zu Gott und zum Nächsten .Christus hat sich so sehr mit unserem Leben verbunden, daß er uns auch mit seinem Leben verbinden will. Deswegen ist Christus für den Kirchenvater Irenäus derjenige, „der wegen seiner unendlichen Liebe das, was wir sind, geworden ist, damit er uns vollkommen zu dem mache, was er ist.“

Christus hat sich hingegeben am Kreuz, damit wir vom Tod zum leben, vom Un-heil zum Heil gelangen.
Wir dürfen an einen Gott glauben, der uns bis zum letzten liebt, der für jeden einzelnen von uns sein Blut vergossen hat, damit wir heil werden. Das ist unser Glaube. Das sagt uns das Kreuz. Das ist gemeint, wenn Paulus sagt: „Wir verkünden Christus als den Gekreuzigten.“

293. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Evangelium, das wir gerade gehört haben, es ist ein bekanntes, ein beliebtes Evangelium. Es hat so etwas Vertrautes an sich: Der Winzer, der Weinstock, die Reben.

Winzer, Weinstock, Reben - manch einer von Ihnen mag da an die Mosel denken, oder an den Rhein, an Weinberge, an Weinproben, an Frohsinn, an volkstümliche Lieder. Ich selber verbinde damit schöne Erinnerungen an meine Erstkommunion im Juni 1979. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ war das Thema des Gottesdienstes.

Winzer, Weinstock, Reben - wirklich ein schönes, friedliches Bild. Romantisch.

Auch das heutige Evangelium, das Gleichnis vom Weinstock und den Reben hat etwas friedliches an sich: Der gute Winzer, Gott, kümmert sich, sorgt sich um seine Reben, um uns.

Aber das Gleichnis sagt noch mehr aus:
Grundlegendes über unsere Herkunft: Wir, die Reben stammen von dem einen Weinstock.
Forderndes für unser Leben: Wer sich von Christus löst, löst sich vom Leben.

Aber der Reihe nach.

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.
Der Herr vergleicht so seine Beziehung zu den Jüngern, und damit auch seine Beziehung zu uns.
Er ist der Weinstock. Aus ihm wachsen wir. Aus ihm kommen wir hervor.
Weil es den Weinstock gibt, gibt es die Reben. Weil es Christus gibt, gibt es uns.
Denn von Christus heißt es im Kolosserbrief:
Er ist der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden. Alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand.

Ohne Christus keine Schöpfung, kein Himmel, keine Erde, kein Mensch, keiner von uns.
Von ihm kommt das Leben. Von ihm kommt unser Menschsein.
Wir alle haben die gleiche Wurzel, die gleiche Herkunft. Sie, wie ich, wie Ihr Banknachbar, wie der Mensch, dem Sie nach dem Gottesdienst als erstes begegnen werden. Die gemeinsame Wurzel Christus verbürgt uns auch die gemeinsame Würde, Kinder Gottes zu sein.

Die Verbindung zum Weinstock Christus, diese Verbindung ist für uns Menschen, erst recht für uns Christen, die grundlegende Beziehung.
Ohne Verbindung zum Weinstock bringt die Rebe keine Trauben hervor. Aber dazu ist sie bestimmt.
Ohne irgendeine Verbindung zu Christus bringen auch wir keine Früchte hervor, wie Freude, Versöhnung, Gemeinschaft... Aber dazu sind wir bestimmt.

Wer sich vom Weinstock trennt oder trennen läßt, der muß die Konsequenzen seiner Handlung selbst verantworten.
Wer sich vom Weinstock trennt oder trennen läßt, der läuft Gefahr, wie die Reben zu enden, die keine Frucht bringen:
Mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe, die keine Frucht bringt schneidet er ab. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen.

Auf einmal hat das Gleichnis seinen fast romantischen Charakter verloren. Auf einmal wird deutlich: Hier geht es um das Gericht. Die Worte sind hart, denn sie haben etwas Endgültiges: Abschneiden, ins Feuer werfen, verbrennen.

Ist die Frohbotschaft also doch eine Drohbotschaft?

Nein. Das Gleichnis zeigt vielmehr, daß Gott uns ernstnimmt. Konsequent ernstnimmt.
Wir Menschen haben die Freiheit, NEIN zu Gott zu sagen.
Wir Menschen haben die Freiheit, uns - bildlich gesprochen - vom Weinstock zu lösen, unsere gemeinsame Herkunft zu mißachten: Gott.

Ohne diese Freiheit wären wir keine Menschen. Ohne diese Freiheit wären wir Marionetten.
Gott hat uns als freie Menschen gewollt. Daß er uns die Freiheit der Entscheidung läßt, das ist ein Ausdruck seiner Liebe zu uns, ein Ausdruck dafür, daß er uns ernstnimmt als eigenständige Personen.

Die Liebe läßt die Freiheit gelten. Das erleben wir schon im menschlichen Miteinander.

Ein Heranwachsender fühlt sich von seinen Eltern z. B. nicht ernstgenommen, wenig geliebt, wenn sie ihn in einen bestimmten Beruf zwingen wollen. Auch wenn die Eltern es noch so gut meinen.

Auch eine Liebesbeziehung kann nicht bestehen, wenn die Partner sich nicht in Freiheit füreinander entschieden haben, sondern gezwungen worden sind, zu heiraten.

Die Freiheit gehört zur Liebe. Gott läßt uns die Freiheit. Damit läßt er auch die Möglichkeit zu, daß einzelne Menschen sich von ihm trennen, mit ihm nichts zu tun haben wollen. Er läßt es zu, daß Menschen sich vom Weinstock und von den anderen Reben trennen.

Er will es nicht. Aber er nimmt die Entscheidung ernst. Nicht er richtet uns. Wir selber sprechen uns das Gericht. Wir selbst können uns endgültig absondern von unserer gemeinsamen, lebenspendenden Wurzel. Und das ist die Hölle. Ohne Beziehung zu Gott. Ohne Beziehung zu den Menschen. Endgültig. Selbstgewollt.

Gott ist also nicht der drohende Despot, der willkürlich die Menschen in die Hölle wirft, gerade so wie es ihm gefällt. Nein, er ist barmherzig.
Gott ist aber auch nicht ein harmloser „Schwamm-drüber-Gott“, einer, der uns sowieso in den Himmel aufnimmt, weil er uns ja alle soo liebhat. Nein, er ist auch gerecht.

Diese letze Entscheidung trifft man doch erst am letzten Tag. Wer wird sich schon gegen Gott entscheiden, wenn er ihn von Angesicht zu Angesicht sieht? Und was hat das mit meinem Leben jetzt und hier zu tun?

Der Herr ruft seinen Jüngern, uns eindringlich zu: Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch! Haltet Verbindung mit mir! Löst euch nicht vom wahren Weinstock!

Angesichts der Möglichkeit, endgültig NEIN zu sagen, zu Gott, zum Sinn des Lebens, angesichts dieser Möglichkeit weist uns der Herr den Weg, schon jetzt JA zu sagen zu Gott, zum Sinn unseres Lebens.

Wir sollen in ihm bleiben. Das heißt, wir sollen unsere Beziehung zu ihm, dem wahren Weinstock aufrecht erhalten. Wir können dies tun im Hören und Lesen seines Wortes, im persönlichen und gemeinsamen Gebet, im Empfang der Sakramente, in Taten der Nächstenliebe.
Dazu ruft uns auch dieses Christusjahr 1997 besonders auf.

Der Herr ruft uns auf: Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch! Er weiß, daß die kleinen Achtlosigkeiten gegen die Mitmenschen, die faulen Kompromisse im Leben, die religiöse Gleichgültigkeit, die einzelnen Sünden uns von ihm entfremden können.
Sie sind wie kleine Risse in der Rebe, die den Zufluß des Lebenssaftes vom Weinstock behindern. Sie sind wie kleine Risse in der Rebe, die dazu führen können, daß im heftigen Wind die Rebe vom Weinstock abreißen kann.

Ich weiß letztlich nicht konkret, was ein Mensch tun muß, damit sein Kontakt zu Gott endgültig abbricht. Aber ich weiß, daß er abbrechen kann.
Ich weiß aber, daß, wer sich bemüht, die Verbindung zum Weinstock Christus zu halten, das Leben erhalten wird.
Übrigens: die Kirche hat nie gesagt, wer verdammt ist. Sie hat immer nur erklärt, wer im Himmel ist.

Hören wir noch einmal die Stimme Christi, nehmen wir sie mit in diese Woche:
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht;
denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.
NUR SAMSTAG 17°° UHR

Der hl. Georg, unser Pfarrpatron, dessen Fest wir heute begehen, er war eine Rebe am Weinstock Christi, die reiche Frucht gebracht hat: Die Frucht des Blutzeugnisses für unseren Herrn.
Bitten wir ihn heute um seine Fürsprache für uns, für unsere Pfarrei, daß auch wir in Christus bleiben, dem wahren Weinstock.

294. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

„Prosit Neujahr!“, liebe Schwestern und Brüder!

Ich habe mich nicht im Kalender vertan. Ich weiß, daß heute erst der 29. bzw. 30. November 1997 ist und nicht der 1. 1. 1998.

Und dennoch wünsche ich Ihnen und auch mir „Prosit Neujahr!“
Und das mit gutem Grund.

Heute ist der 1. Advent. Mit diesem Tag beginnt zwar nicht das neue Kalenderjahr. Aber mit dem 1. Advent beginnt das neue Kirchenjahr. Das ist ein Einschnitt, bei dem wir innehalten sollten, um uns auf das Kommende einzustellen, um uns auf das Kommende vorzubereiten.

Vor genau einem Jahr, am 1. Advent 1996, begann die heiße Phase der Vorbereitung auf das Jahr 2000. Das letzte Jahr stand ganz im Zeichen Jesu Christi, des menschlichen Antlitzes Gottes.
Er, der Sohn Gottes, stand im Mittelpunkt der Verkündigung und Betrachtung der Kirche.
Weltweit und auch in unserer Gemeinde.
Ich erinnere an das Bronzekreuz, an die Monatsthemen in den Predigten, an die verschiedenen Vorträge usw.

Jesus Christus, die zweite Person der Heiligsten Dreifaltigkeit, sollte uns näherkommen und näher gebracht werden.

Das kommende Kirchenjahr, das mit dem heutigen 1. Adventssonntag beginnt, es soll sich mit dem Heiligen Geist befassen. Das hat der Papst in seinem Schreiben zur Vorbereitung auf das kommende Jahrtausend angeregt.

Der Heilige Geist - irgendwie ist er so etwas wie der „große Unbekannte“ im Leben und Verkündigen der Kirche.
Er ist ja für uns auch weniger griffig, greifbar im Vergleich zum menschgewordenen Gottessohn, im Vergleich zur konkreten Person Jesu von Nazareth.

Der Heilige Geist - für viele ist er einfach gesichtslos, unfassbar, unbegreiflich. Die Lehre vom Heiligen Geist ist vermutlich auch deshalb eine der schwierigsten Disziplinen in der Theologie.

Der Heilige Geist - für viele ist er aber auch faszinierend, eben weil er so unbegreiflich ist. Und er gehört zur Dreifaltigkeit, wie der Vater, wie der Sohn. Für viele neue Gemeinschaften in der Kirche steht er im Zentrum ihrer Spiritualität. Wie häufig wird er auch erwähnt in den Schriften des Alten und Neuen Testamentes. Wie oft hören wir die Liturgie von ihm sprechen.

Liebe Schwestern und Brüder!
Die Jahre der Vorbereitung auf die Jahrtausendwende wollen uns zu den Quellen unseres Glaubens führen. Sie wollen uns an das Eigentliche denken lassen - an die Rolle des Dreifaltigen Gottes in unserem Leben - , damit wir uns nicht von zweit- bis drittrangigen Fragen beherrschen lassen, in der Gesellschaft wie in der Kirche.

Diese Besinnung auf das Wesentliche, auf unser Leben vor und mit der Dreifaltigkeit, diese Besinnung tut not - gerade angesicht der Jahrtausendwende.

Das Jahr 2000 ist schließlich ein Datum , mit dem sich viele Unheilspropheten unserer Tage beschäftigen und beschäftigen werden. Sie schüren die Angst der Menschen angesichts einer ungewissen Zukunft, angesichts der so großen Umbrüche und Gefährdungen auf unserem Globus. Das Ende der Welt, der Untergang des Universums wird angekündigt, pünktlich zum Jahr 2000. Mit der Angst vor der Zukunft machen diese Menschen Geschäfte, führen andere in den finanziellen und psychischen Ruin.

In den nächsten zwei, drei Jahren, je näher wir der Jahrtausendwende kommen, werden diese Stimmen, die das Ende der Welt heraufbeschwören, lauter werden. Horrorszenarien werden gemalt, Angst wird geschürt.

Mit Recht erwarten wir alle in dieser Situation von der Kirche Worte der Orientierung. Deshalb die Besinnung auf das Wesentliche.

Und wir erwarten vom Evangelium Worte des Trostes.

Aber was hören wir im heutigen Evangelium? Da ist vom Toben und Donnern des Meeres die Rede, von der Erschütterung der Kräfte der Erde, von der Bestürzung und Ratlosigkeit der Völker, von Menschen die vor Angst vergehen...

Hat die Bibel nichts anderes zu bieten als die Unheilspropheten unserer Zeit, nichts anderes zu bieten als Weltuntergangsstimmung, Horror und Katastrophen?
Was unterscheidest die christliche Botschaft vom Ende der Welt gegenüber anderen Botschaften des Unterganges?

Weil Gott ewig ist und die Welt vergänglich, weiß das Christentum, daß es mit dieser Welt zu Ende gehen wird. Aber wovor die Kirche sich hütet, ist auf den genauen Zeitpunkt zu spekulieren.

Nirgendwo steht in der Hl. Schrift oder in den Verlautbarungen der Kirche wann die Welt untergeht. Erst recht nicht, daß sie im Jahr 2000 untergeht. Wir wissen weder den Tag noch die Stunde. Dies weiß allein Gott.

Deshalb: Wenn es vorkommen sollte, daß irgendwelche kirchlichen Kreise und Gruppen in irgendwelchen Traktätchen und Heftchen das Ende der Welt genau datieren, hören Sie nicht darauf.

Liebe Schwestern und Brüder, das Ende der Welt ist unausweichlich.
Das sagt uns die Heilige Schrift, die Urkunde unseres Glaubens.

Aber wir brauchen nicht vor Angst vergehen, weil wir ins Leere fielen.
Wir brauchen auch nicht vor Angst vergehen, weil angesichts des Endes unser Dasein sinnlos wäre.

Die Welt, wir sind vergänglich. Die Welt, wir werden aber in die Hände dessen fallen, der uns erschaffen hat. Am Ende steht nicht sinnlose Leere, sondern endgültiges Aufgehobensein bei Gott, unserem Anfang und unserem Ziel.

Ihn, den Ewigen, sollen wir aber in dieser vergänglichen Welt nicht aus den Augen verlieren. Wir sollen uns in dieser Zeit vertrauensvoll an ihn wenden.

Nehmt euch in acht, daß Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren und daß jener Tag euch nicht plötzlich überrascht. Wacht und betet allezeit.

Wir sollen uns nicht in den Sorgen des Alltags verlieren, sondern uns in den Sorgen des Alltags an Gott binden, an Gott festmachen. So sind wir immer getragen, immer bereit, ohne Angst.

Da, wo das gelingt, wirkt der Heilige Geist.
Der Heilige Geist lehrt uns zu unterscheiden, auf welche Zukunftsprognosen wir hören sollen.

Der Heilige Geist, der Tröster, wird uns in aller Bedrängnis und möglicher Verwirrung die Nähe Gottes zusprechen.

Der Heilige Geist, der Geist Gottes, will in uns leben und wirken, damit wir Gott, den Angelpunkt unseres Lebens nicht aus dem Blick verlieren, damit wir Halt finden ineiner haltlosen Welt.

„Prosit Neujahr!“
„Prosit“ heißt übersetzt: Es möge nützen.
Ihnen und mir wünsche ich das:
Daß dieses neue Kirchenjahr uns nützen möge, auf unserem Weg ins dritte Jahrtausend. Daß es uns nützen möge, indem es uns sensibel macht, offen macht für das Wirken des Heiligen Geistes.

Also nocheinmal: „Prosit Neujahr!“

295. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

Lohnt sich das denn überhaupt? Was bringt das denn noch?

Liebe Schwestern und Brüder!

Diese zwei Fragen werden oft gestellt in unserer Zeit. Vor allem, wenn’s ums Geld geht.

Lohnt sich das denn überhaupt? Was bringt das denn noch?

Diese Fragen stellen sich aber auch Menschen, die glauben.

Diese Fragen stellt sich wohl auch der Bischof, wenn er die Probleme in der Diözese sieht: die Finanzen, die gegen Null tendierenden Priester- und Ordensberufe, die vielen Klage- und Anklagebriefe jeden Tag.

Diese Fragen stellt sich der Pastor, wenn er die leerer werdenden Kirchenbänke sieht.

Diese Fragen stellen Sie sich, wenn Sie merken, dass Sie auf Ihrer Strasse die einzigen sind, die den Glauben noch ernstnehmen, den anderen es aber nicht schlechter, manchmal sogar besser geht.

Lohnt sich das denn überhaupt? Was bringt das denn noch?

Diese Fragen werden sich Petrus, Johannes und Jakobus auch gestellt haben. Damals, nachdem man Jesus ans Kreuz geschlagen hatte. Damals, als alles so unsicher war und keiner der Jünger mehr weiter wusste.

Petrus, Johannes und Jakobus haben weitergemacht. Sie haben ihr Leben eingesetzt für Jesus Christus, für seine Botschaft, seine Kirche.

Vielleicht haben sie damals nach dem Karfreitag nicht alles sofort hingeschmissen, weil sie sich an die Begebenheit aus dem heutigen Evangelium erinnert haben: an die Verklärung Jesu.

Jesus erstrahlt diesen Jüngern im göttlichen Licht, als der himmlische Herr.
Auf diesen Jesus sollten sie hören, hat die Stimme aus der Wolke gerufen.

An diesen Jesus werden sie vielleicht auch gedacht haben, als sie ihn blutverschmiert durch die Strassen Jerusalems haben ziehen sehen, mit dem Kreuz auf der Schulter.

Die Erinnerung an diesen Jesus, an den verklärten Herrn, hat sie durchhalten lassen.
In ihm strahlte schon etwas von dem auf, was Jesus den Jüngern und uns verheißen hat. In ihm strahlte das ewige Leben auf, das wonach sich jeder Mensch zuinnerst sehnt, ob er es weiß oder nicht.

Diesen Augenblick, wo das Ewige in die Zeit bricht, wo der Himmel die Erde berührt, wollte Petrus festhalten. Er wollte drei Hütten bauen, damit dieser Augenblick bleibt, der alle Sehnsucht des Lebens gestillt hat.

Die Erinnerung an den verklärten Herrn hat die Jünger aufrecht gehalten, so dass sie offen waren für die endgültige Erscheinung des Auferstandenen, für Ostern.

In dunklen Stunden – auch wenn ich erst drei Jahre Priester bin kenne ich diese Zeiten – wenn in mir die Fragen aufkommen, was das Ganze denn noch soll, ob es sich überhaupt noch lohnt, im Weinberg des Herrn zu arbeiten angesichts der Nackenschläge, die die Seelsorge für einen bereithält, dann erinnere auch ich mich.

Zwar habe ich nicht den verklärten Herrn gesehen.
Aber ich habe Augenblicke erlebt, in denen ich einen Vorgeschmack auf den Himmel kosten durfte, Augenblicke, in denen sich Himmel nd Erde zu berühren schienen.

Ich denke da an die Mitfeier einer Osternacht, die ein todkranker Kapuzinerpater gefeiert hat. Nichts hat er gesprochen. Alles hat er gesungen. Tage später wurde er in Krankenhaus eingeliefert, dass er dann als Toter verließ.

Oder ich erinnere mich an meine Hochzeit, an meine Diakonen- und Priesterweihe. Eine an frohmachenden Erlebnissen reiche Zeit. Eine Zeit der Freude und des inneren Friedens.

Wenn ich mir diese oder andere Ereignisse aus meinem noch jungen Leben vergegenwärtige, dann erfüllt mich ein Gefühl tiefer Dankbarkeit.
Dann weiß ich auf einmal wieder, dass sich das Ganze lohnt, dass es Sinn macht.
Dann schöpfe ich neue Kraft, weiterzumachen.

Liebe Schwestern und Brüder!
Als Christen leben wir sehr angefochten in einer Welt, die dem Glauben teils feindlich, teils –was noch schlimmer ist- teils interesselos gegenübersteht. Selbst in der Kirche sind diejenigen, die es ernst meinen mit dem Glauben, in der Minderheit. Schließlich gehen ja Dreiviertel unserer Gemeinde nicht zur Sonntagsmesse.

Angesichts dieser Angefochtenheit kommen Ihnen Zweifel. Das weiß ich auch aus vielen Gesprächen.
Lassen Sie sich davon nicht unterkriegen.
Versuchen Sie wie die Apostel, wie ich sich zu erinnern.
Erinnern an Momente, wo sie gemerkt haben, dass es Sinn macht zu Glauben, an Christus und an der Kirche festzuhalten. Momente, die ewig hätten dauern können.
Ob es nun die feierliche Oster-Liturgie in unserer Kirche war oder ein privates Gebet an einem Bildstock in einer Bauernschaft, das sie mit Frieden erfüllt hat.
Ob es beim Dienst am Nächsten, z. B. ein Krankenbesuch, war oder bei der Wallfahrt nach Kevelaer oder bei einem einfachen Gespräch mit einem Freund, einer Freundin..

Egal wann und wo! Bewahren sie diese Erinnerung in Ihrem Herzen. Rufen Sie sich diese ins Gedächtnis.

Lohnt sich das denn überhaupt? Was bringt das denn noch?
Diese Fragen, diese Zweifel sind unvermeidlich. Sie stellen auch eine Prüfung für unseren Glauben da. Das ist so.

Die Kirche hat niemandem, weder Ihnen noch mir, den Himmel auf Erden versprochen.

Aber die Kirche hat jedem von uns, Ihnen und mir, den Himmel verheißen, den Ort, wo jeder mit sich, den anderen und mit Gott im Reinen ist; den Zustand ewiger Glückseligkeit, den jeder ersehnt.

Ab und zu gewährt uns der Herr einen himmlischen Augenblick hier schon auf Erden. Das sind kleine Geschenke an uns. So wie er Petrus, Johannes und Jakobus mit seiner Verklärung beschenkt hat.

Pflegen sie dieses Geschenke gut.
Sie zu pflegen, sich ihrer zu erinnern, hilft uns denken und sagen:

Jawohl, es lohnt sich zu glauben. Es macht wirklich Sinn. Trotz allem...

296. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

Sünde – liebe Schwestern und Brüder,
Sünde – dieses Wort scheint es nicht mehr zu geben.
Man sündigt allerhöchstens noch, wenn man gegen die selbstauferlegte Diät verstößt.
Aber wer benutzt dieses Wort eigentlich noch?

Sünde – das scheint auch keine Bedeutung mehr im Leben der Katholiken zu haben. Wenn man bedenkt, dass es gerade mal 15% der Katholiken in unserem Bistum sind, die sonntags zur Kirche gehen, dann sind es vielleicht gerade mal 2%, die noch zur Beichte gehen. "Herr Kaplan, ich hab doch keinen umgebracht."

Sünde – liebe Schwestern und Brüder, ist aber einer der zentralen Begriffe unseres Glaubens. Allein in der Hl. Schrift findet sich 277 mal das Wort Sünde.

Auch heute, im Evangelium begegnen wir der Realität der Sünde. Eine Ehebrecherin soll gesteinigt werden. Jesus rettet sie vor dieser schmachvollen Bestrafung mit den Worten an die Umstehenden:
Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.
Beschämt geht einer nach dem anderen weg.
Und Jesus entlässt die Frau mit den Worten:
Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.

Schauen wir uns diese beiden Sätze genauer an.
Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.
Alle gehen weg. Damals jedenfalls schien sich jeder, jede bewusst geworden zu sein, dass alle Sünder sind. Du, mein Nachbar und ich – Sünder.

Was ist denn eigentlich die Sünde?
Ein Handeln gegen die Gebote Gottes. Du sollst nicht die Ehe brechen z. B. Die Gebote Gottes – die Zehn Gebote – sind Wege zu einem gelungenen Leben. Die ersten drei Gebote beziehen sich auf mein Verhalten Gott gegenüber, keine Götzen anzubeten, seinen Namen nicht zu missbrauchen, den Sabbat bzw. den Sonntag zu heiligen. Die restlichen Gebote ordnen das Leben der Menschen untereinander.
Wer gegen diese Gebote verstößt, schadet sich selbst und den anderen. Er verlässt die sichere Straße, an deren Rand diese Gebote wie Leitplanken stehen, und steuert ins ewige Verderben, statt in das Leben in Fülle.

Diese Gebote enthalten aber einen Geist, der über die eigentlichen Verstöße hinausgeht.
Es sündigt der, der jemanden ermordet. Es sündigt aber auch die, die durch Klatsch und Tratsch so etwas wie Rufmord begeht.
Es sündigt der, der mit einer anderen die Ehe bricht. Es sündigt aber auch die, die den Partner lediglich körperlich gebraucht.
Und so weiter. Dazu finden sich gute Gewissensspiegel im Gotteslob ab Nummer 60.

Wer gegen den Geist der Liebe und Achtung vor Gott, dem Nächsten und sich selbst verstößt, der nähert sich gefährlich den Leitplanken der Gebote und droht darüber hinauszuschießen.
Eine Kurskorrektur ist angesagt. Dazu hilft die Beichte, die nach wie vor von der Kirche zu Ostern sehr empfohlen wird, im Falle einer schweren Sünde sogar verpflichtend ist.
Ich möchte Sie alle nur dazu ermuntern, dieses Sakrament in Anspruch zu nehmen. Am Karfreitag wird hier in der Prosperkapelle die Möglichkeit dazu bestehen.

Was geschieht in der Beichte? Wenn Sie so wollen hören Sie aus dem Munde des Priesters die Worte, die Jesus zu der Sünderin gesprochen hat:
Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.

Die Sünde wird nicht totgeschwiegen, aber sie wird vergeben. So erhält der Sünder, die Sünderin die Chance von neuem anzufangen. Nichts ist verloren. Alles kann neu beginnen.
"Die Heiligen haben eine Geschichte. Die Sünder eine Zukunft." So hat es der verstorbene vietnamesische Kardinal van Thuan einmal wunderbar ausgedrückt.

"Die Heiligen haben eine Geschichte. Die Sünder eine Zukunft." Die Beichte, die reuige Umkehr eröffnet neue Wege. Und wer will sich schon die Zukunft verbauen?

"Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes."
"Versöhne uns mit deinem Sohne, empfiehl uns deinem Sohne, stelle uns vor deinem Sohne."
"Zu dir komme ich, vor dir stehe ich als Sünder."

Liebe Schwestern und Brüder,
diese Zitate aus drei marianischen Gebeten, stellen uns Maria als unsere Fürsprecherin vor. Maria wollen wir heute auf dem Kreuzweg begegnen, und damit unsere kleine Predigtreihe beenden.

Wie sehr hat sich Jesus wohl danach gesehnt, seine Mutter auf diesem Weg zu sehen? Wie schwer mag es Maria gefallen sein, den geliebten Sohn das Kreuz schleppen, ja an diesem Holz sterben, besser: verrecken zu sehen?

Jesus wird großen Trost gefunden haben, als er sah, dass die Liebe der Mutter größer ist als die Angst.
Und weil er vollkommen Mensch ist, wird Jesus aus Dankbarkeit seiner Mutter kaum etwas abschlagen können.

Deshalb rufen die Christen seit fast zwei Jahrtausenden die Fürbitte Mariens an. Sie möge für uns eintreten vor ihrem Sohn. Maria ist ein Mensch wie wir. Sie weiß um unsere Schwachheit. Weil sie ein Mensch ist, ist sie uns so nah. Und wie früher, als wir kleine Kinder waren, gehen wir zur Mutter, um getröstet zu werden, wenn uns Böses widerfahren ist,
gehen wir zuerst zur Mutter, wenn wir etwas ausgefressen haben,
gehen wir zur Mutter, wenn wir uns nach etwas sehnen.

Die Marienverehrung ist deshalb etwas ganz natürliches. Wie alle Gebetsformen kann auch sie deformiert werden. Aber ohne sie, wäre unser Gebetsleben ärmer, kälter.

Empfehlen wir uns in diesen letzten Tagen der Mutter Gottes, sie hat unter dem Kreuz ausgehalten. Wir rufen sie an als "Refugium peccatorum", als Zuflucht der Sünder. Bitten wir sie in diesen letzten Tagen vor Ostern um die Gnade der Bekehrung, echter Reue. Vielleicht sind wir sogar so kühn, sie um eine gute Beichte zu bitten. Denn wir wissen:
"Die Heiligen haben eine Geschichte. Die Sünder eine Zukunft."

297. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

„Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“

Mit diesem Wort, Schwestern und Brüder, hat sich Jesus geoutet – wie man heute zu sagen pflegt.
Er hat sich geoutet als der verheißene Messias, der Heiland und Retter der Welt. Er ist der Gesalbte Gottes, der Christus.

An diesen Christus glauben wir Christen. Auf ihn vertrauen wir. Ihn verkünden wir.
So weit, so gut.

Doch der eine Christus wird von einer Vielzahl von christlichen Kirchen, kirchlichen Gemeinschaften und Gruppen verkündet. Und dieses Zeugnis ist nicht immer gleich.

Die Kirche ist von Christus als eine Kirche gegründet und eingesetzt worden. Von ihrem Ursprung her, von ihrem Gründer her und von ihrer Sendung her ist die Kirche eine Einheit.

In dieser Einheit gibt es auch eine reiche Vielfalt. So gibt es viele unterschiedliche Gemeinschaften in der Kirche, die unterschiedliche Aufgaben und Schwerpunkte setzten. Ich denke da an die unterschiedlichen Verbände, die wir haben, an die Ordensgemeinschaften und die neueren geistlichen Bewegungen.

Da die Kirche weltweit ist, gibt es natürlich auch verschiedene lokale Traditionen und Mentalitäten, die berücksichtigt werden.

Es gibt sogar unterschiedliche Liturgien, z. B. gibt es neben unserem lateinischen Ritus die orthodoxe Liturgie der mit Rom verbundenen unierten Kirche, es gibt einen mozarabischen Ritus. Der sogenannte tridentische Ritus hat seine Berechtigung in der Kirche, genauso wie der Zaireritus in Afrika.

Der große Reichtum an Verschiedenheiten steht der Einheit der Kirche nicht entgegen, sondern die Sünde, menschliches Machtstreben und die Suche nach dem eigenen Vorteil bedrohen die Einheit der Kirche immer wieder.

Deshalb ist es wichtig, sich immer wieder um die Einheit des Geistes zu mühen, wie Paulus uns das sagt.

Welches sind nun die Bande der Einheit?
Es ist vor allem die Liebe, die die Gläubigen einander schenken sollen. Auch das gemeinsame Gebet füreinander eint.
Das sind sozusagen die Bande, die die Kirche im Inneren zusammenhält.

Als äußere Zeichen der Gemeinschaft sind nach katholischer Auffassung für die Kirche folgende verbindlich festzuhalten:

- das Bekenntnis ein und desselben, von den Aposteln überlieferten Glaubens
- die gemeinsame Feier der Gottesdienste, vor allem der Sakramente
- die apostolische Sukzession und das damit verbundene Sakrament der Weihe und das damit autorisierte Lehramt.

Diese Elemente gewähren die Einheit der Kirche. Wie es nur einen Christus gibt, so kann es nur eine Kirche geben.
Christus und die Kirche dürfen allerdings nicht miteinander verwechselt werden. Sie dürfen aber auch nicht von einander getrennt werden. Zusammen bilden sie den einen ganzen Christus, mit Haupt und Leib.

Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist die große Wunde der Christenheit, dass schon von Beginn an in der Kirche Spaltungen und Parteiungen aufkamen.
Die Apostelgeschichte erzählt schon davon. Die Apostel tadeln in ihren Briefen diese Erscheinungen.
Im weiteren Verlauf der Kirchengeschichte kam es dann zu weit größeren Uneinigkeiten, die zu Abspaltungen führten.
Von der katholischen Kirche trennten sich z. B. die Orthodoxe Kirche, die kirchlichen Gemeinschaften der Reformation, die anglikanischen Kirchengemeinschaft...

Diese Trennungen sind Folge von Sünde und egoistischem Denken auf allen Seiten. Jede Kirche oder kirchliche Gemeinschaft hat Glieder, die an diesen Trennungen mitschuldig geworden sind. Es gibt keine Alleinverantwortung.

Viele hunderte Konfessionen und Denominationen gibt es mittlerweile, die sich alle auf den einen Christus berufen.

Wie soll die Welt an den einen Christus glauben, wenn er von den Christen in Stücke gerissen worden ist?

Die Welt kann nur an den einen Christus glauben, wenn die Christen zur Einheit zurückfinden.

Das kann aber nicht heißen, dass wir die Unterschiede einfach wegwischen. Das wäre ein zu billiger Weg. Dann käme statt des einen Christus sozusagen ein billiger Jakob heraus.
Voreiligen Rufen nach Interkommunion, gemeinsamen Abendmahl usw. sind deshalb eine deutliche Absage zu erteilen. Das haben ja auch die evangelischen wie katholischen Spitzen anlässlich des ersten ökumenischen Kirchentages in Berlin einmütig betont.

Die volle Einheit der Kirchen wird nicht durch die Kommunion bewirkt, sondern ausgedrückt. Erst da, wo die Einheit besteht, hat die Eucharistie als Sakrament der Einheit ihren Sinn. Kirchengemeinschaft und Kommuniongemeinschaft lassen sich nicht voneinander trennen.
Die Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften müssen in einen ehrlichen Dialog treten. Sie müssen einander sagen, was sie glauben. Nur so können wir gemeinsam den Reichtum unseres Glaubens, den Reichtum Christi erkennen, ohne ihn zu verlieren.

In diesem Sinne ist auch die vor einigen Jahren in Rom erschienende Erklärung „Dominus Jesus“ zu verstehen. Sie ist nicht ein päpstlicher Schlag gegen die Ökumene.

Die Erklärung „Dominus Jesus“ zeigt vielmehr den Weg auf, den wir Christen gemeinsam gehen müssen.
Der Weg ist eben der „Dominus Jesus“ – der Herr Jesus. Ihn und seine Lehre in den Mittelpunkt unserer Diskussionen und Gebete zu stellen – darum geht es.

Deshalb gilt es für alle Christen aller Konfessionen, sich immer wieder neu zu Christus zu bekehren, gemeinsam um die Einheit der Christen zu beten, sich gegenseitig kennen zu lernen, miteinander zu sprechen und zusammenzuarbeiten, wo sich die verschiedenen Felder für den Dienst an den Menschen auftun.

Es gibt viele mutmachende Initiativen innerhalb der Ökumene. Gerade Papst Johannes Paul II ist ein Motor in diesem Sinne durch seine vielfältigen Treffen mit den Vertretern unterschiedlichster Konfessionen.

Bei allem menschlichen Bemühen dürfen wir aber eines nicht vergessen:
Dass nämlich die Einheit immer ein Geschenk Gottes ist.
Er, der Eine, stiftet die Einheit, nicht wir, die vielen.

298. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

"...hätte aber die Liebe nicht..."
Liebe Schwestern und Brüder,

Es ist wohl eine der bekanntesten Stellen, die wir in der Lesung gehört haben: Das Hohelied der Liebe aus dem ersten Korintherbrief. Es wird z. B. gerne zu Hochzeiten genommen.

"...hätte aber die Liebe nicht..."
Es gibt wohl kaum ein Wort, das so tief und schön in unseren Ohren klingt, wie das Wort Liebe. Es spricht in uns tiefe Schichten an.

Es gibt aber auch wohl kaum ein Wort, das so missbraucht, ja vergewaltigt wird, wie das Wort Liebe. Denken wir nur an die Illustrierten, die über die sogenannten "großen Lieben" der Promis und Stars berichten wie über Äpfel und Birnen. Liebe wird da degradiert auf ein Herz-Schmerz-und-dies-das-Niveau.

"...hätte aber die Liebe nicht..."
Was ist denn die Liebe? Was macht dieses Wort so einzigartig in unseren Ohren?

Was sagt der Mensch eigentlich, wenn er sagt: "Ich liebe dich?"
Nun, er drückt damit eine Wertschätzung des anderen aus. Er heißt das geliebte Gegenüber gut. Lobt und preist in einem gewissen Sinne dessen Existenz: "Gut, dass es Dich gibt! Wie wunderbar, wie schön, dass Du da bist!"

Liebe ist auch eine Gestalt des Wollens. Wer sagt: "Ich liebe Dich.", der sagt gleichzeitig: "Ich will, dass Du bist, dass es Dich gibt."

"Gut, dass es Dich gibt. Ich will, dass es Dich gibt."
Das sagt nicht nur die Braut zu ihrem Bräutigam, wenn sie es ernst meint.
Das sagt auch die Tochter zu ihrem Vater, die Mutter zu ihrem Sohn, wenn sie wirklich eine Familie sind.
Ohne diese Liebe bricht jede Ehe, jede Familie auseinander, weil sie dann keine Grundlage mehr hat.
Diese Liebe wird sicherlich häufig auch auf die Probe gestellt. In Zeiten der Not, der Krise, der Mißverständnisse. Aber dann zeigt sich ja erst recht, ob der Satz "Ich liebe Dich." ernst gemeint war, ob dahinter wirklich der Wille steht, den anderen zu bejahen. Oder ob das Ganze eher ein Luftschloß war, oder gar der Versuch, den anderen für sich und zu seinem Vorteil zu benutzen.

Gerade in der Glitzerwelt der Promis scheint man mir sich doch häufig einen Partner zu suchen, um die eigene Karriere zu stützen, sich im Ruhm des anderen zu baden, oder schlicht und einfach Geld abzusahnen. Und wenn der andere dazu nicht mehr nützt, dann lässt man ihn fallen wie eine heiße Kartoffel. Und sucht sich vielleicht den nächsten. Dann wird das Wort Liebe zu einer Farce.

"...hätte aber die Liebe nicht..."
Auch wir bedürfen der Liebe, jeder und jede Einzelne von uns. Das müssen wir uns immer wieder eingestehen. Wir können nicht nur lieben. Wir wollen, ja wir müssen sogar geliebt werden.

Gabriel Marcel hat das so ausgedrückt: "Sein bedeutet Geliebtsein!"

Ohne zu lieben, ist unser Leben schal und leer.
Aber ohne geliebt zu sein, ist das Leben unmöglich.

Dass wir leben, verdanken wir dem "Ich liebe Dich! Ich will, dass Du bist!" Gottes.
Unser Leben ist ein Geschenk der und ein Geschenk aus Liebe. Denn Gott ist die Liebe.
Ohne seine Liebe zu uns, wären wir nicht, gäbe es uns nicht.


"Sein bedeutet Geliebtsein."
Wie sehr das stimmt hat einmal ein interessantes Experiment herausgestellt.
Neugeborene von Frauen, die im Gefängnis eine Haftstrafe abzusitzen hatten, wurden untersucht.
Ein Teil der Kinder blieb den Müttern im Gefängnis, unter den dort nicht gerade kinderfreundlichen Umständen.
Der andere Teil wurde von geschultem Personal in gut ausgestatteten Kinderheimen betreut.
Diejenigen Kinder nun, die bei ihren Müttern bleiben durften, waren weniger anfällig für körperliche und psychische Krankheit, als die anderen Kinder.

Die wirkliche, aufrichtige Liebe einer Mutter, ist durch nichts und niemand zu ersetzen, auch nicht durch noch so ausgefeilte Kinderkrippen und Schulsysteme.

Und auch die Liebe der Eltern untereinander ist für das Kind unendlich wichtig. Ja, man kann den Eindruck gewinnen, dass es für die Kleinen wichtig ist, dass sie wissen Mama und Papa mögen mich. Aber noch wichtiger ist es für die Kinder zu sehen, zu spüren, zu erfahren: Mama und Papa haben sich lieb. Denn das Kind weiß intuitiv, dass ohne die Liebe der Eltern untereinander, die Zukunft der Familie auf dem Spiel steht. Und damit die eigene Zukunft.

Gerade auch deshalb hat die Politik die Pflicht, die Institution der Ehe zwischen Mann und Frau, und die Institution der Familie zu stärken und zu stützen, wo es nur geht. Ansonsten wird das ganze Gemeinwesen krank. Wir beginnen das in unserem Land ja nun deutlich zu spüren, wo die Jugendkriminalität steigt, jede dritte Ehe geschieden wird, und die Singlehaushalte in einigen Städten die Familienhaushalte übersteigen.

"...hätte aber die Liebe nicht..."
Was wären wir ohne die Liebe?
Ohne die Liebe Gottes wären wir gar nicht.
Ohne die Liebe der anderen würden wir innerlich verkümmern.
Geliebt zu sein gibt Vertrauen für die Zukunft, gibt Hoffnung auf Heil.

In dieser Eucharistiefeier wollen wir Gott Dank sagen, für all die Liebe, die wir in unserem Leben erfahren durften.
Und wir halten ihm unsere Sehnsucht hin, geliebt zu werden auch in Zukunft.

Wir versprechen ihm, die anderen zu lieben, ihnen so gut es geht in Wort und Tat zu sagen: "Ich liebe Dich. Ich will, dass Du bist. Gut, dass es Dich gibt."
Wir versprechen es ihm, weil wir spüren und erfahren:
Sein bedeutet Geliebtsein.

299. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

"Segne, Höchster, auch meine Feinde!"
So, liebe Schwestern und Brüder, steht es in einem Tagebuch geschrieben. Auf der letzten Seite. Der allerletzte Eintrag.

Der Schreiber hat diesen Satz verfasst, nachdem er lange unter Repressalien gelitten hatte.
Nachdem man ihn wegen einer unvorsichtigen Bemerkung eingesperrt hatte.
Nachdem man ihm hat Schwerstarbeit leisten lassen, trotz seiner Krankheit.
Nachdem er unvorstellbare Grausamkeiten mit ansehen musste, die man seinen Mitgefangenen, seinen Freunden antat.
Nachdem er selbst unendlich viele Torturen und Unmenschlichkeiten über sich hat ergehen lassen müssen. Von den Nazi-Schergen.
Damals in Dachau. Im KZ.

"Segne, Höchster, auch meine Feinde!"
Karl Leisner hat diesen Satz geschrieben. Nachdem man ihn, der in der Hölle des Konzentrationslagers zum Priester geweiht wurde, aus Dachau befreit und in ein Sanatorium gebracht hat.
Im Bett liegend, ausgemergelt, gänzlich geschwächt. Kurz vor seinem Tod. 1945.

"Segne, Höchster, auch meine Feinde!"
Ich weiß nicht, ob ich diesen Satz nach all dem Erlebten zustande bekommen hätte.
Und Sie? Hätten Sie das fertiggebracht?

Liebe Schwestern und Brüder!
"Segne, Höchster, auch meine Feinde!"
Unser Hl. Vater Papst Johannes Paul II, hat diesen Karl Leisner – zusammen mit Bernhard Lichtenberg – im Olympiastadion seliggesprochen. Das war 1996.
Selige und Heilige waren Menschen wie Du und ich. Mit Schwächen und Fehlern wie wir. Karl Leisner war zum Beispiel fast immer der Letzte, häufig unpünktlich.
Heilige und Selige fallen nicht vom Himmel herunter, sondern sie wachsen auf der Erde.

Ihr Beispiel macht deutlich, soll uns vor Augen führen, dass ein Leben nach dem Evangelium möglich ist, menschenmöglich ist.

Die Seligsprechung Karl Leisners soll uns vielleicht unter anderem dazu ermutigen, dass die Worte Jesu im heutigen Evangelium nicht nur eine ferne, schöne Utopie darstellen, sondern Wirklichkeit werden können und sollen. Durch uns, die wir versuchen Christus zu folgen:
Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebet eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.
Dem der dich auf die eine Wange schlägt, halte auch die andere hin, und dem der dir den Mantel wegnimmt, laß auch das Hemd.

Wir kennen diese Worte gut. Sehr gut.
"Herr Pastor, das kann ich nicht. Dem kann ich nicht vergeben." So habe ich schon viele sagen gehört. Aber wer kann das schon?

Ja, es sind unbequeme Worte. Deshalb suchen wir auch Interpretationen, Umdeutungen, Abschwächungen.
"So kann Jesus das doch nicht gemeint haben... Das muss man aus dem Kontext von damals verstehen. Heute sieht die Lage ja etwas anders aus... Das ist ja auch möglicherweise eine redaktionelle Überarbeitung vom Evangelisten."

Und dennoch: das Wort, der Anspruch Jesu bleibt.
Wir ahnen, dass er sich nicht so leicht wegretuschieren lässt.
Wir spüren, dass es hier um ganz Wesentliches geht.
Wesentlich für unser Leben mit Gott und den anderen.
Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebet eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.
Überlegen wir einmal für uns, jeder für sich:
Gibt es Menschen, die mir Böses wollen, denen ich nicht gut bin, die man als Feinde betrachten könnte? Wo sehe ich Sie? Wann begegne ich Ihnen? Wie begegne ich Ihnen? Freundlich, schroff, angriffslustig?
Wie denke ich über sie? Richte ich sie? Habe ich überhaupt einmal versucht sie und ihr Handeln zu verstehen?
Wann habe ich das letzte Mal für einen solchen Mensch gebetet?

Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden.
(...) Ihr aber sollt eure Feinde lieben und sollt Gutes tun und leihen, auch wo ihr nichts dafür erhoffen könnt. (...) Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden. Erlaßt einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden.

Je mehr wir diese Worte Jesu an uns heranlassen, je mehr spüren wir, wie großartig, wie kraftvoll sie sind. Jedenfalls mir geht das so. Wenn alle so zu leben suchten ... die Welt sähe anders aus. Besser, friedvoller.

Das sind nicht Worte für Schwächlinge, die sich unterkriegen lassen. Nein das sind Worte, die nur diejenigen verwirklichen können, die innerlich stark sind.

"Segne, Höchster, auch meine Feinde!"
Ich kenne ein Foto, das Karl Leisner zeigt im Krankenbett, kurz vor seinem Tod, kurz bevor er diese Worte in sein Tagebuch geschrieben hat.
Er sieht sehr mitgenommen aus, eingefallene Wangen, nur noch Haut und Knochen. Aber seine Augen strahlen Kraft und Zuversicht aus.
Bei meiner Arbeit in den Krankenhäusern bin ich einem Mann begegnet, dessen Aufenthalt im Hospital sich aufgrund einer Unachtsamkeit eines Arztes verlängert werden musste. "Wissen Sie, Herr Kaplan, ich bin ihm nicht böse. Das kann passieren. Wenn ich ihn auf dem Flur oder im Zimmer sehe, grüße ich ihn besonders freundlich."
Wer in das Krankenzimmer dieses Mannes kam, spürte etwas von der inneren Stärke, die den Raum erfüllte. Ich kann mir vorstellen, dass diese Haltung dem betroffenen Arzt sehr geholfen hat und seiner Arbeit.

Dieser Patient und das Zeugnis des Seligen Karl Leisner machen mir Mut, den Weg des Evangeliums, den Weg Jesu zu gehen. Ich weiß, dass ich darauf häufig fallen werde.
Aber es ist möglich. Und es lohnt sich ihn zu gehen:
Gebt, dann wird auch euch gegeben werden. In reichem, vollem, gehäuften, überfließendem Maß wird man euch beschenken.

Ohne Versöhnung und Vergebung geht es auch in der Ehe nicht. Davon könnten Sie uns, liebes Jubelpaar Rüdel sicher einiges erzählen.
Dass Sie beide heute in der Hl. Messe mit uns gemeinsam diesen Tag begehen, ist ein schönes Zeugnis.
Zeugnis dafür, dass es auch heute möglich ist, einander treu zu sein, heute: das ist eine Welt in der zahlreiche Bindungen zerbrechen.

Für dieses Zeugnis sagen wir Ihnen dank.
Und für Ihre Ehe wünschen wir Ihnen weiterhin den Segen Gottes. Den möchte ich Ihnen nun auf besondere Weise erteilen.

300. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Lehrer, Schüler und Schülerinnen!

Die Fastenzeit will uns helfen, uns auf Ostern vorzubereiten.
Deshalb sollen wir in diesen Tagen fasten, Almosen spenden und beten.

Unser persönliches Fastenopfer soll uns helfen, daß wir uns nicht zu sehr an irdische Dinge klammern, von ihnen abhängig werden.
Deshalb ist es gut, ganz bewußt in dieser Zeit auf etwas zu verzichten. Für die einen ist der Alkohol, für andere das Schnopen zwischendurch, ich selber werde auf das Fernsehen verzichten.
Das, was wir dadurch an Zeit und Geld gewinnen, können wir anderen geben.

Almosen spenden, also Bedürftigen unter die Arme greifen, soll uns daran erinnern, daß wir nicht allein auf dieser Welt leben, daß wir auch Verantwortung für andere haben, denen es nicht so gut geht.

Gebet - Das soll uns in dieser Zeit helfen, uns fester an Gott zu binden, dem wir unser Leben verdanken

Das persönliche Opfer nimmt meine Beziehung zu mir in den Blick, das Almosen meine Beziehung zum Nächsten, das Gebet meine Beziehung zu Gott.

Die Fastenzeit bereitet uns also als ganze Menschen, mit all unseren Beziehungen auf Ostern vor.

301. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Geburt eines Kindes ist immer Anfang einer Familie.
Die Geburt Jesu lässt die Kirche heute das Fest der Hl. Familie feiern: Jesus, Maria und Josef.

Die Geburt Jesu in Betlehem gab dieser Familie, die in der Geschichte außergewöhnlich und einzigartig ist, ihren Anfang.
Empfangen vom Hl. Geist wurde der Sohn Gottes von Maria, der Jungfrau geboren. Josef wurde von Gott die echt väterliche Fürsorge über das Kind und seine Verlobte anvertraut. Er war vor dem jüdischen Gesetz der Ehemann Mariens.

Die Hl. Familie wird an diesem Tag der Welt als Vorbild gezeigt, an dem sich die Familien aller Menschen orientieren können.

Auch wenn in der Hl. Schrift nur wenig über die konkreten Ereignisse im Leben der Hl. Familie zu erfahren ist, so wird uns doch die Atmosphäre in dieser Familie deutlich vor Augen geführt.

Wir hören, wie sie die Schwierigkeiten des Anfanges meistern.
Wir sehen sie ihre religiösen Pflichten erfüllen, indem sie z.B. für den Sohn das übliche Opfer darbringen oder alljährlich zum Paschafest nach Jerusalem ziehen.
Das heutige Evangelium bringt uns auch den Erziehungsstil, der die Familie von Nazareth prägte, nahe:
Jesus kehrte mit ihnen nach Nazareth zurück und war ihnen gehorsam...“
Kinder brauchen diesen Gehorsam. Die Bereitschaft sich von reifen Menschen etwas sagen zu lassen, hilft, selbst reifer zu werden.
Also, liebe Jugendlichen, nicht alles ist schlecht, was die „Alten“ Euch sagen. Natürlich reibt Ihr Euch manchmal daran. Aber daran wachst ihr.
Jesus ist den gleichen Weg des Gehorsams gegangen. Warum also nicht auch Ihr?

Josef und Maria waren sich ihrer Verantwortung für die Erziehung bewusst. Sie erziehen Jesus nicht für sich. Sie erziehen ihn um seiner
selbst willen, für die Aufgaben, die er einmal übernehmen soll.
Liebe Eltern, die Kinder von sich weg zu erziehen, ist vielleicht mitunter das, was am schwierigsten fällt, was am meisten schmerzt.
Aber es geht nicht anders. Daran erinnern die Wort Jesu zu seinen Eltern:
Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?

Die Familie ist für die Erziehung der Kinder unersetzbar. Wo die Familie in Gefahr ist, da ist der Einzelne und die Gesellschaft in Gefahr. Verwahrlosung, Verantwortungslosigkeit und soziale Kälte drohen dann.

Wenn Gott Mensch wird und in einer Familie aufwächst, dann ist klar, dass die Familie mehr ist als eine rein menschliche Institution, mehr als eine soziale, wirtschaftliche und rechtliche Einheit.

Man kann sagen, dass Gott selbst der Urheber der Familie ist, weil er in einer Familie Mensch wurde.
Deshalb ist sie auch nicht ohne den Rückgriff auf das Wort Gottes und die Lehre der Kirche veränderbar.

Aus diesem Grund machen mir aktuelle Diskussionen Sorgen. Nein, sie machen mich zornig.

Den von der Regierungskoalition erarbeitete und anderen Gruppierungen forcierte Gesetzentwurf zur sogenannten Homoehe, also zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe, kann ich nur aufs Schärfste verurteilen.

Die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften werden de facto den Familien gleichgestellt.
Sie sollen vor dem Standesamt geschlossen werden. Viele rechtliche Vorteile, die bisher allein den Familien galten, sollen auf diese Gemeinschaften übergehen. Zum Beispiel das Recht auf Adoption. Der Gipfel der Unverschämtheit aber scheint mir zu sein, dass das „Familiengericht“ diese Homoehen scheiden soll.

Eine Familie aber entsteht, wenn ein Kind geboren wird. Die Homoehe ist aber logischerweise zur Zeugung eines Kindes selber nicht fähig. Dagegen ist nun einmal die Natur, und damit der Wille Gottes.
Ein Kind in der Homoehe wird um die notwendige Erziehung durch das andersgeschlechtliche Elternteil betrogen? Damit ist eine gesunde Erziehung der Kinder letztlich unmöglich.

Die von Rot/Grün geplante Homoehe ist in dieser Form verfassungswidrig, weil sie den im Grundgesetz verbürgten Schutz der Ehe und Familie in den Wind schlägt.
Außerdem baut die Regierungskoalition damit am Untergang unserer Gesellschaft kräftig mit.

Aber nicht nur wegen der rein menschlichen Unvernünftigkeit ist dieses Ansinnen von uns Christen abzulehnen.
Denn es geht noch viel weiter. Es ist letztlich eine staatlich geförderte Legalisierung der Sünde. Es ist eine Missachtung Gottes, der den Menschen als Mann und Frau erschaffen hat.

Auch da ist der Katechismus der katholischen Kirche unmissverständlich:
„Gestützt auf die Hl. Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet, hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, dass die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind. Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.“

Nun wird aufgrund dieser Haltung der Kirche vorgeworfen, sie diskriminiere eine Menschengruppe und verstoße, verrate damit Jesus, der zu Nächstenliebe aufgerufen habe.

Nun, diesen Vorwürfen muss man damit begegnen, dass die Kirche zwischen Person und Sache zu unterscheiden weiß, was den meisten Menschen unserer Tage nicht mehr zu gelingen scheint.
Die Kirche handelt nach dem augustinischen Grundsatz: „Die Sünde hassen, den Sünder lieben.“
Die Kirche bemüht sich so zu handeln, wie der Herr es ihr vorgemacht hat, als er der Ehebrecherin klarmachte, dass sie gesündigt hat, ihr aber vergab. „Geh und sündige von nun an nicht mehr.“

Den homosexuell veranlagten Menschen ist also Respekt und Liebe entgegenzubringen, nicht aber ihrer verkehrten Sexualpraktik. Vielmehr soll man sie ermutigen, diese Veranlagung als eine Prüfung anzusehen, die sie mit dem Kreuz Christi vereint.

Nicht also die Homosexuellen sind anzuklagen, sondern diejenigen, die auf unverschämte Weise die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften einfordern.

Die Hl. Familie – Jesus, Maria und Josef.
Gott zeigt wie sehr er die Familie gewollt hat. Deshalb wird er in einer Familie Mensch.
Die Würde der Familie ist in unserem Land gefährdet, damit ist unser Land selbst gefährdet.
Als Christen stehen wir deshalb ein für die Familie.
In ihr werden wir zu wirklichen Menschen.

302. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

Paulus liebte den Gott Israels
Vor seiner Bekehrung war Saulus, wie er hieß, bestimmt nicht gottlos, im Gegenteil: Er war ein Eiferer für den jüdischen Glauben, für das Gesetz seiner Väter. Mit fanatischer und unbarmherziger Härte aber verfolgte er alle, die sich diesem Gesetz widersetzten, so auch die Anhänger des „neuen Weges", die Christen.
Wir können sagen: Auch wenn vieles am Eifer des Paulus unvollkommen, ja verkehrt war: Im Grunde seines Herzens liebte und suchte er Gott (Jahwe). Das Gesetz, das Jahwe dem Volk Israel durch Mose gegeben hatte, war für ihn die lebendige Weisung des Herrn.

Gottsuchende Menschen sollten wir alle sein. Denn jeder Mensch ist im Innersten seines Herzens auf Gott hin angelegt. Wir sind nach Gottes Bild erschaffen und zur ewigen Seligkeit in der Liebe Gottes berufen. Gott ist unser Ursprung und unser Ziel. Auch solche Menschen, die von Gott nichts wissen wollen, können ihr eigenes Wesen nicht verleugnen, das im Tiefsten nach Gott verlangt.

Ob sie es wahrhaben wollen oder nicht: An Gott kommt keiner vorbei. Wer sich dem lebendigen Gott auf Dauer verweigert, gerät in einen grundlegenden Widerspruch zu sich selbst. Wer sich Gott gegenüber öffnet und ihm sein Herz schenkt, der wird reich beschenkt und erfährt auch sein eigenes Menschsein auf neue Weise!

Paulus liebte Jesus, den Sohn Gottes
Als Saulus die Christen verfolgte, da war er zugleich auch ein Verfolger Jesu Christi, ihres Herrn. Wir haben gehört: Als Saulus unterwegs nach Damaskus war, da umstrahlte ihn ein gewaltiges Licht und warf ihn zu Boden. Er begegnete Christus, der ihn fragte: „Saul, warum verfolgst du mich?"

In einem Augenblick erkannte Saulus das Unrecht, das er den an Christus Glaubenden angetan hatte, und er bereute sein früheres Leben. Er ließ sich taufen, und wurde vom fanatischen Christenhasser zu einem der treuesten Apostel Jesu Christi, für den er schließlich sogar sein Leben hingegeben hat

An Jesus Christus kommt kein Mensch vorbei. Jesus ist wirklich der Mittelpunkt der Geschichte. An seiner Geburt orientiert sich ja auch unsere Geschichtsschreibung, unsere Jahreszählung.
Auch Menschen, die Jesu Botschaft ablehnen, zeigen durch ihren Widerstand oder gar Hass, dass ihnen Jesus nicht gleichgültig ist. Wir sind durch Jesus, den Mensch gewordenen Gottessohn, erlöst und zur Teilnahme an seiner Auferstehung berufen.
In unserem Leben sollen wir Christus nachfolgen, der uns die vollkommene Liebe zu Gott und zu unserem Nächsten vorgelebt hat!

Der Dienst, den Sie, liebe Feuerwehrleute, tun, ist auch ein Dienst am Nächsten. Auch in Ihrem Wahlspruch wird die Verbindung von Gottes- und Nächstenliebe deutlich, wenn es da heißt: Gott zur Ehr – dem Nächsten zur Wehr.
Ihre Hilfsbereitschaft ist ein wertvoller Einsatz für die Gemeinde. Aber auch untereinander ist Ihr Einsatz ein Geschenk. Sie müssen sich blind auf den anderen verlassen können. So wächst echte Freundschaft und Partnerschaft.

Paulus liebte die Gemeinschaft - die Kirche
Christus und die Gemeinschaft derer, die an ihn glauben - das heißt die Kirche -, lassen sich nicht voneinander trennen. Dies wird deutlich an den Worten, die Jesus zu Saulus spricht, dem er erscheint: Warum verfolgst du mich? Der Herr identifiziert sich mit denen, die an ihn glauben. Und nach seiner Bekehrung stand Paulus den übrigen Christen treu zur Seite. Er wusste, dass jeder seine besondere Aufgabe und Berufung hat, dass im geheimnisvollen Leib Christi, der Kirche, keiner und keine überflüssig ist, dass wir alle berufen sind, am ewigen Glück des Gottesvolkes im Himmel teilzuhaben (vgl. die 1. Lesung).

Manche Menschen lehnen die Kirche ab, wollen aber an Jesus Christus festhalten. Dennoch: Wir können nicht als Einzelmenschen zum Heil gelangen, sondern nur in der Gemeinschaft der Glaubenden. Wir haben unseren Glauben von anderen empfangen und leben ihn in der Verbundenheit mit der ganzen Kirche. Dies drückt sich aus durch die Verbundenheit der Gläubigen mit ihren Hirten (Papst, Bischöfe, Priester) und auch untereinander.

Und gerade auch im Gebet füreinander. Die Tradition der Kirche sieht im Gebet des Stephanus, der auf Geheiß des Saulus gesteinigt wurde. Damals hatte Stephanus gebetet: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!
Augustinus schreibt: »Wenn Stephanus nicht zu Gott gebetet hätte, hätte die Kirche keinen Paulus.«

Liebe Schwestern und Brüder,
die Berufung und das Leben des Apostel Paulus sind uns ein Beispiel, dass es möglich ist und es sich lohnt, Gott zu lieben, Christus zu folgen und in der Kirche füreinander einzustehen.

303. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, manchmal hört man Stimmen, die sich gegen die schönste Errungenschaft der modernen Zeit richten: Gegen den Fernseher. Der Fernseher, so hört man, sei der Tod des Familienlebens, der Tod der allabendlichen Unterhaltung, der Tod der eigenen Fantasie, der Tod der Buchhändler. Ein Philosoph meinte sogar einmal, der Fernseher sei schlimmer als die Atombombe.

Nun, ich habe keinen Fernseher; deshalb kann ich vermutlich ziemlich neutral behaupten, dass davon natürlich kein Wort stimmt. Nicht der Fernseher ist schuld, sondern die Zentralheizung.

Als sich (genauso wie heute) vor 100 Jahren die Abende verlängerten, die Tage kurz wurden, die Temperatur so sank, dass draußen einfach nicht mehr so viel getan werden konnte, da versammelte man sich in aller Gemütlichkeit um die einzige Wärmequelle zuhause: Den heimischen Herd, den Ofen oder den Kamin. Dort war es warm und gemütlich. Man sah ins Feuer und begann zu erzählen: Die Alten von dem, was sie früher erlebt hatten, alte Geschichten und Märchen. Die Jungen von dem, was sie für Fragen hatten, was sie bewegt und was sie nicht verstehen.

Das hat sich geändert - vor allem deshalb, weil jetzt jedes Zimmer im Haus warm und geheizt ist. Es besteht kein Grund mehr, die Abende gemeinsam zu verbringen.

Trotzdem halten wir noch fest an der Tradition der besinnlichen Adventsfeiern. Wir lassen das Licht aus und machen es uns "gemütlich", Kerzenschein und Plätzchenduft, ruhige Musik und schöne Geschichten werden vorgelesen. Eine feine Sache, zu der ich Sie immer wieder ermuntern möchte. Wir sehnen uns ja auch danach.

Allerdings ist der eigentlich Grund unserer Sehnsucht nicht der nach Zimtsternen und Duftkerzen. Im Grunde sehnen wir uns danach, wieder Zeit für einander zu haben, einander zuzuhören und erzählen zu dürfen. Ohne Hektik bei einander zu sitzen.

Nun, wir können auf die nächste Ölkrise warten, oder jetzt schon etwas daran tun. Die gemütlichen Adventsabende haben ihren Grund ja nicht in den Vereinen, sondern zuhause, in der Familie. Nehmen Sie sich Zeit für einander.

Das hat auch mit dem heutigen Evangelium zu tun: »Seid wachsam«, heißt es dort. Damit ist nicht gemeint, dass wir ständig unter Hochspannung stehen. Sondern dass wir Ohren haben, die hören. Zeit haben, vom Glauben zu erzählen. Mut haben, gemeinsam zu beten. Um Entschuldigung zu bitten und einander Hoffnung zu schenken. Einmal in die Bibel schauen und gemeinsam zu überlegen, was das Wort Gottes bedeutet.

Wachsam sein heißt, auf das zu achten, was mich angeht. Da stört natürlich auch der Fernseher; denn das, was in der Ferne passiert, geht mich meistens eh wenig an. Wichtiger wäre ein Nah-seher - ein Gerät zum direkten Blick in die Augen meiner allernächsten: Was habe ich zu deren Glück beigetragen, wie groß ist meine Schuld an deren Sorgen und Nöten?

Liebe Schwestern und Brüder, es gibt solche Nah-seher. Leider nicht zu kaufen. Sie stehen hinten bei uns in der Kirche und sehen von weitem aus wie Beichtstühle. Aber in Wirklichkeit sind es Augen-Öffner, Ohren-Reiniger und Herz-Erweiterer. Nahseher eben.

Also, bereiten wir uns auf Weihnachten vor. Verkaufen Sie ihren Fernseher, kaufen Sie sich einen Kaminofen für die gute Stube und schalten sie die Zentralheizung ab. Falls ihnen das im Moment noch etwas zu radikal erscheint, können Sie ja erstmal mit dem Beichten anfangen.

Amen.

P.S.: Diese Predigt wurde nicht vom örtlichen Schornsteinfeger gesponsort.

304. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Am Ende des Kirchenjahres, in den letzten Wochen, ist uns aus den Schriften der Bibel vieles zum Ende der Welt vorgestellt worden. Am Ende der Zeiten wird Jesus Christus wiederkommen und alles, was hier auf Erden so bedrückend und unfertig ist, zum Ende führen.

Und nun - als nächster Schritt im Kirchenjahr - stellt uns der Advent den Gedanken vor, dass eine solche Wiederkehr Christi eine besondere Vorbereitung bedarf.

Eigentlich etwas ganz normales. Ein besonderes Ereignis, etwa eine Hochzeit oder ein Prüfung, eine Operation, ein hoher Besuch oder ein Urlaub - braucht eine Vorbereitung. Nicht nur eine Organisatorische Vorbereitung - das Planen und Einkaufen, das Packen und Lernen ist zwar notwendig, aber noch nicht das Eigentliche.
Wirklichen Ereignissen können wir nur dann richtig begegnen, wenn wir uns innerlich von der Alltäglichkeit verabschiedet haben und uns auf etwas Nicht-alltägliches einstellen.

Das gilt selbstverständlich auch für die Wiederkunft Christi, das Ende der Welt. Wenn wir wirklich damit rechnen, dass der Herr bald wiederkommt - und jeder Christ sollte ständig damit rechnen - dann gibt es natürlich einiges Organisatorisches zu vollziehen. Wir müssen unser leben etwas korrigieren, Beziehungen in Ordnung bringen, Schuld begleichen, Versöhnung erbitten und gewähren. Die ständige Möglichkeit der Ankunft Christi sollte unser Leben - wie ein Magnet die Eisenspäne - «in Ordnung» bringen.

Aber das ist noch nicht das Eigentliche. Worauf es ankommt, ist, dass wir uns als Christen immer über den Alltag erheben; ständig damit rechnen sollen, dass das Nicht-alltägliche geschieht. Uns in eine festliche Stimmung der Vorfreude zu versetzen - versetzen zu lassen - die die Freude der Christen ausmacht.

Nur, liebe Schwestern und Brüder, ich habe da so meine Zweifel, dass uns das gelingt. Denn das ist das Schöne an der Adventszeit: Wir können unser Christsein in dieser Zeit testen. Ein Test allerdings, in dem viele von uns Christen wohl durchfallen würden:

Für Weihnachten gibt es viel zu tun, vor allem viel Organisatorisches. Aber das ist nicht das Eigentliche! Verlieren sie im Vorweihnachtsstress diese Einsicht bitte nicht.

Und: Gedulden Sie sich. Nehmen sie die Vorbereitungszeit nicht schon als Weihnachtszeit selbst. Wieviele können die Zeit nicht abwarten, haben lange vorher schon einen Baum, die Krippe aufgebaut und können Spekulatius und Lebkuchen nicht mehr riechen !?

Das Eigentliche ist das Aufstieg aus dem Alltag zum Fest. Und das braucht Zeit. Die Wachsamkeit des Herzens, das Pflegen der Vorfreude, das innerliche gespannt sein, wie es wohl werden wird. Die Dankbarkeit für jeden Augenblick Zeit, der mir geschenkt wird, weil doch die Vorfreude die schönste Freude ist.

Der Advent ist die Zeit der doppelten Ankunft - testweise die des Christkindes. Aber das Warten auf's Christkind ist ein Bild für die Zeit vor der zweiten Ankunft, das Warten auf den Herrn.

In Wirklichkeit nämlich ist unser ganzes Leben eine Adventszeit. Vergessen wir das nicht. Amen.

305. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

in der Adventszeit, die mit dem heutigen Sonntag beginnt, nehmen sich viele vor, endlich mal wieder an sich selbst zu denken; sich Zeit zu nehmen und zur Ruhe zu kommen.

Dass wir am Ende eines Jahres die Beine unserer Seele einmal so richtig gemütlich ausstrecken wollen, ist verständlich. Und die Zeit mit ihren langen Abenden, dem Kerzenschein und den Lichtern in den Bäumen und an den Straßen lädt uns auch dazu ein.

Dabei ist die Adventszeit aber etwas anderes: Sie ist im eigentlich christlichen Sinne alles andere als eine besinnliche Zeit. Immerhin heißt Advent ja: Ankunft, Ankunft des Herrn! Sie ist vergleichbar mit der Zeit der Vorbereitung, wenn wir hohen Besuch erwarten; hochaktiv und lebendig.

Verstehen sie mich nicht falsch: Ich meine damit nicht den Vorweihnachtsstress. Der ist nichts Gutes. Vielmehr gilt: So, wie wir in der Erwartung eines großen Ereignisses alles Unwichtige und Nebensächliche beiseite legen und uns auf das wirklich notwendige Konzentrieren; ist der Advent nicht einfach die Zeit der planlosen Hektik. Nein, sie ist ein Aufruf zur Konzentration auf das Wesentliche. Was ist zu tun? Was, vor allem, ist als erstes zu tun?

Legen Sie das Überflüssige beiseite. Es gibt so Vieles, was zwar gut und schön ist, in einer Zeit, in der wir uns aber neu auf die Ankunft Gottes vorbereiten wollen, hinderlich ist. Fragen sie sich selbst: Was hindert sie daran, morgen zu Andacht zu kommen? Was hindert Euch daran, jeden Tag im Advent eine halbe Stunde zu beten? Ist das, was mich daran hindert, wirklich so wichtig?

Tun sie Gutes! In den nächsten Tagen gehen die Mitglieder des PGR durch die Gemeinde und bitten um eine Spende für die Caritas. Wie werden sie empfangen? Und was geben Sie? Von ihrem Überfluss, was halt übrig ist? Wenn der Advent schon eine Zeit der Besinnung sein soll: Nehmen Sie sich doch Zeit und besinnen Sie sich mal, wer in Ihrer Umgebung sich wohl über eine Aufmerksamkeit freuen würde? Und vor allem: Wer kann es gebrauchen? Zunächst fallen Ihnen wahrscheinlich nur die Leute ein, die Ihnen gut bekannt sind. Aber wäre die Zeit der Besinnung nicht eine verlorene Zeit, wenn Sie nicht versuchen, andere, ihnen bisher fremde Menschen in den Blick zu bekommen?

Bitten Sie Gott! Wir haben uns in einer dunklen Kirche versammelt, nicht weil es so schön gemütlich und romantisch ist. Sondern weil wir deutlich machen wollen, das wir das Licht Christi, das Licht der Heiligen Nacht, brauchen. Wir sitzen in der Tinte - und brauchen Erlösung. Wo brauchen sie Gottes Hilfe? An welcher Stelle kommen sie ohne Gott nicht mehr klar? - Seien sie sich der Tragweite dieser Frage bewusst: Wenn ihnen nichts einfällt, dann brauchen sie auch keinen Gott. Im Stall von Bethlehem sind alle Menschen willkommen, nur die perfekten Menschen, die alles allein auf die Reihe kriegen, müssen draußen bleiben.

Erforschen Sie ihr Gewissen! Kein Fest ist ein wirkliches Fest, wenn man nicht den Sondermüll entsorgt hat. Sonst stinkt es im Haus. Am Ende der Adventszeit, am vierten Advent, ist Gelegenheit zur Beichte. Fangen Sie jetzt schon damit an, sich darauf vorzubereiten. Sonst stehen sie Weihnachten plötzlich mit leeren Händen vor Gott: Denn er ist Mensch geworden, um sie von Ihren Sünden zu erlösen. Es wäre ziemlich peinlich, wenn sie keine hätten. Oder wollen sie dem Christkind sagen: «Das mit der Menschwerdung in Bethlehem ist ja wirklich eine wunderschöne Geschichte und sehr romantisch. Aber wenn das wirklich nur geschehen, um mich von den Sünden zu erlösen, lieber Gott, da hättest Du Dir die Mühe sparen können. Ich habe nämlich keine Sünden begangen.»

Glauben Sie mir: Ohne diese Dinge wird Weihnachten nicht Weihnachten sein, sondern nur ein Fest. Ein Lichterfest, eine Lebkuchenschlacht oder eine Baumfeier.
Es ist Advent! Also, tun Sie etwas! - Amen.

306. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

In jüngster Zeit ist sehr viel von Drohbotschaft und Frohbotschaft die Rede. Als Drohbotschaft könnte man die Schilderungen des heutigen Evangeliums durchaus bezeichnen: Die Sonne wird sich verfinstern, der Mond wird nicht mehr scheinen, die Sterne werden vom Himmel fallen, alle Völker der Erde werden jammern und klagen, wenn der Menschensohn mit seinen Engeln zum letzten Gericht kommt.

Doch bei genauerem Hinsehen hat sich diese Drohbotschaft schon in eine Frohbotschaft verwandelt. Denn dieses beschriebene Ende der Welt bedeutet für uns Christen, für uns Auserwählte etwas unbeschreiblich schönes. Schrecklich ist es nur für die Menschen, die nicht an Christus glauben. Jesus bringt den Vergleich mit einem Feigenbaum. Wenn er Blätter treibt, ist der Sommer nahe. Er sagt nicht, wenn er die Blätter fallen lässt, ist der Winter nahe. Das Ende allen Lebens, wie es anfangs geschildert wurde, gilt nicht für uns Glaubende. Für uns beginnt mit dem Ende der Welt neues Leben. Die Zweige des Feigenbaums werden saftig, es wird Sommer. Genauso wie der Feigenbaum zum Leben erwacht, werden am Ende der Welt auch wir zum Leben erwachen.

Denn am Ende der Welt wird der Menschensohn, wird Jesus Christus zu uns kommen. Gott selbst wird dann bei uns sein. Ja letztlich ist das Wichtigste in unserem christlichem Leben, auf dieses Ende der Welt, die Ankunft des Herrn zu warten. Wenn man das auf der Straße erzählt, würde man wohl ausgelacht werden, und wahrscheinlich tun wir uns auch selber bei diesem Gedanken schwer, doch letztlich ist dieses Ende der Welt für uns das größte Heil. Lieber heute als Morgen bei Gott sein.

Diese Naherwartung finden wir daher ja auch im Evangelium. "Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft." Doch Jesus sagt selbst direkt hinterher: "Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater." Daraus folgert Jesus: "Seid wachsam, ... haltet euch bereit". Heute schon.

So zieht auch Jesaja schon jetzt dem Herrn entgegen. "Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn, und zum Haus unseres Gottes." Ihm jetzt entgegen gehen. Heute so leben, als wenn der Herr schon morgen kommen würde. Wir dürfen jetzt schon hoffen.

Nicht hoffen im Sinne einer Lotterie. Woche für Woche gibt man seinen Tippschein ab, und hofft auf das große Los. Diese Hoffnung ist nur sehr vage. Wird diese Hoffnung jemals erfüllt werden? Unsere Hoffnung auf das Kommen Christi ist berechtigt. Wir werden irgendwann das große Los ziehen. Die lebendig gehaltene Hoffnung gleicht eher der Hoffnung einer Mutter, die ihr Kind erwartet. Früher sagte man ja auch: "Sie ist in Hoffnung" So wie die Mutter ihr Kind erwartet, so erwarten wir die Ankunft des Herrn. Wir wissen sicher, dass er kommt.

Sicher, Gott ist schon unter uns, mit der Geburt und der Auferstehung seines Sohnes und durch das Pfingstereignis hat die Heilszeit schon für uns angebrochen. Somit ist Gott schon jetzt unter uns, ähnlich wie das Kind im Mutterleib schon ein Mensch ist, schon da ist, schon auf Erden lebt Doch die Geburt steht noch aus, die Hoffnung wird weiter getragen. So ist es auch mit der Wiederkunft des Herrn. Er lebt schon unter uns, doch seine endgültige Wiederkunft steht noch aus.

In drei Wochen feiern wir die Geburt Christi, das Fest des Kommen Gottes. Lassen sie uns bereiten, uns auf den Weg machen, so leben, dass er heute schon endgültig zu uns kommen könnte. Aber lassen sie uns spätestens in drei Wochen unsere Wohnung, die innere Wohnung auf seine Ankunft bereitet haben. So wie Jesaja sprach: "Ihr vom haus Jakob, ihr Auserwählten, kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn."

307. Predigtvorschlag

Advent - Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. So die Bedeutung dieses Wortes, dieser vier bevorstehenden Wochen.

Während damit jedoch eher eine Zeit der Ruhe und Besinnung gemeint ist, hat bei den meisten von uns diese Vorbereitungszeit eher praktischen Charakter: Wem schenke ich was? Was wünscht sich der einzelne? Wieviel Geld steht mir für Geschenke zur Verfügung? Dabei aufpassen, dass die Kinder vom materiellen Wert her ähnlich viel bekommen. Andererseits sollen sie sich auch wirklich darüber freuen, soll ein Herzenswunsch erfüllt werden. Eigentlich zählt der materielle Wert ja weniger als der ideelle. Es gilt, die richtigen Maßstäbe anzusetzen bei den Geschenken. Schließlich sollen sie alle eigentlich nur ein Zeichen der Aufmerksamkeit, Zeichen der Liebe sein. Wenn dann für jeden das passende gefunden ist, dann noch eine schöne Verpackung drum herum, dass das ganze nett aussieht, wobei natürlich klar ist, dass die Verpackung nicht alles ist.

Wenn dann all die anderen Überlegungen zum Weihnachtsfest in den kommenden Wochen geregelt sind; wie Baumschmuck, Festessen, Weihnachtspost, Besuche, etc., haben wir vielleicht Einen beim beschenken vergessen: das Christkind! Was schenke ich Ihm zu Weihnachten?

Wie wir uns auch bei den anderen Geschenken Gedanken gemacht haben, sollten wir auch hier mit Überlegung die Sache angehen. Noch sind vier Wochen Zeit, adventliche Vorbereitungszeit. Was schenke ich dem Christkind zu Weihnachten? Legen wir doch einmal die gleichen Maßstäbe an, wie bei den anderen Geschenken. Wir sollten bedenken, dass es nicht auf das Äußere ankommt. Eine schöne aufgemachte Hülle ist zwar schön anzusehen, aber ohne wertvollen Inhalt ist die Hülle nicht schmückendes Beiwerk, sondern nur Schein und Betrug. Ein äußerlich schön geschmücktes Haus ist also nicht der Kern des ganzen, sondern nur schönes Beiwerk. Auf den Inhalt kommt es an.

Der Wert des Inhalts ermisst sich auch bei Jesus nicht aus dem materiellen Wert, was mir möglichst viel Geld kostet, sondern es kommt auch da darauf an, dass das Geschenkte ein Zeichen der Liebe ist. Also auch hier bei Jesus schauen, was er sich wünscht, sich wirklich Gedanken machen, was ich ihm schenken kann.

Bei Kindern gibt es da 'ne Wunschliste als Hilfe, ich hatte als Kind immer eine ganze DIN A 4 Seite voll. Und von Jesus haben wir auch eine!, schriftlich, sogar noch länger als eine DIN A 4 Seite, hier im Evangelium.

Heute haben wir einen Ausschnitt aus dieser Wunschliste gehört. Jesus wünscht sich von uns, dass wir wach und aufmerksam durchs Leben gehen, dass wir uns nicht von unseren Sorgen des Alltags bestimmen lassen und dabei das wesentliche aus den Augen verlieren. Jesus nimmt das Beispiel der Menschen zur Zeit des Noah: „Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken und heirateten, bis zu dem Tag, an dem Noah in die Arche ging, und nichts ahnten, ..." Die Menschen damals waren so mit sich selbst beschäftigt, dass sie von Gottes Fürsorge, von Gottes rettende Tat für die Menschen nichts mitbekamen. Essen, trinken, heiraten ist schön und gut, ist wichtig, aber wir sollen dabei nicht Gott aus dem Blick verlieren. Jesus verdeutlicht das gemeinte mit Beispielen: Zwei Männer, die auf dem Feld arbeiten, oder zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen: Eine Person wird mitgenommen beim Jüngsten Gericht, die andere nicht. Beide tun das gleiche, aber anscheinend in einer anderen Haltung. Auch der wachsame Christ hat seine Arbeit zu verrichten, muss essen, trinken und eventuell auch heiraten, aber er weiß, dass etwas anderes kommen wird, dass Christus kommen wird, dass unser ganzes tun hier nicht Selbstzweck ist.

Paulus übersetzt diesen Wunschzettel in der Lesung vorhin für seine Gemeinde etwas deutlicher und konkreter: Essen, trinken, heiraten OK, aber nicht maßlos, das essen und trinken, nicht essen bis uns schlecht wird, saufen bis zum umfallen. Heiraten ohne Unzucht und Ausschweifung, Sexualität ist etwas sehr schönes, und gerade deswegen bedarf es eines geordneten Umfeldes. Die Arbeit auf dem Feld, an der Mühle die Jesus beispielhaft nennt, im gleichen Maße die Arbeit an der Werkbank, im Büro ohne Streit und Eifersucht, ohne mobbing, ohne Misstrauen. In allem „ehrenhaft leben wie am Tag" und nicht wie in der dunklen Nacht, wo ich alles verheimlichen kann.

Ich glaube, bei diesem Wunschzettel ist für jeden von uns etwas dabei, was wir Christus schenken können, wo ein jeder von uns etwas tun kann, um sich innerlich auf Weihnachten vorzubereiten, und nicht nur äußerlich. Jesus wünscht sich von uns, dass wir aufrichtig durchs Leben gehen, bei all unserer Arbeit ihn nicht aus dem Blick verlieren. Nutzen wir diesen Advent, damit Weihnachten das Christkind nicht nur eine nette Verpackung, sondern auch einen wertvollen Inhalt vorfindet

308. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern. liebe Brüder!

Kennen sie die Berufskrankheit der Discjockeys: das ist die Schwerhörigkeit. Wer sich immer wieder dem Lärm aussetzt, der wird langsam taub.

Ich glaube, im übertragenem Sinn gilt diese Wahrheit auch für uns Christen: wir, die wir Sonntag für Sonntag uns Gottes Wort aussetzen, wir stehen in der Gefahr, taub zu werden für eben dieses Wort.

Was das für den Advent bedeuten kann, das kennen sie sicher auch als Reim: und wenn die fünfte Kerze brennt, dann hast du Weihnachten verpennt.

Schwestern und Brüder! Dieser Reim ist mehr als nur ein Wortspiel: er drückt auf seine Weise aus, was das Evangelium uns heute verkündet: Seid wachsam.
Die Wachsamkeit, von der Jesus spricht, spielt sich nicht in den Köpfen der Menschen ab; sie hat nichts zu tun mit Berechnungen, die ein Datum für den Weltuntergang vorausbestimmen wollen.
Nein, die Wachsamkeit, wie Jesus sie lebte, verstehe ich als eine Wachsamkeit vom Herzen her.

Man sieht nur mit dem Herzen gut, dieses Wort kennen sie sicher. Ich glaube, Jesus sah und sieht die Welt mit den Augen des Herzens. So sieht er in den Kranken schon das Heil anbrechen, er sieht bei den Trauernden schon die Freude, er findet bei den Toten schon Spuren des Lebens. Und im Versagen des Menschen findet er die "Felix Culpa", wie Augustinus sie nannte, die glückliche Schuld, durch die hindurch die Erlösung erst nötig und möglich wird.

Das scheint mir die Wachsamkeit zu sein, die Jesus meint, daß wir Menschen in jedem Augenblick wach sind, hellwach, damit wir die Zeichen der Zeit erkennen, damit wir uns nicht einlullen lassen von Reklame und Propaganda, nicht ablenken lassen von dem, was gut ist, nicht abbringen lassen von dem, der für uns wirklich wichtig ist.

Schwestern und Brüder!
Erinnern sie sich an die Berufskrankheit der Christen: sie stehen in der Gefahr, taub zu werden für Gottes Wort.
Es gilt, wach zu sein. Ob wir nun wach oder schlafend durch unsere Zeit gehen, daß ist unsere Entscheidung. Wachsamkeit bedeutet, den Augenblick mehr zu lieben als die Vergangenheit oder die Zukunft. Jetzt, zu Beginn des Advents sind wir dazu aufgerufen.

Denn Gott geht es um uns, Gott geht es um den Menschen. Amen.

309. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Nikolaus, der gute Mann, besucht heute Abend die Kinder. Wie er es schon zu Lebzeiten getan hat, beschenkt er die, die es gebrauchen können und die sich darüber freuen können.

Wenn da nur nicht die Sache mit dem Goldenen Buch wäre - und die Tatsache, dass dieser heilige Mann wirklich alles weiß und auch noch gerade die unangenehmen Sachen nicht vergessen hat. Und dann auch noch Knecht Ruprecht mit der Rute...

Ich kann mich noch an meine Kindheit erinnern, dass wir an diesem Abend vor Spannung nicht mehr auszuhalten waren: Auf der einen Seite hatten wir enormen Respekt, sogar Furcht vor diesem Mann, auf der anderen Seite konnten wir den Abend nicht mehr erwarten. Ich hatte mich einmal hinter unserem Sofa versteckt und mir gedacht, es reicht ja, wenn ich hervorkomme, sobald die Geschenke verteilt werden. (Das hat aber nicht geklappt).

Vieles habe ich inzwischen vergessen, aber dieses seltsame Gemisch aus froher Erwartung und Furcht ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben.

Und genau das kam mir wieder in den Sinn, als heute Abend der Nikolausabend und dieses völlig unpassende Evangelium zusammentrafen. Die Rede vom kommenden Gericht, vom Feuer, das Schimpfwort «Schlangenbrut» - also das passt doch gar nicht zum heutigen Abend - !?

«Wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder...» sagt Jesus an einer anderen Stelle, und das passt auch für den heutigen Tag. Die Kinder, die angesichts des Nikolaus beide Gefühle auf einmal empfinden - froher Erwartung und Furcht - können uns Vorbild sein. Für sie ist es ganz klar: Jetzt wird's ernst.

Nehmen wir den Glauben - das Beten - das Leben mit Gott denn noch ernst? Ist z.B. Weihnachten für uns nur noch ein süßliches Fest - im wahrsten Sinne das Wortes? Oder wissen wir um den Ernst, den unser Leben dadurch bekommt, das Gott Mensch wird?

Ist die Vorbereitungszeit für uns nur ein romantische Kerzenzeit? (Dabei ist es völlig egal, ob wir jetzt Adventsfeiern oder Weihnachtsfeiern anbieten, Hauptsache, es ist gemütlich) Oder nehmen wir wirklich unser Leben unter die Lupe und bereiten uns vor - indem wir uns ändern, umkehren und neu beginnen?
Das romantische Gefühl lässt sich nicht durch Weihnachtsmusik allein erzeugen. Es gehört auch der Ernst dazu, das Bewusstsein, dass es jetzt drauf ankommt, wie ich lebe.

Beides gehört zusammen, die kindliche Freude und die Gardinenpredigt. Beim Nikolaus genauso wie bei Johannes dem Täufer.

Erlauben sie mir noch eine Schlussbemerkung:
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass nichts so schön adventlich ist, wie Spekulatius, Kerzenschein und Adventsmusik nach einer guten Beichte. Amen.

310. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

was hat der heilige Johannes eigentlich vor? Will er die Menschen damals und uns heute zum Glauben zwingen? Das ist ja schon fast beleidigend: Schlangenbrut, Natterngezücht. Gericht und Feuer - ist das denn eine Art, die Menschen zur Gottesliebe zu bewegen?

Ach ja, Gottesliebe - wir reden da ab und zu von und wissen doch oft nicht, was das überhaupt ist. Wie kann ich Gott lieben? Den sehe ich nicht, ich kann seine Stimme nicht hören und ihm nicht in die Augen schauen. Wie kann ich jemanden lieben, der mir so fremd ist?

Einen richtigen Menschen, ja, das ist kein Problem. Da fällt uns das nicht schwer. Es gibt aber Heilige (Schwester Maria Euthymia war so eine, zum Beispiel), die waren fest davon überzeugt, Gott zu lieben. Manchmal machen solche Menschen schon fast den Eindruck, sie hätten sich in Gott verliebt. - Ein klein wenig verrückt, meinen sie nicht?

Liebe Schwestern und Brüder, es gibt verschiedene Umschreibungen und Arten, "Ich liebe Dich" zu sagen. "Ich will immer bei Dir bleiben." - "Ich werde Dich auf Händen tragen." - "Du bist das Beste, was mir je passiert ist." - "Ich lasse Dich nie wieder allein." - und so weiter.

Am schönsten - finde ich - ist vielleicht folgende Umschreibung: "Ich brauche Dich. Ohne Dich kann ich nicht leben, ohne Dich komme ich nicht zurecht in meiner Welt. Ich brauche Dich mehr als alles und alle anderen."

Warum sollen wir Gott nicht die gleiche Liebeserklärung machen? "Gott, ich brauche Dich. Ohne Dich komme ich nicht zurecht. Ich weiß, dass ich es nicht schaffe, ein gutes Leben zu führen, wenn Du nicht bei mir bist. Hilf mir, ich brauche Dich."

Das ist Liebe. Und genau darum geht es dem Johannes, auch wenn er es anders ausdrückt. "Ihr glaubt, perfekt zu sein? Gott nicht nötig zu haben? Selbst zurechtzukommen, ohne ihn? Von wegen! Seht doch, was aus Euch geworden ist! Scheinheilige seid ihr! Erkennt doch endlich, dass ihr Gott braucht! Ihr sprecht von Gottesliebe und davon, dass ihr gute Christen seid. Aber keiner von Euch ist bereit sich einzugestehen, dass ihr ohne Gott nichts wäret. Nichts als hohles, wertloses Stroh, dass ruck-zuck verbrennt, seid ihr. Kommt doch zu mir und lasst Euch taufen, denn das ist das Zeichen dafür, dass Ihr Dreck am Stecken habt. Wer sich taufen lässt, der sagt Gott, er ohne ihn nicht zurecht kommt!" - Das ist Liebe.

Deswegen hat Gott diese ganze Geschichte angefangen, mit der Menschwerdung, mit Tod und Auferstehung, mit Kirche und Sakramente: Um uns, die wir Hilfe brauchen, entgegen zu kommen. Das ist seine Liebeserklärung an uns: "Ich will immer bei Euch bleiben, ich werde Euch auf Händen tragen und niemals allein lassen."

Was ist unsere Antwort darauf?

311. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Jesus zeigt sich im heutigen Evangelium von seiner provozierenden Seite. Ganz unverblümt fragt er:

«Was wollt Ihr eigentlich hier? Warum habt Ihr Euch aufgemacht, zur Kirche, zum Gottesdienst?

Was wollt Ihr hier sehen? Eine Kerze, die im Wind schwankt und flackert? Seit ihr deshalb hier?

Oder was erwartet ihr vom Gottesdienst hier in der Kirche? Einen schicken Priester in seinen alten Gewändern? Leute, die schick sind und eine bessere Figur haben als Ihr Pastor finden Sie in den Katalogen von Quelle und Otto.

Oder wozu seid Ihr hier? Um jemanden zu hören, der Gottes Wort verkündet? Ja, ich sage Euch: Dazu seid ihr gekommen. Aber Gottes Wort ist nicht immer bequem. Es schmeichelt nicht unbedingt der eigenen Eitelkeit.

Ja, hier im Gottesdienst begegnet Ihr Gottes Wort und noch mehr - Gott selbst. Deshalb seid Ihr hier. Kerzen, Musik und Messgewand sind nur Beiwerk - Gott sucht Ihr.

Aber was ist es, was ich, Gott, Euch anzubieten habe? Einen schönen Abend, ein paar schöne Lieder? Ein gutes Wort zum Aufschreiben und einrahmen?

Nein, ich bin hier, um die Blinden von Euch sehend zu machen, die Lahmen gehend, die Unreinen rein, die Tauben hörend. Ich bin gekommen, um die von Euch lebendig werden zu lassen, die innerlich längst tot sind.

Ihr seid hier, weil Ihr die Armen seid, denen ich das Evangelium verkünde: Die armen Blinden, Lahmen, Unreinen, Tauben und Toten.
Vielleicht gefällt es Euch nicht, so etwas zuzugeben. Vielleicht möchtet Ihr nicht dazu gezählt werden. Aber warum sonst seid Ihr hier?

Ihr alle seid hier, aus einem einzigen Grund: Weil Ihr Erlösung braucht. Weil Ihr unwürdig seid, Eure Ehre verloren habt und nun nach Würde sucht.

Ärgert Euch also nicht, wenn Euer Pastor immer wieder von der Beichte predigt: Es ist seine Aufgabe, denn nichts anderes hat er anzubieten, als Heilung für die Seele und Ehre für den Geist.

Es gibt keinen anderen Grund, hier Gottesdienst zu feiern, als den einen: Heilung zu erfahren, weil wir selbst unheil sind. Einst waren wir blind, doch Gott hat uns sehend gemacht. Einst waren wir lahm, doch Gott hat uns gehend gemacht. Einst waren wir unrein, doch Gott hat uns vergeben und wird es immer wieder tun.

Ihr seid hier, weil Ihr das Leben sucht und es nur hier findet. Amen.»

312. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Advent - das heißt Besinnung, Bereitung, sich inmitten der Gedanken an die anderen, die einen sonst immer beschäftigen, einmal auf sich selbst zu besinnen.

Aber dann stellen wir ziemlich schnell fest - das geht nicht. Vermutlich, weil wir auch sonst viel zu viel mit uns selbst beschäftigt sind. Das hat nichts mit Egoismus zu tun! Man kann nämlich sehr viel für andere tun und doch in Gedanken um sich selbst kreisen.

Unter diesen Umständen wird Besinnung zum Zwang, und der Advent zu einer Zeit, in der wir uns bis zur Besinnungslosigkeit besinnen.

Vielleicht entsteht daher auch die hektische Betriebsamkeit im Advent: Weil wir loskommen wollen von und selbst - und dann doch immer wieder bei uns selbst bleiben: Was schenke ICH? Wo gehe ICH hin? Wann finde ICH noch Zeit?

Besinnung bedeutet aber: Eben nicht um sich selbst zu kreisen. Einmal aussteigen aus dem Karussell. Die Adventszeit ist ein Angebot: Einmalig ganz bei Gott sein, sich selbst loslassen - weil er uns hält.

Und die schönste Form dieser Besinnung ist - die Anbetung.

Ich will sie jetzt nicht schon wieder unter Druck setzen, aber - finden sie Zeit? Können Sie überhaupt noch anbeten? Warum kommen so wenig zu den Andachten und monatlichen Anbetungen - wenn nicht deswegen, weil wir gar nicht mehr aussteigen können!
Genießen sie doch einmal den Glauben! Genießen Sie doch einmal die Nähe Gottes. Alfred Delp, ein junger Priester, der im 3. Reich sein Leben lassen musste, hat einmal gesagt: Nichts ist wichtiger gerade in der heutigen Zeit, als die unverratene Anbetung.

Menschen, die nicht mehr anbeten können, haben die Mitte verloren. Vielleicht stellen sie noch den Mitmenschen in dieser leergewordene Mitte - vielleicht aber auch irgendwann sich selbst.

So klingt es auch im Evangelium an: Die Pharisäer, die eben nur um sich selbst kreisen, verpassen den, auf den sie warten. Die Frage "Bist du es, der da kommen soll?" kommt ihnen nicht mehr über die Lippen, weil sie das Wort DU verlernt haben. Sie kennen nur noch das ICH.

Was ist in ihrem Beten das häufigste Wort? DU? Oder: ICH?

Lernen wir das Beten wieder neu.
Lernen wir das Anbeten wieder neu.
Weil es einfach nur gut tut.

Amen.

313. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

drei Tage die Woche bleibt bei mir die Friteuse kalt und ich gehe zum Mittagessen ins St. Josefshaus. Dort schalte ich zum Essen manchmal den Fernseher ein. Und weil vor ein paar Wochen auf dem ersten Programm neuerdings RTL eingestellt wurde, sehe ich jetzt ab und zu die Oliver-Geissen-Show. Ist schon faszinierend: Da kommen Menschen mit ganz privaten und persönlichen Problemen, um die in aller Öffentlichkeit vor laufenden Kameras zu besprechen. Seelen-Striptease könnte man so etwas nennen. Und offensichtlich gefällt das den Leuten.
Johannes der Täufer hat die Massen mobilisiert, zu Tausenden sind die Menschen zu ihm an den Jordan gezogen. Und Tausende von Menschen waren damals soviel wie heute Millionen. Johannes hatte Rekord-Einschaltquoten. Er war ein faszinierender Prediger, nahm kein Blatt vor den Mund und sagte den Menschen auf den Kopf zu, wo ihre wunden Punkte sind. Das hat den Menschen gefallen.

Aber er wollte nicht, dass die Menschen aus reiner Sensationsgier zu ihm kommen - vermutlich hat er gemerkt, dass es vielen gar nicht ernst war mit ihrer Bekehrung. Vielleicht haben sich die Leute mehr für die Sünden der anderen interessiert als für die eigene Bekehrung? Wie in der Oliver-Geissen-Show? Aber was will er machen! Er hat schon einen Ort gesucht, an dem keiner kommt, um dort einen Ausflug zu machen oder zu picknicken. Aber er kann den Menschen nicht ins Herz schauen.

Aber jetzt, wo Jesus ins Licht der Öffentlichkeit getreten ist, wird sich zeigen, worum es ihnen wirklich ging. Haben sie Gott gesucht? Oder die Sensation? Haben sie Bekehrung gewollt, oder nur eine Show? Er verweist auf Jesus - werden die Menschen seinem Hinweis folgen?
Und Jesus fragt sie auch: Warum seid ihr damals hinausgezogen, in die Wüste, um Euch taufen zu lassen? Weil das alle taten? Weil das spannend war? Oder habt ihr Gott gesucht? Jesus fragt auch uns heute: Warum feiert ihr Weihnachten - oder Ostern - oder Karneval? Warum feiert ihr Taufe, Erstkommunion, Firmung und Hochzeit? Weil das alle tun? Weil das spannend ist? Oder - weil ihr Gott sucht?

Liebe Schwestern und Brüder, einmal angenommen, die Gottesdienste hier in der Kirche wären einfallslos und langweilig. Keine Orgel, keine Messdiener, keine Kerzen. Keine Familiengottesdienste, keinen Kirchenchor, kein Krippenspiel. Würden sie trotzdem kommen? Weil sie nicht die Show, sondern Gott suchen? Weil sie erlöst werden möchten?
Einmal angenommen, zu Weihnachten gäbe es bei ihnen keinen Baum, keine Krippe und keine Geschenke. Kein "Stille Nacht" von der CD und kein Weihnachtsessen - würden sie dann auch sagen: "Das ist doch kein Weihnachten!"? Was feiern sie eigentlich? Ist Ihr Leben eine Oliver-Geissen-Show oder die echte Suche nach Erlösung?

Keine Angst, wir werden auch weiterhin versuchen, unsere Gottesdienste ansprechend zu feiern. Aber wir sollten uns davor hüten, mehr Arbeit und Sorgfalt in die Vorbereitung der Feierlichkeiten zu stecken, als in unsere eigene Vorbereitung. Was nutzt uns eine gute Show, wenn wir nicht Gott suchen? Die Erlösung und Bekehrung?

Das gleiche gilt auch für unsere private Vorbereitung. Viel für den Rahmen zu geben und wenig bis gar nichts für die Seele tötet den Glauben. Vielleicht helfen uns da ein paar Faustregel:

  • 10 Prozent der Ausgaben für die Weihnachtsgeschenke könnten wir für Adveniat geben.

  • 50 Prozent der Zeit, die wir für die Festvorbereitung, dem Geschenkekauf, der Weihnachtsfeiern und den Weihnachtsmärkten benötigen, sollten wir für das Gebet aufbringen.

  • 100 Prozent der Zeit, die wir am Weihnachtstag brauchen, um uns chic zu machen, könnten wir in den Tagen vor Weihnachten für eine gute Beichten verwenden - um unsere Seele zu reinigen.

Das wäre doch ein Zeichen für einen echten Glauben, meinen Sie nicht?

314. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder

Johannes der Täufer schickt seine Jünger zu Jesus und läßt Ihn fragen, ob er derjenige ist, der da kommen soll, oder ob er noch auf einen anderen warten müsse. Johannes hat sein Leben für Gott geopfert, hat auf alles verzichtet und unter größter Askese in der Wüste gelebt, gepredigt und getauft und will nun wissen, ob die Verheißungen, die Ihm gemacht wurden, sich nun tatsächlich erfüllt haben. Er hört jetzt im Gefängnis sehr viel von Jesus und wird nun stutzig. Ist er derjenige, den er gepredigt hat? Ist er der Retter, der Messias, der jetzt alles besser macht, der das Gottesreich anbrechen läßt? Bloß warum muß er dann noch im Gefängnis sitzen? Warum sind die Römer noch an der Macht? Warum gibt es noch Leid und Elend in der Welt? Wer ist dieser Jesus? Ist er der Christus?

Ich meine, diese skeptische Haltung des Johannes spiegelt sich auch oft in unseren Gedanken und Haltungen wider. Ist Jesus von Nazaret wirklich der Christus, der von Gott Gesalbte, der Retter? Warum gibt es dann noch Leid in der Welt, warum sterben unschuldige Menschen bei einem Flugzeugabsturz, warum mußten erst viele Tausend Menschen in Bosnien sterben, bevor ein Friedensvertrag unterschrieben werden konnte. Warum darf in China immer noch nicht frei seine Meinung geäußert werden, warum bekommen wir unsere Energieprobleme nicht in den Griff, so daß in Japan jetzt fast ein Atomreaktor durchgeschmolzen wäre. Warum das alles noch, wenn doch Christus die Welt schon erlöst hat?

Als die Jünger des Johannes Christus fragen, verweist er sie auf seine Heilungswunder: "Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangleium verkündet."

Zum einen verweist Jesus dadurch auf Jesaja, der genau dieses für das Kommen Gottes vorhergesagt hat. Wir haben es in der heutigen Lesung gehört: "Dann werden die Augen der Blinden geöffnet, auch die Ohren der Tauben sind wieder offen. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch, die Zunge des Stummen jauchzt auf." Er ist also der verheißene Gottessohn.

Aber viel wichtiger ist bei dieser Antwort, daß Jesus den Jüngern keine direkte Antwort gibt, sondern auf die in seinen Heilswundern erfahrbare Heilzeit verweist. Die Frage, wer der Kommende ist, kann man nicht theoretisch beantworten, sondern sie muß persönlich erfahren werden. Er verweist die Jünger auf ihre eigenen Erfahrungen: "Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht". Diesen Erkenntnisweg mußten die Jünger gehen und soll auch das Volk gehen, daß ähnlich wie Johannes fragt. Ihn soll die Gemeinde gehen, für die Matthäus dieses Evangelium niedergeschrieben hat. Es geht darum, sich einzulassen auf die Geschichte Jesu, auf die Taten des Christus. Jede noch so gut formulierte Antwort wird immer eine abstrakte und theoretische bleiben und kann das Sich-Beteiligen-Lassen an der Geschichte des Christus nicht ersetzen.

Und genau das, was für die Jünger galt, was für das Volk Israel galt, was für die Gemeinde des Matthäus galt, gilt heute auch für uns. Wir werden heute keine direkte Antwort auf die Frage bekommen, wer Jesus ist. Wir uns auf Ihn einlassen. Wenn wir nicht bereit sind, mit Ihm Erfahrungen zu machen, dann werden wir nie wissen, ob er der Messias ist, der Gottessohn, der da kommen wird, er, der in 8 Tagen dort in der Krippe liegt.

Jesus sagt zu den Jüngern des Johannes: "Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht:" Woche für Woche treffen sich Hunderte und Tausende Jugendliche in Taizé in Frankreich zum Gebet und Gespräch über den Glauben, in unserer Gemeinde treffen sich Menschen unterschiedlichster Altersgruppen zum Gebet und Gespräch über ihren Glauben, in Lourdes geschehen nach wie vor viele Heilungen, von denen viele unerklärlich sind und von der Wissenschaft und der Kirche als Wunder anerkannt werden. In Loreto in Italien trafen sich diesen Sommer von der Presse unbeachtet mehrere Hunderttausend Jugendliche zum Gebet mit dem Papst. Beim Weltjugendtreffen in Manila in diesem Jahr waren ca. 5 Millionen Menschen bei der größten Messe aller bisherigen Zeiten. In unserer Gemeinde fühlen sich junge Menschen zu einem pastoralen Beruf oder geistlichen Stand berufen, Mutter Teresa ist nur das bekannteste Beispiel, daß sich Menschen aus christlicher Überzeugung den Armen zuwenden. "Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangleium verkündet.

Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt." Damit meint Jesus, daß wir uns seinen Heilszeichen nicht verschließen sollen. Diesen Zeichen des Heils in unserer Zeit, gilt es sich zu öffnen, sich selbst solchen Erfahrungen nicht verschließen. Diese Heilserfahrungen nötigen uns selbst zur Entscheidung für oder gegen Jesus, und damit für oder gegen Christus, für oder gegen Gott. Nehmen wir seine Einladung an, lassen wir uns auf seine Heilstaten an uns ein, damit wir selbst erfahren und berichten können, ob er es ist, der da kommen soll.

315. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Augustinus, ein mutiger und kluger Mann der frühen Christenheit, hat einmal ein wunderbares Wort gesagt: Gott, der Dich erschaffen hat, ohne Dich zu fragen, will Dich nicht ohne Deine Zustimmung erlösen.

Gott hat mich so geschaffen, wie ich bin. Und es wäre auch kaum möglich gewesen, dass er mich dazu um meine Zustimmung gefragt hätte. Ich habe meine vielen Fähigkeiten bekommen, weil der gute Vater mich für eine ganz bestimmte Zeit und eine ganz bestimmte Aufgabe geschaffen hat. Wenn ich diese entdecke und wahrnehme, bin ich in der Lage, ein Leben ganz im Einklang mit mir und mit Gott zu führen.

Aber leider bin ich nicht mehr so ganz, wie Gott mich haben will. Denn in jedem Menschen steckt auch die Neigung, sich entgegen Gottes Vorstellungen zu verändern. Und das macht es mittlerweile so schwierig, Gottes Plan für mich zu entdecken. Und manchmal, wenn ich mir trotzdem ziemlich sicher bin, erkannt zu haben, was Gott von mir möchte - manchmal will ich dann diesen Einklang mit mir und Gott nicht - weil mir der zweifelhafte Einklang mit dem Zeitgeist, der Mode, dem Trend unserer Zeit lieber ist.

Es ist schwierig geworden, wenn nicht sogar unmöglich, aus uns selbst heraus in die gottgewollte Lebensbahn zu geraten. Da würden wir uns zwar pudelwohl fühlen - aber Irrwege haben offensichtlich auch ihren Reiz.

Dafür hat Gott aber seinen Sohn gesandt: Damit er mich an die Hand nimmt und ich mit seiner Hilfe - heute vermittelt durch die Kirche - den richtigen Weg zu finden. Nur: Dazu möchte Gott nun doch mein Ja. Gott, der mich erschaffen hat, ohne mich zu fragen, will mich nicht ohne meine Zustimmung erlösen.
Weihnachten kann erst werden, wenn wir im Advent unser Ja zu Gott sprechen.

Nur: Wir sollen wir zu Gottes Hilfe Ja sagen, wenn wir schon zu ihm selbst sooft unser Nein sprechen? Wie können wir Gottes Erlösung in Anspruch nehmen, wenn wir ihn selbst sooft aus den Augen verloren haben?

Liebe Schwestern und Brüder, Maria ist die adventliche Person unseres Glaubens schlechthin. Denn sie hat das Ja gesprochen, das keinen Abstrich hat, keine Einschränkung. Weil sie vom Anfang ihres Lebens an von Gott schon in seine Nähe geholt wurde. Gott hat sie so geführt, dass sie nie einen Irrweg gegangen ist. Diesen Glauben nennen wir «Die Unbefleckte Empfängnis», ein Fest, das nicht nur zufällig in den Advent fällt.
(Damit ist selbstverständlich nicht die Empfängnis Jesu gemeint, weil sie ohne einen Mann geschah. So, als sei der eheliche Akt etwas befleckendes. Nein, unbefleckte Empfängnis heißt, dass Maria vom Anfang ihres Dasein an ganz mit Gott gelebt hat).

Marienfrömmigkeit ist also mehr als nur ein volkstümliches Element unseres Glaubens. Nur in Maria können wir unser Ja zu Gott sprechen. Nur in Maria können wir um Gottes Beistand bitten. Und deshalb ist Maria auch die zentrale Person des letzten Adventssonntages. An Weihnachten tritt sie dann zurück, und wir feiern den Herrn selbst. Der Weg dahin aber führt über die Mutter des Herrn.

Maria ist in der modernen Kirche nicht mehr sonderlich attraktiv. Ich weiß nicht, warum. Aber in der Priesterausbildung der 80er Jahre war ein rosenkranzbetender Priesteramtskandidat verdächtig und musst mit Schwierigkeiten rechnen. Mich hat das immer an die Herbergssuche erinnert: Denn nicht Jesus war dort auf der Suche nach einer Unterkunft, sondern Maria. Und Maria wurde abgewiesen, immer wieder, bis sie nicht mehr wusste, wohin sie gehen sollte. Dass mit Maria auch der Erlöser der Welt abgewiesen wurde, hat sich wohl keiner der Wirtsleute vorstellen können.

Nehmen wir uns das Bild zu Herzen und öffnen auch dieser großen Gestalt der Weihnacht unsere Türen. Nur so sprechen wir auch Ihr Ja. Amen.

316. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder

Letzten Dienstag war ich wieder im Internet, im Kirchenchat in funcity, wo einer die Bemerkung machte: "In Geschichte könnt ihr mir nichts vormachen, darin bin ich allwissend" Daraufhin fragte ich ihn, ob er Lehrer sei, "Nein, Schüler" - "Also" - meinte ich könne er anscheinend doch noch etwas in Geschichte lernen. Im Verlaufe des Gesprächs zeigte sich dann auch sehr bald, dass er zumindest in der Kirchengeschichte vieles verdreht hatte.

Ich habe oft das Gefühl, dass sich viele Menschen in unserer Gesellschaft ebenso für allwissend und unbelehrbar halten. Frei nach dem Motto der heutigen Lesung: "Ihr seid die von Gott berufenen Heiligen". Viele bleiben heute bei diesem Gedanken stehen. Wer sich diese Einleitung des Römerbriefes zu Eigen macht, sollte dann aber auch den folgenden Brief lesen. Sagen sie sich doch heute (morgen) nachmittag einmal: Der Gottesdienst heute morgen (gestern Abend) hätte auch 60 Minuten dauern können, stattdessen waren es nur 50 - die gesparten 10 Minuten investiere ich in den Römerbrief, ich fang einfach mal an, ihn zu lesen (Vorsicht - der Römerbrief ist mit das Schwerste was die Bibel zu bieten hat - um so mehr Weisheit steckt jedoch auch darin) Und wenn sie dann nach 30 Minuten merken sollten: oh - schon 20 Minuten zulange gelesen - und sie haben sowieso nur vor, den Fernseher anzustellen, - lesen sie weiter - das ist Advent! Advent - Vorbereiten auf das Kommen Christi. Nicht der äußere Schmuck: das verzierte Haus, die leckeren Plätzchen, der schnurgerade Tannenbaum ist maßgeblich, sondern dass das Herz bereitet ist. Und das geht nur, wenn wir uns dafür auch Zeit nehmen. Heute ist Sonntag - Tag des Herrn! Wenn die Vorbereitung in der Advetnszeit zu kurz gekommen ist, dann geben sie der Einkehr zumindest heute eine Chance. Eine Bibel dürfte sich wohl in jedem Haushalt finden lassen. Wenn nicht - ich hab noch ein paar. Wenn Sie es nicht tun, die Sie heute hier sind, wer soll denn dann Gott in sein Herz lassen. Die, die diesen Sonntag nicht da sind, weil sie in der nächsten Woche ja schon 2x zur Kirche müssen? Oder wir Priester, es sei ja unser Job? Nein - Ihr seid von Jesus Christus berufen, ihr seid die berufenen Heiligen. Ihre Aufgabe ist es, den Menschen die Botschaft der Erlösung zu bringen - ähnlich wie der Engel zu Josef: Fürchte Dich nicht - Gott ist mit uns. Den Menschen, denen Arbeitslosigkeit droht, die einen Sterbefall in der Familie zu beklagen haben, die sich finanziell übernommen haben, die dem Alkohol verfallen sind, die sich zerstritten haben, die sich wie Josef von ihrer Frau trennen wollten - sagt Ihr ihnen: Fürchte dich nicht - Gott ist mit uns. Zu schwer - dazu wissen sie zu wenig, da fehlen ihnen die Worte - hier stehen genug drin - lesen sie nach!

317. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist Fastenzeit. Na klar, das hat sich inzwischen herumgesprochen. Und in der Fastenzeit wird gefastet. Auch klar.

Aber worauf? Aus der evangelischen Kirche stammt die Aktion "7 Wochen ohne"; auf einen Zettel kann man dort ankreuzen, worauf man verzichten möchte: Auf Nikotin, Alkohol, Fernsehen, Auto oder sonstigen Luxus. Worauf verzichten Sie? Oder, wie ich in den letzten Tagen immer wieder höre, "was fasten Sie"?

"Fasten", das ist allerdings kein Selbstzweck. Es geht in der katholischen Kirche beim Fasten nicht um Selbstbeschränkung, Verzicht oder Selbstüberwindung. Im Grunde auch nicht um "Opfer". Es geht beim Fasten darum, frei zu werden - für Gott. Eigentlich ist die Fastenzeit eine Zeit der Vorbereitung auf Ostern, auf eine religiöse Feier, die die Grundlage unseres Glaubens ist. Da gilt es, Gott Platz zu machen in unserem Leben. Das Ziel einer österlichen Vorbereitungszeit ist die Erneuerung unseres Lebens.

In der alten Kirche begann mit der Fastenzeit für die neuen Christen die letzte Vorbereitung auf die Taufe, die ihren Platz in der Osternacht hatte. In der Zeit, in der sich die sogenannten Katechumenen auf DAS Ereignis ihres Lebens vorbereiteten, solidarisierte sich die Gemeinde und erneuerte auch ihren Glauben, gingen den Weg der Vorbereitung innerlich mit. Sie ließen sich nochmals wieder auf die vorbereitenden Predigten und Unterweisungen ein, baten nochmals in langen Gebetszeiten und ganzen Gebetsnächten um die Gnade, bei Gott sein zu dürfen.

In der Zeit, in der wir uns von den eingefahrenen Bequemlichkeiten lösen wollen und uns neu auf Gott ausrichten, ist kein Platz für Luxus, Lärm und fettes Essen. Fasten dient also einem Ziel: Der Befreiung vom Bösen. Dem Gebet. Dem Glauben. Der Aufmerksamkeit für Gott und den Mitmenschen.

Deshalb haben die Christen auch nicht lange überlegt, "was" sie fasten wollen. "Fasten" ist keine private Willensübung, sondern eine gemeinsame Zeit der Neuordnung. Deshalb kannten die Christen auch schon sehr früh eine "Fastenordnung", also eine gemeinsame Regelung. Eine Tradition, die die katholische Kirche bis heute bewahrt hat.

In der katholischen Fastenordnung gibt es deshalb drei Säulen, die für uns alle verpflichtend sind: 1. Das Gebet, 2. das Fasten und der Verzicht und 3. Almosen und Werke der Nächstenliebe.

(1) Diese Bußordnung, die keineswegs eine vorkonziliare überholte Tradition ist, sondern noch 1987 von den deutschen Bischöfen für uns alle verpflichtend gemacht worden ist, ermahnt uns zuallererst zum Gebet. Die Fastenzeit wäre keine wirklich Erneuerung unseres Glaubens, wenn wir nicht besonders um ein Gespräch mit Gott bemüht wären.
(2) Das Fasten ist etwas anderes als der Verzicht. Mit Fasten ist klipp und klar der Verzicht auf Essen gemeint. Nicht nur auf Süßigkeiten, Alkohol oder Sahnetörtchen. Wer fastet, der sollte nur noch einmal am Tag eine sättigende Mahlzeit zu sich nehmen. Darüber hinaus sind zwar kleine Stärkungen erlaubt - aber eben nichts sättigendes mehr.
Zum Fasten kommt dann der Verzicht auf persönliche Vorlieben - das ist das, was die "7-Wochen-ohne"-Aktion meint. Das bleibt dann tatsächlich einem jeden selbst überlassen und kann von Person zu Person sehr unterschiedlich sein. Übrigens: Verzichten sollten sie nicht auf etwas, das eine "sündhafte Angewohnheit" ist (z.B. zuviel Fernseh gucken) - sündigen sollen wir niemals, nicht nur in der Fastenzeit.
(3) Die dritte Säule ist die Öffnung für die, die Hilfe brauchen. Durch Geldspenden (Almosen) genauso wie durch besondere Zuwendung, Engagement und Zurückstellen der eigenen Pläne zugunsten von Familienmitgliedern oder Freunden.

Es geht also nicht darum, irgendetwas anzukreuzen und zu versuchen, sieben Wochen seinen eigenen Willen zu prüfen - das ist, wenn überhaupt, nur ein kleiner Teil, eine "Fastenzeit light" sozusagen. Außerdem kann das ja so verschieden sein, dass wir darin oft nichts mehr gemeinsan tun. Fastenzeit ist keine Zeit der Einzelkämpfer, keine Zeit der persönlichen Reife und Disziplin. Sie ist eine kirchliche Zeit, eine Zeit der Gemeinde, die sich gemeinschaftlich auf Gott ausrichtet. Es wäre schön, wenn wir wieder zu mehr Gemeinschaft in der Lage wären. Eine Gemeinschaft, die über den Gottesdienst hinausgeht und sich auch im Alltag zeigt. Auf zu Gott! Amen.

318. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist Fastenzeit. Na klar, das hat sich inzwischen herumgesprochen. Und in der Fastenzeit wird gefastet. Auch klar.

Aber worauf? Aus der evangelischen Kirche stammt die Aktion "7 Wochen ohne"; auf einen Zettel kann man dort ankreuzen, worauf man verzichten möchte: Auf Nikotin, Alkohol, Fernsehen, Auto oder sonstigen Luxus. Worauf verzichten Sie? Oder, wie ich in den letzten Tagen immer wieder höre, "was fasten Sie"?

"Fasten", das ist allerdings kein Selbstzweck. Es geht in der katholischen Kirche beim Fasten nicht um Selbstbeschränkung, Verzicht oder Selbstüberwindung. Im Grunde auch nicht um "Opfer". Es geht beim Fasten darum, frei zu werden - für Gott. Eigentlich ist die Fastenzeit eine Zeit der Vorbereitung auf Ostern, auf eine religiöse Feier, die die Grundlage unseres Glaubens ist. Da gilt es, Gott Platz zu machen in unserem Leben. Das Ziel einer österlichen Vorbereitungszeit ist die Erneuerung unseres Lebens.

In der alten Kirche begann mit der Fastenzeit für die neuen Christen die letzte Vorbereitung auf die Taufe, die ihren Platz in der Osternacht hatte. In der Zeit, in der sich die sogenannten Katechumenen auf DAS Ereignis ihres Lebens vorbereiteten, solidarisierte sich die Gemeinde und erneuerte auch ihren Glauben, gingen den Weg der Vorbereitung innerlich mit. Sie ließen sich nochmals wieder auf die vorbereitenden Predigten und Unterweisungen ein, baten nochmals in langen Gebetszeiten und ganzen Gebetsnächten um die Gnade, bei Gott sein zu dürfen.

In der Zeit, in der wir uns von den eingefahrenen Bequemlichkeiten lösen wollen und uns neu auf Gott ausrichten, ist kein Platz für Luxus, Lärm und fettes Essen. Fasten dient also einem Ziel: Der Befreiung vom Bösen. Dem Gebet. Dem Glauben. Der Aufmerksamkeit für Gott und den Mitmenschen.

Deshalb haben die Christen auch nicht lange überlegt, "was" sie fasten wollen. "Fasten" ist keine private Willensübung, sondern eine gemeinsame Zeit der Neuordnung. Deshalb kannten die Christen auch schon sehr früh eine "Fastenordnung", also eine gemeinsame Regelung. Eine Tradition, die die katholische Kirche bis heute bewahrt hat.

In der katholischen Fastenordnung gibt es deshalb drei Säulen, die für uns alle verpflichtend sind: 1. Das Gebet, 2. das Fasten und der Verzicht und 3. Almosen und Werke der Nächstenliebe.

(1) Diese Bußordnung, die keineswegs eine vorkonziliare überholte Tradition ist, sondern noch 1987 von den deutschen Bischöfen für uns alle verpflichtend gemacht worden ist, ermahnt uns zuallererst zum Gebet. Die Fastenzeit wäre keine wirklich Erneuerung unseres Glaubens, wenn wir nicht besonders um ein Gespräch mit Gott bemüht wären.
(2) Das Fasten ist etwas anderes als der Verzicht. Mit Fasten ist klipp und klar der Verzicht auf Essen gemeint. Nicht nur auf Süßigkeiten, Alkohol oder Sahnetörtchen. Wer fastet, der sollte nur noch einmal am Tag eine sättigende Mahlzeit zu sich nehmen. Darüber hinaus sind zwar kleine Stärkungen erlaubt - aber eben nichts sättigendes mehr.
Zum Fasten kommt dann der Verzicht auf persönliche Vorlieben - das ist das, was die "7-Wochen-ohne"-Aktion meint. Das bleibt dann tatsächlich einem jeden selbst überlassen und kann von Person zu Person sehr unterschiedlich sein. Übrigens: Verzichten sollten sie nicht auf etwas, das eine "sündhafte Angewohnheit" ist (z.B. zuviel Fernseh gucken) - sündigen sollen wir niemals, nicht nur in der Fastenzeit.
(3) Die dritte Säule ist die Öffnung für die, die Hilfe brauchen. Durch Geldspenden (Almosen) genauso wie durch besondere Zuwendung, Engagement und Zurückstellen der eigenen Pläne zugunsten von Familienmitgliedern oder Freunden.

Es geht also nicht darum, irgendetwas anzukreuzen und zu versuchen, sieben Wochen seinen eigenen Willen zu prüfen - das ist, wenn überhaupt, nur ein kleiner Teil, eine "Fastenzeit light" sozusagen. Außerdem kann das ja so verschieden sein, dass wir darin oft nichts mehr gemeinsan tun. Fastenzeit ist keine Zeit der Einzelkämpfer, keine Zeit der persönlichen Reife und Disziplin. Sie ist eine kirchliche Zeit, eine Zeit der Gemeinde, die sich gemeinschaftlich auf Gott ausrichtet. Es wäre schön, wenn wir wieder zu mehr Gemeinschaft in der Lage wären. Eine Gemeinschaft, die über den Gottesdienst hinausgeht und sich auch im Alltag zeigt. Auf zu Gott! Amen.

319. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

an Wunder sind wir ja schon ein wenig gewöhnt. Jesus heilt Menschen, Lahme und Blinde und Taube, er geht übers Wasser. Wir haben uns an diese Wunder schon ein wenig gewöhnt, weil wir ihre Bedeutung verstehen: Gott offenbart sich als der gute Gott, der uns nur Gutes will. Er will unser Heil, und deshalb heilt er uns. Dass Jesus den Sturm stillt, Tote erweckt und über den See ging: All das will uns sagen, dass er der Herr über das ist, was uns bedroht. Dass wir keine Angst zu haben brauchen.

Leider hat sich dabei so ein bisschen der Gedanke eingeschlichen, die Wunder sind alle gar nicht wirklich passiert. Sogar viele Exegeten (das sind die Professoren, die sich mit der Bibel beschäftigen) erzählen heute, dass die Wundergeschichten nur verdeutlichen wollen, wer Jesus gewesen ist - und dass die Wunder wahrscheinlich gar nicht passiert sind.

Ich bin ganz und gar nicht dieser Meinung und kann mir auch nicht vorstellen, wie sich eine solche Meinung mit einem aufrichtigem Glauben vereinbaren kann. Wenn Jesus Christus Gottes Sohn ist, dem - wie er selbst sagt - alle Macht gegeben ist, im Himmel und auf der Erde, - wenn er gleich dem Vater ist, der das alles erschaffen hat, aus dem Nichts, - dann ist es nicht vorstellbar, warum ihm ein kleiner Sturm auf einem noch kleineren See aus der Fassung bringen sollte.

Und wer nur ein kleines bisschen Interesse für solche Dinge zeigt, der wird sich auch den heutigen Wundern (bspw. in Lourdes, aber auch sonst überall auf der Welt) nicht verschließen können.

Aber, zugegeben, ein bisschen Skepsis ist solchen Wunderberichten schon angebracht. Und auch Petrus und seine Jünger hatten wohl hier und da ihre Zweifel, ob sie nicht irgendwelchen Sinnestäuschungen unterliegen, oder vielleicht sogar - wie Petrus auf dem See - Gespenster sähen.
Darum ist das Wunder, dass wir gerade gehört haben, von grundsätzlicher Bedeutung: Hier zeigt Jesus ein kleines bisschen von seiner Göttlichkeit. Hier macht er deutlich, warum er all diese wunderbaren Dinge tun kann.

Selbstverständlich können ihn die Apostel nicht in seiner reinen Göttlichkeit sehen - das bleibt uns Menschen in dieser Welt versagt, da müssen wir uns schon noch etwas gedulden.
Aber es reicht schon, um die Apostel, allen voran Petrus, umzuwerfen: Jesus, in überirdischen Licht, jenseits von Zeit und Raum (im Gespräch mit längst Verstorbenen), bestätigt von der göttlichen Stimme des Vaters. Wer das erlebt, für den ist eine Blindenheilung oder die Brotvermehrung schon fast ein alltägliches Geschehen.

Wer wirklich an die Göttlichkeit Jesu glaubt, dürfte mit all diesen Wunderberichten keine Schwierigkeit haben. Wer ein Christ ist (das ist jemand, so sagt Paulus, der glaubt, das Jesus Christus Gottes Sohn ist), den wirft weder die Auferstehung noch die Himmelfahrt Jesu um. Glauben Sie das?

Jedes Wunder, das Jesus vollzieht, ist nicht nur ein Zaubertrick, mit dem er seine Zuschauer verblüffen will, sondern eine Offenbarung. Er will uns damit etwas sagen. Jedes Heilungswunder soll uns seine Zuneigung verdeutlichen, jedes Naturwunder seine Macht.

Und das wunderbare Erlebnis auf dem Berg ist die wunderbare Verheißung des Lebens nach dem Tod. Denn in der Göttlichkeit Jesu werden auch die Verstorbenen sichtbar: Dort, in diesem strahlenden Licht, werden wir nach unserer Auferstehung sein - genauso wie Mose und Elija. Und alles, was wir hier auf Erden zu verlieren haben, ist nichts, verglichen mit dieser Erfahrung: Herr, lass uns drei Hütten bauen, hier ist es einfach zu schön.

Die Verklärung Christi ist ein Vorgeschmack auf unsere Verklärung. Wir werden sein wie Christus. Das ist zumindest eine Bedeutung dieses Wunders. Glauben Sie das?

320. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Weshalb sind sie eigentlich hier? Weshalb sind sie heute in die Messe gekommen? Manche sagen: Vielleicht bringt`s mir ja `was! Vielleicht wird die Predigt ganz gut und du verpaßt was, was dir helfen könnte. Und wenn's einem nichts gebracht hat? Dann lag's an der Predigt. Die Messe, der Gottesdienstbesuch soll mir was bringen.

Mit diesen Gedanken sind wir in guter Gesellschaft. Im heutigen Evangelium hören wir, daß Petrus genauso denkt. Er bekommt etwas ganz tolles zu sehen: den verklärten Christus. Verklärung bedeutet, daß Christus und mit ihm Moses und der Prophet Elija in der verklärten Leibsgestalt erscheinen, also so, wie sie aussehen werden, wenn sie bei Gott dem Vater sind, im Jenseits, im ewigen Leben. Ins Jenseits schauen dürfen, ich glaub', da wäre jeder hier auf Erden begeistert und genauso Petrus. Er möchte nichts anderes mehr, als diesen Augenblick für immer festhalten und genießen. Deshalb bietet er auch an, drei Hütten zu bauen, damit Moses, Elijas und Christus dort eine Wohnung haben, wo sie bleiben können, wo Petrus immer wieder hinkommen kann, damit er diesen Augenblick immer wieder haben kann. Denn dieser Augenblick, diese Szene hat ihm etwas gebracht. So soll immer Begegnung mit Christus sein, nicht so, wie er übers Wasser gehen wollte und niedersank, nicht so, daß er sich Sorgen machen muß, wie sie die Fünftausend Zuhörer satt kriegen sollen, nicht so, daß er in Bedrängnis steht, Jesus drei mal zu verleugnen. Sondern lieber immer so den Himmel sehen dürfen.

Ich denke, uns geht es da ganz ähnlich. Auch wir möchten lieber glasklar vor Augen haben, wo unser Leben hinführt, welches das Ziel ist, möchten immer solche Augenblicke, solche Begegnungen mit Christus haben, die uns ihm so nahe bringen, die uns soviel bringen.

Doch mit dem Hütten bauen wird nichts. Petrus kann diesen Augenblick nicht festhalten, er muß diesen Berg der Erscheinung wieder hinunter. Jesus führt ihn wieder hinunter zu den anderen Jüngern. Begegnung mit Christus kann nicht immer Verklärung sein, die Begegnung mit Christus, die Messe kann mir nicht immer soviel bringen. Die Verklärung war nur ein Vorgeschmack auf das, was mal sein wird, ewiges Leben bei Gott.

Und es ist auch ein Vorgeschmack auf Ostern: Ostern wird Christus den Jüngern als der Auferstandene, der Verklärte begegnen. Die Verklärung jetzt soll die Jünger stärken, denn bis Ostern müssen sie noch vieles erleiden: die Verurteilung und der Tod ihres Herrn und Meisters. Wenn sie diese schlimme Stunden ohne ihren Herrn erleben, sollen sie sich an dieses Ereignis erinnern, an das was nach dieser schweren Zeit kommen wird: die Auferstehung, das ewige Leben beim Vater.

Das gleiche gilt wieder für uns heute: Die Geschichte der Verklärung des Herrn heute am Beginn der Fastenzeit um uns Mut zu machen, diesen Weg der Mühsal zu gehen, uns Mut zumachen, uns einzulassen auf diese Zeit der Entsagung und des Verzichts. Mit aller Konsequenz auf die Fastenzeit einlassen, auf einen schwierigen Weg, um nachher um so schöner das Osterfest, die Auferstehung unseres Herrn zu feiern.

Verklärung; ein Vorgeschmack auf Ostern und auch auf das ewige Leben: auch heute, hier in der Messe, in der Eucharistiefeier. Auch hier erfahren wir einen Vorgeschmack auf das ewige Leben. Bereits hier in der Messe können wir Christus schauen, in der Gestalt von Brot und Wein ist er leibhaftig unter uns. Und so wie den Jüngern die verklärte Erscheinung eine Stärkung für ihren schweren Weg sein sollte, so soll auch uns der Leib Christi eine Stärkung sein für unseren langen Weg bis wir einst zu ihm gelangen.

Und, hat diese Predigt sie im Glauben gestärkt, hat sie Ihnen was gebracht? Wenn nicht, so ist das zwar schade aber nicht so schlimm, denn Christus selbst möchte auch diesen Sonntag in der Gestalt von Brot zu ihnen kommen und sie stärken. Amen

321. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Ist Jesus nett? Ist das in Ordnung, einer fremden Frau so auf den Kopf zuzusagen, dass sei eine Sünderin ist? Dass sie immer wieder mit anderen Männern zusammenlebt?

Was würden Sie sagen, wenn ich (oder ein anderer Pastor) bei einem Hausbesuch, bei Kaffee und Kuchen, so direkt wäre? Vermutlich nichts Gutes. Das ist nicht nett, das ist nicht in Ordnung, das ist kein guter Seelsorger.

Jesus ist nicht "nett" - er ist gut. Er hat unser Heil vor Augen, und es macht für ihn keinen Sinn, jemanden, der in Sünde lebt, ein gutes Gefühl zu vermitteln. Ganz im Gegenteil - das einzige Heilmittel ist, das scheinbar gute Gefühl zu nehmen. Wer nicht gut lebt, der kann sich auch nicht wirklich Gut fühlen.

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht sind sie schon einmal geblitzt worden. Das kommt vor (ist mir auch schon passiert). Dann sind die Wochen, bis der Bußgeldbescheid eintrifft, ziemlich unerträglich. Wie schnell war ich wirklich? Wieviel muss ich zahlen? Ist vielleicht sogar der Führerschein für einige Zeit weg?
Dabei ist die Angst vor der Strafe nur gar nicht das eigentliche Problem. Wir sollten uns viel mehr fragen, welches Risiko wir denn schon wieder eingegangen sind - warum wir unnötig uns und andere gefährden. Ist uns das Zuschnell-Fahren schon so sehr zur zweiten Haut geworden? Was ist, wenn wir wirklich mal jemanden zu Tode fahren, weil wir inzwischen nicht mehr anders können? Das Bußgeld ist nur das Mittel, uns wachzurütteln und unser Verhalten zu überdenken.

Leider glauben wir, dass Gott ganz anders ist als unser Staat. Warum haben wir keine schlaflosen Nächte, wenn wir gelogen haben? Wenn wir schon zum wiederholten Mal den Sonntagsgottesdienst verpassen? Wir glauben, dass Gott nicht straft, dass er nett ist.
Aber Gott ist nicht nett. Er ist gut. Er sagt, was schlecht ist und nennt unsere Sünden beim Namen. Und er erwartet, dass wir unruhig werden. Schlaflose Nächte haben. Denn die Sünde hat Folgen - nicht etwa, weil Gott sauer ist, sondern weil wir Schaden anrichten. Und zwar einen dreifachen Schaden.

Nehmen wir einmal an, sie haben ihrem Nachbarn 1000,- Euro geklaut, Sie werden erwischt und kommen vor Gericht. Dann haben Sie 1. ihr gutes Verhältnis zum Nachbarn zerstört; müssen 2. 1000,- Euro Schaden wiedergutmachen und haben 3. eine zusätzliche Strafe wie z.B. Sozialstunden, Bußgeld oder Gefängnisstrafe abzuleisten.
Das Verhältnis zu ihrem Nachbarn kann nur wieder gelingen, wenn er Ihnen verzeiht. Da können Sie nur hoffen und bitten, mehr nicht. Den finanziellen Schaden müssen Sie wiedergutmachen, das ist sowieso klar. Aber hinzu kommt noch eine zusätzliche Strafe, die sich nach der schwere der Tat richtet.

Das Gleiche gilt auch für unser Verhältnis zu Gott. Wer sündigt, der zerstört sein gutes Verhältnis zu Gott. Daran können wir nur etwas ändern, wenn wir ihn um Verzeihung bitten - in schweren Fällen erwartet Gott von uns, dass wir beichten. Da führt kein Weg dran vorbei.
Dann müssen wir natürlich den Schaden wiedergutmachen. Dazu gibt der Priester uns in der Beichte eine Buße auf; meistens nur ein kleines Zeichen der Wiedergutmachung. Den größten Teil der Buße hat Jesus schon für uns am Kreuz erlitten.
Und dann bleibt immer noch die Strafe, das Bußgeld, die Sozialstunden. Wir kommen nicht daran vorbei - Gott wäre ungerecht, wenn er uns nicht auffordert, an uns selbst zu arbeiten. Ein Dieb ist nicht deswegen frei, wenn er nur die Beute zurückgibt. Er muss etwas an sich selber tun. Gott ist nicht anders.

Die Kirche hat uns deshalb das Geschenk des Ablass' gemacht. Wir können durch eine Art "religiöse Sozialstunden" ableisten, was wir verschuldet haben. Gerade für dieses Jahr (2005) hat uns der Papst ein besonderes Geschenk gemacht: Alle, die im Jahr der Eucharistie an einer Anbetungszeit teilnehmen, können einen vollkommenen Ablass erlangen. In jeder Kirche - auch hier in Halverde. Religiöse Sozialstunden direkt hier vor Ort. Feine Sache, nicht wahr?

Zugegeben - der Ablass ist uns fremd geworden, weil wir ihn nicht mehr verstehen (wollen). Über den Ablass zu predigen und Sie aufzufordern, sich darum zu bemühen, ist auch nicht nett. Aber ich soll als Pastor ja auch nicht nett sein, sondern gut.

Ich darf sie daher dringend darum bitten, von ihren Sünden Abstand zu nehmen. Auch wenn Sie vielleicht keine schlaflosen Nächte haben - es sieht vermutlich aus Gottes Sicht nicht wirklich gut um uns aus.

Gehen Sie also 1. Beichten: Versöhnen Sie sich mit Gott, stellen Sie wieder eine gute Beziehung zu ihm her.

Bemühen Sie sich 2. um eine gute Buße; beten Sie im Sinne der Kirche und des Papstes und empfangen Sie die Heilige Kommunion - nachdem Sie gebeichtet haben.

Und 3. nehmen Sie das Angebot der Kirche war, schließlich auch einen vollkommenen Ablass zu gewinnen; besuchen Sie z.B. die Anbetungszeiten unserer Kirche.

Lassen Sie sich mit Gott versöhnen! Sie inständig darum zu bitten, ist meine Aufgabe als Priester; und - seien Sie ehrlich - das alles (Beichte, Gebet und Ablass) ist einfacher und problemloser, selbst bei einer schweren Sünde, als wenn Sie im Dorf mit 40 km/h zu schnell geblitzt worden wären. Amen.

322. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

vor ein paar Jahren gab es einen, von einer Getränkefirma ausgerufenen Wettbewerb, ein neues Wort zu finden. Denn: Wenn man nicht mehr hungrig ist, dann ist man satt. Wie aber nennt man den Zustand, wenn wir nicht mehr durstig sind? Dafür gab es bis damals noch kein Wort. Schrecklich.

Nun, der Wettbewerb hat diesem unhaltbaren Wortmangel ein Ende bereitet, allerdings ist das Ergebnis nicht sonderlich originell. "Sitt" heißt der Gewinner. Wenn wir nicht mehr trinken können, dann soll dieser Zustand jetzt "sitt" heißen.

Das ist schon interessant. Es gab tatsächlich kein Wort für das Gefühl, nicht mehr durstig zu sein - und das nicht nur in der deutschen Sprache; in den meisten Sprachen dieser Welt gibt es dafür kein eigenes Wort.

Vielleicht liegt das daran, dass wir nur ganz selten "sitt" sind. Trinken kann man fast immer - wenn man einmal von alkoholischen Getränken absieht. Aber wer zuviel Alkohol getrunken hat, der ist nicht "sitt", sondern blau. Durst ist offensichtlich etwas, das durch das Trinken nur kurz unterbrochen wird - im Gegensatz zum Essen.
Satt sind wir öfter, ein angenehmes Gefühl, das träge und zufrieden macht. Wer satt ist, der möchte am liebsten die Beine ausstrecken und so bleiben, wie er ist.
Wer sitt ist, der ist ganz im Gegenteil erfrischt, voller Schwung und neuem Leben. Der kann sich auf den Weg machen.

Liebe Schwestern und Brüder, auf dem Weg zum gelobten Land, so haben wir in der Lesung gehört, murrt das Volk und verlangt zurück nach den Fleischtöpfen Israels. Warum haben wir uns nur auf dieses unbequeme Abenteuer eingelassen? - Ein Gedanke, der uns Christen auch manchmal kommt: Warum sind wir Christen? Angefeindet, ausgelacht, ständig um Liebe und Heiligkeit bemüht - mit einem Glauben, der uns neben der Fastenzeit auch noch alle möglichen anderen Entsagungen aufbürdet. Wie schön wäre es, einfach ein Ungläubiger zu sein und sich den Bauch vollzuschlagen.

Aber Gott hat uns nicht versprochen, dass wir satt werden. Denn wir sind ja unterwegs; wir sollen nicht so bleiben, wie wir sind. Wir sind aus dieser Welt herausgerufen zu einer anderen Welt - und das bedeutet, dass wir aufbrechen müssen. Da wäre ein opulentes Mahl nicht sonderlich hilfreich. Nein, von Sattheit war nicht die Rede. Satt, fett und feist sind diejenigen, die sich erst gar nicht auf den Weg machen. Erinnern sie sich, dass Jesus im heutigen Evangelium ablehnt, etwas zu essen? Dafür bittet er aber um etwas zu trinken.

Wir, die wir unterwegs sind, haben eine ganz andere Verheißung: Jesus verspricht uns, dass wir "sitt" sind, solange wir mit ihm wandern. Ist Ihnen aufgefallen, wieviel im heutigen Evangelium gelaufen, gerannt und gewandert wird? Das ist unser Leben! Und dafür gilt die Verheißung: In uns entspringt eine Quelle mit lebendigem Wasser.

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht sehnen wir uns manchmal danach, wieder satt zu sein, im geistigen Sinne die Füsse hochzulegen und der Welt gemütlich zuzusehen. Das aber ist keine der Verheißungen, die Gott für diese Welt bereithält. Wir werden ein Leben lang auf der Wanderschaft sein - wie das Volk Israel in der Wüste.

Bis wir das gelobte Land erreichen, indem wir dann das ewige Mahl halten werden, hat Gott eine ganz andere Verheißung für uns und die Welt: Wir werden eine Quelle sein, für uns und andere. Wer Christ ist, der hat Gott im Herzen und ist sitt. Etwas, das so selten vorkommt, dass es dafür bis vor kurzem noch nicht einmal ein Wort gab, ist der christliche Normalzustand: Wir werden sitt sein und viele Menschen, die in dieser Welt zu verdursten drohen, sitt machen: Indem wir Gutes tun und zum Tun des Guten anstecken. Das ist das Wasser des Lebens: Gott zu lieben und so zu leben.

Zum Wohl!

323. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

hier hat sich Jesus als ein äußerst schlechter Prediger erwiesen. Von all dem, was er zur Frau am Brunnen sagt, hat sie höchsten einen Satz verstanden: Den, der sich auf ihre Männer bezog. Alles andere ist zu hoch für sie, geht schlicht über ihren Kopf hinweg - und wahrscheinlich auch über ihre Köpfe.

Als Lehrer wäre Jesus mit dieser Probestunde sicherlich durchgefallen und abgelehnt worden. Wer etwas lehren will, muss sich verständlich ausdrücken, vor allem darauf achten, dass seine Zuhörer nicht überfordert werden (Das gilt übrigens auch für Bischöfe und ihre Hirtenworte).

Aber - die Frau am Jakobsbrunnen stört sich daran kaum. Anstatt über diesen wirr redenden Propheten den Kopf zu schütteln und sich nicht weiter darum zu kümmern, holt sie begeistert die ganze Dorfgemeinschaft herbei - wird zu einer Botschafterin, zu einem Apostel.

Allerdings ist sie da bei den Aposteln in guter Gesellschaft: Ihnen geht es genauso. Auch sie verstehen Jesus immer wieder falsch, manchmal hören sie nicht einmal zu. Und trotzdem bleiben sie bei ihm.

Und Sie, liebe Schwestern und Brüder, sind ja auch noch da. Sie sind nicht gegangen, obwohl das heutige Evangelium sehr lang und nicht sonderlich einfach gewesen ist.

Offensichtlich spielt bei der Frau am Jakobsbrunnen - bei den Aposteln - und auch bei uns noch etwas anderes eine Rolle. Dieser Jesus ist kein Lehrer, kein Prophet mit einer Botschaft, kein Professor mit einer neuen Erkenntnis. Es geht diesem Jesus nicht um eine neue Lehre. Ihn auf diese Art und Weise missverstehen, wäre nun wirklich fatal.

Jesus ist der Messias - Gott höchstpersönlich, der gekommen ist, um Frieden mit den Menschen zu schließen, ihre Sünden auf sich zu nehmen, damit nichts mehr zwischen ihm und den Menschen steht.

Warum sind Sie hier? Um eine gute Predigt zu hören? Oder um dem Messias zu begegnen - Gott höchstpersönlich? Um mit Gott Frieden zu schließen? Ihm ihre Sünden zu überlassen, damit nichts mehr zwischen ihnen und Gott steht?

Es liegt bei ihnen, ob sie trotz schlechter Predigt, trotz unverständlichem Hirtenwort der Samariterin nachfolgen und zum Apostel werden, der anderen sagt: Er ist wirklich der Retter der Welt. Amen.

324. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Warum gibt es eigentlich die Kirchengebote? Warum schreibt die Kirche uns vor, wie wir zu leben haben? Hat Christus uns nicht die Freiheit von all den jüdischen Gesetzten geschenkt? Hat er uns nicht zur Freiheit berufen?

Ich möchte mit Ihnen heute einmal das fünfte Kirchengebot, das Fastengebot durchgehen. ... Doch was nützt das fasten, wenn ich mir nach Ostern wieder den Magen voll schlage und ihn mir dabei vielleicht sogar noch verderbe? Wird die Welt durch meine Buße besser? Ist mein Leben durch 40 Tage Fasten christlicher geworden?

Das heutige Evangelium gibt uns eine sehr gute Antwort auf den Sinn des Fastens. Jesus kommt erschöpft in der Mittagszeit an den Jakobsbrunnen in Samarien und bittet eine vorbeikommende Frau um Wasser, also um eine lebensspendende Gabe. Die Bedeutung der Bitte um Wasser können wir, die wir nur einfach den Hahn aufdrehen brauchen wohl gar nicht mehr nachvoll- ziehen. Die Frau ist über die Bitte verwundert. "Du, ein jüdischer Mann, willst etwas von mir, der ich doch deiner gar nicht würdig bin?" Denn dieses Verhalten Jesu war damals wirklich unvorstellbar. Die Juden wollten mit den Samaritern nichts zu tun haben, die waren nach ihrer Meinung vom wahren Glauben abgefallen. Dazu noch eine Frau, die nach damaligem Verständnis nochmals niedriger stand. Doch Jesus kümmert sich nicht um diese Wertmaß- stäbe, sondern spricht diese Frau an und bittet sie um lebenswichtige Hilfe.

Schon diese Szene läßt sich auf unser Leben heute übertragen: Jesus spricht uns an, die wir doch eines Gottes gar nicht würdig sind, die wir so oft vom Glauben abfallen. Und er spricht uns nicht nur an, sondern er bittet uns um Hilfe, damit er Leben kann. Durch unsere Hilfe will Jesus Christus leben. Jesus verlangt zunächst etwas von uns, bevor er uns dann etwas gibt.

Denn so geht's im Evangelium weiter, nach der Verwunderung der Frau bietet Jesus ihr lebensspendende Hilfe an, und zwar nicht nur einfach Wasser, sondern lebendiges Wasser, also Quellwasser, und zwar eines, wovon man nie mehr durstig wird. Nach erneuter Verwunderung bittet diese Frau Ihn um dieses Wasser, um diese Quelle des Lebens, so daß sie nie mehr zum Brunnen laufen müßte. Nie mehr diesen mühsamen Weg gehen, um wieder für einen Tag genug zum Leben zu haben.

Jesus bringt nun aber noch eine weitere Dimension hinein: er fragt nach ihrem Mann, und sie gibt zu, daß sie eigentlich gar keinen hat. Sie hat fünf Männer gehabt, und sich immer wieder getrennt. Auch das zeigt, daß diese Frau nicht den wahren Sinn des Lebens gefunden hat. Ihr Leben ist rastlos, sie kommt nie zur Ruhe. Immer wieder neu muß sie nach einem neuen Lebenssinn suchen, immer wieder sucht sie einen neuen Lebenspartner, immer wieder, tagtäglich muß sie zum Brunnen laufen, um leben zu können. Als sie nun Jesus kennengelernt hat, der ihr dieses aufzeigt, läßt sie alles stehen und liegen. Sie hat nun die Quelle des Lebens gefunden, die sie auf der langen Suche nach ihrem Glück nie gefunden hatte. Sie läuft nun in die Stadt und erzählt den anderen davon, so, daß diese auch zum Glauben kommen. Dabei vergißt sie ganz ihren Wasserkrug, weshalb sie ja eigentlich zum Brunnen gekommen ist, aber den braucht sie nun nicht mehr, auf den kann sie jetzt gut verzichten.

Und auch diese Szenen können wir auf unser Leben übertragen.
Jesus, der zunächst etwas von uns erbittet, gibt uns nun vielmehr, als wir ihm hätten geben können. Jesus erbittet von uns Hilfe zum Leben, und schenkt uns dabei das wahre Leben, das Wasser, wovon man keinen Durst mehr bekommt. Er zeigt uns auf, daß wir in unserem Leben unruhig hin- und herziehen, daß wir uns tagtäglich um den Lebenssinn bemühen. Doch er kann dieser Sucherei, diesem Mühen ein Ende machen. Er gibt uns den wahren Sinn, er will uns die wahre Quelle des Lebens sein, so daß wir den Wasserkrug nicht mehr brauchen. Auf das Wasser des Brunnens, das uns nur für den Tag den Durst löscht, können wir nun gut verzichten.

Und genau das will das Fastengebot der Kirche bewirken, daß ich dem Herrn etwas zur verfügung stelle, nicht irgend etwas belangloses. Jesus bittet die Frau um Wasser, etwas sehr wertvolles. So bittet er auch mich um etwas sehr wertvolles. Ihm etwas , was mir lieb und teuer geworden ist hinhalten. Bereit sein, davon abzugeben, darauf zu verzichten. Auf den Brunnengang verzichten, auf das verzichten, was ich angeblich täglich zum Leben brauche. Schauen sie selbst, was für sie der Wasserkrug ist, den sie eigentlich stehen lassen können, da sie etwas viel wertvolleres bekommen haben, da sie eine viel lebendigere Quelle besitzen. Durch die Fastenzeit die Chance ergreifen, auf die eigentliche Quelle unseres christlichen Lebens aufmerksam zu werden. Verzicht üben, damit ich merke, welche Rolle Christus in meinem Leben spielt, auch über Ostern hinaus.

325. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

man hat den Eindruck, als ob die Evangelien, die wir an den Sonntagen der Fastenzeit hören, mit ihrer jeweiligen Überlänge schon selbst eine kleine Buße darstellen sollen - oder uns vielleicht auf die langen Passionstexte der Karwoche vorbereiten wollen.

Tatsächlich hat die Auswahl der Evangelien, die wir gehört haben und noch hören werden, einen anderen Grund. In der Weltkirche ist es bis auf den heutigen Tag üblich, die Taufbewerber eines Jahres in der Osternacht zur Taufe zu führen. Die Evangelien (schon seit Jahrhunderten in dieser Reihenfolge) sind deshalb gedacht als eine Mini-Katechese, eine Einführung in die Grundlagen unseres Glaubens - auch für die, die schon getauft sind.

Und das gilt auch für das heutige Evangelium. Die Heilung des Blinden ist nicht so schnell berichtet wie die vielen anderen Wunder, die Jesus getan hat. Bei denen reichten oft schon ein paar Sätze.
Hier aber widmet Johannes der Heilung des Blinden ein ganzes Kapitel. Denn es geht ihm nicht nur um den Bericht einer Heilung. Es geht ihm um etwas anderes.

Vor der ganzen Geschichte gibt es keine festen Rollen: Die Jünger, die fragen, wer denn durch seine Sünden an der Blindheit des Mannes schuld ist, sind genauso wenig Lichtgestalten wie der Blinde, der gar nicht zu Wort kommt. Aber auch die Pharisäer sind nicht nur die Schlechten: Sie sind ja wirklich fromme Menschen gewesen, die ihr Leben ganz an den Weisungen der Schrift ausgerichtet haben. Und einige sind durchaus auf der Seite Jesu - wie im Evangelium ausdrücklich erwähnt. Gut und Böse, Schwarz und weiß ist nicht entschieden.

Nur Jesus ist sagt von sich: «Ich bin das Licht der Welt.» Und an ihm entscheiden sich jetzt die Geister. Er öffnet die Augen des Blinden und er öffnet die Augen der Pharisäer. Alle sehen klar, was Jesus kann und wer er ist. Nur: Sie entscheiden sich jeweils anders: Der ehemals Blinde schlägt sich nach und nach auf die Seite Jesu, ja, er versucht sogar die Pharisäer umzustimmen und wird selbst zum Apostel. Und die Pharisäer - obwohl sie das Wunder nicht leugnen - kehren sich von diesem Jesus ab. Nun sind die Rollen klar: Hier ist gut - und da ist böse - hier schwarz und dort weiß.

An Jesus entzünden sich die Gegensätze, weil er - wie Paulus schon in der Lesung sagt - das Verborgene an den Tag bringt. Wenn er das Licht der Welt ist, dann können wir nicht mehr grau in grau durchs Leben schleichen - dann sind wir entweder Kinder des Lichts oder der Finsternis.

Wenn wir einen neuen Christen durch die Taufe in die Kirche aufnehmen, dann ist die einzige Voraussetzung dafür die Anerkennung des Glaubensbekenntnisses, das unmittelbar vor der Taufe abgefragt wird - «Ich glaube» Zu Gott stehen und sich zu ihm bekennen macht einen Christen aus mir.
Davor jedoch gehört genauso wesentlich die Absage an das Böse - «Ich widersage.» Wer sich für das Gute entscheidet, kann nicht des Schlechte weiterführen! Wer sich zu Gott gesellt, kann nicht gleichzeitig das Widergöttliche auch noch mit nehmen.
Das krasseste Beispiel dafür ist wahrscheinlich die Mafia: Schön katholisch, regelmäßige Kirchgänger und fromm - und bringen gleichzeitig Leute um und handeln mit Drogen. Die haben sich nicht entschieden - die haben zu Gott ja gesagt und gleichzeitig dem Satan nicht widersprochen.

Vielleicht steckt ja in jedem von uns ein kleiner Mafiosi: Zu Gott gehören, aber die Annehmlichkeiten eines gottlosen Lebens nicht lassen. Lieber grau in grau. Aber, das tut mir leid, das geht nicht mehr. Wir sind Kinder des Lichtes, drum lasst uns auch so leben. Wer zu oft ein Auge zudrückt, wenn es um seine eigene Moral geht, der geht schließlich selbst wie ein Blinder durchs Leben.

Tun sie sich das nicht an. Amen.

326. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

man hat den Eindruck, als ob die Evangelien, die wir an den Sonntagen der Fastenzeit hören, mit ihrer jeweiligen Überlänge schon selbst eine kleine Buße darstellen sollen - oder uns vielleicht auf die langen Passionstexte der Karwoche vorbereiten wollen.

Tatsächlich hat die Auswahl der Evangelien, die wir gehört haben und noch hören werden, einen anderen Grund. In der Weltkirche ist es bis auf den heutigen Tag üblich, die Taufbewerber eines Jahres in der Osternacht zur Taufe zu führen. Die Evangelien (schon seit Jahrhunderten in dieser Reihenfolge) sind deshalb gedacht als eine Mini-Katechese, eine Einführung in die Grundlagen unseres Glaubens - auch für die, die schon getauft sind.

Im Evangelium des letzten Sonntags (das ebenfalls sehr lang war und von der Begegnung Jesu und der Samariterin am Jacobsbrunnen erzählte), ging es um die Frage: «Was glaubst Du?»
Die Antwort hat Jesus der Samariterin und uns Christen selbst gegeben (was übrigens ganz selten im Evangelium vorkommt): «Ich bin der Messias, der mit dem Du sprichst.» Das ist unser Glaube, der Glaube der Christen.
Glauben heißt demnach nicht: "Ich vermute, ich bin nicht sicher..." - sondern Glauben heißt: Ich vertraue darauf, dass mir jemand die Wahrheit sagt. In diesem Fall: «Ich weiß, dass Jesus der Messias ist; weil ich dem glaube, was er mir sagt.»

Und heute, im Evangelium von der Blindenheilung, geht es um die Frage: «Wieso glaubst Du ihm?» Denn es gibt ja durchaus so etwas wie einen blinden Glauben. Ich vertraue blindlings einer Person und dem, was sie mir sagt, ohne zu fragen, ob sie wirklich glaubwürdig und vertrauenswürdig ist. Das wäre aber sehr leichtsinnig, den einen blinden Glauben kann ich sowohl Gott gegenüber als auch einem Sektenführer, einem beliebigen Wissenschaftler oder sogar einem Adolf Hitler gegenüber haben - und kann ihn nicht begründen. Wer blind glaubt, der tut das vielleicht deshalb, weil er genau das hören möchte, was er hört; weil er sich selbst und seine Lebensweise bestätigt fühlt; weil er dann so bleiben kann, wie er ist.

Christus möchte aber keinen blinden Glauben, sondern dass wir sehen, nachdenken und dann dem Vertrauen, der allein vertrauenswürdig ist. Was spricht aber nun für den Glauben an Jesus Christus?

Zunächst seine Werke; er selbst sagt ja einmal: Glaubt wenigstens aufgrund der Werke, die ich tue. Damit meinte er die Taten, die in der Bibel stehen: Wunder und Zeichen. Auch der Blindgeborene im heutigen Evangelium wird nach und nach zum Christen, weil er nicht leugnen kann, was an ihm geschehen ist.
Es sind aber auch die Taten und Werke gemeint, die Jesus bis auf den heutigen Tag tut. Durch die Kirche und die Sakramente, die Heiligen, durch Menschen, die uns lieben, unsere Eltern und Freunde. Aber auch direkt: Wie oft gibt er uns Kraft, wenn wir nicht mehr damit gerechnet haben? Wie oft tröstet er und heilt, gibt Kraft zur Vergebung und zum Neuanfang?

Gut, damit können wir keinen Gottesbeweis beginnen. Das sind persönliche Erfahrungen, die wir nicht belegen können. Aber der Blindgeborene kann auch keinen Beweis antreten, dass er blind war und geheilt wurde. Die Pharisäer und Schriftgelehrten haben sich auch nicht überzeugen lassen - weil sie nicht sehen wollten. Da kann man nichts machen.

Es gibt aber noch einen anderen Grund, diesem Jesus zu vertrauen: Die Schwachheit seiner Gegner. Wenn ein Wissenschaftler verschiedene Theorien prüft und eine nach dem anderen ausschließt, dann muss die letzte, einzig noch verbliebene Alternative die Richtige sein, so unwahrscheinlich sie auch ist.
Die Pharisäer und Schriftgelehrten verspielen im Laufe der Auseinandersetzung jede Glaubwürdigkeit. Nur, um nicht nachzugeben, greifen sie nach immer unsachlicheren Argumenten, um den Blindgeborenen schließlich auszuschließen. Für den Geheilten ist damit klar: Es gibt nur noch Jesus, dem er vertrauen kann. Alle anderen haben ihre Vertrauenswürdigkeit verloren.

Das, liebe Schwestern und Brüder, ist unser Glaube: "Jesus Christus ist Gott.". Und das der Grund, weshalb wir alle unsere Hoffnung auf Gott setzen: "Er allein tut Gutes, er allein hilft." Erzählen wir von unserem Glauben und - wie Paulus in der Lesung schreibt: "Leben wir als Kinder des Lichtes!" Denn auch durch uns können andere Menschen Gott erfahren. Amen.

327. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Puh, ein langes Evangelium heute, liebe Schwestern und Brüder im Glauben. Ganz ausführlich und absolut untypisch wird uns heute die Heilung eines Blinden dargestellt. Wenn dies schon von dem Evangelisten Johannes so erzählt wird, dann wollen wir auch einmal auf die Hintergründe schauen. Und tatsächlich läßt sich ein diesem Evangelium eine Entwicklung finden, die ein jeder von uns auch durchmachen muß.

Zunächst einmal der Blinde im Evangelium: Er tut zunächst einmal nichts, er schreit nicht um Hilfe, wie es sonst schon mal vorkommt, er bekennt nicht seinen Glauben, wie es sonst auch oft üblich ist, bevor Jesus heilt, sondern er sitzt einfach nur da. Und Jesus streicht ihm Erde ins Gesicht, ohne ihn zu fragen, unaufgefordert, einfach nur damit, so sagt er: „das Wirken Gottes an ihm offenbar" wird.

Dann jedoch der erste Schritt des Blinden: er tut was Jesus gesagt hat: „Der Mann ging sofort und wusch sich". Er versteht überhaupt noch nicht, was da geschieht, aber er tut es. Und es funktioniert: er konnte sehen. Es mag überhaupt keiner verstehen und kapieren, was da geschehen ist, aber er, der von Geburt an blind war, kann nun sehen.

Dann der 2. Schritt: Der ehemals Blinde bekennt sich zu dem, was geschehen ist: „Der Mann, der Jesus heißt" hat das und das getan und gesagt und ich habe es getan und konnte sehen. Er weiß zwar noch nicht, wer dieser Jesus ist, kann ihn absolut nicht einordnen, aber er bekennt sich zu ihm, er sagt: der war es und niemand anderes. Schon ein erster wichtiger Schritt, den viele Menschen heute oft nicht tun. Doch zunächst der Blinde.

Er wird vor die Pharisäer geführt, auch die verstehen nicht, sie lassen es sich sogar zweimal erklären, weil sie mit Blindheit geschlagen sind. Und hier bekannt nun der Mann: „Er ist ein Prophet." Er bringt ihn also mit Gott in Verbindung, ein nächster wichtiger Schritt. Ein Prophet ist einer, der von Gott gesandt ist, der in Gottes Namen Gutes tut. Er bekennt sich zu Gottes Kraft und Macht, zu Gottes Gegenwart unter uns Menschen.

Dann der nächste Schritt: die Pharisäer sind so ungläubig, sind so blind, sie zitieren seine Eltern, fragen ob er ihr Sohn sei. Die Eltern haben Angst vor den Gelehrten und verweisen auf die Aussage ihres Sohnes. Und nun setzt dieser noch einen drauf: „Warum wollt ihr es noch einmal hören? Wollt auch ihr seine Jünger werden?" Er wagt im folgenden den Widerspruch zu den Ausreden der Gelehrten, er steht zu dem, der ihn geheilt hat, er läßt darüber kein Unrecht zu und wird folglich von den Juden verstoßen. Er hat den Rauswurf riskiert und in Kauf genommen.

Und nun erst, nach dieser Entwicklung, kommt er durch eine neuerliche Begegnung mit Jesus zum wahren sehen. Er erkennt, daß Jesus der Menschensohn, also der Christus ist und glaubt. Nun erst ist er wirklich sehend geworden.

Solch ein Evangelium in der Fastenzeit ermahnt auch uns zum wahren sehen zu gelangen.

Wo stehen wir?

Viele Menschen sind blind und meinen alles selbst zu können, lassen sich von niemandem etwas sagen. Haben ihren Dickkopf, und lassen niemanden an sich heran. Letztlich sind das arme Menschen, die ähnlich wie der Blinde irgendwo einsam in der Ecke sitzen.

Lassen wir uns wenigstens etwas sagen? Dürfen gute Freunde uns zur Seite nehmen und auf eingeschlichene Fehler aufmerksam machen? Sind wir bereit, auf sie zu hören und kommentarlos den Ratschlag zu befolgen wie der Blinde? Das verlangt schon ein großes Vertrauen zu unseren Mitmenschen.

Dann der nächste Schritt: Der Blinde verweist auf den Mann, der Jesus heißt. Viele Menschen bleiben heute auch dabei stehen. Sie sehen in Jesus von Nazareth einen netten Menschen, der eine paar coole Sprüche drauf hatte und der dann ans Kreuz geschlagen wurde, weil er so friedliebend war. Wer so bei dem netten Menschen Jesus stehen bleibt, der hat wesentliches nicht verstanden.

Der Blinde versteht im nächsten Schritt mehr: Er erkennt, daß Gott hinter den Dingen steht. Er versteht, daß der nette Mensch allein zu solch großen Dingen nicht fähig ist. Dieser Glaubensakt fällt vielen Menschen heute schon schwerer. Jesus - OK, aber Gottes Sohn - na ja. für uns, die wir hier versammelt sind, dürfte dieser Schritt noch selbstverständlicher sein, doch bei vielen Jugendlichen ist das heute schon eine Frage. Ich bin gespannt, wie unsere Haupt- und Realschüler das in der nächsten Woche bei den religiösen Orientierungstagen sehen.

Der 4. Schritt nun ist für viele heute immer schwerer. Der Blinde bekennt sich zu den Heilstaten Jesu und wird von der Gesellschaft verstoßen, wird aus der Clique ausgegrenzt. Auch unter uns sind das immer weniger: wer bekennt sich denn am Stammtisch noch zu einem Fastenopfer, wer spricht denn noch über die Sonntagspredigt beim nachmittäglichen Kaffeebesuch und bekennt sich dadurch zum regelmäßigen Kirchgang und nicht nur das, sondern fragt die anderen: „Wollt ihr auch seine Jünger werden?" Wer macht Freunde, Verwandte auf seinen Glauben aufmerksam? Die Eltern des Blinden haben es auch nicht riskiert. Er selbst aber wohl und dadurch ist er nun reif genug für die wahre Begegnung mit Jesus. Nun erst, wo er sich für seinen Glauben eingesetzt hat, ist er fähig, Jesus neu zu begegnen und zum Glauben an ihn, an den Christus zu gelangen.

Auch uns ist dieser Schritt möglich. Auch wir können dahin gelangen, Gott wirklich als unseren Lebensretter, als den Messias zu erkennen, daß uns die Augen geöffnet werden, daß wir sehen können.

Egal, wo wir stehen, die österliche Bußzeit lädt uns ein, den nächsten Schritt zu tun, ein Schritt weiter zu gehen, damit wir am Ende Gott schauen dürfen.

328. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

entschuldigen Sie, wenn ich es Ihnen so direkt sage: Sie sind alle des Todes. Jeder von Ihnen, der hier sitzt, kann dem Tod nicht entgehen. Sie alle müssen sterben.
Und das nicht nur im leiblichen Sinne: Auch geistig - geistlich geht es mit Ihnen zu Ende. Jede Sünde, die Sie begehen, tötet das Leben in Ihnen. Und, da gibt es kein Vertun, Sie sündigen. Unaufhörlich. Und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

Aber wir verspüren eine Sehnsucht nach Leben in uns. Keiner von uns will vermutlich sterben. Alle wollen wir leben! Das kann und darf nicht sein, dass wir alle zugrunde gehen. Wir ringen um das Leben: Wellness, Massage, Frischzellen, rechtsdrehende Milchsäurebakterien, Lactose, Calcium und Fluor - wir wollen nicht nur nicht sterben, sondern auch nicht älter werden. Aber, wir wissen es alle: Nichts davon wird uns retten können. Sterben werden wir trotz unserer Sehnsucht. Die Frage ist nur, was uns eher ereilt: Der körperliche oder der innere Tod.

So betrachtet Ezechiel in der Lesung auch ganz folgerichtig die Menschen, die ihm zuhören, als im Grunde tote Menschen: "Ich hole Euch heraus aus Euren Gräbern!" sagt er. Und damit sind wir bei der entscheidenden Wende meiner Predigt: Sie sind alle des Todes - aber es gibt Rettung.

Jesus ist der Lebensbringer. Marta bringt es im Evangelium auf den Punkt: "Du bist die Auferstehung und das Leben!" Er kann uns neues Leben einhauchen, Sünde vergeben und uns erfüllen. Hier ist der, der den Tod besiegt hat! Was müssen doch die Menschen, die sich nichts anderes ersehnen als eine solche Botschaft, eine solche Rettung, zu ihm strömen! Volle Kirchen, Gedränge bei der Anbetung...

Aber nichts davon. Die Menschen, die sich so sehr nach dem Leben sehnen, hören und glauben dem nicht, der sagt: «Ich bin es! Ich bin das Leben für Dich!»

Wenn ich heute Abend Besuch von Halle Berry bekomme - oder von Heidi Klum, Keanu Reeves oder Michael Ballack - ja, dann wäre mein Haus voll. Jeder will dabei sein, jeder will vom Glanz dieser Menschen etwas abhaben, daran teilhaben.
Hier, auf dem Altar, ist einer, der mehr ist als Heidi Klum und schöner alks Halle Berry - aber wo bleiben sie? Die Menschen?

Warum glauben Sie, dass es wichtiger wäre, Halle Berry zu begegnen als dem, dessen Abbild sie bloß ist? Vielleicht, weil sie meinen: Gott ist immer da, da kann ich auch noch morgen, nächste Wochen oder am Ende meines Lebens hin. Ja, lieber Pastor, wenn Heidi Klum nur für eine Stunde bei Dir zu Gast ist, dann ist das Gedränge groß. Aber wenn sie ab heute Deine Haushälterin wäre, dann könnte man ja jederzeit kommen. So ist das auch mit Gott.
Ja - aber wenn ich heute nicht komme, vielleicht noch nicht einmal morgen - wer weiß, ob ich dann überhaupt noch lebe, wenn es soweit ist? Sind Sie sicher, dass sie am Ende Ihres körperlichen Lebens überhaupt nicht schon geistig längst tot sind? Und vielleicht schon nächste Woche keine Kraft mehr haben, dem zu begegnen, der sie herausruft?

Es gibt aber noch weitere Gründe, warum trotz der Sehnsucht nach Leben der alleine bleibt, der Leben verheißt:
Die Menschen glauben nicht, dass die Nähe Gottes wirklich erfüllt. Ein Zeit der Anbetung ist für sie verlorene Zeit - verlorenes Leben. Und genau das wollen sie doch vermeiden - Leben verschwenden. Die Menschen glauben nicht, dass ein Gottesdienst wirklich lebendig macht. Jede Messe ist für sie tot-langweilig. Dabei wollen sie doch das pralle Leben. Die Menschen glauben nicht, dass der Einsatz für Menschen, die unsere Hilfe brauchen, unserem Leben wieder Halt und Sinn geben können. Für andere dazusein heißt ja, sich selbst hinten an zu stellen. Und genau das wollen Sie nicht.

Die Menschen fühlen in der Nähe Gottes nicht, dass er das Leben ist. Das Leben fühlen kann man viel besser bei Wellnessangeboten, bei Fußballspielen oder in der Nähe von Heidi Klum. Ersatzbefriedigung nennen wir das: Wir fühlen uns besser - obwohl wir wissen, dass nichts davon unser Leben retten kann.

Jesus ruft uns da heraus, heraus aus dieser Höhle, die wir mit bunten Plakaten versucht haben, netter aussehen zu lassen. Mit Prospekten vom Otto-Versand oder Neckermann-Reisen - es bleibt eine Grabeshöhle, in der wir leben. "Komm heraus, Lazarus! Komm heraus, Junge, Mädchen! Komm heraus, lieber Christ!" Jesus ruft uns - genau zu den Dingen, die die Welt nicht haben will: Zur Anbetung, zum Gottesdienst, zur Nächstenliebe.

Auch wenn uns eine Stunde der Anbetung todlangweilig erscheint, weil uns plötzlich die bunten Höhlenwände unseres Grabes fehlen - es ist ein Anfang gemacht. Ein kleines Samenkorn des Lebens wird uns ins Grab gelegt. Auch, wenn die Messe reine Zeitverschwendung zu sein scheint: Es ist letztlich das Leben Jesu, das an uns "verschwendet" wird. Letztlich finden wir nur dort und im Dienst am Nächsten das Leben. Nirgendwo sonst.

Liebe Schwestern und Brüder - kommt heraus aus Euren Höhlen! Kommt und lebt! Kommt heraus aus Eurem buntgemalten Grab! Hört den Ruf Jesu und folgt ihm!

Amen.

329. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, die Erweckung des Lazarus ist das letzte der fünf großen Evangelien, die wir in der Fastenzeit als Kurz-Katechesen gehört haben. Im Gegensatz zu den zahlreichen Wunderberichten in den anderen Evangelien berichtet uns Johannes nur von sieben großen Wundern - und darunter ist die Erweckung des Lazarus das letzte und größte Zeichen. Wenig später zieht Jesus in Jerusalem ein.

Die Auferstehung von den Toten ist das eindeutigste Zeichen der Göttlichkeit Jesu. Nur wer selbst Herr über Leben und Tod ist, kann andere aus dem Tod zum Leben führen. Am Ende heißt es, dass viele Juden, die gesehen hatten, was Jesus getan hatte, zum Glauben kamen. Während sie vielleicht bei anderen Wundern noch zweifelten - nach anderen Erklärungen suchten -, ist jetzt für die, die glauben wollen, die Beweislage klar: Jesus muss «der Messias sein, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen sollte».

Dazu dürfte aber nicht nur die große Macht Jesu geführt haben. Der Herr über Leben und Tod wird uns in diesem Evangelium nämlich auch noch auf eine ganz andere Art und Weise vorgestellt - die vielleicht genauso einmalig und großartig ist:

Jesus weint.

Die Großartigkeit Gottes zeigt sich nämlich nicht nur in seiner Erhabenheit über die dunkle Macht des Todes. Die Größe Gottes liegt hier vor allem auch in seiner Fähigkeit, mitzufühlen. Mitzutrauern. Mitzuweinen.

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht haben sie auch manchmal den Eindruck, regelrecht ausgespannt zu sein zwischen den Realität unseres Lebens und den Gewissheiten des Glaubens:
Auf der einen Seite die Überzeugung, dass das, was nach dem Tod kommt, alle unserer Erwartungen übertrifft - und gleichzeitig der Wunsch, möglichst lange auf dieser Erde zu leben.
Auf der einen Seite die Gewissheit, das mit dem Tod nicht alles aus ist - und auf der anderen Seite die Angst davor, sich in dieses Schicksal zu fügen.
Vielleicht haben Sie auch hier und da das Gefühl, dass dieser Gott Ihnen zu hoch ist - zu groß und zu mächtig, zu weit weg von ihren eigenen Gefühlen und Sorgen.

Gerade deshalb liegt die Größe dieses Wunders nicht allein in der Machtfülle, die hier offenbar wird, sondern auch in der beeindruckenden Art und Weise, wie Jesus Anteil nimmt.

Jesus hat nicht nur für uns gelitten - wie wir am Karfreitag hören - er hat leidet auch mit uns. Er ist uns näher, als wir selbst es uns sind. Er kennt unsere Ängste - und er fürchtet mit uns. Er kennt unsere leisen Gefühle - und er fühlt mit uns. Er kennt unsere Sehnsucht nach einem Gott, der uns wirklich nahe ist.

Wenn wir am heutigen Sonntag das 40-stündige Gebet feiern, dann ist das ein Fest der Nähe Gottes. Wir haben einen Gott, der weiß, was in uns vorgeht, weil er hier mitten unter uns lebt.

Und wir haben einen Gott, der durch uns anderen Menschen nahe sein will: Deshalb verträgt sich der Gedanke der Nächstenliebe, den mir am heutigen Misereor-Sonntag feiern, sehr wohl mit der Anbetung. Gott ist uns nahe - und so können wir anderen Seine Nähe weitergeben.

Gott in unserer Nähe zu haben ist ein gutes Gefühl. Amen.

330. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Als letztes der vier Evangelien hören wir heute vom Christusbild des Johannes - Evangeliums. Der Kern des Evangeliums geht wahrscheinlich auf Johannes zurück, den Jünger, den Jesus liebte. Es ist als letztes der vier entstanden, so ca. 90 - 100 nach Christi Geburt. Wie die anderen vier ist es konkret für eine Gemeinde geschrieben. „Damit ihr glaubt, daß Jesus der Messias, der Sohn Gottes ist." Damit sind sicherlich nicht Außenstehende gemeint, die durch die Evangeliumsschrift erst für den Glauben gewonnen werden sollten, sondern damit ist ganz klar die christliche Gemeinde angesprochen. Da es ca. 20 Jahre nach den anderen drei Evangelien entstanden ist, ist es stärker als die anderen auf die ausgerichtet, die Jesus nicht mehr persönlich kennen gelernt haben, auf die, wie Johannes es schreibt, „die nicht sehen und doch glauben". Somit hat es auch für uns heute eine ganz besondere Bedeutung.

Und doch fällt es uns heute schwer, gerade dieses Evangelium zu lesen und zu verstehen. Mk, Mt und Lk werden die drei Synoptiker genannt, da sie sehr viel parallel - also sehr ähnlich von Jesus berichten. Sie schrieben, wie Jesus sich den Armen und Unterdrückten, den Ausgestoßenen und Sündern zuwendet. Da fällt es uns leicht, uns mit diesen zu identifizieren, und somit zu sehen, wie Gott sich in diesen Gleichnissen auch uns zuwendet. Bei Johannes ist vom Erbarmen Jesu viel weniger die Rede. Aus der größeren zeitlichen Distanz ist es für ihn nicht so wichtig, daß Gott in Jesus Christus dem Menschen seine Zuwendung zeigt, die er uns dann im Paradies, nach dem Endgericht in vollem Umfang zufließen läßt. Für Johannes ist besonders bedeutungsvoll, daß Gott selbst auf Erden gekommen ist; das Endgericht ist zweitrangig, der einst am Ende kommende Menschensohn ist schon da, das Leben in Herrlichkeit hat schon jetzt begonnen!

Somit stellt Johannes die Gottessohnschaft Jesu in den Vordergrund. Im Unterschied zu Markus, der die Gottessohnschaft geheim halten läßt, offenbart sich Jesus bei Johannes ganz klar als der Messias und Gottessohn. So fängt das Evangelium schon an: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott." Dieses Wort ist in Jesus Fleisch geworden. Dieses Wort Gottes hat sich jetzt erfüllt.

So wird auch der Passionsbericht zum Ende des Evangeliums, den Johannes uns in größter Ausführlichkeit überliefert, den wir jedes Jahr zu Karfreitag hören, dieser Passionbericht wird zu einem göttlichen Gang. Schon die Verhaftung Jesu ist von diesem johanneischen Christusbild geprägt. Jesus weiß alles, was auf ihn zukommt und tritt dem Verhaftungstrupp souverän entgegen. Das „Ich bin es", mit dem er sich als Jesus von Nazareth zu erkennen gibt, ist zugleich ein Bekenntnis zu seiner Göttlichkeit. Dreimal erklingt dieses „Ich bin es" und sein hoheitsvoller Klang läßt die Soldaten und Pharisäer zu Boden stürzen. Auf den Schwertstreich des Petrus reagiert Jesus mit dem Hinweis, soll ich den Kelch, den mir der Vater gegeben hat, nicht trinken?" Als König der Juden angeklagt, bekennt er sich zu seinem Königtum, welches aber nicht von dieser Welt ist. Er ist der Sohn Gottes, der den Tod besiegt und uns dadurch das Leben schafft. Indem Jesus Christus, Gott selbst den Tod besiegt, haben wir das Leben. Und zwar seit diesem Augenblick, nicht erst bei seiner Wiederkunft.

Das Evangelium beginnt mit dieser Aussage und es endet so, und es durchzieht die ganze frohe Botschaft des Johannes. Deutlich machen das beispielhaft die sieben „Ich bin" Worte, die sich über das ganze Johannes - Evangelium verteilen: Ich bin das Brot, das Licht, die Tür, der gute Hirte, der Weinstock, der Weg, die Wahrheit und das Leben, die Auferstehung und das Leben, so haben wir es im heutigen Evangelium gehört: Jesus erweckt Lazarus zum Leben. Er sagt zu Marta: „Dein Bruder wird auferstehen. Marta sagte zu ihm: Ich weiß, daß er auferstehen wird bei der Auferstehung am letzten Tag. Jesus erwiderte ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben... Glaubst Du das?" Marta glaubt und Jesus erweckt ihn schon jetzt zum Leben.

Jesus Christus ist derjenige, der uns das Leben schenken kann, jedem der glaubt, hier und jetzt, nicht erst im Endgericht. Durch Jesus Christus ist Gott schon mitten in diesem Leben erfahrbar.

Durch Christus erhält der Mensch die Möglichkeit, seinen Standort zu wechseln, aus der Finsternis zum Licht, vom Tod zum Leben. Die einzige Bedingung ist der Glaube an Ihn. Der Glaube ist die verwandelnde Entscheidung. Durch den Glauben an Jesus Christus können wir schon hier das Leben in Herrlichkeit erhalten.

331. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

"Ihr seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt." So sagt es Paulus den Christen in Rom, und so ist es auch uns heute gesagt. Stimmt das denn? Sind wir wirklich vom Geist Gottes bestimmt? Paulus nennt den Menschen, der nichts hat als sich selber seinen eigenen Geist und seine Anstrengung im Guten wie im Bösen, "Fleisch". Er kommt nicht über seine Grenzen hinaus.

Ich glaube, dass viele Menschen heute so vom Fleisch bestimmt sind, vom materiellen Denken und von sich selbst bestimmt sind.

Bei Euch aber soll es nicht so sein: der Geist hat euch lebendig gemacht, der Geist Gottes hat euch ein ganz anderes Leben ermöglicht: ein Leben, wo das Fleisch, das Materielle nicht unser Glück bestimmt, wo ich mir das Glück nicht selber machen muss, nach dem Motto: "Jeder ist seines Glückes Schmied". Unser Glück liegt darin, von diesem Zwang befreit zu sein und dann frei leben zu können.

Die Fastenzeit will uns genau das vor Augen führen: andere Dinge auf das Wesentliche zu reduzieren, um den Blick frei zu haben für das, worin das wahre Glück zu finden ist.

Die evangelische Kirche startet in diesen Tagen eine Werbekampagne im Stile von "Wer wird Millionär?" mit Fragen und 4 Antwortmöglichkeiten: "Woran denken sie bei Ostern - a. Ferien, b. Cholesterin, c. Jesu Auferstehung, d. Langeweile in der Familie" (Allerdings gibt es für die richtige Antwort keine Million zu gewinnen) Eine weitere Frage der Anzeigen wird lauten: "Was ist Glück?" - wir finden es in Christus! Wenn ich seinen Geist habe, dann habe ich das Glück, dann gerate ich in Verzückung, so heißt es z.B. bei den 70 Ältesten des Volkes Israel, als sie etwas vom Geist Gottes auferlegt bekommen.

(Für den Kindergottesdienst: Ihr kennt Moses, der vor ein paar Jahren als Prinz von Ägypten in den Kinos lief. Er hat das Volk Israel aus Ägypten heraus, durchs rote Meer und 40 Jahre durch die Wüste geführt (deswegen übrigens auch 40 Tage Fastenzeit) - dabei murren die Leute, haben die Schnauze voll von Gott und Mose - und Mose beschwert sich bei Gott - da sendet Gott seinen Geist auch auf die 70 Ältesten und sie geraten in Verzückung.)

Wenn ich Gottes Geist habe, dann wird mir eine große Gelassenheit geschenkt, eine große Ruhe gegenüber den bisherigen Problemen, da ich mich von Gott getragen und bei ihm geborgen weiß. Stattdessen werden neue Schwerpunkte gesetzt. Es drängt mich dann, gegen die Ungerechtigkeiten der Welt anzugehen, z.B. diesen Sonntag großherzig für Misereor zu spenden, weil diese Menschen in Not unsere Mitmenschen sind, unsere Schwestern und Brüder, wie wir Christen sagen.

Das heutige Evangelium macht es ebenso deutlich, dass Gott unser Glück will. Jesus legt es geradezu darauf an, es seinen Jüngern zu erweisen, dass er uns das wahre Leben schenken will. Lazarus ist krank - doch Jesus lässt sich Zeit - er braucht mindestens 4 Tage, um zu ihm zu kommen, und die Wege sind nicht weit in Israel. Als er ankommt ist Lazarus bereits tot, und als er sagt, dass er leben wird, glaubt seine Schwester Marta zunächst, dass Jesus das ewige Leben meint. Doch Jesus will nicht erst mit dem Leben nach dem Tod beginnen, sondern will uns das Leben schon hier und jetzt schenken, er will schon hier unser Glück, keine Vertröstung aufs Jenseits. Und so erweckt er Lazarus nach vier Tagen Verwesung wieder zum Leben. Das war damals so ungeheuerlich, dass selbst die sonst immer zweifelnden und alles kritisierenden Juden in großer Zahl zum Glauben an ihn kommen.

Und so sind heute auch wir wie Marta gefragt: "Glaubst Du?"

Glaubst Du, dass Jesus Dich zum Leben erwecken kann? Nicht erst im Jenseits, sondern schon hier und Jetzt?
Glaubst Du, dass er Deine verkorksten Szenen im Leben wieder gerade biegt?
Glaubst Du, dass er, wo Du jemanden verletzt hast, neues Leben, neue Freundschaft möglich machen kann?

Er will es - er weint um Dich, so hieß es heute im Evangelium - er weint um Dich, wenn Du sein Angebot ausschlägst.
Er will Dir das Leben schenken - Glaubst Du das?

332. Predigtvorschlag

Ich gehe fischen. - Wir kommen auch mit.

Schwestern und Brüder!
Einen Hauch Resignation höre ich aus diesen Worten Petri und seiner Mitstreiter.

Ich gehe fischen. - Wir kommen auch mit.
Von großem Eifer für die Sache des Herrn zeugen diese Worte jedenfalls nicht.
Gerade erst haben die Jünger die Erfahrung gemacht, dass Jesus lebt. Aber was nun?
Sie kehren zurück in gewohnte Pfade. Sie gehen wieder fischen. Wie damals, bevor Jesus sie berufen hatte.

Der Aufbruch zu neuen Ufern in der Nachfolge Christi scheint vorbei.
Also zurück zu den alten Ufern. Aber selbst da werden sie verunsichert. Trotz aller Mühen heißt es: In dieser Nacht fingen sie nichts.

Ich kann mir gut vorstellen, was in den Herzen der Jünger vorgeht. Sie haben eine Achterbahn der Gefühle hinter sich, ein ständiges auf und ab:

Erst die Hosiannarufe beim Einzug Jesu in Jerusalem.
Die geheimnisvolle und atmosphärisch dichte Stunde im Abendmahlssaal.
Dann das "Kreuzige ihn" und die Traurigkeit über die eigene Feigheit, Jesus im Stich gelassen zu haben.
Die Aufregung über die Nachricht, Christus sei nicht mehr in seinem Grab.
Die unfassbare Freude über die Wirklichkeit, dass Jesus lebt.
Nun die Unsicherheit, wie es weitergehen soll.
Und schließlich das Scheitern bei dem, was sie eigentlich können sollten: beim Fischen.

Dieses Hin und Her ist schwer zu verdauen, macht orientierungslos.
Die Erfahrung der Vergeblichkeit macht die Jünger mutlos, lässt sie resignieren.

Diese Mutlosigkeit, dieses nicht wissen, woher und wohin liegt wie ein düsterer Schleier auf den Jüngern.
Eine bleiernde, triste, lähmende Stimmung geht vom Anfang dieses Evangeliums aus. Depression macht sich breit.
Doch das Blatt wendet sich. Das Evangelium endet in großer Freude: Ein riesiger Fang und ein stärkendes Mahl zusammen mit dem Herrn.
Wie kommt dieser Umschwung zustande? Was führt die Jünger aus Mutlosigkeit und Resignation hin zur Freude?
Es ist die Begegnung mit und das Hören auf Christus.

Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas fangen. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es.

Christus begegnen und auf ihn hören, das ist der Weg heraus aus der Resignation, Mutlosigkeit und Depression.
Es gibt viele Menschen in unseren Tagen, die sich so hilflos und orientierungslos dem Leben gegenüber fühlen, wie die Jünger damals am See von Tiberias.
Viele Menschen sind in unseren Tagen zutiefst traurig, hoffnungslos, resigniert.
Das verstecken sie zwar hinter einer Fassade aus Optimismus und guter Laune, doch wenn man an dieser Fassade kratzt, sieht man hinter dieser bunten Oberfläche das traurige, triste Innere.

Wie viele Menschen sind nicht wütend auf die Gesellschaft?
Wie viele Menschen verzweifeln nicht an der Welt, an den anderen, an sich selber?
Wie viele Menschen erleben ihr eigenes Leben nicht als eine Art Fehlkonstruktion?
Nicht umsonst sind die Sofas der Psychologen voll, Selbsthilfegruppen der Renner. Depression ist zur Volkskrankheit geworden.

Ein Großteil der Menschen unserer Tage ist krank. Seelisch krank.
Und so sehr sich auch Psychologen, Soziologen, Therapeuten bemühen: die Zahlen der Leidenden werden nicht geringer.

So wertvoll und ungemein wichtig die Arbeit all dieser Helfer ist, sie greift zu kurz, wenn sie den wahren Arzt der Seele außer Acht lässt: Christus, den gekreuzigten und auferstandenen Herrn.
Wer ihm begegnet und auf ihn hört, der kann den Weg herausfinden aus Resignation, Mutlosigkeit und Depression.

Wo begegne ich ihm, wo höre ich ihn?
Ich begegne ihm in den Sakramenten der Kirche. Ich höre ihn im Evangelium und in der Verkündigung der Kirche.

Und was soll daran heilsam sein?
Hören wir nur die Worte aus dem 1. Petrusbrief.
Ihr wisst, dass ihr aus eurer sinnlosen...Lebensweise nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber und Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel.

Hier wird jedem und jeder gesagt: Du bist unendlich viel mehr wert als alle Schätze auf der Erde. Für Dich ist Gott Mensch geworden, für Dich allein wäre er auf die Erde gekommen, um Dich zu erlösen. Du bist das ganze Blut Christi wert.

Wer Christus begegnet und auf ihn hört, der wird in seinem Inneren gewahr, dass er geliebt, unendlich angenommen ist.
Wer Christus begegnet und auf ihn hört, der muss sich und der Welt nichts beweisen, der ist frei vom Druck einer Leistungs- und Spaßgesellschaft, der überfordert sich nicht, sondern weiß sich getragen.
Wohlgemerkt, Schwestern und Brüder, es geht nicht darum, dass der Glaube an Christus, der Empfang der Sakramente und das Gebet eine nötige Therapie ersetzten können. Mit Sicherheit nicht.
Aber mit Gott führt eine Therapie erst wirklich zum Ziel.

Eine Therapie ohne Gott mag den Durst nach Sinn lindern wie ein Glas Wasser.
Eine Therapie, die mit Gott rechnet, reicht aber nicht nur einen Schluck, sondern führt zur immer sprudelnden Quelle.

Christus begegnen und auf ihn hören.
Aus einem mutlosen, kraftlosen Petrus wird einer, der vor Begeisterung und Lebensfreude ungestüm aus dem Boot springt. Neues Leben ist in ihm. Und in seinen Mitbrüdern.

Christus begegnen und auf ihn hören.
Eine Medizin, die keine Gesundheitsreform verschreiben oder wegrationalisieren kann.
Man bekommt sie nicht auf Rezept.
Sie wirkt, wenn man wagt, zu glauben.

333. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Haben Sie schon einmal von der Pädagogik Gottes gehört? Im Gegensatz zu anderen Gottesbildern, wo die Götter oft herrschende Despoten sind, die die Menschen nur erschaffen haben, damit sie ihnen dienen, haben wir nämlich einen Gott, der sich über und an uns freuen will. Darum ist er auch kein Diktator, sondern er ist auf sehr pädagogische Art und Weise - oder, um im gewohnten religiösen Sprachgebrauch zu bleiben, auf sehr liebevolle Weise um uns bemüht. Daher auch die angemessene Anrede als Vater.

Das Ziel seiner Pädagogik, die Erlösung des Menschen, bedeutet nichts anderes, als den Menschen dorthin zurückzuführen, wo er seine Erfüllung findet: Nämlich darin, dass wir uns an Gott schlichtweg freuen, an Seiner Größe, Güte und Schönheit, und zusammen mit Ihm an den Menschen, die Er zur Freude aller erschaffen hat und liebt.

Eigentlich ein Ziel, dass jeder für sich erstrebenswert finden sollte, ja, dass meiner Meinung nach sogar jeder Mensch insgeheim sucht. Leider aber bedarf es trotzdem immer wieder gewisser erzieherischer Maßnahmen, um uns Menschen dorthin zu führen.

Da sind wir auch nicht besser als viele Kinder - oder auch Jugendliche: Obwohl wir genau wissen, dass etwas schlecht für uns ist, tun wir es trotzdem - und reden uns dann noch heraus, dass es doch eigentlich so auch ganz gut geht.

Nun, während viele von uns in solchen Situationen auch schon einmal die Geduld verlieren, zeigt sich Gottes Größe gerade eben in seiner geduldsvollen Pädagogik: Er zeigt den Menschen den Weg, der zum Heil führt - vor allem, indem er ihn selber geht. Er zwingt keinen, er macht keine Vorschriften oder stellt Strafen auf. Er lädt ein, er stellt fest, so, wie im heutigen Evangelium:
«Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus - und ihr werdet etwas fangen.» Das ist kein Befehl. Das ist eine Verheißung, so ähnlich wie: «Wenn Ihr meine Gebote haltet, so bleibt Ihr in mir und ich in Euch.» Jedem ist frei gestellt, ob er sich dieser Lebensweise anschließen will oder nicht. Keiner wird gezwungen. Wer seine Netze nicht auswerfen will, der braucht es nicht zu tun. Allerdings wird er dann auch nicht den großen Fang machen.

Viele sehen heute in der Kirche einen Verrat an dieser liebevollen, zurückhaltenden Pädagogik Gottes, und den Papst, der große Moralapostel, als den Oberverräter. «Wie kann der Papst das - oder das - verbieten?»

Entschuldigen Sie - der Papst kann Ihnen überhaupt nichts verbieten. Er tut es auch nicht. Wer nur einmal einen Blick in die Reden und Dokumente des Papstes geworfen hat, der weiß, dass ihm nichts ferner liegt, als den Menschen zu versklaven. Er macht den Menschen keine Vorschriften. Nennen sie mir nur ein Dokument, wo er von irgendjemanden etwas fordert!

Seine Aufgabe, wie die Aufgabe aller Christen, ist Zeugnis abzulegen für den Weg, der zum Ziel führt. Dazu gehört natürlich selbstverständlich, dass wir Irrwege markieren, davor warnen, wenn Gefahren lauern. Das ist die Aufgabe des Papstes, der Bischöfe und Priester - und vor allem auch Ihre Aufgabe! Aber wir können niemanden etwas verbieten. Wir können keinen davon abhalten, die schlechten Wege zu gehen.

Alle Menschen sind frei, der Lebensweise zu folgen, die sie für die Richtige halten. Jeder Mensch ist frei, sich der katholischen Kirche anzuschließen, wenn er in ihr den Weg zum Heil entdeckt. Keiner von ihnen ist gezwungener Maßen hier, keiner, bei dem «römisch-katholisch» im Pass steht, wird dazu gezwungen, es zu bleiben. Wer seine Netze nicht auswerfen will, braucht es nicht zu tun. Aber Hinweise darauf, dass wir dann auch den großen Fang nicht machen werden, sind nicht nur erlaubt, sondern sogar unsere Pflicht. Wer den Weg zum Leben kennt, ihn aber verschweigt, ist nicht besser als der, der in der Wüste die Oase kennt, es aber dem Verdurstenden vorenthält.

Moraltheologie und Glaube sind immer etwas Positives, sie weisen immer nur auf den Weg hin, der zum Ziel führt - auch, wenn darin andere Wege verworfen werden. Zur göttlichen Pädagogik gehört allerdings auch dazu, dass Gott uns diese Wege selber gehen lässt - dass wir auch selber diesen Weg gehen - auch, wenn es kein einfacher Weg sein sollte. Amen.

334. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Wir haben gerade das Halleluja gesungen, und auch in den Gebetstexten dieses Gottesdienstes ist noch von Ostern die Rede - aber ansonsten ist heute, 14 Tage nach Ostern die Festlichkeit doch meist vorbei. Die Schule hat letzte Woche wieder angefangen, die Arbeit eventuell schon eine Woche eher. Der Alltag hat uns wieder. Wir leben wieder im alten Trott. "Ich geh' zur Arbeit! Ich fahr' zur Schule! Ich mach' mich an den Haushalt! So heißt es mittlerweile jeden Morgen. "Ich gehe fischen" sagt Petrus im heutigen Evangelium. Alltag nach Ostern. Aber noch ist es Nacht - das Evangelium erwähnt es ausdrücklich -, und die Jünger fangen nichts. Sie haben nichts zum essen, nichts zum leben. So kann es auch uns oft ergehen. Obwohl draußen die herrlichste Sonne scheint, ist es noch Nacht um uns. Die Nacht in mir selbst: meine Enttäuschung, meine Angst, mein Ärger, meine Scham, meine Schuld, ... Die Nacht kann viele Namen haben. Alltag nach Ostern. Bei vielen ist es Nacht geblieben und das, wovon die Osterlieder und die österlichen Gebetstexte reden, will nicht so recht eintreten. Bei wem das so ist, der braucht sich dessen nicht zu schämen, wir sind da in guter Gesellschaft: Petrus und den anderen Jüngern erging es ähnlich. Alltag nach Ostern: Bleibt also alles beim Alten? So als ob die Auferstehung nicht gewesen wäre?

"Als es schon Morgen wurde" erzählt das Evangelium weiter "stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wußten nicht, daß es Jesus war." Dieser Satz ist mehr als eine Zeit- und Ortsbestimmung. Dieser Satz sagt etwas wesentliches darüber aus, wie Gott zu uns steht: Gott wartet nicht ab, bis wir in unserem Leben erst alles in Ordnung gebracht haben, bis wir fertig sind. Da müßte er bei mir lange warten. Er ist bereits da, wenn es noch Nacht um uns und in uns ist und die Stürme und Wellen des Alltags uns hin- und herreißen. Er ist bereits da, auch wenn wir im Moment noch nichts davon spüren, weil wir zu viel mit unseren Sorgen zu tun haben. Und dort, wo Jesus ist, ist festes Ufer. Dort wo er ist, fängt es an, heller Morgen zu werden.

Jesus fragt die Jünger auf dem See, ob sie etwas zu essen haben. Sie antworten Nein. Sie müssen bekennen, daß sie nichts haben, wovon sie leben können. So offen und ehrlich wie sie unser Leben betrachten. Haben wir etwas bei uns, wovon wir leben können? Da, wo wir ohne Ihn fischen, ohne Ihn in unserem Alltag arbeiten, da können wir nicht überleben, da ist Alltag nach Ostern.

Die Jünger lassen sich auf die Worte Jesu ein, sie fahren erneut aufs Meer hinaus, obwohl sie in der ganzen Nacht, in der besseren Zeit des fischens nichts gefangen haben. Sie wagen es erneut, sie lassen sich auf die Bortscahft des Auferstandenen ein. Und da ist plötzlich nicht nur Alltag nach Ostern. Da ist mehr: da ist Ostern im Alltag!

Ostern im Alltag beginnt dort, wo ich mich den dunklen Erfahrungen meines Lebens stelle. Anstatt vor Ihnen zu fliehen, kann ich an Ihnen wachsen und reifen. Und langsam bekomme ich dann wieder festen Boden unter den Füßen. Ostern im Alltag beginnt dort, wo ich diese Möglichkeit eines Neuanfangs für mich nicht ausschließe, selbst wenn sie mir augenblicklich sehr weit weg und zwecklos erscheint. Vielleicht so zwecklos, wie am Morgen noch einmal aufzubrechen um Fische zu fangen, obwohl die ganze bisherige Nacht, mein bisheriges Leben nichts gebracht hat. Es jetzt mit Jesu Hilfe noch einmal zu wagen. Er wartet bereits auf uns. Er steht am Ufer. Mit ihm von neuem ans Werk gehen, wieder hinaus aufs Meer, in den Alltag gehen - Lukas schreibt:: "Siehe ich schicke euch wie Schafe unter die Wölfe", jetzt aber ohne Angst. Denn: Er steht am Ufer! Es mit ihm wagen, unser Leben, unsere Probleme noch einmal neu anzugehen. Ostern mit in den Allag nehmen.

Und wir werden nicht nur so gerade eben über die Runden kommen, sondern wir werden das Leben im Überfluß haben. Die Jünger fangen mehr, als sie zum Leben brauchen. Das Netz ist übervoll. Da erkennen sie, daß es Jesus ist. Sie erkennen ihn nicht sofort. Es kann ein langer Weg sein, ein christlicher Reifungsprozeß, ihn zu erkennen. Wenn wir uns auf seine Hilfe einlassen, unser Dunkel mit seiner Hilfe aufarbeiten, werden wir mit der Zeit erkennen, wo er in unserem Leben wirkt, wo Jesus in unserem Alltag zugegen ist, wo Ostern im Alltag ist.

Nachdem die Jünger ihn erkannt hatten, lädt Jesus sie zum Mahl ein. Im Brot brechen, im Eucharistischen Mahl sind sie sich seiner Gegenwart sicher, sie wagen es nicht, ihn zu fragen. So lädt Jesus auch uns, jeden einzelnen von uns zum Mahl ein, zum gemeinsamen Mahl mit ihm, um sich seiner Gegenwart sicher zu sein, damit Ostern im Alltag sein kann. Amen.

335. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Wir haben gerade das Halleluja gesungen, und auch in den Gebetstexten dieses Gottesdienstes ist noch von Ostern die Rede - aber ansonsten ist heute, 14 Tage nach Ostern die Festlichkeit doch meist vorbei. Die Schule hat letzte Woche wieder angefangen, die Arbeit eventuell schon eine Woche eher. Der Alltag hat uns wieder. Wir leben wieder im alten Trott. "Ich geh' zur Arbeit! Ich fahr' zur Schule! Ich mach' mich an den Haushalt! So heißt es mittlerweile jeden Morgen. "Ich gehe fischen" sagt Petrus im heutigen Evangelium. Alltag nach Ostern. Aber noch ist es Nacht - das Evangelium erwähnt es ausdrücklich -, und die Jünger fangen nichts. Sie haben nichts zum essen, nichts zum leben. So kann es auch uns oft ergehen. Obwohl draußen die herrlichste Sonne scheint, ist es noch Nacht um uns. Die Nacht in mir selbst: meine Enttäuschung, meine Angst, mein Ärger, meine Scham, meine Schuld, ... Die Nacht kann viele Namen haben. Alltag nach Ostern. Bei vielen ist es Nacht geblieben und das, wovon die Osterlieder und die österlichen Gebetstexte reden, will nicht so recht eintreten. Bei wem das so ist, der braucht sich dessen nicht zu schämen, wir sind da in guter Gesellschaft: Petrus und den anderen Jüngern erging es ähnlich. Alltag nach Ostern: Bleibt also alles beim Alten? So als ob die Auferstehung nicht gewesen wäre?

"Als es schon Morgen wurde" erzählt das Evangelium weiter "stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wußten nicht, daß es Jesus war." Dieser Satz ist mehr als eine Zeit- und Ortsbestimmung. Dieser Satz sagt etwas wesentliches darüber aus, wie Gott zu uns steht: Gott wartet nicht ab, bis wir in unserem Leben erst alles in Ordnung gebracht haben, bis wir fertig sind. Da müßte er bei mir lange warten. Er ist bereits da, wenn es noch Nacht um uns und in uns ist und die Stürme und Wellen des Alltags uns hin- und herreißen. Er ist bereits da, auch wenn wir im Moment noch nichts davon spüren, weil wir zu viel mit unseren Sorgen zu tun haben. Und dort, wo Jesus ist, ist festes Ufer. Dort wo er ist, fängt es an, heller Morgen zu werden.

Jesus fragt die Jünger auf dem See, ob sie etwas zu essen haben. Sie antworten Nein. Sie müssen bekennen, daß sie nichts haben, wovon sie leben können. So offen und ehrlich wie sie unser Leben betrachten. Haben wir etwas bei uns, wovon wir leben können? Da, wo wir ohne Ihn fischen, ohne Ihn in unserem Alltag arbeiten, da können wir nicht überleben, da ist Alltag nach Ostern.

Die Jünger lassen sich auf die Worte Jesu ein, sie fahren erneut aufs Meer hinaus, obwohl sie in der ganzen Nacht, in der besseren Zeit des Fischens nichts gefangen haben. Sie wagen es erneut, sie lassen sich auf die Botschaft des Auferstandenen ein. Und da ist plötzlich nicht nur Alltag nach Ostern. Da ist mehr: da ist Ostern im Alltag!

Ostern im Alltag beginnt dort, wo ich mich den dunklen Erfahrungen meines Lebens stelle. Anstatt vor Ihnen zu fliehen, kann ich an Ihnen wachsen und reifen. Und langsam bekomme ich dann wieder festen Boden unter den Füßen. Ostern im Alltag beginnt dort, wo ich diese Möglichkeit eines Neuanfangs für mich nicht ausschließe, selbst wenn sie mir augenblicklich sehr weit weg und zwecklos erscheint. Vielleicht so zwecklos, wie am Morgen noch einmal aufzubrechen um Fische zu fangen, obwohl die ganze bisherige Nacht, mein bisheriges Leben nichts gebracht hat. Es jetzt mit Jesu Hilfe noch einmal zu wagen. Er wartet bereits auf uns. Er steht am Ufer. Mit ihm von neuem ans Werk gehen, wieder hinaus aufs Meer, in den Alltag gehen - Lukas schreibt:: "Siehe ich schicke euch wie Schafe unter die Wölfe", jetzt aber ohne Angst. Denn: Er steht am Ufer! Es mit ihm wagen, unser Leben, unsere Probleme noch einmal neu anzugehen. Ostern mit in den Alltag nehmen.

Und wir werden nicht nur so gerade eben über die Runden kommen, sondern wir werden das Leben im Überfluß haben. Die Jünger fangen mehr, als sie zum Leben brauchen. Das Netz ist übervoll. Da erkennen sie, daß es Jesus ist. Sie erkennen ihn nicht sofort. Es kann ein langer Weg sein, ein christlicher Reifungsprozeß, ihn zu erkennen. Wenn wir uns auf seine Hilfe einlassen, unser Dunkel mit seiner Hilfe aufarbeiten, werden wir mit der Zeit erkennen, wo er in unserem Leben wirkt, wo Jesus in unserem Alltag zugegen ist, wo Ostern im Alltag ist.

Nachdem die Jünger ihn erkannt hatten, lädt Jesus sie zum Mahl ein. Im Brot brechen, im Eucharistischen Mahl sind sie sich seiner Gegenwart sicher, sie wagen es nicht, ihn zu fragen. So lädt Jesus auch uns, jeden einzelnen von uns zum Mahl ein, zum gemeinsamen Mahl mit ihm, um sich seiner Gegenwart sicher zu sein, damit Ostern im Alltag sein kann. Amen.

336. Predigtvorschlag

"Kriegen wir denn noch einen neuen Kaplan, wenn Sie jetzt im Juni gehen?"

Diese Frage , liebe Schwestern und Brüder, habe ich in den letzten Wochen häufiger gestellt bekommen.

"Ja, St. Agatha kriegt wieder einen Kaplan, keine Bange!", habe ich dann jeweils wahrheitsgemäß geantwortet.

Mir wurde deutlich, dass viele der Gläubigen eine Sorge haben.
Eine Sorge mit dem Namen: Priestermangel.

Nun, können wir eigentlich von Priestermangel sprechen?
Im Vergleich zu Afrika mit Sicherheit nicht. Auf dem schwarzen Kontinent kommen auf einen Priester 13.000 Katholiken.
In Europa ist ein Priester durchschnittlich für ein Zehntel an Katholiken zuständig, nämlich für ca. 1330.
Wenn man nur die Kirchenbesucher rechnen würde kämen in St. Agatha auf ungefähr 550 Katholiken ein Priester. Traumhafte Zahlen im Vergleich zu Afrika oder Asien, vor allem, wenn man die räumlichen Bedingungen und die hohe Mobilität hierzulande berücksichtigt.

Und dennoch: Priestermangel ist ein Wort in aller Munde. Auch in offiziellen Texten der Bischöfe kommt dieses Wort sorgenvoll vor.

Warum? Ist doch alles in Ordnung.
Nun, wenn man sich die Altersstruktur anschaut, dann sieht das schon anders aus.
58% der Priester unseres Bistums sind über 60 Jahre. Der Klerus droht sozusagen zu Vergreisen - wie unsere Gesellschaft übrigens auch.

Die Zahlen der Priesterweihen in Deutschland schrumpfen oder stagnieren auf niedrigem Niveau. Es gibt Bistümer in Deutschland, die z. T. nicht eine einzige Priesterweihe im letzten Jahr hatten.

Die Theologenkonvikte und Priesterseminare leeren sich. Auch im Bistum Münster. Als ich im Jahre 1990 mit dem Theologiestudium angefangen habe, waren wir ca. 110 junge Männer, die sich im Collegium Borromaeum auf die Priesterweihe für unsere Diözese vorbereiteten.
1995 als ich mit Beendigung des Studiums das Borromaeum verließ waren es noch 55, also die Hälfte.
Z. Zt. leben und studieren ca. 40 Priesteramtskandidaten dort. Allerdings aus drei Diözesen: Münster, Osnabrück, Hamburg.

Während in Afrika und Asien, auch in Südamerika die Seminare gefüllt sind und der Klerus dort sich verjüngt und wächst, ist bei uns genau die gegenteilige Entwicklung zu verzeichnen.

Der Priestermangel wird also kommen über kurz oder lang. Und angesichts dieser Tatsache wünscht unser Bischof Veränderungen in der Struktur der Gemeinden. Nicht jede Gemeinde wird in Zukunft einen Pfarrer erhalten können. Nicht jede Gemeinde wird erhalten werden können.
Zwei selbstständige katholische Gemeinden lassen sich nach meiner Sicht in Epe nicht lange halten.
Das wäre unverantwortlich den Geistlichen gegenüber, die dann einen Sitzungsmarathon absolvieren müssten. (Abgesehen davon, dass keiner meiner Mitbrüder ums Verrecken hierhin kommen würde, wenn es hier noch zwei Pfarreien gäbe...)
Das wäre aber auch anderen Pfarreien gegenüber unverantwortlich, die ebenso ein Recht auf geistliche Betreuung haben wie die Eper Katholiken.

Eigentlich müsste man weniger von einem Priestermangel, vielmehr von einem Pfarreienüberschuss sprechen...

Aber egal, wie man es dreht oder wendet, egal welchen Namen man dem Sorgenkind gibt: Die Zahlen der Berufungen sind drastisch zurückgegangen, auch wenn wir hier noch in den letzten Jahren zwei Primizen feiern konnten.

Woran liegt das?
Vielfältige Faktoren spielen eine Rolle. Ich möchte sie nur kurz anreißen:

  • Wo keiner Kinder geboren werden, können auch kaum geistliche Berufungen zum Priester- oder Ordenstand wachsen.
  • Unter den Strahlen des Wohlstandes und des Desinteresses verdunstet der Glaube in Deutschland wie der Tropfen Wasser unter der Glut der Sonne. Wo aber der Grundwasserspiegel des Glaubens sinkt, müssen die Wurzeln für Berufungen schon sehr tief sein.
  • Auch die fehlende Akzeptanz innerhalb der Gemeinden lässt junge Menschen das geistliche Amt nicht ergreifen. Viele Geistliche fühlen sich nicht sonderlich vom Glauben der Gemeinden getragen, sondern fast eher vom Anspruchsdenken und Aufgabenfeldern erschlagen.
  • Insgesamt erfahren viele die Atmosphäre in unserem Land alles andere als berufungsfreundlich. Als komischer Vogel, als weltfremder Kasper wird man häufig verschrieen, wenn man sich auf den Weg zum Priestertum macht. Ordensleuten geht es oft nicht anders. "Gefreut hat sich keiner" hieß die Überschrift des Artikels eines Mitbruders von mir in der Kirchenzeitung kurz vor der Weihe. Einige Freunde und Bekannte wollten mich mit Händen und Füssen davon abbringen, dass geistliche Amt zu ergreifen. In meinem Kurs sind sogar welche, die gegen den dezidierten Willen der Eltern diesen Schritt getan haben. Liebe Eltern, fragen Sie sich mal selbst, wie Sie reagieren würden, wenn Ihr Sohn Ihnen sagte "Ich will Priester werden" oder Ihre Tochter "Ich geh' ins Kloster ...

Das sollen nur einige Schlaglichter auf die Frage nach den Gründen sein, dass es so wenige Berufungen gibt. Aber wie mit dieser Tatsache umgehen?

"Zölibat aufheben!" höre ich dann viele schreien. Wenn weniger Priester vorhanden sind, muss man halt die Zugangsbedingungen herunterschrauben.
So denken viele. Und sie entlarven damit letztlich, welches Bild sie von der Hl. Kirche haben. Nämlich das eines weltlichen Vereins.

Die Kirche scheint im Denken vieler eine Art Karnickelzüchterverein zu sein, dessen Statuten man nach Bedarf umändern kann, um neue Mitglieder zu werben und zu bekommen, damit der Laden so weiterläuft wie bisher.

Die Kirche ist aber kein weltlicher Verein. Weltliches Denken hilft da nicht weiter. Die Abschaffung des Zölibates löst das Problem nicht. Vielmehr schaffen wir damit nur mehr Probleme. Leider Gottes ist es eine Tatsache, dass eine Berufsgruppe mit der höchsten Scheidungsrate die verheirateten evangelischen Pfarrer sind. Übrigens haben die noch auch keine vollbesetzten Kirchen, da finden sich z. T. deutlich weniger Gottesdienstbesucher ein als bei uns. Ich sage das nicht aus Häme. Es ist einfach ein Faktum. Ein Faktum, das mich schmerzt.

Die Kirche ist kein Verein. Der Priester ist auch kein Vereinsvorsitzender. Die Kirche ist Werkzeug und Zeichen der Gegenwart Gottes in dieser Welt. Die Kirche war nie eine Kirche von unten, vom Menschen her.
Die Kirche ist schon immer eine Kirche von oben, von Gott her.

Priester wird man nicht aus sich selber. Priestersein ist keine Verdienstmedaille für besonderes Engagement in der Jugendarbeit oder so.
Zum Priester wird man geweiht. Zum Priester wird man berufen. Diese Berufung kann sich keiner verdienen, es gibt kein Recht auf diese Berufung, erst recht ist diese Berufung kein Anlass, auf sich stolz zu sein.

Christus hat das Priesteramt eingesetzt. Und er ist es letztlich, der beruft. Die Kirche kann nur eine Berufung durch die Weihe bestätigen.

Die Kirche ist Geschenk und Geheimnis. Auch das Priesteramt ist Geschenk und Geheimnis.

Berufungen sind nicht machbar. Für Berufungen gibt es keine greencards. Jedes rein irdische Konzept wird scheitern.
Um Berufungen gerade für den Priesterstand kann man nur beten. Das ist ja auch die eindeutige Weisung des Herrn, wenn er an einer Stelle im Evangelium sagt:

Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.

"Kriegen wir denn noch einen neuen Kaplan, wenn Sie jetzt gehen?"

"Ja Sie bekommen wieder einen Kaplan. Und es werden Kapläne auch in Zukunft kommen, wenn sie darum beten. Und nur, wenn Sie darum beten."

337. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

wir feiern heute den Sonntag vom Guten Hirten und damit verbunden den Tag der geistlichen Berufungen. Damit ist normalerweise hauptsächlich die Bitte um Priesterberufungen verbunden.

Gerade am heutigen Sonntag gibt es aber eine andere geistliche Berufung, die unserem Gebet empfohlen wird: Die Berufung zum Dienst als Papst.

Liebe Schwestern und Brüder, in der Zeitung wird viel darüber geschrieben, wie sich verschiedene Menschen den neuen Papst wünschen; am Donnerstag schrieb Johannes Loy in der WN (Westfälisch Nachrichten vom 14.4.2005): "Der neue Papst soll dialogbereit, weltoffen, vermittlungsfähig und reformwillig sein." Nun - das alles kann ich gerne unterschreiben. Mir fehlen zwar noch ein paar Eigenschaften, die auch in anderen Aufzählungen selten erwähnt werden: Der neue Papst sollte ein Mann des Gebetes sein, mit Gott verbunden und ein offene Ohr für die Zuflüsterung des Heiligen Geistes sein. Er sollte überzeugt sein von dem, was er verkündet und ein echter Diener der Kirche. Er sollte Jesus Christus lieben und wie Jesus Christus bereit, sein Amt als Leiden an der Welt und für die Welt zu verstehen.

Aber bleiben wir bei den von Johannes Loy genannten Eigenschaften: Weltoffen und reformwillig. Dort wird berichtet, das Prof. Bremer, der Dekan der Theologischen Fakultät in Münster, meint, der neue Papst müsse vor allem den "Reformstau" in der Kirche abarbeiten - ähnlich äußerten sich viele Theologen, Kirchenführer und auch der Dechant von Ibbenbüren. Seltsam, frage ich mich: Mir fällt im Moment nämlich kein Feld der Kirche ein, dass dieser Papst nicht reformiert hat. Vom Kirchenrecht - dem Messbuch - der Liturgie - dem Bild der Frau - die Bedeutung der Laien - dem Verhältnis zur Vergangenheit - zu den Wissenschaften - zu den Medien - zu den Juden - zu den Moslems - zu den Kirchen der Reformation. Ich habe mich gefragt, wo denn da ein Reformstau zu finden sei?
Aber Dekan Bremer macht deutlich, worum es ihm geht: Die Mitwirkung der Laien müsse anerkannt werden; die Bedeutung der Normen insbesondere im Bereich der Sexualmoral müsse reduziert werden, die Rolle der Frau in der Kirche überdacht werden. Andere fassen es konkreter: Der nächste Papst solle das Zölibat überdenken, Frauen zum Priesteramt zulassen und das Verbot von Pille und Kondom aufheben.

Liebe Schwestern und Brüder, der Papst ist ein Diener der Kirche. Er kann nicht machen, was er will. Er ist vielleicht ein Monarch - ein absoluter Herrscher, wenn man will - aber kein Herrscher über den Glauben. Den Glauben der Kirche kann er nicht verändern und nicht nach seinem Belieben gestalten. Der Papst hat die Aufgabe, auf den Glauben der Kirche zu schauen und festzuhalten, was die Kirche durch den Heiligen Geist glaubt.

Mit anderen Worten: Diese Wünsche an den neuen Papst sind im Grunde wünsche nach einer anderen Kirche. Es liegt nicht nur an den Kardinälen, dass es solch einen Papst niemals geben wird. Es liegt am Glauben der Kirche, dass keiner, der zum Papst gewählt wird, diese Forderungen erfüllen kann.

Jetzt erklärt sich auch die Kritik an Johannes Paul den II.: Es war keine Kritik an seiner Person, es war eine Kritik an unserem Glauben. Und die, die nun von einem Reformstau sprechen, werden davon auch nach dem nächsten und übernächsten Pontifikat sprechen.

Es wäre für diese Predigt zuviel verlangt, deutlich zu machen,

  • warum das Priestertum der Frau vom Papst gar nicht eingeführt werden kann

  • warum nach der Offenlegung der theologischen Hintergründe durch Paul VI. die Pille und Kondom zwar aus gesundheitlichen Gründen, aber nicht als Mittel zur künstlichen Empfängnisverhütung eingesetzt werden können

  • warum die Kirche die Sexualmoral nicht ändern kann - wie die Kirche überhaupt nicht eine Moral festlegt, sondern nur verkündet

  • warum die Laien zwar vieles können und sollen - viel mehr, als oft gewünscht ist - aber eben nicht die Aufgaben des geweihten Priesteramtes.

Nehmen wir also Abstand von diesen Forderungen, die letztlich Forderungen gegen die Kirche sind - nicht an die Kirche. Bedenken wir das Wort des Heiligen Augustinus: "In dem Maße, in dem jemand die Kirche liebt, hat er den Heiligen Geist."

Wir können uns keinen anderen Papst wünschen, als einen Papst voll des Geistes - einen Papst, der die Kirche liebt und ihr dient. Dann dient er dem Glauben und erfüllt er sein Amt.

Beten wir um einen Papst, der voll des Geistes ist - der Freude am Glauben und Liebe zu Gott ausstrahlt und spürbar macht. Beten wir um einen Papst, der seine Kirche umsichtig führt und die Menschen zu Gott führt; einen Papst der heten kann und zum Gebet einlädt. Amen.

338. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, am heutigen Wochenende, an dem das Evangelium von Jesus als dem Hirten verlesen wird, begeht die Kirche auch den Tag der geistlichen Berufe.

In Zusammenhang mit dem Gedanken an geistliche Berufe und Priesternachwuchs ist immer wieder die Rede vom Priestermangel. Vor einiger Zeit kam die Kirchenzeitung mit einer fetten Überschrift heraus: «Priestermangel nimmt dramatische Ausmaße an!» Da kann man richtig Angst kriegen.

Ich weiß nicht, warum wir so gerne über den Priestermangel reden. Tatsache ist, dass die Zahlen eine ganz andere Sprache sprechen:

In Europa gibt es pro 3275 Einwohner (nicht Katholiken!) 1 Priester, ein Priester ist im Durchschnitt für 1.330 Katholiken zuständig. So gut ist ansonsten kein anderer Kontinent ausgestattet: In Asien kommt auf einen Priester 2620 Katholiken - in Afrika auf einen Priester 13.000 Katholiken. Wenn sie die Möglichkeiten der Fortbewegung, die räumlichen Dimensionen bedenken, dann geht es den Europäern noch einmal so gut.

Tatsache ist schon, dass es uns in Europa vor 50 Jahren noch weitaus besser ging. Und vor 150 Jahren kamen auf einen Priester in Deutschland 530 Katholiken. Aber wenn man es einmal anders betrachtet - so haben wir mehr Priester als je zuvor: Relativ zu den Kirchenbesuchern haben wir eine regelrechte Priesterschwemme. Relativ zu denjenigen, die damals und heute zu den Gottesdiensten kommen, ist die Anzahl der Priester noch nie so hoch gewesen.

Und doch sind die Europäer diejenigen, die vom dramatischen Priestermangel sprechen. Davon, dass diese Kirche in einer große Krise gerät. Von Berufungskrise ist die Rede. Vom Ersterben der Kirche.

Warum nur? Warum wird - sogar von offizieller Seite - eine solche Dramatik geschürt, die offensichtlich nicht den Zahlen entspricht? Den Kirchen mit wirklichem Priestermangel - der Afrikanischen Kirche vor allem - wird eine enorme Vitalität nachgesagt. Und bei der Kirche mit den meisten Priestern weltweit spricht man vom Ersterben.

Liebe Schwestern und Brüder, zwei möglich Gründe fallen mir ein:
Mir drängt sich der Eindruck auf, dass trotz des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Erneuerungsbewegung unsere Kirche viel mehr priesterzentriert geworden ist, viel mehr klerikalisiert, als je zuvor. Anstatt sich auf unsere eigenen Kreativität zu verlassen, wird alles und jedes von den Priestern erwartet. Tatsache ist aber: Wir haben keinen Priestermangel, sondern einen Christenmangel. Uns fehlen nicht die geistlichen Berufe, sondern die berufenen und engagierten Christen.
Wenn wir die Anzahl der Gemeinden und der Gottesdienststellen betrachten, dann haben wir natürlich zu wenig Priester. Aber warum müssen wir bei immer weniger werdenden Gottesdienstbesuchern und Kirchenmitgliedern alle Strukturen so belassen, wie sie sind? Vielleicht ist die Rede vom Priestermangel nur die Ausrede dafür, dass wir nicht an unseren überkommen Strukturen und Gemeindegrenzen rütteln wollen.
Kaum wird vom Priestermangel gesprochen, kommt das Zölibat auf den Tisch. Kann es vielleicht sein, dass der Gedanke genau anders herum läuft? Damit wir das Zölibat abschaffen können, reden wir immer wieder vom (nicht vorhandenen) Priestermangel?

Liebe Schwestern und Brüder - verstehen sie mich bitte nicht falsch: Wir brauchen gute Priester und Berufungen. Wir müssen auch wieder mehr dafür beten und werben. Keine dieser Initiativen möchte ich schlecht machen - im Gegenteil, ich unterstütze sie ausdrücklich. Aber wir sollten auch im Blick haben, dass - wenn wir von einer Berufungskrise sprechen - wir vor allem von einer allgemeinen Krise der Berufungen zum christlichen Leben reden müssen. Amen.

339. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

morgen (heute) um 10.00 Uhr wird in Rom der neue Papst Benedikt XVI. in sein Amt eingeführt. Dabei dürfen wir Deutschen uns besonders freuen, denn der neue Papst stammt aus unserem Land.

Doch Vorsicht: Wir freuen uns besonders, ja - aber nicht etwa, weil - wie die Bildzeitung titelte - WIR PAPST SIND. Das Papstamt kennt keine Nationalität. Die katholische Kirche ist immer international - wenn es dort eine Staatsbürgerschaft gibt, dann ist es die der Kinder Gottes.
Wir freuen uns nicht, weil wir nun also "Rom übernommen haben". Wir freuen uns, weil die Wahl eines Deutschen ein Zeichen an uns Deutsche ist: Wir, die Kardinäle aller Welt, trauen Euch.

Wir trauen Euch Deutschen. Nach all dem Terror und Tod, der von Deutschland ausgehend die Welt vergiftet hat - wir trauen den Deutschen. Umso schöner ist die Antwort, die Kardinal Ratzinger mit der Wahl seines Namens getroffen hat: Benedikt. Der letzte Papst Benedikt hat erlebt, wie der erste Weltkrieg aus Deutschland kommend die Welt überzog. Jetzt knüpft Ratzinger daran an und macht deutlich: Ich führe die Friedensbemühungen des letzten Benedikts, der an den Deutschen scheiterte, weiter.

Und damit führt Benedikt XVI. nicht nur das weiter, was der letzte Papst vor den Weltkriegen begonnen hat. Er knüpft auch am Vertrauen seines unmittelbaren Vorgängers, Johannes Paul II. an: Dieser Papst aus Polen hat schon, bevor er Papst wurde, die Versöhnung mit den Deutschen vorangetrieben - auch gegen den erbitterten Widerstand seiner eigenen Landsleute.

Doch nicht genug: Papst Johannes Paul glaubte nicht nur an die "Normalität" der Deutschen. Er hatte die Vision, dass von diesem unserem Volk, von dem soviel Leid ausgegangen ist, auch eine neue Welle der Evangelisation, der inneren Erneuerung der Kirche ausgehen wird. Bis vor wenigen Tagen sah es nicht danach aus - Häme und Arroganz überzogen in den Fernsehtalkshows mit ungewohnter Taktlosigkeit den toten Papst, noch bevor er beigesetzt wurde. Aber vielleicht war das nur das letzte Zucken eines im Grunde schon toten Geistes. Etwas Neues bricht nun an in unserem Land.

Ich habe die Hoffnung, dass mit Benedikt XVI. eine neue Verbundenheit mit der Weltkirche unsere Gemeinden ergreift.

Ich habe die Hoffnung, dass mit Benedikt XVI. und dem Wirken des Geistes die junge Kirche in unserem Land bricht mit der unbeweglichen, ewig gestrigen Kirchenkritik.

Ich habe die unglaubliche Hoffnung, dass wir Zeugen sind einer neuen Morgenröte, einer Morgenröte einer erneuerten Liebe zu dem dreifaltigen Gott. Papst Johannes Paul II. hat diese neu aufgehende Sonne schon lange angekündigt - aufgrund seiner inneren Größe konnte er weiter blicken als die vielen kleinen Geister.

Ich habe diese Hoffnung, obwohl jede Soziologie, jede Erfahrung und jede finanzielle Expertise dagegen spricht. Ja, vielleicht habe ich gerade deshalb diese Hoffnung: Der Geist, der weht wo er will, bedient sich gerne der schwächsten Glieder. Und - darin dürften wir uns einig sein - unser Land ist eindeutig das Schlusslicht gewesen.

Kardinal Meisner hat nach der Wahl des Papstes gesagt: "Unsere Jugendlichen verstehen ja die Nachhut des vergangenen Jahrunderts - Drewermann und Küng usw. - nicht mehr. Darüber lachen sie oder schütteln den Kopf. Die Jugend weiß wieder, worauf es ankommt und braucht eine Vergewisserung ihres Christusglaubens. Bei der Vorstellung des neuen Papstes am Dienstag war der Petersplatz brechend voll - bis in die Via Conciliazione. Es waren zu achtzig Prozent Jugendliche." Und der Kardinal fügt hinzu: "Lasst uns jetzt diesem Papst, der unser Landsmann ist, so den Rücken stärken, wie das die Polen mit ihrem Landsmann Karol Wojtyla auf dem päpstlichen Thron getan haben."

Amen.

340. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, vor ein paar Tagen haben ich mich mit einigen Lehrern der Fürstenbergschule getroffen, um uns über unseren Glauben auszutauschen. Immer, wenn der eine oder die andere eine bestimmte Meinung vertrat, versuchten wir nach Gründen für oder gegen diese Ansicht zu suchen - eine Diskussion, ganz wie sie sein sollte. Leider gab es ein Argument, dass als Begründung nicht gern akzeptiert wurde: Das Gehorsams-Argument, "Ich glaube das, weil es die Kirche so sagt".

"Gehorsam" hat so einen Beigeschmack von Militär und Sekte: Da werden Anweisungen erteilt, die ich auszuführen habe, egal ob das vernünftig ist oder nicht. "Gehorsam" klingt immer ein bisschen nach "blind gehorchen"; so als wenn man sein eigenes Gehirn ausschaltet.

Kinder zum Beispiel überblicken noch nicht die ganze Wirklichkeit und sämtlich Folgen ihres Tuns. Deshalb muss jemand, der einen besseren Überblick hat, für sie vorausschauen und ihnen bestimmte Dinge verbieten und zu anderen Dingen auffordern. Kinder gehorchen (wenn sie gehorchen), weil sie guten Grund haben, ihren Eltern zu vertrauen.

Sobald wir aber meinen, selbst alles zu überblicken, lehnen wir es ab, dass jemand für uns vorausschaut - und verweigern den Gehorsam. Man sieht es auch bei den Jugendlichen, die darauf bestehen, keine Kinder mehr zu sein: Gehorsam zu sein ist ein Zeichen von Unmündigkeit. Selbst zu entscheiden, ist ein Zeichen für Unabhängigkeit und Erwachsensein.

Dabei ist es uns dann manchmal egal, ob wir die Wirklichkeit tatsächlich so gut überblicken, dass wir allein zurecht kommen. Lieber fallen wir ab und zu mal kräftig auf die Nase, als dass wir unsere Unabhängigkeit wieder an den Nagel hängen und Gehorsam üben.
Im Grunde ist das ja auch gut so. Nicht erwachsen werden und das Denken und die Verantwortung lieber anderen zu überlassen, ist gefährlich. In dieser Welt ist es eine unausweichliche Pflicht, Erwachsen zu werden.
In Gottes Welt allerdings gelten andere Maßstäbe. In der Lesung aus der Apostelgeschichte heißt es ganz am Schluss: «Auch eine große Anzahl von Priestern nahm gehorsam den Glauben an». Und Jesus selbst hat gesagt: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder!»
Dabei geht es nicht in erster Linie darum, unsere eigene Ansicht aufzugeben und - weil Gott es uns sagt - einfach anderer Meinung zu sein. Kind Gottes zu sein, heißt ja nicht, das wir aufhören sollen zu denken. Das haben die Priester in der Lesung ja auch nicht getan. Sondern dass wir begreifen, dass unser Denken eben nicht alles umfasst, dass vieles noch außerhalb unseres Horizontes liegt. Es geht darum, dass wir durch den Gehorsam lernen, uns mit Leib und Seele (und unserem Denken und Erkennen) auf den zu verlassen, der eine größere Sicht auf diese Welt halt.

Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, dass diese Welt gottlos und unerlöst ist. In Israel werden wahllos Menschen getötet, und in Deutschland wurden an einer Schule 17 Menschen ebenso wahllos umgebracht, weil bei einem Jugendlichen sämtliche Sicherungen durchgebrannt sind. Hat Gott versagt? Ist die Osterbotschaft vom Sieg über den Tod nicht widerlegt?

«Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!» sagt Jesus. Es ist gerade ein Zeichen unserer Kindschaft und unseres kindlichen Gehorsams, dass wir dieses Wort nicht nur hören, sondern daran unseren Glauben festmachen. Euer Herz lasse sich nicht verwirren! Ganz einfach deshalb, weil Gott es gesagt hat; auch wenn die Welt ganz anders aussieht. Einfach glauben, dass Jesus selbst das Leben ist. Einfach Gott zu vertrauen - genauso wie ein Kind: «Papa hat gesagt, alles wird wieder gut.»

Gehorsam sein heißt nicht, seinen Verstand ausschalten, sondern Gott zu vertrauen. Wir haben keine andere Garantie als seine Zusage, sein Wort. Dort, wo wir nicht mehr weiter wissen oder aller Anschein gegen das Gute spricht, Gott zu vertrauen - das ist guter, kindlicher Gehorsam.

Liebe Schwestern und Brüder, echter und guter Gehorsam gehört zum Glauben dazu; aber er ist keine Last und eine Einschränkung. Wie wohltuend ist es auch für uns, wenn wir über unseren Gott sagen: «Papa hat gesagt, es wird alles wieder gut.» Amen.

341. Predigtvorschlag

Sagen Sie mal, Sie sind doch auch katholisch, was halten Sie denn vom neuen Papst? Sind Sie das auch gefragt worden in den letzten Tagen?

Glücklicherweise beschränkten sich diese Arten von Fragen und Antworten nicht nur auf die Erwartungen, die an den Nachfolger Petri gestellt werden, und die je nach politischer und kirchlicher Ausrichtung stark variieren – frei nach dem Motto: ein guter Papst ist er, wenn er das tut, was ich für richtig halte.

Es wurden auch Fragen nach dem eigenen Glauben gestellt – Glaube war wieder gefragt – immerhin für eine kurze Zeit, solange wie das Thema in den Medien präsent war.

„Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt." Der erste Petrusbrief ermutigt uns zum Zeugnis – wenn wir gefragt werden.

Na schön, so könnten wir schlussfolgern, solange ich nicht gefragt werde, brauche ich also auch nicht Zeugnis zu geben. Geht ja auch schließlich keinen was an, was ich glaube.

Ist das wirklich so? Nach der Hoffnung gefragt, die sie erfüllt – das werden sicherlich nur diejenigen, die durch diese Hoffnungsfülle auffallen, denen man ihre Hoffnung ansieht. Etwas, von dem ich erfüllt bin, kann ich schlechterdings nicht verbergen, ohne mich zu verstecken.

Was ist denn mit dir los – bist du verliebt? So fragen wir einen Menschen, dem auf dem Gesicht geschrieben steht, was ihn umtreibt.
Was ist denn mit dir los – glaubst du an Gott? So müssten uns die Menschen fragen, denen wir begegnen, weil wir eben anders leben können als diejenigen, die keine Hoffnung haben.

Wir könnten also den Satz aus dem Petrusbrief ergänzen und sagen: Antworte jedem, der nach dem Grund der Hoffnung fragt, die dich erfüllt und lebe so, dass du nach dem Grund deiner Hoffnung gefragt wirst! Dieser Grund unserer Hoffnung, das ist Jesus Christus und seine Liebe zu uns und zu jedem Menschen.

Liebe aber kann nicht für sich bleiben. Es liegt im Wesen der Liebe, dass sie weitergeben und dass sie den Geliebten erfreuen will.
„Wenn ihr mich liebt," so sagt der Auferstandene deshalb seinen Jüngern, „werdet ihr meine Gebote halten."
Zuerst die Liebe, dann die Gebote, denn das oberste Gebot ist das der Liebe, der Liebe zu Gott und zu dem Menschen.

Und umgekehrt gilt: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren."
Der Vater wird uns lieben. Das ist nicht nur eine religiöse Leerformel. Das ist eine Zusage des Herrn. Liebe aber ist spürbar. Wenn wir uns auf Gott einlassen, werden wir seine Liebe spüren!
Welcher Mensch aber wünscht sich nicht, geliebt zu werden. Und was tun Menschen nicht alles, um Liebe, um Anerkennung, Angesehenwerden, Zuneigung zu erfahren.
Und wie groß ist dann nicht selten die Enttäuschung, wenn das, was man unter Liebe verstanden hat, sich wieder auflöst, weil Geld, Erfolg oder einfach so ein Gefühl auf neue Wege lockt, die dann nicht selten bald wieder verlassen werden.

Gottes Liebe ist da anders. Sie will uns nicht blenden, sie meint wirklich mich, sie nimmt mich vollkommen an – und was sie verlangt, das Halten der Gebote, dazu gibt sie selbst die Mittel und die Befähigung.
Es heißt nicht: Wenn ihr mich liebt, müsst ihr meine Gebote halten, sondern Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.
Wenn Sie ihre Frau oder ihren Mann wirklich lieben, müssen Sie nicht bei ihr oder ihm bleiben, sondern sie werden beieinander bleiben.
Worum wir uns also bemühen müssen, ist zuerst die Liebe. Denn die Gebote richten sich nach dem Wesen des Geliebten und des Liebenden, also nach dem Wesen Gottes.
Wenn wir in der Liebe Gottes bleiben wollen, können wir gar nicht anders als die Gebote halten, denn nur dann leben wir wirklich in Gemeinschaft mit ihm – und diese Gemeinschaft ist es letztlich, die unser Glück ist.

Das also muss man an uns Christen ablesen können. Dass wir Geliebte und Liebende sind. Und dass unser Maßstab kein Geringerer ist als Gott selbst.
Das ist ein hoher Anspruch. Es ist auch kein theoretischer, sondern ein praktischer. Aber manchmal habe ich den Eindruck, als wenn wir vorher schon abwinken und sagen: Das ist doch unmöglich, das geht doch nicht, schließlich sind wir ja nur arme kleine Sünderlein.
Jesus denkt offenbar anders von uns. Er zwingt uns nicht, Liebe zwingt nie, aber er lädt uns ein, es wenigstens zu versuchen.

Ganz konkret: Beten wir wieder. Ob morgens, abends, zum Essen, wenn wir froh oder traurig sind – halten wir Kontakt zu dem, der uns helfen will, in der Wahrheit zu leben.
Suchen wir die Nähe Jesu in den Sakramenten, vor allem in der Eucharistie am Sonntag. Bitten wir ihn ehrlich, dass er uns an die Hand nimmt und führt auf dem Weg der Hoffnung.

Und wenn wir dann gefragt werden: Was machst du eigentlich, dass du so voller Liebe leben kannst, wenn wir dann nach dem Grund unserer Hoffnung gefragt werden, dann dürfen wir uns freuen und bereitwillig Rede und Antwort stehen, damit immer mehr Menschen den Weg zurück finden zur Liebe des Vaters.

342. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

«Wenn Ihr mich liebt, werdet Ihr meine Gebote halten.» Was ist das, Liebe? Vorne am Altar steht - für die Erstkommunion - der Satz «Jesus liebt uns». Was ist damit gemeint? Haben Sie sich darüber schon einmal Gedanken gemacht?

Liebe - das ist sicherlich mehr als nur ein Gefühl. Ob uns jemand ein gutes Gefühl verleiht - oder nicht, das ist keine Frage der Liebe. Ich habe vor ein paar Tagen im Kino den Film gesehen, indem eine Schwester einen zum Tode verurteilten Mörder bis zu seiner Hinrichtung begleitet. Dieser Mann ist wahrlich kein angenehmer Typ, keiner, der einem ein gutes Gefühl gibt. Und doch ist das Letzte, was die Schwester zu diesem Mörder sagt: «Ich liebe Dich.» Nein, Liebe ist mehr als nur Gefühl.

Liebe hat auch nichts mit Sympathie zu tun. Ob wir jemanden sympathisch finden oder nicht, das liegt nicht in unserer Hand. Wir können nicht beschließen, jemanden sympathisch zu finden. Wir können uns aber dazu durchringen, jemanden unsere Liebe zu schenken, auch dann, wenn sich vieles in uns dagegen sträubt. Gerade darin liegt die Größe einer Mutter Teresa oder eines Damian de Veuster.

Noch eines können wir ausschließen: Mit Sicherheit beschränkt sich Liebe nicht auf das Erotische. Wenn Menschen heute davon sprechen, dass sie «Liebe machen», ist oft alles andere damit gemeint, nur nicht wirkliche Liebe. Liebe ist nicht «machbar».

Ich glaube nicht, dass ich in der Lage bin, Ihnen hier endgültig zu definieren, was «Liebe» wirklich ist. Aber soviel ist klar: Das, was wir allgemein als Liebe bezeichnen, entscheidet sich mit der Tat. Wirkliche Liebe zeigt sich letztlich darin, was wir bereit sind zu tun. Sicherlich tragen uns dabei auch Gefühle, vielleicht entwickelt sich auch so etwas wie Sympathie, und auch eine gewisse Leidenschaft für den geliebten Menschen mag eine Rolle spielen. Der Prüfstand aber ist und bleibt das, was wir tun.

Wenn Jesus davon spricht, dass nur der ihn wirklich liebt, der seine Gebote hält, so richtet er sich gegen die Vorstellung, dass der Glaube und die Gottesliebe nichts anderes ist, als nur ein wohliges Gefühl, wenn man an Gott denkt. Ob wir mit unserem Glauben ernst machen, entscheidet sich letztlich in dem, was wir tun.

Damit, liebe Schwestern und Brüder, ist nicht nur unser soziales Verhalten gemeint, unsere Einstellung zu den Armen und Bedürftigen, zu den Randgruppen unserer Gesellschaft. An diesen Anspruch haben wir uns - leider, muss man sagen - schon gewöhnt. Mit der Tat gewordenen Liebe ist nämlich auch unsere Einstellung zu unserer eigenen Lebensgestaltung angesprochen, unsere privatesten Entscheidungen. Der Prüfstand unserer Liebe zeigt sich oft genau dort, wo wir uns am wenigsten hineinreden lassen wollen.

So beginnt und endet das Evangelium mit eindringlichen Aufforderungen. «Wenn ihr mich liebt, werdet Ihr meine Gebote halten.» «Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.»

Zwischen diesen Sätzen, die uns in die Verantwortung nehmen, spricht Jesus aber von dem, was unseren Glauben zu mehr macht als nur eine Ideologie zur Verbesserung der Lebensmoral: «Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen!» «Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll.»

Wer die Liebe leben will, wer leben will wie Gott auf dieser Erde, der nimmt sich zwar ungeheuerliches vor. Aber er bekommt einen Beistand, der unglaubliches in uns bewirkt: Den Geist der Wahrheit, den Geist der Stärke. Er bewirkt, dass wir in Gott leben und Gott in uns.

Wer meint, dass unser Glaube keine Ansprüche stellen darf, sondern nur ein Gefühl der Liebe bleiben sollte, der braucht diesen Geist nicht, der kennt ihn nicht, der sieht ihn nicht.

«Wer aber meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird auch von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.» Amen.

343. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

«Wenn Ihr mich liebt, werdet Ihr meine Gebote halten.» Was ist das, Liebe? Was ist damit gemeint? Haben Sie sich darüber schon einmal Gedanken gemacht?

Liebe hat auch nichts mit Sympathie zu tun. Ob wir jemanden sympathisch finden oder nicht, das liegt nicht in unserer Hand. Wir können nicht beschließen, jemanden sympathisch zu finden. Wir können uns aber dazu durchringen, jemanden unsere Liebe zu schenken, auch dann, wenn sich vieles in uns dagegen sträubt. Gerade darin liegt die Größe einer Mutter Teresa oder eines Damian de Veuster.

Noch eines können wir ausschließen: Mit Sicherheit beschränkt sich Liebe nicht auf das Erotische. Wenn Menschen heute davon sprechen, dass sie «Liebe machen», ist oft alles andere damit gemeint, nur nicht wirkliche Liebe. Liebe ist nicht «machbar».

Ich glaube nicht, dass ich in der Lage bin, Ihnen hier endgültig zu definieren, was «Liebe» wirklich ist. Aber soviel ist klar: Das, was wir allgemein als Liebe bezeichnen, entscheidet sich mit der Tat. Wirkliche Liebe zeigt sich letztlich darin, was wir bereit sind zu tun. Sicherlich tragen uns dabei auch Gefühle, vielleicht entwickelt sich auch so etwas wie Sympathie, und auch eine gewisse Leidenschaft für den geliebten Menschen mag eine Rolle spielen. Der Prüfstand aber ist und bleibt das, was wir tun.

Wenn Jesus davon spricht, dass nur der ihn wirklich liebt, der seine Gebote hält, so richtet er sich gegen die Vorstellung, dass der Glaube und die Gottesliebe nichts anderes ist, als nur ein wohliges Gefühl, wenn man an Gott denkt. Ob wir mit unserem Glauben ernst machen, entscheidet sich letztlich in dem, was wir tun.

Damit, liebe Schwestern und Brüder, ist nicht nur unser soziales Verhalten gemeint, unsere Einstellung zu den Armen und Bedürftigen, zu den Randgruppen unserer Gesellschaft. An diesen Anspruch haben wir uns - leider, muss man sagen - schon gewöhnt. Mit der Tat gewordenen Liebe ist nämlich auch unsere Einstellung zu unserer eigenen Lebensgestaltung angesprochen, unsere privatesten Entscheidungen, unsere Weise z.B., den Glauben zu leben. Der Prüfstand unserer Liebe zeigt sich oft genau dort, wo wir uns am wenigsten hineinreden lassen wollen.

So beginnt und endet das Evangelium mit eindringlichen Aufforderungen. «Wenn ihr mich liebt, werdet Ihr meine Gebote halten.» «Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.»

Wir bringen Gebote und Verbote nur ungern in Verbindung mit Liebe. Aber Jesus tut es trotzdem. Es geht eben nicht, dass jemand sein gutes Verhältnis zu Christus beteuert, sich aber um die christlichen Gebote und Werte nicht kümmert. Das mag ausgrenzend klingen, vielleicht sogar schon fast ideologisch.
Vielleicht liegt das aber auch daran, das wir den Sinn der Gebote nicht mehr verstehen. Sie sind nur noch sinnlose Vorschriften, die man nur dann einhält, wenn man lieblos ist. Gebote sind das Gegenteil von Liebe.
Diesen Sinn wieder neu zu entdecken, Verständnis zu wecken, sie selbst neu zu begreifen - das wäre eine Aufgabe unserer Zeit, ein Gebot der Liebe. Das weiß Jesus, und so sendet er uns auch den Geist, der uns Verstehen lässt: «Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll.»

Wer die Liebe leben will, wer leben will wie Gott auf dieser Erde, der nimmt sich zwar Ungeheuerliches vor. Aber er bekommt einen Beistand, der Unglaubliches in uns bewirkt: Den Geist der Wahrheit, den Geist der Stärke. Er bewirkt, dass wir in Gott leben und Gott in uns.

Wer meint, dass unser Glaube keine Ansprüche stellen darf, sondern nur ein Gefühl der Liebe bleiben sollte, der braucht diesen Geist nicht, der kennt ihn nicht, der sieht ihn nicht.

«Wer aber meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird auch von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.»
Amen.

344. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Ich möchte Ihnen von einem Gespräch erzählen, die genannte Frau hat mir dazu ihr Einverständnis gegeben.

An diesem Freitag rief mich eine Mutter an, ihre Tochter habe gesagt, ich hätte gesagt, weil sie am Sonntag nicht zur Kirche gegangen sei, hätte sie eine Todsünde begangen. - Das habe ich so nicht gesagt, aber es ist so, wenn jemand wissentlich und willentlich gegen ein wichtiges Gebot verstoße - und dazu gehört die Sonntagspflicht, sei dass eine schwere Sünde, was man früher als Todsünde bezeichnete. Sie selber habe auch zu Ostern ganz bewusst keinen Gottesdienst besucht, weil sie dieses Jahr da einfach keine Lust zu gehabt hätte, dann hätte sie ja auch eine Todsünde begangen. Wenn sie das so formulieren wolle?: Ja! - Aber das würde in ihrer Ehe doch auch immer mal wieder vorkommen, dass sie wüsste, sie müsse jetzt eigentlich dies und das tun und hätte da einfach keinen Nerv zu - sie würde das auch ihrem Mann sagen und der hätte dann auch durchaus dafür Verständnis. Hat Gott auch - hab ich gesagt. Genauso, wie sie ihrem Mann ihr Fehlverhalten erklärt und um Verzeihung bittet, sollte sie es auch bei Gott tun - das nennt man Beichte.

Wenn ich die Einladung zum Gebet ablehne, sag ich zu Gottes Liebe nein; nicht grundsätzlich, aber für den Moment. Nichts anderes ist die Definition von Sünde: Nein sagen zu Gottes Liebe. Gott sagt, ich habe Dich vom Tod befreit, ich habe Dir mein Leben geschenkt - und ich sag: jaja - aber nerv mich nicht jetzt damit. Heute will ich ausschlafen und 1. Mai feiern. Dann lehne ich in dem Moment Gottes Liebe ab, oder anders gesagt: ich sündige und weil ich weiß, dass es ein Sonntag- und Feiertagsgebot gibt, und mich nichts und niemand daran hindert zur Messe zu gehen, ist es auch eine schwere Sünde.

Ich erzähle Ihnen das ganze nicht nur, weil dieses besagte Gespräch mit der Mutter ganz aktuell ist, oder weil es wieder einmal sehr ernüchternd war, wie wenige am Hochfest Christi Himmelfahrt in der Heiligen Messe waren, und keiner im Beichtstuhl war und ich befürchte, dass sich die meisten der Schwere ihrer Schuld gar nicht bewusst sind und gleich einfach wieder im Zustand dieser Sünde die Heilige Kommunion empfangen. Ich bin deswegen auf diese Geschichte gekommen, weil es ein Thema der heutigen Lesungen ist.

Es geht in den biblischen Texten heute immer wieder um das Gebet. In der 1. Lesung wird gesagt, dass sich die Jünger zusammen mit den Frauen nach der Himmelfahrt zum gemeinsamen Gebet zurückzogen. Sie verharrten einmütig im Gebet - es tat ihnen gut, auch wenn sie sich zunächst versteckten, es als schwierig empfanden, sich zu Jesus zu bekennen.

Dann im Evangelium: Jesus selbst betet - es ist sein Abschiedsgebet. Er sagt, dass seine Jünger nun ihn erkannt hätten, Gott erkannt hätten. Nicht nur erkannt im Sinne von erkennen - sehen, nicht nur im Sinne von erkennen - kapieren, sondern im Sinne von den anderen erkennen - ihm ins Herz schauen: eins sein mit ihm, ganz nahe sein - nicht mehr meins und deins, sondern eins in Christus.

So ist dann auch die 2. Lesung zu verstehen: Für Christen geschrieben, die unter der Verfolgung leiden. Sie wurden verfolgt, weil sie an Gott glaubten, zu Jesus hielten. Auch heute ist es so manchem peinlich, wenn er beim Beten im Restaurant erwischt wird, wenn er vorschlägt, die Maitour mit der Messe am Morgen zu beginnen. "Wenn einer leiden muss, weil er Christ ist, soll er sich nicht schämen" - so hieß es dort vorhin - ich brauch mich nicht zu schämen, ich darf mich freuen, dass Gott uns nahe ist.

Amen.

345. Predigtvorschlag

Gottes Wort muß in uns zum Klingen gebracht werden

Stellen Sie sich vor, Sie betreten zum ersten Mal ein altes Haus, das Sie vor kurzem geerbt haben. Sie schauen durch die Fenster und in die Räume. Sie öffnen Türen und treten ein. Sie öffnen Luken und erkennen verborgene Ecken. Und plötzlich, in einem ganz entlegenen, dunklen Raum, fänden Sie es: ein altes, vergilbtes Papier. Ein Schriftstück aus alter Zeit. Darauf sehen wir Linien, Noten, Zusätze, Zeichen. Und darunter steht auch ein Name: W.A. Mozart. -

Dieser Name - Ihnen und mir wohlbekannt - läßt Sie innehalten. Sie gehen mit dem Blatt zu einem Musikkenner, zu einem Fachmann, der es untersucht. Er schaut sich das an und nach einer Zeit der Prüfung erklärt er: Diese Noten - sie sind ein bisher unbekanntes Musikstück des Komponisten, ein wiederentdecktes Werk. Das Papier ist eine Kostbarkeit. Das Werk eines großen Meisters.
Was würde nun wohl mit einem solchen Blatt geschehen? Man würde sicher in aller Welt über diesen bedeutenden Fund berichten. Fachzeitschriften würden Fotos und Kommentare bringen. Das Interesse wäre groß.

Aber eines fehlte jetzt noch. Die Noten auf dem Papier sind nicht bloß dazu da, daß sie angeschaut, mit den Augen gelesen und vielleicht dazu noch untersucht werden. Nach dem Willen des Komponisten erfüllen sie ihren Zweck erst dann und genau dann, wenn Menschen die passenden Instrumente nehmen und die Noten auf dem Papier in Musik umgesetzt werden; wenn das Geschriebene in Gehörtes verwandelt und die Komposition so zur Freude und zum Trost der Menschen zum Klingen gebracht wird.

Genauso verhält es sich auch mit der Abschiedsrede Jesu, von der wir gerade einen Teil als Evangelium gehört haben. Das Evangelium ist zunächst nur Buchstaben auf Papier, aber das soll es nicht bleiben.
Zunächst soll es von uns angenommen und als wertvoll angesehen werden. Viel wertvoller als jede noch so große Werk eines noch so berühmten Musikers.

Und dann soll das Wort Christi wie eine wunderbare Komposition zum Klingen gebracht werden: es soll nach dem Willen des Stifters seinen Sinn erfüllen, indem es im Lied und im Spiel des Lebens zum Klingen gebracht wird: einmal dadurch, daß wir es im Gottesdienst hören; daß der Buchstabe und die Wörter in den Raum kommen, an unser Ohr und an unser Herz. So kann es zu einem Lied werden, dessen Urheber Gott selber ist.
Aber die Instrumente, auf denen dieses Lied erklingt, sind wir selbst. Wir selbst sind das Werkzeug und das Medium, durch das Gottes Trost und Treue, seine Güte und Liebe zu den Menschen kommen.
Jesus möchte, daß seine Melodie, die er in die Welt gebracht hat, nie vergessen wird. Er möchte, daß sie immer wieder entdeckt und gespielt wird - in unseren persönlichen Gebeten, im Gottesdienst, im Alltag.

Der Heilige Geist, um den wir in diesen Tagen vor dem Pfingstfest beten, er wird dafür Sorge tragen, daß diese Melodie harmonisch und voll erklingt und daß keine Mißtöne entstehen. Er wird dafür sorgen, daß diese Melodie das bewirkt, wozu Jesus in diese Welt gekommen ist: daß wir erkennen, wie sehr Gott an uns gelegen ist und daß er wirklich Vater ist, der nicht aufhört, uns zu rufen.

346. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Evangelium, das wir gerade gehört haben, stammt aus den Abschiedsreden Jesu, die im Johannesevangelium aufgezeichnet sind. Diese Abschiedsreden sind nicht einfach, schwer verdaulich und werden wohl kaum "nur mal so" gelesen.
Auch dieses Evangelium ist nicht ganz einfach, schwer verdaulich und wird wohl kaum als Schriftlektüre gewählt werden.
Und doch wird in diesem Text eine der zentralen Fragen nicht nur der Christen, sondern eine Frage aller Menschen unserer Zeit gestellt.
Haben Sie sie mitgekriegt?

Es ist die Frage nach dem ewigen Leben. Was ist das ewige Leben?

Um diese Frage hat es immer schon Streit und Auseinandersetzungen gegeben, Professoren haben ihre Theorien aufgestellt, Philosophen darüber spekuliert und Theologen dicke Bücher geschrieben. Auch alles nicht einfach, nicht gerade leicht verdaulich oder verständlich.
Dabei bin ich der Meinung, dass unser Glaube einfach ist - immer. Jedes Kind kann perfekt glauben!

So ist auch die Antwort auf diese Frage im Evangelium sehr einfach. Ich lese Sie ihnen noch einmal vor:
"Das ist das ewige Leben: Dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast."

Sind Sie jetzt enttäuscht? Haben sie eine andere Antwort erwartet? Können sie sich auf dieses "ewige Leben" nicht freuen?
Vielleicht können wir mit solch einfachen Antworten deshalb nichts mehr anfangen, weil wir selbst schon zu kompliziert geworden sind.

Liebe Schwestern und Brüder, ich möchte Ihnen einmal eine Frage stellen. Was tun sie eigentlich am liebsten? Wofür würden sie alles andere stehen und liegen lassen? Was ist es, was sie am meisten erfüllt?

Essen? Fernsehen? Arbeiten? Spazieren?

Noch eine Frage: Was wünschen sie sich eigentlich am sehnlichsten? Welchen Wunsch haben sie, gegen den jeder andere Wunsch verblasst? Was ist es eigentlich, das Sie zutiefst ersehnen?

Einen Lottogewinn? Einen Mercedes? Ein eigenes Haus - oder ein noch größeres?

Nehmen wir einmal an, dass Gott an diesem unseren Wünschen und Vorlieben nicht vorbeigeht, dass er unsere tiefsten Wünsche im ewigen Leben erfüllen wird.
Ewig essen! (Selbst wenn es die beste Pizza wäre, denke ich, dass das eher die Hölle ist.)
Ewig fernsehen! Wohlmöglich noch RTL - das ist die Hölle.
Ewig Mercedes fahren - entscheiden sie selbst, ob das der Himmel oder die Hölle ist.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Gott tatsächlich nicht an unseren Wünschen und Wollen vorbeigeht - was immer es auch sei.

Wenn aber unser liebstes Tun hier auf Erden ist, Gott zu erkennen, wie gut er ist, ihn lieben zu wollen, das Gute im Menschen zu erkennen, endlich vorbehaltlos lieben zu können, wenn wir uns nichts sehnlicher wünschen, als die Menschen um uns herum, so wie sie sind, zu lieben - ewig lieben: Das ist nicht langweilig, das ist der Himmel. Unseren lieben Gott endlich so zu erkennen, wie er ist, wie gut er ist - das ist das Paradies.

Und das ist der Weg zum ewigen Leben: Unseren Willen neu ausrichten, unser Wollen immer wieder schulen, das Wünschen neu lernen.

Und so heißt es doch auch im Evangelium: "Das ist das ewige Leben: Dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen, und Jesus Christus, den du gesandt hast" und - so könnte man noch hinzufügen - die Menschen, das Gute in den Menschen, das du geschaffen hast.

Ich mache es mir zu einfach? Vielleicht mache ich es mir wirklich zu einfach. Aber warum kompliziert, wenn es einfach geht?

Vielleicht haben wir es deshalb lieber kompliziert, weil wir nicht wahrhaben wollen, dass wir hier und jetzt selber darüber entscheiden, wie unser Himmel und unsere Hölle aussieht. Wie auf Erden, so auch im Himmel. Wir selbst schaffen uns unsere Zukunft, weil Gott nicht an unseren Willen vorbeigehen will. Ja, hier und jetzt, wo Sie hier sitzen, treffen Sie diese Entscheidung. Was wünschen Sie sich im Moment?

Okay, vielleicht mache ich das alles wirklich etwas zu einfach. Aber: Die Dinge sind selten so kompliziert, wie wir sie gerne hätten.

Amen.

347. Predigtvorschlag

Es gibt Gerüchte, die sich enorm hartnäckig halten. Ein solches Gerücht lautet: "Die Kirche ist leibfeindlich."

Man macht das gerne an der Sexualmoral und an den Fastengeboten der Kirche fest. Sicherlich, es gab Menschen in der Kirche, die prüde und vertrocknet wirkten, die durch übertriebene Kasteiungen ihrem Körper unverhältnismäßig viel Leid zufügten. Aber man darf von den Fehlformen nicht auf die eigentlich gültige Lehre der Kirche schließen.

"Die Kirche ist leibfeindlich." - Dieser Satz kann gar nicht stimmen.

Bester Beweis dafür ist die Krippe hier in der Kirche.
Wir glauben an einen Gott, der Fleisch angenommen hat in Jesus Christus. Dieser Gott ist in seinem Sohn leibhaftig unter uns gewesen. Keine Religion kennt das. Die Inkarnation - die Menschwerdung Gottes - ist und bleibt etwas zutiefst Christliches, etwas, was andere Religionen nicht kennen und sich nicht vorstellen können.

Gott leibhaftig unter uns Menschen - Zur Zeit der ersten Christen war das ein Skandal. Alles Körperliche, Leibliche war minderwertig gegenüber dem Geistigen. "Seele gut, Leib schlecht" lautete damals die Devise. Und noch heute gibt es viele Formen der Abwertung des Leibes, gerade in esoterischen, ostasiatisch verbrämten Meditationsformen. Die Seele soll darin vom Leib befreit, erlöst werden.

Die Kirche hat dagegen immer die "Auferstehung des Fleisches" gehalten. Der Mensch wird als Ganzer erlöst, mit Leib und Seele. Der Mensch ist schließlich Leib und Seele. So gesehen ist die Kirche nicht leibfeindlich, sondern leibfreundlich.

Der Leib hat für uns Christen eine hohe Bedeutung, er ist etwas enorm Kostbares. Das haben wir in der Lesung aus dem ersten Korintherbrief gehört, in dem es heißt: Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt?

Der Leib des Menschen - ein Tempel des Hl. Geistes, ein Tempel Gottes. Er ist uns geschenkt worden, wir haben ihn nicht selber gemacht. Der menschliche Leib ist eine Schöpfung Gottes. Und was für eine.

Die verschiedenen inneren Organe in ihrer ganzen Komplexität ermöglichen erst unser Leben. Die Sinnesorgane erlauben uns, miteinander in Kontakt zu treten. Der Leib ermöglicht es, daß wir uns in dieser Welt bewegen, sie gestalten und formen können. Wir haben nicht nur einen Leib, wir sind Leib.

Wenn wir diesen Leib von Gott geschenkt bekommen haben, müssen wir auch in irgendeiner Weise damit umgehen. Und zwar so, daß wir dem Geschenk und dem Schenkenden gerecht werden. In der Lesung faßt Paulus das prägnant zusammen, indem er die Korinther damals und uns heute aufruft: Verherrlicht Gott in eurem Leib!

Wie aber kann das konkret geschehen?

Nun, wenn der Leib wirklich Tempel Gottes also etwas Heiliges ist, dann sollten wir ihn auch heilighalten, ihn ehren, ihn pflegen.

Gott in unserem Leib verherrlichen hieße dann, ihm die nötige Hygiene zukommen zu lassen, ihn gesund zu halten, ihm den nötigen Schlaf zu gewähren. Alles Maßlose sollten wir von ihm fernhalten.

Verherrlicht Gott in eurem Leib!

Dazu paßt nicht, sich unkontrolliert mit allen möglichen Speisen oder Rauschmitteln vollzustopfen. Dazu paßt nicht, sich jedes Wochenende volllaufen zu lassen und die Nacht zum Tage zu machen. Das sind keine Heldentaten, mit denen man angeben müßte. Dazu paßt nicht, seinen Body ohne Rücksicht auf Verluste zu stählen, mit übertriebenem Training oder Einnahme von unerlaubten Mittelchen.

Verherrlicht Gott in eurem Leib! Dazu paßt nicht, die körperliche Unversehrtheit der anderen zu gefährden, indem man sie z. B. im Verkehr oder am Arbeitsplatz unnötigen Gefahren aussetzt. Dazu paßt nicht, andere zu einem übertriebenen Konsum von Speisen, Getränken und Drogen zu animieren.

Wer das Maß im Umgang mit seinem Leib oder dem Leib der anderen aus den Augen verliert, versündigt sich gegen Gott, versündigt sich gegen den Tempel Gottes.

Verherrlicht Gott in eurem Leib!
Der Leib hat im Christentum, in der Sicht der Kirche eine hohe Würde. Wir sind Leib. Und alles, was den Leib und seine Regungen vom ganzen Menschsein trennt, kann nicht richtig sein. Das gilt gerade im Bereich der Sexualität.

Aus diesem Grunde wehrt sich die Kirche vehement gegen Einflüsse, die den Körper zu einem sexuelles Objekt degradieren. Die körperliche Sexualität hat ihren Rahmen in der festen Liebesbindung zweier Mensch zueinander, die sich in der Ehe verwirklicht. Alles andere ist in Wahrheit unmenschlich, wird dem Menschen nicht gerecht.

Deshalb verurteilt die Kirche Pornographie, Prostitution und alles, was die Trennung von Sexualität und Liebe fördert. Dazu zählen auch künstliche Befruchtungs- und Verhütungsformen. Dazu zählt auch das Erzählen oder Gutheißen schlüpfriger Bemerkungen.

Verherrlicht Gott in eurem Leib! Dieser Aufruf gilt auch jetzt im Gottesdienst. Das Sitzen, das Knien, das Stehen sind körperliche Ausdrucksformen für unsere innere Haltung. Der Körper hilft uns beten. Deshalb ist es gut, uns immer wieder zu prüfen, ob und wie wir mit unserem Leib beten. Es geht nicht darum, sich stock und steif zu verhalten, aber die Kniebeuge sollte auch als solche erkannt werden; und das Kreuzzeichen sollten wir nicht so schlagen, als ob wir eine Fliege von unserem Gesicht vertreiben wollten.

Verherrlicht Gott in eurem Leib! Wenn wir diesem Aufruf in unserem persönlichen Leben nachkommen, wird es demnächst vielleicht in der Gerüchteküche brodeln: "Schon gehört, die Kirche ist leibfreundlich."

348. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, die eigentliche Größe von Johannes dem Täufer liegt darin, abgeben zu können.

Johannes der Täufer hat eine große Aufgabe: Er soll das ganze Volk Israel vorbereiten auf die Ankunft des Messias. Er ruft sie zur Taufe und Umkehr - und er hat damit großen Erfolg. Auf dem Höhepunkt seines Erfolges allerdings zu sagen: So, ich bin jetzt fertig. Denn seht: Das ist der, auf den ich Euch vorbereitet habe - das ist gar nicht so einfach.

Zu wissen, wann die eigene Aufgabe beendet ist und damit abzuschließen, ist eine schwere Sache. Das gilt für Eltern, die ihre Kinder irgendwann einmal "loslassen" müssen, das gilt für Kinder, die die lieben verstorbenen Eltern in die Hand Gottes abgegeben müssen - das gilt aber auch für die kleinen und großen Aufgaben in unserem Leben.

Für us Christen ist es zum Beispiel wichtig, bevor wir von Gott und Kirche und Dogmen sprechen, zuerst das Herz der Menschen zu gewinnen. Bevor uns jemand glaubt, müssen wir den Menschen nahe kommen. Man sieht es an den Priestern, Seelsorgern und Erziehern: Wer sich immer nur als der große Verkündiger versteht, aber nicht den Alltag mit den Menschen teilt, der findet nicht viele Zuhörer.

Das gleiche gilt auch für unsere Missionare: Während früher der Missionar in die Welt ging, um den Heidenvölkern die frohe Botschaft Gottes nahezubringen und die große Zahl der Bekehrungen für ihn eine innere Bestätigung war, haben die Missionare der letzten Jahrzehnte erkannt, dass die Menschen, bevor man ihnen die menschgewordene Liebe Gottes predigt, sie zunächst diese Liebe erfahren lassen muss.

Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es ein ewiges Leben gibt - nicht nur als Trost für uns: «Gottseidank, es geht nach dem Tod noch weiter!», sondern auch als Verpflichtung: Es geht bei all unseren Bemühungen nicht nur darum, den Menschen hier auf Erden das Leben zu erhalten und zu sichern, sondern auch das ewige Leben. Es ist unsere innerste, tiefste Verpflichtung, allen Menschen das Ergreifen des ewigen Lebens zu ermöglichen.

Was nützt es uns, hier alle Menschen als Freunde zu gewinnen, sie aber für die Ewigkeit zu verlieren? Was hilft es uns, gut erzogene und glückliche Kinder zu haben, wenn sie nicht an der Herrlichkeit Gottes teilnehmen wollen?

Wir müssen also wieder den Blick auf Johannes richten: Er traut sich, von Gott zu sprechen. Er traut sich, den Menschen zu sagen, dass sie mehr als Brot und Wasser Gott brauchen. Er weist auf den hin, der wirkliches Leben schenkt: «Seht, das ist das Lamm Gottes! Es nimmt alle Sünden hinweg. Auch Deine. Du weißt doch, dass Du Sünder bist. Geh zu ihm!»

Wir trauen uns oft nicht, nach allem, was wir für das irdischen Leben der Menschen getan haben, auch noch vom ewigen Leben und den nötigen Vorbereitungen zu sprechen. Johannes zeigt uns, woran das liegt: Es gibt nicht ein "zuerst Mensch werden" und "dann Christ werden". Er spricht von Anfang an von der Gefahr des Scheiterns - auch des ewigen Scheiterns. Er macht sich nicht erst beliebt und kommt dann, wenn ihn alle mögen, mit Gott. Er sorgt sich nicht zuerst um den Leib und dann um die Seele.

Liebe Schwestern und Brüder: Spenden wir nicht nur Geld für die Ärmsten dieser Welt - für die Betroffenen von Katastrophen. Tun wir auch etwas für Ihr Seelen! Dafür, dass sie in der Hoffnung, im Glauben und in der Liebe gestärkt werden! Sorgen wir uns nicht nur um den Beruf und die soziale Situation unsere Kinder, sondern tragen wir auch Sorge für ihre Beziehung zu Gott.

Seien wir als Eltern, Kinder, Freunde und Eheleute wie Johannes: Seien wir in allem immer Verweis auf Gott! Reden sie nicht nur, sondern denken Sie so wie Johannes: «Ich bin nicht würdig, ich stehe nicht im Mittelpunkt. Gott hat mir alles gegeben, Jesus ist meine Stärke. Auf Ihn soll mein Leben zeigen. Ihm sei alle Ehre! Vor Gott und vor den Menschen will ich dafür Zeuge sein.» Amen.

349. Predigtvorschlag

Wenn Sie, liebe Schwestern und Brüder,

hierher zum Gottesdienst kommen, dann ist das oft mit dem Gefühl verbunden, eine andere Welt zu betreten. Was wir im Evangelium hören und was hier von der Kanzel verkündet wird, ist oft tatsächlich aus einer Welt. Eine andere Welt mit anderen Gesetzen, nicht so, wie das tatsächliche Leben ist.

Zum Beispiel, dass Macht und Geld, Reichtum und Luxus nicht das Wichtigste in unserem Leben sein sollen. Ich denke, dass das nicht gerade die passende Überschrift über unsere Gesellschaft sein kann. Auch, wenn sie oft besser ist als ihr Ruf - selbstlos ist unser heutiges Denken bestimmt nicht.

Die Bibel regt uns weiterhin immer wieder an, nicht ständig darüber nachzudenken, wie nützlich oder produktiv etwas ist, das wir tun. Vielmehr sollten Nächstenliebe und Gerechtigkeit der Maßstab unseres Handelns sein. Nur müssen wir eingestehen, dass wir damit selten weiterkommen: Kein Betrieb kann überleben, weil er selbstlos handelt, kein Arbeitnehmer wird deshalb seinen Arbeitsplatz sichern, weil er nach den Grundsätzen der Heiligen Schrift lebt. Im Gegenteil - sie Gesetze des Marktes und der Wirtschaft belohnen den, der seine Ellbogen einsetzt.

Die Bibel ist unzeitgemäß. Sie ist out - um korrekt zu sein - megaout. Wer sein Christsein wirklich konsequent leben will, der muss entweder stinkreich sein (weil er sich dann den Luxus der Liebe und Unproduktivität leisten kann), oder verrückt.

Nun, stinkreich sind wahrscheinlich die wenigsten von uns. Und allem Anschein nach ist das finanzielle Polster selten Beweggrund zum gelebten Glauben.

Nun, dann müssen wir also verrückt sein. Herzlich willkommen, liebe Schwestern und Brüder, im Verein der Verrückten.
Das soll jetzt aber kein hilfloser Zynismus sein. Denn nichts anderes haben seit jeher die Christen zu hören bekommen, und nichts anderes sind wir: Wir sind tatsächlich verrückte. Deshalb, weil wir nicht den Standpunkt einnehmen, den der Zeitgeist von uns fordert, sondern weil wir unsere Position verrücken. Wir stehen nicht da, wo der gesunde Menschenverstand uns erwartet. Wir haben unseren Platz gewechselt. Wir sind, im wörtlichen Sinne, Verrückte, Menschen, die eine andere Position haben.

Dabei wissen wir genau, dass sich unsere Ideale nicht auszahlen werden. Arbeitnehmer, Unternehmer, Schüler oder sonst wer werden es auch weiterhin schwer haben, die Liebe zu leben. Wenn sich unser Glaube hier auf dieser Welt schon auszahlen würde, dann würde bereits der gesunde Menschenverstand Heilige aus uns machen.
Und deshalb ist es klar, dass unser Gott kein Feldherr sein kann, kein Supermann und kein weltlicher König.

Es wäre beruhigend und normal, einen starken Gott zu haben. Einen Löwen, der sich für uns einsetzt und alle zum Schweigen bringt, die uns Böses wollen. Einen Gott, der unsere Schwachheit durch seine Stärke ausgleicht, zu dem wir aufschauen können. Ein Supermann wie im Comicheft, wie bei der Scientology-Sekte.

Nur: Wir haben nicht einen solchen Gott. Von unserem Gott heißt es im heutigen Evangelium: Seht, das Lamm. Das schwache, absolut friedliche Lamm ist das Wappentier Gottes. Der Löwe, der brüllend umher geht, ist in der Bibel nämlich das Bild des Bösen.

Unser Gott ist deshalb aber kein Schwächling. Es ist schließlich die höchste Macht Gottes, dass er lieben kann. Und keine Liebe weigert sich, für den Geliebten zu leiden. Das Lamm zeigt an, dass Gott, der Schöpfer, damit einverstanden ist, das erste Opfer seiner Schöpfung zu werden.

Gottes Macht liegt in seiner Fähigkeit, sich klein zu machen. Unsere Größe liegt nicht darin, Supermänner - oder Superfrauen - zu werden. Unsere Größe liegt darin, uns von ver -rücken zu lassen. Unsere Größe liegt darin, dass wir uns den Vorwurf, «Verrückte» zu sein, gerne gefallen lassen, weil es bei Gott um mehr geht als nur um Geld und Zinsen.

Vielleicht ist es sogar das größte Kompliment, dass uns einer machen kann, wenn er sagt: «Mein Gott, ist der verrückt». Amen.

350. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder in Glauben!

Ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes. - jedoch - auch ich kannte ihn nicht - aber ich taufe, um ihn bekanntzumachen. Es klingt nach einem Widerspruch, was wir hier von Johannes hören, und doch hat er uns ein konsequentes Leben für Christus vorgelebt. Ich bin mir seiner nicht sicher - so Johannes - aber dennoch bin ich für ihn unterwegs.

Ich sehe heute viele Menschen, die so unterwegs sind. Besonders Jugendliche. Sie sind gläubig, neueste Statisken belegen das, oder fragen sie sie nur selbst - sie bezeichnen sich als gläubig, doch können nur wenige benennen, woran sie glauben. Nicht nur junge Menschen suchen, suchen Sinn in ihrem Leben, suchen vielleicht sogar Gott - ähnlich wie Johannes. Selbst er lässt nachfragen: "Bist Du es? Oder müssen wir auf einen anderen warten?" Johannes, Jugendliche sind unsicher, ist Jesus von Nazareth der Retter der Welt, der mich von meinen Fesseln befreit, der mein Leben retten kann?

Bei diesen Unsicherheiten tauft Johannes die Menschen, er stellt sich für Gott in den Dienst, er möchte Menschen mit Gott bekanntmachen. Bei vielen unserer Jugendlichen ist es ähnlich. Viele stellen sich für Jesus und seine Kirche in den Dienst: arbeiten im Landjugendvorstand mit, überlegen, planen, führen Veranstaltungen für andere durch, arbeiten als Messdienergruppenleiter, lassen sich ausbilden, treffen sich alle 14 Tage zur Leiterrunde, um neue Dinge zu planen, veranstalten Gruppenstunden für 120 Kinder angefangen vom 3. Bis teilweise hin bis zum 8 Schuljahr. Andere engagieren sich als Gruppenleiter im Sommerferienlager, wo schon jetzt die Vorbereitungen laufen. Wieder andere engagieren sich in Jugendliturgiekreisen, die mittelrweile in jeder unserer drei Gemeinden laufen. In Beverbruch versuchen sich wiederum andere Talente in einer neuen Jugendband. In der Kolpingjugend sind sich Jugendliche nicht zu schade, Samstags morgens unsere alten Tannenbäume einzusammeln. Wieder andere suchen Christus in den Begegnungen in Taize, auf den Weltjugendtagen oder beim Papst in Rom.

Viele haben dabei begriffen, dass Jesus von Nazareth mehr war, als ein netter und besonderer Mensch. Soweit können sie Johannes dem Täufer folgen. So manche sind wie Johannes tätig, um andere mit Christus und seiner Kirche bekannt zu machen, wie Johannes es von sich behauptet und der eine oder die andere hat es vielleicht auch in der Jugendarbeit gelernt zu bezeugen; er ist der Sohn Gottes. In ihm habe ich den Sinnstifter in meinem Leben gefunden.

Zu dieser Erkenntnis komme ich nicht von alleine. Auch unsere Sakramentenvorbereitung reicht da im Normalfall nicht aus. In unserer Jugendarbeit versuchen wir daher, dass im Alltäglichen aufzugreifen, was in der besonderen Vorbereitung auf die Sakramente und kirchlichen Feiern grundgelegt ist. Die Erstkommunionkinder können bei den Messdienern aktiv werden, die Firmlinge beim Kinderkolping und die feierlich in die kirchliche Jugend Aufgenommenen in den Jugendverbänden wie der Land- oder Kolpingjugend. Immer wieder wird die Möglichkeit gegeben, für Christus und seine Kirche aktiv zu bleiben, mit ihr verbunden zu bleiben. Um dann dahin zu kommen, was Johannes bei aller anfänglichen Unsicherheit erkannt hat: Er ist der Sohn Gottes.

351. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder in Glauben!

Davorne steht er: Johannes der Täufer; er verweist auf das Lamm Gottes, wie wir es soeben im Evangelium gehört haben. Er sagt: "Ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes". Zugleich: "Auch ich kannte ihn nicht" Ich taufe, um ihn anderen bekanntzumachen, aber kenn ihn selbst nicht. Es klingt nach einem Widerspruch, was wir hier von Johannes hören, und doch hat er uns ein gradlinig konsequentes Leben für Christus vorgelebt. Er lebte freiwillig in aboluter Armut und zieht hinaus in die Wüste, um zu taufen - wieder ein scheinbarer Widerspruch: in der Wüste mit Wasser taufen. Ich bin mir seiner nicht sicher, aber dennoch bin ich für ihn unterwegs.

Ich sehe heute viele Menschen, die so unterwegs sind. Besonders Jugendliche. Für sie ist unsere heutige Kollekte bestimmt. Sie sind gläubig, neueste Umfragen in unserem Land bestätigen das wieder, oder fragen sie sie nur selbst - sie bezeichnen sich als gläubig, doch können nur wenige benennen, woran sie glauben. Nicht nur junge Menschen suchen, suchen Sinn in ihrem Leben, suchen vielleicht sogar Gott - ähnlich wie Johannes d.T.. Selbst er lässt nachfragen: "Bist Du es? Oder müssen wir auf einen anderen warten?" Johannes, Jugendliche sind unsicher, ist Jesus von Nazareth der Retter der Welt, der mich von meinen Fesseln befreit, der mein Leben retten kann?

Trotz dieser Unsicherheiten tauft Johannes die Menschen, er stellt sich für Gott in den Dienst. Er möchte Menschen mit Gott bekanntmachen, obwohl er ihn selber nicht richtig kennt. Bei vielen unserer Jugendlichen ist es ähnlich. Viele stellen sich für Jesus und seine Kirche in den Dienst, obwohl sie seiner nicht sicher sind.
- Arbeiten im Landjugendvorstand mit, überlegen, planen, führen Veranstaltungen für andere durch.
- Arbeiten als Messdienergruppenleiter, lassen sich ausbilden, treffen sich alle 14 Tage zur Leiterrunde, um neue Dinge zu planen, veranstalten Gruppenstunden für 120 Kinder angefangen vom 3. teilweise hin bis zum 8 Schuljahr.
- Andere engagieren sich als Gruppenleiter im Sommerferienlager, wo schon jetzt die Vorbereitungen laufen.
-Wieder andere engagieren sich in Jugendliturgiekreisen, die mittlerweile in jeder unserer drei Gemeinden existieren.
- In Beverbruch versuchen sich Talente in einer neuen Jugendband.
- In der Kolpingjugend sind sich Jugendliche nicht zu schade, Samstags morgens unsere alten Tannenbäume einzusammeln.
- Wieder andere suchen Christus in den Begegnungen in Taize, auf den Weltjugendtagen oder beim Papst in Rom.

Viele haben in dieser Arbeit begriffen, dass Jesus von Nazareth mehr war, als ein netter Mensch; soweit können sie Johannes dem Täufer folgen. So manche der Ehrenamtlichen sind wie Johannes tätig, um bewußt andere mit Christus und seiner Kirche bekannt zu machen. Und der eine oder die andere hat es vielleicht auch in der Jugendarbeit gelernt zu bezeugen; er ist der Sohn Gottes, wie es Johannes am Ende des heutigen Evangeliums sagt. In ihm habe ich den Sinnstifter für mein Leben gefunden. Ich habe erkannt: Er ist derjenige, der mein Leben retten kann.

Zu dieser Erkenntnis komme ich im Normalfall nicht von alleine. Auch unsere Sakramentenvorbereitung reicht da nicht aus. In unserer Jugendarbeit versuchen wir daher, das im Alltäglichen aufzugreifen, was in der besonderen Vorbereitung auf die Sakramente und kirchlichen Feiern grundgelegt wird. Die Erstkommunionkinder können bei den Messdienern aktiv werden, die Firmlinge neuerdings beim Kinderkolping und die feierlich in die kirchliche Jugend Aufgenommenen in den Jugendverbänden wie der Land- oder Kolpingjugend. Immer wieder wird die Möglichkeit gegeben, für Christus und seine Kirche aktiv zu bleiben, mit ihr verbunden zu bleiben. Um dann dahin zu kommen, was Johannes bei aller anfänglichen Unsicherheit erkannt hat: Er ist der Sohn Gottes.

352. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder! Die Menschheit ist zerrissen. Wir brauchen bloß in die Zeitung zu schauen: Krieg, Bürgerkrieg, Aufruhr, Vertreibung usw..

Auch die Christenheit ist gespalten. Am Freitag endete die Gebetswoche um die Einheit der Christen.

Solche Spaltung, Trennung, Uneinigkeit - die gab es schon fast seit Anbeginn der Kirche. Davon haben wir in der Lesung gehört, die dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth entnommen ist. Diesen Brief hat Paulus ca. 15 Jahre nach der Himmelfahrt des Herrn geschrieben. Da klagt er über die Zustände in der Gemeinde, nämlich:
dass es Zank und Streit unter euch gibt. Ich meine damit, dass jeder von euch etwas anderes sagt: Ich halte zu Paulus, ich zu Apollos, ich zu Kephas, ich zu Christus.

Und er beendet diese Aufzählung mit einer Frage, besser mit einem fast schmerzerfüllten Aufschrei: Ist denn Christus zerteilt?

Ist denn Christus zerteilt?
Mit diesem Satz legt Paulus den Finger in die Wunde.
Den einen Christus -und es gibt nur einen- haben wir Christen zerteilt.
Wir haben ihn auseinandergerissen. Und warum? Wer die Kirchengeschichte kennt, kommt zu dem Schluss, dass die Trennungen häufig -eigentlich immer- aus rein politischen Gründen, aus persönlichen Schieflagen oder schlichtweg aus Neid zustandekamen.

Aber schauen wir nicht nur auf die Welt, auf die ganze Christenheit.
Ist denn Christus zerteilt?
Diese Frage, diese Klage ist auch für das Ohr eines jeden einzelnen Christen, einer jeden einzelnen Christin bestimmt.

Es besteht für jeden und jede von uns nämlich die Gefahr, im eigenen Leben und Glauben Jesus sozusagen auseinander zu nehmen, ihn in Stücke zu reißen.

Das passiert dann, wenn man sich nur das herauspickt, was einem an Jesus passt:

Da verehrt einer, den Jesus, der alle Schuld vergibt, aber auf den Prediger der Gerechtigkeit Gottes will er nicht hören.

Da erfreut sich eine an dem Jesuskind in einer romantischen Krippenszene. Aber dass er für ihre und aller Menschen Sünden am Kreuz grausam gelitten hat, will sie nicht wahrhaben.

Da sind viele davon überzeugt, dass dieser Jesus eine Art Gutmensch war. Dass er Sohn Gottes ist, verleugnen sie aber.

Wer so verfährt, gestaltet auch den gelebten Glauben nach eigenem Gutdünken, behandelt ihn wie einen Steinbruch:

Da engagiert sich der eine in allen möglichen Diensten am Nächsten und tut dies ausdrücklich im Namen der Kirche, aber sonntags der Hl. Messe beizuwohnen, um der Gottesliebe Ausdruck zu verleihen, das kommt nicht in die Tüte.

Da erfreut sich eine an der Liturgie, sucht sich in der Umgegend die schönsten Kirchen, mit den feierlichsten Hochämtern und feurigsten Predigern aus, aber dass sie seit Jahren ihren Mann mit einem anderen betrügt, stört sie dabei kein bisschen.

Da brüllt einer voll Inbrunst beim Festhochamt anlässlich des x-ten Jubiläums seines kirchlichen Verbandes alle Strophen von "Ein Haus voll Glorie schauet", beim anschließenden Festbankett hindert es ihn aber nicht daran, über den ach so stockkonservativen Papst, den unfähigen Bischof und den unsympathischen Kaplan herzuziehen.

Wer so denkt und handelt, zerstückelt den einen Christus.
Wer so denkt und handelt, zerstückelt den einen Glauben an den einen Christus.

Der eine Christus wird so zum verkrüppelten Torso.
Das Gebäude des Glaubens verkommt zur Ruine.
Ruinen sind für Schaulustige interessant, aber darin wohnen kann und will keiner.

Liebe Schwestern und Brüder,
was ich hier in vielleicht etwas überzogener Art und Weise gesagt habe, scheint mir sehr wichtig zu sein: für Sie, für Dich und für mich.
Mein Leben als Christ, als Christin darf nicht auseinanderbrechen. Nach dem Motto: sonntags bin ich Christ, werktags bin ich Mensch.
Mein ganzes Leben lang bin ich Christ, immer, überall. Und nicht so dann und wann, wenn es mir in den Kram passt.
Mein ganzes Leben hat mit Christus zu tun.
In allem kann ich ihm begegnen, ihm dienen.
In allem kann ich ihn auch verleugnen.

Mein ganzes Leben, nicht nur ein Teil, hat mit Christus zu tun.
Das war die erste Lehre, die die Apostel von ihrem Herrn und Meister erteilt bekamen. Er berief sie nämlich in ihrem Alltag, bei ihrer ganz normalen Arbeit: sie warfen gerade ihre Netze in den See ... und richteten ihre Netze her... Mein ganzes Leben hat mit Christus zu tun.
Er ruft mich ihm zu folgen, wenn ich einer Arbeit überdrüssig werde, sie am liebsten hinschmeißen würde. Mit seiner Hilfe werde ich sie aber dennoch gut vollenden. Vielleicht opfere ich sie sogar als ein Gebet auf für den Freund, der in einer schwierigen Lage ist.
Er ruft mich ihm zu folgen, wenn alle um mich herum über die Kirche herziehen. Ich brauche keine großartige Diskussion anzufangen. In den meisten Fällen bringt es das auch nicht. Aber ich kann offen sagen, dass ich zu dieser Kirche gehöre und dass ich ihr trotz all der Fehler einiger Vertreter viel verdanke, in ihr eine Heimat finde.
Er ruft mich ihm zu folgen, wenn diese kauzige Nachbarin auftaucht, die immer dann kommt, wenn ich es nicht gebrauchen kann und die sowieso immer das gleiche Zeug erzählt. Ich werde versuchen, sie anzulächeln, ihr so freundlich wie möglich zu begegnen, weil auch für sie Christus gestorben ist.

Liebe Schwestern und Brüder,
so schön das klingen mag. Ein solches Leben zu führen, geht nicht von heute auf morgen. Ein solches Leben zu führen, bedarf des ständigen Bemühens. Das Bemühen wird uns Menschen abverlangt solange wir auf Erden sind. Wenn wir uns nicht mehr bemühen müssten, wären wir schon im Himmel.

Ist denn Christus zerteilt?
Wenn wir uns alle bemühen, in unserem Leben Christus nicht zu zerteilen, wenn unser Leben ganz vom Glauben an ihn durchdrungen ist, dann ist das ein Dienst an der Einheit der Christen. Und letztlich dienen wir so der Einheit der Welt, denn die Kirche ist Zeichen und Werkzeug der Einheit, die die Menschen mit Gott und untereinander verbindet.

353. Predigtvorschlag

Sorry: An dieser Stelle stand bis vor kurzem eine Predigt, die auf dem Gedanken aufbaute, dass das griechische Wort für "Menschenfischer" falsch übersetzt worden ist und eigentlich "Menschen-Verlebendiger" heißen müsste. Dieser Gedanke entbehrt jeder sprachlichen Grundlage: Weder im Griechischen noch im Lateinischen gibt es dafür auch nur den geringsten Anhaltspunkt. Deshalb wurde die Predigt an dieser Stelle entfernt. Wir entschuldigen uns für diesen Fehler.

Liebe Schwestern und Brüder,

Jesus hat viel in seinem Leben verwandelt; auf wunderbare Weise zum Beispiel Wasser in Wein oder wenig Brot in viel Brot; er hat Kranke in Gesunde verwandelt und Blinde in Sehende - feine Sache insgesamt.

Aber nichts kommt auch nur annähernd an die Wandlung heran, die Jesus in den Menschen hervorgerufen hat: Aus einfach Fischern und Zöllnern macht er ein Fundament, auf das er seine Kirche baut. Menschen, die ängstlich und kleingläubig sind (wie z.B. Petrus und Thomas) wandelt er zu glühenden Predigern, unerschrockenen Kämpfern für den Herrn. Aus der Sünderin Maria Magdalena wird die erste Zeugin der Auferstehung, die "Apostelin der Apostel". Die größte Wandlung vollzieht sich vermutlich im ersten Großinquisitor Saulus, der die Christen mit aller Härte verfolgte und sogar vor Steinigung nicht zurückschreckte. Aus Saulus wurde Paulus - der Völkerapostel.

Was Gott da tut, ist keine Magie. Zur Wandlung der Menschen braucht es keine Zaubersprüche oder Beschwörungsformeln. Gott wandelt auch nicht gegen den Willen der Menschen - über ihre Köpfe hinweg oder hinter ihrem Rücken. Er braucht dazu auch nicht seine Allmacht - er ist sogar bereit, die Niederlage einzustecken, die Judas durch seine Verweigerung, sich zu öffnen, provoziert.

Gott wandelt durch Nähe. Er zeigt sich als der, der er ist: Hoffnungsvoll verliebt in den Menschen. Er ruft sie in seine Nähe und lässt sie Heilung erfahren. Die Menschen wandeln sich - ohne Zwang, aus sich selber heraus, aber angeregt und erfüllt durch Jesus.

Gott wandelt auch durch die Bereitschaft, uns zu ertragen - uns zu erleiden. Gott kann uns gut leiden - und gewinnt durch sein Leiden. Sogar unter dem Kreuz wandelt sich der Hauptmann vom Henkersknecht zum Bekenner: "Wahrlich, das ist Gottes Sohn!" - Gerade durch seine Leid-Bereitschaft aus Liebe wandelt Gott auch heute noch viel mehr Menschen. Edith Stein ist zum Glauben gekommen, als sie eine Frau, die im Krieg ihren Mann verloren hat, gleichzeitig leiden und dennoch glauben sah. Das hat sie angerührt und verwandelt.

Liebe Schwestern und Brüder, auch wir werden verwandelt, wenn wir uns in die Nähe Gottes wagen. Gott macht sich wieder einmal klein, heute, im Gottesdienst, und scheut sich nicht, uns als Speise zu dienen. Aus Liebe. Nachdem Gott das Brot in seinen Leib verwandelt hat, möchte er unser Herz verwandeln. Aus kleinen Fischen sollen große Fischer werden!

Sie sind, wie die ersten Apostel, Jünger und Frauen aus der Nähe Jesu, berufen, Menschenfischer zu sein; die Menschen zu verwandeln. Als Menschenfischer hat Jesus und alles mitgegeben, was wir brauchen: Keine Netze, Angeln, Harpunen oder Reusen.

Er hat sich selbst mitgegeben: In der Kirche, in den Sakramenten, in der Eucharistie und in der Beichte, im Gebet und in der Anbetung.

Sie fragen sich: Wo soll ich denn fischen gehen? Wo soll ich denn Menschen gewinnen?

Sie werden nicht dadurch zum Apostel, Jünger oder Menschenfischer, indem sie sich auf die Jagd machen. Sie werden Apostel, Jünger und Menschenfischer, indem sie die Nähe Jesu hier in unserer Kirche genießen.

Werfen Sie ihre Netze aus und schließen Sie Jesus in Ihr Herz!

Amen.

354. Predigtvorschlag

Es ist vor ein paar Tagen gewesen. Es ist Nachmittag.
Ich sitze an meinem Schreibtisch. Vor mir liegen die grau-grünen Formulare für meine Einkommensteuererklärung. "Wo ist denn jetzt wieder dieser Beleg hin?" denke ich bei mir. "Ach, da ist er ja. ... Läuft das jetzt unter Werbungskosten oder doch unter außergewöhnliche Belastungen?"
"Anlage N, Bruttoarbeitslohn, Pauschbeträge, Rechnungen, Quittungen, Bescheinigungen. Alles um des lieben Geldes wegen. Ach, ich kann es bald nicht mehr haben."
Ich schließe meine Akten und wende mich der nächsten Arbeit zu.
"Worüber predige ich nur am Sonntag? Was ist denn für ein Evangelium dran? Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie. Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich....

Das stimmt wirklich: Die Armen sind wirklich selig. Schließlich müssen die sich nicht mit so lästigen Dingen wie Einkommensteuererklärungen rumschlagen.

Aber Spaß beiseite. Warum sind denn ausgerechnet die Armen selig zu preisen, glücklich zu preisen. Armut, Elend, Not - das ist doch wohl kein Glück.

Selig, die arm sind vor Gott...
Es geht Jesus also nicht um die pure Armut, sondern um die Armut vor Gott. Es geht ihm darum, wie ich mit meinem Besitz umgehe. Vor Gott zählt nicht, wieviel ich besitze, sondern wie ich zu meinem Besitz stehe.

Selig, die arm sind vor Gott ...
Armsein vor Gott, das heißt mit Sicherheit nicht:
Prahlen mit meinem Besitz: 'Sieh her, Gott, das habe ich mir selber erworben, das gehört alles mir, dafür brauche ich dich nicht.'

Armsein vor Gott, das heißt mit Sicherheit nicht:
Den anderen und Gott aus den Augen zu verlieren, nach dem Motto: 'Ich hab' doch alles. Was brauche ich die anderen, was kümmert mich Gott? Und überhaupt, Geld regiert die Welt!'

Geld, Besitz, Vermögen - das ist ansich nichts schlechtes. Nur: Das Totenhemd hat keine Taschen, wie der Volksmund sehr weise sagt.
Geld, Besitz, Reichtum - das ist Vorläufiges, Vergängliches, das nehme ich im Tod nicht mit.

Ich darf dankbar sein für alles, was ich habe. Geld, Besitz, Vermögen, alles, was ich besitzen kann, sind Dinge dieser Welt. Und diese Welt hat Gott geschaffen. Er hat uns die Dinge dieser Welt anvertraut, damit wir mit ihnen leben können und Leben ermöglichen können, für uns selber und für die anderen.

Deshalb ist Gott daran interessiert, daß die Dinge dieser Welt, die Güter dieser Welt unter uns Menschen gerecht verteilt werden.

Wenn das Bundesverfassungsgericht die steuerliche Benachteiligung der Familien als verfassungswidrig anmahnt, dann ist das in meinen Augen ganz im Sinne Gottes.

Wenn der Papst, wie kürzlich in Mexiko und Amerika, sich gegen einen reinen Kapitalismus wendet, wenn er den Schuldenerlaß für die ärmsten Länder fordert, dann ist das nicht nur gefühlsduselige Mitmenschlichkeit, sondern ein Einfordern, ein Erinnern der Gebote Gottes.

Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Wer wirklich arm vor Gott ist, egal ob er auf Erden viel besitzt oder nicht,
wer wirklich arm vor Gott ist, der bindet sich nicht überverhältnismäßig an die irdischen Dinge.
Manchmal ertappe ich mich selbst dabei, wie ich mich an bestimmte Dinge binde.
Dann wiederhole ich eine Übung, die ich in der Priesterausbildung kennengelernt habe. Dann sage ich innerlich zu jedem Gegenstand, ja sogar zu lieben Menschen: 'Du bist nicht mein Gott."

Dann spüre ich, daß ich frei komme von den Bindungen an das Irdische, daß ich frei werde für das Himmlische. Frei für Gott.
Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Wir Mensch sind dazu berufen, uns auf den Himmel vorzubereiten. Je mehr wir uns aber innerlich und äußerlich an die Dinge dieser Welt binden, desto mehr hindern uns diese Bindungen, zum Himmel aufzusteigen. Wir gleichen dann Adlern, die mit einer Kette am Boden gefesselt bleiben, statt sich majestätisch in die Lüfte zu schwingen."

Immer noch am Schreibtisch sitzend, schließe ich meine Preditnotizen ab. Ich denke daran, daß bald wieder Karneval ist. Die Sitzungen hier in Epe, die Närrischen Einlagen im Fernsehen...

Ich denke über die Narren nach:
"Gute Narren zeichnen sich dadurch aus, daß sie sich selbst, andere und diese Welt nicht allzuernst nehmen.
Sie haben genügend Abstand von der Welt, um sich über sie lustig machne zu können.
Letztlich ist es Aufgabe guter Narren, der Welt den Spiegel vorzuhalten und uns daran zu erinnern, daß wir nicht ewig sind, nicht die Wichtigsten, die Einzigen sind. Gute Narren weisen uns so über diese Welt und über uns selbst hinaus.

Ein wirklich guter Narr kann uns daran erinnern, was wir in den Seligpreisungen gehört haben:
Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.

Ich wünsche dem Karneval in unserer Gemeinde und unserer Stadt solche Narren.

355. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Wenn man bedenkt, dass wir in diesen Tagen den Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus begangen haben, dann wirken die Worte des heutigen Evangeliums nochmal anders: «Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.» Das klingt zu einfach, zu glatt, nach dem Motto: Je schlechter das Leben auf Erden, desto schöner wird's im Himmel.

Es war nicht erst Karl Marx oder Ludwig Feuerbach, die dem Christentum Vertröstung auf das Jenseits vorgeworfen haben. Immer schon war ein Gedanke der Religionskritik, dass der Glaube von den weltlichen Dingen zu sehr ablenkt, dass die Christen - nur den Himmel vor Augen - vergessen, die Erde zu verbessern. Karl Marx hat dann allerdings den eingängigen Begriff gewählt: Opiums des Volkes. Die Religion bzw. das Christentum sei mit seiner Vertröstung auf das Kommende ein Rauschgift, das uns hier auf Erden lähmt.

Ein Vorwurf, der gerade die Christen unseres Jahrhunderts tief getroffen und verunsichert hat. Um nun diesen Vorwurf der Vertröstung zu entkräften, betonten sie, wie wichtig, ja wie notwendig es sei, sich als Christ in allen möglichen Bereichen der Gesellschaft hervorzutun: In der Politik, in der sozialen Verantwortung, in der Moral und in der Menschlichkeit. Mit diesen - manchmal überhöhten Ansprüchen - konnte der Vorwurf, das Christentum sei das «Opium des Volkes» zwar widerlegt werden. Aber dafür entstand der Eindruck, wir müssten uns den Himmel verdienen. Manchmal habe ich auch heute noch das Gefühl, als wenn viele, die Religion sagen, nur noch Menschlichkeit oder Gerechtigkeit meinen.

Beide Seiten haben allerdings ihren Pferdefuß.

Wer glaubt, gerade ohne Religion und ohne ihre Vertröstungen besser zum politischen Handeln gerüstet zu sein, der wird z.B. durch das Geschehen im Dritten Reich eines Besseren belehrt. Ein Jude, der erst im letzten Augenblick Deutschland verlassen hatte, schrieb nach dem Holocaust, dass er sich gerade in Deutschland, dem Land des Humanismus und der Menschlichkeit, in dem Land, in dem Goethe und Lessing und all die anderen vielen großen freien Denker gelebt haben, besonders sicher gefühlt hat.
Anscheinend lässt sich eben mit einer humanistischen, nicht-religiösen Weltanschauung nicht nur freier verantwortete Politik, sondern vor allem auch freier unverantwortete Politik machen - wie die des Nazi-Regimes.

Auf der anderen Seite können wir auch nicht die Religion dazu missbrauchen, uns hier auf Erden ein Paradies zu schaffen. Alle Hoffnung, dass es, wenn sich alle Christen nur richtig anstrengen würden, keinen Krieg mehr geben wird, sind Illusionen. Solange wie es Menschen gibt, die sich bewusst für Gott entscheiden, solange gibt es auch die anderen, die sich bewusst von Gott abwenden. Nein, liebe Schwestern und Brüder, das Paradies hier auf Erden wird es auch mit einer noch so großen moralischen Anstrengung nicht geben. Auch das hat uns die Erfahrung des 3. Reiches deutlich vor Augen gehalten.

Das heutige Evangelium allerdings - richtig verstanden - bewahrt uns vor dem einen wie vor dem anderen Missverständnis, denn es spricht durchaus von unserer Verantwortung für das Gelingen menschlichen Zusammenlebens. «Selig, die keine Gewalt anwenden. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Selig die Frieden stiften.» Selig sind die, die sich einsetzen für eine bessere Welt hier auf Erden. Es ist unsere Aufgabe, den Menschen hier auf Erden schon einen Vorgeschmack auf das zu geben, was uns im Himmel erwartet. Wir werden nicht vertröstet, sondern mit einer Aufgabe für jetzt und hier betraut: «Selig, die Frieden stiften.»

Und wir können uns dieser Aufgabe stellen, wir sind dazu befähigt, weil uns Gott uns Anteil an seinem Leben verheißt («Wir werden sein Land erben, wir werden Gott schauen, uns wird das Himmelreich gehören...») - und weil diese Verheißungen jetzt schon durch uns Wirklichkeit werden. Es heißt nicht, dass wir einmal selig sein werden. Vielmehr: «Selig seid ihr!»

Ja, es gibt eine Verheißung für uns, die kein Humanismus und keine bloße Menschlichkeit geben kann. Aber diese Verheißung macht uns nicht träge oder blind für die Realität, sondern die beginnt jetzt schon Wirklichkeit zu werden, wenn wir sie den Menschen bringen, die unsere Hilfe bedürfen.

In den brutalen Wirren des Nationalsozialismus war der Glaube eben kein Opium, das betäubt; ebenso wenig war er moralischer Zeigefinger. Vielmehr hat der Glaube in den unmenschlichsten Situationen zu den größten Wundern der Menschlichkeit Kraft gegeben. Und da haben sich Himmel und Erde berührt. Amen.

356. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

an diesem Wochenende kommen vier Dinge zusammen: Am 2. Februar feiern wir Maria Lichtmess, oder besser: Das Fest der Darstellung des Herrn, am 3. Februar den Heiligen Blasius, (am Sonntag morgen die feierliche Aufnahme von 20 Messdienern und Messdienerinnen), und dann noch den 4. Sonntag im Jahreskreis mit dem Evangelium von den 8 Seligkeiten.

Bei all diesen Ereignissen findet sich allerdings ein roter Faden, der sich durchzieht; sehen sie selbst:

Am Fest Darstellung des Herrn begegnet Jesus, noch als kleines Kind, zum ersten Mal dem Volk Israel (deshalb wird dieses Fest auch im Osten "Fest der Begegnung" genannt). Wird Israel, das auserwählt Volk, seinen Herrn erkennen? Gott, der so oft zu seinem Volk gesprochen hat, findet er offene Ohren?
In den beiden Alten, Hanna und Simeon, findet er die Sehnsucht nach Erlösung und die Bereitschaft, diese Erlösung in dem kleinen Säugling zu erkennen. Da ist die Suche nach der Wahrheit - und die Demut, diese Wahrheit in einem kleinen Kind zu finden.
Dazu gehört schon eine ganze Portion von Gottesliebe. Die Wahrheit nicht in philosophischen Traktaten zu suchen, sondern (verlacht von den Philosophen) in einem kleinen Kind - das ist Glaube und Liebe zugleich.

Am Ende des Gottesdienstes empfangen wir den Blasiussegen. Die beiden gekreuzten Kerzen erinnern daran, das früher die Ärzte bei Halskrankheiten zwei gekreuzte Kerzen an den Hals gehalten haben, um den Hals zu wärmen und die Schmerzen zu lindern. Darüber wird jetzt der Segen gesprochen. Die Menschen tun das, was sie damals medizinisch verstanden haben, (heute würde man sinnvollerweise anstelle der Kerzen Halstabletten verteilen) und bitten dennoch zusätzlich um Gottes Segen. Wir können viel - aber ohne den Segen Gottes ist es zu nichts nütze. Den Blasiussegen empfangen heißt, sich vor dem Wirken Gottes klein machen.

(20 Messdiener werden in ihren Dienst feierlich aufgenommen. Damit symbolisieren sie, dass wir alle im Gottesdienst zum Dienst gerufen sind. Wir dienen Gott, ob nun als Messdiener am Altar oder als Christ in der Bank, mit unseren Gebeten, unserem Singen und der Zeit, die wir für Gott opfern. Unser Amt ist der Dienst; daran erinnern uns die Messdiener.)

Und im heutigen Evangelium knüpft Jesus die zukünftige Herrlichkeit, die 8 Seligkeiten, an unser irdisches Leben. Damit sind keine Bedingungen gemeint: "Erst, wenn ihr arm seid, könnt ihr das Himmelreich erben" - oder "Erst wenn ihr ein reines Herz habt, werdet ihr Gott schauen". Nein, es sind keine Bedingungen, sondern der Beginn der himmlischen Herrlichkeit liegt hier im irdischen Leben: Glauben ist keine Überzeugung, sondern eine Art zu leben; und dieses Leben, das hier auf der Erde beginnt, setzt sich fort im Leben bei Gott nach unserem Tod.

Was, liebe Schwestern, ist nun der rote Faden, der sich durch all diese Gedanken durchzieht?

Die Bereitschaft zur Demut - meiner Meinung nach. Zu erkennen, dass nur der Demütige Gott finden wird. Hanna und Simeon waren bereit, den Wunsch nach einem heldenhaften Erlöser aufzugeben und sich dem Erlöser in Gestalt eines Kindes zu beugen. Wir sind bereit, trotz unseres großen Wissens, Gott um seinen Segen zu bitten und auch unsere Gesundheit in seine Hände zu legen. Wir sind bereit, uns von Jesus in den Dienst nehmen zu lassen, jederzeit in der Welt und auch hier im Gottesdienst. Denn wir wissen, wer sich frei macht in dieser Welt, der wird frei für die Herrlichkeit der nächsten Welt.

Es gibt Menschen, die meinen, um an Größe zu gewinnen, müssten sie sich selbst auf das Podest stellen. Wir Christen wissen, dass wir dann unsere größte Größe finden, wenn wir uns verbeugen. Vor unserem Nächsten und vor Gott. Amen.

357. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder in Glauben!

Die Lesungen des heutigen Sonntages verdeutlichen sehr gut, was durch die Entscheidung des Deutschen Bundestages am Mittwoch klar geworden ist.

Der Prophet Zefanja spricht davon, dass nur ein kleines Volk mittendrin übrigbleibt, dass noch den Namen des Herrn sucht, dass noch auf die Worte Gottes achtet. Nur noch ein kleiner Haufen von dem ursprünglichem Volk.

Der Papst hat es kürzlich ähnlich bekannt: die westliche Welt ist keine christliche mehr. Und auch in unserem land ist es Mittwoch deutlich geworden: das menschliche Lebens wird nicht mehr grundsätzlich geschützt. Das Embryonenschutzgesetz wird nun aufgeweicht und es wird legitimiert, dass heranwachsende Kinder, nichts anders sind Embryonen, dass unschuldige Kinder getötet worden sind um Stammzellenkulturen herzustellen, mit denen es nun auch deutschen Forschern erlaubt ist, zu experimentieren. Um vielleicht irgendwann einmal Krankheiten zu behandeln, sind gesunde Menschen umgebracht worden und der Deutsche Bundestag, mehrheitlich mit sogenannten Christen besetzt, erlaubt diese getöteten nun zu nutzen.

Es werden zwar Einschränkungen gemacht, doch letztlich sind sie alle hinfällig angesichts der Grundsatzentscheidung, die nun getroffen worden ist.

Ich will nur die meistdikutierte Einschrängung herausgreifen, um es ihnen deutlich zu machen. Da wird ein Stichtag genannt, Nur die bis z.B. letzten Mittwoch durch getötete Kinder gewonnenen Stammzellen dürfen in D genutzt werden.
Im Ausland werden jeoch neue Stammzellenkulturen geschaffen, da es dort solche inen Frist nicht gibt. Man wird nun bald daruaf hinwiesen, dass aufgrund der ermutigenden entscheidung des DBT der Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft kostspielige Sonderforschungsbereiche eingerichtet wurden, die nun wegen der immer schelchter werdenden Qualität der Stammzelllinien brachliegen, Man würde - das wäre die vorsichtige Variante - eine Änderung des Stichtages vorschlagen. Und da man ja schon einmal für eine Stichtagsregelung gestimmt hat, wird es nicht schwerfallen, auf diesem Weg nun weiterzugehen.

Wenn damit de facto der import von embryonalen Stammzellen akzeptiert wird, dann werden zwei weitere Argumente nicht lange auf sich warten lassen. Zum einen wird man sagen, dass es unredlich sei, um Ausland Embryonen töten zu lassen und so zu tun, als hätte man damit gar nichts zu tun, wenn man dennoch von den Früchten dieser Tötungen profitiert. Es sei ehrlicher, redlicher, auch in D zu töten.

Diesem Argument träte schnell in wirtschaftliches zur Seite: die Importkosten könnten durch Patente so hoch werden, dass die Etablierung inländischer Zelllinien die einzige Möglichkiet wäre, die Fortsetzung der Forschungen in eiem finazierbaren Rahmen zu halten. Denn man müsse ja unbedingt weitermachen, man wolle schließlich Menschen helfen.

Einzelne Abgeordnete bezogen sich auch heute schon auf die Bibel, die ihnen die Pflicht gebe, Krankheiten zu heilen. Aber doch nicht, indem ich Menschen zuvor umbringe!

Auch wenn Theologen mitdiskutiert haben und zu unterschiedlichen Meinungen gekommen sind, so sind sich die Kirchen doch darin einige, dass diese nun getroffene Entscheidung nicht im Sinne der Bibel, der Christen und unseres Gottes ist.

Was können wir tun?

Paulus im Brief an die Korinther: seht auf eure Berufung!
Ist sie auch noch so klein, Gott hat das Schwache erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Das Kreuz, zuvor Zeichen der Erniedrigung und der Ohnmacht, hat Gott erwählt, um daran alle Weisheit der Welt zuschanden zu machen. Das hat die Welt damals nicht kapiert, und sie versteht diesen Gedanken der absoluten Hingabe und Liebe auch heute noch nicht. Die Welt versteht es nicht, dass jemand freiwillig sein Leben hergibt, um anderen das Leben zu ermöglichen.

Da ist ein entscheidender Unterschied zu unserem Staat. Er lässt andere töten, um unsere Krankheiten heilen zu wollen, Christus lässt sich töten, um anderen, uns das Leben zu schenken.
Das ist auch unser Weg, der Weg des Kreuzes Christi. Und wir sollen es nicht verstecken, gerade dann nicht, wenn die Welt Abstand nimmt von christlichen Werten. Gerade dann gilt es, sich des Herrn zu rühmen.

Auch das Evangelium der Seligpreisungen fordert uns auf, Christus zu folgen: barmherzig sein, ein reines Herz haben, Frieden stiften, für Gerechtigkeit auch unter drohender Verfolgung einsetzen. Konkreter kann die Bibel doch kaum werden. Amen.

358. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Im heutigen Evangelium hören wir eine der tröstlichsten Worte, die Jesu uns hinterlassen hat: "Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt!" Dahinter steckt keine verborgene Botschaft: "Also, benehmt Euch auch so!" - es ist einfach eine großartige Verheißung, die Jesus seinen Aposteln, seinen Jüngern und damit einem jedem vermacht.

"So soll Euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie Eure guten Werke sehen" wird nämlich nicht durch den Aufruf Jesu ergänzt: "Also, tut mal kräftig Gutes!" - Es ist die feste Überzeugung Jesu, dass wir schon dadurch leuchten, schon dadurch leuchten, indem wir einfach Christen sind. Die guten Werke, von denen er spricht, sind keine großartigen Zusätze, zu denen wir Christen uns aufraffen:
Einfach auf Gott zu vertrauen - das ist ein Gutes Werk, das leuchtet. In der Not zu Gott zu beten - das strahlt aus. Sich seiner Schuld vor Gott bewusst sein - das zieht Kreise. Zu wissen, dass in Jesus unsere Schuld ein Ende hat - das ist heller als jede Dunkelheit.

Dass Jesus uns diesen Mut macht, ist leider nötig. Denn oft genug glauben wir, dass unser Christsein allein nichts bringt. Wir trauen den von Jesus gepriesenen Guten Werken nicht wirklich; und so wird unser Salz schal und unser Licht verborgen:

Einfach an Gott zu glauben - so denken wir - reicht doch nicht aus. Wir suchen nach schlagkräftigen Argumenten, nach genialen Begründungen. Und da wir sie nicht parat haben, verstecken wir unseren Glauben.
Einfach Gott um Verzeihung zu bitten - so denken wir - wird uns doch nur als Heuchelei ausgelegt. Wir glauben ja selbst nicht unbedingt an die Kraft der Beichte, an das Glück der Vergebung und daran, dass Jesus für unsere Sünden gelitten hat. Also verbergen wir unsere Schuld, bis wir selbst nicht mehr daran glauben - und das Salz der Vergebung wird schal. Wer braucht es noch? Es taugt nichts mehr und wird vergessen.
Einfach zum Gottesdienst zu gehen, weil wir Gott mögen, - so denken wir - wird uns doch nur als "Frömmelei" ausgelegt, als hirnloses Verhaftetsein in seltsamen Traditionen. Der Spott und die Verlockungen, frei von Verpflichtungen zu sein, treffen uns - und so gehen wir halt seltener und irgendwann nicht mehr. Schließlich ist unsere Treue zum Sakrament "im Eimer" - wo sie niemandem mehr leuchten kann.

Stellen sie sich vor, ein Nicht-Christ, ein Nicht-glaubender, gibt Ihnen eine Chance und sagt: "Okay, Du hast viel von Deinem Glauben erzählt. Ich möchte Dich einmal begleiten und sehen, was Dein Glaube so zu bieten hat." - Was würden sie mit Ihm unternehmen?

Vermutlich zu einem Mega-Ereignis gehen. Katholikentag. Weltjugendtag. Zu einem besonders peppigen Gottesdienst. Ein Festhochamt - mit Kirchenchor. Oder zu den Schwestern der Mutter Theresa - Nächstenliebe erfahren. Nach Taize. Einem gut besuchten Jugendgottesdienst.

Kämen Sie auf die Idee, einen solchen, ehrlich suchenden Menschen in einen unserer stillen Freitagabendmessen mitzunehmen? Zur sonntäglichen Andacht, zur Anbetung?

Paulus schreibt: "Als ich zu Euch kam, Brüder, kam ich nicht, um glänzende Reden oder gelehrte Weisheit vorzutragen... ich hatte mich entschlossen, nicht zu wissen außer Jesus Christus." - Paulus weiß - genauso wie die Schwestern von Mutter Theresa - dass wir Gott nicht in der äußeren Gestaltung finden. Sind wir von der Strahlkraft einer stillen Andacht überzeugt? Wissen wir die Leuchtkraft einer schlichten Hl. Messe zu schätzen? Oder glauben wir, dass wir gestalten müssen, um zu gewinnen?

Glauben Sie mir - die wenigsten Menschen haben sich durch eine kluge Predigt, einem genialen Argument oder einem perfekten Christen bekehren lassen. Andre Frossard zum Beispiel, ein überzeugter Atheist und mit sich selbst zufrieden, erfährt seine Bekehrung, indem er rein zufällig eine Kirche betritt, in der nichts anderes geschieht als eine Anbetung. Nach zwei Minuten, so sagt Andre, war er Christ. Nicht, weil er von der Gestaltung so begeistert war, sondern weil Gott in angerührt hat - ohne unser zutun. Nach dem Gottesdienst sagt er seinem Freund: „Ich bin katholisch", und fügt hinzu: „apostolisch, römisch". Einfach so. (Buch: "Gott existiert - ich bin ihm begegnet")

Liebe Schwestern und Brüder, wir sind Licht der Welt - weil Gott in uns leuchtet. Wir leuchten nicht durch die Klugheit unserer Predigt, durch ein vorbildliches Leben, nicht durch die Schönheit unseres Gesanges, nicht durch die Gestaltung unserer Kirche oder Gottesdienste. Alles das ist Ausdruck unseres Glaubens - aber nicht der Grund, warum wir glauben.

Seien wir einfach nur Gott nah; nehmen wir seine Einladungen und Aufforderungen an. Bemühen wir uns um ihn und seine Liebe. Und unser Licht wird heller strahlen als jede Leuchtreklame.

Amen.

359. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Wenn wir weg wollen von dem «erhobenen Zeigefinger», von dessem Missbrauch ich letzen Sonntag gesprochen habe, dann passt das heutige Evangelium sehr gut. Jesus hält den Menschen in der Bergpredigt keine Gardinenpredigt: Es heißt nicht: «Ihr sollt das Salz der Erde sein», «Seid das Licht der Welt!». Jesus stellt nur fest: «Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt!»
Wenn wir glauben und uns im Glauben an Jesus Christus halten - vor allem an das, was er in der Bergpredigt gesagt hat - dann sind wir das Licht der Welt. Allein weil wir die Zusage haben, Kinder Gottes zu sein, schaut die Welt auf uns. Mit aufmerksamen und oft kritischen Augen, missbilligend, aber auch staunend über unser gutes Verhältnis zu Gott.

Nun gibt es aber doch Christen, die genau damit nicht fertig werden. Es gibt Christen, die alles andere sein wollen, nur nicht «Licht für die Welt». Die es nicht haben können, dass andere, die noch auf der Suche nach der Wahrheit sind, auf uns schauen. Die jeden Anspruch leugnen, selbst das Licht der Wahrheit erkannt zu haben.

Sie reden zwar davon, es sei ein Zeichen von Toleranz und Bescheidenheit, sich nicht als Hüter der Wahrheit aufzuspielen. Aber letztlich ist es ja nicht ihr Leistung, die Wahrheit gepachtet zu haben, sondern ein Geschenk Jesu. Kein Mensch kann den Anspruch erheben, alleine recht zu haben. Kein Mensch kann behaupten, die endgültige Antwort geben zu können. Aber Gott kann das doch wohl - oder? Und Jesus Christus ist doch Gottes Sohn und hat uns - wie Paulus sagt - als einziger die Kunde von Gott gebracht.

Jesus hat uns das Licht des Glaubens geschenkt. Und nun kommen wir, und stülpen ein Gefäß darüber, einen Eimer - wie Jesus gesagt hat. Und das nennen wir dann Toleranz und Bescheidenheit. (Ich würde eher sagen, dass das eine Form der Ängstlichkeit ist.)
Ähnliches gilt auch für die Zusage: Ihr seid das Salz der Erde. Wir sind als diejenigen, die Gott zum Leben berufen hat, das Gewissen der Welt. Dem grauen Alltag geben wir Geschmack, dem abgestumpften, faul gewordenen Kompromissen geben wir das Feuer zurück.
Auch das ist nicht immer so ganz einfach und noch lange nicht die Lieblingsaufgabe der Christen. Wer aus seiner eigenen Glaubenserfahrung heraus nicht so werden will wie alle anderen Menschen, der muss sich harte Vorwürfe gefallen lassen: «Ihr seid ja von gestern! Ihr solltet nicht so weltfremd sein! Das könnt ihr doch heute nicht mehr von den Menschen verlangen!»

Und ruckzuck sind wir Christen, wenn wir uns unter diesen Vorwürfen ducken, nicht mehr Salz, sondern nur noch Suppe. Wenn aber das Salz schal wird - womit kann man es wieder salzig mach? Es taugt nicht mehr!
Wenn wir Christen nur noch so sein wollen wie alle - auch eine Form der Ängstlichkeit - dann taugen wir nicht mehr als Christen.

Liebe Schwestern und Brüder, so ist das mit den Verheißungen und Zusagen: Jede Gabe Gottes ist gleichzeitig auch eine Aufgabe, der erfüllt sein will. So ganz lässt sich der erhobene Zeigefinger nicht vermeiden. Aber im Zentrum des Evangeliums steht er nicht - im heutigen Evangelium kommt er z. B. nur in Nebensätzen vor.
Wir können die Ängstlichkeit der Christen nämlich nicht dadurch korrigieren, indem wir uns vorhalten: Du darfst nicht so Ängstlich sein! Vielmehr helfen wir uns gegenseitig über unserer Ängstlichkeiten hinweg - die auch ich immer wieder habe und die mich daran hindern, ein guter Priester zu sein - indem wir uns Mut machen und uns an Gottes Zusage erinnern. Deshalb wurde das Evangelium heute auch wieder verlesen - obwohl sie es sicher alle schon einmal gehört haben. Um uns durch Erinnerung zu ermutigen.
«Du bist das Licht der Welt! Du leuchtest den Menschen, weil Gott dich erleuchtet! Die Menschen preisen Gott, wenn sie deine guten Taten sehen! Du bist derjenige, der einer gottlosen Gesellschaft und Umgebung wieder Geschmack und Freude am Leben gibt. Du bist das Salz der Welt!»

Seien wir dankbar, dass wir eine solche Gabe (Aufgabe) bekommen haben. Und dass wir einander haben, sie zu bewältigen. Amen.

360. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

«Teile an die Hungrigen dein Brot aus, nimm die Obdachlosen Armen ins Haus auf, wenn Du einen Nackten siehst, bekleide ihn und entzieh Dich nicht Deinen Verwandten.» Das meint zumindest Jesaja.

Dass hier die Hungrigen, Obdachlosen, Nackten mit den Verwandten in einem Atemzug genannt werden, mag uns etwas überraschen. Aber Jesaja hat damals wohl gewusst, wovon er spricht: Das sind die, denen wir nicht so gerne helfen.

Ja, wenn Claudia Schiffer an unsere Tür klopfen würde und um einen kleinen Bissen Brot fragen würde, dann wären wir sofort bereit, ein ganzes Buffet aufzufahren! Oder wenn Michael Schumacher klingelt und nach dem Weg fragt, dann steigen wir sofort ein und laufen den ganzen Weg fröhlich pfeifend wieder zurück. So mancher träumt davon, in eine solche glückliche Lage zu kommen. Aber genau das sollte der christliche Normalfall sein: Helfen, weil es uns eine Ehre ist, ein Freude, ein Vergnügen!
Oder stellen sie sich einen junge Mann vor, der das unsagbar Glück hat, dass seine Angebetete vor seinen Augen stürzt und hilflos am Boden liegt! In Nullkomma-Nix ist er dabei, ihr aufzuhelfen und strahlt dabei selber vor Freude.

Ich erinnere mich noch an eine Bergtour in Österreich mit einer Reihe von Jugendlichen, und an den 16-jährigen, der überhaupt keinen Sinn darin sah, auf Berge zu steigen. Die ganze Zeit lag er mir in den Ohren: «Was soll ich da oben? Kann ich denn wenigstens den Rucksack im Bus lassen?» Und wenig später sah ich in von Stein zu Stein hüpfen - mit zwei Rucksäcken! Die ganze Bergsteigerei hatte plötzlich für ihn eine neue Dimension bekommen, weil er den Rucksack einer wirklich sympathische 17-jährigen tragen durfte. Für seine Schwester hätte er das wohl nicht getan.
Das Problem mit der Helferei liegt darin, dass wir gerne helfen, wenn uns die Person, die Hilfe braucht, am Herzen liegt. Und das, liebe Schwestern und Brüder, ist das Geheimnis des christlichen Tuns. In der christlichen Version der zehn Gebote gibt es eben nicht das Gebot der christlichen Helferei, sondern das Gebot der christlichen Nächstenliebe. Wir sollen nicht auf das schauen, was wir tun, sondern auf den, dem wir etwas tun.

Beim Tragen der Last eines des anderen sollen wir immer so wie der 16-jährige von Stein zu Stein springen, weil wir uns freuen, jemandem helfen zu können. Das ist christlich! Nicht darüber nachdenken: "Mein Gott, ist der Rucksack schwer, aber ich muss ihn ja tragen, hat ja Jesus gesagt. Wirklich zu ärgerlich, dass ausgerechnet ich Christ sein muss..." Sondern: "Ist sie nicht nett?! Soll ich vielleicht fragen, ob sie noch einen Rucksack hat?!"

Wenn es in einem christlichen Gedanken heißt: «In jedem, der Deine Hilfe braucht, sollst Du Christus erkennen!», dann hilft uns das heute oft gar nicht weiter. Da gefällt uns das Beispiel: «Stell Dir vor, derjenige, dem Du hilfst, ist Sarah Connor oder Sven Hannawald» schon besser. Weniger hilfreich ist es wahrscheinlich, sich vorzustellen, es sei der eigene Bruder, oder die eigene Schwiegermutter.

Aber gerade dazu werden wir Christen ermutigt: «Zunächst Christus über alles zu lieben!» Das ist der Beginn der wirklich Nächstenliebe: Christus zu lieben! Und dann in jedem Menschen ihn zu erkennen und nicht zu fragen: "Muss ich wirklich?", sondern vielmehr: "Kann ich nicht noch mehr?"

Und manchmal tut es gut, mit dem Schwierigsten anzufangen: Erkennen sie Christus, Gott, den Sie lieben, in ihrer buckeligen Verwandtschaft. Tun Sie ihnen Gutes, weil sie sich freuen, es tun zu dürfen!

Wenn Sie im Nächsten und im Verwandten Christus erkennen, dann, liebe Schwestern und Brüder, sind sie Licht der Welt und Salz der Erde. Und dann haben Sie mehr Freude im Leben, als andere haben bei Korn und Wein und Karneval in Fülle. Amen.

361. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Mit klugen und gewandten Worten", so wünschen sie sich wahrscheinlich, nicht anders als die Leute in Korinth, eine Predigt. Anziehend, spannend und begeisternd soll die Verkündigung von Gott, die Werbung für Christus sein.

Paulus hat da aber so seine Probleme mit in Korinth, wie wir es vorhin in der Lesung gehört haben. Er sagt es ganz deutlich, ich kann keine glänzende Reden halten, oder eine gelehrte Weisheit vortragen. Er will keine Menschen zum Glauben überreden. Seine Aufgabe sah er allein darin, auf Christus zu verweisen. Die Menschen sollten ihm begegnen und dadurch die Kraft und den Geist Gottes erfahren. Paulus hatte sich entschlossen, nichts zu wissen, außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten. In dieser Begegnung mit Ihm kann einem aufgehen, wie Gott ist, daß er sich durchsetzt nicht mit dem Einsatz seiner Macht, sondern mit der Kraft seiner Liebe. Am Gekreuzigten kann ich erkennen: Gott siegt nicht, indem er das Böse niedermacht, sondern durch seine Hingabe von innen heraus. Das Böse kann über Christus nicht Herr werden, weil er alles auf Gott, auf die Kraft der Hingabe setzt, weil er bis zum letzten Atemzug sein Leben in die Hände des Vaters legt. In der Begegnung mit Christus wird einem leibhaftig deutlich: indem Gott sich hingibt und schenkt, ist er kraftvoll am Werk in dieser Welt.

Und so auch heute noch: das Leben der Welt liegt nicht in der Hand der Klugen und Mächtigen, der Wirtschaftsbosse und Werbefachleute. Sie liegt auch weiterhin, man mag es kaum glauben und geschweige denn sagen, in der Hand Gottes. Dort, wo nur Machtstreben und Interessenverteidigung, wo allein Wachstum und Gewinnmaximierung gelten, sind die falschen Kräfte am Werk. Dadurch werde ich den Menschen nicht gerecht. Der führende deutsche Wirtschaftszweig, die Autoindustrie hat im letzten Jahr ein sattes Plus von 7% gemacht, die Sparkasse Münster, so war heute in der Zeitung zu lesen, hat ein Umsatzplus von 10% verbucht, und trotz dieses Wirtschaftswachstum steigt die Arbeitslosigkeit im Januar vielleicht auf die höchste seit der Nachkriegszeit, auf über 4 Millionen Menschen. Den Menschen helfe ich durch solches Wachstumsdenken also nicht. Nur dort, wo Hingeben, Teilen und Helfen die letzten Beweggründe sind, dort ist die Kraft Gottes am Werk. Dort wirkt der, der auch heute allein auf der Welt das Ziel, unserem Leben Sinn zu geben vermag.

Hingeben, Teilen und Helfen, davon müssen wir nicht in gewandten und klugen Worten reden, sondern das müssen wir leben. Wir sind das Salz der Erde, sagt Christus. Salz sind wir nicht für uns selber, Salz gibt es nicht um des Salzes wegen, sondern Salz würzt die Speise. Wir seine Jünger, wir Christen sind diejenigen, durch die die Erde ihren Geschmack bekommt. In Holland, wo der Staat ja im ethischen Bereich mittlerweile fast alles erlaubt, rufen die Politiker die Kirche dazu auf, doch mehr für die Werte einzutreten. Recht so, wir sind das Salz der Erde und nicht der Zucker, der alles versüßt. Wenn Salz auf Wunden gelegt wird, schmerzt es, aber es reinigt und heilt auch. Wir haben unsere anstößige christliche Botschaft in die Welt hinein zu tragen. Und zwar nicht durch glänzende Reden und gelehrte Weisheit, sondern durch unser Leben. "Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen?" Wenn wir durch unser Leben Christus nicht vergegenwärtigen, wer soll denn dann noch für ein christliches Miteinander sorgen? Wen wir es nicht tun, dann tut es keiner. Wenn wir fad und lau geworden sind, taugen wir zu nichts mehr, dann sollen wir unseren Christentitel lieber in die Ecke werfen und brauchen uns nicht wundern, wenn darauf herum getrampelt wird. Werden wir doch 'mal konkret: würden wir Katholiken in Deutschland nicht abtreiben, sähe das deutsche Abtreibungsrecht wahrscheinlich anders aus. Wären katholische Familien in Deutschland wirkliche Hauskirchen, sähe die Frage um Kreuz in Klassenzimmern anders aus. Hätten Katholiken in Deutschland wirklich die Absicht, ihre Kirche auch finanziell zu tragen, könnte die Kirche jeder Debatte um die Kirchensteuer gelassen entgegensehen. Haben wir unseren Geschmack verloren?

Christus sagt: "Ihr seid das Licht der Welt" Wenn wir unser Licht unter ein Gefäß verstecken, wozu haben wir es dann überhaupt angezündet? Warum sind wir Christen geworden, wenn wir dieses unser Licht nicht hoch auf den Leuchter stellen, so daß jeder sehen kann, wer unserem Leben Sinn gibt? Wenn wir nicht Licht für andere sein wollen, dann können wir unser Licht lieber gleich ganz ausblasen. Wir sind durch Christus, durch unsere Taufe auf seinen Namen, durch die Firmung, durch die Salbung mit Gottes Heiligem Geist zum Salz der Erde und zum Licht für die Welt befähigt und berufen. Es ist Zusage und Anspruch zugleich. Durch unser Leben im Namen Jesu Christi, durch unsere Hingabe in guten Werken, die wir in seinem Namen tun, können andere Menschen zum Glauben kommen. Nicht durch noch so gut gemeinte päpstliche Verlautbarungen oder Unterschriftenaktionen, sondern durch unsere guten Werke kommen andere Menschen dazu, unseren Vater im Himmel zu preisen, wie es im Evangelium hieß.

Die Seligpreisungen vom letzten Sonntag geben genügend ganz konkrete Vorschläge. Sie sind alle im 5. Kapitel des Matthäus - Evangeliums nachzulesen. Wenn ich zum Helfen bereit bin und das meine ordne, wie es recht ist, dann erstrahlt Licht in der Finsternis, dann leuchtet der gnädige, barmherzige und gerechte Gott in uns auf. Dann werden wir zum Licht für die Welt, dann sind wir Salz, das das Leben der Menschen erst schmackhaft macht, ihm die Fülle gibt, nach der sich doch alle sehnen.

Jetzt am Altar wird Christus unter uns sein in seiner Hingabe für uns bis zum Kreuz, ja er wird seinen Leib teilen zu unserer Speise. An ihm darf ich teilhaben, damit ich mit ihm zum wahren Leben erstehe und zum Licht und Salz werde für den dunklen und faden Alltag der Menschen.

362. Predigtvorschlag

„Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Kleriker und der Politiker, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“ – so könnte Jesus vielleicht heute sprechen, wenn er zu uns käme und wir die Zuhörer bei seiner Bergpredigt wären.

Denn die Schriftgelehrten und die Pharisäer – das waren diejenigen, die eigentlich als vorbildlich gelten sollten, als wegweisend, als beispielhaft, in geistlichen Dingen wie in den alltäglichen Dingen, im praktischen Leben eben.

Aber was heißt hier „gerecht“: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist ...“ (Mt 5,20)? Hier haben wir ein Wort, das für die Bibel, besonders auch für das Matthäus-Evangelium, von entscheidender Bedeutung ist! Hier haben wir gewissermaßen einen Schlüssel für das Verstehen dessen, was Jesus hier meint: Gerechtigkeit, auf die kommt es an; Gerechtigkeit, die kann nicht groß genug sein.

Was bedeutet das? Nun, die „Gerechtigkeit“ bestand für den frommen Juden darin, das Rechte zu tun vor Gott und den Menschen. Woher konnte er wissen, was recht und was nicht recht war? Er konnte es wissen aus den Geboten und den Weisungen der Tora: 613 einzelne Vorschriften gab es da, 248 Gebote und 365 Verbote.

Daran sich zu halten, in allen Einzelheiten, das war natürlich unmöglich, das wußten auch die strengsten Ausleger. Aber es mußte doch wenigstens versucht werden!

Hier kommt der tiefere Sinn der „Gerechtigkeit“ ins Spiel, ein Sinn, der aufscheint, wenn zum Beispiel der heilige Josef als „gerecht“ bezeichnet wird (vgl. Mt 1,19) oder vom greisen Simeon gesagt wird, er sei „gerecht und fromm“ (Lk 2,25). Hier wird schon durch die Kombination der beiden Worte „gerecht“ und „fromm“ deutlich, daß einer nur gerecht werden und gerecht sein in der rechten Beziehung zu Gott, seinem Schöpfer. Und diese rechte Beziehung nennt man auch: Glauben.

So wird dann auch der heilige Paulus immer wieder sagen, daß die wahre Gerechtigkeit, also das richtige Leben vor Gott und den Menschen, nur durch den Glauben an Gott gelingt (vgl. Apg 13,39; Röm 3,26.28; 5,1; 10,4 u.a.): Wer glaubt, den macht die Gnade Gottes gerecht.

Aber zurück zur Frage von vorhin: Warum muß denn unsere Gerechtigkeit „größer“ sein als die der anderen, die sich für gerecht und gut halten, aber es vielleicht gar nicht so besonders sind? Ist das nicht überheblich, das zu behaupten oder danach zu streben? Sollten wir da nicht lieber bescheiden bleiben und sagen: Naja, wir sind doch alle kleine Sünderlein ... der liebe Gott nimmt es wohl nicht so genau ... oder, wie es demnächst an Karneval so schon gesungen werden wird: „Wir kommen alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind ...“? Was soll man dazu sagen?

Nun, eigentlich müssen wir dazu gar nichts mehr sagen! Denn wenn wir genau zugehört haben und Jesus wirklich ernstnehmen wollen, haben wir die Antwort auf diese Frage schon gehört! Wir haben gehört, daß dann, wenn unsere Gerechtigkeit nicht größer wird und größer ist, wir nicht „in das Himmelreich kommen“: Das „Himmelreich“, das ist die vollendete Gemeinschaft mit Gott, das ist der vollkommene Friede, die Freude, die nur Gott selbst schenken kann, das wirkliche Glück, das Ziel erreicht zu haben, das die Fülle des Lebens einschließt.

Und an dieser Stelle kann uns der genaue Wortlaut noch besser helfen, zu verstehen, was gemeint ist. Was nämlich in unserer Bibel mit „größer“ übersetzt ist oder in anderen Ausgaben mit „vollkommener“, ist im Urtext noch etwas anders ausgedrückt. Da heißt es wörtlich: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit mehr Überfluß haben wird ...“

Hier begegnet uns ein Thema, das größer und wunderbarer eigentlich nicht sein kann: Das Gesetz des Überflusses,[1] in dem der Mensch nicht mehr länger rechnet und berechnet, ob sein Tun vor Gott wohl genügen wird, sondern wo der Mensch einfach großzügig, im Überfluß und ohne Hintergedanken liebt, weil er sich unendlich geliebt und von Gott angenommen weiß.

Das soll ein Christ sein: ein Mensch, der die Großzügigkeit liebt. Denn Gott selbst ist überaus großzügig mit uns Menschen: Jesus hat bei der wunderbaren Brotvermehrung die Vielen gespeist, nicht nur ein paar Wenige. Er hat auf der Hochzeit zu Kana gleich 600 Liter besten Wein gespendet. Und er gibt alles, sein Leben, hin für uns Menschen, ja für die Sünder.

Und darin besteht im Tiefsten die Großzügigkeit Gottes: daß er sich der Sünder annimmt und sie überreich beschenkt - obwohl er doch wissen muß, daß nicht alle dankbar sein werden. Von den 10 Aussätzigen, die Jesus geheilt hat, kommt nur ein einziger zurück, um ihm zu danken!

Dazu können wir alle beitragen! Mutter Teresa von Kalkutta wurde einmal von einem Journalisten gefragt, was sich ihrer Meinung nach in der Kirche ändern müßte. Darauf hat sie ihn angeschaut und mit nur drei Worten geantwortet: „Sie und ich.“

[1] Diesen Gedanken verdanke ich einer Predigt des damaligen Professors Joseph Ratzinger, die er 1964 in Münster gehalten hat: Vom Sinn des Christseins. Drei Adventspredigten, München 1965, S. 63 ff.

363. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Manchmal erliegen wir Priester und wir Christen der Versuchung, mit Methoden, Konzepten, Vorschriften und Regeln den lebendigen Glauben herbeizuzaubern. Man rechnet damit, dass die Erfüllung von Vorschriften entweder das innerliche Glaubensleben ankurbelt, oder aber dass man mit geeigneten Methoden ein Gemeinschaftsgefühl erzwingen kann.

Gerade angesichts dieser Tendenz ist es wichtig für die Fülle im Glauben, festzuhalten, dass Glauben und die Beziehung zu Christus eine Herzensangelegenheit ist. Es darf nicht angehen, dass ich, als Priester zum Beispiel, Menschen nach Ihrer Oberfläche beurteile. Was zählt, ist das Herz, und das bleibt meistens im Verborgenen. Uns bleibt daher, nicht zu urteilen, sondern zu stärken, zu trösten und zu helfen. Seid gut, wenn ihr könnt! Es zwingt euch keiner - außer euer Herz.

Wenn wir uns bemühen unser eigenes Herz unter der Oberfläche zum Glühen zu bringen - bedarf es vor allem drei Dinge:
Der Gnade - des Willens - und einer gehörigen Portion Gelassenheit.
Um die Gnade müssen wir beten. Wir können sie nicht erzwingen oder verdienen. Den Willen müssen wir üben, immer neu ausrichten an der Liebe Gottes. Und beides braucht viel Raum und Zeit. Die Ungeduld kann alles wieder zerstören. Wie schnell sind wir an dem Punkt zu sagen: «Das hat alles keinen Zweck, ich kann das nicht, ich schaff das nicht, ich lass das sein. Ich bin nicht fähig dazu, zu glauben, zu beten, Gott zu lieben.» Und flugs sind wir wieder bei den Äußerlichkeiten und hoffen, dass es reicht.

Dabei hat Gott uns guten Grund gegeben zur Gelassenheit. Im heutigen Evangelium heißt es nämlich: «Nicht erst, wer seinen Bruder tötet, sondern wer seinem Bruder auch nur im Herzen zürnt...» Das mag zunächst nach einer Verschärfung der Gesetze aussehen. Aber Meister Eckhart hat es auf den Punkt gebracht: «Du bist verantwortlich für alle deine Intentionen». Auch der, der seinen schlechten Vorsatz aus irgendwelchen Zufällen nicht in die Tat umsetzen konnte - ist verantwortlich für seinen Vorsatz, für seine Intention.
Aber dann gilt auch umgekehrt: Auch dem, der sich die gute Tat fest vorgenommen hat, aber nicht dazu kam, wird das Gute angerechnet werden. Wir kennen das: Böse Worte sind gefallen, man möchte sich vielleicht auch entschuldigen, aber kommt nicht dazu, man bringt es nicht übers Herz oder vergisst es dann doch wieder. Gott vergisst es nicht! Gott ist größer als unser Herz - wir werden erstaunt sein, welche guten Taten uns beim Jüngsten Gericht angerechnet werden - «die hab ich doch nie getan!» All das Gute folgt uns nach, das wir getan haben, aber auch all das, was wir gewollt haben.

Wenn wir nicht anders können - kann ein Lächeln, ein liebender Blick, ein aufmunterndes Nicken - eine ganze Palette von guten Werken ersetzen. Wir sind verantwortlich für unsere Intentionen, und wenn unser Herz uns auch verurteilt, weil wir doch nichts zustande gebracht haben - Gott ist größer als unser Herz. Wir sind auf Gott hin und Gott ist die Liebe. Wenn das kein Grund zur Gelassenheit ist!

Deswegen heißt die Devise der Gelassenen nicht «Mach was aus Dir!» sondern «lass was aus dir machen.» Worauf es wirklich ankommt ist die Liebe. Was wir mitnehmen - irgendwann - ist keine Äußerlichkeit - sondern die Liebe Gottes in uns. Wir brauchen dieser Liebe Gottes in uns nur Platz zu gewähren - möglichst viel - unser Herz weiten.

Und das erreichen wir nicht durch einhämmern von Regeln, Termin, Formularen und Vorschriften, sondern allein durch die Gnade, um die wir bitten, den Willen, den wir üben, und einer gehörigen Portion Gelassenheit.

Amen.

364. Predigtvorschlag

In den Reisebeilagen zu den Tageszeitungen lese ich am liebsten die kleinen Kästchen mit den Urteilen zu den Klagen, die Reisende anstrengen. Wenn der Baulärm vor dem Hotel unerträglich ist – wenn das Essen ungenießbar ist oder wenn es gar keins mehr gibt – wenn Ungeziefer in den Betten krabbelt – wenn ein angekündigter Ausflug ausfallen muß ... es kann viele Verdrießlichkeiten geben, die einen die schönsten Wochen im Jahr gründlich vermiesen und wo es nur einen Ausweg zu geben scheint: mein Geld muß zurück. Das, was mir zusteht, bekomme ich auch, und wenn ich es mir hole.

Die Urteile, die darüber gesprochen werden, versuchen, irgendwie die Gerechtigkeit wiederherzustellen. Das, was recht ist, soll auch zum Zuge kommen. Der, der im Recht ist, soll auch recht bekommen. So weit, so gut.

Unser ganzes Rechtssystem fußt auf dieser Grundlage: daß jedem Gerechtigkeit widerfahren soll, das heißt, daß jedem nach Möglichkeit das gegeben wird, worauf er gerechterweise Anspruch hat.

Ist auf diesem Hintergrund nicht das, was Jesus sagt, völlig absurd? Daß einer, dem etwas weggenommen wird – der Mantel - auch noch das Hemd hergibt? Daß einer, der ungerecht geschlagen wird, das auch noch hinnimmt und erwartet, noch mehr Schläge zu bekommen? Ist das überhaupt noch menschlich, von Fairneß und Gerechtigkeit ganz zu schweigen?

Bevor wir behaupten, Jesus sei hier völlig weltfremd und abgehoben, und bevor wir denken, naja, die Kirche steht ja auch im Verdacht, in einer unrealistischen Weise Friedfertigkeit und Gewaltlosigkeit zu predigen, und sie muß sich darum nicht wundern, von vielen nicht ernstgenommen zu werden – bevor wir also unser Urteil darüber sprechen, was wir glauben, von Jesus verstanden zu haben, müssen wir doch erst einmal einen Moment innehalten.

Wir müssen uns überlegen: Was bedeuten denn eigentlich diese beiden zentralen Stichworte, die da die ganze Bergpredigt Jesu durchziehen? Diese beiden zentralen Worte, das sind: Gerechtigkeit und Vollkommenheit. Unsere Gerechtigkeit, so will Jesus, soll größer, „überfließender“ sein als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, also derer, die den Ton angeben und eigentlich Vorbilder sein sollten, - und wir sollen „vollkommen“ sein, so wie Gott vollkommen ist.

Als Jesus gefangengenommen war und beim Verhör vor dem Hohenpriester ein Knecht ihm ins Gesicht schlug, hat Jesus das nicht einfach hingenommen, sondern den Knecht gefragt, mit welchem Recht er ihn schlägt (vgl. Joh 18,23).

Jesus lehrt uns nicht, Unrecht einfach hinzunehmen. Ungerechtigkeiten und Unrecht sind Wirklichkeit in unserer Welt, in unserem Alltag, leider. Da sind Unannehmlichkeiten im Urlaub noch harmlos. Was Christen in vielen Ländern dieser Erde erdulden, wo sie verfolgt, eingekerkert, geschlagen und sogar getötet werden, ist für uns beinahe unvorstellbar. Und noch heute leben viele Menschen in bedrückender Unfreiheit, in Sklaverei und sind entrechtet, hilflos, ausgebeutet.

Aber wie kann da Jesus noch fordern oder erwarten, daß wir dem Unrecht keinen Widerstand entgegensetzen, daß wir den Peinigern sogar vergeben, ja sie lieben sollen? Was ist da der Grund, was ist da der Maßstab?

Der Maßstab, so müssen wir sagen, ist ganz einfach! Es ist nicht eine neue Rechtsformel, keine Konstitution, kein Programm. Sondern der Maßstab, der die ganze Bergpredigt durchzieht, ist Er selbst, Jesus. Nicht weniger als sich selbst stellt Jesus als Maßstab auf für alle diejenigen, die Ihm nachfolgen wollen.

Das sieht wie eine Überforderung aus: Wer kann schon von sich sagen, er redet, er handelt, er denkt ganz so, wie Jesus es getan hat! Wir sind schwach, und wenn wir ehrlich sind, sind wir auch häufig mutlos, oberflächlich, wir versagen häufig schon in kleinen Dingen, in Nebensächlichkeiten.

Aber genau da, denke ich, setzt Jesus an: in unserer Schwäche, in unseren Begrenzungen, in unser Armseligkeit. Er setzt daran an, indem er das wunderbar Neue verkündet, etwas, das uns wirklich frei macht, etwas, das uns eine ganz neue Perspektive schenkt und in die Lage versetzt, frei zu handeln und das zu tun, was in den Augen dieser Welt so dumm, so naiv und so unkritisch aussieht: Er schenkt uns die Kindschaft. Er zeigt uns Gott als den Vater aller Menschen, als den Vater, der alle Menschen liebt und der uns zu seinen Töchtern und Söhnen macht und zu Geschwistern untereinander.

Diese Perspektive ist tatsächlich naiv, kindlich, denn wenn ich das annehme und glaube, dann handle ich in einer ganz neuen Weise, in einer ganz neuen Freiheit. Das Recht, das ich erwarten darf, die Gerechtigkeit, die ich wünsche und einfordere, empfange ich von Gott, nicht von Menschen. Den Lohn, den ich für das Gute erhoffe, das ich tue und um das ich mich bemühe, empfange ich von Gott, nicht von Menschen. Die Liebe, die mich aufatmen läßt und die mir Hoffnung und Kraft gibt, empfange ich von Gott. Und wenn Menschen Liebe schenken, haben sie die Kraft und die Möglichkeit dazu von Gott.

Das ist die neue Perspektive, die Jesus eröffnet: die Perspektive der Kindschaft. Als Kinder des einen Vaters im Himmel dürfen wir alles von Ihm erwarten.

Jesus selbst hat in dieser Perspektive gelebt, auch dann, als alles zu Ende schien und er das schwere Kreuz, das ihm auferlegt wurde, den Berg hinaufschleppte. Er hat sich nicht gewehrt, er hat für seine Peiniger gebetet. Und er hat die Hilfe des Simon von Cyrene angenommen, der gezwungen wurde, mit ihm zu gehen und das Kreuz mitzutragen. Hier haben wir, in der Leidensgeschichte Jesu, zum zweiten Mal das Wort, das Jesus in der Bergpredigt verwendet, als es um die Überwindung des Bösen geht: „Wenn dich einer nötigen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm“ (Mt 5,41). – Simon von Cyrene hat diese Weisung der Bergpredigt erfüllt, vermutlich zunächst mit Widerwillen und Abscheu. Später aber ist er mit seiner Familie ein gläubiger Christ geworden, der Jesus in seinem Leben nachfolgt.

Wenn wir die Bergpredigt beherzigen, können wir wie Simon von Cyrene diese Erfahrung machen: Wir gehen nicht allein, Jesus geht mit uns. Er hat das Böse dieser Welt durchkreuzt. Mit ihm verbunden, wird selbst das Böse zum Segen.

365. Predigtvorschlag

Was sehe ich?

Ich kann mich noch recht gut an meinen ersten Besuch in einem Supermarkt erinnern. Bis dahin kannte ich nur die kleinen überschaubaren Geschäfte in meinem Heimatdorf; jetzt aber stand ich als Kind mitten in einem der neuen Konsumtempel, die offenbar die Leute magisch anzogen. – Und was es da alles zu sehen gab! Regale, die meterhoch alle möglichen tollen Sachen präsentierten, die man sich einfach nehmen und an der Kasse bezahlen konnte! Man konnte gar nicht alles überblicken, so viel gab es zu sehen.

An diese Begebenheit mußte ich zurückdenken, als ich genauer hinschaute, welche Verse vor unserem Sonntagsevangelium zu lesen sind. Diese Verse 22-23 wären für das richtige Verständnis wichtig; sie lauten so: „Das Auge ist die Lampe des Leibes. Wenn dein Auge aufrichtig ist, dann wird dein ganzer Leib voll Licht sein. Wenn aber dein Auge aber böse ist, dann wird dein ganzer Leib voll Dunkel sein. Wenn nun das Licht in dir Finsternis ist, wie groß ist dann die Finsternis!“ (Mt 6,22-23).

Was bedeutet das? Es bedeutet, daß die Augen das Einfallstor des Leibes, ja des ganzen Menschen sind. Was an Signalen, an Impulsen, an Reizen auf den Menschen zukommt, das wird durch die Augen in ganz besonderer Weise verstärkt und geprägt. Das Auge sieht nicht nur, was ist, sondern es gibt auch das Signal weiter: Das mußt du haben! Das mußt du besitzen!

So erzeugt das Auge einen Reflex eigener Art, der nicht leicht zu beherrschen und zu kontrollieren ist! Ein Besuch im Supermarkt zeigt das, aber auch das Verweilen vor einem Fernseher oder einem Computer: Wie schwer ist es manchmal, sich davon loszureißen!

Können wir jetzt ein bißchen besser verstehen, was Jesus meint, wenn er sagt: „Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon“ (Mt 6,24)? – Dieses Wort „Mammon“, es hat vermutlich die gleiche Wortwurzel wie das Wort „Amen“. Das bedeutet: Das, was mich anzieht, wovon ich mich leiten lasse, wem oder was mein „Augenmerk“ gilt, das erwartet meine Zustimmung, mein „Amen“! Amen heißt ja: Ich glaube – so sei es!

Der Reflex des Auges, alles in sich hineinziehen, alles für sich haben zu wollen, setzt sich dann fort in einem anderen fatalen Reflex, den wir in unserer Gesellschaft, aber auch in unserer Kirche immer stärker beobachten können:

Das ist der Neid, der Neid auf andere.

Worauf gründet der Neid? Der Neid ärgert sich, daß der andere mehr hat als ich, vermeintlich oder tatsächlich. Der Neid ärgert sich, daß der andere bessergestellt ist als ich, einen besseren Job hat, eine besseraussehende Frau hat, ein größeres Auto fährt undsoweiter. Das kann ja nicht sein! Das darf nicht sein!

Der Neid führt dazu, daß ich immer mehr unzufrieden bin mit meinem Leben und mit mir selbst. Und er führt dazu, dem anderen nicht nur das Gute, das er hat, nicht nur nicht zu gönnen, sondern es ihm im Geiste – oder dann auch tatsächlich – wegzunehmen, denn er hat es ja eigentlich nicht verdient.

So führt der Neid zu Mißfallen und Mißtrauen, das Mißtrauen zu Feindseligkeit, die Feindseligkeit zu Haß. Und so entsteht Böses und setzt sich immer mehr fort.

Der Neid hat noch einen Zwillingsbruder, und das ist der Geiz. Wenn Jesus sagt, es ist einfach gut und richtig, sich wie die Lilien auf dem Feld am Leben zu erfreuen und sich keine unnötigen Sorgen zu machen, wie es morgen und übermorgen weitergeht, dann ist das keine Anstiftung zu einem Hippie-Dasein, wo einer es sich einfach gut gehen läßt und im Zweifelsfalle andere für ihn sorgen. Das ist damit nicht gemeint!

Gemeint ist damit: die Haltung der Selbstlosigkeit und der Großzügigkeit, die das Gegenteil ist vom Geiz, der innerlich verzehrt und zerstört.

Gemeint ist damit auch eine innere Gelassenheit, die weiß, daß wir unser ganzes Dasein Gott verdanken. Daß wir alles, was wir haben und sind, unsere Talente, unsere Möglichkeiten, von ihm als Gabe bekommen haben, damit Gutes zu tun und Gutes zu bewirken.

Viele von Ihnen kennen sicher noch die Antwort auf die erste Frage im Katechismus: Wozu sind wir auf Erden?

Antwort: Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen, ihn zu lieben ihm zu dienen und einst ewig bei ihm zu leben. –

Das ist ein wunderbares Lebens- und Glaubensprogramm! Es enthält in sich die Gelassenheit und die Gewißheit, daß wir als Christen Beschenkte sind, geliebt und gewollt von Gott!

Darum ist es nicht zu viel, von den 168 Stunden in der Woche eine Stunde zurückzugeben, um im Sonntagsgottesdienst dafür zu danken!

Darum ist es nicht zu viel, während des Tages innezuhalten, um Gott um seinen Heiligen Geist, um gute Gedanken und Worte zu bitten und um die Kraft, das Gute zu erkennen und es auch zu tun!

Gott ist nicht geizig mit uns, und darum ist es gut, nicht mit Neid und Geiz zu antworten, sondern mit Großzügigkeit, mit Liebe, mit Gelassenheit und Dankbarkeit.

„Euch aber muß es zuerst um sein Reich und seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,34).

366. Predigtvorschlag

Eines Tages wurde ein alter Professor der französischen nationalen Schule für Verwaltung gebeten, für eine Gruppe von etwa 15 Chefs großer nordamerikanischer Unternehmen eine Vorlesung über sinnvolle Zeitplanung zu halten. Der Professor hatte daher nur eine Stunde Zeit, sein Wissen zu vermitteln.

Er begann: "Wir werden ein kleines Experiment durchführen."
Der Professor zog einen riesigen Glaskrug unter seinem Pult hervor und stellte ihn vorsichtig vor sich. Dann holte er etwa ein Dutzend Kieselsteine hervor, etwa so groß wie Tennisbälle, und legte sie sorgfältig, einen nach dem anderen, in den großen Krug. Als der Krug bis an den Rand voll war und kein weiterer Kieselstein mehr darin Platz hatte, blickte er langsam auf und fragte seine Schüler: "Ist der Krug nun voll?"

Alle antworteten erwartungsgemäß: "Ja." - Er wartete ein paar Sekunden ab und fragte seine Schüler: "Wirklich?"
Dann verschwand er erneut unter dem Tisch und holte einen mit feinem Kies gefüllten Becher hervor. Sorgfältig verteilte er den Kies über die großen Kieselsteine und schüttelte die Kanne. Der Kies verteilte sich zwischen den großen Kieselsteinen bis auf den Boden des Krugs.

Der Professor blickte erneut auf und fragte sein Publikum: "Ist diese Kanne jetzt voll?"
Dieses Mal begannen seine schlauen Schüler, seine Darbietung zu verstehen. Einer von ihnen antwortete: "Wahrscheinlich nicht!"

"Gut!" antwortete der Professor. Er verschwand wieder unter seinem Pult und diesmal holte er eine Schüssel mit Sand hervor. Vorsichtig kippte er den Sand in den Krug.
Der Sand füllte die Räume zwischen den großen Kieselsteinen und dem Kies auf. Die Glaskanne schien nun aber wirklich randvoll zu sein.
Wieder fragte er: "Ist dieses Gefäß voll?" Dieses Mal antworteten seine schlauen Schüler ohne zu zögern im Chor: "Ja, jetzt aber wirklich!"

"Aha", antwortete der Professor. Und als hätten seine Schüler alle nur darauf gewartet, nahm er die Wasserkanne, die unter seinem Pult stand, und schüttete das Wasser in den augenscheinlich doch absolut vollen Glaskrug. Von seinen Schülern hörte man nur ein erstauntes Raunen…

Dann blickte er auf und fragte sie: "Was können wir Wichtiges aus diesem Experiment lernen?"
Der Kühnste unter seinen Schülern - nicht dumm - dachte an das Thema der Vorlesung und antwortete: "Daraus lernen wir, dass selbst bei einem randvollen Zeitplan immer noch Platz ist, um etwas dazwischenzuschieben."

"Nein", schmunzelte der Professor, "darum geht es nicht. Was wir wirklich aus diesem Experiment lernen können, ist folgendes: wenn man die große Kieselsteine nicht als erstes in den Krug legt, werden sie später niemals alle hineinpassen."

Es folgte ein Moment des Schweigens. Jedem wurde bewusst, wie sehr der Professor recht hatte. Dann fragte er: "Was sind in eurem Leben die großen Kieselsteine? Eure Gesundheit? Eure Familie? Eure Freunde? Euer Glaube? - Was wirklich im Leben wichtig ist, ist, dass man die großen Kieselsteine in seinem Leben an die erste Stelle setzt!

Wenn man jedoch zuallererst auf Kleinigkeiten achtet, verbringt man sein Leben mit Kleinigkeiten und hat nicht mehr genug Zeit und Kraft für die wichtigen Dinge in seinem Leben. Deshalb vergesst nicht, euch selbst die Frage zu stellen: 'Was sind die großen Kieselsteine in meinem Leben?' Dann legt diese zuerst in euren Krug des Lebens!"
Mit einem freundlichen Wink verabschiedete sich der alte Professor von seinem Publikum und verließ langsam den Saal...

Liebe Schwestern und Brüder,

legen wir zuerst Gott in den Krug unseres Lebens. Er kümmert sich um uns. Er sorgt für uns.
Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.

Wir haben Sorgen. Klar. Um die weiß unser himmlischer Vater.
Aber vor lauter Sich-Sorgen vergessen wir oft die Obhut, die Gott für uns hat.
Wenn wir aber nur uns trauen und unseren Absicherungen werden wir wie die Heiden leben. In Heidenangst. Denn die Götter der Heiden sind und waren unberechenbar und launisch.

Uns Christen ist zugesprochen: Fürchtet euch nicht.
Jesus sagt: Macht euch keine Sorgen.
Und das ist keine billige Vertröstung, sondern Trost, für den der glaubt.

367. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Sie erinnern sich vielleicht noch an die Predigt, wo ich hier ein Glas mit großen Steinen, dann mit Kieselsteinen, mit Sand und letzlich mit Wasser gefüllt habe. Immer die Frage, ob das Glas nun voll sei und mit der Lehre: dass wir die großen Steine nur in das Glas bekommen, wenn wir sie zuerst einfüllen, sonst ist es bereits mit Kieselsteinen, Sand und Wasser gefüllt.

Was sind unsere großen Steine in unserem Lebensglas? Jesus macht uns im heutigen Evangelium deutlich, dass wir nicht zwei Herren dienen können - so groß ist das Glas nicht. Nur einer kann an erster Stelle stehen. Was ist der höchste Wert in meinem Leben? Gott oder der Mammon? Was hat mein Denken in der letzten Woche bestimmt? Der Dr unseres Verteidigungsministers oder die Hunderten von Menschen in Nordafrika, die beim Kampf um Freiheit getötet worden sind?

"Sorgt Euch nicht um morgen" - Natürlich darf ich mich ums Morgen kümmern, erst recht, wenn ich Verantwortung für Familie, für andere übernommen habe. Aber trau ich Gott zu, dass er mich im Blick hat? Selbst wenn die Mutter Dich vergisst - ich vergesse Dich nicht, hieß es in der ersten Lesung bei dem Propheten Jesaja. Selbst wenn es so aussieht, als wenn Gott uns im Leid alleine lassen würde, wie bei Jesus am Kreuz: alle Jünger sind weg, alle haben ihn verlassen, scheinbar auch Gott - so schreit es Jesus - aber dennoch war Gott da! Gott ist da! Er verlässt uns nicht.

Wir sollen uns nicht um die Kieselsteine kümmern, sondern um das Reich Gottes. Bleibt mir treu, hieß es bei Paulus im 1. Korintherbrief, richtet nicht, das übernimmt Gott - er kennt die Absichten der Herzen - wir kennen die weder bei Karl-Theodor noch bei Flüchtlingen auf Lampedusa.

Sorgt Euch nicht um morgen heißt nicht: faul sein, Gott macht das schon - quatsch! Sondern es heißt: arbeite nicht für Deinen Wohlstand, sondern für den Besitz des Herrn. Das ist der große Felsen, der im Zentrum unseres Lebensglases stehen soll. Alles andere hat dann noch genug Platz.

368. Predigtvorschlag

Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. (...)
Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, ist wie ein unvernünftiger Mann, der sein Haus auf Sand baute.

Liebe Schwestern und Brüder,

was es heißt einen guten Baugrund zu haben oder eben nicht, das wissen Sie und ich. Gerade hier in Grafenwald und der Region, wo der Bergbau den Baugrund öfters unsicher werden läßt.

Jesus spricht davon, daß auf seine Worte zu hören und danach zu handeln, der beste Baugrund für unser Lebenshaus ist.
Beides gehört für ihn zusammen: hören und danach handeln.

- Auf die Worte Jesu hören.
Wir leben in einer lauten Welt. Fast immer und überall dudelt es um uns herum. Bei den Hausbesuchen fällt mir das immer wieder auf, z. B. vor einer Taufe. Da muß ich häufig darum bitten, daß man doch den Fernseher oder die Stereoanlage abschalten möge. Für viele unserer Zeitgenossen ist es scheinbar normal, daß irgendetwas immer laufen muß, obwohl man nicht hinhört, nicht hinsieht, nichts aufnimmt.

So können wir mit dem Wort Gottes nicht umgehen, so werden wir der göttlichen Botschaft nicht gerecht.
Sie ist nicht irgendeine Begleitmusik für unser Leben, die so an unserem Ohr und unserem Herz vorbeiplätschert. Sie ist keine Hintergrund-Dudelei wie im Supermarkt.

Gottes Wort kann man nicht so nebenbei hören. Wir müssen schon genau hinhören, was uns gesagt wird. Das fällt uns heute schwer, wo wir soviele Frequenzen im Ohr haben, so viele Informationen auf uns einprasseln: Telefon, Handy, email, sms, Zeitung, Radio, Fernsehen.
Da ist häufig nichts von Gott zu hören oder lesen. Und unsere Ohren und Herzen sind gleichsam verstopft mit allem möglichen.

Wer Gottes Wort hören will, muß sich Zeit dafür nehmen. Sich manchmal richtig die Zeit und den Ort freiboxen, um hören zu können.
Jetzt im Gottesdienst hören wir das Wort Gottes. Das ist gut und wichtig. Wer regelmäßig der Sonntagsmesse beiwohnt, der hört den Großteil der Evangelien und viele entscheidende Auszüge aus dem Alten und Neuen Testament. Die Kirche bietet uns in den drei Lesejahren der Sonntage die Fülle der Frohen Botschaft an.

Untersuchungen ergeben immer wieder, daß Menschen, die ständig gewalttätige Filme sehen oder aggressive Musik hören, selbst immer stärker zu Gewalttätigkeit und Aggression neigen. Es ist nicht egal, was wir hören. Erst recht nicht ist es egal, was wir die Kinder hören und sehen lassen. Unkontrollierter Konsum von Filmen, Internetseiten und Musik prägen die Kinder und können sie sogar verwunden.
Schlechtes um uns herum ist nicht ohne Einfluß auf unsere Seele. Es kann die Seele sogar vergiften.

Wer an der sonntäglichen Messfeier teilnimmt, der kann seine Seele sozusagen "entgiften", weil er die Gute Nachricht hört, das Gute hört, das Gott uns tut. Auch das Gute prägt unsere Seele. Auch wenn ich mich vielleicht morgen nicht unbedingt an alle Stellen der Hl. Schrift erinnern kann, die in der Liturgie vorgelesen wurden - sie wirken dennoch wie Balsam, denn das Wort Gottes wirkt in uns.

Vielleicht gibt es immer mehr Gewalttätigkeit, Achtlosigkeit und Verwahrlosung in unserer Gesellschaft, weil nur noch ein ganz geringer Teil der Deutschen regelmäßig, den Balsam des Guten, das Wort Gottes in sich aufnimmt.
Liebe Schwestern und Brüder,
Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. (...)
Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, ist wie ein unvernünftiger Mann, der sein Haus auf Sand baute.

Wir hören das Wort Gottes im Gottesdienst und es prägt unsere Seele mit Gutem und für das Gute.
Darüber hinaus ist es unverzichtbar, daß wir als Christen auch ganz persönlich Umgang mit der Hl. Schrift haben.
Haben Sie eine Bibel bei sich zu Hause?
Wissen Sie, wo sie steht?
Wann haben Sie das letzte Mal darin gelesen?

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt. Diese Antwort Jesu auf die Attacke des Versuchers in der Wüste ist bekannt.
Wir können dieses Wort auch auf unser geistliches Leben anwenden: Der Katholik lebt nicht von der Kommunion allein, sondern auch vom lebendigen Umgang mit dem Wort Gottes.

Die Kenntnis der Schrift ist nicht nur den Protestanten zueigen. Sie steht auch uns Katholiken gut zu Gesichte.
Ich lese z. B. jeden Tag fünf Minuten in der Schrift. Das ist ein Minimum von dem, was viele für die Zeitung oder das Fernsehen verwenden. Mir ist diese Übung ein reicher Schatz geworden: Ich lerne Jesus so immer besser kennen, immer wieder treffen mich Worte der neutestamentlichen Briefe neu.

Es lohnt sich auch, sich die Zeit zu nehmen, um sich in eine Szene des Evangeliums hinein zu versetzen und sie innerlich "nachzuspielen". Schlüpfen Sie einmal im Geiste in die Rolle eines Apostels, oder des blinden Bartimäus, oder des Jungen, der die Brote und die Fische zu Jesus bringt. Oder seien Sie einfach Beobachter der Szene von damals. Stehen Sie in der Menge zu der Jesus spricht oder die ihn auf seinem Kreuzweg leiden sieht.
Das macht uns das Evangelium lebendig. Wir spüren dann, daß das Geschehene von damals uns heute gilt.
Vielleicht tauschen Sie sich auch einmal mit anderen über die Hl. Schrift aus. Sich gegenseitig aus der Bibel vorlesen - z. B. in der Familie - ist auch ein Weg intensiv und neu hinzuhorchen.

Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. (...)
Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, ist wie ein unvernünftiger Mann, der sein Haus auf Sand baute.

- Nicht nur die Worte hören, sondern danach handeln.
Glaube kommt vom Hören, vom Hinhorchen und Gehorchen auf das Wort Gottes.
Je mehr wir uns vom Wort Gottes prägen lassen, umso mehr wird das Wort Gottes unser Handeln prägen. Je besser wir Jesus vor Augen haben, umso eher werden wir handeln, wie er es von uns möchte. Je tiefer wir in die Weisheit der Schriften der Apostel und Propheten eindringen, umso tiefer werden wir uns, die anderen und die Welt verstehen.

Dann ist unser Haus nicht auf den Fließsand der gesellschaftlichen und religiösen Moden und Ideologien gebaut, die uns vorgaukeln, Halt geben zu können. Auch das Christsein light trägt nicht.

Wenn wir wirklich auf die Worte der Schrift hören und danach zu handeln versuchen, dann ist unser Leben auf Christus gegründet. Er ist der feste Grund, auf dem wir stehen.

369. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

das Wort Gottes, uns aufs Herz und auf die Seele geschrieben - das war der Traum des Mose und mit ihm der Traum der ganzen jüdischen Propheten. Am Sinai hatte Gott einen Bund mit seinem Volk geschlossen. Vielemale hat das Volk Israel diesen Bund gebrochen, und vielemale hat Gott ihn erneuert. Aber alle diese Bunde hatten den Nachteil, dass es ein Bund der Äußerlichkeit war. Gesetze, Rechtsvorschriften und Gebote kann man halten, ohne wirklich dahinter zu stehen. Doch Gott geht es um mehr als nur um gehaltene Gebote.

Die Propheten haben an dieser Äußerlichkeit genauso Kritik geübt wie Jesus im heutigen Evangelium. Wie leicht ist es "Herr, Herr!" zu sagen? Auch, wenn es nicht immer einfach ist, sich wirklich an die Gebote zu halten - es ist immer noch leichter als das, was Gott eigentlich will: Unser Herz.

Die Propheten haben sich den Mund fusselig geredet, um das Volk davon zu überzeugen, dass die Gebote Herzensangelegenheit sein sollten: Nicht, weil wir sonst Ärger kriegen, sondern weil wir den lieben, der sie uns gegeben hat, sollten wir sie halten.

Aber der Mensch ist vergesslich. Er hat schnell vergessen, was die Propheten sagen, und er hat auch schnell vergessen, von wem die Gebote stammen und warum sie erlassen worden sind.

Wie schnell sind wir dabei, und bezeichnen die Lüge, die wir gerade zu unserem Vorteil ausgesprochen haben, als Notlüge. Klar - wir waren in Not, denn hätten wir die Wahrheit gesagt, hätten wir keinen Vorteil davon. Schwups - schon wieder ein Gebot gerade gebogen. Zumindest so gerade, wie es uns passt.

Haben wir so schnell vergessen, dass die Gebote nicht von Menschen, nicht von der Kirche und nicht von Mose gemacht worden sind? Gott weiß doch, was wir tun. Da nutzen uns doch die intelligentesten Ausreden nichts.

Jesus möchte im Grund, dass wir alle Gebote vergessen. Im Grunde geht es darum, Gott zu lieben und nicht danach zu fragen, wie das denn geht. Eine echte Liebesbeziehung besteht auch nicht darin, dass sich die Liebespartner gegenseitige Forderungskataloge erfüllen. Wer wirklich liebt, weiß, was er zu tun hat.

Liebe Schwestern und Brüder, die Gebote braucht nur der, der Gott nicht in sein Herz geschlossen hat. Eigentlich will Jesus keine Gebote, Regeln und Vorschriften. Das gilt auch für die Liturgie: Wer Gott hier in der Messe erkennt und feiert, wird automatisch, von ganzem Herzen Ehrfurcht und Anstand entwickeln. Die Gebote, Regeln und Vorschriften, die wir haben, sind allerdings notwendig, wenn uns alles das abhanden gekommen ist. Sie sind ein Weg zur Liebe - sie sind nicht die Liebe selbst.

Aber gerade, wenn wir den inneren Bezug verloren haben, erscheinen uns ausgerechnet die Gebote und Regeln besonders fremd. Das soll wirklich zur Liebe führen? Beichten? Sonntags-Gottesdienst? Beten und Fasten?

Deshalb ist die Aufforderung Jesu im heutigen Evangelium: Baut auf sein Wort! Traut dem, was Jesus uns sagt, traut seinen Geboten und geht den Weg, den er uns weist. Baut das Haus auf Sein Wort hin. Es mag uns vielleicht seltsam erscheinen, aber je mehr wir unser Leben an den Geboten Gottes und den Weisungen der Kirche bauen, um sehr mehr werden wir Gott lieben lernen und die Kirche als seinen Leib erfahren.

Irgendwann werden wir dann die Gebote nicht mehr brauchen, weil sie uns in Fleisch und Blut übergegangen sind - oder, um mit Mose zu sprechen, in Herz und Seele.

Bis dahin aber seien wir bescheiden. Leben wir, wie Gott und die Kirche es uns sagt - geben wir der Liebe eine Chance. Amen.

370. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Hören und Tun. Die Einheit von beidem ist der Höhepunkt dieses Evangeliums: «Wer meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann...» Zwei Klippen also sind zu überwinden; es gilt, sich nicht schon nach der ersten Steigung, die erfolgreich überwunden wurde, hinzusetzen und zu denken: Das reicht. Es reicht nicht, bloß zu hören - und nicht tun. Dann wird bei der Sturmflut das ganze Haus weggeschwemmt. Dann wird trotz allem «Herr, Herr!» die Himmelstür nicht aufgetan.

Wenn ich im letzten Gottesdienst in Frage gestellt habe, ob denn jemand, der sich zwar Christ nennt, aber Christus in den Sakramenten nicht aufsucht, einen falschen Namen trägt, so heißt das nicht, das der Empfang der Sakramente oder der Kirchenbesuch allein schon ausreicht. Hören ist wichtig, ja, und bevor wir etwas tun, sich mit dem verbinden, der alles wirkt in dieser Welt.

Es ist schon richtig: Wir erliegen immer wieder der Versuchung, sofort zur Tat zu schreiten - und glauben, darin erfüllt sich das Christentum. Tun, ohne zuvor gehört zu haben, bedeutet, der Versuchung der Selbstgerechtigkeit erliegen zu sein. Denn dann handelt man nach eigenem Ermessen und nicht entsprechend dem, was Gott einem vorgezeichnet hat.

Die meisten von Ihnen kennen die Geschichte mit den beiden Schwestern Martha und Maria: Martha beschwert sich, weil sie tut und macht, während Maria nur dasitzt und zuhört. Wer aber nicht bereit ist, zuerst mit Maria dem Wort Jesu zu lauschen, der wird wie Martha wegen seines Aktivismus getadelt.

Es gibt keine christliche Aktion ohne vorherige Kontemplation - ohne Gebet oder Gottesdienst, in dem wir still werden und auf das hören, was Gott uns sagt. Ja, das hören liegt sogar noch vor dem Gebet: Wer Jesus nicht zugehört hat, wenn er vom Vater im Himmel redet, der kann kein richtiges Vater unser beten.

Die 1. Lesung hat genau diese Lehre auch vorgetragen: Israel wird Segen erfahren, wenn «ihr auf die Gebote des Herrn eures Gottes hört und sie haltet.» Hören und Tun.

Dabei ist von allen Gesetzen die Rede, es geht also nicht, ein bisschen zuzuhören - zum Beispiel bei «selig die Armen» - und dann wegzulaufen, als wisse man schon alles. Es gilt zwar die Aussage von Frère Roger, zunächst das umzusetzen, was man von der Bibel verstanden hat, aber wir dürfen nicht dabei stehen bleiben. Wenn wir glauben, wir sind auf dem Weg der Nachfolge an unserem Ziel bereits angekommen, dann legen wir uns eine entsprechend verkürzte Theologie und ein verkürztes christliches Handeln zurecht. Wir müssen stets voranschreiten auf dem Weg der Heiligkeit und stets neu hören, was Gott von uns will.

Wer allerdings nur hört und nicht tut, baut auf Sand: Nämlich auf sich selbst - oder sonst etwas Vergängliches. Wer das von Gott Gehörte tut, baut auf Fels, das heißt: Auf Gott, der in den Psalmen immerfort der Fels genannt wird. Der Fels ist es, der unsichtbar, als Fundament das Haus vor dem Einsturz schützt. Im neuen Testament kann auch das fleischgewordene Wort Gottes, Jesus Christus, der Fels genannt werden und wir wissen, dass er dem Grundstein seiner Kirche den gleichen Namen gibt; dieser Grundstein, Petrus, ist durch sein Glaubensbekenntnis bekannt geworden, das sich in seiner Tat, dem Weiden der Herde Christi und dem Sterben für ihn bekräftigt: Wort und Tat.

Gott - Christus - Petrus: Sie haben diesen gemeinsamen Charakter: Fels zu sein, der dem Wolkenbruch widersteht. Der Sturm kommt - er ist vielleicht schon da - um die Festigkeit des Baus zu erproben. Es hat sich gezeigt, dass Verfolgung den Christen nicht nur erprobt, sondern darin seine Festigkeit wächst.

Seien wir bereit - durch Wort und Tat. Amen.

371. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

wir sehen in Jesus immer noch zu wenig den göttlichen Sohn - und immer noch zu sehr den Menschen. Deshalb glauben wir, er gebe uns mit seinem Verhalten einfach nur ein Beispiel, wie wir handeln sollen.

So sind wir mit der Deutung des heutigen Evangeliums schnell fertig: »Kümmert Euch um die Ausgegrenzten unserer Gesellschaft - um die Obdachlosen, Drogenabhängigen und sozial Schwachen. Denn die Kranken brauchen den Arzt - nicht die Gesunden.«

Aber was ist denn die Arznei? Reicht es, zu den Drogenabhängigen einfach nur nett zu sein, ihnen freundlich zu begegnen? Ist das Hilfsmittel, dass den Obdachlosen hilft, ein leckeres Essen - so wie im Evangelium? Vielleicht noch in netter Runde, bei uns zu hause? Können wir die sozial Schwachen, die auch selbst Schwierigkeiten mit dem sozialen Verhalten haben, verändern, indem wir sie einfach nur "normal" behandeln?

Wir können das Verhalten Jesu nicht einfach auf unser Verhalten übertragen, denn Jesus selbst ist der Arzt und das Medikament. Die Gemeinschaft mit ihm heilt.

Das können wir nicht von uns selbst behaupten. Wir sind nicht Jesus. Unsere Aufgabe ist nicht, mit unserer Gegenwart zu heilen, sondern zu Jesus zu führen. Wir sind nicht die Arznei und auch nicht der Arzt - denn wir sind Menschen, Jesus aber ist Gott.

Deshalb versuchen zum Beispiel die Mitglieder der Gemeinschaft Cenacolo, Drogenabhängig aus der Sucht herauszuführen, indem sie Jesus in die Mitte ihres Lebens stellen - nicht sich selbst. Das Loskommen von der eigenen Ichbezogenheit allein reicht nicht - erst wenn Gott die Stelle einnimmt, die ich selbst inne habe, kann ich gesund werden.

Deshalb versuchen die Schwestern von Mutter Teresa den Obdachlosen hier bei uns und in aller Welt nicht nur eine warme Suppe zu reichen, sondern sie in ihre eigene Frömmigkeit mit hineinzunehmen. Die Schwestern halten tägliche Anbetung und gehen jede Woche beichten - sie stellen nicht die Armen in den Mittelpunkt ihres Wirkens, sondern Gott.

Und deshalb können auch wir den sozial Schwachen nicht allein dadurch helfen, dass wir ihnen Anteil geben an unserem Leben - was ist unser Leben schon besonderes?! Sondern indem wir ihnen Anteil geben an unserem Glauben, unserer Frömmigkeit und unserem Gemeindeleben.

Wer Jesus einfach nur imitiert, verliert Gott. Wer aber begreift, dass wir selbst die Zöllner und Sünder sind - manchmal auch die Pharisäer - und dass wir auf unserem Weg in die Gemeinschaft (gerade auch die Tischgemeinschaft) mit Jesus möglichst viele mitnehmen sollen, der beginnt zu begreifen, was Jesus eigentlich wollte:

Ein Leben aus den Quellen des Heils.

Amen.

372. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Jesus hat mal wieder Anstoß gegeben, indem er sich nicht an die damalige Etikette gehalten hat. Mit den Ausbeutern des damalige Volkes der Juden, den Zöllnern, liegt er zu Tisch. Das mag heute oft so ausgelegt werden, dass Jesus keine Menschen ausgrenzen wollte, dass er zu allen, auch den Außenseitern ging.

Aber Jesus war kein Sozialarbeiter oder Gesellschaftsrevolutionär. Wenn er das gewesen wäre, dann hätte er sich nicht gerade die Zöllner aussuchen dürfen. Das ist genauso, als ob ich als Missionar nach Brasilien gehen würde und dort bei den Großgrundbesitzern wohnen würde und die Militärchefs zum Essen einladen würden; oder ich gehe in die Slums nach Indien und esse regelmäßig mit den westlichen Firmenchefs, die sich dort Glaspaläste gebaut haben.
Nein, Jesus ist kein Sozialarbeiter, das hätten die Pharisäer wohl noch verstanden. Ganz so übel waren sie nämlich nicht. Jesus erregt Anstoß, weil er etwas ganz anderes deutlich machen will.

In der Lesung haben wir einen Text aus dem Buch Hosea gehört, ein nicht ganz so bekannter Prophet. Auch dieser erregt Anstoß, indem er eine heidnische Tempeldirne zur Frau nimmt und mit ihr Hurenkinder zeugt. Warum tut er das? Er selbst sagt: «Denn das Land hat den Herrn verlassen und ist zur Hure geworden.» Hosea nennt seine Kinder «Kein Erbarmen» und «Nicht mein Volk». Denn: «Ihr seid nicht mein Volk und ich bin nicht der "Ich-bin-da" für Euch.»

Hosea heiratet nicht deshalb eine Prostituierte, um es zurück in die Gemeinschaft zu führen. Er setzt vielmehr ein prophetisches Zeichen, um damit zu sagen, was er über das Volk Gottes sagen muss: Es benimmt sich wie ein Hure.
Das könnte auch Gottes Botschaft an jede andere Zeit sein, nicht nur an das Israel zur Zeit des Propheten Hosea oder zur Zeit Jesu. Auch wir wissen, was eigentlich Gottes Wille - aber um uns in dieser Gesellschaft nicht total zu blamieren und am Rande zu stehen, verraten wir unseren Glauben: Wir gleichen uns dieser Welt an, im Reden, Denken und Handeln. Da mag allein die Frage genügen: Wann haben sie zum letzten Mal mit einem Nicht-Katholiken über die Schönheit unseres Glaubens gesprochen? - Um eines geringen Gutes willen (unseres weltlichen Ansehens) verwerfen wir ein hohes Gut (unsere Begeisterung für Gott) - das nennt Hosea Prostitution.

Aber damit ist nicht das letzte Wort gesprochen. Bald darauf sagt Hosea: «Einst werden die Söhne Israel so zahlreich sein der Sand am Meer, der nicht zu zählen und zu messen ist. Und statt dass man zu ihnen sagt: "Nicht-mein-Volk", wird man zu Ihnen sagen: "Söhne des lebendigen Gottes". Nennt Eure Brüder "Mein Volk" und eure Schwester "Erbarmen".»

Genau aus dem gleichen Motiv heraus handelt Jesus. In der Berufung des Zöllners Matthäus und in der Tisch-Gemeinschaft mit den Sündern der damaligen Zeit setzt Jesus ein Zeichen: Die, die glauben, zu Gottes Volk zu gehören, werden ausgegrenzt; die, die nicht zum Volke gehören, werden eingeladen. Aus «Nicht-mein-Volk» wird «Mein-Volk». Es ist Jesu letzte Mahnung an das auserwählte Volk Gottes, bevor Gott sich ein neues Volk im Neuen Bund erwählt.

Liebe Schwestern und Brüder, es geht Jesus nicht um Ausgrenzung und Toleranz. In dem Augenblick, in dem Jesus sich den Zöllnern zuwendet, soll gerade die Ausgrenzung der Pharisäer deutlich werden. Jawohl, Jesus grenzt aus, ganz bewusst! Es geht auch nicht nur um die Zuwendung Gottes: Gott, der sich den Heiden zuwendet, wendet sich von den (bigotten) Juden ab. Es geht auch nicht um Gottes Heil für alle: Denn es heißt ja, dass die Gesunden diesen Arzt, der sich den Kranken zuwendet, nicht brauchen.


Es geht darum, zu erkennen, was Gott will. Denn das ist die Kritik, die Hosea und Jesus üben: Ihr habt aufgehört, auf Gott zu schauen. Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer! Nicht Volks- oder Religionszugehörigkeit, sondern Gotteserkenntnis!

Das Volk, das von Hosea ermahnt; die Juden, die von Jesus brüskiert wurden, waren nicht verloren. Sie hatten durchaus die Möglichkeit, die Gunst Gottes neu zu erhalten (was sie dann ja auch taten): Indem sie sich in der Hure, in den Zöllnern und den Sündern erkennen. Indem sie von sich sagten: Ja, Du hast recht, ich bin ein Sünder. Ich muss mein Leben ändern. Heute noch.

Das, liebe Schwestern und Brüder, ist der einzige Weg zu Gott. Amen.

373. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

"Kommt wir kehren zum Herrn zurück! Denn er hat Wunden gerissen, er wird uns auch heilen; er hat verwundet, er wird auch verbinden." Ist das nicht ein schönes Gebet? Da beten Menschen, die offenbar schwere Verwundungen hinnehmen mußten, zum Herrn, daß er sie heilen möge. Und anscheinend sind sie sicher, daß er, der Ihnen die Wunden gerissen hat, diese auch wieder heilen wird. Eine unheinlich starke Glaubenssicherheit, die aus diesem Gebet spricht:

Es geht weiter: "Nach zwei Tagen gibt er uns das Leben zurück, am dritten Tag richtet er uns wieder auf, und wir leben vor seinem Angesicht." Nicht länger als drei Tage werden sie auf Heilung warten müssen, spätestens am dritten Tag werden sie wieder heil sein. Das ist ihnen so sicher, wie der Aufgang der Sonne am Morgen, wie der Regen nach Sonnenschein:

"Laßt uns streben nach Erkenntnis, nach der Erkenntnis des Herrn. Er kommt so sicher wie das Morgenrot; er kommt zu uns, wie der Regen, wie der Frühjahrsregen, der die Erde tränkt." Wer von uns möchte nicht so beten können, solch ein tiefes Gottvertrauen haben, wie diese Beter hier.

Dieses fromme Gebet, welches wir heute in der Lesung gehört haben, hat uns der Prophet Hosea überliefert. Es wurde vom Volk Israel gebetet, daß sich damals in einer schweren Lage befand. Das Reich, welches sich vorher in großer wirtschaftlicher Blüte befand, wurde von den Assyrern aus dem Norden in seiner Existenz bedroht. Große Gebiete waren bereits verloren. Das sind die Wunden, von denen der Beter hier spricht.

(drei Verse nochmals wiederholen)

Man sollte meinen, daß solch ein Gebet in dieser bedrohlichen Lage auch erhört wird, aber von wegen: Gott rauft sich die Haare, als er diese frommen Worte hört: "Was soll ich tun mit dir, Efraim? Was soll ich tun mit dir, Juda?" Wie Eltern, die an die Grenzen ihrer erzieherischen Fähigkeiten geraten sind, rauft auch Gott sich die Haare und fragt sich, was er mit diesen Stämmen seines Volkes, mit diesen Betern machen soll.

Wobei man zunächst einmal fragen muß, was an diesem Gebet denn nun so verkehrt gewesen ist? Hosea sagt es uns: "Eure Liebe ist wie eine Wolke am Morgen und wie der Tau, der bald vergeht." Offensichtlich wirft Gott den Betern Mangel an Liebe, oder genauer gesagt: Mangel an Beständigkeit der Liebe vor.

Das fromme Gebet scheint doch sehr stark nach einer Kosten - Nutzung - Rechnung auszusehen, so nach dem Motto: wir kehren ein wenig um, und Gott wird uns schon heilen. Für die Beter bestand in diesem Zusammenhang nicht der geringste Zweifel. Doch Gott spielt hier nicht mit! "Darum schlage ich drein durch die Propheten, ich töte sie durch die Worte meines Mundes." Der Prophet Hosea hatte diese Aufgabe, "dreinzuschlagen" mit dem "Wort Gottes". Und diese Aufgabe ist tödlich für all diejenigen, die sich Gottes Hilfe schon sicher waren, wenn sie nur etwas guten Umkehrwillen zeigten und dafür auch das eine oder andere Opfer brachten. Doch der Prophet Hosea sagt, das sei tödlich. Wo Gottesdienst nur mehr reduziert ist auf fromme Gebete und Opfer, da ist das tödlich für alle.

Den Willen Gottes bringt Hosea im folgenden Wort auf den Punkt: "Liebe will ich, nicht Schlachtopfer, Gotteserkenntnis statt Brandopfer"

Die Gottesdienste funktionieren beim Volk Gottes. Fromme Gebete, wie wir es vorhin hörten, Weihrauch und der Rauch der Brandopfer steigen zum Himmel empor. Auch wenn wir heute mit Brandopfern nichts mehr anfangen können, dann wissen wir doch, was Opferbereitschaft heißt, und daß wir solches Verhalten auch heute noch gutheißen und fordern.

Jesus greift im heutigen Evangelium das Wort des Hosea auf: "Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer". Barmherzigkeit hat in unserer Sprache, wenn es überhaupt noch gebraucht wird, keinen guten Klang. Wir können es heute übersetzten mit Freundlichkeit, Verständnis, Hilfsbereitschaft, Versöhnung: all das, zusammengefaßt unter dem Begriff der Barmherzigkeit, läßt sich nicht durch Gesetze erzwingen, es kann nur aus dem Herzen kommen.

Und genau das ist es, was Jesus und der Prophet Hosea fordern: nicht einfach brav nach dem Gesetz mein Opfer tun, nicht einfach mit ein paar Mark in den Klingelbeutel sein Gewissen beruhigen und damit glauben, seine Schuldigkeit getan zu haben. Gott möchte, daß wir aus dem Herzen heraus handeln. Nicht den Zehnten abgeben, weil das Gesetz dieses Opfer fordert, sondern weil mir die Menschen z.B.: in der Diaspora, wofür wir am heutigen Sonntag kollektieren, oder wofür die Caritas in den nächsten Wochen sammelt, am Herzen liegen. "Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer", "Liebe will ich, nicht Schlachtopfer". Wenn mein Handeln nicht von der Liebe bestimmt wird, so hat es ja auch Paulus im Hohen Lied der Liebe formuliert, ist es nichts. Dann ist unsere "Liebe ist wie eine Wolke am Morgen und wie der Tau, der bald vergeht" also nicht vorhanden! Und dann nützen die frommsten Gebete nichts, wenn sie nicht von der Liebe zu Gott und den Menschen getragen sind. Sie sind dann einfach nur scheinheilig. Scheinheilig deshalb, weil zur wahren Gottesliebe dazugehört, Gott wirklich ernst zu nehmen. Mich wirklich darum bemühen, seinen Willen zu erkennen und zu erfüllen. "Gotteserkenntnis statt Brandopfer".

Israel ist damals, ca. 10 Jahre nach dem Auftreten Hoseas von den Assyrern überrannt worden und dem Erdboden gleichgemacht worden. Die Botschaft des Propheten stieß auf taube Ohren. Die Worte des Propheten gelten auch für unsere Ohren, sie wurden von Jesus für uns erneuert: "Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer".

374. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Gott ist derjenige, der aktiv ist. In allen drei Lesungen heute geht die Initiative von Ihm aus: Ich habe euch aus Ägypten befreit und hierher getragen (Ex), Christus ist für uns gestorben, als wir noch Sünder waren (Röm), Jesus hatte Mitleid mit den vielen Menschen, die müde und erschöpft waren (Mt), so wie die Fußballnationalmannschaft am Donnerstag aussah. In allen drei Bibeltexten wird deutlich: von Gott geht die Initiative aus. Er sieht unsere Not und will uns helfen.
Das galt zur Zeit des Mose im AT, das galt für Jesus im NT und das gilt genauso auch heute. Gott sieht unsere Not und will uns helfen. Er sieht, wenn wir müde sind, wenn wir ungerecht behandelt werden, wenn wir uns in Lügen oder Schulden verstrickt haben. Und er ergreift die Initiative und hilft uns. Wir hören jeden Sonntag diese alten Bibelstellen um uns dieses Handeln Gottes in Erinnerung zu rufen, wie es Gott selbst heute dem Mose gesagt hat: "Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern angetan habe, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und hierher zu mit gebracht habe." Oder wie Paulus im Brief die Gemeinde in Rom erinnert: "Christus ist für uns gestorben" oder wie wir aus dem Evangelium gehört haben: "Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit Ihnen, denn sie waren müde und erschöpft." Gott sieht unsere Not und hilft uns, heute wie damals.

Was macht er? Er macht uns Mut, er stärkt uns, indem er uns erwählt. Auch das nicht nur bei den 12 Aposteln im Evangelium, denen er Vollmacht gibt - also Anteil an seiner göttlichen Macht. Sondern auch in den anderen beiden Lesungen macht Gott den Menschen Mut. Zu Mose sagt er: Ihr "werdet ... unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein ... Ihr sollt mir als ein heiliges Volk gehören." Wir sind Gott heilig. Manchem ist der Fußball heilig. Wir sind Gott heilig - wir bedeuten ihm viel, er hat uns auserwählt. Er hat uns in die Nationalelf gewählt - 12 Apostel - und er wusste, dass einer ausfallen würde. Und Paulus betont es für seine Gemeinde in Rom auch nochmals extra: Christus ist für die Menschen gestorben, als diese ihn nicht erkannt hatten - als Trainer nicht akzeptiert hatten. Um wieviel mehr wird sich Gott für die einsetzen, die ihn als Couch anerkennen!
Und so wie es Paulus sagt, gilt das auch für uns heute. Wenn ich merke, dass ich ein Spiel verloren habe, von allen Leuten ausgepfiffen werde, keiner mehr Stücke auf mich hält - nicht nur beim Fußballspiel, sondern ebenso auf der Arbeit, in der Familie; wenn ich was verbockt habe, Schuld auf mich geladen habe, dann ist Gott derjenige, der mich da rausholt. Er sagt: hey - ich bau auf Dich, trotz oder gerade wegen Deiner Unzulänglichkeit. Das hat er bei Petrus gemacht, der ihn dreimal verleugnet hat, das hat er bei Antonius gemacht (Figur dort hinten am Pfeiler), dessen Gedenktag wir gerade Freitag gefeiert haben: er wollte die Moslems in Afrika bekehren - wird krank, muss zurück - sieht seinen Plan misslungen und trifft Franziskus und wird zum größten Prediger aller Zeiten, an dessem Grab noch heute Wunder geschehen - schon mal was verloren? Ihn um Fürsprache bitten - sie finden es wieder!
Gott baut auf uns. Ich erfahre das auch immer wieder im Beichtgespräch. Gott kennt meine Fehler - aber er vergibt mir voll und ganz - und er erfüllt mich neu mit seiner Gnade und erwählt mich. Er gibt mir meinen Wert; nicht die immer unzulängliche Arbeit, nicht die undankbaren Familienmitglieder oder tratschenden Nachbarn.

Und Gott sendet mich. Nach der Beichte kann ich erfüllt mit seiner Gnade wieder frisch ans Werk gehen, ich bin nicht mehr vorbelastet mit meiner Schuld, sondern mit seiner Kraft ausgestattet vermag ich auf andere zuzugehen. Und auch das steht in den heutigen Lesungen. "Unter allen Völkern" werdet ihr "mein besonderes Eigentum sein", das Gott unter diesen Völkern bekannt macht. Das Volk Gottes hat keinen Selbstzweck. "Wir rühmen uns Gottes" sagt Paulus im gehörten Brief an die Römer. Wir halten damit nicht hinter dem Berg - wir posaunen es heraus indem wir den anderen verkünden "Das Himmelreich ist nahe" wie Jesus es uns im Evangelium aufgetragen hat. Wobei es nicht nur bei Worten bleiben darf: "Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus." Es gibt soviele Aussätzige, die ausgegrenzt sind in unserer Gesellschaft: der Hauptschüler, der keine Lehrstelle findet, der Nachbar, der aus irgendeinen Grund schwierig ist und mit dem niemand Kontakt hat, das Mädchen, deren Familie sich die Klassenfahrt nicht leisten kann. Und so manch einer ist von einem Dämon besessen: dem Alkohol verfallen, der Gier nach immer mehr Geld oder Einfluss.
Jesus ruft auch uns zu: Heilt diese Menschen - ich habe mich um Euch gekümmert und ich habe Euch auserwählt und befähigt, und nun stellt dieses Licht der Welt nicht unter den Scheffel sondern haltet es den Menschen hin. Und wenn Du auch das letzte Spiel verloren hast, und zwei Gegentore kassiert hast. Jetzt aber!

375. Predigtvorschlag

Es war vor ca. zwei Jahren. Ich war zu Besuch in Köln. Um in die Innenstadt zu kommen, musste ich die U-Bahn nehmen. Da Abteil war voll. Ich musste stehen. Nach einer Station kam ein junger Mann auf mich zu. Er war ca. 25 Jahre alt und machte einen abgerissenen Eindruck. Ein Obdachloser wahrscheinlich. Zumindest ein echter Sozialfall. "Has'te mal ne Mark?" ... hörte ich den Fremden in meinem inneren Ohr schon sagen. Aber es kam anders... Es entspann sich ein überraschender Dialog

"Sind Sie Pastor?"
"Nein, Kaplan. Aber ich bin ein römisch-katholischer Priester, wenn Sie das meinen."
"Ja. Ich habe eine Bitte..."
"Die wäre?"
"Könnten Sie mich segnen?"
"Jetzt?"
"Jetzt!"
"Der Herr sei mit Dir."
"Und mit Deinem Geiste."
"Der segne und behüte Dich, er lasse sein Angesicht über Dir leuchten und sei Dir gnädig. Er wende Dir sein Angesicht zu und schenke Dir sein Heil. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes."

Diese Szene zog die Aufmerksamkeit vieler im dichtbesetzten Bahnabteil auf sich, zumal ich zugegebenermaßen nicht sonderlich leise die Segensworte gesprochen hatte.
Kaum war ich mit dem Segen zu Ende, verneigte sich der Fremde vor mir und sprang aus der Tür, die sich gerade an einer neuen Station öffnete. Ich verlor ihn aus den Augen.

Liebe Schwestern und Brüder!
Ich bin der festen Überzeugung, dass der junge Mann wirklich gesegnet werden wollte. Das war ihm ernst. Kein Witz.

Einen Segen wollte er haben.
Auch hier, in meiner Gemeinde, werde ich des öfteren gebeten, einen Segen zu spenden. Wenn auch weniger spektakulär.

Und so habe ich schon Menschen, Tiere, Autos, Wohnungen, Ställe und diverse Andachtsgegenstände gesegnet.

Ein Segen - Was ist das eigentlich?
Das Lied aus dem Gotteslob, das wir heute eingeübt haben, kann uns mit seiner ersten Strophe helfen, eine Klärung zu finden.

Komm, Herr, segne uns.
Der Segen geht immer von Gott bzw. von Christus aus. Segnen heißt jemand etwas Gutes zusagen, bene-dicere heißt das auf Latein. Gott sagt uns im Segen das Gute schlechthin zu: Heil, Schutz, Fülle des Lebens.

Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen.
Wer einen Segen wünscht, wünscht sich Gemeinschaft mit Gott. Er will sich an IHM festmachen.
Wer einen Segen wünscht, bekennt, dass er auf Gott angewiesen ist.
Wer einen Segen wünscht, will, dass alles, was das Leben ausmacht, von Gottes Augen gnädig angeschaut werden soll.

Segnungen sind Zeichenhandlungen. Sie sollen das Leben der einzelnen und der menschlichen Gemeinschaft in seinen verschiedenen Phasen und Bereich aus dem Glauben deuten und gestalten.

Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen, sondern überall uns zu Dir bekennen.
Die Antwort des Menschen auf Gottes Segen ist der Lobpreis und der Dank.
Als Christ lieben wir die von Gott geschaffenen Dinge: Von ihm empfängt er sie und schätz sie als Gaben aus seiner Hand. Mit dem Segen dankt der Mensch Gott und verspricht, die Schöpfung in seinem Sinne zu gestalten. So helfen die Segnungen, die Augen auf Gott zu richten.

Nie sind wir allein. Stets sind wir die Deinen. Lachen oder Weinen wird gesegnet sein.
Der Gesegnete weiß sich und sein Leben in allen Facetten getragen von der Liebe Gottes.
Der Gesegnete erwartet alles von Gott, ohne die Hände in den Schoß zu legen. Er ist sich seiner Verantwortung in der Welt und vor Gott bewusst.
Ein Segen gibt Halt und Hoffnung. Ein Segen macht und Mut und gibt Kraft.

Liebe Schwestern und Brüder!
Der Segen setzt den Glauben -zumindest beim Spender- voraus, wenn er wirksam sein soll. Ein Segen ist deshalb kein Zauberspruch oder eine magische Formel, sondern zeichenhafter Glaubensvollzug.

Nicht nur Geistliche segnen. Auch die Gläubigen sind aufgerufen, zu segnen. Z. B. die Eltern ihre Kinder. Jedes Kreuzzeichen am Beginn des Tages oder einer Arbeit ist ein Segen.

Wir werden nun ein Orgelstück hören. Vielleicht können Sie währenddessen darüber nachdenken, wo sie einmal gesegnet worden sind, wofür Sie selbst Segen erbitten, wo Sie selbst segnen könnten...

376. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Alles hat heute seinen Preis. Alles hat seinen Wert! Eine Dose Ravioli z. B. kostet im Sonderangebot, 0,75 €. Eine Packung Reis 1,10 €. Eine Kiste Mineralwasser ist für ..... € plus Pfand zu haben.

Alles hat seinen Preis. Alles hat seinen Wert. Diese Pavillions, die man sich in den Garten stellen kann, kosten je nach Größe und Qualität zwischen 25.- und 50.- €.
Der Preis von Fahrrädern beläuft sich auf mehrere hundert, der von Autos auf mehrere zehntausend Euro.

Alles hat seinen Preis. Alles hat seinen Wert. Und weil das so ist, und wir immer zu wenig Geld zu haben meinen, sind wir immer auf der Suche nach Schnäppchen, nach der billigsten Lösung, nach dem günstigsten Angebot. Mittlerweile verdienen Menschen Geld damit, anderen zu zeigen, wie sie möglichst günstig telefonieren oder sich am wirtschaftlich sinnvollsten versichern können.

Alles hat seinen Preis. Alles hat seinen Wert. Wie teuer ist eigentlich ein Mensch? Ich bin sicher, auch darüber gibt es Berechnungen, z. B. bei Krankenkassen, Lebensversicherungsanstalten, beim Bundesamt für Statistik usw.

Eigenartige Vorstellung, daß die Kosten, der Preis eines Menschen berechnet werden könnte. Nun, in bestimmten Bereichen ist das mit Sicherheit auch notwendig, um die Gesellschaft lebensfähig und rentabel zu halten.

Aber irgendwie wird mir mulmig bei dem Gedanken, daß irgendwann einmal jemand sagen könnte: "Halt, dieser Mensch ist viel teurer als der da." oder "Die Rentner kosten uns zuviel Geld, die sind zu teuer." Ein Mensch ist doch unbezahlbar.

Alles hat seinen Preis. Alles hat seinen Wert. Das wußte auch Jesus: Verkauft man nicht zwei Spatzen für ein paar Pfennig?, sagt er im heutigen Evangelium. Er kannte also die Preise im damaligen Israel. Hören wir ihm einmal weiter zu. Vielleicht kommt er ja auf den Wert der Menschen zu sprechen: Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen.

Aha, wir sind also mehr wert als viele Spatzen. Heißt das nun, daß jeder, jede von uns vielleicht ein paar Euro wert ist?

Darum geht es dem Herrn offensichtlich nicht. Ihm geht es nicht um Euro und Cent, sondern um das Ansehen, das wir vor Gott haben, um seine Sorge um uns. Schließlich sagt er: Verkauft man nicht zwei Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Wenn Gott sich schon um so kleine Lebewesen wie Spatzen kümmert, dann kümmert er sich erst recht um uns Menschen. Ja, wir sind im sogar so wichtig, daß er die Anzahl unserer Haare auf dem Kopf kennt.

Wir sind ihm wichtig. enorm wichtig. Jeder von uns. Jede von uns. Und was macht er nicht alles für uns: Er schenkt uns das Leben. Er läßt die Sonne scheinen, damit die Pflanzen Sauerstoff produzieren können, damit wir atmen können. Er läßt es regnen, damit etwas wachsen kann, von dem wir uns ernähren können. Er hat uns die Gabe der Sprache geschenkt, damit wir miteinander reden können und Gemeinschaft haben. Er hat uns den Verstand gegeben, damit wir die Abläufe der Erde verstehen und mitgestalten können und, und, und...

Vielleicht schaffen Sie es ja einmal in einer stillen Stunde darüber nachzudenken, womit sie in Ihrem Leben von Gott beschenkt wurden. Vielleicht erahnen Sie dann wie hoch der Wert des Menschen vor Gott ist. Ansonsten würde er sich ja nicht so viel Mühe machen.

Er hat sich sogar die elende Mühe gemacht, uns zu erzählen wie wir ein gelungenes Leben führen könnten. Ja, er ist Mensch geworden in Jesus Christus, um uns das vorzuleben. Und dieser Jesus wird von den Menschen umgebracht. Aber wieder läßt Gott uns nicht hängen: er läßt seinen Sohn auferstehen, damit wir leben können trotz Schuld und Tod.

Alles hat seinen Preis. Alles hat seinen Wert. Der Wert des Menschen vor Gott ist unendlich groß. Sie sind ihm unendlich wertvoll. Du bist ihm unendlich wertvoll. Aber auch der Mensch, der gerade neben Ihnen sitzt, ist ihm unendlich wertvoll.

Der Preis den Gott für uns bezahlt hat, ist das vergossene Blut Christi. Sie sind das ganze Blut des Herrn wert. Du bist das ganze Blut des Herrn wert. Und auch Ihr Banknachbar ist das ganze Blut Christi wert.

Auch das ungeborene Leben ist Gott unendlich wichtig. Das zu verkünden und praktisch durchzusetzen, ist das ehrliche Anliegen sowohl des Papstes als auch unserer Bischöfe. Daran gibt es für mich keinen Zweifel. Beide Seiten handeln nach bestem Wissen und Gewissen. Wer daran zweifelt, tut ihnen bitter unrecht.

Alles hat seinen Preis. Alles hat seinen Wert. Wir sind vor Gott unendlich wertvoll. Wir sind Gott unendlich teuer. Das zu wissen, tut gut. Wir sind vor Gott unendlich wertvoll. Wir sind Gott unendlich teuer. Das allen Menschen zu sagen und zuzusprechen ist unsere Aufgabe.

377. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

sowohl der Prophet, von dem wir in der Lesung gehört haben, als auch die Jünger im Evangelium sehen sich mit der Situation der Verfolgung konfrontiert. Sie werden beide hart bedrängt - von den ersten Jüngern Jesu wissen wir, dass sie zu hunderten ihr Leben lassen mussten, weil sie sich zu Jesus Christus bekannt haben - und nicht zum römischen Kaiser als ihren Gott.

Nach den Zeiten der Verfolgungen im römischen Reich waren alle Christen, aber auch die anderen Römer, heilfroh, als dies endlich vorbei war. Der römische Staat wurde christlich, und in wenigen Jahren war die Kirche und der Glaube nicht nur etabliert, sondern auch mit dem Staat verschmolzen. Nur weniger Jahrzehnte nach der letzten Verfolgung war es sogar der Kaiser, der ein Konzil einberief und es leitet. So eine enge Identifikation zwischen Kirche und Staat hat es seitdem kaum mehr gegeben.

Allerdings, so muss man es heute sehen, war das keine rundum gute Sache. In vielen Bereichen verwässerte die Botschaft der Kirche, weil sie zu sehr politisch wurde. Die Sprengkraft des Glaubens begann zu schwinden. Eine kleine Glaubensgemeinschaft kann an ihre Mitglieder hohe Ansprüche stellen. Ein Staat muss der weitaus toleranter sein. Letztlich war die Zeit nach der Verfolgung eine Zeit schwindender Leuchtkraft der Kirche.

Liebe Schwestern und Brüder, die Zeit der letzten Verfolgung der Kirche im Nationalsozialismus liegt hinter uns. Viele Christen haben damals ihr Leben auf's Spiel gesetzt, viele haben ihr Leben verloren. Und alle waren heilfroh, als diese Zeit endlich ihr Ende fand. In den 50-er Jahren boomte die Kirche in beispielsloser Weise, die Kirchen waren voll, die katholischen Vereine konnten ihre Mitglieder kaum fassen. Sogar die politischen Parteien nahmen sich der Kirche an, einige Parteien sogar das C für christlich in ihren Namen auf, der Staat treibt bis heute für die Kirche deren Mitgliedsbeiträge ein.

Vielleicht ist der Vergleich über zwei Jahrtausende hinweg etwas gewagt. Verfolgung - und Versöhnung. Immerhin handelte es sich im 3. Reich um eine Juden-, und keine Christenverfolgung. Auch noch andere Unterschiede fallen mir ein.

Aber was damals galt, scheint auch heute zu gelten: In der Zeit der Versöhnung, nach der Verfolgung, sind die Menschen harmoniebedürftig. Und dabei geht dann leicht das verloren, was zur Ausbreitung des Glaubens geführt hat: Die Begeisterung für das Wagnis.

Unser Glaube ist anscheinend kein Wagnis mehr. Zumindest hier in unseren Breiten. In fernen Ländern sieht das allerdings ganz anders aus. Uns geht es gut.
Aber - vielleicht liegt das auch daran, dass wir nichts mehr wagen? Dass es in unserer Gesellschaft für Christen genug zu wagen gibt, brauche ich ihnen, nehme ich an, nicht einzeln darzulegen. Vom Einsatz für die Armen, Kriminellen, für das Ungeborene Leben, - über die Todesstrafe, das Klonen von Menschen, das Herstellen von Embryonen zu medizinischen Zwecken, die Pläne zum kontrollierten Tod für alte und kranke Menschen - bis hin zur Sorge für vereinsamte Menschen, für die vergessenen Alten, den Hoffnungslosen, den gescheiterten Ehen und misshandelten Kindern.

Was sind wir bereit, zu wagen? Sind wir bereit, alles aufs Spiel zu setzen? Hab und Gut? Ehre, Ansehen, gesellschaftliche Stellung? Unser Leben?

«Fürchtet euch nicht!» heißt es im Evangelium, und so hat auch der Prophet im AT geschrieben. Fürchtet Euch nicht! Gott ist auf unserer Seite. Er hat der Welt die Rettung versprochen, aber nicht ohne die Kirche. Und die Kirche sind wir, die wir hier sitzen.

Heute meinen vielen, Gott habe uns seine Güte magisch zugesagt, die uns sozusagen zu Arbeitslosen mit vollem Lohnausgleich macht. Nein: Er hat mit unserer Mitarbeit gerechnet.

Bin ich denn der Hüter meines Bruders? Ja das bin ich. Amen.

378. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

in der Auseinandersetzung mit Gott und dem christlichen Glauben haben viele Menschen unserer Zeit große Anfragen. Da geht es um (meiner Meinung nach erst einmal nebensächliche) Dinge wie die Disziplin unseres Glaubens und der Lehrer der katholischen Kirche. Sehr viel schwerer wiegt dagegen die Frage: Wie kann ich an einen guten Gott glauben in einer Welt, die offensichtlich gottlos ist?

Wie kann ich an einen Gott glauben, der es zulässt, dass eine Mutter und ihr fünfjähriges Kind mitten im Leben durch einen Autounfall getötet werden? Wie kann ich an einen Gott glauben, der es zulässt, das hunderte von Menschen bei Überfällen gewaltsam ihres Lebens beraubt werden, Tausende bei terroristischen Anschlägen und Millionen durch Hunger und Naturkatastrophen?

Die Antwort darauf ist nicht einfach. Aber sie liegt verborgen in dem, was wir als das "Geheimnis von Tod und Auferstehung" bezeichnen. Geheimnis meint dabei nicht, dass Gott es vor uns geheim hält, die Auflösung sozusagen einfach zurückhält; Geheimnis meint vielmehr, dass wir uns dem nur ganz vorsichtig nähern können und immer wieder ins Grübeln und Staunen geraten werden - und es trotzdem niemals ganz verstehen werden.

Es klingt so einfach: Der Tod ist nicht das letzte Wort in dieser Welt. Habt also keine Angst vor dem Tod - und auch nicht vor den Menschen, die Euch mit dem Tod bedrohen.
Der Tod ist letztlich nur die Trennung von Leib und Seele - und das macht Gott in der Auferstehung der Toten wieder rückgängig - ja, wir werden sogar weit darüber hinaus erneuert.
Viel schlimmer ist nicht die Trennung von Leib und Seele, sondern die Trennung von Gott. Denn dann haben wir keinen mehr, der uns ein neues Leben verheißt.

Liebe Schwestern und Brüder, das ist leicht gesagt: Für Gott ist das größte Übel nicht der Tod, sondern die Sünde. Aber es erscheint manchmal wie ein Hohn angesichts der Trauer, die wir empfinden, wenn ein geliebter Mensch plötzlich und unerwartet von uns geht.

Es geht nämlich nicht einfach um die Beantwortung einer Frage: "Wie kann Gott das tun?" - Mit einer korrekten und schlüssigen Antwort darauf haben wir in Wirklichkeit noch nichts gewonnen. Die Trauer und die Wut auf Gott, der mir etwas oder jemanden weggenommen hat, wird dadurch nicht weniger.

Vielleicht können die Menschen erst mit dieser Frage umgehen und leben lernen, wenn sie vieles, manchmal sogar alles in ihrem Leben ändern:
Denn wir Christen leben nicht für diese Welt, jeder Besitz und jedes Eigentum ist uns nur geliehen und wird vergehen; nichts von dem auf unserem Konto oder in unserer Geldbörse interessiert uns wirklich. Und selbst die Menschen, die wir haben und kennen, die wir lieben und verehren: Sie sind uns hier auf der Erde nur vorübergehend als Wegbegleiter an die Seite gestellt. Richtig kennen und lieben werden wir ohnehin erst, wenn wir Gott von Angesicht zu Angesicht schauen werden. Bis dahin kann uns der Tod nicht trennen - verloren gehen uns unsere Lieben nicht durch das Ende ihres Lebens, sondern durch das Ende Ihrer Beziehung zu Gott.

Wir Christen sind dankbar für das, was wir haben - und dankbar für den jeden Tag, den wir mit anderen teilen können. Aber der Tag der Geburt liegt noch vor uns; der Tag, an dem wir aus diesem Wachtraum zur Ewigkeit aufwachen werden.

Das einzige, was uns wirklich gefährlich werden kann, ist unser eigener Entschluss, jede Hoffnung auf eine zukünftige Welt fahren zu lassen und alles Glück in dieser Welt zu suchen. Das einzige, was uns wirklich von Gott trennen kann, ist unser eigener Wille.

«Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde ich auch vor meinem Vater verleugnen.»

Es ist - selbst für Jesus - leichter gesagt als getan. Aber der Vater hat uns jede Hilfe zugesagt, wenn wir damit beginnen. Tag für Tag. Amen.

379. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

vor ein paar Tagen - beim Abi-Abschlussball - habe ich mich angeregt mit einem ehemaligen Schüler über Tod und Neuwahl des Papstes unterhalten. Er kam auf folgendes Problem: Auf der einen Seite haben zum Tod und zur Beerdigung des letzten Papstes sich vor allem Jugendliche auf den Weg nach Rom gemacht, standen oft 8 Stunden in der Schlange um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Auf der anderen Seite - so dieser Schüler - könne er sich nicht vorstellen, dass diese Jugendlichen und auch die Millionen andere, die dem Papst z.B. beim Weltjugendtag zujubeln, sich auch tatsächlich an die katholische Moral halten würde. Er hatte da vor allem die Ehe- und Sexualmoral der Kirche im Blick.

Letztlich sind die alle schizophren - so seine Vermutung. Oder: Es geht nicht um eine Begeisterung aus dem Glauben heraus, sondern um ein inhaltsloses Event: Hauptsache, wir sind viele und haben Spaß.

Ich kann diesen ehemaligen Schüler verstehn. Letztlich denken viele Deutsche und Menschen anderer Länder so: Entweder ich lebe das, was die Kirche und - in persona - der Papst fordert. Oder ich wende mich ganz ab.

Verstehen kann ich das - aber nicht gutheißen. Denn letztlich fordert der Papst ja auch, dass wir der Wahrheit treu bleiben - und trotzdem ertappen wir uns immer wieder bei einer Lüge. Sollten deshalb alle Menschen, die sich bei einer Unwahrheit ertappt haben, das Jubeln einstellen?

Die Kirche weiß, dass wir Sünder sind. Und auch Jesus wusste es, und genau deshalb hat er als die zwei frühchristlichen Hauptpersonen der Kirche Petrus und Paulus erwählt. Petrus, der schon zu Lebzeiten von Jesus gelgentlich gemaßregelt wurde und den Herrn trotz seiner Ankündigung verleugnet. Und Paulus, der Christenfeind, Verfolger und Anstifter zum Mord an Stephanus. Jesus, Petrus und Paulus - und auch der Papst (und selbstverständlich auch ich) wissen: Wir Menschen sind alle Sünder.

Wenn es also im Evangelium heißt: Wer einen Propheten, einen Gerechten oder einen der "Kleinen" aufnimmt (die "Kleinen", die "Minores", war die erste Selbstbezeichnung der Christen), der darf nicht erwarten, dass es perfekte Menschen sind. Wir sind miteinander verbunden und aufeinander angewiesen, weil wir den gleichen Glauben haben.

Jesus fordert uns auf, einander anzunehmen, nicht weil wir uns mögen oder die gleichen Wellenlänge haben, sondern weil wir zur gleichen Kirche gehören.
Warum also nicht dem Papst die Ehre erweisen - nur weil er Papst ist?

Gut - wer die kirchliche und damit auch biblische Moral rundweg ablehnt, der solte sich fragen, ob er wirklich noch in der Gemeinschaft der Glaubenden steht. Aber wer sich bemüht - und dann doch scheitert - der ist bei uns herzlich willkommen. Letztlich sind wir alle die Gescheiterten, denen Gott neue Hoffnung macht.

Verzeihen können ist eine der größten Gaben - und gleichzeitig der Kitt, der uns zusammenhält. Ich bin ein Sünder und doch hat Gott mir verziehen. Warum sollte ich dann nicht Dich annehmen, wie Du bist? Und warum sollte ich mich nicht als Bestandteil einer Kirche sehen, die alle das gleiche erfahren haben?

Wir dürfen einander zujubeln - solange unser Jubel Gott gilt. Wir dürfen uns einander zugehörig fühlen - solange Gott in unserer Mitte steht. Wir dürfen uns aneinander freuen - solange wir aneinander verzeihen, wie Gott mir verziehen hat.

Amen.

380. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

gerade findet der Confederationscup statt - eine kleine Mini-Fußball-WM. Besonders beeindruckend ist - wie auch bei anderen Sportveranstaltungen - immer wieder die Begeisterung, die dort in Stadien aufkommt. Da braucht man sich nicht zu kennen oder zu schätzen, da spielt es keine Rolle, wieviel man verdient, welche Rang man bekleidet, was man darstellt oder welcher Herkunft man ist - die Tatsache, dass man Anhänger der gleichen Mannschaft ist, schweißt schon zusammen.

Wie schön wäre es, wenn das auch für die Christen gelten würde. Wenn bereits die Tatsache, dass wir gemeinsam an einen Gott glauben, uns zusammenschweißen würde.

Liebe Schwestern und Brüder, das klingt vielleicht ein bisschen sentimental und anachronistisch, aber das ist es, was im heutigen Evangelium steht: Einfach nur jemanden zu unterstützen, weil es - wie es im Evangelium heißt - ein Jünger ist, sich schon allein deshalb mit bisher wildfremden verbunden zu fühlen, weil man den gleichen Glauben hat. Aber, seien wir einmal ehrlich: Was im Fußball normal wirkt, das wird von vielen im Glauben mit Kopfschütteln quittiert. Wer sich mit dem Papst verbunden fühlt und ihm zujubelt - nur weil es der Papst ist - muss sich den Vorwurf gefallen lassen, er sei unkritisch. Wer einen Christen unterstützt, ohne zu fragen, ob der den nun progressiv oder Fundamentalist ist, wird schnell in die gleiche Ecke gestellt.

Ob nun der Fußball mit seinen schon oft fanatischen Randerscheinungen ein gutes Vorbild ist, mag dahingestellt bleiben. Die Frage aber, ob wir nicht das Grundlegende, das uns mit allen Glaubenden verbindet, aus den Augen verloren haben und nur noch Wert auf das spezielle legen, das oft genug das Trennende ist, scheint aber nicht so ganz fern zu liegen.

Liebe Schwestern und Brüder, vor uns liegt die Urlaubszeit. Für viele Gelegenheit, einige Zeit zu verreisen. Wenn Sie dort, womöglich in einem fremden Land, am Sonntag eine katholische Kirche aufsuchen, könnten Sie die gegenteilige Erfahrung machen: Dann ist plötzlich das gemeinsame Feiern unseres Glaubens wichtiger als Herkunft oder Besitz. Dann kann man sich plötzlich mit bisher Fremden anfreunden, allein deshalb, weil man den gleichen Glauben teilt. Dann kann es ihnen sogar passieren, je nachdem, in welchem Land sie sind, dass Sie tatsächlich deshalb schon eingeladen werden, fast so, wie es auch im Evangelium erwähnt wurde.

Wir gedenken heute auch der beiden Apostel Petrus und Paulus. Zwei Apostel, die zwei ganz verschiedene Typen waren: Petrus der Fischer, einfach und trotzdem Oberhaupt der Kirche, und Paulus, der Gelehrte und Theologe. Bei sind mehrmals aneinander geraten, es war bestimmt nicht einfach mit ihnen. Und doch waren sie - Sympathie oder Antipathie hin oder her - im Glauben verbunden, weil sie die Begeisterung für Jesus Christus geteilt haben.

Wenn wir in uns diese Begeisterung wieder beleben, dann ist die Einheit im Glauben - auch die Einheit in der Liebe zur Kirche mit unserem Heiligen Vater - wieder selbstverständlichste Sache der Welt, - wenn uns der Glaube selber wichtig ist.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen erfahrungsreichen Urlaub. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen begeisternden Fußballabend. Und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen die Erfahrung der Einheit im Glauben. Amen.

381. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Die Frau von Schunem, von der in der heutigen Lesung die Rede war, ist nicht gerade von Gott gesegnet gewesen. Sie war kinderlos. Obwohl es ihr größter Wusch war, blieb ihr dieses bisher von Gott verwehrt. nun kommt der Prophet Elíscha in ihre Stadt. Doch anstatt ihre Beschwerde vor diesem Mann Gottes zu bringen, sieht sie ihre Aufgabe in der Bewirtung des Propheten. Sie nimmt diese Aufgabe an, obwohl sie sich etwas anderes von Gott erhofft hatte. Sie gibt sich mit dem geringen, was sie bekommt zufrieden. Und sie nimmt diese ihre Aufgabe ernst. Sie tut dem Mann Gottes Gutes. Sie tut, was sie kann. Sie bittet ihren Mann, anzubauen, um dem Gast ein Quartier für die Nacht zu bieten, sie tut alles, was in ihrem Bereich des Möglichen steht, was ihr mit ihren bescheidenen Mitteln möglich ist.

Auch im Evangelium verlangt Jesus von seinen Jüngern alles, die ganze Liebe, ihn an erster Stelle setzen, noch vor Vater und Mutter, vor Sohn und Tochter. Jesus weiß, daß er den Menschen "Ein und alles" sein kann. Daher verlangt er von seinen Jüngern eine Liebe, die soweit geht, daß sie bereit ist, für Gott zu leiden, ihr Kreuz auf sich zu nehmen. Die Jünger sollen Christus ohne Kompromisse nachfolgen, ansonsten so betont er mehrfach, seien sie seiner nicht würdig. Wenn Nachfolge, dann konsequent. Nicht lau sein, sondern entweder heiß oder kalt.

Jesus fordert uns genauso wie diese Frau von Schunem, genauso wie seine Jünger in seine konsequente Nachfolge. Auch wir sind gerufen, ihn an erster Stelle zu setzen. Christus ohne Kompromisse nachzufolgen. Auch wenn seine Wege anders sind, als wir es uns vorstellen, wenn wir uns wie die Frau von Schunem einen Sohn wünschen und es kommt nur ein Prophet. Wenn wir unseren Traumberuf vor Augen haben, und wir bekommen eine Absage nach der anderen. Das annehmen, was Gott mir schenkt. Und ist es noch so wenig. Auch wenn sich unsere Aufgabe zu einem schweren Kreuz entwickelt, dieses auf sich nehmen. Jesus sagt, wer dazu nicht bereit ist, ist meiner nicht würdig. Und diese Aufgabe nicht nur resignierend hinnehmen, sondern sie mit ganzer Liebe ausfüllen. Alles tun, was mir mit meinen Mitteln in meinem Umfeld möglich ist. Wir werden es nicht bereuen. Denjenigen, die sich für Gott entschlossen haben, verheißt er seinen Lohn: Die Frau aus Schunem bekommt ihren größten Wunsch erfüllt, sie erhält einen Sohn, die Jünger Jesu gewinnen das Leben.

Wenn wir unser Leben als ein von Gott geschenktes begreifen, wenn wir sogenannte Schicksale in unserem Leben als Aufgabe und Herausforderung Gottes annehmen, werden wir ein neues Leben gewinnen.

Auch wenn wir unsere Aufgaben als gering und uns selbst als kleine Leuchten verstehen. Die Masse, die wir bewegen ist nicht wichtig, nur daß wir uns um unsere Sache mit ganzer Liebe bemühen.

Wenn wir als solche kleinen Christen für Christus wirken, dann bringen wir damit Gott zu den Menschen. Jesus sagt im heutigen Evangelium. "Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf," der nimmt Gott selbst auf, zu dem kommt Gott. Er sagt: "Wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist - amen ich sage euch: er wird gewiß nicht um seinen Lohn kommen." Nicht nur die großen Heiligen und Seligen, wir Kleinen bringen Gott zu den Menschen. Menschen, die uns Christen als solche etwas gutes tun, denen wird Gott nahe sein. Wer Ihnen etwas schenkt, weil sie sich als Christ z.B. für andere eingesetzt haben, weil sie ihre Aufgabe als Jünger Christi erfüllen, der wird Gottes Dank erfahren. Wo wir anderen von Gott erzählen und Ihn durch unser Leben wirken lassen, da wird Gott den anderen Menschen zuteil. Das beste Beispiel ist die Frau von Schunem: sie bewirtet den Diener Gottes und erhält das Unverhoffteste: einen Sohn. So wie diese Frau leiblich fruchtbar wird, so soll auch unsere Botschaft in anderen Menschen fruchtbar werden.

Gott verlangt nach uns, damit er durch uns zu den Menschen kommen kann.

382. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wer bei der heutigen Rede Jesu genau hingehört hat, wird wahrscheinlich stutzen: Da hat Jesus doch tatsächlich gesagt, dass er sich freut, dass der Vater die Frohe Botschaft nicht allen Menschen erzählt.
Jesus freut sich ausdrücklich darüber, dass der Vater "das den Weisen und Klugen verborgen hat. Ja, Vater, so hat es Dir gefallen."

Das kann man natürlich so interpretieren, dass die Weisen und Klugen sich zu gut waren, auf den Sohn des Zimmermanns zu hören. Dann wäre es ihre eigene Schuld, und Gottvater wäre wieder der, der alle gleichermaßen beschenkt.

Aber das hat Jesus nicht so gesagt und auch nicht so gemeint. Er sagt nicht: "Ich freue mich, dass die Kleinen meine Botschaft willig aufnehmen und die Klugen ausnahmsweise den falschen Riecher haben und so ihre geistige Unfähigkeit offenbaren." Nein, es ist hier die Rede vom Tun Gottes: Er verbirgt vor den Klugen und offenbart den Unmündigen.

Dabei ist der Gedanke der selbstverschuldeten Verblendung nicht falsch. Tatsächlich ist Glauben zunächst Gehorsam. Wir glauben Jesus, der uns die Botschaft vom Vater bringt, weil er der Sohn Gottes ist. Das, was er sagt, nehmen wir gehorsam an - nicht, weil wir es mit unserem eigenen Verstand geprüft hätten; nicht, weil wir da schon längst selbst drauf gekommen wären. Dass Gott in Wirklichkeit dreifaltig ist und dass der Sohn für unsere Sünden stirbt, kann sich kein Gelehrter oder Philosoph ausdenken. Das müssen wir schlicht dem glauben, der es weiß: Gott.

Deshalb haben auch heute noch die Menschen, die nur sich selber trauen und alles, was andere sagen, kritisch oder sogar ablehnend betrachten, große Schwierigkeiten, sich in die Kirche Jesu einzufügen. Es gehört Demut dazu; vor allem Mut, sich der Kirche anzuvertrauen, auch wenn alle um mich herum sagen, dass sie lieber auf ihren eigenen Verstand vertrauen. Vielleicht komme ich mir dann klein vor - aber genau diese Kleinheit ist es, der Jesus das Himmelreich versprochen hat.

Aber das erklärt noch nicht das heutige Evangelium. Es geht letztlich nicht darum, dass Jesus den Großen und Klugen eins auswischen will. Ganz im Gegenteil: Er gibt ihnen noch eine Chance. Auch die Mächtigen, Weisen und von sich selbst überzeugten haben eine Hoffnung, die Heilsbotschaft Jesu zu hören: Wenn sie sich vertrauensvoll an die Kleinen und Unmündigen wenden und ganz bescheiden fragen: Was hat Jesus denn gesagt?

Deshalb freut sich Jesus: Der Vater hat es den einfachen Menschen gesagt, und jetzt sind die Klugen darauf angewiesen, diesen einfachen zu Glauben. Erst, wenn die es schaffen, von ihrem hohen Ross herabzusteigen und den kleinen Christen von nebenan zu befragen - und ihm zu glauben - wird auch ihnen klar, was Glauben heißt.
Das fing ganz konkret bei den Aposteln an: Das waren alle Underdogs - die Loser der damaligen Zeit: Ein ehemaliger Zöllner, eine Ex-Aussätziger und ein paar einfache Fischer. Ob die Pharisäer, die Schriftgelehrten, die Sadduzäer und Essener, die Hohenpriester und die griechischen Philosophen wohl bereit waren, auf ein solches Strandgut der Menschheit zu hören?

Darüber freut sich Jesus: Das Heil der Welt kann nur der erfahren, der sich beugt; der klein wird, um auf die Kleinen zu hören. Das ist Gehorsam: Nicht den Verstand ausschalten - aber bereit sein, im Bettler auf der Straße, in der alten, verwirrten Frau von nebenan, im Dorftrottel und im missgeliebten Alkoholiker, im Außenseiter in der Klasse und im unbeliebten Mitschüler oder Altersgenossen den zu erkennen, der mir von Gott erzählen kann; vor dem ich meinen Hut ziehe und schlicht sagen muss: Ich glaube Dir.

Amen.

383. Predigtvorschlag

Ich stehe jetzt hier, um zu predigen, liebe Schwestern und Brüder!
Das erwarten Sie auch. Wie jeden Sonntag erwarten Sie eine Predigt.
"Hoffentlich dauert die nicht so lange!" wird vielleicht einer denken.
"Jetzt wird's langweilig." meint ein anderer.
"Na, ' mal hören. Vielleicht wird's ja interessant." wartet jemand ab.
"Ach, was wäre ich froh über ein Wort, das mir jetzt in meiner Situation helfen könnte." hofft vielleicht irgendjemand.

So unterschiedlich werden die Erwartungshaltungen sein, die Sie jetzt bewegen.
So unterschiedlich wie die Böden im Evangelium, so unterschiedlich sind Sie, liebe Schwestern und Brüder, so unterschiedlich ist Ihre Motivation hinzuhören.

Klar, das meine Predigt auch unterschiedlich bei Ihnen ankommt.
So richtig sitzen wird sie vermutlich bei wenigen. Einige können sich vielleicht noch am Abend daran erinnern, worum es ging. Viele werden sie möglicherweise schnell vergessen.

Ist das dann nicht ziemlich ineffizient, wqs ich hier mache. Lohnt sich die ganze Vorbereitung einer Predigt eigentlich noch?
Ist das nicht vergebliche Liebesmühe, was wir Prediger Sonntag für Sonntag in die Predigt investieren?

Wäre es nicht sinnvoller zu sagen: "So, Junge, geh' von der Kanzel und mach' mit dem Credo weiter."?

Nein, ich bleibe hier stehen, weil ich Ihnen etwas sagen soll.
Und zwar soll ich Ihnen nicht etwa etwas vom Pferd erzählen, sondern von der Frohen Botschaft.
Die Predigt soll das Wort Gottes, das wir im Gottesdienst hören, erklären, erläutern.
Das ist unsere Aufgabe als Prediger.

Wenn ich hier stehe, soll ich nicht mich selbst und meine eigenen Ideen verkünden, sondern die Lehre Jesu Christi, so wie ich sie verstanden haben und unter einem Aspekt, der Ihnen nützlich sein könnte für Ihren Glauben.
Nicht ich soll im Mittelpunkt stehen, sondern ER.
Nicht der Säman steht im Mittelpunkt, sondern der Samen.
Gott soll Herr der Predigt sein. Nicht ich.

Gott ist der Herr der Predigt!

Das entlastet auch mich, den Prediger.
Ich soll zwar alles tun, um das Wort Gottes möglichst verständlich zu machen: deutlich sprechen, keine langen Sätze, guter Aufbau, bildliche Sprache usw., aber das eigentliche bewirkt Gott.
Der Bauer bereitet den Ackerboden ja auch nach bestem Können vor, aber wachsen läßt ein anderer.

Gott wirkt in seinem Wort, unabhängig von der Kunst des Predigers. Da ist zum Beispiel der Hl. Pfarrer von Ars. Laut Biographie war dieser Priester alles andere als ein begnadeter Prediger, vielmehr geistig etwas unterbelichtet und dazu noch ein Stotterer. Aber er hat eine ganze Region zu einem christlichen Leben anhalten können.

Gott ist der Herr der Predigt!

Das entlastet auch Sie, die Sie die Predigt hören.

Natürlich, Sie müssen sich schon etwas bemühen, wirklich zuzuhören. Wenn Sie das nicht wollen, dann gleichen Sie dem Felsboden auf dem der Same verdorrt.

Aber wenn Sie einigermaßen aufmerksam sind, dann wirkt das Wort Gottes in Ihnen.

Wer Sonntag für Sonntag die Frohe Botschaft hört, der wird davon unmerklich geprägt, zum Guten hin. Genauso wie jemand, der sich ständig Gewaltvideos anschaut, zum Negativen hin geprägt wird.

Vielleicht erinnern Sie sich in einer Situation an ein Wort aus dem Evangeluim oder einer Predigt. Und dieses Wort hilft Ihnen dann weiter.

Gott ist der Herr der Predigt!
Gott selbst sagt in der Lesung über das Wort, das seinen Mund verläßt:
Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt , was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe.

Gott ist der Herr der Predigt! Lassen wir ihn herrschen durch sein Wort in unseren Herzen. Amen.

384. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

schon des öfteren haben wir uns die Frage gestellt, warum Jesus überhaupt in Gleichnissen spricht. Im heutigen - zugegeben langem - Evangelium beantwortet er diese Frage - im Mittelteil:

Es ist den Menschen heute nicht mehr gegeben, zu hören. Weil sie nicht mehr wirklich hören - d.h. gehorchen - wollen. Sie tun, was ihnen selbst beliebt und fragen nicht. Sie leben, was sie verstehen und erweitern ihren Horizont nicht.

Das, was Jesus bemängelt, ist auch heute noch ei Problem. Wenn es nicht die wahre Religion gibt, wenn jeder seine eigene Wahrheit hat - warum dann noch auf andere hören? Ob ich nun ein bisschen Wahrheit habe oder etwas mehr, das ist doch gleichgültig. Also: Warum noch hören? Warum gehorchen? Warum seine eigene Meinung aufgeben?

So fragt der Mensch - damals und heute. Und die Antwort Jesu ist eine doppelte:

Zunächst haben die unterschiedlichen Böden, die die Saat Jesu nicht aufnehmen, eine gemeinsam: Sie bringen keine Frucht.

Wenn jeder seine Wahrheit selbst zurechtzimmert - keiner mehr hören will - so wird schließlich alles, was sie tun, fruchtlos sein und bleiben.

Wir könne diese Warnung Jesu weitergeben - ob sie jemand hört, ist eine andere Frage. Für uns stellt sich die Frage: Kann ich selbst noch hören? Kann ich gehorchen?

Thomas Gottschalk hat in der Kirchenzeitung (wie auch viele andere berühmte und weniger berühmte Menschen) gesagt, dass er selbstverständlich der Kirche nicht in allen Dingen zustimmt...

Wieso eigentlich selbstverständlich? Für mich ist selbstverständlich, ersteinmal der Kirche ganz und gar, voll und komplett zuzustimmen. Zweifel melden sich von allein. Und wenn es soweit ist, dass mir etwas seltsam vorkommt, muss ich fragen und zuhören. Verstehen wollen.

Ich kann der Kirche sehr wohl auf die Kirche hören und ihr auch in den Dingen zustimmen, die ich selbst nicht verstehen oder etwas anders sehe. Gerade dadurch lerne ich zuhören, hinhören, den eigenen Horizont erweitern. Und nur so bringe ich - so hoffe ich - auch Frucht.

Aber die Antwort Jesu auf die, die nicht mehr hören und nicht mehr gehorchen wollen, ist auch eine zweite: Er spricht nur noch in Gleichnissen. Er versucht erst gar nicht, die zu belehren, die nicht hören wollen. Er verklausuliert sein Reden, damit die, die nicht hören wollen, auch noch überhaupt nichts verstehen.

Jau: Jesus grenzt aus. Er schafft einen Kreis der Elite. Dazu kann jeder gehören, der will. Aber die, die nicht wollen, sind eindeutig außen vor. Jesus pflegt keinen Schmusekurs, sondern stellt die, die kritisieren ohne hinzuhören, vor die Wahl: Entweder ihr lernt hören - oder ihr versteht gar nix. Entscheidet euch selbst.

Liebe Schwestern Brüder, die Ackerböden im Gleichnis sind eigentlich passiv - sie können nix dafür, dass sie so sind. Wir aber können aus uns selbst Wüsten oder Oasen machen. Lassen wir uns mit den göttlichen Pflanzen, Setzlingen und Samen beschenken. Öffnen wir uns. Seien wir bereit - hinzuhören, zu gehorchen.

Amen.

385. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Mit 37 jungen Menschen aus unseren Gemeinden fahren und fliegen wir morgen abend zum Weltjugendtag nach Toronto, zu dem unser Papst die Jugend der Welt eingeladen hat. Wozu dieser Aufwand? Johannes Paul II hat diese Tage 1985 ins Leben gerufen um mit den Jugendlichen den Glauben zu feiern, damit sich das Wort Gottes bei uns fest einnistet und nicht nur an der Oberfläche bleibt.

Nehmen wir das Evangelium vom heutigen Sonntag. Zunächst ist einmal davon die Rede, dass die meisten Menschen das Wort Gottes gar nicht hören und verstehen wollen. Das erlebe ich auch durchaus häufig in Diskussionen: da wird einfach blockiert. Viele wollen das Wort Gottes erst gar nicht an sich ran kommen lassen, es könnten ja Konsequenzen daraus folgen, ich müsste mein Leben ja vielleicht ändern.

Menschen wie sie, die sonntäglich zur Kirche gehen, wollen das Wort Gottes hören. Sie werden heute selig gepriesen: glücklich gepriesen, weil ihnen die Bedeutung der Gleichnisse zuteil wird. Ihre Augen dürfen Gott sehen, und ihre Ohren sollen verstehen, was Jesus uns in unseren Gleichnissen sagt.

Das Wort vom Reich, wie es heute im Evangelium hieß, ist über uns ausgestreut. Auch in unserer Gesellschaft haben wir noch viele Möglichkeiten, das Wort Gottes zu hören; im Elternhaus, in der Schule in der Sakramentenvorbereitung, in den Katechesen, in der Predigt.

Nun fällt dieses Wort bei uns allerdings auf unterschiedlichem Boden. Trotz großer Bemühungen verstehen viel Menschen dieses Wort Gottes nicht, es fällt auf den Weg. Wenn ich es nciht verstehe, dann kann es auch nicht wirklich mein Leben bestimmen und beeinflussen, dann kann es nicht in mich eindringen udn dann ist es ganz schnell wieder aus meinem Leben verschwunden.

Manche nehmen das Wort Gottes freudig auf, sind kurze Zeit ganz begeistert dabei, haben eine gute Erfahrung mit dem Wort Gottes gemacht, arbeiten für kurze Zeit im Jugendliturgiekreis mit, haben in Taizé Feuer gefangen oder in Medjugorje, aber sezten das erlebte nicht um. Solche Situationen bezeichnet Jesus als das Wort, das auf felsigem Boden fällt. Der Samen kann keine Wurzeln fassen,w eil wir letztlich zu hart sind, unser Innerstes nicht öffnen, damit Gott darin Wurzel schlagen kann.

Bei den meisten von uns fällt das Wort wohl in die Dornen. Dieses Gestrüpp halte ich für das größte Übel unserer Zeit. Wir sind mit sovielen Dingen beschäftigt, dass das Wort Gottes bei uns untergeht. Die Sorgen dieser Welt und der trügerische Reichtum ersticken das Wort Gottes. So kann es keine Frucht bringen. Wir müssen raus aus unserem Alltag, damit Gott die Möglichkeit hat, uns ganz zu erreichen.

Daher lädt der Papst zu den Weltjugendtagen ein. Die Jugend der Welt nimmt sich 14 Tage Zeit für den Glauben. Um ihn mit anderen Jugendlichen gemeinsam zu feiern und zu bekennen. Beten sie mit mir, dass die dort in Toronto erlebte Freude sich tief verankert in unseren Jugendlichen, so dass Gottes Wort in ihnen reiche Frucht bringt.

386. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Zwei Gedanken:

1. Ein auf den ersten Blick düsterer Gedanke: Wer ist der Feind? Früher, klar, der Teufel. Aber weil man mit dem Gedanken des Teufels den Menschen unter Druck sah, verlegte man das Böse in den Menschen. Seine Triebe, seine Neigungen und Begierden verleiten ihn.

Nur: Ist er deshalb freier? Letztlich steigt doch nur der Druck. Den jetzt bin ich es, der sich freimachen muss. Und wenn es nicht klappt, bin nur ich schuld.

Ich bemühe mich, nur den katholischen Glauben hier zu verkünden, nicht meine Meinung. Und zum katholischen Glauben gehört die Annahme dazu, das es den Teufel gibt, den Verführer. Dieser Glaube ist aber nicht das Ende unserer Freiheit, ein Relikt von überholtem Glauben. Vielmehr können wir uns in vielem von Selbstvorwürfen befreien.

Und vor allem: Der Teufel ist besiegt und wird gerichtet werden. Nicht wir sind besiegt, oder ein Teil von uns. Sondern der, der uns immer wieder verführt. So düster ist dieser Gedanke also gar nicht: Er setzt uns frei von lebenslänglichen Selbstvorwürfen und gibt unserer Hoffnung auf die Vergebung Gottes neuen Grund.

In einem Film heißt es: Der größte Trick, den der Teufel jemals gebracht hat, ist die Welt glauben zu lassen, dass es ihn nicht gäbe.

2. Wenn von der wachsenden Saat gesprochen wird... nicht nur Kirche, Welt oder Gruppen, sondern auch ich gemeint.

Gott weiß, wie es in mir aussieht. Aber er lässt mich gewähren. Getrennt wird erst mit der Ewigkeit.

Mein Augenmerk braucht sich also nicht auf meine Fehler zu richten: Das muss ich vermeiden - und das ...

Sondern ich darf mich auf das Gute konzentrieren. Und das schlechte ruhig erst einmal wachsen lassen.

387. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Jemand, der stark, selbstbewußt ist, braucht seine Stärke nicht dauernd zu beweisen, sondern kann auch gnädig sein, kann Nachsicht üben. Nur wer innerlich schwach ist, mangelndes Selbstbewußtsein hat, muß auch dann hart durchgreifen, wenn Nachsicht angesagt wäre, da er sein Gesicht nicht verlieren darf. Wer hingegen die Anerkennung von anderen nicht täglich bewiesen haben muß, kann Gnade vor Recht ergehen lassen. Dies ist eine Erkenntnis, die sicherlich schon so mancher von uns gemacht hat.

In der heutigen Lesung wird genau diese Stärke auch von Gott berichtet. „Du brauchst nicht zu beweisen, daß Du gerecht geurteilt hast. Deine Stärke ist die Grundlage Deiner Gerechtigkeit, und Deine Herrschaft über alles läßt Dich gegen alles Nachsicht üben." Weil Gott sich nicht zu beweisen braucht, kann er Gnade vor Recht ergehen lassen. „Weil Du über Stärke verfügst, richtest Du in Milde und behandelst uns mit großer Nachsicht".

Diese große Nachsicht Gottes, seine Gnade, seine Gerechtigkeit ist auch das Grundthema des Musicals, welches wir am letzten Sonntag mit 17 jungen Leuten in Duisburg gesehen haben. Im Unterschied zu den bekannten Musicals wie Cats oder Jacyll und Hayde hat das Musical „Les Misérables" seine Wurzeln im Christentum. Dies ist besonders dann zu spüren, wenn Solostücke immer wieder als ein Gebet formuliert werden.

Valjean, ein Vorbestrafter erfährt die Gerechtigkeit Gottes durch das kluge, verzeihende und gnadenvolle Handeln eines Bischofs. „Unser Heiland gab sein Leben, nicht vergeblich war sein Schmerz, Gott erhebt Dich aus der Schande, und ich kauf' für Gott dein Herz." Dadurch, daß der Bischof die Gnade Gottes vermittelt, kann dieser Vorbestrafte Gott an sich heranlassen. Er singt „Was ist mit mir? Herr Jesus, was ist mit mir? Ist für mich alles zu spät? Hab' ich den Teufel im Blut?" Und er fängt ein neues Leben an. Valjean wandelt sein Leben und durch seine neue Gerechtigkeit wird er zum Bürgermeister gewählt. Weil Gott ihm ein neues Leben geschenkt hat, klebt er nicht daran fest, sondern setzt es frei von jedem Egoismus für andere Menschen in Not ein, was während des ganzen Musicals deutlich gemacht wird. „Mein Leben hab ich Gott geweiht, der Handel gilt für alle Zeit. Er gab mir Kraft, ich war verlor'n, durch ihn erst wurde ich gebor`n." Genau wie es in der heutigen Lesung steht: „Durch solch (mildes) Handeln hast Du Dein Volk gelehrt, daß der Gerechte menschenfreundlich sein muß." Weil Gott uns Gnade schenkt, kann auch ich Gnade walten lassen. Und genauso Valjean: er hat Gnade erfahren und durch sein erbarmendes Handeln erfahren nun wieder viele andere Menschen die Gegenwart Gottes und machen das auch in ihren Liedern deutlich: „Guter Herr, Euch schickt wohl Gott im Himmel"

So singt z.B. Fantine, eine junge Frau, die Enttäuschung erlebt. „Ich hab geträumt vor langer Zeit, von einem Leben, das sich lohnte. Von Liebe und Unsterblichkeit. Vom guten Gott, der mich verschonte. ... Doch Gott gibt den Wünschen keinen Raum. Nichts bleibt mir mehr von meinem Traum." Wie oft erleben wir, daß unsere Träume nicht in Erfüllung gehen, daß wir Leid erleben, von Gott enttäuscht sind? Fantine betet, sie gibt den Glauben nicht auf, und ihre größte Sorge, die Sorge um ihr Kind wird erhört. Valjean, der Vorbestrafte nimmt sich ihrer Tochter an mit den Worten: „Er ruft mich. Ich werde nach ihr seh'n. Sein Werk soll gescheh'n. Sein Werk soll gescheh'n." Valjean erkennt in den ganz konkreten Aufgaben, die ihm vor die Füße fallen, Gottes Willen. Dort kann er helfen. Er setzt sich dort für Gottes Gerechtigkeit ein, wo er Unrecht sieht.

Von daher ist dieses Musical auch ein gutes Beispiel für die Gleichnisse im heutigen Evangelium: Das Senfkorn ist das kleinste von allen Samenkörnern, sobald es aber hochgewachsen ist, ist es größer als die anderen Gewächse und wird zu einem Baum. Oder der Sauerteig, der den großen Trog durchsäuerte. Der einzelne, wie hier der Vorbestrafte Valjean kann viel erreichen, auch wenn er wie hier in dem Stück anfangs der kleinste von allen war, der von allen herumgeschubst wurde.

Das Musical birgt noch viele solcher Wahrheiten, viele schöne Gebete. Ich habe so einige hier in der Kirche an die Pfeiler gehängt, sie können nach der Messe ja 'mal herumschauen, wenn Sie mögen. Viele Rollen in diesem Stück bieten an, sich darin wieder zu finden, und Anregungen zu bekommen für das eigene Leben mit Gott. In der zweitletzten Szene wird es noch einmal deutlich auf den Punkt gebracht, wie wir Gott finden können: „die Wahrheit steht geschrieben - zu lieben einen Menschen heißt: Das Antlitz Gottes seh'n." In der letzten Szene folgt dann der Aufruf von dem ganzen Ensemble an den Zuschauer, selber so, mit diesem Vorsatz, Gottes Antlitz im Nächsten zu suchen, so in den Garten unterwegs zu sein. Es ist der Garten Eden gemeint, das Paradies, wo der Herr mit uns das Hochzeitsmahl feiern möchte.

Bei der irdischen Hochzeit am Ende des Stückes heißt es somit: „Heut gibt's für zwei vom Himmelreich ein Stück." Heute wollen zwei junge Menschen vor Gott diesen Weg zum Himmelreich gehen. Sie wollen sich hier kirchlich verloben. Dazu wollen wir nun die ringe segnen, die ihr dann einander anstecken werdet:

Diese Ringe, welche Beate und Ralf als Zeichen ihrer Verlobung tragen wollen, seien gesegnet im Namen des Vaters und den Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Lasset uns nun um den Segen Gottes für die Beiden beten:

Gott, unser Vater, unser Leben liegt in Deiner Hand. Wir gehören Dir, Du läßt uns nicht allein. So braucht uns nicht bange zu sein vor der Zukunft.
Wir bitten Dich um Deinen Segen für diese Verlobten. Sende ihnen Dein Licht, damit sie klar erkennen, dass Du sie füreinander bestimmt hast. Hilf ihnen, den Weg ihres Lebens gemeinsam zu gehen. Halte Deine schützende Hand über die beiden, dass sie in ehrfürchtiger Liebe und Verantwortung diese Zeit der Vorbereitung auf die Ehe leben. Lass sie im Glauben an Dich und in gegenseitigem Vertrauen immer besser zueinander finden. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

388. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Da haben sie Jesus nun lange zugehört, einen Ausflug in die Wüste gemacht, die 5000 Menschen. Nun ist es schon spät geworden, und die Apostel sind der Meinung, dass es reicht.
Der Vorschlag der Jünger «Schick die Menschen weg» formuliert zum ersten Mal das Prinzip eines Sonntagschristen. Für Gottes Einsamkeit in die Wüste, für das Lebensnotwendige nach Hause. Für die Seele in die Kirche, für den Leib in den Urlaub, alles anderer ist geordneter Alltag.
Unser Leben ist schon geregelt. Alles auf's Beste bestellt, dafür brauchen wir eigentlich kein Evangelium. Aber zu unserer Erbauung machen wir auch einmal einen Ausflug in die Wüste. Dort gibt's einen guten Prediger, der uns etwas Abwechslung beschert.

Dieses Prinzip des Sonntagschristen, der am Sonntag als Kirchgänger Christ ist, im Alltag aber ein «normales» Leben führt, wird von Jesus abgelehnt.
Es geht Jesus nämlich nicht um Erbauung, Abwechslung vom Alltagsleben, etwas Ruhe in einer kühlen Kirche. Es geht ihm darum zu zeigen, dass die Nachfolge Jesu das ganze Leben umfasst, dass sich der Mensch mit seinem ganzen Leben darauf einlassen kann.

Meine alte Grundschullehrerin hatte einmal gesagt: Gott hat soviel Zeit für Euch, da könnt ihr wohl am Sonntag eine Stunde für ihn übrig haben. Ich habe diesen Satz noch ziemlich gut im Ohr, vor allem, weil die Gottesdienste meistens kürzer waren als eine Stunde, und ich mich gefragt habe, ob ich wohl noch länger in der Kirche bleiben müsste.

Aber dieser Satz ist nur die halbe Wahrheit. Selbstverständlich sollten wir eine Stunde für Gott übrig haben. Aber das reicht Gott noch lange nicht. Nicht nur eine Stunde, nicht nur religiöse Erbauung, nicht nur einen schön gestalteten Gottesdienst. Nicht nur Trost im Leid, Hoffnung in der Trauer und Hilfe in der Not. Unser ganzes Leben sollten wir für Gott übrig haben.
Liebe Schwestern und Brüder, im Evangelium können wir uns einmal mit denen identifizieren, die von Jesus gespeist werden. Zunächst von Gottes Wort, dass die Seele stärken soll, dann aber auch von seinem Brot, das unser Leben kräftigen soll. Gott will uns beschenken, nicht nur im Gottesdienst. Jede Stunde unseres Lebens ist ein Geschenk, wie immer sie auch aussehen mag.

Wir sind aber auch mit den Aposteln angesprochen, zu denen Jesus sagt: «Gebt ihr ihnen zu essen!» Unser christlicher Auftrag, unser Lebensauftrag, ist nicht nur, dass wir glauben und unseren Glauben weitergeben, sonntags zu Kirche gehen, unsere religiösen Pflichten erledigen. Sondern dass wir unser ganzes Leben in Gottes Dienst stellen, uns und den Menschen das Leben und das Leben vor Gott ermöglichen.

Probieren sie es doch einmal: Nach diesem Gottesdienst, die nächste Woche, ihr Leben lang: Jesu Wort zu befolgen: «Gebt ihr ihnen!»
Dann werden Sie, liebe Schwestern und Brüder, und das sei noch nebenbei bemerkt, ein Wunder erleben. Amen.

389. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Unsicherheit und Zweifel gehören zum Menschen und zum Leben hinzu. Sie bewahren mich davor, selbstherrlich und rücksichtslos zu werden. Wenn ich mich öfter frage, ob ich wirklich auf dem richtigen Weg bin, ob ich tatsächlich den Menschen gerecht werden, die mir anvertraut sind, wenn ich mich immer wieder selbst kritisch in den Blick nimmt, dann schütze ich mich, zum Diktator oder zum selbstgerechten Herrscher zu werden.
Keiner von uns ist durch und durch schlecht. Aber Keiner von uns ist fehlerfrei, und die Besinnung auf die eigenen Fehler ist wichtig für eine gesunde Selbsteinschätzung.

Wenn ich hier und da gefragt werde, ob ich mir in der Einschätzung dieser Person oder jenen Sachverhaltes wirklich sicher bin, dann kommen mir doch Zweifel, und ich überprüfe meine Haltung, ob ich nichts übersehen habe oder in der Einschätzung nicht auch eigene Vorlieben oder Verletzungen mitspielen.

Auch Petrus beginnt, als er auf dem Wasser zu Jesus hinübergeht, zu Zweifeln. Aber anstatt dass Jesus ihn lobt, ("Schön, dass Du Zweifel gehabt hast, das ist wichtig, um sich nicht selbst zu überheben"), reicht er ihm die Hand und wirft ihm Kleingläubigkeit vor. "Warum hast du gezweifelt?!"

So wichtig der Zweifel an der eigenen Vollkommenheit ist, so wenig scheint der Zweifel angebracht, wenn es sich um die Vollmacht und Wirksamkeit Gottes handelt. Gott ist der Unzweifelhafte. Ihm können wir grenzenlos vertrauen, weil er durch und durch gut ist.

Natürlich kann auch in meinem Glauben an Gott Unsicherheit und Zweifel auftreten. Das geschieht nicht nur bei Petrus, davon bleibt wohl kein Mensch verschont, und auch ich bin da keine Ausnahme. Aber mit diesem Zweifel sollten wir uns eben nicht zufrieden geben. Diesen Zweifel sollten wir, wie Petrus, vor Gott bringen mit den Worten: "Herr, rette mich!" Petrus war offensichtlich gar nicht begeistert, mit seinen Zweifeln langsam zu versinken.
Wieviele aber haben sich damit arrangiert, dass sie sich im Glauben nicht ganz so sicher sind! ("Ich stehe eher am Rand der Kirche. Ich bin mir im Glauben nicht so sicher. Aber mir geht's eigentlich ganz gut damit, warum sollte ich daran etwas ändern?") Ja, für manche sind sogar die, die zweifellos glauben, verdächtig. Intolerante Fanatiker, Fundamentalisten.

Wir Menschen brauchen einen Halt, etwas, auf dass wir uns verlassen können. Dieser Halt, diese Grundlage unseres Lebens will Gott sein, weil nur er vollkommen und über jeden Zweifel erhaben ist. "Habt Vertrauen, ich bin es, fürchtet Euch nicht!" Zweifelt nicht an mir!
Wenn wir trotzdem Gott als Grundlage unsere Lebens ablehnen, wir aber nicht versinken wollen, dann brauchen wir Ersatzgottheiten. "Die Partei, die Partei, sie hat immer Recht."
Wer den Zweifel an Gott zur Gewohnheit werden lässt, der zeigt dadurch eben keine größere Unabhängigkeit.
Wenn der Zweifel an Gott zur Pflicht gemacht wird, muss eine andere, nicht mehr kritisierbare Einrichtung her. Die Partei, der Guru, der Ehepartner, die Methode oder eben ich selbst.
Wer den Zweifel an Gott zur Tugend erklärt, verliert ganz schnell den notwendigen kritischen Blick für sich selbst.

An Gott zu zweifeln ist keine Sünde (auch, wenn es früher mal so hieß). Sich im Glauben unsicher zu sein, ist kein Verbrechen. Aber unwohl sollte uns schon dabei sein, jederzeit bereit, die ausgestreckte Hand Jesu zu ergreifen, die uns - wie die Jünger im Bott - zu er der sicheren Erkenntnis führt: Wahrhaftig, Du bist Gottes Sohn!

Amen.

390. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Da kommt eine Frau, die keine Jüdin ist, zu Jesus und bittet um die Heilung ihres Kindes. Und Jesus sagt Ihr, das er nicht zuständig sei für die Hunde, sondern nur für die Kinder. Das ist echt schon ein starkes Stück. Das hätte man von ihm gar nicht erwartet. Ich kann mir richtig vorstellen, wie erstaunt die Leute damals waren, als sie das hörten, und wie sprachlos sie plötzlich wurden.

Aber wenn wir uns in die damalige Zeit hineinversetzen, ist das, was die heidnische Frau ihm darauf antwortet, mindestens ebenso dreist. Nicht nur, dass sie als Frau überhaupt wagt, mit dem Meister zu sprechen. Sie gibt ihm sogar Widerworte!

Vermutlich rechneten jetzt alle damals Anwesenden mit einem Donnerwetter. Sie sahen Jesus förmlich vor Zorn platzen. Aber gerade da hatten sie sich getäuscht:

Jesus möchte gebeten werden. Er liebt es, wenn die Menschen sich mit ihm auseinandersetzen. Er ist begeistert von Männer und Frauen, die das Gespräch mit ihm suchen und sich nicht davon abbringen lassen, mit ihm im Gespräch zu bleiben.

Was wäre wohl passiert, wenn bereits nach der ersten Antwort Jesu die Frau schweigend und betrübt gegangen wäre? Ich glaube nicht, dass Jesus ihr zugerufen hätte: "War doch nicht so gemeint, natürlich werde ich dein Kind heilen. Kannst du denn kein Spaß verstehen?" Was diese Frau auszeichnet, ist nicht ihr Glaube - an die Heilkraft Jesu haben damals hunderte, vielleicht sogar Tausende geglaubt - sondern ihr Wille, im Notfall auch mit Gott zu streiten. Sie hat Gott die Heilung ihres Kindes abgerungen, mit Schlagfertigkeit, zwar auch mit Demut, aber ebenso viel Selbstbewusstsein.

Beten Sie? Bitten Sie inständig um ihren Glauben? Bedrängen Sie Gott förmlich, Sie nicht allein zu lassen? Oder gehören Sie zu denjenigen, die sagen: "Gott macht sowieso, was er will (deshalb ist er ja auch Gott), was soll ich Ihm da noch hineinreden"?

Gott möchte gebeten werden. Er liebt es, wenn die Menschen sich mit ihm auseinandersetzen. Er ist begeistert von Männer und Frauen, die das Gespräch mit ihm suchen und sich nicht davon abbringen lassen, mit ihm im Gespräch zu bleiben. Und vor allem - und das ist die Frohe Botschaft von heute - er lässt sich erweichen.

Eine junge Österreicherin sagte in Rom auf dem Petersplatz zu mir: "Warum hat Gott eigentlich noch nie zu mir gesprochen? Warum hat er sich noch nicht mit mir auseinandergesetzt?"

Haben Sie schon die Auseinandersetzung mit Gott wirklich begonnen?

391. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

In den letzten Wochen wurde sehr viel über die hohen Austrittszahlen der Kirchen gesprochen. Begründungen wurden gesucht im Skandal um den Bischof von Limburg bzw. in der Erklärung der Religionszugehörigkeit bei der Kapitalsteuer. Ein Steuerschlupfloch, welches geschlossen wurde, veranlasst Menschen aus der Kirche auszutreten. Mittlerweile sind die Konfessionslosen mit 37 % die größte Gruppe in Deutschland, 30 % sind katholisch, 29 % evangelisch, 3 % muslimisch. Ein großer Teil und ein immer größer werdender Teil der Deutschen will von Gott und der Kirche nichts mehr wissen. Und die, die sich noch als katholisch bezeichnen, gehen Sonntags nicht mehr zur Kirche, wir die wir hier sitzen, sind in der Minderheit - fast 90 % unserer Glaubensbrüder und -schwestern gehen nicht mehr. Und wir? Verabschieden wir uns auch, wenn der nächste Finanzskandal, Sexskandal oder Meinungsverschiedenheit mit der Lehre der Kirche aufkommt?

Jesus interessiert es nicht, was die anderen über ihn denken - auf die Antwort der Jünger im heutigen Evangelium: die einen glauben, dass Du dieser, die anderen, dass Du jener Prophet bist - geht er gar nicht ein. Sondern er fragt nach: Ihr aber, für wen haltet ihr mich?

Jesus fragt uns, die wir ihm folgen, die wir seine Jünger sind. Ihn interessiert nicht, was die anderen sagen, die sich von ihm und der Kirche getrennt haben, sondern unsere Meinung ist gefragt: für wen hälst Du mich?

Die Jünger müssen erst ganz schön überlegen, schließlich bekennt sich Petrus zum Messias, zum Gottessohn, zum Retter.

Und nun folgt etwas interessantes: Jesus stattet ihn daraufhin mit Vollmachten aus. Er nimmt diesen Felsen Petrus als Grundstein für seine Kirche, dieser Petrus darf binden und lösen und Jesus sagt, dass sich Gott an diese Entscheidungen halten wird. Das ist ungeheuerlich, was dort geschieht. Und das ist nicht neu - sondern das hat bei Gott Tradition: die erste Lesung erzählt uns von einer Parallele bei den Propheten: was Eljakim öffnet, kann niemand mehr schließen, was er schließt, kann niemand mehr öffnen. Gott hat ihm den Schlüssel Davids gegeben; und Petrus nun den Schlüssel des Himmelreichs. (Daraus ist dann das Bild geworden, dass Petrus an der Himmelspforte uns erwarten wird, worum sich eine Vielzahl von Witzen angesammelt hat.)

Gott macht hier im AT und im NT deutlich, dass er sich in unsere Hände begibt. Nicht nur, dass er sich ans Kreuz nageln lässt, sondern auch das Wort, welches Petrus nun spricht, wird im Himmelreich Gültigkeit behalten. Jesus gründet hier eine Kirche, die er mit Vollmacht ausstattet. Hier nimmt seinen Anfang, was sich dann durch die Erwählung des Nachfolgers des Judas: Matthias als 12. Apostel, in der Auswahl der ersten Diakone, durch viele weitere biblische Berichte und auch später weitergeführt hat: dass Gott in seiner Kirche wirkt. Gott hat die Kirche eingesetzt - sie ist kein Menschenwerk. In ihr wirken Menschen, und es menschelt in ihr - sprich: es geschieht Unrecht - ich erinnere an die anfangs erwähnten Skandale - aber es bleibt dennoch Gottes Kirche. Deswegen wird diese Kirche auch nicht untergehen. Sie mag kleiner werden, wie im 6. Jahrhundert, als sie quasi nur noch in Irland existierte, sie mag verfolgt werden, wie im dritten Reich oder jetzt im Nordirak oder Syrien - aber sie wird niemals untergehen - weil sie Gottes Kirche ist.

Ich kann einen Sportverein verlassen, wenn ich mich umorientieren möchte, ich kann den Beruf wechseln, weil eine Krankheit mich dazu zwingt, ich kann vielleicht sogar meine Familie verleugnen, weil ich mich mit ihnen überworfen habe - aber meine Kirche verlassen? Dann kündige ich mein Verhältnis zu Gott. Und das wird Gott respektieren - er zwingt sich nicht auf. Daher muss ich mich fragen, muss ich mir die Frage immer wieder gefallen lassen: Ihr aber - Du aber, für wen hältst Du mich?

392. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

einige von Ihnen haben es selbst erlebt - im letzten Jahr bei der Seligsprechung von Schwester Maria Euthymia: Wer einmal in Rom gewesen ist und den Papst persönlich erlebt hat, der kann sich der Ausstrahlung dieses Menschen kaum entziehen.
Bei den Weltjugendtagen in Paris, Rom und jetzt zuletzt in Toronto war der eindeutige Höhepunkt auch für die jungen Menschen aus Deutschland und der ganzen Welt, die Begegnung mit dem Heiligen Vater. Jugendliche kreischen oder weinen - weil da ein Mensch in ihre Nähe kommt, an dem etwas Besonderes ist.
Ein Mädchen unserer Gruppe - Anne aus Garrel - hat sich trotz der drohenden amerikanischen Polizisten dem Papst weiter genähert als erlaubt und wurde prompt von einem dieser militärischen Polizeibeamten zurück in die Menge geworfen - und brach sich dabei einen Arm. Als sie eine Stunde später aus dem Krankenhaus mit einem Gips zurück zur Gruppe kam, strahlte sie übers ganze Gesicht und meinte nur: "Das war es mir wert."

Eine 17jährige Teilnehmerin - Eva aus Ochtrup -, die mit uns in Toronto war und bei der Schlussmesse mit auf die Bühne durfte, schrieb in einem Erlebnisbericht (der übrigens mehr als 10 Seiten lang ist) ganz am Schluss:

«Und als ob das noch nicht genug wäre, durfte ich mit 10 anderen Jugendlichen aus verschiedenen Bistümern nach der Messe nach vorne kommen um mit dem Papst ein Foto zu machen. Zuerst war ich so überwältigt, dass ich dem Papst nur auf das Hörgerät gestarrt habe, während er an uns vorbeigeschoben wurde. Dann besann ich mich aber schnell eines Besseren und schaute mir die blauen Augen dieses Mannes an, der soviel in der Kirche bewegt hat und immer noch bewegt. Er ist vielleicht gerade jetzt für uns Jugendliche so ein beeindruckendes Vorbild, dass eine von uns sogar einen gebrochenen Arm in kauf genommen hat, um ihn nur einmal zu sehen.»
Seltsam. Woher kommt das? Natürlich, diesem Karol Woytila gebührt Respekt. Er schont sich nicht, nimmt keine Rücksicht auf sein Alter und seine Krankheit. Er hat im Laufe seines Pontifikates vieles geändert, erneuert und in Bewegung gebracht, mehr, als viele seine Vorgänger. Aber - erklärt das die Begeisterung beim Weltjugendtag?

Der Bericht von Eva geht aber noch einen Satz weiter: «Doch ich denke, nicht nur er, sondern auch sein Amt löst diese gewaltige Faszination aus.»
Es ist nicht nur der Mann, sondern auch sein Amt... Eine Begeisterung für das Amt des Papstes?

Im heutigen Evangelium spricht Jesus seinem Petrus eine gewaltige Vollmacht zu: Grund der Kirche zu sein. Auf dem Amt des Petrus baut Jesus die Kirche. Die Anhänger Jesu, eine bunte und ungeordnete Schar von Leuten, die mehr oder weniger die Predigten Jesu gehört haben, bekommen durch den Apostel Petrus einen Halt und einen sichtbaren Ausdruck: An diesem Apostel entscheidet sich, wer Kirche ist, wo sie beginnt und wo sie aufhört. Petrus bekommt den göttlichen Auftrag, in allen Uneinigkeiten der jungen Kirche das letzte Wort zu sprechen, das mit Gott verbindet und oder von ihm löst. Der alte Petrus ist der Grund der jungen Kirche.

Und genau das gilt auch für den Papst: Ob die Kirche jung ist oder nicht, entscheidet sich nicht an seinem Alter. Gerade das haben wir in Toronto spüren können. Ob aber die junge Kirche noch Kirche ist oder die Verbindung zu Gott zu verlieren droht, entscheidet sich auch an ihrem Verhältnis zum Heiligen Vater. Ein unbequeme Wahrheit; aber auch das hat die Geschichte des Weltjugendtages gezeigt: Gerade die Jugend nimmt gerne Unbequemes in kauf, wenn es um Echtheit geht.

Das ist das Faszinierende an Petrus, am Amt des Papstes und an der Person des jetzigen Heiligen Vaters: Offen und frei zu sagen, wer Jesus ist; wer mein Gott ist und mein Erlöser. Und solche Offenheit begeistert. Nicht nur in Rom oder in Toronto. Sondern überall, vielleicht auch bei Ihnen zuhause. Amen.

393. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Es gibt ein Lied der Kelly-Family, übrigens eines der ersten Lieder, das die Kellies selbst geschrieben haben, mit dem Titel: «We love the pope.» Zu deutsch: «Wir lieben den Papst.»

Nun, ein Werbegag kann das wohl nicht sein. Mit einer solchen Aussage kann man heute mit Sicherheit keine Pluspunkte gewinnen, keine Werbeeinnahmen machen.

Aber wenn die Kelly-Family das wirklich ernst meint, dann stellt sich die Frage, was denn gerade am Papst so liebenswert sein soll. Wie kommen die dazu, so ein Lied zu schreiben?

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht fällt Ihnen das gar nicht mehr auf, dass ich Sie immer wieder mit «liebe Schwestern und Brüder» anrede. Vielleicht meinen Sie auch, dass sei nur so ein Floskel, mit der man halt Predigten anfängt. Aber ich meine es ernst.
Auch wenn sie weder meine wirklichen Schwestern und Brüder sind, und auch wenn sie nicht alle lieb sind: Uns verbindet etwas ganz anderes als Sympathie oder Verwandtschaft. Uns verbindet die Tatsache, dass wir alle zu Jesus Christus gehören, und dass wir von unserem Gott berufen und beschenkt sind, ja, dass wir für einander Geschenke Gottes sind. Da mag jeder auch seine Fehler und unsympathische Züge haben, trotzdem: Weil sie von Gott beschenkt wurden, sind sie mir lieb und teuer, sind sie für die Kirche und auch für mich ein Geschenk Gottes, für dass ich nur dankbar sein kann.

Petrus wurde nicht aufgrund seiner persönlichen Vorzüge oder Liebenswürdigkeit zum Fels der Kirche. Hätte sich Jesus danach Ich persönlich kann Gott nicht genug danken, für die vielen Menschen, die mich mit ihrem Glauben immer wieder bereichern. Und ich kann mich aus ganzem Herzen dem anschließen, was Mutter Teresa einmal gesagt hat: «Dieser Papst ist das größte Geschenk Gottes an unser Jahrhundert.»

Amen.

394. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

warum sind Sie eigentlich hier?

Es soll ja Menschen geben, die fragen nach dem Gottesdienst vor allem: Was hat es mir gebracht? Was hat mir dieses Messe eigentlich gegeben?
Es soll Menschen geben, die finden eine Messe gut, wenn die Predigt gut war. Und die Messe war schlecht, wenn die Predigt schlecht war - oder wenn sogar überhaupt keine Predigt gewesen ist.
Es soll diese Menschen geben, die irgendwann sagen: Die Messe bringt mir nichts, da gehe ich nicht mehr hin. Und die dann tatsächlich nicht mehr hingehen.
Das ist inzwischen eine Haltung, die unsere Gesellschaft auf den ganzen Bereich des Religiösen ausgedehnt hat: «Soll er es doch glauben - wenn es ihm hilft!» - oder: «...wenn es ihm was bringt.» Ja, daran muss sich jede Religion vor dem Tribunal des zeitgemäßen Menschen messen lassen: Habe ich was davon, an Gott zu glauben?

(Vorwurfsvoll:) Warum sind Sie eigentlich hier?

So ähnlich wie viele unserer Zeitgenossen hat wohl auch Petrus gedacht: Wenn Jesus stirbt, was habe ich dann von ihm? Was bringt mir - was bringt uns sein Tod? Wofür sollen dann die ganzen Jahre der Wanderschaft mit dem Herrn, der Verachtung durch seine Mitjuden und durch die tonangebende Gruppe der Pharisäer und Schriftgelehrten gut gewesen sein?

Petrus hat sowenig wie die anderen Apostel und Jünger begriffen, dass es darauf nicht ankommt. Denn glauben, lieben heißt zu fragen: Was bringt's den anderen? Den anderen Menschen, der Welt? Meinem Nächsten?

Jesus tadelt Seinen Petrus nicht nur besonders hart, sondern erklärt auch, wieso: Nicht der Egoismus soll seine Jünger beherrschen, sondern das Kreuz: "Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich." Jesus ist nicht in die Welt gekommen, um für Petrus und Seine Apostel da zu sein - er ist zur Erlösung aller Menschen Mensch geworden. Und auch Petrus sollte Christus nachfolgen, nicht weil er etwas dafür bekommt, weil es sich lohnt: Nein, weil er gebraucht wird und etwas zu geben hat. Eben aus Liebe zu Gott, der Freunde sucht.

Deswegen sind wir als hier: Wir feiern diese Gottesdienst für Gott - weil er Freunde sucht und uns einlädt - und für die Anderen. Nicht für uns, aus einem egoistischen "Was bringt's mir" heraus.

Wir sprechen nämlich nicht deswegen von dem Gemeindegottesdienst, weil hier die ganze Gemeinde anwesend ist - das stimmt nämlich gar nicht. Mehr als die Hälft der Gemeinde kommt ja gar nicht mehr zum "Gemeindegottesdienst". Wir feiern deswegen einen Gemeindegottesdienst, weil wir, Sie und ich, ihn für die Gemeinde feiern. Auch wenn wir durch die Woche Gottesdienst feiern - mit gerade mal einem Prozent Gottesdienstbesucher, feiern wir diesen für die ganze Gemeinde!
Sie kommen in die Messe, nicht weil diese Messe was bringt, sondern weil hier gegeben wird.

Jesus gibt sich uns - am Altar, in der Kommunion.
Wir geben uns Ihm - in der Gabenbereitung, im Hochgebet.
Wir geben unsere Gaben dem Nächsten - vor allem im Gebet.

Glauben Sie mir - das Gebet ist eine größere Gabe als das Geld im Klingelbeutel, weitaus selbstloser, selten egoistisch und oft wirksamer.
Es geht im Glauben nie ums Nehmen, um den Gewinn: "Was nutzt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt?"
Es geht um das, was Sie zu verlieren haben: "Wer sein Leben um meinetwillen verliert..."
Ein Tip: Bemühen Sie sich einmal, sich selbst im Gottesdienst zu verlieren. Hier, heute, in dieser Messe. Und dann wissen Sie, warum sie hier sind.
Amen.

395. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Es ist einfacher, den Menschen zu folgen, als Gott
es ist einfacher, den Gesetzen, den Normen der Gesellschaft zu folgen, als Gottes Normen der Liebe
es gibt keine halbe Wahrheit, konsequent Christus folgen
es gibt andere Bibelstellen, wo Jesus einlädt, ihm so zu folgen, wie es einem persönlich möglich ist.
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst " bedeutet nicht Selbstmord. Selbstverleugnung heißt nur Christus kennen, nicht mehr sich selbst, nur noch ihn sehen, der vorangeht, und nicht mehr den Weg, der uns zu schwer ist.
es geht nicht um die Praktizierung christlicher Gesetze, oder um asketische Selbstvervollkommnung, sondern um eine alternative, nicht ich-orientierte Lebensform, die durch die Bindung an Jesus, d.h. in der Nachfolge, und in der Gemeinschaft der Nachfolgenden überhaupt erst möglich wird
Dabei ist die von jedem kirchlichen Zwang gelöst Freiwilligkeiteines solchen Lebens vorausgesetzt
bürgerliche und christliche Existenz sollte unterschieden werden können.
Das Leben ist mehr als alles Gold, es ist das kostbarste, was es gibt. Es geht Mt also bei der Selbstverleugnung zentral um ein Nein gegenüber dem Besitz. das paßt zur zentralen Stellung, die die Warnung vor dem 1Reichtum bei ihm hat.
Richter über das, wa wahres Bekenntnis zum Gottessohn ist, ist also weder ein kirchliches Lehramt , noch eine theologische Fakultät, sondern allein der Menschensohn, der die Praxis der bekennenden Jünger beurteilt.

396. Predigtvorschlag

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

am nächsten Sonntag beginnt für unsere Stadt und somit auch für unsere Gemeinde die Gemeindemission. Drei Patres kommen für zwei Wochen zu uns in die Kirche und in die ganze Gemeinde um uns zu besuchen?, um die ganze Stadt zu bekehren?, um einfach mit uns zu leben? Was denn überhaupt und warum eigentlich?

Der Pfarrgemeinderat wurde um zig Personen erweitert, die alle für irgendeine Gruppe unserer Gemeinde Verantwortung tragen, um diese Gemeindemission vorzubereiten. Viele Abende wurden bisher schon investiert und viel Arbeit wird auch noch in der kommenden Woche investiert werden müssen. Unsere Meßdiener haben ihr Schützenfest wegen dieser Gemeindemission verlegt, die Kolpingfamilie ihr Jubiläumsfest aus der Mitte der Gemeindemission herausgelegt. Wofür dieser ganze Aufwand? Was soll das ganze? Stehen wir kurz vor dem Jüngsten Gericht, wo wir noch möglichst viele retten wollen?

Bestimmt nicht. Ich glaube, daß durch diese Gemeindemission nicht einer mehr zur Kirche geht, der nicht auch sonst sich hier hin und wieder mal blicken läßt. ich bin davon überzeugt, daß nach der Gemeindemission keiner Kontakt zur Kirche bekommen hat, der jetzt von Gott und seiner Kirche nichts wissen will. Wem der Glaube heute vollkommen egal ist, der braucht auch am ersten Montag nicht kommen, wenn dieser hier Thema ist. Für wen der Papst nur ein überflüssiger alter Mann ist, der bekommt hier auch am ersten Dienstag kein neues Bild von Kirche. Wer am Leid in der Welt verzweifelt ist und daher nicht mehr an Gott glaubt, der findet auch am Freitag keinen neuen Zugang.

Was das ganze dann soll? Nun, auf keinen Fall Emsdetten bekehren. Die Emsdettener werden auch im nächsten Jahr Kirmes feiern und nicht Kirchweih von St.Pankratius, wo diese Kirmes ihren Ursprung hat.

Die, die jetzt keinen Kontakt mehr zur Kirche haben, werden wir auch nicht durch die Gemeindemission erreichen, bei dem die Flamme des Glaubens erloschen ist, bei dem bedarf es mehr, um sie wieder anzuzünden. Aber sie, die sie hier sitzen, wir können gestärkt werden. Wir werden doch auch immer wieder schwach und zweifeln. Aber bei uns brennt die Flamme noch, beim einen mag sie gerade noch glimmen, beim anderen brennt die Flamme des Glaubens licht und hell. Wir alle, die wir Hier sitzen, und die auch sonst noch Kontakt mit Kirche haben, wir alle sind auf der Suche nach Gott, wir alle haben eine Ahnung davon, daß er uns in unserem Leben helfen will und kann. Wir sind auf der Suche danach, was der Wille Gottes ist. Und das ist der entscheidende Punkt. Wir sind auf der Suche. Auch für uns ist der Glaube an einen gerechten Gott z.B.: angesichts der aktuellen Kinderprostitution nicht einfach, auch ist die eine oder andere Verkündigung des Papstes für uns nicht so leicht verständlich. Aber so lange wir auf der Suche sind nach Antworten, solange kann Gott uns helfen. Und dann, seien die Zweifel auch noch so groß, wenn die Flamme des Glaubens noch nicht ganz erloschen ist, dann kann uns die Gemeindemission etwas bringen, dann kann sie uns stärken. Fragen und Zweifel, die wir in unserem Glauben haben, können hier angegangen, der Lösung näher gebracht und vielleicht sogar geklärt werden. Wir können unser Leben überprüfen und vielleicht erkennen wir, was Gott von uns will, so wie Paulus heute schrieb: "Gleicht euch nicht ...vollkommen ist."

Und noch schöner finde ich die Worte, die der Prophet Jeremia gefunden hat: "Du hast mich... verhöhnt mich" Wie oft werden wir mittlerweile für unseren Glauben verhöhnt: "Was, Du gehst zur Kirche, aber der Papst hat doch.." Wieviel Schüler müssen mittlerweile Spott entgegennehmen dafür, daß sie in der Messe dienen. "Ein jeder verhöhnt mich" Und doch muß Jeremia die Ungerechtigkeit anklagen: "Ja, sooft ich rede, muß ich schreien, Gewalt und Unterdrückung" Der Einsatz für Gerechtigkeit "bringt mir den ganzen Tag nur Spott und Hohn. Sagte ich aber ... konnte nicht."

Ich wünsche Ihnen und mir und allen, bei denen das Feuer des Glaubens noch nicht erloschen ist, daß wir diese Chance nutzen, es wieder zu entfachen, daß es wieder anfange zu brennen in unserem Herzen, so daß wir es nicht mehr eingeschlossen halten können. Amen

397. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Wer sein Leben retten will - muss sich um alles sorgen, aller selber machen, absichern, misstrauen, der wird sich selbst darin verlieren - wird letztlich nie richtig leben, sondern höchstens Spaß haben, verzweifelt darum kämpfen, nichts im Leben zu verpassen, und dabei jede Tiefe, jeden höheren Wert und vor allem das ewige Leben aus dem Blick verlieren.

Statt dessen: gleicht euch nicht dieser Welt an, wandelt euch, erneuert euer Denken, prüft, was der Wille Gottes ist - so Paulus heute im Röm,erbrief.

Die Worte Jesu setzen meines Erachtens noch einen drauf: wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst ; sein Leben um Jesu Willen zu verlieren.

Das klingt nach einer harten Forderung - ist es auch, und so wird es von uns erwartet. Nicht nur die Ordenleute oder Priester sollen sich ganz in den Dienst Jesu stellen, sondern jeder Cvhrist stelle seine eigenen Interessen zurück und leben stattdessen für die Sache Jesu: für die Liebe, die von Gott kommt und unser ganzes Leben beansprucht. Die Liebe Jesu weiterzugeben ist nicht eine Nebensache für den Feierabend, sondern betrifft das ganze Leben.

Und da unterscheiden wir uns radikal von der Konsumgesellschaft, die dem Lebensgefühl hinterherlaufen.

Wir leben davon, dass wir die Liebe Jesu verschenken. Wir sind nicht da, um zu nehmen, sondern um zu geben. Eheleute versprechen sich: ein Leben lang Liebe zu schenken, nicht diese vom anderen zu nehmen. Liebe, Sexualität lebt davon, dass ich sie dem Ehepartner schenke, sie wird missbraucht, wenn ich sie mir nehme!

Der Ehemann, die Ehefrau verschenkt ihre Liebe - der Christ ist dazu da, seine Liebe zu verschenken, sein Leben zu verschenken.

Viele in unserer Gesellschaft leben vom Nehmen und kaufen. Wenn wir Christen dagegen unsere Lebensvorstellung vom Geben und schenken stellen, ernten wir oft nur Spott und Hohn - ähnlich wie der Prophet Jeremia vorhin sagte: "Das Wort des Herrn bringt mir nur den ganzen Tag nur Spott und Hohn." Jugendliche werden belächelt, wenn sie Gleichaltrigen vom WJT berichten; Eltern werden verhöhnt, wenn sie der Tochter verbieten, dass der Freund bei ihr übernachtet, Priester werden nicht ernst genommen, wenn sie von der Wichtigkeit des Bußsakramentes sprechen.

Doch ich kann nicht anders, als Ihnen das zu erzählen, was ich vor Gott als richtig erkannt habe.
Eltern können nicht anders, als ihren Kindern das zu lehren, was sie über die Ausdrucksform der Liebe als Richtig erkannt haben.
WJT - TN können nicht anders, als Gleichaltrigen von den Erfahrungen zu berichten, die ihr weiteres Leben prägen.

Uns geht es da wie dem Propheten Jeremia: er kann sich nicht zurückhalten, von Gott zu erzählen - es war, als brenne in seinem Herzen ein Feuer, das raus muss.

Ich wünsche uns allen dieses Feuer, damit wir andern mit brennendem Herzen von der Liebe Christi erzählen und sie großherzig verschenken.

398. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist schon interessant, wie sich eine Bibelstellen, beispielsweise das Evangelium, das wir gerade gehört haben, nach und nach verwandeln kann, je länger wir darüber nachdenken.

Zunächst klingt alles ja ganz einfach: Da ist jemand, der sich daneben benimmt, und vorsichtig soll die Gemeinde in auf den Weg der Besserung bringen: Erst im kleinen Kreis, dann vor Zeugen, und schließlich, wenn alles nichts nützt, öffentlich.

Aber auf den zweiten Blick sind damit schon Aussagen gemacht, die wir heute gar nicht mehr so gern akzeptieren: Erst einmal dass die Menschen sündigen. Außerdem, dass sie es selbst meistens gar nicht mehr merken. (Wenn wir an Sünde denken, dann fällt uns doch allerhöchstens noch die Verkehrssünderkartei in Flensburg ein. Vielleicht denken wir auch noch an Umweltsünden - aber die begehen ja immer nur die anderen.)
Heikel wird es vor allem, wenn ich anderen zugestehen soll, dass sie besser beurteilen können, was ich auf dem Kerbholz habe. Das kann ja wohl nicht sein!
Aber genau das steht im heutigen Evangelium drin: Nimm deinen Bruder beiseite - bzw. deine Schwester, denn die Frauen sind da auch nicht besser - und weise sie zurecht. Alleine würde der ja nichts merken.

Wahrscheinlich sündigen die Menschen nämlich nicht, weil sie soviel Spaß daran haben, schlecht zu sein. Sondern vermutlich liegt es eher daran, dass sie es nicht besser wissen. Es ist wichtig, dass wir uns gegenseitig sagen, wo der Weg zum Guten langgeht.
Dass Jesus uns dieses sogar als Gebot aufträgt, liegt wohl daran, dass wir nur ungern anderen in ihr Verhalten hinreden, weil wir uns nur ungern in unser Verhalten hineinreden lassen. Aber genau dieser Mut zur Unpopularität ist der Auftrag Jesu.
Wenn man allein schon diesen Gedanken Zuende denkt, dürfte genug Gesprächsstoff darin stecken. Aber wir sind ja erst beim zweiten Blick.

Auf den dritten Blick knüpft Jesus an unser Tun und lassen sogar das ewige Heil anderer Menschen. Denn was wir auf Erden binden, das wird auch im Himmel gebunden sein. Wen wir hier auf Erden wieder mit Gott, mit dem Guten in Verbindung bringen, der wird auch im Himmel mit Gott verbunden sein. Manchmal, so das Fazit, liegt es in unseren Händen, ob ein anderer Mensch sein Heil findet - oder nicht.

Starker Tobak für eine Zeit, in der wir glauben, jeder müsste nach seiner eigenen Fasson selig werden. Und auch sehr beunruhigend, beängstigend. «Es ist ein furchterregendes Geheimnis», so sagt ein Papst unseres Jahrhunderts, «dass wir mitverantwortlich sind für das ewige Heil der Menschen.»

Nicht nur dem Petrus sind die Schlüssel für das Himmelreich gegeben, nein, einem jedem von uns ebenfalls. Jesus hat für uns den Himmel aufgeschlossen und uns die Schlüssel gegeben, um nun die Menschen für den Himmel aufzuschließen.

Bisher wurde aus einem ganz «normalen Evangelium», dass sie vermutlich schon zur Gabenbereitung wieder vergessen hätten, ein ziemlich unangenehmer Zeigefinger, der uns an unsere Weltverantwortung erinnert. Aber bei einem letzten Blick (wenn ich richtig mitgezählt habe, ist das der vierte Blick auf das Evangelium), kann sich der Eindruck noch einmal wandeln: «Bittet um alles, was ihr wollt, es wird euch gegeben werden.».

Der Schlüssel zum Himmelreich ist das Gebet. Mit anderen Worten: Der Schlüssel, mit dem wir die Menschen für Gott aufschließen können, ist Jesus selbst. Er hat sich uns anvertraut, er hat uns beten gelehrt, er wirkt in den Sakramenten, er verwandelt uns zu Schlüsselträgern. «Bittet um alles, was ihr wollt, es wird euch gegeben werden. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.»

Amen

399. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

Der heutige Abschnitt des Evangeliums gehört wohl eher zu den heikleren Teilen. „Wenn dein Bruder sündigt..." Was ist dann zu tun, wenn ein Mitchrist auf Abwege gerät und sich in Schuld verstrickt?

Unser normale Reaktion ist eher zwiespältig. Auf der einen Seite scheint das Kritisieren für viele eine Lieblingsbeschäftigung, geradezu ein Hobby zu sein. Auf der anderen Seite aber sagen wir schnell: Der andere ist selber alt genug, er muß selber wissen, was er tut, er ist selber dafür verantwortlich - also halten wir uns da lieber fein heraus. Man will sich ja nicht in die Privatangelegenheiten Anderer einmischen.

Gott aber sagt: Wenn Du den Schuldigen nicht warnst, dann fordere ich von Dir Rechenschaft." So haben wir es in der Lesung aus Ezechiel vorhin gehört. Sicher, jeder wird für sein verhalten gerade stehen müssen, aber es ist unsere Pflicht, ihm den rechten Weg zu weisen, den andern im wahrsten Sinne des Wortes „zu-Recht-zu-weisen". So auch im Evangelium: Wenn dein Bruder sündigt, dann gehe zu ihm hin und weise ihn unter vier Augen zurecht." Also nicht warten, bis der Bruder oder die Schwester ihren Irrweg einsieht, nein: „geh zu ihm, zu ihr hin!"

Wie schnell und wie leicht reden wir über die Fehler der anderen. Läster hier, tuschel da. Aber zu ihnen hingehen? Was denken die denn dann über mich, was werden die dann über mich reden? Jesus sagt: "Geh zu ihm hin!" Er sagf nicht: Kanzle ihn von oben herab, mach ihn besserwisserisch fertig, sondern weise ihn unter vier Augen zurecht. Bedenke: es ist deine Schwester, dein Bruder, keiner von Euch ist vollkommen, keiner von Euch ist schon am Ziel, sondern ihr seid miteinander unterwegs, und es ist eure Pflicht als Weggefährten, einer dem anderen den rechten Weg zu zeigen, wenn er sich verirrt hat.

Ein Beispiel mag die Art dieser Zurechtweisung verdeutlichen: Eines Tages kamen aufgebrachte Mönche zum Abt gelaufen und berichteten ihm, daß sich in der Zelle eines Mitbruders eine Frau aufhalte. Als der Abt mit den aufgebrachten Mönchen dorthin kam, konnte der Mönch die Frau gerade noch in einem Faß verstecken. Der Abt erkannte die Situation, er setzte sich auf das Faß und ließ die Mönche die Zelle durchsuchen. Sie fanden natürlich nichts. „Was es auch war, Gott soll euch vergeben!" Er ließ ein Gebet verrichten und schickte die Mönche hinaus. Dann nahm er den Bruder bei der Hand und ermahnte ihn: „Bruder , gib auf dich acht!" Nach diesen Worten ging er weg.

„Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm hin und weise ihn unter vier Augen zurecht." Es geht Jesus nicht ums Rechthaben, auch nicht bloß darum, daß etwas klargestellt wird, sondern es geht um den Menschen, darum, ihn von einem falschen Weg auf den richtigen Weg zurückzuführen. Entsprechend muß ich bei meiner Kritik am anderen umgehen: den anderen nicht abkanzeln, abstempeln, in die Pfanne hauen, auch nicht bloß von sich selbst ausgehen und seine eigenen Maßstäbe an dem andern anlegen, sondern sich mit dem anderen auf eine Stufe stellen, ihm zeigen, daß man auch selbst Fehler macht, die Ehre, die Würde des anderen achten, die Persönlichkeit des anderen respektieren. Da kann dann ein gut gemeintes Wort ankommen.

Und doch, so macht es schon Jesus im Evangelium deutlich, kann sich jemand auch dann verschließen. Dann sollen andere eingeschaltet werden: ich persönlich nimm dann immer ganz gerne den Vorsitzenden des jeweiligen Vereins, den jeweiligen Lagerleiter und einen anderen erfahrenen Gruppenleiter hinzu. Derjenige muß dann merken, daß auch andere Personen, die Verantwortung tragen, von diesem Fehler wissen, und auch die Lösung ähnlich sehen. Bisher hat dieser Schritt meist dazu geführt, daß derjenige sein Fehlverhalten aufgab, einsah. Wenn nicht, so Jesus im Evangelium, dann soll es öffentlich gemacht werden: vor der ganzen Gemeinde, dann soll die Kirche eingeschaltet werden.

Die Motivation hinter diesen Handelsanweisungen Gottes ist das Leben. Gott möchte uns zum Leben führen, jeden einzelnen von uns. Er spricht zu jedem von uns, und wenn der einzelne ihn nicht hören kann, nicht versteht, sollen wir, die wir etwas von Ihm verstanden haben, den anderen darauf hinweisen, damit auch er leben kann. Möge Gott uns die richtigen Worte zu solchem Handeln geben.

400. Predigtvorschlag

Es ist Samstag. Am Nachmittag. Ich sitze im Beichtstuhl.
Als ich in der Bibel lese, stoße ich auf folgende Stelle aus dem Evangelium:
In jener Zeit trat Petrus zu Jesus und fragte:
"Herr, wie oft muß ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal?"
Jesus sagte zu ihm:
"Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal!"

Petrus wird wohl ganz schön geschockt gewesen sein. Da dünkt er sich schon sehr großmütig mit seinem siebenmaligen Vergeben; doch der Herr belehrt ihn: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal.

Siebenundsiebzigmal. Das heißt: immer und immer wieder!

Wir sollen ständig bereit sein, jedem Menschen immer zu vergeben.
Immer vergeben. Das ist schwer. Das vermag man nur mit Gottes Hilfe.
Wir können anderen nur vergeben, weil wir wissen, daß Gott uns vergibt, wenn wir bereuen. Und zwar immer.

Ich glaube an die Vergebung der Sünden. So bekennen wir.
Gott vergibt die Schuld. Das glauben wir.

Aber plötzlich kommen in mir Zweifel auf.
Wenn wir als katholische Christen an die Vergebung der Sünden glauben, warum nimmt dann kaum jemand mehr das Sakrament der Vergebung wahr?
Warum sitze ich im Beichtstuhl und warte häufig so lange vergeblich, daß jemand kommt?
Viele sind es nämlich nicht gerade, die kommen. Meistens ein bis zwei.

Die geringe Zahl derjenigen, die zur Beichte kommen, ist nicht gerade ein flammendes Zeugnis der Eper Bevölkerung für ihren Glauben an die Vergebung der Sünden.
Gut, vor Hochfesten kommen mehr Menschen. Aber auch deren Anzahl ist so gering, daß man meinen könnte: Die Katholiken in Epe sündigen nicht. Und mit Verlaub, das glaube ich wiederum nicht.

Vielleicht gehen die ja woanders beichten, versuche ich mich manchmal zu trösten. Aber weder die Nachbarpfarrer noch die Pater von der Bardel berichten von Schlangen vor ihren Beichtzimmern.
Es bleibt dabei: Hier wird wenig gebeichtet. Warum ist das so?

Sicherlich, es hat schwere Fehler in der Beichtpraxis gegeben. ältere Menschen erzählen von Druck, Angst, Zwang, Herzlosigkeiten.

Aber diese Zeiten sind doch wohl mittlerweile vorbei. Wenn ich an meinen Beichtunterricht zurückdenke, und der ist nun auch schon zwanzig Jahre her, da war nichts zu spüren von Angstmacherei usw.
Natürlich kostete mir die Beichte im Anfang etwas Überwindung, aber letztlich war es immer ein sehr tröstendes und schönes Erlebnis für mich.

Und die Kinder in dieser Gemeinde machen ähnlich positive Erfahrungen.
Jedenfalls meine ich das erkennen zu können in den Gesichtern der Kinder, die zum erstenmal beichten.
Da wird im Beichtstuhl auch schon mal gelacht.
Ab und zu kommen dann Eltern und erzählen, wie schön die Erfahrung der Beichte für die Kinder war.

Und spätestens da frage ich mich dann: Warum kommen dann so wenige aus dieser Elterngeneration zur Beichte, wenn das doch so gut zu gehen scheint?
Brauchen denn bloß noch Kinder die Vergebung der Sünden?

Nein, wir haben sie alle nötig. Bitter nötig. Ich auch. Darum gehe ja auch ich als Priester beichten. Regelmäßig.
Und seit meiner ersten Beichte habe ich noch nir erlebt, daß ein Beichtvater mich abgesaut hat.
Im Gegenteil. Vielfach hat mich der Zuspruch des Priester aufgebaut.
Und Aufgebaut hat mich auch immer die Gewißheit, daß Gott mit vergeben hat.
So war, so ist jede Beichte für mich ein Neuanfang, ein neues Aufleben.

"Was soll ich denn beichten? Ich hab doch gar keinen umgebracht.", sagen viele.
Abgesehen davon, daß man einen Menschen nicht nur mit Messer oder Pistole, sondern auch mit der Zunge oder im Gedanken umbringen kann,
geht es darum, die kleinen Lieblosigkeiten, die kleinen Vergehen gegen Gott, gegen den Nächsten und gegen sich selbst vor Gott zu tragen, damit er sie heilt, er sie vergibt.

Es geht in der Beichte eben auch darum, die kleinen Risse in der Staumauer auszubessern, damit sie nicht weiter aufreißen und irgendwann die Mauer dem Druck der Wassermassen nicht mehr standhalten kann und zusammenbricht.
Die Beichte hilft so, aufmerksam zu bleiben, damit in mir irgendwann nicht doch der Damm bricht und dann tatsächlich jemanden umbringe.

Es gibt tiefe Abgründe im Menschen, in mir. Und daß diese mich nicht verschlingen, dazu hilft mir das regelmäßige Bekenntnis dieser meiner Abgründe.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.

In der Beichte lerne ich mich besser kennen,
kann ich lernen auch mit meinen dunklen Seiten umzugehen,
werden meine dunklen Seiten verwandelt durch die Vergebung Gottes.
In der Beichte erfahre ich: Gott schenkt mir einen neuen Anfang, ein neues Leben.

Es läutet. Gleich beginnt die Hl. Messe. Ich muß den Beichtstuhl verlassen.
Ich schließe die Beichtstuhltür und danke Gott für das Geschenk der Beichte, der Vergebung der Sünden.

Und ich hoffe, daß beim nächsten Mal mehr Menschen dieses Geschenk annehmen.

401. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Petrus ist ordentlich genervt. Er hat es satt, immer wieder von Jesus aufgefordert zu werden, seinen Brüdern (damit sind wohl vor allem auch die Pharisäer gemeint) zu vergeben. Die Frage, die er stellt, ist keine Bitte um Information, sie ist Ausdruck seiner Ungeduld: «Wie oft, Jesus, muss ich eigentlich noch vergeben? Hab ich nicht langsam mein Soll erfüllt? Ich hab den lästigen Pharisäern heute schon siebenmal ihre Unverschämtheiten verziehen. Kann ich jetzt vielleicht endlich mal zurück schimpfen?»

Aber Jesus, der seinen Petrus schon mag, lässt sich in dieser Frage nicht erweichen: «Siebenmal? Siebenundsiebzigmal sollst du verzeihen!» In der Version, die Lukas aufgeschrieben hat, stöhnen die Jünger daraufhin entsetzt: «Siebenundsiebzigmal?! Oh Herr, stärke unseren Glauben!»

Und das tut Jesus. Indem er ihnen aufzeigt, wie es mit ihnen selber aussieht. Indem er ihnen das Gleichnis erzählt, das wir gerade gehört haben. Das Fazit ist: Wir sollen nicht nur einfach vergeben, barmherzig sein und Gutes tun, weil das so schön werbewirksam für die Christen wäre (nach dem Motto: «Wir Christen - barmherzig, praktisch, gut.»), sondern weil wir selbst erkannt haben, dass wir Sünder sind - immer wieder, jeden Tag neu, - und dass Gott uns trotzdem immer wieder vergibt und darin nie die Geduld mit uns verliert.

Naja - vielleicht hapert's da schon. Beim Petrus und auch bei uns. Ein Jugendlicher hat mir nach einer Sonntagsmesse einmal gesagt, dass mit dem Schuldbekenntnis und dem dreimal «durch meine Schuld» und so - dass passe nicht in sein Gottesbild. Und ein anderer sagte mir, als er zu Beginn einer Messe von mir gehört hatte, dass «Wir alle schließlich auch Sünder» sind, habe er den Gottesdienst wieder verlassen. So könne er den Sonntag nicht feiern. Noch jemand anders hat mir deutlich gemacht, dass das Gebet vor der Kommunion «Herr, ich bin nicht würdig» doch wohl völlig unpassend wäre angesichts der Güte Gottes.

Es tut mir leid, aber in dem Augenblick, indem wir - um der Güte Gottes willen - so tun, als ob wir frei von Fehlern, frei von Schuld wären - oder sie zumindest verschweigen; indem wir so tun, als wenn wir einen Anspruch auf die Güte Gottes hätten, in dem Augenblick haben wir die Güte und Liebe Gottes zerstört - nicht vergrößert. Es gehört zum Wesen der Liebe, dass wir darauf keinen Anspruch haben können, dass sie immer unverdient bleibt.
Eine Ehe zerbricht genau dann, wenn sich die Ehepartner nicht mehr in dem Bewusstsein begegnen, dass beide von ihnen die Liebe des anderen nicht verdient haben. Eine Familie gerät in eine arge Krise, wenn die Eltern oder die Kinder die Liebe des anderen einfordern.

Das wahre Eingeständnis einer Liebe beginnt immer mit dem Eingeständnis, dass man sich bewusst ist, diese Liebe nicht verdient zu haben.

Ein hervorragendes Beispiel: Ein Liebeslied der Gruppe PUR. «Ich hab gut und gerne 5 Kilo Übergewicht, ein krummes Ding namens Nase ziert mein Gesicht. Und wie ich an 'ne Frau wie dich komm, weiß ich nicht.»

Erst wenn wir uns realistisch selbst eingestehen, wie es um uns steht - ja, wenn wir es hier im Gottesdienst sogar öffentlich auszusprechen wagen, vor einander, dass wir nicht die großen Vorbilder sind, können wir das erleben und erfahren, was es bedeutet, dass Gott uns immer wieder neu liebt, geduldig und nie nachlassend. Und erst dann - wirklich, erst dann (!) können wir die Kraft und die Freude aufbringen, ohne Groll anderen zu verzeihen. Siebenmal. Siebenundsiebzigmal. Mindestens.

402. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Seien wir einmal ehrlich: Den dummen Verwalter im heutigen Evangelium können wir nicht wirklich verstehen. Wir sind, alles in allem genommen, doch gerne bereit, zu verzeihen und zu vergeben.
Zugegeben, es gibt ein paar Reizthemen und Reizpunkte, da fahren wir schon einmal schnell aus der Haut und geben nicht so leicht nach. Das kommt vor. Aber wenn der Betreffende uns anständig bittet, reumütig und ganz lieb, und ein wenig Geduld hat, dann werden wir den Teufel tun und hart bleiben!

Das Problem, liebe Schwestern und Brüder, liegt anscheinend eher in der umgekehrten Haltung: Wer bittet schon gerne um Verzeihung? Wer kommt schon gerne reumütig an - und ist dann auch noch bereit, für eine Wort der Vergebung sich eine Gardinenpredigt anzuhören? Es reicht doch oft, einfach etwas abzuwarten, irgendwann wächst dann doch Gras über die Sache.
Ja, wenn wir es uns einmal genau ansehen (bei Kindern lässt sich das gut beobachten): Wenn ich entdecke, dass ich einen Fehler gemacht habe, einem mehr oder weniger guten Bekannten wirklich Unrecht getan habe und ihn darüber hinaus wirklich innerlich verletzt habe - dann gehe ich eben nicht hin und bitte um Verzeihung, sondern gehe dem aus den Weg. Dem, der gar nichts dafür kann und der eigentlich ein Opfer meiner Unbeherrschtheit ist, meide ich. Ich möchte mich nicht an meinen Fehltritt erinnern lassen. Ich kann ihm nicht mehr in die Augen sehen - und blicke deshalb weg. Ja, innerlich bauen sich dann Rechtfertigungsstrategien auf: «Der hat mich doch provoziert; der guckt so komisch, der würde mir nie verzeihen; will der denn, dass ich mich erniedrige? Glaubt der denn, ich bin auf ihn angewiesen? Ich kann doch auch gut ohne ihn leben!»

Und genauso behandeln wir Gott: Wir wissen genau, dass wir nicht das Verhältnis zu Gott haben, das er zu uns hat. Wir wissen genau, dass wir ihm nicht gerecht werden und eigentlich nicht würdig sind, seine Kinder zu sein. Aber anstatt uns immer wieder neu in seine Arme zu werfen und Vergebung zu empfangen, ärgern wir uns.
Wir ärgern uns, dass wir bereuen sollen, bekennen und uns Sünder nennen sollen. Wir ärgern uns zunächst über uns selbst, dann über Gott und schließlich gehen wir ihm aus den Weg. Besser nicht mehr daran denken, Gras drüber wachsen lassen, die Enttäuschung Gottes wird sich schon legen; der soll mal nicht so sein. Ich komm auch gut ohne ihn aus.

Liebe Schwestern und Brüder, die Taktik "Ich lass da einfach Gras drüber wachsen" ist genauso unchristlich wie die des Nicht-verzeihen-können, von der wir heute im Evangelium gehört haben: Beide lassen es kalt werden zwischen den Menschen - und zwischen mir und Gott. Vielleicht sind auch beide Haltungen nur die zwei Seiten einer Medaille: Es geht um die Weigerung, sich zu versöhnen; Trennung auszuräumen und Vergebung zu feiern. Der Preis ist uns zu hoch.

Und es gibt noch eine andere Verbindung: Nur wer weiß, wie es ist, Schuld erlassen zu bekommen, kann anderen vergeben.

Mit unserer standhaften Weigerung, Gott um Vergebung und Lossprechung zu bitten, berauben wir uns der Erfahrung, die nötig ist, um selbst anderen gegenüber großzügig zu sein. Wer die zunehmende Kälte in unserer Welt überwinden will, kommt nicht an zwei Dingen vorbei: Von Gott Versöhnung zu empfangen - und selbst Vergebung zu schenken.

Das ist das Wunder im Leben der Christen: Obwohl wir von Schuld reden, wo andere ihre Sünden verdrängen, sind wir erfüllt und freudiger. Gott sei Dank!

Amen.

403. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, es ist aus unseren Köpfen einfach nicht herauszubekommen: Wir haben immer noch das Gefühl, wir müssten uns unser Heil erarbeiten. Oft genug spricht die Bibel vom ewigen Lohn, von der Frucht, die wir bringen müssen und von der Faulheit und Gleichgültigkeit, die uns um die ewigen Freuden bringen wird.

Auch das Gleichnis des heutigen Tages lässt uns in den Kategorien "Arbeit" und "Lohn" denken. Wir müssen arbeiten - das ist das Leben hier auf der Erde. Arbeit, Mühsal, Anstrengung. Wer sich nicht anstrengt, der mag vielliecht noch Sozialhilfe bekommen; aber spätestens im kommenden Leben steht er mit leeren Händen da.
Und es ist die Rede vom "Lohn". Darauf freuen wir uns schon, das wir ausgezahlt bekommen, was wir verdient haben. Wenn das Paradies auch nicht wirklich ein Schlaraffenland ist, in dem uns die Pfannekuchen in den Mund fliegen - grundsätzlich müsste es so ähnlich sein.

Jesus hat uns heute ein Gleichnis erzählt; ein Gleichnis von Arbeitern, Arbeit und Lohn. Aber was er uns deutlich machen will, ist genau das Gegenteil: Der ausgezahlte Lohn richtet sich eben nicht nach dem, was ihr tut. Er ist kein "gerechter" Lohn in dem Sinne, in dem der, der mehr leistet, auch mehr Himmel bekommt.

Der ausgezahlte Lohn richtet sich nach dem, was Gott uns verspricht. Er ist unser Lohn. Und wir, hier auf Erden, erarbeiten uns den Himmel nicht. Jesus versucht immer wieder, mit dieser schrecklichen Vorstellung aufzuräumen, der Himmel müssen verdient werden.

Eine schreckliche Vorstellung gerade angesichts des heutigen Caritassonntages: Jesus verbietet ihnen schlicht, Alte Menschen zu pflegen, um ihn den Himmel zu kommen. Kranken zu helfen, um Gott zu gefallen. Er verabscheut diejenigen, die Gutes Tun, um sich die Zuneigung Gottes zu verdienen. Der Weg zu Gott führt nicht über den Dienst am Menschen. Ein Mensch darf niemals ein Mittel sein, um Gott zu gewinnen.

Es ist umgekehrt: Der heutige Sonntag heißt Caritassonntag - Caritas, d.h. Liebe. Was im Himmel zählt, ist die Liebe. Aufopferungsvolle Liebe genauso wie unerfüllte Liebe, heimliche Liebe, tragische Liebe oder leidenschaftliche Liebe. Die Liebe einer Mutter Teresa genauso wie die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind; die Liebe in der Familie genauso wie die Liebe zu dem mir unbekannten Kranken im Krankenbett neben mir.

Die Liebe zu Gott ist dabei der Schlüssel, die Menschen zu lieben - trotz aller Hindernisse und trotz allem Leids, das eine solche Liebe immer irgendwann mit sich bringt.

Der Weg zu dieser Liebe ist Gott.

Eine junge Frau schreibt mir in eine eMail ein paar Gedanken, die das wunderbar ausdrücken: "Wir sehen uns dann im Himmel. Ich freu mich schon. ;-) Du erkennst mich daran, dass ich die bin, die am nächsten bei Jesus kniet. Das wäre zumindest mein Wunsch, mich ganz nah an Ihn ranzudrängeln. Obwohl, das wäre aufdringlich. Aber Gott liebt es doch, wenn man aufdringlich zu IHM ist, meine ich. (???) Ich kann es nicht erwarten, Ihn zu sehen und ich wette, Er kann es nicht erwarten, dass wir bei ihm sind.
Natürlich ist mein Leben schön, so soll sich das nicht anhören. Aber ich kenne mein Ziel. Ich liebe Gott. Ich könnte platzen, weißt du. Alles was ich tue, tue ich für Ihn. Komisch, gell. Es ist noch nicht so lange her, da dachte ich, es gibt keinen Gott. Was habe ich verpasst. Dann habe ich angefangen, Menschen zu lieben und Gott. Jetzt liebe ich nur noch Gott. Menschen auch noch, aber anders. Ich liebe sie, weil Er sie liebt und weil sie seine Geschöpfe und seine Gemeinde sind. Das ist auch Liebe, aber anders. Nicht mehr, weil sie mir etwas bringen oder so. Es geht NUR UM IHN. Zum Glück haben wir eine ganze Ewigkeit Zeit, bei Ihm zu sein. "

Amen.

404. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Gott hat kein Kleingeld. Auch dem Arbeiter, der nur eine Stunde gearbeitet hat, gibt er den ganzen großen Lohn. Mit Pfennigbeträgen hält er sich nicht auf.

Gott hat keinen Stundenlohn zu bieten. Er belohnt den, dem die Arbeit leichter von der Hand geht, genauso großzügig, wie den, der sein Pensum nur mit Ach und Krach schafft. Worauf es ihm ankommt, ist, dass wir uns mit ganzer Kraft, mit ganzem Herzen und ganzer Seele für ihn einsetzen.

Gott ist großzügig im Geben. Jeder, der in Seinem Dienst steht, erhält den gleichen Lohn: Gott selbst. Aber er ist genauso unbescheiden, was die Arbeit angeht: Es geht ihm nicht um die Anzahl der Arbeitsstunden oder um Leistungsdaten - er will schlicht und einfach mich selbst.

Das kann beruhigend und verunsichernd zugleich sein. Beruhigend deswegen, weil jeder zum Dienst für Gott geschaffen ist. Er braucht keine Vorbedingungen, kein Bewerbungsschreiben und keine Empfehlungen. Wir können so unvollkommen, wie wir sind, bei ihm anfangen.

Es bleibt aber auch eine heilsame Verunsicherung. Wir können uns nicht zurücklehnen und sagen: So, wir haben unser Soll erfüllt. Genug getan, jetzt ist Zahltag. Sollen jetzt die anderen mal etwas tun.

Wir können uns auch keine Sicherheit einreden, indem wir uns mit anderen vergleichen. Das ist der Fehler, den die ersten Arbeiter machen: Sie schauen nicht auf das, was der Herr ihnen verheißen hat - sondern auf die anderen. Vielleicht ist das die größte Versuchung: Neidisch oder stolz auf Andere zu blicken.
Wir können nämlich nicht sagen: «Immerhin, ich gehe noch zur Kirche!» oder: «Ich wenigstens Spende noch eifrig - und das nicht zu knapp.» - «Bei uns zuhause ist die Welt noch in Ordnung.» Oder: «Ich bete wenigstens noch!» Und schielen dann auf die, die es nicht mehr tun...

Auch wenn der heutige Caritas-Sonntag uns an unsere Verantwortung für soziale Gerechtigkeit und Menschlichkeit erinnern will - und uns zudem zur Caritas-Kollekte aufruft - so ist die Frage nicht: Tun wir genug? Geben wir genug?

Gott fragt uns nämlich nicht nach dem «wieviel». Die Frage, die Gott uns jeden Tag stellt, ist ob wir das, was wir tun, mit ganzem Herzen tun - und auch, ob wir das Gute tun. Jeder, der mit ganzem Herzen beim Guten dabei ist, erhält den Lohn der uns verheißen ist.

Es gibt keinen himmlischen Punktestand. Es gibt kein Sparkonto für gute Taten. Es gibt keine göttliche Checkliste zum Eintritt ins Paradies. Keine Sammelpunkte und kein Mengenrabatt. Es gibt nur eins, das zählt: Das sind Sie selbst.

Amen.

405. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Es gehört zu den Binsenwahrheiten des Glaubens: Am Ende ist Zahltag, dann belohnt Gott die guten Menschen und bestraft die bösen. Vermutlich anhand von langen Listen: Da steht dann drauf, was wir alles getan haben, gedacht haben und wie es auf unserem moralischem Konto aussieht.

Leider ist eine Binsenwahrheit, obwohl sie einfach und einleuchtend und weit verbreitet ist, nicht immer richtig. Das hat Jesus uns schon vor 2000 Jahren versucht, deutlich zu machen, und es will noch immer nicht richtig in unsere Köpfe hinein: Der Tag des Gerichts ist kein Tag, an dem es um einen Kassensturz geht; Gott ist nicht der Unparteiische Hüter unseres himmlischen Punktekontos; und im Leben geht es nicht darum, dass wir uns den Himmel verdienen.

Der Himmel, das ist schließlich Gott selbst. Und den können wir nicht teilen und stückchenweise zur Belohnung aussetzen. Gott gibt es nur so, wie er ist: Umsonst, ganz und nur für den, der IHN lieben will.

Wir kommen nicht los von dem Denken, dass es in unserem Leben zuerst auf unser moralisches Verhalten ankommt. Deshalb können wir uns auch nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die schließlich in der Hölle landen: Denn Gott ist doch großzügig; er wird doch keinen, der nicht ausreichend Punkte gesammelt hat, wegschicken.

So ähnlich wie der Nikolaus: Der hat auch manchmal eine ziemlich lange Liste von Missetaten zu verlesen. Aber da er ein guter Mann ist, gibt es am Schluss immer etwas Gutes aus seinem Geschenkesack. Er könnte es gar nicht übers Herz bringen, und eines der Kinder leer ausgehen lassen.

Was aber, wenn wir nicht mehr an den Nikolaus glauben? Wenn wir nicht dabei sein wollen, wenn er uns besucht?

Liebe Schwestern und Brüder, Gott geht es nicht um unser moralisches Verhalten, das nach einem geheimen, nur Gott bekannten System benotet wird. Gott geht es um unser Herz: Glauben wir an IHN? Lieben wir IHN? Hoffen wir ein Leben lang, dass wir IHM begegnen?

Wenn es um nichts anderes geht, als dass sich Gottes Herz und unser Herz vereinigen, dann gibt es selbstverständlich auch die menschliche Verweigerung: Nicht als Strafe für zu wenig Punkte, sondern als Anerkennung des freien Willens: «Gott, ich habe ein Leben lang nichts von Dir erwartet; Du kannst mir auch in alle Ewigkeit gestohlen bleiben.» Das mag Gott sein Herz brechen, aber er rührt unseres nicht an, weil er uns liebt.

Wer sein Leben als ein Ringen um eine erfüllte Gottesbeziehung versteht, der weiß, dass eine solche Beziehung auch scheitern kann; auch an Kleinigkeiten wie mangelnde Gespräche, Vorlieben für weltliche Dinge und Terminschwierigkeiten - das gilt für die Ehe genauso wie für Gott.
Wer sein Leben als ein Ringen um eine erfüllte Gottesbeziehung versteht, der erfährt aber aus dem heutigen Evangelium auch, dass wir jederzeit erwachen und Gottes Hand ergreifen können. Dass es keine Zeit gibt, in der Gott sich verschließt; dass es nie zu spät ist und nie vergebens, Gott einen neuen Liebesantrag zu machen.

Das Gleichnis verspricht uns: Jede Stunde ist eine Stunde der Gnade, wenn wir uns in den Dienst Gottes stellen.

Jedes Gleichnis hat natürlich auch seine Grenzen; denn in Wirklichkeit gibt der Gutsbesitzer seinen Knechten nur einen Denar, Gott aber jedem, der ihn liebt, sich selbst.

Amen.

406. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Darf ich mich einmal bei Ihnen bedanken? Bedanken dafür dass sie hier sind?

Ich weiß, dass es in der heutigen Zeit manchmal einer großen Willensstärke bedarf, sich noch auf den Weg zur Kirche zu machen. Wenn wir von einem Kirchenbesuch von 20 % sprechen, so bedeutet das ja auch, dass 80 % eben zuhause bleiben. Deshalb möchte ich mich bei Ihnen bedanken: Dass sie sich nicht einfach nach der Mehrheit richten. Und ich möchte Ihnen auch ein bisschen Mut machen.

Es gibt nämlich viele Gerüchte über Kirchenbesucher. Zwei Zeugen Jehovas sprachen vor ein paar Tagen zu mir davon, dass bei man uns Katholiken nur zur Kirche gehen würde, um seine neueste Mode vorzuführen. Junge Leute lehnten den Kirchenbesuch ab, weil «die da ja nur aus Gewohnheit hingehen». Ich habe einmal eine Predigt gehört, in der es sinngemäß hieß, dass die Leute, die nicht zur Kirche gingen, die besseren Christen seien. Manchmal heißt es, dass die, die zur Kirche gehen, nur ihr Gewissen beruhigen. Sie würden in der Kirche fromm tun, und zuhause dann wieder ihre fromme Maske ablegen.

Liebe Schwestern und Brüder, lassen sie sich nicht beirren. Sie wissen selbst besser, warum sie hier sind. Sie wissen, wie viel Kraft es kostet, trotz dieser Gerüchte dem sonntäglichen Kirchenbesuch die Treue zu halten.

Besonders bedanken möchte ich mich bei den Jugendlichen, die noch zur Kirche kommen. Ich bekomme nur am Rande mit, wie viel Spott und dumme Bemerkungen der ertragen muss, der sich heute noch freiwillig zur Kirche bekennt. Ich habe aber Hochachtung vor jedem, der trotzdem noch mit uns feiert. Ich freue mich über Euch.

Ich möchte mich bedanken bei den Eltern, die Ihre Kinder mit zur Kirche bringen. Auch Sie haben es nicht einfach, denn gerade mit mehren Kindern kann ein Kirchenbesuch zur Geduldsprobe werden. Danke, dass sie diese Geduld aus Liebe zu Ihren Kindern immer wieder aufbringen.

Danke auch an die Älteren, denen der Kirchgang schon allein aus körperlichen und gesundheitlichen Gründen nicht immer leicht fällt. Danke Ihnen allen, dass Sie hier sind. Jeder von Ihnen, der hier sitzt (oder steht), ist ein Geschenk Gottes an unsere Gemeinde. Dass Sie hier sind, zeigt allen anderen - und auch mir, dass wir mit unserem Glauben nicht allein stehen. Dass wir zumindest in unserem Gott etwas haben, dass uns verbindet. Dass Gott auch heute noch immer eine Bedeutung für unser Leben haben kann. Dass wir hier eine gemeinsame Quelle haben, die uns wichtig ist: Unseren Gott, dessen Liebe wir glauben und hier feiern.

Liebe Schwestern und Brüder, es hat zu allen Zeiten Menschen gegeben, die sich zu den Gottesdiensten aufmachen, und solche, die es bleiben lassen. Wer nun zu denen gehört, die tatsächlich den Willen des Vaters erfüllen - so wie im Gleichnis der zweite Sohn, der zwar Nein sagt, aber dennoch den Auftrag des Vaters ausführt - können wir letztlich nicht wissen. Auch wenn wir hoffen, dass wir das Richtige tun, wäre es besser, wenn wir uns nicht voreilig auf die eigene Schulter klopfen. Und vor allem: Denken wir nicht schlecht über die, die nicht kommen.

Aber anstatt zu klagen über die, die fernbleiben, sollten wir lieber die Freude und den Dank darüber zum Ausdruck bringen, dass uns noch so viele mit ihrer Anwesenheit beschenken. Und nicht vergessen, vor allem Gott dafür zu danken. Amen.

407. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, in der Predigt vom letzten Sonntag habe ich darauf bestanden: Gott belohnt uns nicht anhand langer Listen für die Taten, die wir getan haben, sondern er fragt danach, ob wir ihn lieben oder nicht.

Davon will ich zwar nichts zurücknehmen; und doch scheint das heutige Evangelium genau das Gegenteil zu sagen: Es kommt auf das an, was Ihr tut.

Ich denke, beides gehört zusammen: Was nutzen Euch die guten Werke; was nutzt es Euch, das Ihr ehrlich und rechtschaffen lebt, wenn Euch Gott am Herzen vorbeigeht?
Was ist aber umgekehrt eine Beziehung zu Gott, eine beteuerte Liebe, die sich nicht in konkreten Werken zeigt? Was ist der Glaube, wenn er sich nicht in meinem Leben auswirkt?
Dabei gibt es eine Hierarchie, eine "heilige Ordnung" zu beachten: Zuerst und am wichtigsten ist der Glaube, die Liebe zu Gott, die Anerkennung des Vaters im Himmel. Erst dann kommen die Werke, die Ausdruck meiner Liebe sind. Und dabei handelt es sich noch keineswegs um das, was wir so landläufig als "Menschlichkeit" bezeichnen.

Am kommenden Donnerstag ist in unserer Gemeinde Firmfeier. Den Jugendlichen, die sich seit 3 Monaten auf die Firmung vorbereiten, habe ich drei Mindestbedingungen gestellt: täglich zu beten, jede Woche den Sonntagsgottesdienst zu besuchen und zur Beichte zu gehen. Nun ist das kein Sonderprogramm für Firmlinge, sondern Kennzeichen derjenigen, die sich um ein gelebten Glauben bemühen. Das sind die Werke, die sich als erstes aus meinem ganz normalen Glauben ergeben: Das tägliche Gebet, den Besuch der Eucharistiefeier mindestens jeden Sonntag, und die regelmäßige Beichte.

Erst danach, an dritter Stelle, kommen die Dinge, die wir oft für das eigentlich Christliche halten: Das Befolgen der Zehn Gebote; nicht lügen und andere bevorteilen, weder schlecht reden noch schlecht denken, die Reinheit des Herzen und die Freiheit von falschen Bindungen an Geld, Macht und Eitelkeit.

Dieser Dreiklang: Gott lieben und ihm vertrauen - ihm zu begegnen in den Sakramenten und im persönlichen Gebet - und den Nächsten zu ehren und nicht zu schädigen; in dieser (!) Reihenfolge - ist nicht nur einfach ein Muss, eine göttliche Forderung oder ein Anspruch der Religion. Es liegt mir und auch der Kirche ferne, hier vorne zu stehen und im Namen Gottes nur Forderungen zu stellen. Gott möchte nicht, dass Sie Ihn lieben, weil er sonst unglücklich ist. Und auch ich komme nicht deshalb immer wieder darauf zurück, weil ich mich durch volle Kirchen persönlich geschmeichelt fühle oder ich mich sonst im Beichtstuhl langweile.
Gott gibt uns das Gebot der Gottesliebe, weil er uns glücklich sehen möchte - und er genau weiß, dass wir ohne eine Liebesbeziehung zu ihm vor die Hunde gehen werden. Ohne Gott, Kirche und Gebote finden wir weder hier das Glück noch drüben die Seligkeit. Sind sie wirklich davon überzeugt, dass Sie Ihr Glück finden, ohne Gebet, ohne Eucharistie und ohne Beichte? Und sind Sie wirklich der Meinung, dass ich ein guter Priester bin, wenn ich es trotzdem nicht schaffe, daran etwas zu ändern?

Gott möchte, dass sie ihn lieben und es auch zeigen, weil er weiß, dass das das Geheimnis Ihres persönlichen Glückes ist. Persönliches Glück liegt eben darin, es nicht zu suchen. Niemand wird glücklich, der es in dieser Welt unbedingt werden will und alles daran setzt, koste es, was es wolle.

Nur der findet sein Glück, der sich verschenkt; der nicht sich, sondern Gott zum Maßstab macht; so wie Gott, der in seinem Sohn Menschen wird, obwohl ihn Kreuz und Leid erwarten.

Machen Sie sich mit unseren Firmlingen auf den Weg, ein neues Leben zu beginnen, indem Sie Ihre bisherigen Maßstäbe auf den Kopf stellen. Das tut Ihnen - und auch unseren Firmlingen gut. Ich wünsche es Ihnen, denn auch ich möchte nichts sehnlicher, als dass Sie glücklich werden. Amen.

408. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

In der jüngsten Zeit habe ich immer wieder Gespräche über Himmel, Hölle und Fegefeuer geführt. Was sagt die Kirche heute dazu? Stimmt das noch, was wir früher über diese Dinge gelernt haben? Droht uns die ewige Verdammnis?

Die Antwort darauf ist ein klares "Ja, aber ..."

Ja, es gibt die Hölle - Jesus spricht in den Evangelien des öfteren klar und deutlich davon und ebenso gibt es ein Fegefeuer; ja, es ist nicht unmöglich, dass wir in die ewige Verdammnis gelangen: Jesus sagt in so manchem Gleichnis, dass der eine oder andere sich die ewige Verdammnis zuzieht.

Aber - ich weiss ja nicht, wie sie es früher gelernt haben - nur drohen will ich heute nicht damit. Die Predigt über die Hölle ist nicht der Kern unserer christlichen Verkündigung, wie es vielleicht scheinbar mal im Vordergrund gestanden haben mag.

Die Barmherzigkeit Gottes gilt es zu verkünden! Von der Gnade Gottes gilt es den Menschen zu erzählen! Das ist auch der Kern der ersten Lesung. So harte Worte der Prophet über die Ungerechten spricht, dass sie sterben müssen, wenn sie nicht umkehren, so sehr will er doch die Barmherzigkeit Gottes herausstellen. Gott, der sich immer wieder der Menschen erbarmt, auch wenn sie es schon längst nicht mehr verdient haben, dass der Sünder das Leben gewinnen kann, dass er nicht zu sterben braucht.

Und so wie Ezechiel damals, so gilt dieses auch für uns heute; das ist der Kern der christlichen Botschaft: Gott ist die Liebe, er hat uns seine Liebe geschenkt in seinem Sohn, und es ist nun an uns, diese Liebe weiterzuschenken.

Das Problem nun: Viele - wahrscheinlich auch von Ihnen - stimmen hier zu: ja, ja, aber tun's nicht! So wie der 2. Sohn vorhin im Evangelium: "Ja, Herr" ich gehe und arbeite im Weinberg ", ging aber nicht."

Viele sagen heute "Ja" zur Kirche - lassen ihr Kind taufen, lassen es am Religionsunterricht teilnehmen, lassen es zur Erstkommunion und Firmung vorbereiten, kümmern sich selber aber nicht um die Weitergabe des Glaubens. Fühlen sich als ordentliche Christen, weil sie keinen umgebracht haben, und auch sonst zumindest versuchen, die 10 Gebote zu halten, arbeiten selber aber nicht im Weinberg. "Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr." Zitat Jesus.

Paulus sagt es uns in der 2. Lesung ganz deutlich: Handelt so, "wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht."

Und er benennt es auch im Detail, er macht es ganz konkret, so dass sich keiner herausreden kann, das verlief sich alles nur wieder mal im allgemeinen Bla-bla: "Seid eines Sinnes" - bemüht euch also um Aussöhnung in der Familie - wann habe ich den letzten Anlauf zur Versöhnung gemacht?
Seid "einander in Liebe verbunden," ist das wirklich mein Beweggrund, wenn ich Kontakte pflege? - oder berechne ich, weil ich mir später mal Vorteile erhoffe? Tut "nichts aus Ehrgeiz und nichts aus Prahlerei. Sondern aus Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst.": den, der heute nicht hier ist, der schon lange Sonntags nicht mehr zur Kirche war, dessen Kinder nicht bei den Messdienern dabei sind. "Jeder achte ... auch auf das (Wohl) der anderen." Also nicht nur zufällig mitkriegen, wenn es aktuell im Fernsehen berichtet wird, wenn es kracht im Freundeskreis. Sondern mich aktiv um das Wohl der andern kümmern.

Unsere Botschaft ist die der Barmherzigkeit und Liebe Gottes. Erzählen wir den Menschen davon und handeln wir danach.

Amen.

409. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Erntedank ist nicht nur ein Ereignis unseres Dorfes - es ist auch Gelegenheit, persönlich zu danken. Feiern Sie Ihr persönliches Erntedankfest und sagen Sie Gott ruhig einmal danke für all das, was Ihnen bisher Gutes widerfahren ist. Wenn Sie gleich im Gottesdienst ein wenig zur Ruhe kommen und sich die vergangenen Monate durch den Kopf gehen lassen, werden Sie sicherlich fündig: Gott hat Ihnen so viel Gutes geschenkt, dass das Danken nicht schwer fallen wird.

Eine Sache, für die wir Danken können, vergessen wir aber leicht: Danken wir auch Gott für seine bleibende Gegenwart auf der Welt - für Seine Kirche?

Das Gleichnis, das wir heute gehört haben, beginnt nämlich wunderschön: Gott legt für uns einen Weinberg an: «Es war ein Gutsbesitzer, der legte einen Weinberg an, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm. Dann verpachtete er den Weinberg an Winzer und reiste in ein anderes Land.» Alles, was wir brauchen, hat er uns überlassen. Er hat uns nicht nur den Wein geschenkt - also das, was wir zum Leben brauchen und zur Lebensfreude - er hat auch einen Schutzzaun gezogen (die Gebote), eine Kelter, die aus den Trauben Wein werden lassen (die Sakramente); und einen Turm (das Amt in der Kirche), das über all dem wacht und auf Gefahren hinweist. Der Weinberg Gottes, das ist die Kirche.

Wir sind eingeladen, daran teilzuhaben. Wir sind ohne Verdienst zu Pächtern bestellt. Wir dürfen zur Kirche kommen, wir dürfen im Gottesdienst und in der Beichte Vergebung und Versöhnung empfangen, so oft wir wollen.

Obwohl wir oft schimpfen und unzufrieden sind, verdanken wir den Glauben auch denen, die über ihn wachen und ihn frei halten von Zeitgeist und Mode - den obersten Glaubenswächtern (z.B. in Rom) genauso wie den unbequemen Propheten (vor unserer Haustür).

Danken wir eigentlich dafür, dass wir Kirche sein dürfen? Dass die Kirche uns teilhaben lässt? Dass es sie überhaupt gibt?

In dem Gleichnis kommt der Weinbergbesitzer nach einiger Zeit um Seinen Anteil an den Früchten zu erhalten. Wir können uns darüber Gedanken machen, was Jesus darunter versteht. Aber im Glauben wissen wir, dass Gott nichts anderes möchte, als dass wir Danken; ihm Liebe und Zuneigung, zumindest aber Respekt entgegenbringen; dass wir Ihm und uns selbst eingestehen, dass alles, was wir an Früchten hervorgebracht haben, zwar ein Zusammenspiel von Gottes Tun und unserem Mitwirken ist - dass wir aber ohne Gott absolut fruchtlos wären.

Sagen wir Danke. Loben wir Gott für das, was er uns geschenkt hat - nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern auch in aller Ehrlichkeit vor denen, die Gott nicht glauben. Sagen wir Danke auch für all die Gnaden, die Gott uns durch seine Kirche schenkt.

Amen.

410. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Es klingt fast wie bei Heinz Erhard: Und noch'n Gleichnis. Gleichnis über Gleichnis: Warum eigentlich spricht dieser Jesus nicht klare, verständliche Worte?

Letzte Woche das Gleichnis von den beiden Söhnen, wo der eine Ja sagt und der andere nein, davor das Gleichnis von der seltsamen Lohnverteilung an die Arbeiter im Weinberg, und jetzt schon wieder ein solches Weinberg-Gleichnis. Warten Sie ab: Nächste Woche kommt noch eins.
Und das ärgerlichste: Der erklärt die nie! Der lässt die einfach so stehen, und jeder muss sich seinen Teil denken. Der ist schon anstrengend, dieser Jesus...!

Liebe Schwestern und Brüder, wir haben keinen Gott wie im Fernsehen, der einem alles mundgerecht vorbereitet. Unser Gott argumentiert uns nicht an die Wand, ganz im Gegenteil: Er versteckt sich. Kaum kommen irgendwelche Pharisäer, die ihm entscheidende Fragen stellen, reagiert Jesus mit Gleichnissen und Gegenfragen.

Ich versuche dieses Problem einmal zu lösen, indem ich selbst wieder ein Gleichnis benutze. Aber keine Angst, ich werde es auch erklären:
Ich habe vor einiger Zeit mit meiner kleinen Nichte Verstecken gespielt. Ein Kind, das sich versteckt und noch aus seinem Versteck heraus ruft, wo man es finden kann? Ein eigentlich seltsames Verhalten. Aber diesem Kind kommt es nicht auf das perfekte Versteck an. Sondern an der Tatsache, dass sie es suchen, erkennt es, dass es wichtig ist. Das es eine Bedeutung für sie hat. Entscheidend ist, dass sie es suchen.

So ähnlich ist das auch für unseren Gott: Stellt man ihm bedrängende Fragen, so versteckt er sich wie ein kleines Kind. Er macht sein Versteck sehr einfach, denn es kommt ihm darauf an, zu erkennen: Wer sucht mich eigentlich? Wer will eigentlich wirklich eine Antwort? Will der, der die Frage gestellt hat, nur Recht behalten und mich bloßstellen - oder sucht er wirklich eine Antwort?

Jesus mit seinen Gleichnissen stellt uns auf eine ganz leichte Probe: Nur wer wirklich Glauben will, wird erfahren, was Jesus sagt. Für alle anderen, die nicht an Gottes Meinung interessiert sind, sind die Gleichnisse schon zu anstrengend.

Übrigens ist das einzige Gleichnis, das Jesus tatsächlich erklärt, das Gleichnis des Sämanns, indem er genau das sagt: Es liegt nicht an den Worten, wenn jemand keine Frucht bringt, sondern ob er bereit ist, Gottes Wort wirklich aufzunehmen.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir heute Erntedank feiern, dann öffnen sich unsere Augen für das ganz große Gleichnis, das uns ständig vor Augen liegt: Das Wunder der Natur. Wer Gottes Wunder suchen will, der findet ihn in jedem Weizenkorn, in jedem Grashalm und in jedem kleinsten Käfer. Nichts von alledem kann der Mensch machen, nicht einmal die kleinste Bakterie können Wissenschaftler künstlich herstellen.

Für den, der keine Augen für Gottes Wunder haben möchte, liegen hier vor dem Altar bloß Kalorien, Vitamine, Spurenelemente, Ballast- und Nährstoffe in unterschiedlicher Verpackung.

Für den, der Gott sucht, liegt hier Wunder neben Wunder.

Danke.

411. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

In der Reihe der Gleichnisse, die Jesus erzählt hat und die uns in den letzten Sonntagen als Evangelientexte zum Bedenken gegeben wurden, ist das heutige Gleichnis prophetisch: Jesus spricht von sich selbst und seinem Schicksal: Er ist gekommen, um die treulosen Winzer zur Besinnung zu rufen und wird von ihnen getötet.

Warum tut der Vater das? Warum schickt er seinen Sohn, wenn dieser doch schon weiß, dass sich die Treulosen unter den Juden doch nicht auf ihn einlassen werden? Im Gleichnis hat der Weinbergbesitzer noch gehofft: Das ist mein Sohn, vor diesem werden sie Achtung haben - und hat sich getäuscht.

Ja, hat sich der Vater denn getäuscht? Ist der Tod Jesu schlichtweg ein Versehen - weil Gott die Bosheit der Menschen unterschätzt hat?

In der Lesung hören wir, wie Jesaja vom Weinberg singt: Dem Weinberg des Volkes Israel. Auch dieser Weinberg bringt keine Frucht - also wird er niedergerissen. Das Reich Gottes wird denen genommen werden, die keine Frucht bringen. - Nur: Wenn bereits Jesaja dieses Handeln Gottes schon Jahrhunderte vorher angekündigt hatte, warum war es dann noch nötig, den eigenen Sohn sterben zu lassen? Hätte Gott nicht sein Strafgericht direkt vollziehen können?

Nein, eben nicht, denn es geht nicht in erster Linie um ein Strafgericht. Gott will unser Heil. Er ist nämlich nicht wie ein Gutsbesitzer, der sauer ist, weil er nichts verdient und sein Weinberg eine einzige pleite geworden ist. Das Urteil am Ende des Gleichnisses: «Er wird diesen bösen Menschen ein böses Ende bereiten» kommt nämlich nicht aus dem Munde Jesu - das Urteil wird von den Pharisäern vorgeschlagen.
Gottes Plan sieht aber eben kein Strafgericht vor, sondern eine Erlösung. Er kommt in den Weinberg - durch seinen Sohn - nicht um den bösen Menschen ein böses Ende zu bereiten, wie es die Kleinkrämer und Pharisäer vorschlagen. Nein, er kommt um auch noch um die bösen Menschen zu ringen: Er lässt sich lieber auspeitschen als zurück zu schlagen. Er lässt sich lieber verspotten und töten, als die Winzer zu foltern.

Nachdem Gott gezeigt hat, dass er bis zum Äußersten gegangen ist und sogar seinen Sohn geopfert hat anstatt die Winzer zu vernichten; lässt er sie immer noch am Leben: Jetzt aber ohne Weinberg, ohne Gnade und ohne Reich Gottes. Das verheißt er jetzt einem anderen Volk: Das Volk, das sich auf dem geopferten Sohn beruft und sagt: Diesen Gott beten wir an, der alles gegeben hat, sogar seinen Sohn.

Immer noch können alle Winzer, ob zutiefst bösartig oder auch nur mittelmäßig schlecht, zu Arbeit in den neuen Weinberg wechseln. Es sind alle willkommen, die nur ein wenig Bereitschaft mitbringen:

Die Bereitschaft, Frucht zu bringen und zu sein - nicht für sich oder andere, sondern zur Ehre Gottes.
Die Bereitschaft, sich niemals auf eigene Leistung zu berufen, sondern immer nur auf den Tod des Sohnes.
Die Bereitschaft, wie der Vater bis zum Äußersten zu gehen: Sich schlagen zu lassen, sich verspotten zu lassen, auf sein Recht auf Ansehn und Leben zu verzichten - und lieber dafür Menschen mit Gott zu versöhnen.

Liebe Schwestern und Brüder, wir leben in dem Weinberg des Sohnes; wir sind eingeladen. Er ist Weinberg, Weinstock und Winzer, wir sind schließlich nichts anderes als die Früchte; Geschenke Jesu an den Vater.

Amen.

412. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Der Altarraum ist heute festlich geschmückt mit Früchten und Gaben, die auf Feldern und in Gärten geerntet worden sind. Wir können es gar nicht übersehen, daß wir heute das Erntedankfest feiern.
Zunächst einmal herzlichen Dank denjenigen, die diesen Schmuck so schön bereitet haben. Dann gilt unser Dank denen, die diese Früchte gesät, gepflanzt, gepflegt und geerntet haben. Und schließlich sagen wir Christen Dank dem, aus dessen Hand wir all diese Gaben empfangen. Unser Gott und Vater sorgt für uns und die ganze Schöpfung. Das betont Paulus auch in der heutigen Lesung: Er ruft uns auf: "Sorgt Euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott. ...Und der Gott des Friedens wird mit Euch sein." schließt dann die heutige Lesung. So wollen wir es heute halten. Gott Dank sagen, daß er in diesem Jahr mit uns war, daß er uns bei der Arbeit begleitet hat, nicht allein gelassen hat, sondern zu einer reichen Ernte geführt hat.

Auch im Evangelium berichtet uns Matthäus von einer Rede Jesu über die Ernte. Er sagt, daß uns der Ackerboden, der Weinberg anvertraut ist, damit Er, der Weinbergbesitzer ernten kann. Gott traut uns seinen Weinberg an, damit wir damit arbeiten. Wir tragen die Verantwortung für die ernte. Gott stellt uns den Ackerboden, die Sonne, das Licht, die Wärme, den Regen zur Verfügung und wir tragen die Verantwortung, daß auf deinem guten Boden etwas wächst, daß wir ernten können, so wie wir hier heute das Ergebnis sehen können.

Jesus nutzt dieses Bild der Ernte, die wir heute feiern, zum Gleichnis für das Gottesreich. Auch dies ist uns anvertraut worden, so wie ein Gutsbesitzer seinen Weinberg den Pächtern anvertraut. Gott läßt sein Reich hier auf Erden durch uns bearbeiten, wir sind für unser Leben, für unseren Glauben verantwortlich.

Wie gehen wir mit diesem Ackerboden unseres Glaubens um? Bearbeite ich diesen Ackerboden, oder habe ich meinen Glauben still gelegt, wie ein brachliegendes Feld? Wie gehe ich mit meinem Ackerboden des Glaubens um? Gott vertraut mir den Ackerboden, den Weinberg an, er schenkt Regen, Sonne, er läßt die Früchte wachsen, wie wir es hier bei diesen Erntegaben sehen. Aber wir Menschen müssen dafür arbeiten; hier bei unseren Nahrungsmitteln, als auch im Weinberg unseres Glaubens. Auch da schenkt Gott genügend Regen und Sonne, daß der Glaube wachsen kann, aber habe ich den Ackerboden bereitet?

Paulus fordert uns in der Lesung dazu auf, daß was wir gelernt, gehört und gesehen haben, auch zu tun. Wieviel haben wir in hunderten von Unterrichtsstunden und Predigten von Gott gehört; wieviel Gnaden sind uns geschenkt worden in den heiligen Sakramenten der Taufe, der Firmung, der Buße und immer wieder in der heiligen Kommunion? Pflanze ich diese Samen in meinen Ackerboden, grabe ich sie unter, oder lasse ich sie vom nächsten Winde verwehen.

Dünge ich meinen Ackerboden des Glaubens hin und wieder? Habe ich den Nährstoffkonzentrat der Gemeindemission für meinen Glauben genutzt oder war mein Ackerboden nach vereist, zugefroren, so daß der Dünger ohne Nutzen in den nächsten Graben geflossen ist? Laß ich das Wort Gottes überhaupt an mich heran, oder hat dieser Dünger überhaupt keine Chance auf meinem vereisten Boden? Empfinde ich die Kommunion als Stärkung, als Dünger für meinen Glauben?

Grabe ich den Ackerboden auch ab und zu mal um, bzw. wende ich das Heu hin und wieder? Bin ich bereit, meinen Glauben zu hinterfragen, setze ich mich damit auseinander, bin ich bereit, neue Wege in einer gewandelten Zeit zu gehen? Das Heu unseres Glaubens muß ab und zu einmal gewendet werden, sonst verfault es und wird unbrauchbar.

Kultiviere ich meinen Ackerboden oder lasse ich alles wild wachsen? Ein wenig Christentum, ein bißchen Horoskop, vielleicht etwas Wiedergeburt im 3. irdischen Leben. - Kultiviere ich meinen Glauben? Entscheide ich mich für etwas? Wenn ich mich für Christus entscheide, muß ich zu etwas anderem Nein sagen!

Gott erwartet eine Ernte. Jesus droht dem Volk Israel, daß ihm der Weinberg genommen wird, da sie keine Frucht bringen. Auch uns gilt dieses Evangelium: Gott schenkt uns den Glauben, den Ackerboden, er steht uns das ganze Leben zur Seite (Paulus: "Bringt in jeder Lage eure Bitten dankend vor Gott"): er schenkt Regen und Sonne für unseren Boden. Gott schenkt uns den Glauben und ermöglicht, daß der Glaube wachsen und reifen kann. Auch wenn es manchmal Dürrezeiten geben mag, Gott läßt unseren Glauben wachsen, so wie er diese Früchte hat wachsen lassen. Unsere Aufgabe ist es, den Boden des Glaubens zu bearbeiten, und dabei, sagt Paulus, wird "der Gott des Friedens ... mit Euch sein." Amen.

413. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

In den letzten Wochen hatten wir heftige Todesfälle zu beklagen: zwei Säuglinge und ein junger Mann wurden zu Grabe getragen. Wobei auch jeder weitere Todesfall, sobald er einen selber betrifft, einem schwer zu schaffen machen kann. Die heutige Lesung aus dem Prophetenbuch Jesaja verwendet dazu ein tröstliches Bild: "an jenem Tag" - gemeint ist das Endgericht, der jüngste Tag - "wird Gott für alle Völker ein Festmahl geben." - "Er beseitigt den Tod für immer. Er wischt die Tränen von jedem Gesicht, .. Er nimmt die Schande hinweg." Schande, die man angesichts von Selbstmord empfinden mag - Gott nimmt sie hinweg. Tränen, die wir angesichts des großen Leids, der Sinnlosigkeit solchen jungen Sterbens empfinden: Gott wischt sie ab. Er, Gott selbst wird uns retten, auf ihn dürfen wir unsere Hoffnung setzen - und am Ende steht ein Festmahl, wozu alle Völker geladen sind. Ein Bild, welches das größte Glück zum Ausdruck bringen soll: Gott lädt uns alle an seinen Tisch. Wir alle sind eingeladen, mit Gott an einem Tisch zu sitzen, keiner von uns wird als unwürdig betrachtet. In unserer Zeit, wo wir so satt sind, mag das Bild vielleicht nicht mehr so deutlich sein, aber ich glaube, wir verstehen immer noch, welche Ehre es ist, beim Captains-Dinner am Tisch des Kapitäns sitzen zu dürfen. Wir verstehen noch, dass es eine Ehre ist, am Brauttisch zu sitzen. Und ein Manager zahlte 5 Millionen für ein Essen mit dem Milliardär Warren Buffet.

Auch Jesus verwendet im Evangelium dieses Bild vom Hochzeitsmahl, um deutlich zu machen, dass Gott alle Menschen einlädt. Das war den Juden, den Jesus diese Geschichte erzählt, ein Hohn. Sie waren doch allein die Eingeladenen - die anderen, die Bösen hatten bei Gott nichts zu suchen. Jesus dreht deren Denke um: ihr habt Gottes Einladung ausgeschlagen, hattet anscheinend Besseres zu tun, nun sind alle eingeladen - also auch die Heiden, die Sünder, die Zöllner, die Leute von der Straße: Alle sind eingeladen. Somit sind wir alle eingeladen. Egal, wieviel Dreck wir am Stecken haben, wie unwürdig uns selber fühlen, am Hochzeitstisch Platz zu nehmen, wir sind eingeladen.

In der letzten Woche hatten wir im Pfarrbüro einige Firmpraktikanten. Einer hat dabei eine Flasche Wein im Keller fallen gelassen. Er war darüber ganz bedröppelt und wusste gar nicht wie er es wieder gut machen könne. Ich musste es ihm erst deutlich sagen, dass das jedem mal passieren kann, dass er gesagt hat, dass es ihm Leid tut und dass damit die Sache gegessen sei. Auch sonst werde ich schon mal gefragt, wie ich Dinge denn so einfach und schnell verzeihen könne. Hier in diesem Verhalten Gottes liegt der Grund: wenn er mich trotz meiner Schuld, meiner Unvollkommenheit an seinen Tisch einlädt, dann darf ich doch anderen ihre im Verhältnis dazu geringe Schuld nicht dauerhaft vorhalten! Wenn Gott mich an seinen Tisch einlädt, dann darf ich doch keinen von meiner Liebe ausschließen.

Das ist das, warum Paulus sich bei seinen Mitbrüdern in dem Philipperbrief bedankt. Sie haben dem Paulus in seiner Not geholfen, haben an seiner Bedrängnis teilgenommen. So muss gelebter Glaube Früchte tragen. Wenn ich unverdientermaßen zum Hochzeitsmahl mit Gott eingeladen bin, kann ich doch nicht anders, als auch anderen gegenüber großzügig zu sein. Wenn es nicht so ist, hab ich die Größe der Einladung noch nicht verstanden oder sogar abgelehnt, weil ich meine, Besseres zu tun zu haben: auf den Acker gehen, in seinen Laden gehen, ...

Wenn Jesus diese Bilder in seiner Geschichte verwendet, zeigt er, dass er schon damals genau um diese Verhaltensweisen wusste. Es gab damals und es gibt heute Menschen, die nicht verstehen, was da Großes uns von Gott angeboten wird. Sonst wären die Juden damals alle Christen geworden, sonst wären die Kirchen heute voll, weil wir hier gleich an diesem Hochzeitsmahl Anteil erfahren dürfen.

Was tun in diesem Dilemma? Zweierlei. Zum einen müssen wir aufpassen, dass wir diese Einladung zu schätzen wissen, obwohl wir dafür keine 5 Millionen zahlen mussten. Sonst ergeht es uns wie die anderen Gästen, die irgendwann die Einladung ausschlagen, oder dass wir uns nicht vorbereiten auf dieses Mahl und kein Hochzeitsgewand anhaben und hinaus geworfen werden. Ich muss die Einladung also zu schätzen wissen und mich als Gast Gottes, als Teilnehmer an diesem Mahl entsprechend benehmen - also genauso großzügig Liebe verschenken.

Und zum zweiten können wir wie die Diener in dieser Geschichte sein: hinaus gehen zu den Leuten und sie einladen; ihnen sagen, Gott will mit Dir zu tun haben! - Mit mir? Gott hab ich doch schon längst abgeschrieben - ja, er aber Dich nicht. Egal, was Deine Vorgeschichte ist, wie schlecht es bisher in Deinem Leben lief, Gott lädt Dich ein.

Und wenn wir beides zusammen bringen: Liebe großzügig verschenken und auf andere einladend zugehen, dann wirkt es überzeugend!
Amen

414. Predigtvorschlag

Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin!

Liebe Schwestern und Brüder!
Kennen Sie noch diesen Spruch der Friedensbewegung?
Stell dir vor, es ist Hochzeit, und keiner geht hin!
So könnte die Überschrift über das heutige Evangelium lauten.
"Kommt zur Hochzeit! Alles ist vorbereitet."
So ruft der König den Eingeladenen zu. Aber diese kümmern sich nicht darum.
Sie sind mit scheinbar wichtigeren Dingen befaßt, mit ihrem Acker, ihrem Laden.
Manche sind sogar feindselig und bringen die Diener des Königs um.

Wie tief muß die Enttäuschung, ja der Zorn diese Königs gewesen sein.
Es gibt weit und breit kein größeres, schöneres Fest als die Hochzeit seines Sohnes.
Es gibt weit und breit keine größere Ehre, als Gemeinschaft mit dem König und seinen Sohn zu haben.
Aber keiner kommt. Sie zeigen ihm die kalte Schulter.

Stell dir vor, es ist Sonntag, und keiner geht zur Kirche!
So könnte die Überschrift des Evangeliums lauten, wenn wir es in die heutige Zeit übersetzten.

"Kommt zur Sonntagsmesse. Alles ist vorbereitet!"
So ruft Gott uns Katholiken zu. Aber viele, der überwiegende Teil kümmert sich nicht darum.
Sie sind befaßt mit scheinbar wichtigeren Dingen, mit ihrem Hobby, ihrer Arbeit.
Manche sind sogar feindselig gegenüber denjenigen, die an die Sonntagsmesse erinnern.
Hoffnungslos altmodisch, verknöchert, weltfremd lautet das Todesurteil aus ihrem Mund.

Wie tief muß die Enttäuschung Gottes sein. Vielleicht ist es sogar Zorn.
Da gibt es weit und breit nichts Größeres, nichts Schöneres zu feiern, als das Fest unserer Erlösung.
Da gibt es weit und breit keine höhere Ehre als mit Gott das Mahl der Erlösung zu halten, in dem er uns seinen Sohn als Speise schenkt, damit wir Gemeinschaft mit ihm und untereinander haben.
Aber kaum einer kommt. Wen interessiert das schon: Erlösung, Heil?

"Aber warum erzählst du uns das? Wir sind doch da. Wir sind doch der Einladung gefolgt! Sag das doch den anderen"
Sie haben Recht, liebe anwesenden Schwestern und Brüder.
Und es ist gut, daß Sie da sind.

Aber Tatsache ist, daß mehr als Dreiviertel der Katholiken unserer Gemeinde nicht da ist.
Und diese fehlen weiß Gott nicht alle wegen Krankheit oder Altersschwäche, was wirklich zu entschuldigen wäre.

Die, die fehlen, bleiben oft aus ganz banalen Gründen dem Gottesdienst fern. Dabei sind sie der Kirche gegenüber nicht einmal feindselig eingestellt.
Es gibt andere Dinge, die ihnen augenblicklich wichtiger scheinen:
Das Fußballspiel im Fernsehen oder auf dem Platz,
der Kurzurlaub bei Tante Frieda im Harz,
das Ausschlafen nach einer langen, durchgefeierten Nacht.

Nichts gegen Fußball, nichts gegen Tante Frieda, nichts gegen Feiern.
Aber kann man das eine nicht tatsächlich tun, ohne das andere zu lassen. Gottesdienstangebote gibt es hier und im Umkreis genügend.

Liebe Schwestern und Brüder, ich sage Ihnen das, weil wir Kinder unserer Zeit sind.
Es ist eine Zeit, in der Menschen, weiteste Strecken auf sich nehmen, um Sonderangebote zu erhaschen,
enorm viel Geld investieren, um Fun und Action zu haben,
sich Torturen in Fitnessstudios antun, um ihren Body zu stählen.
Ihre Seele, ihr Heil ist vielen aber keinen Kilometer mehr, keinen Pfennig, keine Anstrengung wert.

Wir sind Kinder eben dieser Zeit. Lassen wir uns nicht auf diesen Zeitgeist ein, lassen wir uns nicht davon anstecken. Bewahren wir uns davor, faule Kompromisse einzugehen, wenn es um den sonntäglichen Gottesdienstbesuch geht.

Das wir hier zusammengekommen sind, ist eine großartiges Zeichen dafür, daß Gott in dieser Welt eine Rolle spielt, daß der Glaube in dieser Welt Orientierung gibt.

Die Gesellschaft unserer Tage braucht dieses Zeugnis. Die Gesellschaft dieser Tage wird nämlich über kurz oder lang an ihrer Banalität zerbrechen, an ihrer Vordergründigkeit, ihrer Oberflächlichkeit zugrunde gehen, wenn sich nicht bald etwas tut.

Und dann sind wir gefragt, die Sonntagsgemeinde.
Die Menschen um uns werden uns dann nämlich fragen:
"Warum tut ihr das, zur Kirche gehen?"
"Unsere Sicht der Dinge ist zerbrochen, wie damals der Kommunismus. Ihr seid immer noch da, obwohl man euch totgesagt hat. Was ist dran an eurem Glauben, der euch jeden Sonntag zusammenführt?"

Das wird die Stunde sein, in der wir Farbe bekennen müssen als Christen, in der wir Zeugnis ablegen müssen, um haltlos gewordenen Menschen Halt zu bieten.

Das klingt sehr nach Zukunftsmusik. Ich weiß.

Stell dir vor, es ist Sonntag, und keiner geht zur Kirche.
Das ist die traurige Realität von heute.

Stell dir vor, es ist Sonntag, und viele, viele finden den Weg zur Kirche.
Das muß kein Traum bleiben. Das kann Wirklichkeit werden.
Nur Mut und Geduld.

415. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, das Gleichnis, das wir soeben gehört haben, hat Jesus den Hohenpriestern erzählt. Er meinte mit den geladenen Gästen die Vertreter des Volkes Israel, die sich der erlösenden Botschaft Jesu verschlossen, also die jüdische Oberschicht, die Ihn zum größten Teil ablehnte.
Und all die Verachteten des Volkes, die Ausländer und Nicht-Juden, sie werden berufen, zu den ersten Christen zu gehören. Sie sind im Evangelium diejenigen, die von den Straßen geholt werden. Genau die, die die jüdische Oberschicht nie eingeladen hätte.
Für die Juden war das, was Jesus gesagt hat, ein Skandal. Sie hatten doch ihre Welt so schön in Gut und Böse eingeteilt. (Gut: Das sind alle treuen Juden; Böse: Das sind alle, die nicht so sind wie die Juden, die Fremden oder Fremdartigen.) Und Jesus behauptet nun, dass Gott sich daran nicht halten wolle. Die Diener holen Alle von der Straße, Gute und Böse.

Das wirft aber auch unsere Vorstellungen vom Himmel ganz schön über den Haufen. Eigentlich hatten wir erwartet, dort oben nur die Guten anzutreffen, also die treuen Christen, die liebenswürdigen Menschen. Und jetzt sind plötzlich alle da, auch die Bösen - zumindest die, die wir für die Bösen gehalten haben. Die, die anders leben, als wir. Die Fremden. Und wenn Sie mal ganz schnell überschlagen, über wieviele Leute sie allein in Halverde schon den Kopf geschüttelt haben, könnte so ein himmlischer Belegungsplan ganz schön überraschend sein.
Eingeladen zum Fest des Glaubens sind nämlich alle. Und zu allen sollen wir gehen, ohne schon zuvor - so wie die Juden zur Zeit Jesu - zu entscheiden, wer überhaupt in Frage kommt.

Zu wem würden sie gehen, wenn der König Sie als Diener auf die Straße schicken würde, alle zum Festmahl zu rufen?
Würden sie zu den Polizisten gehen, die in Brasilien die Straßenkinder ermorden? Würden Sie denen etwas von der Barmherzigkeit Gottes erzählen?
Zu den Schlächtern und Gewaltverbrechern, die im Kosovo gewütet haben? Zu den Milizen in Ost-Timor? Würden Sie zu den Neonazis gehen, zu den Sektenführern, zu den Diktatoren?
Keinen dieser Menschen, die wirklich Grausames getan haben, hat Gott abgehakt. Es gibt keine Vorauswahl: Allen möchte er noch die Einladung zum gemeinsamen Mahl zustellen. Und wir sind seine Briefträger.

Nun begegnen wir wohl selten irgendwelchen Diktatoren. Aber wenn Gott durch uns Christen sogar diesen Menschen immer wieder eine Chance geben möchte, wieviel mehr dann denen unter uns, mit denen wir aus vergleichsweise geringfügigen Gründen nichts zu tun haben wollen.
Wir dürfen keinem Menschen, egal, ob gut oder schlecht, die Einladung Gottes vorenthalten. Viele sind gerufen, sagt Jesus, und wir sind seine Postboten - indem wir die Liebe Gottes zu allen Menschen sichtbar leben.

Liebe Schwestern und Brüder, wir können weder von uns noch von anderen Menschen erwarten, dass sich jeder mit jedem verträgt. Das Ideal, dass alle Menschen Brüder und Schwestern sind, ist zwar christlich; dass sie sich auch so verhalten, bleibt zwar wünschenswert, aber auch utopisch.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir sollen nicht so tun, als ob Unrecht plötzlich kein Unrecht mehr wäre. Im Gleichnis und im Leben betont das Jesus ausdrücklich. Der Gast, der nichts von der Hochzeit hält und deshalb ohne Gewand erscheint, fliegt raus.
Wir sollten aber nicht von uns aus festlegen, wer eingeladen werden darf, wer dazugehören darf, wen Gottes Botschaft erreichen soll und wen nicht. Das entscheidet sich allein darin, ob jemand die Einladung annehmen will oder nicht.

Nehmen sie sicherheitshalber alle Menschen in ihr Herz. Sonst kann es passieren, dass Sie immer noch dabei sind, ihre Einteilung zu überprüfen, zu diskutieren und zu erneuern, während das Fest schon - ohne Sie - beginnt. Amen.

416. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

"Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört - und gebt Gott, was Gott gehört."

Darauf stellt sich natürlich sofort die Frage: Was ist das, was dem Kaiser gehört? Und was sollten wir Gott geben?

Nun, die erste Frage scheint nicht so schwer: Es geht ja um die Steuer. Erfüllen wir also unsere Bürgerpflichten und zahlen dem Staat, was wir schuldig sind.

Aber damit hätten wir es uns doch etwas zu leicht gemacht. Denn - vor allem in unserem modernen, demokratischen Staat, aber auch schon im damaligen Kaiserreich - war die Steuer ja kein Privateinkommen des Kaisers. Steuern wurden gezahlt, um Anliegen der Allgemeinheit, die ein Einzelner nicht übernehmen kann, zu finanzieren: Die Sicherung der Grenzen durch die Armee, den Bau von Wasserleitungen, Handelswegen und dem Gerichtswesen. Das gleiche gilt natürlich auch für unsere heutige Gesellschaft: Steuern, die wir zahlen, sind nicht (in erster Linie) das Privateinkommen des Bundeskanzlers, sondern dienen auch uns selbst. Steuerbetrug ist immer ein Betrug am Mitbürger und letztlich eine Schädigung der eigenen Bürgerrechte.

Dem Kaiser sollten wir darüber hinaus nicht nur Geld geben, sondern unsere Bereitschaft, an diesen gesellschaftlichen Aufgaben mitzuarbeiten. Die positive Gestaltung der Gesellschaft ist Bürgerpflicht.

Was aber ist das, was Gott gehört? - Das, was wir Gott geben sollten, ist genausowenig wie die staatliche Steuer ein Privatvergnügen des Allmächtigen. Mehr sogar noch: Im Gegensatz zu unseren hochrangigen Politikern braucht Gott nichts von uns - gar nichts. Er ist nicht darauf angewiesen, dass wir ihm sein Dienstwagen finanzieren - er ist doch schon überall. Mit der Kirchensteuer finanzieren wir zwar den Bau und den Erhalt der Kirchengebäude - aber eigentlich wohnt Gott überall.
Es ist noch mehr wie beim Staat: Was wir Gott geben sollen, dient letztlich uns selbst. Wenn mit unserem Geld "Gotteshäuser" finanziert werden, dann sind es letztlich Häuser für die Menschen - in denen sie Gott begegnen können. Gott braucht kein Dach über den Kopf - aber wir brauchen einen Ort, an dem wir mit Gott unter einem Dach sein dürfen.

Was wir Gott noch geben können - die Einhaltung der Gebote, die Nächstenliebe - dient auch letztlich uns selbst. Nicht Gott möchte Recht und Ordnung haben, damit die lästigen Bittgebete aufhören - sondern wir sehnen uns danach, dass die Schöpfung wieder in Ordnung kommt.

Wir können Gott Zeit schenken, die wir in Sakramente investieren. Fordert Gott und die Kirche uns nicht immer wieder auf, die Eucharistie und die Beichte zu besuchen? - Gott freut sich zwar über Besuch, aber vor allem freut er sich für uns: Wie ein Vater oder eine Mutter, die sich darüber freut, wenn der Sohn mit seinen Problemen und Sorgen zu ihnen kommt und nicht zu irgendwelchen falschen Freunden. Auch mit dem Besuch der Sakramente geben wir Gott - und sind selbst die Beschenkten.

Auch das reinste Geschenk, dass wir Gott machen können - das Lob und Dankgebet - macht Gott nicht größer und glücklicher. Aber uns erfüllt es mit Freude und Gnade; weil wir uns öffnen, kann Gott einziehen. Er kommt nicht gegen Bezahlung oder Anruf - wie bei einer Reinigungsfirma. Er kommt, wenn er eingelassen wird.

Geben wir dem Kaiser, was ihm gehört. Wenn der Bund der Steuerzahler gut aufpasst, dann haben wir zu 60 % selbst etwas von jedem Euro, den wir zahlen.

Geben wir Gott, was ihm gebührt: Spenden wir, halten wir die Gebote, empfangen die Sakramente und beten, loben und danken wir Ihm. Auch ohne Kirchensteuerrat garantiert Gott uns, dass wir immer selbst die Beschenkten sind. Nicht nur zu 100 % - wir erhalten nämlich nicht nur unseren eigenen Einsatz zurück, sondern einen unendlichen Bonus:

Gott selbst.

Amen.

417. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

die Steuer, die die Juden dem Kaiser entrichten mussten, war damals ein heikles Thema: Darf man dem Kaiser, der sich selbst an Gottes Stelle gesetzt hat, Steuern zahlen? Lässt sich das noch mit unserem Glauben an den einen Gott vereinbaren?

Für uns heute ist die staatliche Steuer nicht mehr so ein großes Problem - meistens. Allerdings könnte man schon in einigen Fällen ins Nachdenken kommen: Wenn z.B. Steuergelder zur Finanzierung von Abtreibungen verwendet werden, ist die Frage nicht mehr ganz so leicht zu beantworten.

Ein anderes, auch nicht einfach Problem ist die Frage der Kirchensteuer - zumindest ist das ein Thema, das immer wieder in Fernsehdiskussionen und kritischen Büchern aufgegriffen wird.

Dabei ist zunächst einmal klar, dass die Kirche Geld braucht - für notwendige, sinnvolle Aufgaben im sozialen Bereich, für die Seelsorge, für die caritativen Aufgaben und für die Gemeindearbeit.

Es ist wichtig für die Freiheit der Kirche, dass sie auch finanziell unabhängig ist von den Mächtigen und Reichen dieser Welt. Die Kirche darf sich nicht von den Geldgebern diktieren lassen, was sie zu tun und zu lassen hat; der Bischof muss auch in finanziellen Dingen frei bleiben. So ist es weltweit üblich, dass der Bischof in seinem Bistum eine Abgabe von den Kirchenmitgliedern erheben darf - und er dann über deren Verwendung frei entscheidet, manchmal - und das macht gerade die Freiheit aus - auch gegen die gängige Meinung. Aus dieser Abgabe ist bei uns in Deutschland die Kopplung von Kirchensteuer und Kirchenmitgliedschaft entstanden.

Aber Geld macht nicht nur frei. Zuviel Geld macht unfrei. Wenn es nämlich so ist, dass die Einrichtungen und Anschaffungen, die für gutes Geld gemacht wurden, immer mehr Geld verschlingen - und Traditionen und Strukturen dass Geld kosten, dass für Neue Ideen dann an anderer Stelle fehlt - wird die Kirche zur Sklavin Ihres Besitzes.

Adolf Kolping hat einmal gesagt: Das waren die schlechtesten Zeiten nicht, als die Kirche kein Geld hatte und die Pfarrer betteln gehen mussten.

Tatsächlich: Mit dem Geld aus der Kirchensteuer geschieht auch Unsinniges und Überflüssiges. Über viele Projekte unseres Bistums kann man geteilter Meinung sein - aber allein ein Beispiel sollte uns die Augen öffnen: In unserem Generalvikariat in Münster arbeiten allein 600 Verwaltungsangestellte - nur in Münster. Im Vergleich dazu arbeiten im Bistum etwa 1200 Priester. Das Bistum Lima in Peru hat in seinem Generalvikariat 6 Angestellte - und ist trotzdem arbeitsfähig.

Wenn zu viel Geld unfrei macht - dann kann die Forderung nach der Abschaffung der Kirchensteuer ein Zeugnis für die Freiheit der Kirche sein.

Ein nicht geringes Problem liegt aber auch noch an anderer Stelle: Wenn es im Evangelium heißt: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist - also die staatliche Steuer - weil wir uns damit das Recht des Staatsbürgers bewahren, heißt das dann, dass wir uns durch die als die Kirchensteuer, das Recht erkaufen, Kinder Gottes zu sein?

Das kann ja wohl nicht so ganz stimmen. Die Kirchensteuer ist allerdings ein wunderschönes Alibi, sich zurückzulehnen und zu sagen: «Ich habe meine Pflicht erfüllt, denn ich habe dem Kaiser (also dem Staat) und Gott gegeben, was ihnen zusteht. Was will man mehr von mir?» Ja, es kann sogar aus der Kirchensteuer ein Anspruchsdenken entstehen: «Jetzt habe ich mein Leben lang Kirchensteuer bezahlt und nichts davon gehabt, weil ich nie in der Kirche war. Und nun habe ich mal einen Wunsch, dann kann ich auch erwarten, dass für meine Feier - ob Hochzeit, Silberhochzeit, Taufe oder Beerdigung - alles aufgefahren wird, vom Blumenschmuck über hübsche Messdiener bis zum Kirchenchor - für meine Kirchensteuer.»

Die Kirchensteuer ist eine gefährliche Illusion, zu glauben, für die Kirche und für Gott schon alles getan zu haben.
Viel wichtiger aber ist das Gebet und die Mitarbeit, das Mitfühlen und Mittun in der Gemeinde.

Selbst wenn in dieser Gemeinde nur halb soviel Geld zur Verfügung stehen sollte, dafür aber doppelt soviel Leute mithelfen, wird unsere Gemeinde dreimal so lebendig sein. Amen.

418. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

die Lesung, die wir vorhin gehört haben, ist nicht sehr hilfreich, finden Sie nicht auch? "Ihr sollt keine Witwen oder Waisen ausnützen!" Das tut doch keiner. Wenn eine Witwe ihr Miete nicht mehr zahlen kann und ich sie vor die Tür setze - dann ist das doch kein Ausnützen, sondernmein gutes Recht. Oder wenn der hiesige Energieversorger einem Fremden den Strom abschaltet, dann hat das nichts mit Fremdfeindlichkeit zu tun oder Ausbeuterei, sondern mit Schulden und Zahlungsfähigkeit.

Es ist nicht hilfreich, das Ausleihen von Geld gegen Wucher zu verbieten. Denn Wuchern tut doch keiner - nur die Preise und Gebühren der Marktsituation anpassen. Und wenn in Krisenzeiten oder Kriegsgebieten das Geld knapp wird, dann kann das schon mal zu erhöhten Zinsen führen. Wucher? Ich doch nicht.

Deshalb - weil mit solchen allgemeinen Geboten (Du sollst nicht lügen! - Naja, Notlügen sind schon okay...) jeder macht, was er will, ist das Judentum konkret geworden: Allein in der Bibel gibt es 248 Gebote und 365 Verbote. Für fast alle Situationen genaue Anweisungen. Da kann sich keiner mehr herausreden. Klare Verhältnisse nennt man so etwas.

Das ärgerliche ist, dass bei einer solchen exakten Regelung die eigentliche Motivation verloren geht. Bei vielen Juden stand die Erfüllung des Gesetzes im Vordergrund - und nicht das, was durch die Gebote gesichert werden soll: Die Gerechtigkeit, der Gottesdienst und die Liebe.

Wir in Deutschland sind mit unserer Bürokratie auf einem gleichen Weg. Dir geht es schlecht, Du brauchst Hilfe? Dafür gibt es doch Ämter, Anträge, Versicherungen, die Caritas und die Bahnhofsmission. Obwohl die sozialen Einrichtungen, deren Finanzierung und insgesamt die Sozialleistungen ständig steigen, wird das gesellschaftliche Klima immer Kälter. Wir Deutschen sind auf dem Weg ins Pharisäertum.
Dagegen setzt Jesus wieder auf ein ganz einfaches Gebot (ein Doppelgebot genaugenommen): "Liebt Gott und den Nächsten!" Denn es kommt nicht auf die 613 Gebote an, sondern auf Eure Absicht: Dem anderen zu helfen, weil ich ihn und Gott liebe.

Klar: Ein Rückschritt. Den Fehler hat Gott schon in der Lesung gemacht. Wer sich so allgemein ausdrückt, der wird bewusst oder aus Versehen missverstanden. "Liebe ist, was Arbeitsplätze schafft" - also wird ersteinmal rationalisiert. "Liebe ist, wenn ich etwas gerne tu" - also bleib ich ersteinmal vorm Fernseher sitzen. "Liebe heißt, bei mir selber anfangen" - also gebe ich mein Erspartes ersteinmal für's Fitnessstudio und den Wellnessurlaub aus.

Liebe Schwestern und Brüder, das Doppelgebot der Liebe wäre wirklich ein Rückschritt in die Beliebigkeit, wenn es nicht ein Korrektiv gibt: Gottes Geist. Und der wirkt in den Sakramenten, vor allem in der Eucharistie und in der Beichte. Wer meint, er sei eigentlich ein guter Christ und liebe selbstverständlich seinen Nächsten, der soll mal ruhig beichten gehen. Mal sehen, ob er nachher immer noch der gleichen Meinung ist.

Liebe Schwestern und Brüder, wer sich vor der Beichte drückt, der drückt sich vor der notwendigen Korrektur dessen, was ich unter "Liebe", unter "Opfer", unter "Nächsten" verstehe. Wer sich vor der Anbetung drückt, wer es nicht schafft, eine Stunde allein mit Gott zu sein, der verpasst die notwendige Korrektur dessen, was er unter "Gottesliebe", "Gottesdienst" oder "Gebet" versteht.

"Das Wort, das Dir hilft, kannst Du nicht Dir selber sagen." Wir brauchen dazu die Korrektur durch außen - auch durch die Fremden, die in der Lesung genannt worden sind. Gerade am Tag der Weltmission sollten wir uns eingestehen, dass wir selbst (wie jeder Mensch) immer wieder missioniert werden müssen.

Das Gebot "Du sollst den Herrn, deinen Gott liebe - und deinen Nächsten wie Dich selbst!" ist grundlegend und brauch nicht ersetzt werden durch andere Gebote. Es braucht nur die Lebenspraktische Korrektur durch Gott selbst, der in Eucharistie und Beichte - in den Sakramenten - uns darin unterrichtet, was wirklich Liebe bedeutet.

Amen.

419. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Sind Menschen, die nicht zur Kirche gehen, eigentlich schlechtere Christen?
Vielleicht sind Sie schon einmal so ähnlich gefragt worden. Muss man eigentlich, um ein guter Christ zu sein, zur Kirche gehen? Können Menschen, die nicht zur Kirche gehen, nicht doch auch gute Christen sein?
Die Antwort, die Jesus indirekt auf diese Frage gibt, lautet ganz klar: Nein. Das erste und wichtigste Gebot ist, Gott zu lieben. Wer Gott in der Kirche links liegen lässt, verstößt gegen das Gebot, an dem alles andere hängt. Wir reduzieren das Christentum zwar gerne auf das Gebot der Nächstenliebe. Aber Jesus nicht.

Hätten Sie auch so geantwortet? Oder regt sich jetzt Unbehagen?

Das ist nicht so verwunderlich. Wie soll das denn auch gehen - dass wir Gott lieben? Lieben Sie Gott? So richtig, aus ganzem Herzen, mit ganzer Seele und all Ihren Gedanken? Wie können wir jemanden lieben, den wir nicht sehen, den wir nicht berühren können? Wie können wir jemanden lieben, der so weit über uns steht?
Und ist es nicht wichtiger, menschlich zu bleiben und die Nächstenliebe zu leben?

Gut - eigentlich sollte man die beiden Gebote nicht gegeneinander ausspielen. Immerhin sind wir sind hier im Gottesdienst, um es immer wieder mit der Liebe zu Gott zu versuchen. Aber wenn ein solches Gebot so schwer zu erfüllen ist, dann ist es nicht verwunderlich, wenn wir irgendwann aufgeben; uns nur noch dem zweiten Teil zuwenden.

Damit setzen wir aber Christlichkeit und Menschlichkeit gleich: Dass jemand, der sich für die Notleidenden und vernachlässigten Menschen einsetzt, ein guter Mensch ist, ist unbestritten. Aber ob er deshalb auch schon ein guter Christ ist, egal, wie er seinen Glauben lebt, wage ich zu bezweifeln.

Liebe Schwestern und Brüder, in Wirklichkeit ist das Doppelgebot der Liebe - Gott und den Nächsten zu lieben - ein und dasselbe Gebot. Denn unsere Liebe zu Gott findet ihren Ausdruck in der Nächstenliebe. Gottesliebe und Nächstenliebe sind nicht zwei Gegensätze, die sogar in Konkurrenz geraten können, sondern ein und dieselbe Bewegung - von uns weg. All die Liebe, die Gott uns schenkt, erwidern wir, indem wir den Nächsten lieben; die Zärtlichkeit, die wir Gott geben würden, legen wir in den Umgang mit seinen geliebten Kindern.

Dabei gilt dann ohne Ausnahme: Das eine geht nicht ohne das andere. Es ist uns völlig klar: Wer behauptet, Gott zu lieben, aber den Nächsten verachtet, der kann kein guter Christ sein. Dann gilt aber auch: Wer dem Nächsten Dient, aber Gott seinen Dienst verweigert, der kann auch kein guter Christ sein! Der Dienst am Nächsten ohne Gottesdienst ist wertlos. Wenn unsere Wertschätzung des Nächsten nicht Ausdruck unsere Wertschätzung Gottes ist - dann steckt da nicht mehr hinter als eine Seifenblase, die sehr schnell zerplatzen kann, und schnell kommt wieder der Egoismus zum Durchbruch.

Und wenn wir Katholiken glauben, dass hier, in der Kirche, Gott seine Liebe uns mitteilt - in der Kommunion am deutlichsten - dann können wir nicht daran vorbeigehen, ohne dass wir uns selbst schwächen.

Ein Christ, der die direkte Begegnung mit seiner großen Liebe vermeidet, kann kein besserer Christ sein. Und ich befürchte, dass er irgendwann auch in seiner Menschlichkeit Schaden nimmt.

Amen.

420. Predigtvorschlag

Und wir, haben wir nicht alle denselben Vater?
Hat nicht der eine Gott uns alle erschaffen?

So fragt der Prophet Maleachi uns heute.

Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen;
denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.
Das ist die heutige Mahnung des Herrn an uns.

Die Texte der heutigen Lesungen erinnern uns an die erste Person der Dreifaligkeit: Gott, der Vater.

Dieses Jahr, das letzte Vorbereitungsjahr der Kirche auf das Große Jubiläum 2000, hat als Leitwort: Gott, der Vater aller Menschen.

Und so trifft es sich gut, daß uns vor Ablauf dieses Jahres die Liturgie erneut die Frage zur Besinnung stellt: Was bedeutet das, wenn wir von Gott, dem Vater sprechen?

Vorweg: Wenn ich hier von Gott, dem Vater spreche, dann habe ich auch immer die sogenannten mütterlichen Anteile Gottes im Blick. Gott ist zu uns wie Vater und Mutter. Es bleibt aber festzuhalten, daß Jesus in seinen Predigten Gott seinen Vater nannte.

Und wir, haben wir nicht alle denselben Vater?
Hat nicht der eine Gott uns alle erschaffen?
Manchmal - meist im Scherz - sprechen wir von unseren leiblichen Vätern auch von unseren Erzeugern.
Ohne Väter, ohne Mütter, ohne Eltern keine Kinder. Das ist uns klar.
Weil wir von unseren Eltern abstammen, haben wir eine ganz besondere Beziehung zu ihnen.
Auch wenn sie alt werden, wenn sie nicht mehr allein zurecht kommen können, wenn sie uns durch ihre Vergeßlichkeit manchmal auf den Wecker fallen ... - Sie bleiben unsere Eltern.

Respekt und Ehrfurcht für ihr Lebenswerk sollten unseren Umgang mit unseren Eltern prägen. Auch Dankbarkeit für das, was sie für uns getan, manchmal geopfert haben.
Nicht umsonst heißt das vierte Gebot, also eines der ersten Gebote: "Ehre Vater und Mutter."

Da wo dieser Respekt, diese Ehrfurcht, diese Dankbarkeit fehlt, da zerbricht die Familie und mit ihr die Gesellschaft. Wo die Eltern nur noch als unnötige Last, lästig empfunden werden, da ist die Atmosphäre in einer Gesellschaft vergiftet, weil sie ihren Ursprung, ihre Geschichte aus dem Blick verliert.

Und wir, haben wir nicht alle denselben Vater?
Hat nicht der eine Gott uns alle erschaffen?
Von Gott können wir nicht gerade sagen, daß er unser Erzeuger ist. Er ist sogar mehr, er ist unser Schöpfer. Ohne ihn gäbe es kein Leben. Er ist der Ursprung von allem. Auch von uns und unseren Eltern.
Weil er unser Schöpfer ist, haben wir auch zu ihm eine ganz besondere Beziehung.
Auch wenn wir ihn nicht sehen, ihn manchmal nicht verstehen können, auch wenn uns seine Gebote zu anspruchsvoll scheinen, wenn er uns manchmal fremd wird ... Er bleibt unser Gott.

Auch ihm gebührt, wie unseren Eltern, Ehrfurcht und Dankbarkeit, weil wir uns ihm verdanken.

Da wo ein Mensch die Ehrfurcht vor Gott, dem himmlischen Vater, verliert, wo er sich Gott, seinem Schöpfer nicht dankbar erweist, verkümmert er innerlich.
Weil er sich nicht an seinem Ursprung festmacht, wird er haltlos.

Auch eine Gesellschaft, die sozusagen ohne Not ihren Vater, nämlich Gott, auf das Abstellgleis stellt, verkümmert.
Schauen wir nur auf unseren Staat. Im Namen der menschlichen Emanzipation ist Gott ins Altenheim abgeschoben worden. Gott, Glaube spielen immer weniger eine Rolle bei uns. Aber ist unsere Gesellschaft dadurch besser, menschlicher geworden? Ich überlasse Ihnen die Antwort.

Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen;
denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.
Ein Kind braucht einen Vater. Ein Kind wird es schwer haben, wenn es früh den Vater verliert oder erst gar nicht weiß, wer sein Vater ist, weil dieser vor der Geburt abgehauen ist oder die Mutter sich über die Vaterschaft nicht so ganz im Klaren ist.

Ein Kind braucht einen Vater. Er steht für Werte und Normen. An den Einstellungen des Vaters reibt sich das Kind, der Jugendliche. Ohne dieses Reiben am Vater kann der Mensch keine Werte entwickeln.
In der Auseinandersetzung mit dem Vater reift das Kind. Und es gibt fast nichts Schlimmeres für ein Kind, wenn der Vater ständig einknickt, sein Fähnchen immer neu nach der Befindlichkeit des Kindes dreht. So gibt es keine Reibung und damit kein Wachsen des Kindes am Vater.

Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen;
denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.
Es gibt nur einen Gott. Nur er allein hat darauf Anspruch als Gott verehrt zu werden. Wie wir nicht viele Väter haben können, können wir auch nur einen Gott haben.

Und wie wir uns als Menschen eben an dem einen Vater reiben müssen, so müssen wir uns eben auch an diesem einen Gott reiben.
Gottvater - auch er steht für Werte, Normen, für einen Lebensentwurf.
Und wir reiben uns an ihm. Ich jedenfalls tue es. Vieles, was ich erleben muß, gräßliches Leid, sinnlos scheinende Not, kann ich nicht immer hinnehmen. Dann ringe ich mit Gott.
Auch Gebote, deren Sinn mir nicht immer gänzlich einleuchten, auch kleine Widerwärtigkeiten im Leben sind des öfteren Grund für mich, mit Gott zu hadern.

Vielleicht geht es Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, ähnlich.
Auf Gott werden wir manchmal wie schwierige, vor sich hin pubertierende Kinder wirken.
Aber das ist nicht schlimm, denn solange wir uns noch an Gott reiben, solange besteht für uns die Möglichkeit zu einer im Glauben erwachsenen Person heranzureifen, solange bekenne wir, daß es Gott, den Vater im Himmel noch gibt.

Schlimm wäre es, wenn wir nicht mehr mit Gott ringen würden, weil wir uns dann selbst die Chance nähmen, innerlich zu wachsen.

Gott, der Vater aller Menschen.
Ihm gegenüber dankbar sein. Ihm Ehrfurcht entgegenbringen. Ihn ernstnehmen und mit ihm ringen. All das wäre ein gutes Rüstzeug für uns im kommenden Jahrtausend.

421. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

nachdem die biblischen Zeiten zu Ende gegangen waren und die Kirche sich als eine feste Größe mit der Welt arrangieren musste, kam immer wieder die Frage auf, wer den Jesus eigentlich gewesen sei: Mensch? Gott? Engel? Prophet? Messias?

Die Philosophen verlangten nämlich nach einer Antwort: Wie kann Jesus Christus Gott gewesen sein - und trotzdem Mensch? Das geht doch nicht - Wer soll das glauben! - Das widerspricht jedem denkenden Wesen.

Die Antwort der Kirche war immer eine einfache und schlichte: Wir wissen nicht genau, wie das geschieht. Aber wir wissen sicher: Jesus Christus war Mensch und Gott - ein für alle mal.

Die Fragen scheinen uns heute ziemlich uninteressant. Wir haben uns mit dem Gedanken, "Jesus ist Gott" ziemlich abgefunden (er taucht ja immer wieder in den Gebeten auf), ohne weiter darüber nachzudenken. Nur kleine Kinder fragen nach: "Wieso Gott? Ich dachte, das war Jesus!" - oder so ähnlich. Dann lächeln wir und sagen: "Das ist doch egal!" und glauben weiter.

Aber die Frage kann nicht einfach abgetan werden, denn die Menschwerdung Jesu war ja nicht nur eine Episode. Das war nicht wie in der Fußballbundesliga: Für eine Saison wird ein Spieler einer anderen Mannschaft ausgeliehen.
Jesu Menschwerdung, das Weihnachtsgeschehen, ist ein unerhörtes Geschehen: Gott und Geschöpf sollen zusammenwachsen. Die Menschwerdung Jesu ist dabei nur der Beginn dieser immer mehr um sich greifenden Bewegung! Himmel und Erde berühren sich seitdem immer mehr. Der Leib Christi als Punkt, in dem sich Gott und Geschöpf zuerst verbunden haben, wächst seitdem unaufhörlich. Jeder Mensch, der sich in der Taufe auf diesen menschgewordenen Gott taufen lässt, wird zum Glied am Leib Christi (in dem wiederum Gott und Mensch verbunden sind). Wir bekommen Anteil am Leib Christi, indem wir zur Kommunion gehen und dort den Leib des Herrn empfangen.

Und somit stellt sich die Frage der ersten Christi heute wieder neu: Wie kann das sein - Gott und Mensch vereint? In der Kirche? Im Papst? IN jedem Christen? Und die modernen Philosophen beginnen wieder zu philosophieren: Das geht doch nicht - Wer soll das glauben! - Das widerspricht jedem denkenden Wesen. Nur, dass die modernen Philosophen bloß noch Naturwissenschaftler sind. Aber an den Fragen hat sich nicht viel gewandelt.

Ja, Gott verbindet sich immer noch mit uns Menschen, die Menschwerdung ist nach dem Tod Jesu nicht als Fehlschlag von Gott aufgegeben, sondern zieht Kreise: So repräsentiert der Priester Jesus; er ist sozusagen die Fortsetzung der Menschwerdung, denn auch in den Sakramenten nimmt Jesus immer wieder irdische Gestalt an.
Aber nicht nur der Priester: Jeder Christ. Sie auch! Wir nennen das "das allgemeine Priestertum". Durch die Taufe lebt in ihnen Christus, sie werden zum Kind Gottes und erneuern ihre Sohnschaft mit jeder Kommunion.

Und auf alle Frage und Zweifel, wie das denn gehen soll, hält die Kirche wie in den ersten Jahrhunderten fest: Wie? Das wissen wir nicht. Aber wir halten daran fest: Gott wirkt in dieser Welt, durch die Menschen und die Kirche. Dort finden wir Gott und Mensch vereint.

Und so wächst der Leib Christi und diese Welt wird immer durchlässiger für die andere Welt Gottes: In den Sakramenten und dem Kreuzzeichen zuhause, im Papst und im Prediger auf der Straße oder dem, der uns unbequeme Fragen stellt, bei Wundern in Heiligsprechungsprozessen und in den kleinen Zeichen in meinem kleinen Alltag. Wir glauben fest: Gott wirkt in dieser Welt - jeden Tag mehr, immer mehr. Jesus begleitet uns Tag für Tag; der Geist wohnt in unserem Herzen.

Zwei Gefahren gibt es dabei allerdings zu vermeiden: Auf die eine Gefahr weist Jesus im heutigen Evangelium hin: Der Bund mit Gott kann uns hochmütig und blind machen. Die Freude darüber, dass wir erlöst sind und Gott mit uns ist, darf nicht zur "Gott ist mit uns"-Politik werden.
Deshalb warnt Jesus heute mit den Pharisäern auch uns: Nehmt Euch selbst nicht so wichtig. Bildet Euch auf Gottes Wirken nichts ein. Macht aus der Prophetie keine Show. Verdunkelt das Wirken Gottes nicht durch zu viele Worte und zu viele menschliche Erklärungen. Lasst Euch nicht das anrechnen, was Gott wirkt!
Habt Augen für das Wirken Gottes im Anderen, in der Kirche und im Alltag!
Übt Euch nicht in der ständigen Kritik an alles und jedem, sondern freut Euch daran, dass Gott in seinem Wirken immer für eine Überraschung gut ist!

Es gibt allerdings auch die andere Gefahr: Dieses große Geschenk Gottes, sein Vertrauensbeweis und "ich bleibe trotzdem bei Euch" zu banalisieren. So zu tun, als sei dass eine Selbstverständlichkeit. Undankbar zu sein. In jeder anderen Religion Größeres zu sehen.

Liebe Schwestern und Brüder: Bilden Sie sich nicht (wie die Pharisäer) etwas darauf ein, dass sie Christ sind. Aber tun sie auf der anderen Seite nicht so, als wäre das sowieso egal. Seien Sie demütig Christ - aber seien sie Christ! Zur Ehre Gottes! Amen.

422. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht haben Sie schon einmal davon gehört, dass wir zwischen Sache und Person unterscheiden sollten. Den Sünder sollen wir lieben, die Sünde aber hassen und meiden.

Weniger geläufig ist uns der Gedanke, zwischen Amt und Person zu unterscheiden. Die Glaubwürdigkeit von Politikern, Predigern und Lehrern hängt ganz besonders davon ab, ob sie selbst auch das tun, was sie lehren. Ein Politiker, der zum Sparen auffordert, selbst aber im Luxus lebt, wird wenig Erfolg haben. Ein Prediger, der die Liebe Gottes predigt, und anschließend Anzeige gegen unbekannt erlässt, weil sein Auto einen Kratzer hat, hat sich selbst disqualifiziert.

Aber Jesus unterscheidet sehr wohl zwischen Amt und Person: Als Lehrer der jüdischen Gemeinde ist es Aufgabe der Pharisäer, die Einhaltung der Gebote zu überwachen. Deshalb sagt Jesus: «Tut und befolgt, was sie sagen.» Das gilt selbst dann, wenn sie sich an diese Gebote nicht halten: «Richtet euch nicht nach dem, was sie tun.»
Bei einigem Nachdenken leuchtet uns das vielleicht auch ein: Das Urteil, das ein Richter im Namen des Gesetzes spricht, ist selbst dann rechtskräftig, wenn der Richter anschließend wegen genau des gleichen Deliktes selber verhaftet wird.
Und ein Protokoll, das ein Polizeibeamter ausstellt, weil ich mich meinen Gurt nicht angelegt habe, hat auch dann seine Berechtigung, wenn sich dieser Beamter anschließend auch nicht anschnallt.

Es kommt eben darauf an, ob jemand in seinem eigenen Namen für etwas wirbt - dann muss er gefälligst glaubwürdig sein, sonst taugt er nichts.
Oder ob jemand nur einen Dienst im Namen einer höheren Instanz ausübt: Da spielt es für die Post keine Rolle, ob der Postbote selbst ein begeisterter Briefeschreiber ist.

Liebe Schwestern und Brüder, das gilt auch für den Priester, bei dem Amt und Person ebenfalls zwei ganz verschiedene Dinge sind - wie bei dem Richter, dem Polizisten und dem Postboten.
Ich habe einen Dienst zu versehen: Ihnen, liebe Gemeinde, durch die Sakramente, vor allem durch die Feier der Eucharistie, Gott gegenwärtig zu halten. Und ob ich nun ein tieffrommer Priester bin - oder ein gottloser, der schon lange seinen Glauben verloren hat - das ändert nichts an der Gegenwart Gottes in dem, was ich in Seinem Namen vollziehe.
Es würde uns Priester sehr entlasten, wenn auch für uns Jesu Wort gelten würde: «Was sie sagen, das tut. Das ist ihre Aufgabe. Aber achtet nicht ständig auf das, was sie selbst tun. Davon hängt Eurer Heil nicht ab.»

Zugegeben: Wir Priester nehmen uns oft selber viel zu wichtig. Das gilt für mich und auch leider für einige meine Mitbrüder. Anstatt uns auf unsere ureigensten Aufgaben zu besinnen, rühren wir in allen möglich anderen Töpfen.
Aber lassen Sie sich davon nicht irreführen. Ein Fürst hat vor einigen Jahrhunderten einmal gesagt: «Abgesehen von seinen heiligen Weihen ist unser Pfarrer ein Esel.» Mir wäre es durchaus recht, wenn sie über mich und meine Mitbrüder ähnlich denken würden: «Er ist geweiht und tut seinen Dienst. Alles andere ist zwar dürftig - aber was wollen wir mehr?» Nehmt mich bitte nicht so wichtig!

Liebe Schwestern und Brüder, natürlich ist es nicht vollkommen egal, ob ein Priester selbst das tut, was er verkündet. Sonst hätte Jesus den Pharisäern nicht so eindringlich ins Gewissen geredet. Und auch wir Priester müssen uns ins Gewissen reden lassen - auch von Ihnen, der Gemeinde.

Aber zu erwarten, dass der Priester per Amt immer auch der Liebling der Gemeinde sein muss, das wird jeden, der mit dem Gedanken spielt, Priester zu werden, schon im Ansatz entmutigen. Die Pflicht, die Liebe Gottes mit dem Leben zu predigen, haben wir alle im gleichen Maße. Der Priester genauso wie Sie - nicht weniger - aber auch nicht mehr.

Wer Berufungen - auch in unserer Gemeinde - wachsen lassen will, der sollte immer wieder deutlich machen, dass auch ein schlechter Prediger, eine jähzorniger Mensch oder ein schlichter Denker ein guter, sehr guter Priester sein kann.
Amen.

423. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Jesus geht ganz schön zur Sache im heutigen Evangelium. Er rechnet mit den Pharisäern knallhart ab. Unweigerlich schlägt man den Bogen zur heutigen Kirche. Nennen wir nicht auch den Papst "Heiligen Vater". Auch die Italiener rufen abends auf dem Petersplatz "Papa, papa", wenn der Papst sich am Fenster zeigen soll. Hier steht: "Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel" Oder: "Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang." Die Ausschnitte, die uns im Fernsehen von unserer katholischen Gottesdiensten gezeigt werden, lassen oft diesen Eindruck erscheinen. Oder der Vorwurf an die Pharisäer, daß sie andern schwere Lasten auftragen ohne selber mitzuhelfen. Pharisäer = Priester, der fromme Reden und Forderungen predigt, ohne selber entsprechend zu leben.

Auch wenn wir sicherlich weiterhin zu unseren Eltern Mutter und Vater sagen dürfen, so gilt es doch, die Kritik ernsthaft auf unsere heutige Situation zu prüfen. Bleiben wir mal beim letzten Beispiel: die Pharisäer, die Vorsteher der Gemeinde also: „Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun." Die Aufgabe der Pharisäer war es, Gottes Wort zu verkünden und auszulegen. Also war das, was sie sagten gut, denn es stammte von Gott. Auch wenn Jesus Christus ihnen so manches Mal in zahlreichen Diskussionen bei der Auslegung helfen mußte. Es war zunächst einmal Gottes Wort.

Und so geht es mir auch heute: Zu wissen, dass das, was ich hier tue, nicht meine Sache ist, sondern zunächst einmal Sache das Wort Gottes die Grundlage jeder Predigt bildet, beruhigt mich. Die Theatergruppe unserer Kolpingsfamilie sucht sich seit 50 Jahren jedes Jahr ein neues Stück aus, daß ansprechend, niveauvoll und irgendwo auch witzig sein soll. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass das nicht so einfach ist, da immer wieder neu etwas zu finden. Dieses Jahr ist es allerdings wieder gelungen, dass darf ich Ihnen aus den Proben schon verraten. Ich steh hier jedoch nicht unter dem Zwang, Ihnen jeden Sonntag mit möglichst viel Witz etwas Neues vorzutragen, sondern ich beziehe mich immer wieder auf die Vervollkommnung unseres Lebens anhand der Richtschnur des Evangeliums. Nicht ich bin es, wir gehen nicht zur Kirche wegen des Bodenpersonals, sondern weil Christus selber uns ruft.

Ich habe diese Gedanken auch in der Gestaltung meines Kelches einfließen lassen: Auch wenn Sie es von hinten nicht im Detail erkennen mögen, so will ich ihn Ihnen die markantesten Dinge beschreiben: der Fuß besteht aus Holz: ein sehr einfaches, alltägliches Material. Es ist zudem bewußt mit Kanten und Sprüngen versehen. Besonders an der Schale kann man dies erkennen. Das ist der Teil des Kelches, welches ich berühre. Der obere Teil besteht aus vergoldetem Silber: das kostbarste Material unserer Erde. Dazu hat dieser Teil eine Form, die einer Kugel nahe kommt. Symbol für das Vollkommene. Dieser teil des Kelches ist der, in dem sich die Wandlung vollzieht, worin sich der Wein in das Blut Christi verwandelt. Göttliches geschieht dort.

Ich, der fehlerhafte Mensch fasse an das einfache Holz. Und doch nutzt Gott diesen Kelch, um unter uns zugegen zu werden. Und doch darf ich mit meinen Macken in Jesu Namen sprechen, wird er mit meinem zutun unter uns sichtbar.

Soweit eine besondere Gnade des Priesters. Und doch auch eines jeden von uns. Denn nicht nur durch die Wandlungsworte wird er unter uns lebendig, sondern durch jedes Wort, daß sich in unserem Leben in die Tat umsetzt. Evangelium und auch die Lesung machen das heute deutlich: Paulus schreibt, dass er der Gemeinde das Evangelium nicht nur erzählt und erklärt hat, sondern auch vorgelebt. Er hat den Menschen in Thessalonici in Griechenland anhand seines eigenen Lebens das Evangelium Gottes verkündet; und so ist es, schreibt er: „jetzt in euch, den Gläubigen wirksam." Daran werden auch wir heute von den Jugendlichen gemessen, sie hinterfragen alles - und dort, wo sie Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit sehen, wo sie die Begründungen einsehen können, wird es akzeptiert. So wird auch unser Glaube nicht anhand der frommen Worte, sondern anhand der Konsequenzen, anhand der Taten gemessen. Dazu gehören dreierlei Dinge: der Glaube muß verankert sein in der Liturgie, im gemeinsamen Gebet, wie wir es hier heute pflegen. Er muß verankert sein im Bekenntnis: zu Hause, bei der Arbeit, im Freundeskreis dazu stehen. gerade auch dann wenn dadurch Nachteile in Kauf genommen werden müssen: martyria - bekennen - wie die großen Bekenner, die Märtyrer Beispiel gegeben haben. Und der Glaube muß verankert sein in der Diakonie: im Dienst am Nächsten: in der Familie jemanden pflegen, Kinder erziehen, in der Nachbarschaft, bei Freunden und Feinden, in der gesamten Welt, soweit es unsere Kräfte zulassen.

Alle drei Dinge sind in unserem Glauben gefragt. Wenn sich die Worte so in Taten ausdrücken, wird Gott unter uns sichtbar. Aber auch dort, wo wir noch Macken haben, wie dieses Holz, findet Gott Möglichkeiten, unter uns gegenwärtig zu werden.

424. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Da lebt man den Kindern es vor, geht jeden Sonntag zur Kirche, prägt zuhause ein christliches Familienleben und die Kinder gehen Wege ohne Gott und Kirche.

Ein Beispiel wie es die meisten von uns kennen. Und dem stehen die heutigen Lesungen geradezu gegenüber: wir hörten Aufrufe, aus den Worten Gottes auch Taten folgen zu lassen, sich auch selbst an die Wege Gottes zu halten, um anderen dadurch ein Beispiel christlichen Lebens zu geben: am deutlichsten klang es wohl bei Paulus: "nicht nur am Evangelium Gottes", "sondern auch an unserem eigenen Leben" wollten wir euch teilhaben lassen, damit die Menschen selbst an Gott glauben können und die Worte für echt halten.

Doch es funktioniert scheinbar nciht mehr. Die nächste Generation hat das Beispiel der Älteren nicht übernommen. Statt dessen haben andere unseren Einfluß: den Einfluß von Eltern, Lehern und Kirche übernommen, wie z.B. Geld, Mode oder Konsum.

Da bleiben ganze Generationen der Kirche und Gott fern, wollen von ihm nichts mehr wissen. Letzten Freitag habe ich in der Zeitung gelesen, dass die Kirchenbesucherzahlen der Katholiken in Deutschland seit 1990 von 22 auf 16% zurückgegangen ist. Wir haben seit ein paar Jahren kaum noch kirchliche Trauungen. Gott wird nicht mehr für echt genommen.

Funktioniert es nicht mehr, was die Propheten seit Jahrtausenden, die Apostel, was Jesus selber gesagt hat? Doch - sicherlich! Er selber gibt uns den Tip, wie wir aus der Misere heraus kommen:

Es ist genau der benannte Punkt des nicht gelebten Beispiels, welches die Menschen von der Kirche trennt: irgendwelche schlechten Erfahrungen, die nicht einmal selber mehr gemacht worden sind, sondern man nur gehört hat, bewirken die Trennung von der Kirche. Und unaufrichtige Menschen treffen wir immer wieder dadurch, dass wir im Medienzeitalter leben und sich schlechte Nachrichten besser verkaufen als gute werden diese Negativbeispiele schnell jedem mehrfach bekannt gemacht, so dass die Vorwürfe jedem unerschütterlich und allgemein erscheinen.

Das geht nicht nur den inkonsequenten Situationen der Kirche so. Wir erwischen uns doch selber bei diesem Verhalten z.B. in der Politik. Und was dort trotz aufrichtigem Einsatz der allermeisten Politiker zu Politikverdrossenheit führt, führt bei uns ebenso zu Desinteresse.

Was können wir da tun? Wir müssen diesen medienpräsenten Negativbeispielen unsere Positiven gegenüberstellen: Wenn die eine Ehe in der katholischen Verwandschaft in die Brüche gegangen ist, dann sollte bei uns präsent sein, wie die anderen 10 intakten Ehen diesen beiden gescheiterten Personen geholfen haben.

Wenn wir Ausgrenzung am Arbeitsplatz oder in der katholischen Schule erleben, dann sollten uns Beispiele von couragierten Chisten einfallen, die so etwas nicht haben durchgehen lassen, dann sollte unser Wissen von den zahlreichen Eingliederungen der Spätaussiedler und Russlanddeutschen, den vielen funktionierenden Nachbarschaften mit ihnen die Fälle der Ausgrenzung zur Ausnahme der Regel machen.

Wenn das Kind beim Diebstahl erwischt wird, dann sollten barmherzige Eltern gemeinsam nach der Schuld suchen, dann sollten im Familienrat Dutzende von Beispielen möglich sein, wo andere Familienmitglieder den hinreißenden Versuchungen aller Art widerstanden haben.

Wenn jedoch den Gescheiterten nicht geholfen wurde, die Andersdenkenden bei uns nicht integriert werden, dem Kind keine Gegenbeispiele genannt werden können, dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn die nächste Generation nach dem richtend, was wir tun und nicht was wir Frommes sagen, Gott fern bleibt.

Dann gilt der Ausruf des Propheten Maleachi von heute auch uns: "Ihr seid abgewichen vom Weg udn habt viele zu Fall gebracht". Lassen wir nicht die Aussage Jesu über die heuchlerischen Propheten für usn gelten: "richtet euch nicht nach dem, was sie tun." sondern machen wir uns noch mehr die Aussage des Paulus zu eigen: "Wir wollen euch nicht ur am Evangelium Gopttes teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben", damit wir ihnen ein gutes Beispiel geben und die Negativbeispiele unter Christen die Ausnahme bleiben.

Amen.

425. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!
Im Kreuzgang des Hohen Domes zu Münster findet sich eine Skulpturengruppe.
Sehr anschaulich bringt sie dem Betrachter das Evangelium von den zehn Jungfrauen nahe.

Auf der linken Seite stehen fünf Frauengestalten.
Ihre Gesichter strahlen vor Freude. In ihren Händen halten sie fest und sicher die Lampen und Ölgefäße.
Sie sind im Aufbruch. Dem Herrn entgegen. Aufrecht gehen sie auf IHN zu.

Auf der anderen Seite ein ganz anderes Szenario:
Fünf Frauen mit traurigen, entgeisterten Gesichtsausdrücken.
Ihre ganze Gestalt wirkt kraft- und saftlos. Schlaff lassen sie die leeren Ölgefäße nach unten hängen.
Sie stehen bedröppelt da. Sozusagen mit "hangende Poten".
Keine Aufbruchsstimmung wie bei den anderen Frauen. Eher Weltuntergangsstimmung. Nur Enttäuschung.

Wenn Sie, liebe Schwestern und Brüder, einmal in Münster sind, schauen Sie sich diese Skulpturen einmal an.
Und wenn, Sie sie genug betrachtet haben, dann fragen Sie sich einmal:
Welche der Frauengestalten gleicht mir momentan am meisten?
Gehe ich froh dem Herrn entgegen wie die klugen Jungfrauen?
Oder stehe auch ich eher mit "hangenden Poten" da? Bin ich traurig, resigniert in meinem Christsein?

Wenn ich vor diesen Bildnissen stehe, dann fällt es mir gar nicht so leicht, mich eindeutig einer Gruppe zuzuordnen.
Denn ich kenne beides in mir:
Momente der Freude, als Christ, als Priester zu leben.
Und auch Augenblicke, wo ich den Mut sinken lassen möchte, wo sich Traurigkeit in mir breitmacht.

Wie kommt das?

"Herr, mach uns auf!" rufen die törichten Jungfrauen am Ende des Evangeliums.
"Ich kenne euch nicht!" lautet die harte Antwort des Herrn hinter der Tür.

Die Traurigkeit ergreift uns, wenn etwas zwischen Gott und uns steht,
wenn wir uns irgendwie von IHM gelöst haben, von IHM, der unsere Seele erfreut.

Die törichten Jungfrauen waren vom Herrn getrennt, weil sie kein Öl für ihre Lampen bei sich trugen.
Sie hatten zwar wunderschöne Lampen, aber eben kein Öl.

Von außen gesehen waren sie zwar komplett ausgestattet, um ihrem Bräutigam, unserem Herrn entgegenzugehen.
Es fehlte ihnen am Inneren.
Sie hielten zwar die Lampen des Christseins, des Katholischseins allen entgegen, aber es fehlte ihnen das Öl der Innerlichkeit.
Das Öl des ehrlichen, inneren Gebetes, das nicht nur mechanisch mündliches Gebet auf mündliches Gebet abspult, sondern das durchtränkt ist von aufrichtiger Sehnsucht und Liebe zum Herrn.

Daß Sie mich bitte nicht falsch verstehen, Schwestern und Brüder:
Die mündlichen Gebete sind gut und wohl. Ich selber habe ein recht großes Kontingent davon.

Die mündlichen Gebete aber allein haben die Gefahr in sich, eine Mauer zwischen mir und Gott aufzubauen, wenn ich mich in diesen Gebeten nicht selber vor Gott trage, wenn ich selber in meinem Gebet nicht vorkomme.

Deswegen ist es wichtig, daß wir uns Zeiten nehmen für das persönliche, freie Gebet, für die stille Anbetung, die Betrachtung.
Das richtige, gesunde Gleichgewicht zwischen mündlich-gemeinschaftlichem und persönlich-stillem Gebet sollten wir suchen.

Möglicherweise fehlte den törichten Jungfrauen aber auch ein anderes Öl: das Öl der Kirchlichkeit.
Vielleicht war die eine oder andere zu sehr mit sich selbst oder mit ihrer ganz persönlichen Lampe beschäftigt.
Vielleicht sogar mit einer Begründung, die man immer wieder hört und die auch durch häufiges Wiederholen nicht richtiger wird. Ich meine den Satz, den auch getaufte Christen sprechen:
"Wenn ich beten will, gehe ich in den Wald. Wozu brauche ich die Kirche. Ich glaub auch so an Gott!"

Tatsache aber ist: Ein Christ ist kein Christ!
Der Herr hat uns in die Gemeinschaft der Kirche berufen und nicht einzeln in den Wald geschickt.

Wir brauchen den Glauben der anderen.
Den Glauben derer, die vor uns geglaubt haben, und derer, die mit uns glauben.
Wir bedürfen der Wegweisung durch den Glauben der Kirche. Nur sie ist die authentische Lehrerin des Glaubens. Durch die Schrift, die Tradition und das Lehramt.
Wer meint, außerhalb der Kirche glauben zu können, gerät in Gefahr nur noch das zu glauben, was er glauben will. Basta.
So aber wird häufig der eigene Vogel zum Hl. Geist erklärt.
Und das kann und darf nicht sein.
Die törichten Jungfrauen führen uns plastisch vor Augen:
Das Leben ohne Gott führt in die Depression, in tiefe Traurigkeit.

Ein Leben der Freude - diesen Weg vermitteln uns die klugen Jungfrauen.
Sie nehmen teil am Hochzeitsfest mit dem Herrn.
Sie haben Gemeinschaft mit IHM, keine Tür, keine Mauer trennt sie voneinander.

Sie hatten das Öl der Innerlichkeit bei sich. Ihre Lampen brannten voll Sehnsucht und Liebe dem göttlichen Bräutigam entgegen.

Auch verwandten sie das Öl der Kirchlichkeit.
Die Lampe, gefüllt mit diesem Öl, zeigte ihnen den richtigen Weg
Gemeinsam waren sie auf dem Weg. Sie halfen einander durch ihr Gebet füreinander. Sie stützten und motivierten einander, wenn eine von ihnen der Weg zum Hochzeitsmahl zu beschwerlich wurde.

Das gemeinsame Ziel, die gemeinsame Sehnsucht verband sie untereinander, auch wenn sie das Öl von je unterschiedlichen Händlern hatten:
Die eine hat ihr Öl vielleicht bei einer der marianischen Bewegungen gekauft, die andere bei Kolping, der KAB, die andere fand das Öl bei Freunden in der Pfarrgemeinde. Andere wiederum finden ihr Öl bei den Charismatikern oder sonstwo in der Kirche.

Die klugen Jungfrauen lehren uns, daß alle in der Kirche miteinander dem Herrn entgegengehen, daß sie dabei alle ihren je eigenen Weg der Spiritualität gehen sollen.

So werden wir alle den klugen Jungfrauen ähnlicher, die im Kreuzgang des Domes hängen. Mit freudigen Gesichtern und frohem Mut. Und nicht mit hangenden Poten.

426. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Während unserer Priesterausbildung empfahl uns ein erfahrener Priester (in Anlehnung an Gedanken von Bischof Hemmerle) das dreifache Morgengebet. Ich bin so frei, es Ihnen weiterzuempfehlen.

Sie werden vermutlich innerlich schon wieder etwas stöhnen und denken, dass Sie noch nicht einmal jeden Tag zum einfachen Morgengebet Zeit haben. Aber hören Sie einmal zu, das dreifache Morgengebet ist einfacher, als es sich zuerst anhört.

Ihr persönliches Morgengebet können sie natürlich halten, wie sie es möchten - vielleicht sogar noch im Bett liegend und mit geschlossen Augen. Ein kleines "Danke" dafür, dass Sie noch leben und nichts Außergewöhnliches weh tut, ist immer angebracht. Der erste Teil des dreifachen Morgengebets beginnt allerdings erst vor dem Spiegel. Schauen Sie sich kurz in die Augen. Gott hat Ihnen Fähigkeiten, Charakter und ein Gesicht geschenkt, dass anderen Menschen Mut machen soll. Sie sind verantwortlich für Ihr Gesicht und für das, was es anderen sagt. Danken Sie Gott - und bitten Sie um die Gabe, mit diesen Augen, diesem Mund und diesen Gesichtsausdruck Gott zu verherrlichen.

Das war schon der erste Teil des Morgengebetes. Der zweite Teil ist dann beim Frühstückstisch - beim Blick in die Zeitung.

Schauen Sie in die Zeitung! Machen Sie sich die Sorgen und Entwicklungen in dieser Welt vertraut! Leben Sie nicht in ihrer kleinen Welt, sondern nehmen Sie Anteil an der großen Welt. Und vor allem: Beten Sie - für die Politiker auf Seite eins, die Fußballstars und Sportler, die Opfer von Gewalt und Verbrechen. Beten Sie für die Kinder in den Geburtsanzeigen, trauern Sie mit den Angehörigen, die in den Sterbeanzeigen genannt werden. Seien Sie ein Zeitgenosse.

Und dann, der Dritte Teil des Morgengebetes: Schauen sie aus dem Fenster. Das Wetter können Sie nicht ändern - aber es wartet da draußen eine Welt auf Sie, die Veränderung braucht. Nehmen Sie sich vor, am Abend dieses Tages diese Welt ein kleines Stückchen näher zu Gott geführt zu haben.

Liebe Schwestern und Brüder, das Öl in den Lampen der Jungfrauen, von denen wir gehört haben, ist das Öl der Aufmerksamkeit, der Wachsamkeit. Dabei geht es nicht nur darum, die Augen irgendwie offen zu halten. Dieses Öl hat - so wie das Morgengebet - eine dreifach Wirkung: Es stärkt die Selbstwahrnehmung - es öffnet den Blick für die Welt - es macht Mut zu Verändern.

Viele Zeitgenossen sind gar nicht so begierig auf eine erhöhte Aufmerksamkeit, aus Angst, es könnte ihnen die gute Laune verderben. In den Augen der Welt ist eine solche Aufmerksamkeit töricht: Wer sich zu lange mit sich selbst beschäftigt, frustriert sich nur: Wir sind nunmal, wie wir sind, basta. Wer zuviel in die Zeitung schaut, bekommt Depressionen, die Welt ist ja nur schlecht. Und wer daran auch noch etwas ändern will, ist vollend verrückt - Weltverbesserer sind alle gescheitert.

Liebe Schwestern und Brüder, wir Christen sollten keine "gute Laune" haben, sondern echte Freude. Echte Freude, die sich aus dem Hinschauen ergibt (wer das Böse nicht sehen will, hat auch keine Augen für das Gute und Schöne!), aus der Anteilnahme, der Mit-Trauer und der Mit-Freude. Leben wir mit den Menschen, die uns begegnen - nicht nur neben ihnen oder an ihnen vorbei.

Das geht nur, wenn wir beten. Ein einfaches menschliches Interesse erlahmt immer irgendwann. Wenn wir aber betend aufstehen, betend in den Spiegel und die Zeitung schauen, betend aus dem Fenster sehen und schließlich das Haus verlassen - dann sind wir nicht töricht, sondern klug.

Und sollte uns das Öl wirklich ausgehen, unser Beten müde werden und unser Blick trüb: Hier, bei Gott, werden wir wieder wie neu.

Amen.

427. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Einer meiner Professoren in Münster behauptete einmal in einer seiner Vorlesungen, dass wir auf dem besten Wege sind, zu neuen Biedermeier zu werden.

Biedermeier, das war die Zeit um 1820 und später, in der sich die Menschen, zunächst große Hoffnungen auf eine neue, freiheitliche Ordnung in Europa gemacht hatte, und dann - als alles wieder genauso schlimm wurde wie vorher - enttäuscht von der großen Politik, zurückgezogen haben. Was dann zählte, war in den eigenen vier Wänden eine heile Welt zu erleben. Man kümmerte sich nicht mehr um das, was in der Welt passierte - das bringt ja doch alles nichts mehr. Man wagte sich nicht mehr nach draußen; sowohl im tatsächlichen Sinne, als auch im politischen Sinne: Keiner wollte seinen Kopf hinhalten.

Die Biedermeier, das sind die klassischen törichten Jungfrauen. Sie begnügen sich mit dem, was im Moment reicht. Sie suchen das kleine Glück - nicht für andere, sondern für sich, für die Familie. Hauptsache, ein schönes Haus. Hauptsache einen Wagen ohne Kratzer. Und geht's der Katze gut, freut sich der Mensch.

Nun behauptet dieser Professor, wir stehen in einer neuen Biedermeier-Zeit. Einer Zeit, in der die großen politischen Hoffnungen verfliegen und jeder nur noch im Horizont seiner eigenen vier Wände denkt.

So ganz stimmt das natürlich nicht. Es gibt noch genügend engagierte Christen. Christen, die nicht einfach resignieren, die auch bereit sind, sich unbeliebt zu machen. Aber die allgemeine Müdigkeit, was die großen Veränderungen angeht, greift weiter um sich.

Seid wachsam! Heißt es dagegen im heutigen Evangelium. Seid wachsam und findet Euch nicht mit den Umständen ab! Seid bereit, Euch auch gegen die schlafende Mehrheit zu engagieren! Seid aufmerksam und bleibt aktiv, auch wenn andere Euch belächeln oder daran erinnern, dass wir sowieso nichts daran ändern können.

Liebe Schwestern und Brüder,
im Europarat wurde eine Bioethik-Konvention beschlossen, die Experimente auch an Personen erlaubt, die nicht zustimmen können: An Behinderten, an Menschen, die im Koma liegen, und an Säuglingen. Mit dieser Konvention sind grundsätzlich auch genetische Experimente am Menschen erlaubt. Genetische Information über zu erwartende Erbkrankheiten dürfen auch an die Arbeitgeber weitergegeben werden. Alle 39 Länder haben zugestimmt, nur allein Deutschland hat sein Veto eingelegt.

Seien Sie wachsam! Die Welt wird nicht dadurch besser, wenn wir unser eigenes Licht unter den Scheffel stellen. Wer glaubt, dass das, was zählt, nur das traute Heim mit Sonnenbank und Sauna ist, der hat keinen einzigen Tropfen Öl mehr, wenn es darauf ankommt.

Seien Sie wachsam! Zu schnell gewöhnen wir uns an die größten Ungerechtigkeiten und Skandale. Oder haben Sie sich noch nicht an die hohen Abtreibungszahlen hier bei uns gewöhnt? Schätzungsweise 150 000 Abtreibungen jedes Jahr allein in Deutschland! Was sind Sie bereit, zu tun?

Ich will hier jetzt keinen Rundumschlag machen. Belassen wir es bei diesen beiden Beispiele. Sie finden selber bestimmt noch zahlreiche andere. Ich möchte sie nur zur Aufmerksamkeit ermuntern. Christsein hat immer schon bedeutet, auch gegen den Strom zu schwimmen. Sich auch einmal zum Fenster hinauszulehnen. Christen sind keine Biedermeier, und wenn sie zu welchen werden, dann sind es schlechte Christen.

Was sind Sie bereit, zu tun?

428. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Musicals sind zur Zeit absolut „in". Sicherlich haben Sie schon einmal etwas über Cats oder Das Phantom der Oper gehört. Wir sind am letzten Sonntag mit 24 überwiegend jungen Leuten aus unserer Gemeinde in solch einem Musical gewesen, welches sich allerdings von der vorherigen etwas unterscheidet. Wir waren in Duisburg in „Les Misérables". Dieses Musical behandelt das Thema Gerechtigkeit. Die Wurzeln dieses Musicals liegen dabei im Christentum. Dies ist besonders dann zu spüren, wenn Solostücke immer wieder als ein Gebet formuliert werden. Da wir besonders gute Plätze haben wollten, mußten wir ein halbes Jahr auf unsere Karten warten. Nicht „Genuß sofort", sondern sich gedulden, warten.

Die Menschen unserer Gesellschaft können das oft gar nicht mehr: Warten. Da steht der Tannenbaum lieber schon heute als morgen. Im letzten Jahr standen schon einige Wochen vor Weihnachten, weil es sich ja sonst „gar nicht mehr lohnt". Da ist kein Warten mehr, das warten haben viele von uns verlernt. Dabei kann man das Warten füllen. Advent bedeutet ja nicht „Wartezeit", sondern „Vorbereitungszeit".

Worauf vorbereiten? Im Advent ist es klar: Auf das Kommen des Herrn. Aber nicht nur im Advent! Das heutige Evangelium erzählt mit den zehn Jungfrauen auch ein Gleichnis übers warten. Und es will sicherlich nicht die Nähe zum Advent ausdrücken, sondern es macht deutlich: Warten betrifft unser ganzes Leben. Wie die 10 Jungfauen warten wir auf das Kommen des Bräutigams, daß Christus wiederkommt. Im Gleichnis bleiben 5 Jungfrauen außen vor. Sie hatten nicht genug Öl, sie waren nicht vorbereitet. Sie haben einfach nur abgewartet, die Wartezeit nicht zur Vorbereitung auf das Kommen Gottes genutzt. Das ist der Sinn dieses Gleichnisses: wir sollen die Zeit auf Erden nutzen, nicht einfach auf Gottes Kommen warten, sondern sich vorbereiten.

Wie? Die Lesung gibt eine Antwort darauf. Ich soll mich auf die Suche machen: „Wer die Weisheit sucht, wird sie finden." Und sie ist gar nicht so weit weg: er findet sie vor seiner Haustür sitzen": Die Weisheit Gottes ist zum greifen nah. Gott selbst sitzt vor meiner Tür, und wartet darauf, daß ich ihn erblicke, daß ich nach ihm Ausschau halte.

Aber auch das klingt noch nicht so konkret. Wie soll ich die Weisheit Gottes suchen, wie Gott vor meiner Tür finden?

In dem Musical, welches ich anfangs erwähnte, suchen die Menschen Gott im Gebet. Die verschiedenen Rollen nehmen ihre Nöte, ihren ganz konkreten Alltag, ihre Sorgen ins Gebet hinein. Sie ringen mit Ihm, suchen Ihn, suchen nach der Weisheit, nach seinem Weg in Ihrem Leben. Valjean, ein Vorbestrafter singt: „Was ist mit mir? Herr Jesus, was ist mit mir? Ist für mich alles zu spät? Hab ich den Teufel im Blut?" Mit diesen Fragen trifft er sicherlich auch oftmals unsere Situation, wenn wir meinen, alles verkehrt zu machen. „Was ist mit mir? Ist für mich alles zu spät?"

Oder Fantine, eine junge Frau, die Enttäuschung erlebt. „Ich hab geträumt vor langer Zeit, von einem Leben, das sich lohnte. Von Liebe und Unsterblichkeit. Vom guten Gott, der mich verschonte. ... Doch Gott gibt den Wünschen keinen Raum. Nichts bleibt mir mehr von meinem Traum." Wie oft erleben wir, daß unsere Träume nicht in Erfüllung gehen, daß wir Leid erleben, von Gott enttäuscht sind? Fantine betet, sie gibt den Glauben nicht auf, und ihre größte Sorge, die Sorge um ihr Kind wird erhört. Valjean, der Vorbestrafte nimmt sich ihrer Tochter an mit den Worten: „Er ruft mich. Ich werde nach ihr seh'n. Sein Werk soll gescheh'n. Sein Werk soll gescheh'n." Valjean erkennt in den ganz konkreten Aufgaben, die ihm vor die Füße fallen, Gottes Willen. Dort kann er helfen. Er setzt sich dort für Gottes Gerechtigkeit ein, wo er Unrecht sieht, dort findet er Gott vor seiner Tür, wie es die Lesung gesagt hat.

Das Musical birgt noch viele solcher Wahrheiten, viele schöne Gebete. Ich habe so einige hier in der Kirche an die Pfeiler gehängt, sie können nach der Messe ja 'mal herumschauen, wenn Sie mögen. Viele Rollen in diesem Stück bieten an, sich darin wieder zu finden, und Anregungen zu bekommen für das eigene Leben mit Gott. In der zweitletzten Szene wird es noch einmal deutlich auf den Punkt gebracht, wie wir Gottes Weisheit finden können: „die Wahrheit steht geschrieben - zu lieben einen Menschen heißt: Das Antlitz Gottes seh'n." In der letzten Szene folgt dann der Aufruf von dem ganzen Ensemble an den Zuschauer, selber so, mit diesem Vorsatz, Gottes Antlitz im Nächsten zu suchen, so in den Garten unterwegs zu sein. Es ist der Garten Eden gemeint, das Paradies, wo der Herr mit uns das Hochzeitsmahl feiern möchte.

429. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

"Wuchert mit Euren Talenten!" - "Macht etwas aus dem, was Euch anvertraut ist!" - Soweit haben wir das Evangelium verstanden. Es geht um Talentförderung. "Deutschland sucht den Superstar" ist sozusagen nur eine aktuelle Version des Zweitausend Jahre alten "Gott sucht den Superstar". Unser Leben ist eine Art Talent-Förderungs-Wettbewerb. Die Frage ist nur: Wie mache ich etwas aus mir?

Die Frage die sich nämlich sofort im Anschluss stellt, ist eine ganz lebenspraktische: Soll ich eine Gesangsausbildung machen (ich habe doch eine schöne Stimme)? Oder eine Fortbildung im gehobenen Management (ich bin ein ziemlich entscheidungsfreudiger Mensch)? Oder soll ich noch ein Instrument lernen (Flöte ging damals ganz leicht)? Oder eine Typ-Beratung im Modehaus (mein Talent ist mein gutes Aussehen)?

Die Fragen, die sich uns stellen, wenn wir das Evangelium bedenken, sind eigentlich die gleichen, die sich uns im Alltag sowieso stellen: Wie kann ich meine Begabungen, Fähigkeiten und Vorlieben so einsetzen, dass am meisten dabei herauskommt?

Damit hätten wir allerdings nicht verstanden, worum es im Evangelium eigentlich geht. Denn die erste Frage, die wir uns stellen müssen, ist doch die: Was hat Gott mir eigentlich geschenkt? Was von all seinen Gaben ist das wertvollste?

Die Antwort ist gar nicht so schwer, wenn wir nur von dem Begriff "Talent" absehen. Denn es geht nicht um zweitrangige Dinge wie musikalische oder berufliche Begabungen. Gott hat uns größere Geschenke gemacht: Mein Leben; meinen Glauben; meinen Berufung zur Heiligkeit. Gott hat mich als sein Kind angenommen und mir alle meine Sünden verziehen - und will mir immer wieder verzeihen.

Das größte Geschenk, das größte Talent, das mir anvertraut ist, ist also keine Begabung, sondern ist das Vertrauen, das Gott mir entgegenbringt: Er hat mich als seinen eigenen Sohn angenommen.

Gottes "Superstar-Suche" hat somit ein Ende, noch bevor der Talentwettbewerb richtig angefangen hat: Der Superstar Gottes ist Jesus. Was uns als Talent anvertraut ist, ist Jesus selbst. Wir dürfen ihn empfangen in jeder Eucharistiefeier. Jesus Christus ist unser Talent. Nicht wir wuchern, sondern Jesus wirkt in uns - wenn wir ihn lassen. Wenn wir seinem Wirken keinen Riegel vorschieben. Wenn wir bereit sind, das Heil, das uns in den Sakramenten begegnet (nämlich Jesus selbst) auch anzunehmen.

Verbuddeln wir ihn? Schämen wir uns seiner? Geben wir ihm nur einen engen Zeitrahmen, einen Bruchteil unseres Lebens, nur einen Teil der Gedanken und nicht die geringste Öffentlichkeit?

Liebe Schwestern und Brüder, bringen wir nicht uns zu Geltung. Am Ende der Tage wird Gott uns nämlich nicht fragen: Was hast Du aus Dir gemacht? Sondern er wird an unsere Stelle seinen Sohn fragen: Und, was hast Du in ihm wirken können? Was hat er aus sich machen lassen?

Unsere alleinige Rettung ist, wenn Jesus an unserer Stelle antworten kann: Ich bin bei ihm immer herzlich willkommen gewesen.

Amen.

430. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Sie, ich, alle Menschen haben ihre Talente, ihre Fähigkeiten. Nun könnte man das Evangelium, das wir gerade gehört haben, als eine bloße Aufforderung verstehen, etwas aus diesen Fähigkeiten zu machen - mit den eigenen Begabungen und Möglichkeiten zu wuchern, sie einzusetzen und die Welt zu gestalten. Wir sind begabt - lasst uns also unsere Begabungen einsetzen.

Dabei ist uns aber auch klar, dass es nicht darauf ankommt, unsere Fähigkeiten blind auszureizen. Der Mensch kann viel, aber er darf nicht alles, was er kann.

Denken wir zum Beispiel an die Gentechnologie. Wenn man hier Jemandem sagt, der Mensch darf nicht alles, was er kann, wird man leicht dessen Zustimmung bekommen: Gesetze müssen her, denn eine solch wichtige Sache dem eventuell skrupellosen Gewissen einzelne Forscher zu überlassen, ist unverantwortlich. Wir wissen ja, was passieren kann: Waren sie noch nicht im "Jurassic Park"? Ein Film, in dem Forscher ohne großes Nachdenken durch Genmanipulationen die Dinosaurier wieder zum Leben erwecken und schließlich im selbst angerichteten Chaos versinken. Der Mensch darf eben nicht alles was er kann!

Wenn man Jemandem sagt, der Mensch darf nicht alles, was er kann, und dabei auf die Entwicklung und Produktion von Massenvernichtungsmitteln wie zum Beispiel die Neutronen- oder Atombombe verweist, so erhält man wohl kaum Widerspruch. Regelungen zur Abrüstung müssen gefunden und eingehalten werden. Es geht nicht an, dass über die Bombe nur ein Mensch mit seinem Gewissen entscheidet. Und denken wir nur an die Verbrechen im Krieg im ehemaligen Jugoslawien - nein, der Mensch darf nicht alles, was er kann.

Wenn man jemandem sagt, der Mensch darf nicht alles, was er kann, und dabei die Umweltzerstörung erwähnt, ist einem der Beifall gewiss: Verordnungen müssen her, die Masse der Menschen muss zur Besinnung gebracht und erzogen werden.

Wenn man jemandem sagt, der Mensch darf nicht alles, was er kann, und dabei beispielsweise auf die Sexualmoral der Kirche zu sprechen kommt, so erhält man zur Antwort: Da lasse ich mir nicht reinreden, das geht keinem etwas an! Das ist meine Privatsache, ich bin nur meinem Gewissen verantwortlich! Warum soll mir da jemand Grenzen setzen? Mein Gewissen ist frei!

Zugegeben - vielleicht hinkt der Vergleich zwischen den künstlichen Dinosauriern und dem Ehebruch. Vielleicht ist ein Tyrannus-Saurus-Rex doch gefährlicher als die moralische Entgleisung einzelner.
Aber vielleicht auch nicht: Kann es nicht sein, dass das zunehmende moralische Un-Bewußtsein im Privaten zur öffentlichen Katastrophe führen kann?

Wir haben unsere Talente, Fähigkeiten und Möglichkeiten. Sie sind nicht nur eine Gabe, sondern vielmehr eine Aufgabe. Aber wenn wir sie nicht im Sinne dessen verwenden, der sie uns gegeben hat, dann richten wir damit mehr Schaden an, als Nutzen. Es geht nicht nur darum, sie sinnvoll einzusetzen - es geht auch darum, sich mit unserer eigenen Verantwortung auseinanderzusetzen. Es geht auch darum, sich einmal in seine eigenen, scheinbar privaten Dinge "hineinreden zu lassen". Warum wollen wir unser eigenes moralisches Verhalten nach außen hin abschotten, wenn wir - zurecht - andern bei Umweltzerstörung, Krieg und Waffen und Genforschung in ihr Verhalten hineinreden? Wieviel Zeitungen haben nach Jurassic Park gegen die Gentechnologie gewettert - und wenig später der Kirche das Recht abgesprochen, eine Moralenzyklika zu schreiben.

Noch sind Gen-rekonstruierte Saurier reine Erfindung. Aber die Tötung Millionen von Ungeborener, die Vergewaltigung, der Missbrauch von Kindern, die zunehmende Gewalt gegen Fremde, die Kriminalisierung des Alltags, des Straßenverkehrs: Das ist Realität. Und wieviel Gewalt beinhaltet eine gescheiterte Ehe? Wieviel seelische Brutalität wütet an den Schulen?

Jurassic Park brilliert durch "Special Effects" - und unsere Gesellschaft zeichnet sich durch "Special Defects" aus - nur, die will keiner sehen.

431. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

November - der Totenmonat. Beginnend mit der Gräbersegnung, der Totensonntag, der Volkstrauertag heute, die Gefallenenehrung - gerade heute: der Tod von Sabrina Högemann vor einem Jahr, von Herbert Lück vor sechs Wochen. Der Tod von Menschen trübt unsere Stimmung - zu recht, denn wir vermissen einen lieben Menschen, trauern über das Sterben unschuldiger Menschen auf der Straße, in Kriegen.

Und doch ist das nur die halbe Wahrheit - der Tod eines Menschen mag für uns Verlust sein, für den Verstorbenen ist er Gewinn! Wir brauchen keine Angst vor dem Tod zu haben, denn das Leben vor dem Tod war nur der Anfang, nach dem Durchschreiten des Todes erfolgt ein noch größeres Leben.

Gerade im heutigen Evangelium spricht Jesus wieder davon: wenn Du hier auf Erden mit Deinen Talenten schon gut gehandelt und gewirkt hast, dann wirst Du nach dem Gericht eine um so größere Aufgabe bekommen.

Der Mann, der im Gleichnis des Evangeliums auf Reisen geht ist niemand anderes als Christus selbst - und wenn er - wie es hieß - nach langer Zeit wiederkommt, wird er Gericht halten: er wird uns fragen, was wir mit unseren Talenten angefangen haben - hoffentlich haben wir sie nicht vergraben, so dass es uns nicht ergeht wie dem faulen Diener aus dem Evangelium, und wir anschließend in der Hölle landen, mit den Zähnen knirschen in der äußersten Finsternis. Sondern er will uns zurufen: Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn.

Lasst uns daher noch heute anfangen, unsere Talente zu nutzen, denn die Stunde Todes, des Gerichtes kann schnell und überraschend kommen. Sabrina Högemann, Herbert Lück mögen uns dies noch deutlicher vor Augen führen als Paulus.

Lasst uns dann nicht überrascht sein, wie ein Dieb in der Nacht - wie wir es vorhin von Paulus hörten, der dann ein schlechtes Gewissen hat und sich vor dem Kommen des Gerichts fürchtet. Sondern wird sind laut Paulus Söhne des Lichts, Kinder des Tages, verhalten wir uns auch so.

Wir gehören nicht dem Tod und Verderben, wir wollen nicht - wie Paulus sagt - schlafen wie die anderen - nicht faul sein, wie der Diener im Evangelium, sondern nüchtern, bereit, dass der Herr heut noch zu uns kommt. Dass er uns damit beschäftigt findet, unsere Talente für ihn und seine Kinder, unser Schwestern und Brüder einzusetzen.

Amen.

432. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Was ist das - Adventszeit?

Advent - so haben wir gelernt - das ist die Ankunft Gottes in unserer Welt.

Wann erwarten Sie die Ankunft Gottes? Ganz konkret, höchstpersönlich? Wann rechnen Sie mit dem Ende der Dinge?

Vermutlich nicht, bevor es nicht mit ihrem eigenen Leben selbst zu Ende geht. Die zweite Ankunft Gottes, das Ende der Welt, setzen wir - zu Recht - mit unserem eigenen Ende gleich.

Adventszeit - das ist also nicht nur die Zeit, vier Wochen vor Weihnachten. Adventszeit, das ist eigentlich unsere ganze Lebenszeit. Dieser Gedanke verleiht unserem Leben etwas mehr Ernst - ohne das wir deswegen die Freude verlieren müssten. Es nimmt aber auch dem Tod eine ganze Menge seiner Grausamkeit: Denn wenn unser Leben ein großer Advent ist - dann ist unser Tod das große Weihnachtsfest, dass Fest der Begegnung mit Gott.

Nun mögen sie denken: Ganz schön lebensfremd, was der Kaplan heute wieder sagt. Und das war auch der Gedanke, der mir kam, als ich diese Zeile geschrieben habe: So lebt doch heute keiner.

Unser Leben ist viel unbeschwerter, viel leichter geworden. Im Grunde geht es uns gut, sehr gut. Ängste, Nöte und Leid sind nicht mehr alltäglich. Wir haben eine unbeschwerte Kindheit - und manchmal geht diese Kindheit fast ein Leben lang nicht zu Ende.
Ganz im Gegenteil dazu steht heute aber die vollkommene Hilflosigkeit, mit der wir dem Tod begegnen - dem Tod anderer und auch unserem eigenen Tod.

Darüber spricht man nicht, vor allem nicht mit den Sterbenden. Der Tod wird weggeleugnet, weg geschwiegen, übermalt, verdrängt. Die «Unerträgliche Leichtigkeit des Seins» gibt dem Tod ein Gewicht, das uns erdrückt.

«Seht euch vor, und bleibt wach! Was ich Euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!»

Liebe Schwestern und Brüder, Gott ist in aller Armut im Stall geboren, er war als solcher nicht zu erkennen. Die Hirten mussten sich auf die Suche begeben, sich ihre Augen öffnen lassen. Die Könige aus dem Morgenland hatten eine lange Strecke zurückzulegen, um zum menschgewordenen Gott zu gelangen.

Machen sie sich auf! Suchen sie Gott! Begegnen sie Ihm hier: In der Eucharistiefeier. Suchen sie Ihn in den Sakramenten, in denen Gott zwar verborgen, aber sehnsüchtig auf sie wartet! Finden sie Gott in der Armut eines kleinen Stückchen Brotes.
Begegnen sie Ihm in den Menschen, die arm geworden sind. Arm an Gefühlen, an Liebe, an Hoffnung. Machen Sie sich auf.

Geben Sie ihrem Leben den Ernst der Gottsuche. Machen Sie Ihr Leben zu einer echten Adventszeit. Dann kann es auch heißen: «Freuet Euch: Weihnachten kommt bald.»

433. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Zu Weihnachten bei mir zuhause wurde es früher besonders spannend, wenn das Wohnzimmer feierlich abgeschlossen wurde, und keiner von uns Kindern es mehr betreten durfte. Da waren die Geschenke drin - das war mir als kleines Kind schon klar.

Einmal habe ich es nicht mehr ausgehalten. Als meine Eltern noch einmal zu letzten Einkäufen unterwegs waren, bin ich mit meinem kleinen Bruder ins Zimmer geschlichen, und wir haben uns ein wenig umgeschaut. Leider waren die meisten Geschenke eingepackt und somit brachte unser Einbruch nicht viel. Nur das Fahrrad war natürlich nicht eingepackt, und die große Sperrholzplatte für meine Modelleisenbahn nicht. Das wichtigste hatte ich also gesehen.

Nur: Weihnachten war für mich daher schon gelaufen. Die Überraschung war hin, die Spannung weg. Ich hatte mir selbst die Festlichkeit genommen. Weil ich nicht mehr abwarten konnte und mich schon vorher informierte, hatte ich mir eines der schönsten Gefühle genommen: Das des Beschenktwerdens.

Besonders ärgerlich war dann vor allem, als mein kleiner Bruder mitten im Weihnachtsgottesdienst meine Mutter fragte, für wen das Fahrrad ist.

Die Unfähigkeit, abzuwarten, die Ungeduld eines Kindes ist heute aber weit verbreitet, auch bei uns Erwachsenen. Bereits im September finden sich die ersten Schokoladenweihnachtsmänner beim Aldi, Weihnachtsmusik tönt uns aus allen Lautsprechern in den Kaufhäusern den ganzen Advent lang entgegen. Weihnachtsbäume werden so früh aufgestellt, dass sie bereits am 4. Advent zu rieseln beginnen, sogar bei uns im Pfarrheim. Und wer noch am zweiten Weihnachtstag Lust auf Spekulatius oder Pfeffernüsse hat, muss einen enorm guten Magen haben.

Selbst die traditionellen adventlichen Feiern sind allesamt schon Weihnachtsfeiern. Advent, Zeit der Vorbereitung und des Wartens, kennen wir eigentlich gar nicht mehr. Warten, Er-Warten und Spannung aushalten liegt uns fern. Das wollen wir nicht mehr. Alles muss jetzt und sofort verfügbar sein. Vorbereitung und Erfüllung begreifen wir nicht.

Wie ich damals, als ich die Bescherung vorweggenommen habe und deshalb kein Weihnachten mehr feiern konnte, berauben sich die meisten Menschen heute des eigentlichen Festes. Weil uns auf Weihnachten der Weihnachtskult schon aus dem Hals heraushängt, könne wir nicht mehr feiern. Kaum ist der zweite Weihnachtstag gekommen, wird die Weihnachtsstimmung entsorgt und auf Sylvester umgestellt. Gefühlsmäßig könnte sich sofort Karneval anschließen. Die Weihnachtszeit als das, was erst mit dem 25.12. beginnt, ist uns vollkommen fremd.
Das Weihnachtsfest selbst hat seinen Reiz verloren. Wir können das gar nicht mehr feiern. Nur die Kinder scheinen das noch zu können. Wenn sie nicht vorher heimlich auf Spionage gehen.

Liebe Schwestern und Brüder, wir haben das Warten verlernt. Warum sonst heiraten die jungen Leute erst, nachdem sie schon Jahre als Mann und Frau zusammenleben? Warum gibt es keine Verlobungszeit mehr? Warum warten Brautleute mit dem ehelichen Leben nicht bis zur Ehe? Sie berauben sich damit selbst eines der größten Feste. Was hat das noch für eine Bedeutung, wenn ich nach dem Jawort sage: «Und nun sind sie Mann und Frau», wenn sie das sowieso schon seit Jahren sind? Was bedeutet das Jawort überhaupt noch, wenn die Brautleute sich dieses im Bett schon Jahre lang gegeben haben?

Wir verlernen das Feiern, wir verlieren die Höhepunkte des Lebens, wir begreifen nicht mehr, was es heißt: «Alles hat seine Zeit». Wir wollen immer alles sofort haben. Dass dann die Ehe nicht mehr das ist, was sie früher mal war, braucht uns nicht zu wundern. Weihnachten, das wir nicht mehr ertragen können, weil am Heiligabend die Krippe bereits Schimmel ansetzt, ist auch nicht mehr richtig Weihnachten.

Liebe Schwestern und Brüder, vor zwei Wochen habe ich davon gesprochen, dass wir uns auch in die privatesten Dinge hineinreden lassen sollen. Viele haben mir ihre Zustimmung ausgedrückt. Was nutzt das aber, wenn wir uns dann doch nicht ändern? Es ist eben nicht Privatsache, das wir die Ehen, die wir schließen, entzaubern, banalisieren und gefährden.

Wir warten nicht mehr, weil wir Angst haben, etwas zu verpassen. Aber gerade dadurch verpassen wir im Grunde alles.

Angst war aber noch nie ein guter Ratgeber. Mit dieser Angst im Nacken sind wir auf dem besten Wege, unser Christsein zu verlieren. Wer allerdings im Bewusstsein lebt, von Gott sowieso schon reich beschenkt zu sein, wer als Geschenk unterm Weihnachtsbaum findet, der verpasst nichts, der verliert nichts und der braucht keine Angst zu haben. Amen.

434. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Beleuchtung in den Fußgängerzonen und an den Straßenlaternen sind angebracht, die Fenster in den Geschäftsstraßen und Wohnhäusern sind weihnachtlich gestaltet, Adventskalender erstellt und die ersten Kerzen am Kranz angezündet. Alles ist bereit für die besinnliche Zeit im Jahr.

Doch die schlechten Nachrichten nehmen darauf keine Rücksicht: Da hat ein Italiener angekündigt, dass bald das erste geklonte Menschenkind zur Welt kommen wird; eine Attentatsserie auf israelische Urlauber erschüttert weiterhin die Friedensbemühungen im Heiligen Land; ob es Krieg gibt im Iran, steht auf des Messers Schneide; die Wirtschaftsdaten in Deutschland werden immer dramatischer... und – und – und. In meinem Briefkasten häufen sich Spendenbriefe, die das menschliche Elend der ganzen Welt in mein Haus tragen und an mein gutes Herz und an mein Portemonnaie appellieren.

Und wir machen die Türen hinter uns zu, dimmen das Licht und feiern Advent.

Dürfen wir das? – Dürfen?! Es ist unser gutes Recht, uns eine Auszeit zu nehmen! Wir können die Welt nicht alleine retten, wir können nicht alles Leid der Welt schultern und immerzu mit einem moralinsaurem Gewissen auf unsere eigenen Festlichkeiten schauen. Wir brauchen unseren Gott und eine Zeit, die wir mit ihm verbringen; die wir uns ganz frei halten für den, der alles Leid der Welt trägt.

Ja., wir haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, uns im endlosen Streit dieser Welt einmal bei Gott auszuruhen; Gottesdienst zu feiern und uns daran zu freuen, dass Gott Mensch geworden ist.

Das hat nichts mit „Weltflucht" zu tun. Natürlich stehen wir auch in der Gefahr, zu resignieren und in eine neue Biedermeierzeit zurückzufallen: Damals hatten die Menschen zunächst große Hoffnungen und wurden dann bitter enttäuscht, als die Welt doch nicht zum Paradies wurde. Der Rückzug in die kleine private Welt war die Antwort: „Was interessiert uns schon die Politik und Weltgeschichte? Die da oben machen sowieso, was sie wollen. Hauptsache, wir haben ein gemütliches Zuhause." Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch. Das sind Biedermeier, und es gibt sie damals wie heute.

Aber Advent feiern und die Ankunft des Herrn erbitten, das gefällt auch den Biedermeiern nicht. Die freuen sich nämlich nicht sonderlich auf Besuch. Die wollen lieber ungestört blieben. Nein, der christliche Advent als eine Vorbereitung auf die erneuerte Gegenwart Jesu in meinem Leben ist keine Weltflucht, keine neue Biedermeierzeit. (Dafür ist eine Begegnung mit dem lebendigen Gott viel zu unberechenbar!)

Ja, es ist dringend nötig, Advent zu feiern. Gott in den Mittelpunkt zu stellen und damit uns und andere zu entlasten: Von uns hängt das Heil der Welt nicht ab.

Es ist dringend nötig, Advent zu feiern und uns eine Auszeit zu nehmen. Zur Ruhe kommen, aufräumen und nach Gott Ausschau halten. Damit der Biedermeier in uns keine Chance hat: Wir erwarten Besuch. Gott will kommen.

Es ist dringend nötig, Advent zu feiern, weil der Advent, die Ankunft des Herrn, die einzige Hoffnung dieser Welt am Rande der Katastrophe ist. Es gibt kein größeres Geschenk, als dass Gott Teil dieser Welt wird und wir dadurch die Möglichkeit bekommen, ein Teil der göttlichen Welt zu werden. So verwandelt Gott erst uns – und wir verwandeln dann die Welt.

Amen.

435. Predigtvorschlag

Predigt vom 1. Adventssonntag, den 28.11.1993 in Allerheiligen, Delmenhorst, Lesejahr B, Jes 63, 16b-17.19b;64,3-7, Mk 13,33-37, "Zeit der Hoffnung"

1. Advent - Vorbereitungszeit auf Weihnachten beginnt. Vom ursprünglichen bedeutet das Wort die Ankunft des Herrschers, sein glücksverheissener Einzug in die Stadt. Daher haben wir Christen dieses Wort übernommen. Wir erwarten die Ankunft des Herrschers, unseres Herrn Jesus Christus. Somit ist die Adventszeit die Zeit des Wartens und somit auch die Zeit der Hoffnung. Wir schauen auf ein großes Fest voraus, dass große Freude verheißt. Der Herr kommt, der Herrscher kehrt in seine Stadt ein, unser Gott kommt zu uns auf Erden hernieder. Dahinter steckt auch die Hoffnung, dass mit der Ankunft des Königs in seiner Stadt die Ungerechtigkeiten geahndet werden, dass die Stadt es besser haben wird als bisher. Und so hofften auch die Israeliten, dass sich durch die Anwesenheit ihres Königs, durch Jesu Geburt die Welt verändert. Auch wenn die Menschen damals sich ihren Retter anders vorstellten, ihre Hoffnung wurde dennoch erfüllt. Jesu Botschaft hat die Welt verändert, die Botschaft der Liebe.

Und heute? Advent 1993, eine Zeit des Wartens und der Hoffnung?

Advent 1993: Über 3 Millionen Arbeitslose, und ihre Familien warten auf Arbeit. Und Hunderttausende andere bangen um ihren Arbeitsplatz, siehe hier in Lemwerder. Zeit der Hoffnung?
Advent 1993: An Aids Erkrankte verzweifeln an der Schlampigkeit der Behörden und der Skrupellosigkeit einiger Geschäftemacher. Sie warten auf eine Ausweg. Zeit der Hoffnung?
Advent 1993: Ausländer leben in Angst vor Übergriffen von Deutschnationalen, vor denen sie sich selbst nicht mehr schützen können. Auch unsere Polizei ist machtlos. Zeit der Hoffnung?
Advent 1993: Millionen Serben, Bosnier, Kroaten, Muslime und Christen warten im ehemaligen Jugoslawien auf dauerhaften Frieden und Hilfe von außen in diesem Winter. Die Versorgungslage spitzt sich tagtäglich zu. Zeit der Hoffnung?
Advent 1993: Tausende Menschen warten unschuldig in den Gefängnissen von verschieden Ländern dieser Erde und sind dort Menschenrechtsverletzungen und Folter ausgesetzt. Zeit der Hoffnung?
Advent 1993: Zehntausende warten auf ein Schlupfloch, um in unser Land zu gelangen, warten auf Anerkennung ihres Asylantrages. Auch wir kommen damit in Berührung. Heute nachmittag wird ein Kind unserer Nachbarn aus der Kaserne hier in unserer Kirche getauft. Zeit der Hoffnung?
Advent 1993: Tagtäglich, wenn ich die Zeitung aufschlage, sehe ich Nachrichten über Menschen, die in scheinbar hoffnungsloser Situation warten müssen.

Können wir wirklich nur warten? Abwarten und Tee trinken, wie es so schön heißt.

Schauen wir doch 'mal ins heutige Evangelium. Man könnte meinen, dort sei auch vom Warten die Rede, dem ist aber nicht so. Jesus spricht vom Wachsein. Vier mal kommt dieser Ausruf in diesem kurzen Evangelium vor. Bleibt wach, seid wachsam! Im Unterschied zum reinen Abwarten bis der Hausherr wiederkommt, gab der Hausherr hier seinen Dienern alle Verantwortung. Jedem eine bestimmte Aufgabe. Das heißt, die Jünger und somit wir sollen in seiner Abwesenheit Verantwortung übernehmen, wir sind Wächter mit Vollmacht, die nicht tatenlos auf den Herrn warten, sondern diese Vollmacht wahrnehmen und sich der Rechenschaft bewusst bleiben, die sie ihrem Herren bei der Wiederkunft schuldig sind. Soweit die Kernaussage des Evangeliums.

Aber was kann ich schon ausrichten gegen all die erwähnten und noch weiteren Leiden und Ungerechtigkeiten in der Welt. Was kann ich schon tun, ich hab doch in unserer Gesellschaft mit meiner christlichen Überzeugung keine Chance.

So ähnlich klagt auch der Prophet Jesaja in der heutigen Lesung die Gottesferne an, die sein Volk zur Zeit erlebt. "Warum lässt du uns, Herr, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart?" Warum begleitest du, Herr, unsere Wege nicht mehr, warum bist du nicht bei uns, wo wir doch fast am Ende sind?

Genauso könnten auch wir heute fragen: "Warum lässt du uns Herr hier in unserer Gesellschaft im Stich, warum lässt du zu, dass wir Christen in dieser Gesellschaft immer weniger Einfluss besitzen, dass Du als letzte Instanz aus unserer niedersächsischen Verfassung gestrichen wirst. Warum lässt du zu, dass so viele Menschen wie anfangs aufgelistet leiden müssen?"

Der Prophet Jesaja macht dann Zugeständnisse, er gibt zu, dass die Menschen sich gegen Gott gewendet haben, von ihm nichts mehr wissen wollten, treulos geworden sind.

So könnten wir sicherlich ähnliches sagen, wir haben uns oft von Gott abgewandt, trauen seiner Botschaft nicht mehr allzuviel zu. Vergangene Woche hatte ich ein lebhaftes Gespräch mit einer jungen gläubigen Frau, die sagte, dass man doch nicht alles, was Gott uns in der Bibel als Lebensweisheiten verkauft, ernsthaft versuchen kann. Mit anderen Worten gesagt: die Botschaft der Bibel, der Liebe ist ja schön und gut, aber dass ich sie mir zur Richtschnur für meinen Alltag nehme, das sei doch ein wenig unrealistisch. Sicher haben wir alle unsere Schwächen, aber wenn wir es aufgeben, daran zu arbeiten, dann wenden wir uns von Gott ab. Sind wir nicht auch schon in diesem Sinne Gott treulos geworden, trauen wir seiner Botschaft der Liebe noch die Kraft zu, uns und die Welt zu verändern?

Der Prophet bekennt Gott gegenüber, dass er treulos geworden ist und im nächsten Schritt sagt er für uns vielleicht etwas unverständig: "Und doch bist du, Herr, unser Vater. Wir sind der Ton, und du bist der Töpfer, wir sind das Werk deiner Hände." Der Prophet gibt trotz der hoffnungslosen Situation die Hoffnung nicht auf. Er vertraut auf Gottes Liebe. Wir sind seine Geschöpfe, seine Kinder. Gott könnte uns verlassen, zu einem Klumpen Ton machen, wir hätten es verdient, aber er will es nicht, er macht mit uns einen neuen Anfang, er arbeitet an uns, er formt uns neu. Und tatsächlich hat sich diese Hoffnung des Propheten Jesaja erfüllt. Gott hat mit seinem Volk einen neuen Anfang gemacht, im Stall von Bethlehem, einen neuen Anfang der Vergebung.

Und so wird Gott mit jedem von uns einen neuen Anfang machen, wenn wir nur auf seine Hilfe, auf seine Kraft und seine Macht, seine Liebe hoffen. Wir haben Anlaß dazu, denn Gott hat es immer wieder in der Geschichte gezeigt. Nicht nur im Jahre 0, auch heute. Advent 1993, eine Zeit des Wartens und des Hoffens.

Amen.

436. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

1. Advent - Die Vorbereitungszeit auf Weihnachten beginnt. Vom ursprünglichen bedeutet das Wort: Ankunft des Herrschers, seinen glückverheißenden Einzug in die Stadt erwarten. Daher haben wir Christen dieses Wort übernommen. Wir erwarten die Ankunft des Herrschers, unseres Herrn Jesus Christus. Der Herrscher kehrt in seine Stadt ein, unser Gott kommt zu uns auf Erden hernieder. Dahinter steckt auch die Hoffnung, daß mit der Ankunft des Königs in seiner Stadt die Ungerechtigkeiten geahndet werden, daß die Stadt es besser haben wird als bisher. Und so hofften auch die Israeliten, daß sich durch die Anwesenheit ihres Königs, durch Jesu Geburt die Welt verändert. Die Adventszeit ist die Zeit des Wartens und der Hoffnung.

Und wir heute? Advent 1996, auch eine Zeit des Wartens und der Hoffnung?

Advent 1996: Ca. 4 Millionen Arbeitslose, und ihre Familien warten auf Arbeit. Andere bangen um ihren Arbeitsplatz. Zeit des Wartens. Zeit der Hoffnung?
Advent 1996: In Ruanda und Zaire flammen die Kämpfe immer wieder auf. Wann kann die Hilfe endlich zu den Menschen gelangen? Zeit des Wartens. Zeit der Hoffnung?
Advent 1996: 30.000 Soldaten werden erneut als Friedenstruppe nach Bosnien geschickt. Zeit des Wartens auf endgültigen Frieden. Zeit der Hoffnung?
Advent 1996: Tausende Menschen warten unschuldig in den Gefängnissen von verschiedenen Ländern dieser Erde und sind auch in Europa Menschenrechts- verletzungen und Folter ausgesetzt. Zeit des grausamen Wartens. Zeit der Hoffnung?
Advent 1996: 3,1 Millionen Menschen erkrankten allein in diesem Jahr neu an AIDS. Besonders in Afrika, wo die Not am größten ist, warten die Menschen auf einen Ausweg. Zeit des Wartens. Zeit der Hoffnung?
Advent 1996: Tagtäglich, wenn ich die Zeitung aufschlage, sehe ich Nachrichten über Menschen, die warten müssen, in einer scheinbar hoffnungslosen Situation. Man möchte manchmal schreien über die ungerechte Situation in unserer Welt, das Unrecht schreit laut zum Himmel. Manchmal möchte man Gott anklagen, daß er all das zuläßt.


Der Prophet Jesaja tut das. Er klagt in der heutigen Lesung die Gottferne an, die sein Volk zu seiner Zeit erlebt hat. "Warum läßt du uns, Herr, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart?" Warum läßt Du das Leid zu, das dein Volk erfahren muß? Jesaja schreit „Reiß doch den Himmel auf, und komm herab, so daß die Berge zittern." Du hast doch die Macht, du bist doch der Allmächtige!

Genauso könnten auch wir heute fragen: "Warum läßt du, Herr, unser Bemühen nicht gelingen, warum läßt Du unsere Hilfe nicht ankommen. Warum läßt du zu, daß so viele Menschen wie anfangs aufgelistet leiden müssen?"

Der Prophet Jesaja macht dann Zugeständnisse. Er gibt zu, daß die Menschen sich gegen Gott gewendet haben, von ihm nichts mehr wissen wollten, treulos geworden waren.

Ähnliches müssen wir wahrscheinlich auch zugeben. Im heutigen Evangelium wirds deutlich. Jesus übergibt als der Hausherr seinen Dienern alle Verantwortung. Jedem eine bestimmte Aufgabe. Das heißt, die Jünger und somit wir sollen während seiner Abwesenheit Verantwortung übernehmen. Wir sind Wächter mit Vollmacht. Doch wie oft sind wir müde geworden, haben unsere Verantwortung nicht wahr genommen, haben geglaubt, daß wir doch nichts ausrichten können gegen all das Leid, sind treulos geworden, wie die Menschen zur Zeit Jesajas?

Der Prophet bekennt Gott gegenüber, daß er treulos geworden ist, er gesteht seine Schuld ein. Und im nächsten Satz sagt er: "Und doch bist du, Herr, unser Vater. Wir sind der Ton, und du bist der Töpfer, wir sind das Werk deiner Hände." Der Prophet gibt trotz der hoffnungslosen Situation die Hoffnung nicht auf. Er vertraut auf Gottes Liebe. Wir sind seine Geschöpfe, seine Kinder. Gott könnte uns verlassen, zu einem Klumpen Ton machen, wir hätten es verdient, aber er will es nicht. Er macht mit uns einen neuen Anfang. Er arbeitet an uns, er formt uns neu. Diese Hoffnung des Propheten Jesaja hat sich erfüllt. Gott reißt den Himmel auf, steigt vom Himmel herab und macht mit seinem Volk einen neuen Anfang, im Stall von Betlehem.

Und so wird Gott mit jedem von uns einen neuen Anfang machen, wenn wir nur auf seine Hilfe, auf seine Kraft und Allmacht, auf seine Liebe hoffen. Wir haben Anlaß dazu, denn Gott hat dieses immer wieder in der Geschichte gezeigt. Nicht nur im Jahre 0, auch heute. Advent 1996, eine Zeit des Wartens und eine Zeit der Hoffnung!

437. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn es im heutigen Evangelium heißt: "Bereitet dem Herrn den Weg", dann ist damit vor allem gesagt, dass ER kommt - nicht, das wir es sind, die Gott besuchen.

Gottes Größe zeigt sich vor allem in seiner Kleinheit: Er ist nicht der Herrscher, der uns in seinen Palast bestellt; er ist nicht der Richter, der uns eine Vorladung zustellt. Er kommt. Wir brauchen nur zu warten - und uns zu bereiten.

Dabei ist - genau genommen - die Bereitung noch nicht einmal Voraussetzung dafür, dass er kommt. Ob wir uns nun bereiten oder nicht - Gott hat sich auf den Weg gemacht, er ist bereits Teil dieser Welt, und auch Teil unseres Lebens. Wir brauchen ihm nicht den Weg zu bereiten, weil er aufgrund der vielen Steine oder Hindernisse sonst nicht kommt. Steine und Hindernisse haben wir - wenn wir ehrlich sind - schon genug in seinen Weg gelegt und tun es noch, Tag für Tag.

Nein, wenn es heißt: "Bereitet dem Herrn die Wege!" dann ist damit gemeint, dass es von unserer Vorbereitung abhängt, wie wir IHM begegnen werden. Sie kennen das: Da kommt jemand zu Besuch, der sich nicht angemeldet hat - und ihre Wohnung ist (mal wieder?) das reinste Chaos. Während sie noch das gröbste wegräumen, kommt Ihnen eine Entschuldigung nach der anderen über die Lippen. Vor allem aber ist der Besuch unangenehm - peinlich.

So ähnlich empfinden viele Menschen die Nähe Gottes. Ganz tief im Inneren wissen sie, dass sie unwürdig gelebt haben, dass es in ihrem Leben und in ihrer Seele mehr als nur unaufgeräumt ist. Und anstatt sich über die Nähe Gottes zu freuen, ist es ihnen nur unangenehm und peinlich.
Ist es Ihnen nicht auch manchmal peinlich, auf ihren Glauben angesprochen zu werden? Ist es Ihnen peinlich, beim Gebet ertappt zu werden? Ist es Ihnen peinlich zu beichten?

Ich kann mich noch an eine der ersten Bußandachten mit anschließender Beichtgelegenheit erinnern. Nach der Andacht leerte sich zunächst die Kirche vollständig - und erst einige Zeit danach kamen die ersten zur Beichte wieder herein. Schön, dass diese wenigstens gekommen sind. Wieviele aber sind weggeblieben, weil sie sich schämten?

Oder, bei einem Hausbesuch, meinte eine Frau zu mir, dass sie gerne mal wieder zu Kirche kommen würde - aber nach so vielen Jahren wäre es ihr peinlich, einfach wiederzukommen. Was würden wohl die anderen sagen?

Liebe Schwestern und Brüder - die eigene Bereitung der Weg des Herrn ändert nichts daran, dass Gott immer wieder an meine Tür klopft. Sie ändert auch nichts daran, dass ich mich im Grunde nach einer innigen, liebevollen Gottesbeziehung sehne.

Wegbereitung meint nichts anderes, als dass ich dir Freude in mir darüber, dass Gott auch mich liebt, wieder neu entfache - damit mir mein Glaube nicht peinlich ist; ich mich vor Gott nicht fürchte und meine Schuld genausowenig verstecke wie meine Unaufgeräumtheiten.
Bereiten Sie sich! Beten Sie, leben Sie nach den Geboten und aus den Sakramenten! Dann werden sie in Gott weder den strengen Richter noch den unangemeldeten Besuch erkennen - sondern das Kind in der Krippe, dass um nichts anderes bettelt als um Ihre Liebe.

Amen.

438. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

«Bereitet dem Herrn den Weg» - damit ist - glauben Sie mir - nicht gemeint, dass wir unsere Hauseinfahrten fegen und die Bürgersteige säubern. Was wir bereiten sollen, sind unsere Herzen, uns selbst.
Es ist allerdings schon ein eigenes Ritual, im Advent über die unvermeidliche Hektik zu stöhnen und sie einander vorzuwerfen. Wir sprechen immer wieder davon, dass adventliche Vorbereitung eigentlich anders aussehen müsste. Wir fragen nach mehr Ruhe, nach mehr Besinnlichkeit.

Was aber ist das genau - adventliche Vorbereitung, Besinnlichkeit? Wie soll das gehen, «die Herzen bereiten?»

Lassen sich mich versuchen, Ihnen zwei Anregungen zu geben:

Im Advent bereiten wir uns - wie das Wort Advent schon besagt - auf die Ankunft des Herrn vor. Und damit ist ja nicht nur die Ankunft in einer Krippe vor 2000 Jahren in Bethlehem gemeint.

Was wäre wohl, wenn am 25. 12. nicht nur der Weihnachtsmann von Milka, sondern der Herr selbst vor Ihrer Türe stehen würde? Wie würde ihre Vorbereitung eigentlich aussehen, wenn Sie jetzt schon wüssten: Im Advent bereiten wir uns auf die Ankunft des Herrn vor - und am 25. 12. ist es dann soweit. Er kommt, und macht alles - aber auch wirklich alles - neu ?!

Wahrscheinlich würden dann die meisten Geschenke, die Weihnachtsplätzchen und der Christbaum nicht mehr so ganz im Vordergrund stehen. Und der Truthahn oder die Weihnachtsgans wäre auch nicht mehr als eine Mahlzeit.

Keine Angst - ich verlange jetzt nicht, dass Sie in Endzeitstimmung geraten müssen. Aber vielleicht hilft Ihnen dieser Gedanke, festzustellen, was «adventliche Vorbereitung» eigentlich meint.

Und noch ein anderer Gedanke: Was schenken Sie eigentlich dem «Christkind»? Mein Vorschlag: Machen Sie sich selbst dem Herrn zum Geschenk. Achten Sie dabei weniger auf die Verpackung. Geschenke sollen schön und gut sein, nicht nur schön und gut verpackt.

Zum schönen und guten Geschenk wird man, wenn man Schönes und Gutes tut. Warten Sie mit Ihren gut Vorsätzen nicht erst bis Neujahr - sonst könnte es sein, dass der einzige, der in ihrer Familie am Weihnachtsabend kein Geschenk bekommt, Christus ist.

«Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet Ihm die Straßen! Zieht hinaus und bekennt Eure Sünden!» heißt es im Evangelium. Und, mit Verlaub, hier in den beiden Holzschränken links und rechts in der Kirche bekommen Sie - völlig kostenlos, jeden Samstag - den schönsten Weihnachtsschmuck.

Amen.

439. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

ein Fest lebt nicht nur von dem Tag, an dem wir es feiern, sondern auch von der Zeit davor, in der wir Vorbereitungen treffen.
Wenn ein großes Fest oder hoher Besuch ins Haus steht, dann wird aufgeräumt, vorbereitet. Die Garage wird entrümpelt, vielleicht auch der Keller, längst verloren geglaubte Sachen tauchen unvermittelt wieder auf. Und je mehr Arbeit zuvor investiert wird, umso schöner wird es nachher. Allein schon das Gefühl: «Jetzt ist wieder alles so, wie es sein sollte. Alles ist wieder in Ordnung.» wertet das Ereignis oder den Besuch selber auf.

Liebe Schwestern und Brüder, Advent heißt vor Vorbereitung, Bereitung. Aber die Vorbereitung auf Weihnachten besteht nicht nur im Geschenke kaufen und Weihnachtsschmuck basteln. Es gehört auch das Aufräumen dazu, Hausputz halten. Hausputz der Seele. Denn Gott kommt uns besuchen! Und er will nicht einfach nur ein Gästezimmer, sondern in unser Herz einziehen. Darin aufzuräumen - das ist Advent.

Und deshalb gehört zum Advent wie zum christlichen Leben die Gewissenserforschung und die Beichte dazu. Ich denke, das habe ich Ihnen schon des öfteren nahe gelegt. Trotzdem regen sich immer noch Vorbehalte gegen dieses zentrale Sakrament unseres christlichen Alltags.

«Ich habe keine schweren Sünden begangen!» Das macht nichts. Sie dürfen trotzdem kommen. Am schlimmsten ist der Fehler, den man nicht mehr merkt. Und wer selten putzt, weiß schließlich nicht mehr, wo der Dreck liegt. Zur christlichen Pflicht gehört die Gewissenserforschung. Am besten vor der Beichte.
«Ich komme auch ohne Beichte aus!» Zur christlichen Überzeugung gehört, dass wir nur gut werden, wenn wir uns an Gott halten. Da hilft uns weder eine Psychotherapie, noch ausgewogene Ernährung, Vitamine oder Medikamente. Heilig werden wir nur durch Gnade, durch Gottes Hilfe - wenn wir beichten.
«Andere können mir bessere Tips geben!» Die Beichte ist kein Beratungsgespräch: Beraten können sie sich besser mit guten Freunden, den Eltern oder einem Fachmann. Die Beichte ist nichts anderes als eine seelische Sondermüllentladestation: Abgeben, auftanken, fertig.
Natürlich ist es besser, sich direkt bei dem zu entschuldigen, dem sie Unrecht getan haben, als nur zur Beichte zu gehen. Noch besser ist es aber, beides zu tun.
Selbstverständlich ist Beichten unangenehm. Die eigenen Sünden zu sagen ist peinlich. Wäre es uns nicht unangenehm, dann stimmt mit unserem Gewissen etwas nicht. Auf den Zahnarztbesuch freut man sich auch nicht. Aber beides hilft! Und wenn man regelmäßig geht (zum Zahnarzt und zum Beichten), wird weniger gebohrt.
Viele haben früher einmal schlechte Erfahrungen gemacht und können sich heute nicht mehr überwinden. Aber auch ein unfreundlicher Arzt kann heilen und helfen; im Härtefall kann man ja den Arzt wechseln. Suchen Sie sich einen Priester ihres Vertrauens - aber suchen Sie keine billigen Ausreden. Kämpfen sie sich dazu durch, den gemachten schlechten Erfahrungen gute entgegenzusetzen.
Man kann die Beichte so hoch hängen, dass keiner mehr dran kommt: «Ich beichte nur, wenn es mir wirklich schlecht geht und ich mein Gewissen entlasten muss.» (Mit anderen Worten: Nie.) Glauben Sie mir: Wer lange nicht mehr gebeichtet hat, merkt gar nicht mehr, was sein Gewissen ihm sagt. Wer sich lange Jahre nicht wäscht, merkt nicht mehr, ob er stinkt.
Man kann die Beichte auch banalisieren: «Einfach nur einen Spruch aufsagen, und das soll alles sein?» Wenn ihnen das zu wenig ist, machen sie mehr daraus: Ändern Sie sich nach jeder Beichte. Gott hilft garantiert dabei.
Und die Bußandacht? Die ist die sehr sinnvolle gemeinsame Gewissenserforschung, die beste Voraussetzung für die Beichte. Aber sie ersetzt in nichts das persönliche Bekenntnis und die sakramentale Lossprechung. Geben sie sich nicht mit einer halben Sache zufrieden!

Liebe Schwestern und Brüder, Aufräumen ist unangenehm, wenn's noch vor einem liegt. Aufgeräumt haben ist der Anfang vom Fest. Amen.

440. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

"damals in Russland haben wir richtig Weihnachten gefeiert. Ich erlebte das Weihnachtsfest nie mehr so intensiv wie an der Front", erzählten einmal zwei Männer, die den 2. Weltkrieg überlebt haben.
Lange wusste ich nicht, was ich von dieser Geschichte halten sollte. Wird hier der Krieg verherrlicht? Was kann an einem Weihnachtsfest im frostigen Erdloch schön sein? Ich verbinde Weihnachten mit dem warmen Wohnzimmer, in dem der Tannenbaum glitzert und die Krippe aufgebaut ist.
Auf jeden Fall machten die Frontsoldaten die Erfahrung, die sie für das Weihnachtsfest mehr öffnete als unser jährlicher Advent. Ich vermute, sie hatten mir eins voraus. Sie fühlten und kannten ihre Sehnsucht. Mitten im Krieg sehnten sie sich nach ihrer Frau, nach ihren Kindern, nach ihrer Familien, nach der Heimat, nach Frieden. Das tödliche Treiben in Stalingrad und anderswo sollte endlich vorbei sein.
Vielleicht haben sie deshalb Weihnachten anders gefeiert, als ich es heute tue: Ich fühle mich wohl, mir fehlt scheinbar nichts, ich möchte nicht, dass endlich alles aufhört. Ganz anders die Männer in Stalingrad damals - und ganz anders die Menschen, die heute in Krieg und Not stecken: Ihre Augen, Ohren und Herzen waren auf jeden Fall offener für das, was im Stall von Bethlehem passiert.
Wer Sehnsucht hat, feiert besser Weihnachten. Sehnsucht bedeutet: Ich werde süchtig nach dem, was mir fehlt und was ich entbehren muss; was ich schmerzlich vermisse, was mir genommen ist und was ich brauche zu meinem Glück. Aus diesem Grund machte der Krieg süchtig nach der Heimat, süchtig nach Frieden. Es stimmt, im Krieg hat der Mensch Sehnsucht nach Frieden. In der Wüste treibt mich die Sehnsucht nach dem Garten des Paradieses um.
Gott spricht Johannes den Täufer übrigens weder in einer prachtvollen Kirche noch im gemütlichen Wohnzimmer an. "Da erging in der Wüste das Wort Gottes an Johannes". Wenn das vorher Gesagte stimmt, ist klar, dass Johannes mitten in der Wüste Sehnsucht spürte und offen war für den Ruf Gottes. Ist Wüste nicht mit der Front zu vergleichen? Ist sie nicht genauso erbarmungslos wie das Schlachtfeld? Wie viele Menschen sind in der Wüste verdurstet, verhungert, ja sogar erfroren. In der Wüste herrscht der Tod, gegen den der Mensch nur mit List und Tücke ankommt. In der Wüste entsteht Sehnsucht. Die Wüste ist das Land der Leere, in dem bis auf Sand nicht angehäuft wird.
Ich erinnere mich noch an die Zeit meiner Ausbildung im Priesterseminar. Jeden ersten Donnerstag im Monat war Wüstentag - dazu noch ein ganzes Wochenende im Semester. Nicht reden, kein Telefon, kein Besuch. Es war schrecklich und wurde von uns oft heimlich umgangen. Weil die Wüste danach verlangt, gefüllt zu werden.
Herausforderung, Läuterung, Wandlung, Erneuerung - alles weist auf die Sehnsucht, die in der Wüste aufbricht. Der Mensch in der Wüste sehnt sich nach den Werten, die das Leben ausmachen: Nach Freiheit, Gesundheit, Frieden, Liebe, Geborgenheit, nach Gott. Deshalb beruft Gott in der Bibel alle Propheten in der Wüste: Weil der Mensch dort am stärksten Sehnsucht nach ihm verspürt. An allen anderen Orten wird sie überdeckt oder verdrängt.
Und diese Wüste ist überall, mitten in der Stadt - auch hier bei uns - nicht nur in der Sahara. Diese Wüstenerfahrung machen Menschen, wenn sie vom Arzt die Nachricht erhalten, dass sie einen unheilbaren Krebs haben, wenn sie von Menschen schwer enttäuscht werden, wenn sie vor dem Nichts stehen oder an der Schwelle des Todes. Die Wüste ist mitten unter uns und keiner kann ihr entfliehen.
Der Mann in der Wüste, Johannes ist sein Name, er sehnt sich nach seinem Gott. Und Gott sprach zu ihm, damit er ein Prophet wurde und heute zu mir sprechen kann. Er bittet mich heute, mich darauf zu besinnen: Ein Leben ohne Gott ist eine unerfüllte Wüste. Mein Leben, so wie es jetzt ist, ist unerfüllt. Es lässt sich nicht füllen mit irdischen Dingen: Alles ist nur vorübergehend und tot. Allein der lebendige Gott, Jesus Christus, lässt die Wüste, in der wir Leben, aufblühen. Nichts anders, niemand anderes. Johannes bittet mich umzukehren, umzudenken, damit ich meine wahre Sehnsucht entdecken kann. Die Wünsche nach Markenkleidung, der Stress, die Jagd nach Geld und all die Hetze tragen kein Leben in sich. Was auf deinem Wunschzettel zu Weihnachten steht, ist wahrscheinlich zu kurz.
Erkenne die Wüste, in der du vielleicht jetzt stehst, als große Chance und bring deine Sehnsüchte, deine Schreie und Wünsche als Gebet vor Gott, - dann wird es für dich Weihnachten!

441. Predigtvorschlag

Mein Gott, was liegt hier alles im Weg! Kein Durchkommen mehr: typische Adventshektik: Geschenke kaufen, basteln, Lichterketten aufhängen, nach Angeboten Ausschau halten, Geburtstag nicht verpassen, Patenkind nicht vergessen, nach einem Tannenbaum gucken, wer hat dieses Jahr die schönsten, wer ist nicht teurer geworden. Urlaub schon gebucht? Ferienlager dabei berücksichtigt? Oder nächstes Jahr ne Wallfahrt? Mit den Verrückten zu Fuß nach Santiago? die Heranwachsende für Taizé begeistert? Griechenland mit Pastor? Medjugorje? Reicht das Weihnachtsgeld? Krankenkasse wird teurer, die Kinder wollen mehr Taschengeld, noch Geld für eine Spende übrig? Adveniat? Geld für die Versicherungen im Januar zurücklegen, die Adventsfeier mit den Kollegen - ich brauch noch ein kleines Geschenk, mit der Freundin über den Weihnachtsmarkt, wann nur? Am 24. wird schon wieder abgebaut - Warum? Ach ja Weihnachten.

Bei allem Verständnis: so wird kein Weihnachten kein Wunder, wenn 39% der 6-12 jährigen in Deutschland nicht mehr wissen, warum das Ganze.

Bahnt für den Herrn den Weg - das ist mit Advent gemeint! Das hat der Prophet Jesaja schon ganz richtig erkannt: da muss ein Weg gebahnt werden! Da reicht nicht ein schmaler Pfad durch all die Verpflichtungen hindurch.

Sondern ebnet ihm die Straßen durch die Wüste hindurch: jeder Berg von Ungerechtigkeit soll sich senken, jedes Tal von Unfriede sich heben. Das ist Advent.

Bei all den täglichen Sorgen, die sich naturgemäß zum Jahresende sammeln und durch die äußerlichen Vorbereitungen auf Weihnachten noch verstärkt werden:

Bemüht euch darum: so Petrus heute: von ihm wenn er kommt, ohne Makel und Fehler und in Frieden angetroffen zu werden.

Was nützt die schönste Adventsfeier, wenn ich nicht merke, wie der Arbeitskollege den Kummer in Alkohol ertränkt?

Was nützt die große Reiseplanung, wenn ich im Alltag dauernd rummäkle?

Was nützt das teuerste Geschenk, wenn ich nicht weiß, dass der Heranwachsende in der Schule unter Mobbing leidet?

Was nützt der prächtigste Heilig Abend, wenn ich mein Herz für Gott verschlossen halte?

Bemüht Euch darum, von ihm ohne Makel und Fehler und in Frieden angetroffen zu werden. Bereitet dem Herrn den Weg!

Amen.

442. Predigtvorschlag

"Spernere seipsum" (hl. Bernhard)

Als Johannes XXIII. zum Papst gewählt worden war, fühlte er sich seinem Amt schwerlich gewachsen. Übergroß schienen ihm die Aufgaben. Alle schauten auf ihn, wie er als Papst wohl handeln und entscheiden würde.

Das brachte ihn schließlich fast um den Schlaf, bis er eines Nachts einen Traum hatte und eine Stimme hörte, die ihm sagte: "Johannes, nimm dich nicht so wichtig!" Seitdem konnte der Papst wieder ruhig schlafen.

Eines Tages wollte Papst Johannes einen Besuch in einem Frauenkloster machen, das dem Heiligen Geist geweiht war. Er klingelte und wartete geduldig, bis jemand die Tür öffnete. Doch vor Schreck ließ die Schwester gleich wieder die Tür zufallen und lief eiligst zur Oberin. Die kam auch bald angerauscht, und, angesichts des hohen Gastes nach Worten ringend, stellte sie sich ihm vor: "Ich bin die Oberin des Heiligen Geistes." "Oh - so weit habe ich es noch nicht gebracht", antwortet daraufhin der Papst, "ich bin nur der Stellvertreter Christi."

Ich glaube, die Haltung, die Papst Johannes hatte, paßt gut zum Täufer Johannes. Papst Johannes hat sich ganz und gar zu eigen gemacht, woraus auch der Täufer Johannes lebte. Und der Täufer gibt in seinem ganzen Verhalten und in der Art und Weise, wie er auf die Fragen Antwort gibt, einen Weg auch für uns vor, für die Kirche. Johannes der Täufer hat ein wesentliches Grundprinzip verwirklicht, das, wie mir scheint, die Kirche heute neu entdecken muß.

Doch um dieses Grundprinzip zu verstehen, müssen wir als erstes fragen: Was geschieht eigentlich in der Wüste? Da tritt Johannes auf, und die Art und Weise seines Auftretens ist mehr als ungewöhnlich. Nicht nur, daß er mit deutlichen Worten zur Umkehr ruft und die Menschen auffordert, das Böse zu lassen. Auch nicht nur, daß er die Taufe spendet, was zeigt, daß er sich berufen weiß, das so tun zu dürfen. - Nein, sein ganzes Auftreten ist bewußt darauf angelegt, die gläubigen Juden an den Propheten Elija zu erinnern. Dieser Prophet, der fünfhundert Jahre zuvor lebte, war eine ganz wichtige Gestalt in der Geschichte des auserwählten Volkes. Sein Andenken wurde im Volk so sehr lebendig gehalten, daß man glaubte: Ja, Elija wird eines Tages wiederkommen, und dann wird er dem Messias den Weg bereiten. Wenn Elija wiederkommt, ist der Messias nicht mehr fern.

Wie Elija, so ruft auch Johannes der Täufer in der Wüste zur Umkehr und zur Entscheidung auf. Wie Elija, so ernährt sich Johannes von dem, was Gott ihm gibt. So wie Johannes auftrat, konnte den Menschen nur ein Gedanke kommen: Da ist Elija! Und Jesus selbst bestätigt schließlich diese Überzeugung, indem er über Johannes sagt: "Ja, er ist Elija, der wiederkommen soll" (Mt 11,14).

Und trotzdem gibt der Täufer auf die Frage "Bist du Elija?" zur Antwort: "Ich bin es nicht" (Joh 1,21). Und auch auf die Frage: "Bist du der Prophet?" antwortet er: "Nein".  Obwohl doch kaum ein anderer so wie er auf diese Frage hätte mit "Ja" antworten können, war er doch der einzige, der sogar mit eigenen Augen den sehen durfte, den er angekündigt hatte!

Was kann denn nun der Grund dafür gewesen sein, daß Johannes so reagiert und diese Antwort gibt? Er weicht wohl nicht aus Angst und Menschenfurcht aus. Wir wissen nur zu genau, daß Johannes keiner war, der sich vor Menschen fürchtete. Einen anderen Grund muß es geben! Diesen Grund finden wir im gemeinsamen Blick mit Johannes dem Täufer auf Christus, den Messias. Im Blick auf Christus muß Johannes wahrheitsgemäß sagen: "Ich bin nicht der Messias" (Joh 1,20). - Dieses "Ich bin nicht" bedeutet im tiefsten ein Grundprinzip gläubiger Existenz. Dieses Grundprinzip können wir nennen: das Gesetz des Sich-selber-Zurücknehmens. Johannes ist einer, der sich selber zurücknehmen kann, damit Christus eintritt. In dem Moment, wo Christus auftritt, gibt es keine Propheten, Lehrer, Heilsbringer, Führer und Hirten mehr, denn Christus ist das alles in seiner Person. Lehrer, Hirten und Meister kann es nur noch in einem abgeleiteten Sinne geben, in Beziehung zu Christus und in Abhängigkeit von ihm.

Das, was Johannes uns da vorgelebt hat in der Zurücknahme seiner selbst, ist so befreiend und zugleich so schwierig, aber dennoch so wichtig, daß das für uns alle und für die ganze Kirche eine Sache ist, von der alles andere abhängt. - Mit anderen Worten: Auch in der Kirche müssen wir alle, egal wo wir stehen und was wir tun, so antworten wie Johannes der Täufer. Wir müssen so wie er sagen: Ich bin es nicht! Ich bin nicht der Heilsbringer! Das Heil schenkt uns ein anderer! Ich bin nur Diener und Ansager!

Der Priester in einer Gemeinde muß sagen: Ich bin nicht der Bischof! Ich bin nicht der, der es bestimmen kann, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit jemand zu den Sakramenten zugelassen wird! Ich bin nicht der Gesetzgeber in unserem Bistum!

Der Religionslehrer muß sagen: Ich bin nicht das Lehramt! Ich bin nicht derjenige, der auswählt, was für meine Schüler wichtig ist oder was nicht!

Der Bischof muß sagen: Ich bin nicht die Weltkirche! Was die ganze Kirche betrifft, kann ich nicht allein entscheiden, sondern muß es mit dem Kollegium besprechen und dem ersten Bischof der Kirche, dem Papst, vorlegen!

Der Papst muß sagen: Ich bin nicht der Heilige Geist! Auch ich bin nur einer, der gläubig hört und in Treue dem dient, der mich in mein Amt gerufen hat! Aber diese Treue ist zugleich eine wichtige Verpflichtung, denn in meiner Treue und in meinem Glauben muß ich meine Brüder stärken, damit sie nicht wanken!

In allen diesen Beispielen ist eines geschehen: Jemand nimmt sich selbst zurück, damit jedesmal das Eigentliche hindurchscheinen kann. Jedesmal ist da die Einsicht: Ich verdanke mich und meine Aufgabe nicht mir selbst, sondern ein Ruf ist da, und ich folge diesem Ruf. Ich folge dem, der ruft, damit er, der mich ruft, ganz und gar in dieser Welt wirksam werden kann.

Wie gesagt, dieses Sich-selber-Zurücknehmen ist eine ungeheure Befreiung und zu-gleich ungeheuer schwer. Das ist mir noch einmal bei der Diskussion deutlich geworden, die ich vor einiger Zeit erleben durfte. Ein Weihbischof war anwesend, und am Ende dieser Diskussion meinte eine Teilnehmerin: Wir haben in dieser Kirche doch alle eigentlich gar nichts zu sagen. Es geht doch in allen wichtigen Dingen immer eine Stufe höher in der Hierarchie, bis da schließlich einer ist, der letztlich alles bestimmt und das letzte Wort hat.

Schade, daß niemand auf die Idee gekommen ist, dieser Frau zuzurufen: Sie haben recht! Aber warum haben Sie zu früh aufgehört mit ihrer Aufzählung? Denn auch der Papst ist einer, der sich selber zurücknehmen muß, um letztlich auf Christus zu verweisen, so wie der Täufer Johannes. Daß er dabei ein Amt mit besonderer Verantwortung hat, ist völlig zweitrangig. Entscheidend ist, daß er selbst nicht die Spitze der Hierarchie ist, sondern ein anderer. Und hier bedeutet "Hierarchie" auch nicht, wie man meinen könnte, "Herrschaft" oder sogar "heilige Herrschaft". Sondern hier bedeutet Hierarchie im eigentlichen und klaren Sinn des Wortes "heiliger Ursprung", "heiliger Anfang". Auf diesen Ursprung, auf den heiligen Quell, auf Christus, sind wir alle verwiesen, Johannes der Täufer, Maria, der Papst, der Bischof, Sie und ich, wir alle.

443. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

«Mitten unter Euch steht der, den ihr nicht kennt.» Dieser Satz von Johannes dem Täufer hat die Juden damals, vor allem die Pharisäer, schwer getroffen. Seit Jahrhunderten warten sie auf den Messias. In den Schrifttexten und der Überlieferung forschen sie nach Hinweisen, die sich auf den kommenden Messias beziehen. Sie bitten Gott aufrichtig um das Kommen dieses verheißenen Herrschers - und dann sagt Johannes der Täufer, dass Er bereits da sei - aber dass die Juden ihn nicht erkannt haben, dass sie ihn verpasst haben.

In die ursprüngliche Hoffnung und der Erwartung hat sich nämlich das menschliche Wunschdenken eingeschlichen. Die Juden waren ausgebeutet und unterdrückt von den Römern, die einen Menschen - den Kaiser - als Gott verehrten. Vor allem der Gottesanspruch der Römer war ein Schlag gegen Jahwe's Einzigkeit. Der kommende Messias musste ein mächtiger und größerer Herrscher sein als der römische Kaiser, um gegen ihn den Zorn Gottes vollstrecken zu können. So dachten die Pharisäer, und das war auch die Erwartung des ganzen Volkes.

Leider stimmte das jüdische Wunschdenken nicht mit der Sichtweise Gottes überein. Denn bevor Gott sein Volk aus der äußeren Sklaverei befreit, liegt Ihm die Befreiung von den inneren Fesseln am Herzen: Der Unfreiheit durch die eigene Schwäche. Wäre Jesus als Herrscher und Machthaber auf die Welt gekommen - ganz so, wie es die Juden gehofft hatten - so hätte er sie von allen äußeren Zwängen befreien können, ihnen aber keine Gelegenheit zur inneren Freiheit gegeben: Zur Umkehr; zur Bereitschaft, Gutes zu tun; sich selbst nicht so wichtig zu nehmen; sich einzugestehen, dass wir Fehler haben; dass Gott uns dennoch liebt und wir von Gottes Liebe restlos abhängig sind.

Liebe Schwestern und Brüder, Advent als eine Zeit der Vorbereitung und der Besinnung fordert uns ebenfalls heraus, unser Leben, unseren Glauben und unsere Hoffnung zu überprüfen und neu auszurichten. Die Worte des Johannes gelten uns ebenso wie den Juden damals. Die Anfrage an die Pharisäer richtet sich auch an uns: Laufen wir Gefahr, Gottes Ankunft in diese Welt zu verpassen? Erkennen auch wir den nicht, der mitten unter uns wirkt? Haben wir die Akzente in unserem Leben und im Glauben so verschoben, wie sie unserem eigenen Empfinden entsprechen?


Ein paar Beispiele:
Sehen wir in der Sprengkraft des Glaubens vor allem eine Kraft, die uns von den Ungerechtigkeiten dieser Welt befreit (wie die Juden damals von den Römern), die Frieden und Wohlstand bringt? Oder stellen wir dem voran unseren Willen zur Umkehr; zur Bereitschaft, Gutes zu tun; sich selbst nicht so wichtig zu nehmen?
Sehen wir im Glauben vor allem die Botschaft: Du bist in Ordnung, ich bin in Ordnung - gehen wir zu MacDonalds? Oder sind wir bereit, uns einzugestehen, dass wir Fehler haben; dass Gott uns dennoch liebt und wir von Gottes Liebe restlos abhängig sind? Nutzen wir die befreiende Erfahrung des Bußsakramentes?
Stellen wir Gott und seine Gegenwart hier wirklich in den Mittelpunkt? Oder besuchen wir den Gottesdienst nur, so lange er interessant gestaltet ist? Ist die Einladung zur Andacht für uns völlig indiskutabel? Laufen wir Gefahr, Jesus zu verpassen? Ihn nicht mehr zu erkennen, obwohl er mitten unter uns steht?

Ich weiß nicht, ob das die Themen sind, die ein Johannes der Täufer ihnen in der jetzigen Adventszeit vorhalten würde. Zumindest würde er aber - genau wie damals - ihnen zurufen: Kehrt um! Erneuert Euch und Euren Glauben! Stellt Gott in den Mittelpunkt Eures Lebens, Eures Glaubens und Eurer Hoffnung. Denn mitten unter Euch steht der schon, den ihr nicht kennt! Amen.

444. Predigtvorschlag

Über die Hälfte der Adventszeit ist um. Das Weihnachtsfest, das Fest der Ankunft unseres Herrn rückt immer näher. Und wir erwarten unseren Gott nicht in Angst und Zittern, sondern in Freude. Gaudete - „Freuet Euch" heißt seit alters her dieser 3. Adventssonntag. Der Prophet Jesaja sagt uns in der Lesung das Kommen unseres Gottes an und begründet die Freude im folgenden: Gott hat mich gesandt, damit ich den Armen die frohe Botschaft bringe, die gebrochenen Herzen heile, den Gefangenen und Gefesselten Befreiung verkünde. Wahrlich eine Botschaft der Freude. Dieses Gnadenjahr des Herrn welches er ausruft, geht uns alle an, denn wir alle sind in uns selber gefangen, durch uns selber gefesselt, sind so verletzt, sind zerbrochen und arm, daß wir uns selbst nicht heilen können. Gott will die Heilung vollbringen. Aber nicht von außen her, durch ein fremdes Wunder, sondern aus unserem Innern her, so wie ein Organismus nur von Innen her heilt. Gott hat durch die Taufe und die Firmung seinen Geist in uns eingepflanzt, daher kann uns dieser von innen her wandeln: „wie die Erde die Saat wachsen läßt und der Garten die Pflanzen hervorbringt." Der Gott, der uns geschaffen hat, ist unserem Innersten nicht fern oder fremd. Zu unserer geheimsten Tiefe, zu den Ursachen unserer gebrochenen Herzen hat er den Schlüssel. Wir merken vielleicht erst mit der Zeit, daß er schon längst in uns am Werk ist.

Wenn wir Gottes Geist Gelegenheit geben, so in uns zu wirken, dann wachsen wir in die Aufgabe hinein, die Gott von uns fordert: selber Zeuge für ihn zu sein, Zeuge für seine frohe Botschaft. So wie Jesaja von Gott gesandt war, so wie Johannes der Täufer im Evangelium von Gott gesandt war, so sind auch wir gesandt, Zeuge für das Licht Gottes zu sein. Auch wenn wir uns mit diesen Heiligen nicht vergleichen mögen, durch Gottes Geist sind auch wir gesandt.

Johannes verneint beharrlich, daß er selbst das Licht sei, sondern er legt nur Zeugnis ab für das Licht. Er leuchtet nicht aus sich heraus, sondern Gottes Geist ist es, der in ihm wirkt. Johannes nimmt sich selber stark zurück, er sieht sich nur als Werkzeug Gottes, eine Stimme, die in der Wüste ruft. Obwohl Jesus ihn über alle Propheten stellt, fühlt er sich unwürdig, seine Schuhe zu öffnen. Ähnlich auch die Gottesmutter Maria, die beim Besuch der Elisabeth sagt: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter, denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut." Je mehr Maria erkennt, wie großartig Gott in ihr am Wirken ist, um so mehr fühlt sie sich als niedrige Magd. Auch wir beten vor der Kommunion: „Herr, Ich bin nicht würdig, daß Du eingehst unter mein Dach", Wir sind seiner nicht würdig, das hat Maria genauso erkannt wie Johannes, und doch will Gott in uns einkehren.

Maria, Johannes, Jesaja sind Beispiele, die aufzeigen, wie Gott in uns Menschen am Wirken ist. Dieser großartige Goot, der unsere Verletzungen heilen will, der uns ein Gnadenjahr ausgerufen hat, der selbst zu uns gekommen ist, der Mensch wurde wie wir, der will durch jeden einzelnen von uns wirken, auch wenn wir uns noch so klein und niedrig fühlen.

Geben wir Ihm Raum, schaffen wir dem Geist Gottes gerade jetzt im Advent Gelegenheit, in uns zu wirken, daß auch wir Zeugnis ablegen können für sein Licht, daß allen Menschen gesandt ist.

Wo kann GOTT mich heilen?
Welche Wunden, Verletzungen halte ich IHM hin?
Von welchen Fesseln soll ER mich befreien?


GOTT sendet auch mich!
Ich bin von GOTT gesandt!
GOTT will durch mich in der Welt wirken!
Ich soll Zeuge SEINES Lichtes sein!

445. Predigtvorschlag

Annehmen, was zusammengehört

Bald ist es wieder soweit: überall in den Kirchen werden die Krippen aufgebaut sein, und zu diesen schönen und phantasievoll aufgebauten Landschaften kommen die Menschen, junge und alte, und erfreuen sich an den ansprechenden Bildern.

Manchmal kommen auch Menschen, denen die Weihnachtsbotschaft nicht mehr so ganz geläufig ist. Und so passierte es vor einem Jahr, daß sich in einem Geschäft, das auch Krippen verkaufte, ein nicht ganz armes Ehepaar einfand, um sich dort umzusehen. Und die beiden waren ganz beeindruckt. Vor allem eine der Figuren hatte es ihnen angetan. Und so fragten sie die Verkäuferin: „Hören Sie mal, diese Figur dort, die gefällt uns, wieviel kostet die wohl? Die möchten wir haben!“ Es war die Figur des heiligen Josef.

Und die gute Verkäuferin, die nicht nur an ihr Geschäft, sondern auch an den Sinn von Weihnachten dachte, mußte antworten: „Wissen Sie, die Figur einzeln ist nicht zu haben. Da müssen Sie schon die ganze Familie nehmen!“

Da dämmerte es dem guten Ehepaar, daß zu Josef auch noch Maria und auch noch das Kind gehörten, und das Ehepaar fing an, sich an die Weihnachtsgeschichte zu erinnern, aber alle diese Figuren zusammen zu nehmen – das war ihnen doch ein bißchen zu viel. Und so wurde aus dem ganzen Geschäft diesmal nichts.

Wir können uns heute, am 4. Advent, daran erinnern lassen, daß wir vom Geschehen der Heiligen Nacht uns nicht nur das heraussuchen können, was uns besonders gut gefällt. Wir können nicht sagen: Dies oder das paßt mir, das andere nicht. – Sondern wir müssen von dem, was uns an Weihnachten begegnet, auch den Zusammenhang annehmen, das Ganze eben. – Was bedeutet das?

Das bedeutet, daß Weihnachten uns an ein ganz wichtiges Grundprinzip unseres Glaubens erinnern kann: So wie unser gutes Ehepaar nicht einfach eine einzelne Figur aus der Krippenlandschaft herausnehmen konnte, so können auch wir nur beschenkt werden von Gott an diesem Fest, wenn wir das Ganze annehmen und sehen. Und das meint nicht nur, daß zu dem heiligen Josef auch Maria und das Kind in der Krippe gehören! Sondern es bedeutet noch weit mehr:

Es bedeutet, daß auch Maria nicht wirklich begriffen werden kann, wenn sie nicht als vom Heiligen Geist Erfüllte und als Mutter des Erlösers begriffen wird!

Und es bedeutet weiter, daß dieses Kind in der Krippe nicht einfach der niedliche Knabe im lockigen Haar ist, sondern der Erlöser, der Heiland der Welt, der zu uns auf die Erde kommt, und erlösen durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung!

Und es bedeutet, daß Jesus, der in diese Welt kommt, Menschen beruft, dich und mich, die helfen sollen, daß seine Botschaft auch heute unter den Menschen bekannt wird und geglaubt wird! Das ist die Sendung der Kirche, das ist das Geheimnis seiner Gegenwart in unserer Zeit: Jesus Christus ist der Lebendige, und als Lebendiger ist er in unserer Mitte wirksam und gegenwärtig. Er wirkt durch sein Wort, er wirkt durch die heiligen Sakramente, er wirkt durch Menschen, die er beruft und sendet; mit einem Wort: er wirkt durch seine Kirche und in seiner Kirche.

Diese Wahrheit gehört zum Ganzen des Glaubens, und wenn an Weihnachten wieder viele Menschen in die Kirche strömen werden, haben sie vielleicht eine Ahnung von diesem Geheimnis der Kirche: daß die Kirche eben nicht nur ein Gebäude ist aus Steinen, Holz und Glas, sondern der fortlebende Christus auf dieser Erde, der in uns lebt und durch uns inmitten der Menschen wirken will.

Vielleicht hat unser Ehepaar an der Krippe in diesem Jahr einen anderen, einen tieferen Zugang zu dem Geheimnis, das die Kirche in wenigen Tagen wieder feiern wird. Zu wünschen ist ihm das jedenfalls. Wünschen wir uns heute, an diesem Vierten Advent, daß unser Herz immer offen sei für das Ganze des Glaubens, für das Große und Wunderbare, mit dem Gott uns reich beschenken will.

446. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht erinnern Sie sich noch an den provokanten Satz, den ich in meiner letzten Predigt zitiert habe, und der von Mutter Teresa stammt: «Eine einzige heilige Messe ist mehr wert als 1000 Jahre Dienst am Nächsten.»

Ich weiß nicht, ob sie darüber nachgedacht haben, ob sie dieser sehr ungewöhnlichen Aussage zustimmen oder ob sie nur den Kopf geschüttelt haben. Zwar steht Mutter Teresa nun wirklich nicht im Verdacht, den Dienst am Nächsten vernachlässigt zu haben, ganz im Gegenteil. Aber deshalb wird diese Gewichtung zugunsten des Sakramentes nicht verständlicher.

Liebe Schwestern und Brüder, Gott wollte in keinem Haus wohnen, so hören wir in der Lesung. Das Volk Israel und ihr König David waren bereit einen Tempel zu bauen, aber Gott lehnt es ab. Er will keinen Bau aus Steinen und Holz. Wie könnte er, der die Felsen und Bäume erschaffen hat, darin wohnen?

Gott bevorzugt einen anderen Weg: Er will bei den Menschen wohnen. Er wird selbst Mensch in Jesus Christus, und er nimmt Wohnung in uns. Wir sind sein lebendiger Tempel, «Tempel des Heiligen Geistes» sagt Paulus.

Aber - das ist eigentlich genauso widersinnig. Wenn Gott nicht in einem Bau aus Holz und Stein wohnen kann, weil er ja selbst Stein und Holz umfasst und erschafft, wie kann er dann im Menschen wohnen? Der Mensch ist doch auch nur ein Geschöpf, ständig von Gott gehalten! Wie kann der unendliche Gott in einem Geschöpf wohnen?

Die Antwort gibt uns das Evangelium: Für Gott ist nichts unmöglich. Er macht das möglich, was der Wunsch aller Religionen ist: Gott in ihrer Mitte zu haben. Jede Religion hat ihre heiligen Orte und Gebäude aus der Sehnsucht heraus, Gott bei sich zu haben. Aber unser Gott schafft die nötigen Voraussetzungen für uns als lebendige Tempel: Er bereitet uns. Er weitet unser Herz, er schenkt uns eine Art von Liebe, die sogar Platz für Gott hat. Und so hat er hat als erstes Maria bereitet, damit er überhaupt ankommen kann, hat in ihr Wohnung genommen.

Wesentliche Voraussetzung für unser Christsein ist es also, dass wir uns Gottes Wirken aussetzen. Dass wir uns von Ihm bereiten lassen. Beginn allen Tuns ist die stille Bereitung. Oder, wie es die alten Kirchenväter gesagt haben, Voraussetzung für alle «Actio» ist die «Contemplatio». Erst Gottes Nähe macht aus mir jemanden, der den Menschen nahe ist, ja, macht aus mir nicht nur einen «Nahen», sondern einen «Nächsten».

Das ist es, was Mutter Teresa gemeint hat. Menschlichkeit und Humanismus kann jeder praktizieren, aus den unterschiedlichsten Motiven. Aber das macht mich zu einem Helfer für die hilfsbedürftigen Menschen - aber noch nicht zu meinen Nächsten.
Wer aber zum Tempel Gottes geworden ist, wer von Gott im Sakrament der Taufe bereitet und gereinigt worden ist, wer Gott empfangen hat und ihn bewahrt, der ist zum Nächsten geworden, zum Nächsten Gottes. Mutter Teresa war ihr Leben lang fest davon überzeugt, dass sie nur durch die Feier der Messe zum Nächsten Gottes wird und damit fähig zur Nächstenliebe. Dass ihr Menschendienst eine Folge des Gottesdienstes ist.

Liebe Schwestern und Brüder,
Gott hat sie bereitet und Wohnung in ihnen genommen. Vielleicht ist es ihnen gar nicht mehr so ganz bewusst, was mit ihnen in der Taufe geschehen ist. Sie sind alle zum Tempel Gottes geworden. Sie sind dadurch und durch den Gottesdienst, den sie immer wieder feiern, zu Nächsten Gottes geworden. Und seitdem sind sie in der Lage, Nächstenliebe auszuüben. Dieses ist das großartigste Geschenk, das Gott ihnen jemals gemacht, und zugleich das großartigste Geschenk, dass Gott den Menschen in ihrer Umgebung gemacht hat.

Ihnen dazu nachträglich herzlichen Glückwunsch. Amen

447. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder: Gott will in keinem Haus wohnen, so hören wir in der Lesung. Das Volk Israel und ihr König David waren bereit einen Tempel zu bauen, aber Gott lehnt es ab. Er will keinen Bau aus Steinen und Holz. Wie könnte er, der die Felsen und Bäume erschaffen hat, darin wohnen?

Gott bevorzugt einen anderen Weg: Er will bei den Menschen wohnen. Er wird selbst Mensch in Jesus Christus. Deshalb spricht Jesus von sich als dem Tempel Gottes: «Reißt diesen Tempel nieder, und ich werde ihn in drei Tagen wieder auf erbauen.» - und er meint damit nicht den Tempel aus Steinen, sondern sich selbst.

Aber Gottes Weg, sich ein Haus zu bauen mitten unter uns geht noch weiter: Er nimmt sogar Wohnung in uns. Wir sind sein lebendiger Tempel, «Tempel des Heiligen Geistes» sagt Paulus. Bei jeder Beerdigung sprechen wir über den Verstorbenen: «Dein Leib war Gottes Tempel - der Herr schenke Dir ewige Freude».

Liebe Schwestern und Brüder, Gott hat sie bereitet und Wohnung in ihnen genommen. Vielleicht ist es ihnen gar nicht mehr so ganz bewusst, was mit ihnen in der Taufe geschehen ist. Sie sind alle zum Tempel Gottes geworden.

So hat Gott auch Maria bereitet, um dort zum ersten Mal zum Nächsten der Menschen zu werden. Bevor er aber Mensch wurde und Maria erfüllte, trat der Engel bei ihr ein und bat Maria um ihre Zustimmung. «Mir geschehe, wie Du es gesagt hast.» - das war das erlösende Wort des Menschen.

So fragt auch Gott uns immer wieder, ob er noch in unserem Leben erwünscht ist. Er möchte nichts tun, ohne unsere Zustimmung - er ist ein vorbildhafter Mieter. Mit jedem Wort das wir sprechen und jede Handlung, die wir vollziehen, öffnen wir unsere Wohnung für Gott oder weisen ihn ab. Es ist also sinnvoll, Advent zu begehen: Sich bereiten zu lassen und Gott herein zu bitten. «Man muss die Hingabe Tag für Tag geübt haben» sagt Schwester Maria Euthymia - eigentlich ist also jeder Tag Advent. Sich öffnen.

Liebe Schwestern und Brüder, für das kommende Jahr möchte ich ihnen drei besondere Wege ans Herz legen, um offen zu bleiben. Drei Wege, Gott herein zu bitten:

Ergreifen sie die Möglichkeit, heute Abend in der Bußandacht und in der anschließenden Beichtmöglichkeit alle Türen ihres Herzens zu öffnen; sich von Gott erfüllen zu lassen und sich von allem zu befreien, dass sie von Gott trennt. Tun sie sich was Gutes - man gönnt sich ja sonst nichts.
Das Jahr 2003 ist von der katholischen und evangelischen Kirche zum Jahr der Bibel erwählt worden. Nehmen sie sich die Bibel mal wieder zu Herzen, lesen sie besonders im neuen Testament und in den Psalmen. Öffnen sie sich diesen alten Texten und entdecken sie Gott, der immer noch darin wohnt.
Nehmen sie das Angebot des Papstes an, das kommende Jahr als ein Jahr des Rosenkranzes zu begehen. Nehmen sie die Perlenschnur mal wieder zur Hand und entdecken sie, wie Gott zu reden beginnt, wenn wir uns mit unseren Reden auf ganz wenige Worte beschränken.

Liebe Schwestern und Brüder, Gott möchte unser Leben erfüllen. Er steht bereits vor der Tür und klopft an. Zögern wir nicht.

Amen.

448. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

mit dem Tod von Johannes Paul II. und seiner Verabschiedung, der Wahl des neuen Papstes, der Schlagzeile der Bildzeitung "Wir sind Papst!" und schließlich des Weltjugendtag in Köln schaut alle Welt - zumindest für eine gewisse Zeit - wieder auf den katholischen Glauben. Warum eigentlich?

Was hat sich eigentlich geändert in der Kirche, dass sie so interessant geworden ist? - Offensichtlich gar nicht viel. Papst Benedikt ist nicht offener, nicht moderner und auch nicht sympathischer als sein Vorgänger; die Kirche hat ihre Grundsätze nicht geändert, ihre Moral nicht gelockert. Die Kirche ist immer noch dieselbe.

Offensichtlich hat die Welt, die jetzt hinschaut, sich verändert. Vielleicht ist es den Menschen einfach zu klein geworden in ihrer Welt der Erklärbarkeiten, der Technik und der Berechnungen. Vielleicht reicht es den Menschen einfach nicht mehr, ein möglichst langes und gut behütetes Leben zu führen - um dann für um zu verschwinden. Die Welt hat vielleicht erkannt, wie arm sie geworden ist. Früher lebten die Menschen 60, vielleicht 70 Jahre plus die Ewigkeit bei Gott. Heute liegt die Lebenserwartung nur noch bei 80-90 Jahren. Danach wird nicht mehr viel erwartet. Vielleicht hat der sterbende Papst genau diese Botschaft vermittelt: Ich habe mein Leben der Kirche geopfert, wo ihr versucht habt, möglichst viel vom Leben zu haben. Jetzt habe ich mein eigentliches Leben noch vor mit, wo ihr nur ein Ende seht. "Seid glücklich, ich bin es auch!" - Das ist eine Weite, die diese Welt nicht mehr hat.

"Katholisch" zu sein heißt, mehr zu sehen, mehr zu leben. Wir Katholiken leben in einer Welt, die nicht mit dem Tod aufhört und sich nicht auf das Sichtbare und Messbare beschränkt. Wir leben in einer größeren Wirklichkeit.

Aber diese Wirklichkeit hat ihren Ernst. Es ist nicht einfach nur ein Paradies um uns herum. Wir haben es im Evangelium gehört: Jesus in der Wüste - und mit ihm der Teufel und die Engel.

Wer sein Leben weitet und wahrnimmt, was sich in der Welt wirklich abspielt, der kommt nicht daran vorbei, von Gottes Fügung, seiner Größe und seiner Schönheit genauso zu reden wie von der Versuchung durch das Böse. Wir können einen Hitler, die Unmenschlichkeit des Balkankrieges, einen menschenverachtenden Terrorismus und das jährliche Töten von 120.000 Ungeborenen in Deutschland nicht einfach nur als menschliche Schwäche abtun. Dahinter steht eine tiefe menschliche Wahrheit: Wir sind versucht. Wir werden in Versuchung geführt mit den immer gleichen Versprechen: Macht, Luxus, Reichtum. Ein paar Menschen töten - dann geht es uns besser. Das ist perfide, das ist teuflisch - und das ist alltäglich.

Denn das Prinzip - erst durch Böses erreichen wir die Möglichkeit, Gutes zu tun - ist die Versuchung des Menschen - auch im Alltag: Nur noch eine Lüge - dann werde ich ehrlich bleiben. Nur noch der kleine Betrug - danach nie wieder. Nur noch dieses eine Mal - dann nicht mehr. Wir reden uns ein (oder wird uns eingeredet?) dass wir erst moralisch leben können, wenn wir uns ein bestimmtes Leben gesichert haben. Fasten? Nur noch dieses eine Essen - danach gerne.

Die Antwort darauf ist die Fastenzeit: Nicht noch eben schnell alles sichern, was uns lieb ist - koste es, was es wolle. Sondern erst einmal das Gute tun. Verzichten - um unseres Heiles willen. Gott an die erste Stelle setzen. Keine Kompromisse mehr. Kein Aufschub: Nicht erst morgen, jetzt ist die Zeit des Heils.

Liebe Schwestern und Brüder, alles Übel fängt klein an. Aber auch alle Heil beginnt ganz klein. Denn vergessen wir nicht: Mit Jesus war nicht der Teufel in der Wüste, der ihm das gleiche zuflüsterte wie uns. Mit ihm waren dort auch die Engel - die uns genauso dienen, helfen und bewahren. Amen.

449. Predigtvorschlag

Kommen Sie mit in die Wüste!

Das ist die Einladung an Sie, an Euch, an uns alle, in diesen kommenden 40 Tagen, in der Österlichen Bußzeit. – Kommen Sie mit in die Wüste! Aber was ist damit gemeint? Meine ich damit vielleicht so etwas wie die Rallye Paris – Dakar, wo verwegene Fahrer mit aufgemotzten Geländewagen durch den Sand preschen?

Nein, die Wüste, um die es hier geht, die ist ganz nah bei Ihnen, bei Dir, bei mir. Die Wüste, um die es hier geht, ist ein Ort, wo es still wird in uns, wo wir ganz bei uns und ganz bei Gott sind. Wo es Ausdauer braucht, einen begonnenen Weg zu zu Ende zu bringen. Wo sich unser Glaube bewähren muß. Wo wir auf die Probe gestellt werden. - Das bedeutet Wüste, das bedeutet Fastenzeit, das bedeutet Vorbereitung auf Ostern, auf das Fest des Lebens.

Jesus ist in die Wüste gegangen und ist dort vom Satan versucht worden, heißt es heute, am Ersten Fastensonntag (vgl. Mk 1,13). Heute machen wir uns auf und folgen Jesus auf seinem Weg nach. Heute und an den kommenden Sonntagen gehen wir in die Wüste, um seinem Wort und seinem Beispiel nahe zu sein. Denn das bedeutet ja Fastenzeit: dem Beispiel Jesu und seiner Weisung nahe zu sein. An Ihm Maß zu nehmen. Denn Er ist ja unsere Mitte, die Mitte seiner Kirche, die Mitte unserer Gemeinden, auch der künftigen, neuen Gemeinde, die hier, an diesem Altar, ihre Quelle und ihr Ziel feiert.

Quelle und Ziel: Wer in der Wüste leben und überleben will, muß die Quellen kennen, die es auch in der Wüste gibt. Er muß den Weg zu den Oasen finden, wo man ausruhen und neue Kraft schöpfen kann. – Wo gibt es heute diese Oasen, wo die Menschen das klare, reine Wasser finden? Inmitten der Steinwüsten, der Beziehungswüsten, der religiösen Steppe, die immer größer zu werden scheint? Machen wir uns nichts vor: wie viele Menschen gibt es, die gefangen sind in einer Wüste, in die sie durch eigene Schuld oder durch Schuld anderer geraten sind. Wie viele Menschen gibt es, die suchen inständig nach einer Oase, die ihnen neues Leben gibt!

Jesus ist in die Wüste gegangen. Dort hat er vierzig Tage gefastet. Nach seiner Erfahrung von Armut und Flucht nach seiner Geburt, nach seiner Erfahrung von Geborgenheit und Verborgenheit 30 Jahre lang in einer menschlichen Familie, nach seiner Offenbarung am Jordan als geliebter Sohn des Vaters geht er noch nicht direkt zu den Menschen. Er geht zuerst in die Wüste. Damit gibt er ein deutliches Zeichen, das jeder verstehen kann, der die Geschichte des auserwählten Volkes Israel kennt. Denn die Wüste, das ist in der Geschichte Israels der Ort der Versuchung und des Abfalls von Gott, es ist der Ort des Murrens und der Auflehnung gegen Jahwe, der sein Volk in die Freiheit geführt hat. Es ist der Ort der Entscheidung. Und zugleich ist die Wüste der Ort, an dem Gott seinem Volk die Gebote mitteilt und seine Herrlichkeit und Größe offenbart. So ist die Wüste für das Volk der Juden ein sprechendes Bild für die Beziehung zu Gott, die es immer wieder lebendig zu machen gilt.

Jesus geht den Weg seines Volkes nach. Und indem Jesus diesen Weg in die Wüste geht, macht er stellvertretend wieder gut, was vorher falsch und schlecht war. In seiner Person kommt das neue Israel zum Vorschein, das sich ganz mit Gott versöhnt hat und ganz im Einklang mit ihm und seinen Geboten lebt. In Jesus, der in der Wüste versucht wird und nicht gesündigt hat, findet Gott seinen Sohn, den er von Ewigkeit her geliebt hat und aus Liebe zu den Menschen schickt.

Wer Jesus, den Sohn Gottes, finden will, muß ihm nachfolgen in die Wüste. Diese Wüste, in die Jesus uns mitnimmt, ist alles andere als ein Ort der Gemütlichkeit. Menschen, die in der Wüste gelebt haben, können davon berichten: wie die Sinne gereizt werden. Wie man die Dinge anders sieht, anders hört. In der Wüste begegnete Israel dem lebendigen Gott. Diese Begegnung war kein Austausch von Nettigkeiten: Der Mensch, der Gott begegnet, begegnet zunächst dem ganz Anderen, dem Größeren, ja dem total Fremden. Die Propheten, die Gott begegnet sind und von ihm den Auftrag bekamen, das Volk zur Umkehr zu bewegen, waren zunächst wie betäubt und mußten dann in aller Regel feststellen, daß ihre Verkündigung auf erbitterten Widerstand stieß ... Gott begegnen, ihn finden, ihm gehorchen, das bedeutet immer, vom Bequemen und vom Oberflächlichen, vom Angepaßten und Allgemeinden Abschied zu nehmen. Es bedeutet immer, ein Stück von sich selbst aufzugeben, um wirklich frei zu werden für das Größere, das Gott dem schenkt, der ihn hören und ihm gehorchen will.
So möchte ich an den kommenden Sonntagen Sie und Euch einladen, durch diese Zeit der 40 Tage mitzugehen und Menschen zu betrachten, die Jesus in ihrem Leben gefunden haben – sei es, daß sie fasziniert sind von ihm, daß sie spüren, daß er ihnen etwas sagt und gibt, was niemand sonst vor ihm zu geben imstande war – oder daß sie Anstoß nehmen an ihm, daß sich gegen ihn wenden und sein Wort und seine Weisung nicht annehmen.

An den Sonntagen werden wir unter diesem Gesichtspunkt das jeweilige Evangelium in den Blick nehmen und uns fragen: Wo stehe ich in diesem Geschehen? Das Evangelium ist ja nicht Vergangenheit, es ist immer neue Gegenwart; es ruft immer zur Entscheidung und zur Umkehr auf.

Ein ganz großes Mißverständnis muß bei alldem auch einmal benannt werden. Ich möchte es nennen das „katholische Mißverständnis“. Es steckt schon in dem Wort „Fastenzeit“. Dieses Wort stellt in den Vordergrund, daß es um das Verzichten geht. Viele glauben, daß nur derjenige wirklich Christ ist, der auf vieles verzichtet, der es schwer hat in seinem Leben, der täglich viele große Opfer bringt und der am besten mit einer Leidensmiene durch die Gegend läuft. Aber das wäre ein großes Mißverständnis. Natürlich – zum wirklichen Glauben gehört auch das Verzichtenkönnen. So wie es auch zum gelingenden Leben dazugehört, daß ich verzichten lerne. Ein Leben lang muß ich lernen, daß ich nicht alles haben kann und daß ich auch dann wertvoll bin, wenn ich nicht dasselbe Aussehen habe oder dasselbe leiste wie die Stars und Sternchen in den Medien.

Und zum Leben gehören auch die kleinen und großen Opfer. Zu welch großen Opfern sind Menschen bereit, die sich lieben! Menschen, die sich lieben, sind zu größten Verzichten und zu Opfern bereit, die man sich kaum vorstellen kann.

Und genau das bedeutet Glauben: Es heißt, die Liebe Gottes anzunehmen und aus dieser Liebe zu leben. Gott kennt uns, er liebt uns, und um diese Wahrheit zu bezeugen, ist Jesus für uns in die Wüste und schließlich sogar ans Kreuz gegangen. – Und noch mehr: nicht nur, um diese Wahrheit zu bezeugen, hat Jesus das getan, sondern um zu zeigen, daß er selbst die Wahrheit ist. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Er hat im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Menschen wie den heiligen Antonius und den heiligen Benedikt dazu befähigt, in die Wüste zu gehen und von dort aus Heil für die Menschen ihrer Zeit zu stiften.

Haben wir keine Angst, wenn wir heute diesen inneren Weg durch die Wüste beginnen. Gott führt uns, und er hilft uns. Amen.

450. Predigtvorschlag

Das Geheimnis des Glaubens: die Verwandlung

Berge sind heute leicht zu erobern. Man nimmt einen Lift oder eine Seilbahn, und schon ist man oben und genießt die Aussicht. Aber wenn man das so tut, wenn man es sich zu leicht macht, vergibt man sich eine wertvolle Erfahrung: die Erfahrung, daß die Mühe und die Zeit des Aufstiegs auch dazugehören.
Vor einigen Jahren wollte ich in gebirgiger Gegend einige Wanderungen unternehmen. Und so wählte ich mir für den ersten Tag eine leichte Strecke, von der ich glaubte, sie gut schaffen zu können. Und in der Tat: viel eher als geplant war ich am Ziel. Das ist die Gelegenheit, dachte ich, es noch ein bißchen höher zu probieren. Nicht viel später, und ich konnte eine wunderbare Aussicht in die Täler hinein genießen. Es war alles gar nicht so anstrengend gewesen.
Nun ging es wieder heimwärts. Und wer denkt, bergab geht es leichter als bergauf, der kann sich ganz schön täuschen. Mit dem Fahrrad mag das stimmen, aber zu Fuß ... Über Geröll und schlechte Wege ging es steil nach unten, und mit der Zeit geht das wirklich in die Knochen und in die Muskeln. Nicht nur bergauf, sondern vor allem auch bergab ist es mühevoll und anstrengend. Am Ende ist man froh, es bis unten geschafft zu haben.

An dieses Erlebnis mußte ich denken, als ich den Bericht der Evangelisten vom Aufstieg auf den Berg der Verklärung betrachtete. Auch da ist von einem Aufstieg auf einen Berg die Rede. Jesus nimmt Petrus, Jakobus und Johannes dahin mit. Und als sie oben sind, geschieht das Wunderbare. Nicht die Aussicht auf ein Tal ist das, was sie glücklich macht, sondern eine andere Aussicht: die Aussicht auf den verklärten Christus, der sie für einen Augenblick seine Herrlichkeit schauen läßt, die Herrlichkeit, aus der Er, der Sohn Gottes, kommt, und in die Er, der Gekreuzigte und Auferstandene, eingehen wird. - Diese wunderbare Aussicht wird den drei Aposteln für einen Moment geschenkt. Aber sie sind noch nicht imstande, das Geschehen zu begreifen. Es heißt, daß sie zuerst einmal eingeschlafen sind. Dieses Einschlafen wird sich an anderer Stelle wiederholen. Als Jesus auf dem Ölberg wacht und betet, findet er die Jünger, die er mitgenommen hat, eingeschlafen (vgl. Lk 22,45). Auch hier sind die Jünger nicht in der Lage, zu verstehen, was wirklich vor sich geht. Auch hier geschieht vor ihren Augen etwas mit Jesus, was ihnen unbekannt ist, was ihnen Angst macht: auf Tabor die Verwandlung seiner Gestalt und Moses und Elias als Repräsentanten des Alten Bundes, und im Ölgarten die Verhaftung Jesu und sein Leidensweg.

Was das alles soll, begreifen die Jünger überhaupt noch nicht. Aber wie ist es mit uns? Können wir es begreifen? Können wir in Worte fassen, was da mit Jesus geschieht? Können wir aus eigener Erfahrung beschreiben, was da vor sich geht? – Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen: Nein, wir können es nicht. Unsere Erfahrung reicht dazu nicht aus. Und wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir auch noch sagen: Unser Glaube ist zu schwach dazu. Er ist noch zu ungenügend, die ganze Wahrheit zu begreifen und darauf zu antworten.

Den Jüngern ging es nicht viel anders. Auch sie hatten ihre Schwierigkeiten und Mängel. Ich glaube nicht, daß Lukas, der Evangelist, an dieser Stelle nur von den drei Jüngern spricht. Er spricht an dieser Stelle auch von uns. Wir sind die Jünger, die da mit Jesus den Berg hochgestiegen sind. Wir sind diejenigen, die bei ihm sein dürfen, die ihn hören, die erfahren, was über ihn gesagt wird. Und wir sind zugleich diejenigen, die das alles noch nicht recht verstehen können.

Wir müssen darum wie die Jünger damals zwei Dinge tun. Wir müssen zuerst wie die Jünger in die Wolke hineingehen. Davon spricht ja das Evangelium: Eine Wolke kam und nahm sie in sich hinein. – Die Wolke ist zugleich ein Bild für Gottes Gegenwart und Verborgenheit. Gott ist da. Aber er läßt sich nicht mit menschlichen Erfahrungen erfassen. Er entzieht sich in dem Moment, da der Mensch glaubt, sein Geheimnis erkannt zu haben. Dafür steht die Wolke und ihr dunkler Schatten: daß Gott uns zutraut, durch das Dunkel seines Geheimnisses hindurchzugehen. Nur dann können wir zu dem kommen, was dahinterliegt. Dafür steht die Wolke.

Und ein zweites muß getan werden: der Abstieg. Das heißt: Jesus folgen nach Jerusalem. In die Stadt, wo er verworfen wird, wo er leidet und stirbt. Auch das ist ein Schritt in das Geheimnis der Erlösung, und auch das ist ein Weg, der mit großen Mühen und auch Schmerzen verbunden ist, ähnlich wie der Abstieg von einem steilen Berg auf schlechten Pfaden. Aber dieser Weg muß gegangen werden. Denn es ist der Weg, den der Herr selbst gewählt hat. Und dieser Weg ist es, der zur zweiten, zur eigentlichen Verwandlung führt: zur Verwandlung des Todes in die Auferstehung und das ewige Leben. – Genau diese Verwandlung feiern und bekennen wir in jeder Heiligen Messe, wenn Brot und Wein in den Auferstehungsleib und in das Bundesblut Christi verwandelt werden. Diese Verwandlung ist nicht billig zu haben. Sie ist nur zu haben um den Preis der Nachfolge Christi, der sein Leben hingibt für uns Menschen. Dafür laßt uns ihm heute, am heutigen zweiten Fastensonntag, besonders danken.

451. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, die Vorstellung, ein anderer könnte meine Gedanken lesen, ist uns unheimlich. Zuviel Geheimnisse, Peinlichkeiten und auch unausgegorene Gedanken schießen uns durch den Kopf. Gut, dass da keiner hineinschauen kann.

Natürlich ist die Tatsache, dass wir unserem Gegenüber nicht in den Kopf hineinschauen können, auch die Quelle aller Missverständnisse. Wir reden mit einander, aber verstehen uns oft nicht. Aber das liegt oft nicht daran, dass uns das Denken des anderen verborgen bleibt, sondern dass es uns fremd ist.

Fremd - das heißt, wir wollen es nicht verstehen. Wir wollen es noch nicht einmal wirklich wahrhaben. Es würde unsere schönen Ansichten zerstören. Wir könnten nicht mehr so leicht über andere urteilen, herziehen und uns besser dünken. Wir unterhalten uns nicht gerne mit denen, die wir abgestempelt haben. Natürlich deswegen, weil wir uns lieber mit denen abgeben, die uns sympathisch sind. Aber auch deshalb, weil wir nicht verstehen wollen - sonst müssten wir uns ja entschuldigen.

Natürlich täuschen wir uns auch manchmal in die andere Richtung: Wir halten jemanden für aufrichtig, ehrlich und selbstlos, der das gar nicht ist. Aber da sind wir nicht so schnell blauäugig: Da lassen wir uns sehr leicht eines besseren belehren - immerhin wollen wir uns ja nicht blamieren.

Es sei denn, es geht um uns selbst. Es gibt da dunkle Stellen in unseren Herzen, in unserem Verstand und Denken. Aber da schauen wir nicht so genau hin. Da sind wir froh, dass wir vergesslich sind. Und sind natürlich heilfroh, dass niemand unsere Gedanken lesen kann. Es sei denn...

"Jesus wusste, was im Menschen ist..." - Gott kennt uns. Auch unsere geheimsten Gedanken. Sogar das, was uns selbst verborgen bleibt oder schon wieder vergessen ist. Vor allem das, was wir selbst nicht wahrhaben wollen. Gott kennt uns besser als wir selbst; Jesus weiß, was im Menschen ist.

Eigentlich müssten wir jetzt hochrot anlaufen. Denn es kommt noch schlimmer: Am jüngsten Tag wird das alles offenbar werden. Alles.

Es gibt Menschen, die jetzt die Kirche verlassen würden. Die jetzt sagen: Ich habe Angst vor diesem Allwisser. Ich möchte keinen Polizistengott. Es gibt Menschen, die aus Scham Gott ablehnen, sogar beginnen, Gott zu hassen.

Aber Gott begnügt sich ja nicht nur, alles zu wissen. Er zieht seine Schlüsse daraus und handelt... und das ist schließlich das Entscheidende.

Zum einen hören wir in der Lesung: "Ich bin der Herr, der Dich befreit. Der Dich herausgeführt hat aus dem Sklavenhaus." Es geht um Befreiung: Zehn Gebote - aber keine Strafandrohung. Nur eine Verheißung. Gott zeigt uns nicht im Spiegel, wie schrecklich wir sind. Er zeigt uns einen Weg, den wir gehen können.

Gott kennt uns innerstes - aber er wendet sich nicht ab, sondern wendet sich zu und führt uns - wie das Volk Israel: Aus der Sklaverei in das gelobte Land.

Und Jesus im Evangelium? Er weiß, was im Menschen ist. Er weiß, dass unser Leib ein Tempel Gottes sein soll - und er sieht, was für eine Räuberhöle wir in Wirklichkeit sind. Aber er flieht nicht - er packt an. Er reißt ein, was an Fassaden und Versuchungen existiert, er säubert und reinigt.

Das tut weh. Das bedeutet, Liebgewordenes aufzugeben. Seine eigene Schuld anzuschauen.
Aber erstens ist das immer noch besser, als von einem Polizistengott zur Rechenschaft gezogen zu werden (wir würden es nicht überleben).
Und zweitens es gibt die Verheißung für den Tempel, der unser Leib ist: "In drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten."

Lassen wir uns von Gott renovieren. Das Ergebnis wird herrlich sein. Amen.

452. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Kennen Sie die "Zusatz-Diät"? Ein paar Pillen oder etwas Pulver schlucken, und man nimmt ab - heißt es in der Werbung. "Sie können genauso essen wie bisher!" Ohne Verzicht zur Idealfigur. Wers glaubt, wird selig.

Aber fangen wir erst einmal beim Evangelium an: Nikodemus ist einer der alten Garde, ein Pharisäer und Rabbi, ein Gesetzeslehrer, der argwöhnisch und zugleich neugierig die neue Lehre des Jesus von Nazareth beäugt. Heimlich besucht er Jesus - mitten in der Nacht, damit er keinen Ärger kriegt.

Es tut sich etwas in der Kirche - Neues bricht auf (nicht erst in diesen Jahren) und Altes schläft ein. Während altehrwürdige, etablierte Orden Nachwuchssorgen haben, gibt es zahlreiche junge Gemeinschaften, die blühen und sich um Nachwuchs keine Gedanken machen müssen - eher um Häuser und Gebäude, wo sie mit ihren Gemeinschaften Platz finden. Dazu gehören Totus Tuus, die Legionäre Christi, die Gemeinschaft Emmanuel, die Gemeinschaft der Seligpreisungen, die Johannesbrüder- und Schwestern, die Missionarinnen der Nächstenliebe von Mutter Teresa (davon gibt es auch einen männlichen Orden), das Cenacolo - vielleicht gehören auch die ehemaligen Thuiner Schwestern dazu; es gibt sogar einen Orden, der sich "Die Schwestern und Brüder vom gemeinsamen Leben" nennt - einer der wenigen gemischten Orden. Es gibt die SJM, die Jugend 2000, die Oase della Pace und viele anderen - alles noch Ansätze, Knospen - aber voller Elan, Kraft und Glaubensfreude.

Aber noch werden diese neuen Knospen von den Vertretern der alten Garde argwöhnisch und kritisch beäugt. Was haben die, das sie so attraktiv macht? Was fehlt den alten Orden, dass sie sowenig Nachwuchs haben?

Es stimmt nämlich nicht, dass die jungen Leute heute keine geistlichen Berufungen mehr verspüren - nur, sie verwirklichen sie nicht in den klassischen Orden. Und selbst die Gemeinden sind offensichtlich nicht sehr attraktive Orte.
Es liegt nicht daran - wie manche meinen - dass die alten Orden zu streng sind. Ganz im Gegenteil: Wer auf die neuen Gemeinschaften schaut, ist manchmal von der Radikalität verblüfft. Sehr viele Gemeinschaften verschmähen jeden Besitz, jedes Eigentum und leben radikal die Armut, den Gehorsam und die Ergebenheit in Gott.

Jesus erzählt dem Nikodemus in seinem Nachtgespräch, worum es geht: Neu geboren musst Du werden. Vollkommen neu. Kein halbes Leben mehr - denn es geht nicht darum, unser weltliches Leben mit einen neuen Inhalt zu füllen. Es geht darum, dieses Leben zu retten: Die Schlange, die Mose aufgerichtet hatte, war ein Zeichen der Rettung. Nachdem im Lager der Israeliten viele von der Schlangen gebissen worden sind, hat nur der überlebt, der auf die Schlange auf Kupfer, die Moses gemacht hatte, schaute.
So ist es auch mit Jesus: Nur wer an ihn glaubt und auf das Kreuz schaut, wird gerettet. Denn wir sind alle von der Schlange gebissen: Diese Welt rettet nicht, sie betäubt, lähmt und tötet.
Gott hat seinen einzigen Sohn gesandt, um uns zu retten - damit wir nicht zugrunde gehen. DAS wirklich zu glauben, in Gott nicht nur ein besseres Leben, sondern die Rettung vor dem Tod zu finden: Das unterscheidet uns Gemeinden von den neuen religiösen Aufbrüchen.

Dort sind Menschen, die Glauben nicht als eine Art Zusatz-Diät verstehen. Glauben, dass heißt tatsächlich Verzicht, radikal anders werden. Nicht noch zusätzlich etwas glauben. Das funktioniert nur in der Werbung; sogar die Super-Hyper-Schlankheitspille hält nicht, was sie verspricht. Und das gilt auch für das neue Leben im Glauben: Radikal anders werden. Radikal auf Gott vertrauen. Erkennen, das Gott uns nur retten kann, wenn wir uns an der Wurzel ändern: Das heißt radikal (radix - die Wurzel).

Dazu braucht man nicht unbedingt in eine der neuen Gemeinschaften eintreten. Aber wir können von ihnen lernen. Wenn wir uns so, wie Nikodemus trauen. Amen.

453. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Was ich hier jetzt tue, ist vollkommen überflüssig: Ich predige. Nicht, dass meine Predigt ausnahmsweise so schlecht wäre - das kam ja schon öfter vor. Nein, dass ich mir überhaupt das Recht anmaße, Ihnen etwas zu erklären, ist das skandalöse.
Und das nicht erst neuerdings. In der Lesung hieß es: «Immer wieder hat Gott, der Herr, sein Volk durch seine Boten gewarnt. Sie aber verhöhnten die Boten Gottes und verachteten sein Wort.»

Was denken Sie jetzt?

Dass ich mich mit den Propheten gleichstelle? «Wie kommt der dazu! Wie kann dieser Kaplan, der doch auch nur ein Mensch ist, seine eigene Meinung zur Botschaft Gottes erklären!»

Liebe Schwestern und Brüder, wir sind uns einig, dass ich dass nicht darf. Wir sind uns einig, dass kein Mensch sich erlauben kann, allein im Namen Gottes zu reden. Denn jeder spricht ja nur von seinen eigenen Erfahrungen. Wovon sollte er auch sonst reden? Und die Erfahrungen, die ich gemacht haben, sind nicht ihre Erfahrungen. Sie haben im Leben ganz andere Erfahrungen gemacht.
Wir können letztlich doch nur von unseren eigenen Überzeugungen sprechen. Wir können uns nur einander mitteilen - der andere kann dann zuhören und freundlich nicken. Aber er soll sich hüten, ein Urteil über die Überzeugung anderer zu fällen!
Gespräche dürfen eben nur noch so ablaufen, dass ich von mir erzähle - und dann dürfen sie von sich erzählen - und dann sagt vielleicht noch einer, was er denkt und glaubt - und dann gehen wir zu McDonalds. Diskussion ist verboten - denn die Meinung anderer ist zu respektieren und muss dringend im Raum stehen gelassen werden. Keiner darf seine Meinung für die allein richtige halten. Das ist Dogma.
Inzwischen, liebe Schwestern und Brüder, stehen so viele Meinungen im Raum, dass wir uns schon gegenseitig gar nicht mehr sehen können; und wir uns auch eigentlich nichts mehr zu sagen haben. Denn, genau genommen, haben wir nichts mehr gemeinsam, über das wir reden könnten.
Jeder lebt ja in seiner eigenen Glaubenswelt mit seinen eigenen Erfahrungen. Und da wir uns nur darin einig sind, dass es keine allgemeinverbindliche Wahrheit gibt, die für alle Menschen gilt, gibt es auch nichts mehr, dass unsere Glaubenswelten verbindet.

Sie glauben an Gott, den liebenden Vater? Herzlichen Glückwunsch, schön für Sie.

Sie glauben an den strengen Richter Gott? Naja, tut mir leid, aber wenn es ihnen hilft, ist ja o.k.

Sie glauben an Jesus Christus, der uns den Weg zum Vater gezeigt hat? Schön, vielleicht sehen wir uns unterwegs.

Sie glauben an die Deutsche Bank? Hm... jedem das Seine.

Was sollen wir noch diskutieren? Was sollen wir noch sagen? Soll jeder noch einmal seine Meinung darstellen? Auch auf die Gefahr hin, dass andere dabei einschlafen?

Liebe Schwestern und Brüder, meine ganz persönliche Meinung ist, dass wir mit der Abschaffung der objektiven Wahrheit unseres Glaubens auch jede Kommunikation abgeschafft haben. Ohne die eine Wahrheit auch keine gemeinsame Sprache, kein echtes Gespräch mehr. Aber sie verstehen: Das ist meine ganz persönliche Erfahrung, die stelle ich einfach mal so in den Raum. Sie können selbstverständlich ganz anderer Meinung sein. Und deshalb verstehe ich eigentlich auch nicht, warum ich hier überhaupt stehe und Ihnen etwas sagen soll.

Ich bitte sie daher, meine Predigt freundlich zu Kenntnis zu nehmen, aber ansonsten nicht zu beachten. Sie sollen ja ihren eigenen Glauben leben. Nicht meinen. Amen.

454. Predigtvorschlag

Stellen Sie sich vor, ich hab heute morgen einen Tip bekommen, die 6 Richtigen genannt bekommen, die Zahlen fürs Lottospiel heute abend. Ich kann sie Ihnen noch verraten, übers Internet können Sie dann noch tippen. Stellen Sie sich das mal vor - 6 Richtige im Lotto, am besten noch den Jackpot knacken, das absolute Glück, alle Sorgen auf einmal los.

Und jetzt stellen Sie sich mal vor, das ist kein Aprilscherz, sondern Woche für Woche lassen Tausende von Menschen diesen ausgefüllten Lottoschein einfach liegen. Denn hier heute im Evangelium wird uns solch ein Lottoschein angeboten: jeder der an Christus glaubt, wird gerettet. Wer an IHN glaubt, hat das Heil, hat das ewige Leben. Das bedeutet nicht nur eine gesicherte Zukunft, sondern schon im Heute, im Hier und Jetzt, Erfüllung, Erleichterung, da Gott selber uns im Leben begleiten möchte.

Doch so unglaubwürdig wie den 100% 6er halten die Leute auch diese Zusage Gottes.

Letzte Woche war mit den Abschlußklassen der Realschule und der Hauptschule auf Besinnugnstage, oder Orientierungstage, wie es heute heißt. Dabei haben wir viel über die Probleme und Fragen der Jugendlichen geredet und erarbeitet. Aber Christus, den Glauben an Ihn als Allheilmittel bleiben sie doch distanziert.

In beiden Kursen war zum Beispiel die Drogenproblematik eines der Hauptthemen der Jugendlichen. Aber die Tatsache, dass an kirchlichen Therapiezentren die Rückfallquote der Behandelten in die Abhängigkeit nur ¼ gegenüber anderen Therapien hat, da der Glaube an Jesus Christus Heilung bewirkt, wird von unserern Jugendlichen akzeptiert - und mehr nicht.

Trauen wir Gott unsere Rettung zu? Einfach nur glauben - und dadurch sind wir gerettet? Dadurch das vollkommene Glück auf Erden? Wenn wir an Ihn glauben, werden wir nicht mehr in der Finsternis leben, sondern im Licht. Wenn wir dieses Licht an Stelle des Lichtes annehmen wollen, so heißt es im Evangelium, sollen wir die Wahrheit tun. Nicht in Lüge, Falschheit, Bosheit leben, sondern in der Wahrheit. Das Wort Jesu Christi, die Wahrheit schlechthin, hören und annehmen. Davon unser Verhalten bestimmen lassen.

Gerade jetzt in der Fastenzeit sind wir aufgerufen, diesem unseren Glauben auch Taten folgen zu lassen. Die Wahrheit nicht nur glauben, sondern sie auch tun. Fasten, uns erneuern und Werke der Barmherzigkeit tun.

Wenn wir die Wahrheit tun, kommen wir zum Licht, dann führt uns Gott aus der Finsternis heraus. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Leute diesen Sechser im Lott gar nicht wollen! So ein 3er scheint den meisten zu reichen, gerade immer genug, um den Einsatz wieder zu bekommen. Ich investiere ein wenig Zeit in ein Stoßgebet und bekomme etwas Trost als Gegenleistung. Der eine oder andere hatte vielleicht auch schon mal einen 4er, hat Gottes gegenwart in Situationen größerer Not oder größeren Glücks erlebt, bei der Erstkommunion, Hochzeit, aber man gibt sich damit zufrieden. Wenn unser Glaube nur so groß wäre wie ein Senfkorn könnte er Berge versetzen. Wenn wir an Christus glauben, verheißt er uns die vollkommene zufriedenheit, wenn wir uns nur auf ihn einlassen, verheißt er uns mehr als den Gegenwert eines 6ers im Lotto.

455. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, »wenn ihr nicht werdet wie die Kinder!« ist ein bekannter und beliebter Ausspruch Jesu. Er hat etwas romantisches, einfaches. Schöner als das heutige Evangelium. Allerdings ist er nicht eindeutig: In welcher Hinsicht sollen wir werden wie die Kinder?

Wir können von den Kindern lernen, abhängig zu sein. Ein Kind schämt sich nicht, wenn es auf andere angewiesen ist.

Wir können von den Kindern lernen, zu spielen. Nicht in allen immer nur den Zweck und den Nutzen zu sehen. "Was bringt denn das?" fragt nur ein Erwachsener. Für Kinder sind die Dinge einfach da.

Wir können von den Kindern lernen, Vertrauen zu schenken und nicht zu fragen, ob jemand das Vertrauen verdient. Was für Kinder selbstverständlich ist - nämlich dass zunächst jeder vertrauenswürdig ist - hat sich für uns oft in das Gegenteil gekehrt.

Wir können von Kindern viel lernen - zum Beispiel auch das Staunen. Für Kinder ist alles neu - alles sehen sie zum ersten Mal. Nichts ist selbstverständlich, alles ist ein Wunder.
Wir haben uns gewöhnt. Wir haben uns an das Essen, die Luft zum Atmen und die Heizung zuhause gewöhnt. Wir sind nicht erstaunt, wenn der Frühling kommt; wir sind erst dann erstaunt, wenn er ungewöhnlich lange auf sich Warten lässt. Wir staunen nicht darüber, dass wir gesund sind - wir wundern uns erst, wenn wir krank sind und die Ärzte ratlos.

Wir haben uns gewöhnt - auch an Menschen, an die Liebe und an Gott. Darauf zu vertrauen, dass wir geliebt werden, ist gut. Sich daran zu gewöhnen heißt aber, es nicht mehr wahrzunehmen. Gewöhnung bedeutet schließlich immer Tod - Tod einer Beziehung, einer Liebe, einer Religion.

Deshalb gibt es in unserer Kirche das Fasten. Das Fasten um der Liebe willen: Alles Gewohnte reduzieren; nicht mehr wie selbstverständlich zur Schokolade greifen, zur Bierflasche oder zur Fernbedienung.

Und wir fasten auch in der Kirche. In der Fastenzeit spielt die Orgel weniger (bis sie Karfreitag ganz schweigt); der Blumenschmuck wurde reduziert - und jetzt, in der Tradition der Hungertücher - haben wir die Kreuze verhängt. Fasten für die Augen.

Es ist ein Fasten zur Entwöhnung; damit wir nicht selbst irgendwann gewöhnlich werden. Denn die Botschaft vom Kreuz ist absolut ungewöhnlich. Sie ist hart, sperrig und unverschämt: »Ihr müsst sterben, um zu leben!« - »Wer an seinem Leben hängt, verliert es. Wer es aber um meinetwillen verliert, wird es bewahren bis ins ewige Leben.«
Das alte Wort: »Rette Deine Seele!« ist ebenso unverschämt - aber Zentrum der Botschaft Jesu. Denn es geht im heutigen Evangelium nicht um das leibliche Leben - das werden wir früher oder später alle verlieren. Es geht um mehr: Es geht um unsere Seele; um Wärme im Leben, um Glauben und Liebe, um offene Hände und offene Augen.
Seien Sie sicher: Das ist nicht einfach. Gott fordert viel, auch viel Schmerz. Wer seine Seele gibt, wird verletzt werden; die Welt ist so. Aber das fordert Gott. Es ist Botschaft vom Kreuz - und sie bleibt ungewöhnlich. Das sollten wir nicht vergessen, auch wenn wir uns an das Kreuz gewöhnt haben.

Sich für ein, zwei Wochen auf das Leiden Jesu einzulassen, ist nicht einfach. Das macht vielleicht depressiv, passt nicht zur Frühlingsstimmung. Vielleicht möchten Sie lieber auf diese "Spassbremse" verzichten. Keine dunkle Kirche, kein traurigen Gottesdienste, keine Karfreitagstrauer. Vielleicht meinen Sie: Es ist gut, dass wir uns an das Kreuz gewöhnt haben; dann spüren wir die Grausamkeit nicht mehr.

Leider wird mit der Gewöhnung an das Kreuz auch das größte, staunenswerteste und überraschendste Wunder gewöhnlich: Das wunderbare Versprechen, das wir durch Kreuz und Leid zur Herrlichkeit der Auferstehung gelangen.

Manchmal müssen wir durch das Dunkel hindurch, um das Licht zu bestaunen. Amen.

456. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht kennen sie die Situation: Da versuchen Sie eine Sache mit vielen Worten deutlich zu machen und für Verständnis zu werben, und schließlich stellen sie fest, dass ihre Zuhörer, die vorher schon anderer Meinung gewesen sind, gar nicht richtig zugehört haben. Die haben nur das gehört, was sie hören wollten; die Bereitschaft, wirklich zuzuhören und ihre eigene Position zu überdenken, war gar nicht vorhanden. Davon erzählt auch das heutige Evangelium.

Liebe Schwestern und Brüder, das Verhältnis der Christen zu den Juden ist nicht nur in den letzten zwei Jahrtausenden oft schwer belastet gewesen. Wenn es in der Lesung heißt: «Ich werde einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund, den ich mit den Vätern geschlossen habe. Diesen Bund haben sie gebrochen» - so beziehen wir Christen den Alten Bund der Väter auf den Bund mit den Juden; der neue Bund ist uns durch Jesus gegeben. So heißt es ja auch im Hochgebet: «Dies ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut.»

Was aber ist dann mit den Juden? Sind sie ein von Gott verworfenes Volk?

Die Antwort gibt Jesus am Ende des heutigen Evangeliums: «Wenn ich erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen.» Alle, ohne Ausnahme und ohne Beschränkung, werden von Jesus angezogen werden. Das nennt man «katholisch», das griechische Wort für «all-umfassend»: Der neue Bund ist auf kein Volk beschränkt, auf keine Kultur und auf keine historische Epoche. Wenn wir an die heilige katholische Kirche glauben (und so steht's zumindest im Credo), dann bekennen wir die Universalität der Kirche Jesu.

Wenn aber kein Volk und keine Nation für die Erlangung des Heils einen Vorteil hat, dann kann es auch nicht sein, dass ein Volk benachteiligt oder gar verworfen ist. Die Behauptung, die Juden hätten ihr Heil verspielt, verträgt sich schlicht nicht mit unserem Glaubensbekenntnis.

Trotzdem sind es im heutigen Evangelium die Griechen, die Jesus sehen wollen. Griechen, das war in der damaligen Zeit ein Sammelwort für die Nicht-Juden. Sie erleben das großartige Zeugnis, das Jesus von sich selbst gibt und das vom Vater bestätigt wird, und eben nicht das auserwählte Volk

Nur: Die Stimme vom Himmel war für alle gut zu hören. Offensichtlich ist aber die Menge, die dabeisteht, nicht ganz so empfänglich für das Göttliche wie die Fragesteller. Die Juden glauben, es hätte gedonnert. Andere glauben immerhin, eine Engelstimme gehört zu haben. Aber sie fühlen sich nicht angesprochen: «Sie hat», so sagen sie, «zu ihm geredet, nicht zu uns». Uns geht es nichts an.

Es kommt bei Juden, bei Griechen und auch bei uns Christen darauf an, was wir hören wollen. Glauben kommt vom Hören. Nicht nur vom Zu-Hören, sondern vom Hin-Hören. Glauben, das heißt, den anderen verstehen wollen, begreifen, was er sagt und warum er es sagt, und darauf vertrauen, dass er zu dem steht, was er sagt. Die Griechen, die zu Jesus kamen, konnten noch hören, sie waren ja voller Fragen an diesen Jesus. Sie waren ja zudem gekommen, um Gott anzubeten.
Die Menge drumherum dagegen hatte sich offensichtlich schon längst eine Meinung gebildet. Die haben gar nicht mehr richtig hingehört.

Und das kann nicht nur den Juden, sondern einem jedem Menschen passieren. Auch uns Christen. Selbstverständlich haben wir unseren Glauben, genauso wie die Juden den ihren haben. Aber Glaube ist kein Besitz, so wie wir Aktien besitzen können. Glauben ist ein Geschehen: Hinhören und anbeten, auf Gott schauen und auf ihn zugehen.

Liebe Schwestern und Brüder, hüten wir uns davor, unseren Glauben zu verlieren. Das kann leicht geschehen, auch wenn im Pass immer noch «rk» steht. Denn wer nicht mehr betet und hört, anbetet und betrachtet, der hat vielleicht noch einen Glauben. Das heißt aber nicht, dass er noch glaubt. Amen.

457. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Als letztes der vier Evangelien hören wir heute vom Christusbild des Johannes - Evangeliums. Der Kern des Evangeliums geht dabei wahrscheinlich auf den Johannes zurück: den Jünger, den Jesus liebte. Anschließend ist es von seinen Jüngern ergänzt worden, so daß es in seiner heutigen Form als letztes der vier Evangelien entstanden ist, so ca. 90 - 100 Jahre nach Christi Geburt. Wie die anderen drei ist es für eine Gemeinde geschrieben: „Damit ihr glaubt, daß Jesus der Messias, der Sohn Gottes ist." Damit sind sicherlich nicht Außenstehende gemeint, die durch die Evangeliumsschrift erst für den Glauben gewonnen werden sollten, sondern damit ist ganz klar die christliche Gemeinde angesprochen. Da es ca. 20 Jahre nach den anderen drei Evangelien entstanden ist, ist es stärker als diese auf die ausgerichtet, die Jesus nicht mehr persönlich kennen gelernt haben, auf die, wie Joh es schreibt, „die nicht sehen und doch glauben". Daher hat es auch für uns heute eine ganz besondere Bedeutung.

Doch fällt es uns heute schwer, gerade dieses Evangelium zu lesen und zu verstehen. Joh benutzt eine hochschwebende theologische Sprache, die nicht so leicht verständlich ist. Und es kommt noch ein zweiter Aspekt hinzu: Mk, Mt und Lk berichten, wie Jesus sich den Armen und Unterdrückten, den Ausgestoßenen und Sündern zuwendet. Da fällt es uns leicht, uns mit diesen zu identifizieren, und somit zu sehen, wie Gott sich in diesen Gleichnissen auch uns zuwendet. Bei Joh ist von dieser Zuwendung Jesu zu den Sündern viel weniger die Rede. Es ist für ihn nicht so wichtig, daß Gott in Jesus Christus dem Menschen seine Zuwendung zeigt, die er uns dann im Paradies, nach dem Endgericht in vollem Umfang zufließen läßt. Für Joh ist bedeutungsvoll, daß Gott selbst auf Erden gekommen ist; das Endgericht ist zweitrangig, der einst am Ende kommende Menschensohn ist schon da, das Leben in Herrlichkeit hat schon jetzt begonnen!

Deswegen stellt Joh die Gottessohnschaft Jesu in den Vordergrund. Im unterschied zu Markus, der die Gottessohnschaft geheim halten läßt, offenbart sich Jesus bei Joh ganz klar als der Messias und Gottessohn. So fängt sein Evangelium schon an: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott." Und Joh fährt fort: Dieses Wort ist in Jesus Fleisch geworden. Dieses Wort Gottes hat sich jetzt erfüllt.

Ähnlich der Passionsbericht zum Ende des Evangeliums, den Joh uns in größter Ausführlichkeit überliefert, den wir jedes Jahr zu Karfreitag hören. Dieser Passionsbericht wird bei Joh geradezu zu einem göttlichen Gang. Schon die Verhaftung Jesu ist von diesem johanneischen Christusbild geprägt. Jesus tritt dem Verhaftungstrupp souverän entgegen. Das „Ich bin es", mit dem er sich als Jesus von Nazareth zu erkennen gibt, ist zugleich ein Bekenntnis zu seiner Göttlichkeit. Dreimal erklingt dieses „Ich bin es" und sein hoheitsvoller Klang läßt die Soldaten und Pharisäer zu Boden stürzen, so schreibt Joh. Auf den Schwertstreich des Petrus reagiert Jesus mit dem Hinweis: „Soll ich den Kelch, den mir der Vater gegeben hat, nicht trinken?" Als Gottes Sohn weiß Jesus bereits alles, was auf ihn zukommt Als König der Juden angeklagt, bekennt er sich zu seinem Königtum. Er ist der Sohn Gottes, der den Tod besiegt und uns dadurch das Leben schafft. Indem Jesus Christus, Gott selbst den Tod besiegt, haben wir das Leben. Und zwar seit diesem Augenblick des Kreuztodes und der Auferstehung, nicht erst bei seiner Wiederkunft.

Das Evangelium beginnt mit dieser Aussage und es endet so; und es durchzieht die ganze frohe Botschaft des Johannes. Deutlich machen das beispielhaft die sieben „Ich bin" Worte, die sich über das ganze Johannes - Evangelium verteilen: Immer wieder wird Jesus Christus darin als die Quelle des Lebens sichtbar: Ich bin das Brot, das Licht, die Tür, der gute Hirte, der Weinstock, der Weg, die Wahrheit und das Leben, oder auch: die Auferstehung und das Leben, wie wir es im heutigen Evangelium gehört haben. Dieses Evangelium der Auferweckung des Lazarus kann man als eine Zusammenfassung des Johannes - Evangeliums verstehen. Jesus sagt zu Marta: „Dein Bruder wird auferstehen. Marta sagte zu ihm: Ich weiß, daß er auferstehen wird bei der Auferstehung am letzten Tag. Jesus fühlt sich falsch verstanden, er erwiderte ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben... Glaubst Du das?" Marta glaubt und Jesus erweckt ihn schon jetzt zum Leben.

Joh will hier deutlich machen: Jesus Christus ist derjenige, der uns das Leben schenken kann, jedem der glaubt, hier und jetzt, nicht erst im Endgericht. Durch Jesus Christus ist Gott schon mitten in diesem Leben erfahrbar.

Durch Christus erhält der Mensch die Möglichkeit, seinen Standort zu wechseln, aus der Finsternis zum Licht, vom Tod zum Leben. Das Johannes - Evangelium ist voll von solchen Wortbildern. Die einzige Bedingung ist der Glaube an Ihn. Der Glaube ist die verwandelnde Entscheidung. Durch den Glauben an Jesus Christus können wir schon hier das Leben in Herrlichkeit erhalten.

458. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Ob Sie die Eucharistiefeier bewusst mitfeiern - und ob damit der Gottesdienst für sie interessant oder langweilig erscheint, hängt in einem hohen Maße davon ab, wieviel Gebetsanliegen Sie in den Gottesdienst mitbringen. Lob und Dank, Bitte und Fürbitte, ihre eigenen Anliegen oder die Sorgen anderer Menschen - alles hat seinen Dreh- und Angelpunkt in der Messe.

Wenn Sie mit einer anderen Person ins Gespräch kommen wollen, dann müssen Sie auch selbst die Initiative ergreifen. Der feste Vorsatz, aufmerksam zu sein, nützt wenig zum Gespräch, wenn Sie kein einziges Wort sagen. Und die Beschwerde, das Gespräch hätte Ihnen nichts gebracht, ist nur dann berechtigt, wenn sie auch selbst den Mund aufgemacht haben.

Somit gestaltet sich gerade der Beginn eines Gottesdienstes als ein höchst aktiver Teil: Wir wünschen uns die Nähe des Herrn; stimmen uns auf die Begegnung mit Gott ein; bitten Gott und die Mitchristen um Verzeihung; freuen uns über die Schönheit und Größe Gottes und loben Ihn deswegen; und wir bringen unsere Anliegen, unsere Befindlichkeit vor Ihm - und das alles schon in den ersten 7 sieben Minuten. Fast so, wie auch in einem alltäglichen Gespräch. Dann aber wird es Zeit, sich zu setzen und einander zuzuhören.

Denn nicht nur wir haben etwas mitgebracht. Auch Gott möchte uns etwas sagen. Dass Gott zu den Menschen spricht, ist keine Neuigkeit. Das hat er schon immer getan, bis auf den heutigen Tag. Warum sollte er gerade bei Ihnen eine Ausnahme machen?
Gott zuzuhören ist ganz einfach. Er überlässt uns sogar die Art und Weise, wie wir ihm zuhören wollen.
Vielleicht haben Sie eine ganz bestimmte Frage, ein Problem, auf das Sie eine Antwort möchten. Hören Sie gut hin, welche Antwort Gott Ihnen gibt - in den Texten, aber vielleicht auch in den Liedern, die wir singen.
Wir sollten vor allem den Lesungen und dem Evangelium zuhören. Dort hat Gott schon einmal zu den Menschen gesprochen; er hat auch damals schon uns mit dem gemeint, was er gesagt und getan hat.
Vielleicht fällt Ihnen ein bestimmter Satz auf, eine besondere Person, ein interessanter Sachverhalt - dann lassen sie sich ruhig von diesem kleinen Teil anregen.
Oder sie versuchen, sich die Situation der Lesungen im ganzen vorzustellen: Wie sah die Landschaft aus? Wie waren die Menschen, die genannt wurden? Lassen sie ihre Fantasie spielen und seien sie nicht überrascht, wenn darin plötzlich Gott auftaucht - oder zumindest die Antwort, um die sie Gott gebeten haben.
Oder sie warten auf die Predigt. Rechnen sie nicht mit guter Unterhaltung. Warten Sie auf einen Gedanken, der ihnen weiterhilft. Seien Sie aber auch nicht zu voreingenommen: Manchmal passen die Antworten, die Gott ihnen gibt, wie die Faust aufs Auge. Aber Hauptsache, sie passen. Rechnen sie nicht immer mit Streicheleinheiten.
Und erwarten sie keinen Geistesblitz. Wie der kleine Samuel in der Lesung erfahren hat, kann Gottes Wort so einfach und banal wirken, dass wir gar nicht auf den Gedanken kommen, dass es Gott ist, der da zu uns redet.
Alles in allem ist Zuhören etwas Aktives. Sich zurückzulehnen und auf die Bedienung zu warten wird nicht sehr vielversprechend sein. Dennoch kann es ihnen passieren, dass sie wirklich in einen inneren Gesprächsverlauf hineingezogen werden, der ihnen das Heft aus der Hand nimmt. Damit müssen sie rechnen.

Ob Gott ihnen etwas zu sagen hat, liebe Schwestern und Brüder, ist keine Frage. Er versucht ja ständig, sie zu erreichen; und obwohl meistens besetzt ist, gibt er nicht auf.
Sie kommen Gott allerdings ein ganzes Stück entgegen, wenn Sie ihm ein deutliches: «Gesprächsbereit!» signalisieren.

Erwarten Sie aber nicht zu viel von sich selbst: Schon im Alltag spüren wir immer wieder, dass gutes Zuhören und echte Aufmerksamkeit gut geübt sein will. Amen.

459. Predigtvorschlag

Predigtreihe zum Jahr der Bibel - 1. Predigt - Historizität des NT

Liebe Schwestern und Brüder, wir haben es schon am Anfang des Gottesdienstes gehört: Wir wollen auch in unserer Gemeinde das Jahr der Bibel 2003 als Anlass nehmen, dem Buch der Bücher einen neuen Zugang abzugewinnen. Ich habe vor einigen Jahren schon einmal eine Predigtreihe zur Eucharistie gehalten, an den nächsten Sonntag möchte ich nun etwas zur Heiligen Schrift sagen.

Es gibt verschiedene Hürden, die es uns schwer machen, einfach mal wieder in der Bibel zu lesen. "Alles gar nicht passiert" ist so eine Hürde; "unverständliches Zeug" eine andere; "alles so weit weg" - "langweilig" - und "immer dasselbe" weitere Hürden.

Für heute möchte ich die erste Hürde in Augenschein nehmen: "Das ist alles gar nicht passiert"; die Bibel sei ein Sammelsurium von Legenden, Märchen, Gerüchten und Unwahrheiten. Wie soll Gott etwa die Welt in nur sieben Tagen erschaffen haben? Wie kann es sein, dass alle Tiere dieser Welt auf nur einem einzigen Schiff Platz gefunden haben sollen? Sollte Mose wirklich das Rote Meer mit seinem Stab geteilt haben? Kann Jesus die Zukunft vorhersagen, Menschen heilen und Tote erwecken? Wie kann jemand, der tot ist, selbst wieder lebendig werden?

Wie sollen wir die Bibel lesen? Nun, Lukas leitet sein Evangelium mit den Worten ein: «Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.» (Lk 1, 1-5)
Und Petrus schreibt in seinem zweiten Brief: «Ich halte es nämlich für richtig, euch daran zu erinnern, solange ich noch in diesem Zelt lebe, und euch dadurch wach zu halten; denn ich weiß, dass mein Zelt bald abgebrochen wird, wie mir auch Jesus Christus, unser Herr, offenbart hat. Ich will aber dafür sorgen, dass ihr auch nach meinem Tod euch jederzeit daran erinnern könnt. Denn wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe.» (2 Petr 1, 13-16)
Zumindest für das Neue Testament erheben die Autoren den Anspruch, historische Wahrheit zu überliefern, keine Mythen und keine orientalische Märchen. Moderne Theologen betonen zwar immer wieder, dass die Autoren der Bibel ihre Glaubenserfahrungen vermitteln wollen - und kein Geschichtsbuch mit historischem Anspruch schreiben wollten. Sie schließen daraus, dass vieles (vielleicht sogar alles?) nur Symbolgeschichten sind, die Glauben wecken wollen; aber ob das alles wirklich geschehen ist, bleibt unwahrscheinlich.

Einmal angenommen, sie wollen ihren Enkeln deutlich machen, wie schrecklich der Krieg ist. Deshalb sammeln sie Geschichten und Erzählungen, die sie selbst im Krieg erlebt haben oder die andere ihnen erzählen. Ihre Absicht ist es nicht, eine Geschichte des zweiten Weltkrieges zu schreiben, sondern deutlich machen, was Krieg eigentlich bedeutet. Deshalb ordnen sie die Geschichten, betonen bestimmte Details und lassen andere weg, erklären bestimmte Dinge auf, die die Kinder noch nicht verstehen können und so weiter.
Kann ein moderner Forscher daraus schließen, dass das alles erfunden ist und nie stattgefunden hat? Machen die Geschichten denn überhaupt noch einen Sinn, wenn sie alle erfunden sind? Wohl kaum.

Oder ein anderes Beispiel: Ein Biologe schreibt ein Buch, in dem er die kleinen und großen Wunderwerke der Natur beschreibt; die Schönheit und Ordnung der Pflanzen- und Tierwelt, um dadurch auf die Schönheit Gottes zu verweisen. Kann man deshalb sagen: Es geht ihm doch nur um Gott, also wird alles andere wohl erfunden sein?

Anzunehmen, dass die Bibel sich nicht um Naturwissenschaften und Geschichtswissenschaften bemüht, nur weil sie im Dienst des Glaubens steht, ist unwissenschaftlich.

Es ist klar: Wenn ich nicht an Gott glaube, werde ich auch die Bibel für ein Lügenbuch halten; denn es wird dort von den Taten Gottes erzählt. Aber auch als glaubenswilliger Mensch, der Wunder und Berufungen für möglich hält, ja sogar so etwas wie eine Menschwerdung Gottes nicht von vornherein ausschließt, sollte bei Wunderberichten skeptisch sein. Warum also der Bibel glauben?

Nun, deshalb, weil sie sogar aus historischer Sicht sehr glaubwürdig sind. Nehmen wir einmal die Auferstehung Jesu: Die Informationen über dieses Ereignis lassen sich auf die ersten fünf Jahre nach Jesu Tod datieren - viel zu wenig Zeit für eine Legendenbildung, außerdem fehlen die für eine Legende üblichen Ausschmückungen. Die Zeugen und Kritiker Jesu waren alle noch am Leben und hätten jede Unwahrheit sofort aufgegriffen, um endlich diesen lästigen christlichen Glauben zu entblößen. Außerdem werden Frauen als die ersten Zeugen der Auferstehung genannt, obwohl das Zeugnis der Frauen wurde damals als grundsätzlich unzuverlässig angesehen und war z.B. vor Gericht nicht erlaubt. Der einzige Grund, dieses eher peinliche Detail nicht zu verschweigen ist der, dass es wirklich Frauen waren, die das leere Grab entdeckten. Außerdem ist glaubten die ersten Jünger ernsthaft und ganz plötzlich an die Auferstehung Jesu, obwohl sie an das Gegenteil hätten glauben müssen; denn der jüdische Glaube kennt keine Auferstehung vor dem Jüngsten Gericht am Ende der Zeiten. Für diesen Glauben waren sie sogar bereit zu sterben.

Wenn es aber - auch aus historisch, wissenschaftlicher Sicht - keine vernünftigere Erklärung für die Berichte von der Auferstehung gibt, als eben die Annahme, dass Jesus wirklich von den Toten auferstanden ist, dann dürften auch die restlichen Wunder keine Schwierigkeiten sein - davon abgesehen bestehen sie die historische Prüfung ebenso sicher.
Es gibt also gute Gründe, die Glaubwürdigkeit der Evangelien anzunehmen, und so gut wie keine Gründe, die Bibel für unglaubwürdig zu halten.

Liebe Schwestern und Brüder, natürlich besteht ein Unterschied zwischen den neutestamentlichen Berichten und den Erzählungen des Alten Testamentes. Die Hürde, "alles ist erfunden" lässt sich allerdings leicht nehmen: Das sagt schließlich nur der, der nicht glauben möchte.

Wir Christen, die wir von Gott berufen sind und seine Kinder heißen, sollten uns nicht beirren lassen. Lesen Sie in die Bibel in dem Geist, in dem sie geschrieben ist: Als ein aufrichtiges Zeugnis derjenigen, die Gott gesehen, gehört und erfahren haben. Amen.

460. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Vorhin in der Lesung haben wir meiner Meinung nach eine der schönsten Berufungsgeschichten gehört, die in der Bibel erzählt werden. Gott ruft Samuel in seine Nachfolge. Drei mal ruft er ihn, bevor er erklärt bekommt, bevor er versteht, daß es Gott ist, der ihn ruft. So wie Samuel wird ein jeder von uns gerufen. So wie er, wissen wir aber oft nicht, ob es Gott ist, der uns da ruft. Gerufen wird man viel. Jeder, der in irgendeinem Verein ist, kennt die Not, wenn die Vorstandsposten neu besetzt werden müssen. „Bin ich dazu berufen?". In diesem Jahr stehen Pfarrgemeinderatswahlen an: „Bin ich gerufen?". Da leidet jemand von meinen Verwandten oder Bekannten? „Bin ich gerufen zu helfen, zu trösten?". Gott ruft uns, jede Herausforderung, jede neue Aufgabe kann ein Ruf Gottes sein. Uns geht es ähnlich wie Samuel, der Gott zunächst nicht erkennt. Der Ruf Gottes ist nicht leicht zu verstehen. Samuel braucht den Rat eines Dritten, er ersucht den Priester Eli um Rat. Halten sie es wie er: Sprechen sie mit anderen über ihren Glauben; bitten sie den Partner um Rat, wo sie einen Ruf, eine Berufung spüren und nicht wissen, ob es Gott ist, der da ruft. Samuel wird mit seiner Antwort „Hier bin ich" zweimal von Eli verständnislos angeschaut und zurückgeschickt. So mag auch uns so manche Verständnislosigkeit begegnen, wenn wir über den Ruf Gottes reden. Vielleicht sind wir aber auch auf der anderen Seite wie Eli gefordert, anderen einen Rat zu geben und darauf hinzuweisen: „Es ist Gott, der Dich da ruft."

Die Berufungsgeschichte des Samuel zeigt uns noch viel mehr: Samuel hat bestimmte Voraussetzungen, damit er Gottes Ruf hören kann. Er wird von seiner Mutter Gott geweiht; er wird einem Priester, Eli, in die Obhut gegeben. Auch an uns ist das geschehen: wir sind von unseren Eltern in die Obhut Gottes gegeben, wir sind getauft, Pastor hat letzten Sonntag darüber gepredigt. Und auch sie wiederum haben ihre Kinder in seine Obhut gegeben, haben sie taufen lassen; aber ist uns das auch Ernst? Oder weisen wir jemanden erst einmal zurecht, wenn er sich uneigennützig engagiert ohne Geld dafür zu bekommen, oder wenn es sogar soweit kommt, daß sein christliches Handeln auffällt?


Ein weiterer Aspekt der Samuelgeschichte: Samuel hört Gott in der Stille der Nacht. Geben wir uns überhaupt die Chance, Gott zu hören? Immer ist um uns herum etwas los, stets sind wir beschäftigt. Selbst die Terminkalender der Kleinsten sind ja schon zum bersten gefüllt. Ich merk das jetzt bei der Kommunionvorbereitung, wie schwer es da ist, mit den Kindern einen gemeinsamen Termin zu finden. Hat Gott da überhaupt noch eine Chance, zu uns durch zu dringen? Bei Samuel ist es still. Still werden, um zu hören, was Gott will. In einem Handbuch für Exerzitien im Alltag heißt es. „Nimm dir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit fürs Gebet; und wenn Du viel zu tun hast, eine ganze Stunde." Sie haben richtig gehört. Nicht in der Hektik den Kopf verlieren, sondern gerade dann in Gott die Orientierung finden.

Eine ganz ähnliche Berufungsgeschichte wie die des Samuel wird uns im heutigen Evangelium erzählt. Ich möchte nur noch kurz darauf eingehen, um einige Parallelen aufzuzeigen, die auch für unser leben mit Gott Bedeutung haben: Johannes und Andreas, die zwei Jünger Johannes des Täufers, sind auf der Suche nach Gott. Da ist ihrem Volk der Messias verheißen und es passiert nichts. Ähnlich wie Samuel finden sie Gott nicht. Sie suchen Johannes den Täufer auf, den, der von Gott erzählt, so wie Samuel zu dem Priester Eli geschickt wird. Johannes weist sie auf Jesus hin: „Seht das Lamm Gottes". Sie hören was Johannes sagt und folgen Jesus. Sie sind aufmerksam auf das, was auf Gott hinweist, sie gehen mit offenen Augen und Ohren durchs Leben, so wie Samuel hört. Und so finden sie Jesus. Sie laufen ihm hinterher, ohne überhaupt schon mehr von ihm zu wissen, einfach Christus folgen.

So sind auch wir aufgefordert, Gott zu folgen. Er ruft uns, geben wir uns die Chance, seinen Ruf zu hören, versuchen wir, auch mit Hilfe anderer, seinen Ruf zu verstehen, um uns dann auf den Weg zu machen, Christus folgen, ihm begegnen, um dann bei ihm zu bleiben.

Dann gilt auch uns, was im letzten Satz der Lesung berichtet wird: Samuel wuchs heran, und der Herr war mit ihm.

461. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

"Mama!" "Michael, hast Du schon ...", "Herr Müller, da ich sie gerade treffe, ...", "Marion, kannst Du mal eben ..." So werden wir gerufen, viele mehrfach täglich. So manches Mal überhören wir diese Rufe, weil wir gerade nicht in der Nähe sind, weil wir ganz und gar mit anderen Dingen beschäftigt sind, die uns voll einnehmen: Jugendliche, die vorm PC hocken, Männer, die in ihrer Werkstatt basteln. Oder um uns herum ist es so laut, dass wir gar nichts hören - nicht nur bei Jugendlichen die Musikanlage, auch vieles Andere haben wir in den Ohren, dass wir die Rufe Gottes nicht hören.

Doch selbst wenn wir Seine Rufe hören, würden wir sie als solche erkennen?

In der 1. Lesung vorhin hat Samuel zunächst nicht gewusst, dass es Gott ist, der ihn ruft. Als er Nachts im Schlaf seinen Namen hört, denkt er "Wer kann ihn schon rufen?" Das ist sicher Eli, der Priester des Tempels, sein Erzieher. Und Samuel steht auf. Seltsam, Eli hat nicht gerufen. Samuel legt sich wieder hin. Noch einmal: Er hört, geht, Eli hat nicht gerufen. Erst als Samuel zum dritten mal zu ihm kommt, merkt Eli, dass hier Gott im Spiel ist, dass ER Samuel gerufen hat. Das Kind Samuel hat mehr Gespür als der Erwachsene, der Priester Eli. Erwachsene können hier durchaus von Kindern lernen.

Aber wie er Gott antworten soll, das weiß Samuel noch nicht. Das muss er von Eli lernen: Rede Herr, Dein Diener hört. Und noch ein viertes Mal ruft Gott Samuel bei seinem Namen. Jetzt kann Samuel antworten, wie er es gelernt hat: Rede, Herr, Dein Diener hört.

Um solch einen Ruf zu hören, muss man schon sehr aufmerksam sein für das, was Gott einem zu sagen hat. Bei Samuel war es das erste Mal, dass Gott so direkt zu ihm gesprochen hat. Bestimmt hat er diese Nacht im Tempel nie mehr vergessen. Weil er auf Gott gehört hat, konnte er ihn auch immer besser kennen lernen. Als er erwachsen war, wurde er ein Prophet, er sollte dem König und dem Volk Israel Gottes Willen verkünden. Immer wieder war es für ihn daher wichtig, auf Gott zu hören und mit ihm in Verbindung zu bleiben; und als er als alter Mann gestorben war, hielt das ganze Volk Israel die Totenklage für ihn; weil sie wussten: Samuel hat uns gezeigt, wie das geht, auf Gott zu hören und ihn immer besser kennen zu lernen.

Im Evangelium wird uns eine Jüngerberufung berichtet, die parallel zur Samuelgeschichte verläuft:

1. Johannes und Andreas, die zwei Jünger Johannes des Täufers, sind auf der Suche nach Gott. Da ist ihrem Volk der Messias verheißen und es passiert nichts. Ähnlich wie Samuel finden sie Gott nicht, sie kennen ihn noch nicht.
2. Sie suchen Johannes den Täufer auf, den, der von Gott erzählt, so wie Samuel zu dem Priester Eli geschickt wird.
3. Johannes weist sie auf Jesus hin: „Seht das Lamm Gottes", so wie Eli Samuel auf Gott hinweist, der ihn da ruft.
4. Sie hören was Johannes sagt und folgen Jesus. Sie sind aufmerksam auf das, was auf Gott hinweist, sie gehen mit offenen Augen und Ohren durchs Leben, so wie Samuel hört.
Und 5. so finden sie Jesus. Sie laufen ihm hinterher, ohne überhaupt schon mehr von ihm zu wissen, einfach Christus folgen. Genau wie Samuel. Er wuchs heran, und der Herr war mit ihm.

Diese Geschichte kann auch parallel mit unserem Leben geschehen:
Für die Mehrheit in unserem Land ist Gott nicht mehr präsent - man spürt ihn kaum, ähnlich wie bei Samuel, oder auch zur zeit Jesu - es gab viele Heilspropheten, doch keiner erwies sich als der Messias - heute wird die Wirtschaft als das höchste Gut angepriesen, doch das Heil wird auch das Wachstum nicht bringen.

Da gilt es 1. Sich auf den Weg machen und suchen, das macht heute kaum jemand - den meisten gefällt es gut in ihrem Elend. Ein bischen Wohlstand - Flasche Bier, Pommes - was brauch ich mehr - und wenn einer stirbt, mein Gott, vielleicht wird er ja wiedergeboren. Die meisten sind so mit Lärm umgeben, dass sie den Ruf Gottes gar nicht vernehmen können. Also: auf den Weg machen, Gott suchen, dazu

2. jemanden aufsuchen, der Ahnung hat. Denn selbst wenn wir seine Rufe hören, würden wir sie als solche erkennen? So wie Samuel, wissen wir oft nicht, ob es Gott ist, der uns da ruft. Da leidet jemand von meinen Verwandten oder Bekannten? „Bin ich gerufen zu helfen, zu trösten?". Jede Herausforderung, jede neue Aufgabe kann ein Ruf Gottes sein. Der Ruf Gottes ist nicht leicht zu verstehen. Samuel braucht den Rat eines Dritten, er ersucht den Priester Eli um Rat. Die Jünger gehen zu Johannes den Täufer. Halten sie es wie sie: Sprechen sie mit anderen über ihren Glauben; bitten sie den Partner, den gläubigen Freund, den Priester um Rat, wo sie einen Ruf, eine Berufung spüren und nicht wissen, ob es Gott ist, der da ruft. Samuel wird mit seiner Antwort „Hier bin ich" zweimal von Eli verständnislos angeschaut und zurückgeschickt. So mag auch uns so manche Verständnislosigkeit begegnen, wenn wir über den Ruf Gottes reden.

3. den Hinweis auf Gott bekommen "Seht das Lamm Gottes",

und 4. dem Rat folgen, den verrückten Weg einschlagen, Christus folgen und fragen: "Meister, wo wohnst Du?", ihm zu antworten: "Rede Herr, dein Diener hört" Dann aufmerksam auf das, was auf Gott hinweist, mit offenen Augen und Ohren durchs Leben gehen, wie Samuel hören. In einem Buch für Exercitien im Alltag heißt es dazu: „Nimm dir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit fürs Gebet; und wenn Du viel zu tun hast, eine ganze Stunde." Nicht in der Hektik den Kopf verlieren, sondern gerade dann in Gott die Orientierung finden,

um dann 5. Gott zu finden.
Und dann geht es erst richtig los: Samuel hört das Wort, das Gott ihm sagt. Sein Leben lang wird er nichts anderes tun als auf das Wort hören und es treu weitersagen, sei es gelegen oder ungelegen - genauso der Jünger Andreas im Evangelium: sofort geht er hin zu seinem Bruder und erzählt ihm von den Gott, den er gefunden hat.

Genauso sind wir gerufen, den Menschen von Gott zu erzählen, sei es gelegen oder ungelegen - wir dürfen mit der frohen Botschaft nicht hinterm Berg bleiben - Andreas fängt direkt in der eigenen Familie an und führt seinen Bruder zu Jesus - bestes Beispiel für uns.

Was aus diesem Bruder geworden ist, wissen wir: der erste der Apostel - Jesus nennt ihn schon hier bei seiner Berufung: "Kephas - Fels - Petrus" - er bekommt einen neuen Namen, ein Name, der Programm werden soll. Das zeigt, ähnlich wie bei Samuel - das Gott uns ganz fordert - nicht nur ein bischen berufen - sondern mein ganzes Leben gehört ihm - Samuel wurde schon als Kind Gott im Tempel geweiht und Eli zur Erziehung übergeben - Petrus hat Frau, vielleicht Kinder, zumindest Schwiegermutter verlassen, um ganz Christus zu folgen - ähnlich erwartet er es auch von uns. Denn nur dann können wir anderen glaubhaft Zeugnis ablegen von Jesus Christus.

So sind auch wir aufgefordert, Gott zu folgen. Er ruft uns, geben wir uns die Chance, seinen Ruf zu hören, versuchen wir, auch mit Hilfe anderer, seinen Ruf zu verstehen, um uns dann auf den Weg zu machen, Christus folgen, ihm begegnen, um dann bei ihm zu bleiben.

Dann gilt auch uns, was im letzten Satz der Lesung berichtet wird: Samuel wuchs heran, und der Herr war mit ihm.

Samuel hat vor über 3000 Jahren gelebt, und doch vermag er uns noch genauso zu lehren, wie das Volk Israel damals. Still zu werden, lernen auf Gott zu hören und ihn immer besser kennen lernen. Wenn ich das will, brauch ich bloß auf die Bibel zu schauen und mich so zu verhalten wie er: hören, nicht aufgeben, einem guten Rat folgen, dann mit Gott in Verbindung bleiben, immer wieder neu auf ihn hören, auch wenn ich meinen Weg gefunden habe - damit ich den anderen Glaubenden den Willen Gottes verkünden kann.

Vielleicht sind wir aber auch auf der anderen Seite wie Eli gefordert, anderen einen Rat zu geben und darauf hinzuweisen: „Es ist Gott, der Dich da ruft."

Das ist schwer in unserer hektischen Zeit. Doch es kommt ganz auf den Maßstab an, nach dem wir unser Leben ausrichte. In einem Handbuch für Exerzitien im Alltag heißt es dazu: Sie haben richtig gehört.

Die Berufungsgeschichte des Samuel zeigt uns noch viel mehr: Samuel hat bestimmte Voraussetzungen, damit er Gottes Ruf hören kann. Er wird von seiner Mutter Gott geweiht; er wird einem Priester, Eli, in die Obhut gegeben. Auch an uns ist das geschehen: wir sind von unseren Eltern in die Obhut Gottes gegeben, wir sind getauft, Pastor hat letzten Sonntag darüber gepredigt. Und auch sie wiederum haben ihre Kinder in seine Obhut gegeben, haben sie taufen lassen; aber ist uns das auch Ernst? Oder weisen wir jemanden erst einmal zurecht, wenn er sich uneigennützig engagiert ohne Geld dafür zu bekommen, oder wenn es sogar soweit kommt, dass sein christliches Handeln auffällt?

Es gibt heute keinen Tempel mehr in Israel, nicht in Schilo und nicht in Jerusalem. Wo die Bundeslade geblieben ist, weiß niemand - und doch können wir Gott ganz nahe sein: in der Anbetung der Eucharistie hier in der Kirche.

Ein weiterer Aspekt der Samuelgeschichte: Samuel hört Gott in der Stille der Nacht. Geben wir uns überhaupt die Chance, Gott zu hören? Immer ist um uns herum etwas los, stets sind wir beschäftigt. Selbst die Terminkalender der Kleinsten sind ja schon zum bersten gefüllt. Ich merk das jetzt bei der Kommunionvorbereitung, wie schwer es da ist, mit den Kindern einen gemeinsamen Termin zu finden. Hat Gott da überhaupt noch eine Chance, zu uns durch zu dringen? Bei Samuel ist es still. Still werden, um zu hören, was Gott will.

462. Predigtvorschlag

Jona - ein besonderer Prophet (Predigt zur Lesung)

Daß ich ständig eine Brille trage, hat womöglich damit zu tun, daß ich als Kind, sobald ich lesen konnte, eine Unsitte hatte: Ich las spät abends noch im Bett. Wir hatten im Haus zum Beispiel ein sehr dickes Buch mit Grimms Märchen, und das las ich von vorne nach hinten und manche Geschich-ten immer wieder. Das Licht, das ich dabei anhatte, war nicht das beste, und so wurden meine Augen dabei in Mitleidenschaft gezogen. Die Geschichte von Jona, dem Propheten, ist mehr als ein Märchen. Sie gehört zur Erinnerung des Volkes Israel. Wie die Gleichnisse Jesu ist sie ein Stück Weltliteratur. Für uns ist Jona eine bekannte Gestalt. Jona, der Prophet, der für den Walfisch nicht ganz leicht verdaulich ist. - Aber wie ist es mit der Geschichte von Jona, dem Propheten? Ist sie für uns leicht verdaulich? Aber zuerst müssen wir uns fragen: Was ist das eigentlich - ein Prophet Gottes im Alten Testament? Die Propheten hatten eines gemeinsam: Sie wußten sich von Gott berufen, eine besondere Botschaft zu überbringen. Diese Botschaft sollte aufrütteln, hochreißen, zum Umdenken bringen. Die Menschen sollen durch die Botschaft der Propheten erkennen, wer Gott ist: ein Gott des Bundes, der machtvoll handelt und wirkt. Er ist wie die Sonne zur Erde: in seinem Orbit wird der Mensch nicht weniger Mensch, sondern er empfängt Leben und Liebe, er blüht auf und bringt Frucht.

Die Propheten Israels waren keine Profis. Sie unterschieden sich von den Hof- und Lügenpropheten ihrer Zeit, die es immer wieder auch gab. Diese Hofpropheten schmeichelten den Ohren. Sie verkündeten das, was den Leuten gefiel. Die Botschaft von Strafe und Gericht gehört in der Regel nicht dazu. Die wahren Propheten mußten darum versuchen, den Finger auf die Wunde zu legen und zur Umkehr und zur Buße aufzurufen. Daß sie dabei geschmäht, verfolgt oder sogar gefangengesetzt oder umgebracht wurde, war sozusagen ihr Berufsrisiko. Gott hatte ihnen kein einfaches und bequemes Leben versprochen, sondern Schwierigkeiten, Widerstand, Verfolgung. Aber das alles konnte sie nicht von ihrer Aufgabe abbringen. Sie konnten gar nicht anders als das zu sagen und zu tun, was Gott selbst ihnen aufgetragen hatte. Nicht eine weltliche und auch nicht eine religiöse Macht hatte ihnen ein Mandat gegeben, sondern der lebendige Gott selbst, der sie inspirierte und antrieb. Sein Sprachrohr sollten sie sein. Die Botschaft, die der Jona zu verkünden hatte, war denkbar kurz: "Geh nach Ninive, in die große Stadt, und droh ihr das Strafgericht an!", sagt Gott zu ihm (Jon 1,2). - Da haben wir's! Es gibt also kein Pardon. Gott straft, vernichtet und verdirbt. So versteht es Jona, der Prophet, und so verstehen es viele Menschen immer wieder, zu allen Zeiten. Aber es gibt auch die anderen, die sich Gott nach einem anderen Bild zurechtmachen: Gott ist doch ganz weit weg. Er kümmert sich um nichts mehr. Er sieht nichts, hört nichts, tut nichts. Laßt uns auf den Putz oder auf die Sahne oder auf was auch immer hauen: es hat ja keine Folgen. Jedenfalls nicht für uns.

Beide Meinungen von Gott gibt es. Aber welche ist richtig? Ist es richtig, daß Gott einer ist, der gnadenlos straft, oder ist es richtig, daß Gott sich nicht interessiert für das, was hier bei uns vorgeht? Jona scheint seine Sache mit Gott klar zu haben. Er zieht durch die Riesenstadt Ninive und verkündet: "Noch vierzig Tage, und Ninive ist zerstört!" - Stellen wir uns einmal vor, so etwas würde einer bei uns sagen: Noch vierzig Tage Zeit, und dann ist alles vorbei! Die meisten würden wohl sagen: Der spinnt! Der war zu lange in der Sonne! - Und genau diese Reaktion scheint Jona zu erwarten. Er macht sich überhaupt keine Mühe, seine Botschaft zu unterstreichen. Er dis-kutiert nicht, er bleibt nicht stehen, er fleht die Leute nicht an. Er geht einen Tag weit in die Stadt, ruft seinen Spruch und dann - wartet er ab, was passiert. Und er ist sich sicher, daß etwas passiert - Gott hatte es ihm ja gesagt. Und was passiert? Das Unglaubliche: die heidnische Stadt glaubt dem Propheten Gottes. Nicht nur der eine oder der andere, sondern alle. Sogar das letzte Rindvieh versteht, worum es geht. Alle hüllen sich in Sack und Asche. Keine Ausflüchte, keine Ausnahmen, keine Entschuldigungen. Wo hat es das schon einmal gegeben?

Und Gott führt seine Drohung nicht aus.
Darüber ärgert sich Jona. Er hadert mit Gott: Habe ich es nicht geahnt? Ich soll eine Drohung hinausschreien, aber du kümmerst dich dann doch nicht darum. Du bist ein barmherziger Gott, du bist langmütig, und es tut dir leid, was du angedroht hast (vgl. Jon 4,2). - Und so wird der Prophet selbst zum Lernenden: Gott droht, aber er gibt auch die Gnade der Umkehr. Er verheißt Unheil, aber auch dabei hat er immer das Heil der Menschen im Blick.

Aber niemals handelt Gott nach der Weise der Menschen. Er bleibt immer Gott. Egal, wann und wo wir diese oder andere wunderbaren Überlieferungen lesen: wir sollten sie immer lesen mit der Brille des Gebetes und des gläubigen Vertrauens.

463. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, noch bevor wir nur ein Wort des Gebets gesprochen haben, hat Gott uns schon längst angeredet - das war die Botschaft der Predigt vom letzten Sonntag. Allerdings ist dieses "Anreden" viel weniger von Worten geprägt, als wir beim Begriff "Gebet" oft glauben.

Schauen wir einmal auf die denkwürdigen Gespräche, die sich zwischen zwei Beinahe-Liebenden entwickeln, zweien, die noch unerfahren sind und nicht wissen, wie so etwas geht. Haben Sie schon einmal einen solchen ersten Annäherungsversuch miterlebt?

"Was machst Du denn hier?" - "Och, nichts besonderes, und Du?" - "Ich habe auch keine Ahnung. Möchtest Du etwas trinken?" - "Weiß nicht. Willst Du denn etwas?"

Merken Sie? Das, was wir sagen, ist zunächst ziemlich belanglos - und doch ist es der Beginn eines unerhörten Geschehens. Wichtiger ist nämlich nicht, was wir sagen, sondern was wir erwarten.

Jesus sagt bei seiner Berufung der Jünger auch nicht viel. Er handelt keinen Vertrag aus, spricht nicht von der Zukunft, die zu erwarten ist. Und die Jünger? Die sagen überhaupt nichts. Die lassen einfach ihre Netze liegen und folgen Jesus.

Manche Exegeten glauben, das muss an der beeindruckenden Ausstrahlung Jesu gelegen haben: Ein Wort - und noch mehr sein Blick und seine Haltung - und schon liegen ihm die Herzen zu Füßen.

Vielleicht ist da etwas dran. Viel wahrscheinlicher scheint mir aber zu sein, dass die Jünger eine bestimmte Ausstrahlung hatten, so dass gerade diese Jünger für Jesus interessant waren. Er hat eben nicht alle Fischer angesprochen. Warum gerade Simon, Andreas, Johannes und Jakobus?

Wohl deshalb, weil sie ansprechbar waren. Weil es suchende Menschen gewesen sind. Sie werden auch schon als Jünger des Johannes erwähnt und haben dort Jesus kennengelernt. Warum waren sie zuvor bei Johannes dem Täufer - wenn nicht als Menschen voller Erwartung?
Diese vier (und vermutlich auch die restlichen acht, die Jesus später noch in seine Nachfolge ruft), waren Sucher - Glauben-wollende. Und Jesus antwortet darauf.

Liebe Schwestern und Brüder: Die Sehnsucht nach mehr ist Gebet. Die Unzufriedenheit mit dem rein Irdischen und die Sehnsucht danach, darüber hinaus glauben zu wollen, ist Gebet. Nicht die Worte, nicht der Akt des Glaubens selber - sondern der Entschluss, zu suchen.

Frere Roger, der Gründe von Taize, war als junger Mann (noch fern vom Glauben und Gebet) ernsthaft erkrankt - an Tuberkulose. In seiner Not versuchte er zu beten - aber es gelang ihm nicht; er konnte keine Worte finden und keine Gedanken festhalten. Nur ein Wort blieb hängen: "Dein Angesicht, Herr, will ich suchen" (Psalm 27). In dieser Zeit erkannte er, dass die Sehnsucht schon Glauben bedeutet. Später hat er das immer wieder den Jugendlichen in Taize gesagt: "Wenn dich verlangt, Gott zu schauen, dann hast Du schon Glauben."
Im Film Sister Act II heißt es so ähnlich: "Wenn Du morgens aufstehst - und Du denkst ans Singen, wenn Du abends einschläfst, und Du denkst ans Singen - dann stellt sich nicht mehr die Frage, ob Du später mal Sängerin werden sollst - dann bist Du schon eine Sängerin."

Wir Christen glauben, dass jeder Mensch im Innersten diese Sehnsucht spürt - oft überdeckt durch alle möglichen Ersatzbefriedigungen. Ja, gerade das ständige Suchen des Menschen nach Spass, Anerkennung, Harmonie und Ablenkung zeigt, dass unser Herz zutiefst unruhig ist. Gerade deshalb hat unser Glaube den Menschen immer etwas zu sagen. Ach, was rede ich: Gerade deshalb glaube ich, hat Gott immer eine Chance bei allen Menschen.

Alle Menschen warten auf einen Jona, der Ihnen verheißt, wo Erfüllung zu finden ist. Dass Ninive so sündigt - und sich so schnell bekehrt - hat den gleichen Grund: Dort lebten Menschen voller Sehnsucht.

Gebet fängt nämlich früher an, als die Worte sich finden. Wer Gott suchen will, wer sich danach sehnt, ein anderes Leben zu führen, der betet - und Gott wird antworten. Amen.

464. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Heute geht es im Evangelium um Berufungen. Vier Jünger ruft Jesus aus ihren weltlichen Tätigkeiten heraus in seine Nachfolge. Die Grundvoraussetzung für den neuen Beruf ist ihnen von Gott schon mitgegeben, sie können fischen, und sie sollen Menschenfischer werden. Dieses Wortspiel benutzt der Evangelist absichtlich. Damit soll deutlich werden, daß die Jünger die Fähigkeiten und Talente, die Gott ihnen gegeben hat nutzen für ihren neuen Berufen nutzen sollen. Angler unter Ihnen werden das kennen, als Fischer braucht man Geduld, Ausdauer, Zielstrebigkeit und Gelassenheit. Die Jünger sollen diese Talente für Gott einsetzen. Und das gilt auch uns, auch wir sollen unsere Talente nicht für irgend etwas, sondern für ihn nutzen, zu seiner Ehre, für unsere Berufung. D.h. nicht, daß sie aus ihrem Beruf aussteigen und predigend durchs Land ziehen sollen. Nein, sie sollen gerade in ihrem Beruf, an ihrem Platz im Leben ihre Talente einsetzen. Und so sind diese Berufungen der vier Jünger nicht eigentliche Ausnahmen, sondern es sind exemplarische Berufungen, die auch Ihnen gelten, die sie in ihren weltlichen Berufen bleiben. Wie sie dort diesem Ruf folgen können, was ja eigentlich ein Lebensthema ist, dazu gibt uns Paulus in der heutigen Lesung einen wichtigen Hinweis.

In diesem Abschnitt, wo Paulus auf Fragen der Gemeinde in Korinth antwortet, macht er deutlich, welche Lebenseinstellung ein Christ haben sollte. „Wer weint, (der solle sich so verhalten) als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht besitzen, wer sich die Welt zunutze macht, als würde er nicht darin aufgehen." Auf den ersten Blick mag das unserer christlichen Überzeugung widersprechen: sollen wir den Tag nicht nutzen, im Heute leben. Sollen wir nicht gerade als Christen auch Einfluß in Politik und Gesellschaft nehmen? Dem widerspricht Paulus gar nicht. Das Wirtschaften, das Kaufen und Verkaufen verteufelt Paulus in den beiden Briefen an die Gemeinde in Korinth in keinster Weise. Korinth stellte damals einen Welthandelsplatz dar und Paulus hat die Menschen in keinster Weise genötigt, diese Stadt zu verlassen, weil ein Christ darin nicht leben könne; im Gegenteil, Paulus unterstützt ein Leben in dieser Welt. Aber schon damals sah der Apostel die Gefahr, daß Markt und Werbung den Menschen gefangen nehmen; daß er so am Besitz hängt, daß alles andere dahinter zurücksteht.

Als ich damals das alte Auto meiner Eltern so unglücklich kaputt gefahren hatte, daß es ein Totalschaden war, waren meine Eltern zwar nicht gerade erfreut, aber ich habe an ihrem Verhalten schon gespürt, daß der Mensch im Vordergrund stand, und das Auto eben nur ein Mittel zum Zweck ist, auch wenn es heute von vielen vergöttert wird.

Und genau das will auch Paulus sagen: wir sollen die Welt nutzen, sie aber nicht besitzen. Alle Güter, die wir in der Welt haben und gebrauchen müssen, und genießen dürfen, sollen so besessen werden, daß man jederzeit darauf verzichten kann. Denn wir haben ein anderes Ziel vor Augen als Besitz und hohes Ansehen. Durch Christus wissen wir um das Vergehen der Welt und um ihre Vorläufigkeit, wie es ja heute sowohl in der Lesung als auch im Evangelium betont wurde, wir wissen um ein Leben nach dem Tod. Dieses Wissen führt zu einer Distanz, zu einer Freiheit von diesen Dingen. Wenn wir dieses Wissen verinnerlicht haben, brauchen wir uns nicht mehr vom Zeitlichen beherrschen oder einschnüren lassen. Paulus plädiert eine Unabhängigkeit von der Welt. Wir sollen uns hier auf Erden nicht fest einrichten, als wären wir ewig hier, als gäbe es kein anderes Ziel. Wir sind hier im Zwischenstadium, wir sind nur Gast auf Erden, wir haben hier nur ein Zelt aufgeschlagen.

Wie gesagt, das heißt nicht: die Welt ablehnen, sondern gerade in ihr diese Freiheit realisieren. Paulus will uns mit seinen Beispielen, die wir vorhin in der Lesung hörten nicht in die Askese führen, sondern den definitiven Charakter der irdischen Zwänge in Frage stellen. Wenn ich mich von diesem aufgelegten Zwang der Werbung frei mache, nicht mehr an die irdischen Güter gebunden bin, frei werde vom Besitzen, dann spüre ich die mir von Christus geschenkte Freiheit.

Und mit dieser Freiheit kann ich Christus folgen. Wir Christen bedürfen, um dem Ruf zu folgen, der im Evangelium an uns ergangen ist, genau dieser Haltung, die Paulus in der Lesung beschreibt. Und hier gehen nun Lesung und Evangelium zusammen. Wie die Söhne des Zebedäus ihren Vater und die Tagelöhner zurücklassen, um Jesus zu folgen, so hat auch der in der Welt verbleibende Christ vieles von dem, was ihm unverzichtbar erscheint, zu lassen, will er Jesus ernstlich nachfolgen. Anders gesagt: die Talente, die Gott uns gegeben hat, nicht an irdische Pflichten, an irdische Güter verplempern, sondern den Menschen, Gott zu nutze machen. So wie die vier Jünger mit ihren Talenten mehr anfangen können als Fische fangen, so sind auch wir gerufen, gerade in unserem weltlichen Leben unsere Talente zum möglichst großen Vorteil Gottes und seiner Menschen zu verwenden.

So ganz nebenbei: Paulus begründet den Zölibat hier zum einen damit, daß er ein Zeichen für die Unvollkommenheit der irdischen Welt ist. Die vollkommene Form ist die Partnerschaft???? Der Priester soll den Zölibat leben, damit deutlich wird, wir sind hier noch unterwegs zum vollkommenen Leben. Jesus sagt im heutigen Evangelium: Das Reich Gottes ist nahe, aber wir haben es noch nicht ergriffen, wir haben es noch nicht umgesetzt. Solange leben wir hier in Unvollkommenheit. Der zweite Aspekt, den Paulus hier betont, ist der, daß der zölibatäre Seelsorger mehr Zeit hat, die Gemeinde zur Vollkommenheit zu führen.

465. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Ganz konsequent haben wir das soeben im Evangelium gehört - die Jünger lassen sofort alles stehen und liegen und folgen Jesus - es wäre ja schön, wenn wir das auch so könnten. Ich glaube, wir finden uns jedoch eher in der Person der 1. Lesung wieder. Viele von uns haben schon als Kinder diese Geschichte der Bibel kennen gelernt: Jona

Da wird dieser Mann von Gott nach Ninive geschickt, der großen Stadt, Sitz der assyrischen Großkönige, die über Jahrhunderte hin eine Eroberungspolitik verfolgten und jeden Widerstand erbarmungslos niederwarfen. Kein Wunder, dass Jona vor diesem Auftrag die Flucht ergreift, um ans andere Ende der damaligen Welt, nach Spanien zu gelangen. Doch Gott holt ihn ein. Im Bauch eines großen Fisches gelangt er wieder an die Küste Palästinas, wo er sozusagen an Land "gekotzt" wird. Und hier trifft ihn der Befehl Gottes ein zweites Mal: wir haben es gerade in der Lesung gehört. Jona gehorcht, aber nur mit innerem Widerwillen. Er geht nur einen Tagesmarsch in die Stadt hinein, von der es vorher hieß, dass man drei Tage brauche, um sie zu durchqueren. Seine Predigt reduziert er auf ein Minimum; nur einen Satz bringt er über seine Lippen: "Noch vierzig Tage, und Ninive ist zerstört." Er nennt weder seinen Auftraggeber noch den Grund für die Gerichtsansage. Dennoch trifft seine Drohbotschaft die Bewohner der Stadt. Sie ahnen, dass in ihr eine Warnung "verpackt" ist, ihren bisherigen Lebensstil weiter zu verfolgen, dass ihnen eine Frist zur Umkehr gesetzt ist und damit eine Chance, dem angekündigten Untergang zu entgehen. Sie "glauben an Gott", den sie hinter der Verkündigung des Propheten vermuten müssen, und unterziehen sich harten Bußriten.

Dieser Umkehr der Bewohner Ninives antwortet Gott mit seinem Erbarmen: ihn reute das angedrohte Unheil und "er tat es nicht" - knapper Ausdruck der freien Souveränität Gottes auch gegenüber der Schuld des Menschen. Statt des angekündigten Gerichts lässt Gott sein Erbarmen walten.

Dies nun passt dem Propheten ganz und gar nicht. Er besteht darauf, dass das Gericht über Ninive in Kraft gesetzt wird. Er richtet ein Gebet an seinen Gott: "Ach Herr, habe ich das nicht schon gesagt, als ich noch daheim war? Eben darum wollte ich ja nach Tarschisch fliehen; denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langmütig und reich an Huld und dass deine Drohungen dich reuen. Darum nimm mir jetzt lieber das Leben, Herr! Denn es ist für mich besser zu sterben als zu leben." Jona weigert sich, den Glauben an den gnädigen und gütigen Gott so zu akzeptieren, dass die Gnade und Güte Gottes auch für die eigentlich dem Gericht verfallenen Sünder gilt. Empfinden wir nicht manchmal ganz ähnlich?

Und wie reagiert Gott auf diesen Protest seines Propheten? Er erweist sich auch dem zornigen Jona gegenüber als gnädig und geduldig. Seine Frage: "Ist es recht von Dir, zornig zu sein?" ist voll gütiger Ironie. Gott schlägt nicht drein, sondern will durch seine Frage den Jona weiterführen. Ob der sich aber weiterführen lässt? Ob wir uns von Gott weiterführen lassen?

Jona hat sich östlich von Ninive eine Laubhütte gebaut und sich in ihren Schatten hingesetzt, um der Dinge zu harren, die über Ninive kommen werden; offensichtlich hat er die Hoffnung auf Gottes Gericht über die Einwohner der Stadt noch nicht aufgegeben. Aber er sieht sich enttäuscht. Seine Drohungen erfüllen sich nicht.

Wie Gott nun an dem zornigen Propheten arbeitet ist ein Meisterstück erzählerischer Kunst - es lohnt sich, Zuhause mal in Ruhe nachzulesen, es sind nur 3 Seiten - wir haben ja schließlich das Jahr der Bibel - es ist ein Kabinettstück überlegenen Humors. Gott lässt einen Rizinusstrauch über Jona emporwachsen der seinem Kopf Schatten geben und seinen Ärger vertreiben sollte. Jona, über den eben noch eine große Bosheit wegen des Mitleids Gottes mit den Einwohnern der Stadt gekommen war, empfindet eine große Freude über die kleine Erleichterung, die ihm Gott mit der Rizinusstaude in der Hitze des Tages gewährt hat. Den anderen soll Gott nicht gnädig sein, aber wenn es um ihn geht, freut er sich über Gottes Erbarmen. Vielleicht finden wir uns an dieser Stelle in der Person des Jona wieder.

Aber des Jona Freude währt nicht lange. Am nächsten Tag schickt Gott einen Wurm, der den Rizinusstrauch annagte, so dass er verdorrte. Und als die Sonne aufging, schickt Gott einen heißen Ostwind. Die Sonne stach Jona auf den Kopf, so dass er fast ohnmächtig wurde und sich den Tod wünschte.

Dieser Reaktion des Propheten begegnet Gott mit der Frage: "Ist es recht von dir, wegen des Rizinusstrauches zornig zu sein?" Gott packt den Jona dort, wo er sich gerade befindet. Ninive ist für den Propheten schon vergessen; er ärgert sich nur über den Verlust der schattenspendenden Pflanze - ging es ihm doch nie um mehr als um sein kleines Ich. Von diesem kleinen ich will Gott ihn wegholen, von diesem kleinen Ich will Gott uns wegholen, aber wieder versagt sich der Prophet. Er versteift sich wie ein trotziges Kind, wenn er antwortet: "Ja, es ist recht, dass ich zornig bin und mir den Tod wünsche."

Dies ist das letzte Wort, das Jona spricht. Nur noch eine Rede richtet Gott an ihn und die bleibt ohne Antwort: "Dir ist es leid um den Rizinusstrauch, für den du nicht gearbeitet und den du nicht großgezogen hast. Über Nacht war er da, über Nacht ist er eingegangen. Mir aber sollte es nicht leid sein um Ninive, die große Stadt, in der mehr als 120.000 Menschen leben, die nicht einmal rechts und links unterscheiden können - und außerdem so viel Vieh?" Der Sinn der Rede ist klar. Gott stellt dem großen Zorn des Jona sein großes Mitleid mit Menschen und Tieren gegenüber.

466. Predigtvorschlag

(Noch unfertig, ist auszubauen) - Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

Ein neues Pfarrheim steht an. Dabei ist es jetzt egal, ob ich von ... oder ... rede - es betrifft beide Gemeinden. Wie das ganze aussehen soll, was mit den alten Gebäuden geschieht, wissen wir dabei in beiden Fällen noch nicht. Wir sind in beiden Fällen auf dem Weg - aber wo es genau hin geht - wie es am Ende aussehen wird, wissen wir alle noch nicht. Aber einer weiß es schon :-)! Nicht der Pastor :-))! Aber Gott weiß es.

Und Gott hat auch einen Plan! Er weiß schon, was gut ist, was sinnvoll ist, was in seinem Sinne ist - er hat die Pläne schon fertig. Nur wir kennen sie noch nicht. Deswegen gilt es auch hier - wie immer und überall in unserem Leben!! - seinen Willen zu erkennen! Was kann man mit dem alten Pfarrheim in ... machen, wo soll das neue Pfarrheim in ... hin - was soll da alles rein? ER weiß es!

Da wird die erste Lesung konkret für uns: "Einen Propheten wird Gott erstehen lassen ... auf ihn sollt ihr hören" "Doch ein Prophet, der sich anmaßt, in meinem Namen ein Wort zu verkünden, dessen Verkündigung ich ihm nicht aufgetragen habe, ... soll sterben." Also nicht auf die falschen Propheten hören, seine eigenen Gedanken nicht zu Gottes Worten machen. Sondern auf Gottes Stimme hören. Natürlich ist das schwer herauszuhören - aber ich glaube, dass es sich lohnt. Gott will uns zur Freude führen, Gott hat Großes mit uns vor wie bei Moses. Daher gilt es, auf seine Propheten zu hören.

Oder Paulus in der 2. Lesung: Nicht den Menschen gefallen wollen, sondern Gott! Er lobt an dieser Stelle sehr den Zölibat - an anderer Stelle sagt er schon, dass die Ehe die Normalform ist und auch gut ist - nur hier passt dieses Zitat von ihm, deswegen hat es die Kirche zum heutigen Sonntag dazugestellt: sich für Gott einsetzen - in der Kirche, in der Familie, in der Welt ist wichtiger als alles Andere. Nicht der Welt gefallen wollen, sondern Gott. Gottes Willen heraus hören.

Im Evangelium wird deutlich, dass Jesus diesen göttlichen Willen vertritt. Den Menschen war das noch gar nicht bewusst, was die dunklen Mächte schon wussten: "Du bist der Heilige Gottes" - sie schreien es ihm entgegen. Die anderen rätseln nur: "sie waren betroffen von seiner Lehre"; erschrocken könnte man besser übersetzen - und später nochmal: "Was hat das zu bedeuten? Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet." Was ist das neue an dieser Lehre? Die Vollmacht, die Wirklichkeit der Worte! Aus den Worten werden Taten. Da setzt sich jemand radikal für Gott ein - da folgen bei jemanden auf Worte auch Taten! "Schweig und verlass ihn" und die unreinen Geister verließen ihn. Die Wirklichkeit der Worte imponiert mehr als die Gesetzestreue, wodurch sich die Pharisäer auszeichneten. Das ist das, was auch heute noch begeistert: Worte, die sich in Taten widerspiegeln. Es ist auch heute noch glaubwürdiger, wenn ich sehe wie jemand alles was er zum Leben hat, in den Opferstock wirft, als wenn der Reiche seine vorgeschriebenen 10% spendet. Auch heute sind andere betroffen von jemanden, der aus dem Sonntagsgottesdienst Kraft für die ganze Woche mitnimmt und aus der Eucharistie, aus dem Wort Gottes lebt und nicht von jemanden, der hier nur seine gesetzestreue Stunde absitzt.

Die Botschaft Jesu, die dahintersteckt ist so einfach wie anfordernd: Gott über alles lieben, und den Nächsten wie sich selbst (dann klappts auch mit dem neuen Pfarrheim).

467. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn ein neues Produkt auf den Markt kommt – sagen wir mal ein Anti-Schuppen-Schampoo oder ein Auto – dann wird dieses Produkt mit einer riesigen Werbekampagne eingeleitet: Werbespots im Fernsehen, im Radio, Anzeigen in Illustrierten und Zeitungen, vielleicht noch die von uns so allseits geliebten Postwurfsendungen. Eine Neuheit oder eine vermeintliche Neuheit soll bekannt werden.

Um eine Neuheit geht es auch im Evangelium: Hier wird mit Vollmacht eine ganz NEUE Lehre verkündet. Und auch auf diese Neuheit wird aufmerksam gemacht: Jesus treibt Dämonen aus. Und diese „Werbung“ scheint zu funktionieren: Und sein Ruf verbreitete sich im ganzen Gebiet von Galiläa.

Aber diese „Werbung“ funktioniert nicht, weil sie aggressiv wäre, unwahrscheinlich geschickt oder gar mit raffinierten Tricks arbeitet. Nein, das Neue verbreitet sich, weil es wirklich neu ist und glaubwürdig daherkommt: Und die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der göttliche Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.

Was ist denn die Lehre Jesu? Du sollst den Herrn Deinen Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. Das hat er immer und immer wieder gepredigt.

Gott und den Nächsten zu lieben, das steht schon im Alten Testament. Daran ist eigentlich nichts Neues. Was also ist neu? Die Antwort gibt uns Papst Benedikt in seiner ersten Enzyklika „Deus caritas est“ – Gott ist die Liebe. Er schreibt: Das eigentlich Neue des Neuen Testaments sind nicht neue Ideen, sondern die Gestalt Christi selber, der den Gedanken Fleisch und Blut, einen unerhörten Realismus gibt. Schon im Alten Testament besteht das biblisch Neue nicht einfach in Gedanken, sondern in dem unerwarteten und in gewisser Hinsicht unerhörten Handeln Gottes. Dieses Handeln Gottes nimmt seine dramatische Form nun darin an, daß Gott in Jesus Christus selbst dem ,,verlorenen Schaf’’, der leidenden und verlorenen Menschheit, nachgeht. Wenn Jesus in seinen Gleichnissen von dem Hirten spricht, der dem verlorenen Schaf nachgeht, von der Frau, die die Drachme sucht, von dem Vater, der auf den verlorenen Sohn zugeht und ihn umarmt, dann sind dies alles nicht nur Worte, sondern Auslegungen seines eigenen Seins und Tuns. In seinem Tod am Kreuz vollzieht sich jene Wende Gottes gegen sich selbst, in der er sich verschenkt, um den Menschen wieder aufzuheben und zu retten — Liebe in ihrer radikalsten Form. Der Blick auf die durchbohrte Seite Jesu, von dem Johannes spricht (vgl. 19, 37), begreift, was Ausgangspunkt dieses Schreibens war: ,,Gott ist Liebe’’ (1 Joh 4, 8). Dort kann diese Wahrheit angeschaut werden. Und von dort her ist nun zu definieren, was Liebe ist. Von diesem Blick her findet der Christ den Weg seines Lebens und Liebens.

Das ist das Neue! Auch heute ist das immer wieder neu. Denn wenn wir heute den Begriff „Liebe“ hören, dann begegnet er uns meist als durch Banalität vergewaltigter Begriff, als Herz-Schmerz-und-dies-und-das, als seichtes Gefühl oder ungeordnete Anhänglichkeiten.Unser Heiliger Vater macht in seinem Rundschreiben weiter deutlich, dass Liebe nicht bloß Gefühl ist. Gefühle kommen und gehen. Das Gefühl kann eine großartige Initialzündung sein, aber das Ganze der Liebe ist es nicht. (...) Sie besteht ja darin, dass ich auch den Mitmenschen, den ich zunächst gar nicht mag oder nicht einmal kenne, von Gott her liebe. Das ist nur möglich aus der inneren Begegnung mit Gott heraus, die Willensgemeinschaft geworden ist und bis ins Gefühl hineinreicht. Dann lerne ich diesen anderen nicht mehr bloß mit meinen Augen und Gefühlen anzusehen, sondern aus der Perspektive Jesu Christi heraus. Sein Freund ist mein Freund. Ich sehe durch das Äußere hindurch sein inneres Warten auf einen Gestus der Liebe – auf Zuwendung, die ich nicht nur über die dafür zuständigen Organisationen umleite und vielleicht als politische Notwendigkeit bejahe. Ich sehe mit Christus und kann dem anderen mehr geben als die äußerlich notwendigen Dinge: den Blick der Liebe, den er braucht.

Liebe Schwestern und Brüder, ist aber das nicht Romantik pur? Gibt es das denn überhaupt? Ja, das gibt es. Wir spüren das an diesem Sonntag. Nach fast einhundert Jahren verlassen die Mauritzer Franziskanerinnen das Antonius-Hospital in Kirchhellen. In all den Gesprächen und Reaktionen, die ich hier sozusagen als frisch Zugezogener mitbekommen habe, war zu spüren, dass die Schwestern diesen Gestus der Liebe, diesen Blick der Liebe geschenkt haben. Viele erinnern sich persönlich daran.

Und viele haben Sorge, dass dem Krankenhaus nun die liebende Seele abhanden kommen könnte. Diese Sorge ist Ausdruck für eine Erkenntnis, das dort, wo Menschen leben, die sich ganz Gott hingegeben haben, die Menschen auch anders behandelt und gesehen werden. Das ist so. Als Kirchengemeinde danken wir von Herzen, unseren Schwestern für deren treuen Dienst. Wir versprechen als Mitverantwortliche alles zu tun, damit der Geist echter Nächstenliebe im Antonius-Hospital wach und lebendig bleibt. Auch wenn die Schwestern in ihrer Art nicht zu ersetzten sind.

Papst Benedikt betont ausdrücklich: Die Kirche kann den Liebesdienst so wenig ausfallen lassen wie Sakrament und Wort. Diesem Aufruf des Papstes und dem Erbe der Schwestern entsprechend, haben sich Kirchengemeinde, Jugend-Kloster und Krankenhaus zusammengetan und beschlossen, das auch weiterhin die Kapelle im Antonius-Hospital geöffnet bleibt und dort weiterhin die Vorabendmesse samstags um 19.00 Uhr gefeiert wird. Allen, die dazu beigetragen haben und beitragen gilt unser aufrichtiger Dank.

Schwestern und Brüder! Hier wird mit Vollmacht eine ganz NEUE Lehre verkündet. So haben es die Menschen damals ausgerufen. Sie waren Jesus begegnet, der die Menschen leidenschaftlich liebt.

Viele haben in den vergangenen Jahrzehnten durch den Dienst unserer Schwestern ebenfalls das immer wieder Neue der christlichen Nächstenliebe, die in der Liebe zu Gott begründet ist und sich daraus nährt.

Wir sind gleichzeitig froh, dass es auch sonst wo Menschen in Kirchhellen gibt, die sich für den Nächsten einsetzten. Ganz besonders denken wir an Sie, liebe Feuerwehrleute der Freiwilligen Feuerwehr in Kirchhellen. Auch in Ihrem Wahlspruch wird die Verbindung von Gottes- und Nächstenliebe deutlich, wenn es da heißt: Gott zur Ehr – dem Nächsten zur Wehr. Ihre Hilfsbereitschaft ist ein wertvoller Einsatz für die Gemeinde. Aber auch untereinander ist Ihr Einsatz ein Geschenk. Sie müssen sich blind auf den anderen verlassen können. So wächst echte Freundschaft und Partnerschaft. Für Ihren Dienst sagen wir alle hier: Vergelt’s Gott!

Bitten wir Gott darum, dass er immer wieder Menschen in seine spezielle Nachfolge ruft, als Priester, Ordensmann oder Ordensfrau. Und bitten wir ihn darum, dass wir alle, in welchem Stand auch immer, erfahren und vermitteln, was der Titel der Enzyklika Benedikts voll Freude ausruft: Deus caritas est – Gott ist die Liebe.

468. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Stellen Sie sich vor, sie seien verheiratet (vermutlich sind die meisten von Ihnen verheiratet, deshalb dürfte es Ihnen nicht so schwer fallen); sie sind also verheiratet und ihr Ehepartner verzettelt sich dummerweise in einer wichtigen Sache dermaßen, dass es wirklich schwierig wird, da noch unbeschadet herauszukommen. Man tuschelt schon, manche sogar laut.

Was würden Sie tun? Würden sie es für angemessen halten, sich öffentlich hinzustellen und zu sagen, dass es Ihnen seit langem so richtig peinlich gewesen ist, verheiratet zu sein?

Liebe Schwestern und Brüder, die vergangene Woche - genau genommen sogar die letzten zwei Wochen - waren übervoll mit Diskussionen über den Papst, den Kurs des Vatikans, Bemerkungen von Frau Merkel und Kommentare zu dieser Bemerkung, Äußerung der Mitglieder des Zentralrats der Juden und verschiedener Bischöfe - und so weiter. Ich glaube nicht, dass es meine Aufgabe als Priester ist, in dieser Predigt zu den zahlreichen Stellungnahmen noch eine weitere hinzuzufügen.

Aber vielleicht gestatten Sie mir, ein paar grundsätzliche Betrachtungen anzustellen. Die eine habe ich mit der Eingangsfrage schon angerissen.

Jemand, der Mitglied einer Partei ist und - egal, wie ungeschickt sich die Parteioberen benehmen - immer nur Wohlwollen für "die da oben" aufbringt, für deren Fehltritte immer eine Entschuldigung vermutet, steht schnell im Ruf, ein hirnloser Gefolgsmann zu sein oder ein geistig Abhängiger. Es gehört in unserer Gesellschaft zur Pflicht, sich immer eine kritische Distanz zu bewahren. Es ist ein Zeichen von geistiger Eigenständigkeit, sich niemals ganz zu identifizieren.

Genau diese Haltung ist aber tödlich für unsere Liebesbeziehungen, sei es in der Ehe oder in unseren wichtigsten Freundschaften. Wer seinem Ehepartner grundsätzlich alles zutraut, wird schnell zum Spielball der Gerüchte und Missverständnisse.

Natürlich ist es leichter, sich die Kirche wie ein Verein oder eine Partei vorzustellen. Und die heftige bis feindselige Reaktion, die der Kirche, dem Vatikan und dem Papst entgegenschlug, rührt wohl aus dieser Haltung: Nach all dem vielen Jubel über den deutschen Papst und seinem neuen Stil mussten wir mal eben darstellen, dass wir uns unsere kritische Distanz bewahrt haben. "Ab und zu sollten wir uns" - so entstand der Eindruck - "von Rom distanzieren, damit wir unsere Glaubwürdigkeit nicht verlieren."

Aber die Kirche ist nicht einfach ein Verein. Nicht umsonst benutzt Jesus für die Kirche das Bild der Braut, vergleicht den Himmel mit dem Hochzeitsmahl und spricht davon, dass das Band, das uns zusammenhält, die Liebe sein soll.

Liebe Schwestern und Brüder, in der Apostelgeschichte heißt es von den Christen: "Seht, wie sie einander lieben!" Ob das die Nicht-Christen und Nichtkatholiken in diesen Tagen auch von uns sagen können? "Seht, wie sie ihren Papst lieben...?"

Wer welchen Fehler gemacht hat - ob überhaupt Fehler gemacht wurden oder ob es sich um eine unglückliche Verkettung handelt - das ist nicht einfach zu entscheiden. Dafür gibt es gottseidank gut ausgebildete und intelligente Journalisten. Deren Aufgabe ist es, schwierige und nicht einfach zu verstehende Zusammenhänge verstehbar zu machen. Hintergründe, rechtliche Vorgaben und größere Zusammenhänge aufzuführen, um klarer zu sehen.
Manchmal habe ich allerdings den Eindruck, als wenn Journalisten und Politiker, oder die Herausgeber von Zeitungen, Magazinen, Online-Nachrichten und Fernsehsendungen, nicht versuchen, den Menschen das unübersichtliche zu erklären. Sondern sich zum Sprachrohr der Massen zu machen und im Namen der uninformierten Menge ihren Unmut zum Ausdruck bringen - das gilt nicht nur für die Kirche.
Aber es verkauft sich doch auch besser...: Einmal ehrlich: Würden sie sich lieber eine Zeitung kaufen, in der in großen Lettern steht: "Der Vatikan brüskiert die Welt!" oder eine Zeitung, in der mit viel Text erklärt wird: "Was bedeutet die Exkommunikationsaufhebung wirklich?"

Das gilt auch für viele unsere kirchlichen Vereine und deren obersten Delegierten - ob dem BDKJ, der Bundes-KFD, dem ZdK oder anderen kirchlichen Vertretern. Sie sehen sich häufig (gottseidank nicht immer) nicht als Sprachrohr der einen Kirche, das eine wichtige Aufgabe für die Verkündigung unseres Glaubens und die Einheit der Kirche wahrnimmt, sondern als Sprachrohr der Menschen, um deren Forderungen an die offizielle Kirche zu verstärken.

Ganz gleich, was geschehen ist: Der Papst ist wie kein anderer auf die Orthodoxen, Evangelischen, Muslime und Juden zugegangen - auch auf kritische Stimmen wie Hans Küng, den zuvor noch kein Papst empfangen hatte. Er steht wie kein andere für die Einheit der Kirche durch Offenheit und Dialog, in der er sich voll Liebe - ja, es ist Liebe - allen zuwendet.

Versuchen wir, ein wenig von dieser Liebe aufzunehmen und weiterzugeben. Die Welt schaut auf uns und auf unseren Umgang miteinander - und auch mit dem Heiligen Vater. Es wäre schön, wenn sie sagen könnte: "Seht, wie sie einander lieben!"

Amen.

469. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

"Wie zeige ich meiner Oma, dass ich sie gern habe?" Diese Frage wurde Schülern vor kurzem in einer Klassenarbeit gestellt. Antworten darauf waren: ich kaufe für sie ein, ich besuch sie, ich les' ihr was vor, Geschichten von früher und lass sie mir erklären, auch wenn ich sie schon 10x gehört habe, ich geh mit ihr spazieren, damit sie mal aus dem muffigen Zimmer herauskommt, ich erzähl ihr, was ich erlebt habe, den Oma ist neugierig, ich bastle ihr etwas, ...

Diese Klassenarbeit war kein Deutschaufsatz, sondern der Einstieg in eine Religionsstunde. Anschließend wurde für "Oma" "Gott" eingesetzt. Denn meine Beziehung zu Gott will genauso gepflegt sein, wie zu einem Menschen, wie z.B. meiner Oma. "Wie zeige ich meinem Gott, dass ich ihn gern habe?"
- ich kaufe für ihn ein - erledige etwas für ihn, wovon ich überhaupt keinen Vorteil habe, einfach nur, um ihm zu gefallen, um ihm weiterzuhelfen;
- ich besuch ihn, obwohl ich genug zu tun habe, ich nehme mir immer wieder Zeit, um bei ihm reinzuschauen;
- ich les' ihm etwas vor, Geschichten von früher, aus der Bibel, auch wenn ich sie schon 10x gehört habe;
- ich geh mit ihm spazieren, um mal rauszukommen aus der Bude, aus dem Gewöhnlichen, in anderer Umgebung mit ihm zusammen Neues entdecken;
- ich erzähl ihm, was ich erlebt habe. Er ist neugierig, will wissen, was mich bewegt;
- ich kann ihm zwar nichts basteln, aber ich kann ihm mit einer Kleinigkeit eine Freude bereiten.

So eine Beziehung zu meiner Oma ist nicht mit einer Aktion getan, sie bedarf immer wieder solcher Dienste. Und genauso ist es mit meiner Beziehung zu Gott.

Im Evangelium hörten wir, wie Jesus seine Beziehung zu Gott pflegt: "In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten." - solche Rückzüge ins Gebet hören wir häufiger von Jesus - es ist für ihn wichtig, diese tiefe Gemeinschaft mit dem Vater zu pflegen, um dann predigen und Dämonen austreiben zu können.

Ich verweise in diesem Zusammenhang immer gerne auf Mutter Teresa, die nun kurz vor der Heiligsprechung steht. Auf die Frage eines Reporters, warum sie ihren langen Arbeitstag denn jeden Morgen noch um die Messfeier und Anbetung verlängere, so früh aufzustehen sei doch unmenschlich, wenn man noch so spät bis in die Nacht arbeite, antwortet sie, dass die den langen Tag ohne die Morgenstunden im Gebet nicht bestehen könne.

Wir hingegen hören heute immer wieder und die Abwesenden zeigen es uns heute: "Ich kann auch an Gott glauben, ohne zu beten, ohne dauernd in die Kirche zu rennen. Wenn ich dieses oder jenes Gute tue, bin ich sicherlich ein genauso guter Christ, wie jemand, der jeden Sonntag in der ersten Reihe sitzt."

Das eine tun, ohne das andere zu lassen. Ohne Verankerung im Gebet wären Mutter Teresa die guten Werke nicht möglich gewesen, ohne gute Taten ist das Gebet alleine nichts wert.

So hat auch Jesus viel Gutes getan, wir hörten es heute: er hat gepredigt und Dämonen ausgetrieben. Aber es geht nicht, ohne die Beziehung zum Vater zu pflegen, nicht nur kurze Stoßgebete, sondern sich zurückziehen, dafür Zeit nehmen.

Wann haben sie sich das letzte Mal zurückgezogen, um zu beten?
- gerade? - vor 30 Minuten, 10 min eher in die Kirche gekommen, um zu beten?
- oder gestern Abend? Das Nachtgebet im Bett - den Tag vor Gott getragen?
- oder letzte Woche? Eine Kerze entzündet - 2 Min verweilt?
- oder wie lange ist es her, dass sie sich zurückgezogen haben, um in Ruhe zu beten?

Und wann haben sie sich das letzte Mal mit ihrem Partner zurückgezogen, um etwas zu besprechen? - eine größere Anschaffung, ein Problem mit den Kindern, mit den Eltern?
Wann habt ihr Eurer Freundin, Eurem Freund das letzte Mal gezeigt, dass ihr sie, ihn liebt?

Sicherlich öfter als einmal im Jahr, wahrscheinlich mehrmals in der Woche. So wie wir uns Zeit nehmen für den Partner, für liebgewonnene Menschen, so möchte auch Gott mit uns eine Liebesbeziehung.

Mit Jugendlichen bereiten wir gerade eine Messe für den 2. Fastensonntag vor, wobei wir zunächst einmal über den Sinn des Fastens diskutieren. Eine 17-jährige meinte: wenn Gott uns so sehr liebt, dann können wir durch ein Fastenopfer doch auch zeigen, wie sehr wir ihn lieben.

Genau wie wir, wenn wir verliebt sind, Dinge aufgeben, die wir lieb gewonnen haben, um diese Beziehung eingehen zu können, müssen wir auch Dinge aufgeben, die wir lieb gewonnen haben, wenn wir eine Beziehung mit Gott eingehen wollen.

Wenn ich sage: Oma ist nett, intelligent - dann brauche ich dafür nichts tun, aber wenn ich sage, ich mag Oma, dann muss ich ihr das auch zeigen. Wenn ich sage: Ich glaube an Gott, dann muss ich ihm das auch zeigen - nur sagen - das reicht nicht.

Pr.: Gott unser Vater, Du liebst uns über alles. Wir rufen zu Dir:

1. Die Politiker sind in der Gefahr, einen neuen Krieg anzufangen, wodurch viele Menschen sterben müssen. Öffne sie für den Heiligen Geist, der Ihnen Wege des Friedens zeigt.
A.: Wir bitten Dich, erhöre uns.

2. Die Politiker in Niedersachsen legen ihre Schwerpunkte für die nächsten Jahre fest. Öffne sie für den Heiligen Geist, der Ihnen die wirklich wichtigen Dinge zeigt.
A.: Wir bitten Dich, erhöre uns.

3. Deine Kirche ist getrennt in viele kleine Kirchen. Öffne sie für den Heiligen Geist, der ihr Wege zur Einheit zeigt. A.: Wir bitten Dich, erhöre uns.

4. Unsere Beziehung zu Dir erfolgt oft nur mit halbem Herzen und nicht mit ganzer Liebe. Öffne uns für den Heiligen Geist, der in uns das Feuer der Liebe neu entfacht.
A.: Wir bitten Dich, erhöre uns.

5. Wenn jemand stirbt, sind wir traurig. Wir beten heute besonders für Oliver Vossmann aus Garrel. Öffne ihnen das Tor des Himmels.
A.: Wir bitten Dich, erhöre uns.

Pr.: Gott unser Vater, so bitten wir Dich durch Christus im Heiligen Geist. Amen.

470. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,
Manchmal sind es die kleinen Sätze im Evangelium, die mir besonders nahegehen.
Manchmal sind es die Randbemerkungen in der Hl. Schrift, die etwas Wesentliches zum Ausdruck bringen.
So auch im heutigen Evangelium.

Es ist eine von zig Heilungserzählungen.
Einem Gelähmten vergibt der Herr die Sünden und stellt ihn sozusagen wieder auf die Beine.
Jesus der Heiland, der Menschen heil macht an Leib und Seele.
Diese Botschaft kennen wir, sie kehrt ja oft wieder im Evangelium.

Der Abschnitt aus dem Markusevangelium, den uns die Kirche am heutigen Sonntag als geistig-geistliche Nahrung gibt, kann uns aber auch auf einen andere Spur führen.

Das Setting ist schon anders als sonst. Wenn man so will, ist da viel mehr Action.
Da wird der Gelähmte getragen. Von vier Männern. Sie wollen zu Jesus. Der Weg ist ihnen aber versperrt. Also steigen sie unter Mühen auf das Dach des Hauses. Behutsam gehen sie mit ihrem kranken Freund um. kühn, wie sie das Dach abdecken. Und dann lassen sie den Kranken vorsichtig auf eine Bahre herunter mit Hilfe einer eilends konstruierten Vorrichtung.
Sie machen sich ganz schön viel Mühe für ihren Freund.

Und in diesem Moment schreibt der Evangelist einen Satz, der mich immer wieder fasziniert:
Als Jesus IHREN Glauben sah, sagte er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, Deine Sünden sind dir vergeben.
Als Jesus IHREN Glauben sah - Vom Glauben des Gelähmten wird garnicht gesprochen, wie sonst: Geh, deine Glaube hat die geholfen.

Nein, als Jesus IHREN Glauben sah - Es geht um den Glauben der Träger.
Weil SIE glaubten, weil SIE alles taten, um ihren Freund vor Jesus zu bringen, geschah das Wunder, geschah die Heilung.

Als Jesus IHREN Glauben sah - In diesen schlichten Worten wird etwas Wesentliches über die Gemeinschaft der Kirche gesagt.

Wir werden getragen vom Glauben der anderen.
"Stell mal 'ne Kerze für mich auf. Bete morgen für mich." oder "Denk an mich." Solche Sätze, so oder ähnlich hat mit Sicherheit jeder von uns schon einmal gehört oder gesagt. Gerade vor Examen oder wichtigen Lebensentscheidungen.
Diese Sätze geben auf ihre Art und Weise Zeugnis davon, daß wir einander im Glauben tragen. Es tut gut zu wissen, daß andere mich mit ihren Gebeten tragen. Jedenfalls geht das mir so.

Als Jesus IHREN Glauben sah - die vier Männer trugen einen Gelähmten zu Christus.
Der Kranke konnte sich selber nicht auf den Weg zu Christus machen.
Sich auf den Weg zu Christus machen - in unseren Tagen, in unserem Land mittlerweile eine ziemliche Seltenheit.
Viele sind lahm geworden im Glauben, machen sich nicht auf, sind desinteressiert, wollen oder können nicht.

Viele Eltern können davon ein trauriges Lied singen. Sie haben sich bemüht, den Glauben weiterzugeben. Aber die Kinder nehmen ihn nicht auf, weil sie nicht wollen oder nicht können.
Die einzige Möglichkeit die ihnen bleibt, ist für die Kinder zu glauben, die Kinder mit ihrem Gebet vor Christus zu tragen, damit er ihre Lähmung heile.
Wir werden getragen. Aber wen tragen wir?
Die Winfridia ist eine katholische Studentenverbindung. Wir sehen und spüren wie der katholische Glauben in unserem Land verdunstet. Dieses Phänomen läßt sich selbst in unseren Reihen feststellen.

Wenn uns aber wirklich daran liegt, daß der Glaube an Christus weitergelebt wird in unserer Verbindung, in unserem Land, weil dieser Glaube eben heilmacht an Leib und Seele, wenn uns also wirklich etwas daran liegt, dann ist es unsere Aufgabe, wie die vier Männer zu handeln: die Gelähmten zu Christus zu führen.

Dazu gehört, daß wir für andere beten. Z. B. für den Kommilitonen, der menschlich top ist, aber vom Glauben nichts hält bzw. weiß. Oder für den Arbeitskollegen, der nicht gegen die Kirche hat, aber sie auch das letzte Mal bei seiner Firmung von innen gesehen hat. Oder für den Vereinskameraden, der sich an einzelnen Punkten des Glaubens reibt und droht, ihn deshalb ganz zu verlieren.

Die Gelähmten zu Christus zu führen. Dazu gehört auch, Zeugnis vom Glauben zu geben. Z. B. durch Leserbriefe an Presseorgane, die Falsches oder Böswilliges über Gott, Glaube, Kirche berichten.

Als Jesus IHREN Glauben sah - Diese schlichten Worte über die Träger des Gelähmten schenken Trost und sind ein Anspruch an uns.
Der Trost, getragen zu sein vom Glauben der anderen.
Der Anspruch, die anderen zu Christus zu tragen.
Zu Christus, der uns Menschen an Leib und Seele heilen kann und will. Etwas besseres kann den andern und uns nicht passieren, als von Christus geheilt zu werden. Also...

471. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Immer wieder bin ich im Gespräch mit kranken Menschen erstaunt darüber, welch großes Vertrauen sie ihren Ärzten entgegenbringen. Und in der Tat ist es erstaunlich, was Ärzte in ihrem Können alles zuwegebringen. Es ist erstaunlich, wie sie mit ihrem Wissen und Können dem Patienten Besserung, ja Heilung verschaffen und ihm neue Lebensperspektiven bieten. Aber dennoch bleibt jeder Arzt immer nur ein Mensch.

Will ich als kranker Mensch geheilt werden, sagt mir der Arzt: "Sie müssen, um wirklich von Ihrer Krankheit erlöst zu werden, mitmachen. Sie selber müssen es wollen. Es liegt zu einem guten Teil in Ihren Händen, ob der Prozeß der Gesundung gelingt."
Darin sehe ich eine große Gemeinsamkeit und einen großen Unterschied zu der Heilung, die der Arzt schlechthin, Jesus Christus, dem Aussätzigen im Evangelium schenkt:

Wie in einer gewöhnlichen Krankheitsgeschichte ist da das große Vertrauen: Du kannst mich heilen. Du hast die Fähigkeit dazu. Wir sehen, dass der Aussätzige nicht etwas erwartet, sondern alles: "Du kannst machen, dass ich rein werde!"

Schon dass der Aussätzige zu Jesus kommt, dass er nahe an ihn herantritt, ist ja etwas Unerhörtes. Wir haben es vorhin in der ersten Lesung bei Moses gehört: Der Aussatz schied den Betroffenen von der Gemeinschaft absolut aus. Er durfte sich höchstens in Rufweite von anderen Menschen bewegen. Dann mußte er sie laut warnen, damit sie nicht näher herankamen. - Der Aussätzige, der zu Jesus kommt, kümmert sich nicht darum. Sein Vertrauen ist so groß, dass er diese Schranke der Angst und der eisenharten Vorschriften überwindet. Er tut es, weil er ganz fest glaubt: Dieser Mensch kann mir helfen.

Sie wissen nicht erst seit letztem Sonntag, dass ich mich gerne auf Mutter Teresa von Kalkutta beziehe: Als einmal ein englischer Journalist sie beobachtete, wie sie Leprakranke in den Slums liebevoll pflegte, wie sie diese Menschen anfaßte, mit ihren Wunden in Berührung kam, da stellte er folgende Frage: Wie können Sie das tun, ehrwürdige Mutter? Dieser Gestank, dieser Schmutz, diese Gefahr, sich selbst anzustecken! Ich selber würde es nicht für eine Million Dollar tun. - Mutter Teresa sah den Journalisten einen Moment lang an, und sagte: Ich auch nicht.

Mutter Teresa ist in meinen Augen bereits eine Heilige, weil sie dieses vollkommene Vertrauen besaß, das ihr sagte: Wenn du tust, was Jesus dir aufträgt zu tun, dann brauchst du keine Angst zu haben. Tu einfach das Gute und das Richtige, und für alles andere sorgt Gott.

Wenn wir mit unseren Krankheiten und Schwächen, besonders mit den Krankheiten und Schwächen unserer Seele, zu Jesus kommen, dann dürfen wir Vertrauen haben wie zu einem guten, zu dem allerbesten Arzt. Ein Arzt ist immer nur ein Mensch. Jesus, der vollkommene Arzt, ist Gottes Sohn, er ist der Heiland, der Retter. Davon mag auch der Aussätzige schon eine Ahnung gehabt haben, denn er sagt jetzt etwas sehr Eigenartiges, etwas, was uns eigentlich befremden müßte. Er sagt nicht: Ich möchte wieder gesund werden -, sondern er sagt zu Jesus: "Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde" (Mk 1,40).

Damit ist das Vertrauen, das dieser Mann in Jesus setzt, aufs denkbar Höchste gesteigert. Der Kranke überläßt sich ganz dem Heiland. Nicht nur seine Krankheit, sein Leiden, sein Elend, sondern alles, sogar seinen Willen. Was Jesus will, ist gut. Was du, Jesus, willst, das soll geschehen.

Könnten wir das so nachsprechen? Könnten Sie, könnte ich, auch so zu Jesus sprechen: "Wenn du willst ..."? - Bitten wir nicht eher: Mache mich wieder gesund! - oder klagen: Warum hast Du das so zugelassen? Überlassen wir Gott in unseren Gebeten unseren Willen? wie wir es im Übrigen im "Vater unser" beten?
Man muß vielleicht einmal in eine ganz tiefe Krise kommen, bis man an diesen Punkt geführt wird. Es ist leicht, zu sagen "Dein Wille geschehe", wenn es einem gut geht und die Angst einen nicht gefangennimmt. Doch der Aussätzige hat so gesprochen, während er am Ende war. Darum ist sein Vertrauen, das er in Jesus setzt, ein großes, ein vollkommenes Vertrauen.

Und Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckt seine Hand aus, berührt ihn und sagt: Ich will es - werde rein! Jesus berührt ihn - obwohl ein Wort aus seinem Mund bereits genügt hätte. Aber die Menschen, die dabei waren, sollten etwas sehen. Ihr Glaube sollte gestärkt werden. Ihr Mut sollte wachsen. Jesus ist immer wieder unendlich bemüht darum, uns Menschen verständlich zu machen, dass der Weg des Glaubens der richtige Weg ist. Die Menschen zum Glauben zu führen, darin hat Jesus unendliche Geduld.

Und die Menschen, die das Wunder sahen, werden an die Hand Gottes gedacht haben, der sein auserwähltes Volk "mit starker Hand und hoch erhobenem Arm" (Dtn 26,8) befreit und geführt hat. Die Hand, die Jesus ausstreckt, zeigt allen Menschen: Gott hat sein Volk nicht vergessen. Er heilt, er befreit, er tröstet auch heute. Warum habt ihr nur so wenig Vertrauen? Ihr braucht nur zu kommen, ihr braucht nur zu glauben, und ihr werdet es sehen und erfahren.

Amen.

472. Predigtvorschlag

Ich habe Ihnen heute ein Bild mitgebracht. Ein evangelischer Theologe, in der Wirtschaft tätig, hat dieses Plakat entworfen. Ein Mann trägt einem anderen viele Pakete nach. Auf diesen Paketen steht jeweils etwas anderes drauf: ihre Fehler von eben, ihre Fehler von heute, ihre Fehler von gestern, ihre Fehler von dieser Woche, ihre Fehler von diesem Monat usw.- und unten drunter: "Wer nachtragend ist, hat viel zu schleppen!"

Das stimmt - das erlebe ich immer wieder: Menschen, die nicht vergeben können - haben selber mehr darunter zu leiden, als derjenige, der den Fehler begangen hat. Unabhängig davon, ob der Verursacher sich seiner Schuld bewusst ist, oder nicht. Wobei es natürlich einfacher ist, jemanden zu vergeben, der um Entschuldigung bittet. Aber ich muss ihm dann auch verzeihen - ansonsten belaste ich mich nach wie vor damit. Wenn ich dem Ehepartner bei jeder Gelegenheit alle Fehler der Vergangenheit auftische, dann belaste ich die Beziehung - ich, der ich nicht vergeben kann, nicht der den Fehler damals irgendwann gemacht hat. Wenn der andere sich seiner Schuld nicht bewusst ist, oder aber sie trotz Befindlichkeitserklärung nicht einsieht, ist es natürlich schwerer ihm zu vergeben, aber ich belaste mich damit genauso! Manchmal ist der Schuldige nicht zur Einsicht zu bewegen, weil er vielleicht krank ist, weil er vielleicht bereits verstorben ist - der Schuldige kann aus irgendeinen Grund nicht bei mir um Entschuldigung bitten. Dennoch ist es ratsam, ihm zu verzeihen - um meinetwillen - ich belaste mich, wenn ich dem anderen nicht vergebe.

Die erste Lesung hat das sehr schön formuliert: es wird erst deutlich gemacht, dass sein Volk sich gegen Ihn versündigt hat: "Jakob, Du hast mich nicht gerufen; Israel, Du hast Dir mit mir keine Mühe gemacht. Du hast mir mit Deinen Sünden Arbeit gemacht, mit Deinen üblen Taten hast Du mich geplagt." Und dann der in meinen Augen schönste Satz der heutigen Lesungen: "Ich, ich bin es, der um meinetwillen deine Vergehen auslöscht, ich denke nicht mehr an deine Sünden." Das ist doch phantastisch: Gott vergibt uns die Sünden, damit er uns wieder lieben kann. "Um meinetwillen lösche ich deine Vergehen aus."

Und darin sollen wir Gott nachfolgen - das ist der schwere aber gute Weg der Nachfolge: wenn andere uns Böses getan haben: üble Nachrede, ausgenutzt, nicht zugehört, belogen oder anderes, so belastet das uns. Wir sind verärgert, empfinden Schlechtes für diesen Menschen, fühlen uns nicht wohl dabei. Wenn wir diesem Menschen vergeben, unabhängig davon, ob er um Entschuldigung bittet, so entlasten wir uns. "Um meinetwillen lösche ich Deine Vergehen aus." Wir können wieder unbelastet in unserer Umwelt agieren, wenn wir uns von der Schuld anderer befreien, wir können wieder lieben, auch diesen Menschen lieben, wenn wir ihm seine Schuld vergeben. Wenn andere mich ärgern, aufgrund ihrer Schuld: ihrer Gedanken, Worte oder Taten, so muss ich doch nicht mein Leben lang ärgern lassen.

Jakob, Du hast mich nicht gerufen, mir keine Hilfe zugetraut, Israel, Du hast dir mit mir keine Mühe gemacht, im Gegenteil, du hast mir Arbeit gemacht, deine üblen Taten haben mich geplagt - um meinetwillen habe ich deine Vergehen ausgelöscht. Ich will mich mit diesem Ärger nicht mehr belasten, ich verzeihe dir, ich will dich wieder lieben.

Nehmen wir doch bitte dieses Angebot Gottes an!

473. Predigtvorschlag

"Vergib mir Vater, ich habe gesündigt" - Woran denken sie, wenn sie das hören? An das Schuldbekenntnis im Gottesdienst? An die persönliche Gewissenserforschung? Womöglich an das Sakrament der Versöhnung?

Oder auch schon an die billigen Flüge der LTU nach Rom? Eine hochgeschlossene Nonne mit hübschem Gesicht, mit beiden Händen das rote Marken-Handtäschchen haltend - Werbung auf dem Hintergrund von Ordensschwestern, Priestern, Beichtstühlen scheint immer eine besondere Note zu haben. Vielleicht weil es sich dabei um eine für inzwischen viele Bürger völlig fremde, aber deswegen nicht weniger faszinierende Welt handelt. Vielleicht aber auch, um mit die Unabhängigkeit von solch altertümlich angehauchtem Gedankengut zu demonstrieren.

Wenn dann 7 verschiedene Magnum-Sorten nach den 7 Haupt- oder Wurzelsünden benannt werden, bestätigt diese Tatsache, dass das Wort "Sünde" im bundesdeutschen Sprachgebrauch fast nur noch im Zusammenhang mit kalorienreichen Tortenstücken oder dem Schutz der Umwelt genannt wird.

"Vergib mir Vater, ich habe gesündigt." Ordensschwester kauft schicke Handtasche in Rom. Banaler als diese Art der Werbung geht es wohl kaum noch. Es sei denn, wir verlassen das Gebiet der Werbung, in dem ja immerhin noch irgendwie positive Gefühle geweckt werden sollen und betreten das Land der Karikaturen. Wie kann man sich nur so aufregen - fragt die taz - und stellt Jesus am Kreuz dar, wie er - nur an den Händen hängend - Gymnastikübungen mit den Beinen vollzieht. Untertitel: Immer locker bleiben.

Verletzung von religiösen Empfindungen in Deutschland? Immer locker bleiben.

Dabei ist der Umgang mit solchen Verletzungen, wie er in den letzten Wochen in manchen arabischen Staaten, angeheizt von islamisch-fundamentalistischen Strömungen, zu beobachten war, sicher kein Vorbild. Gewalt und Gewaltbereitschaft, Pauschalverurteilungen und indifferentes Vor-Urteilen statt eines vernünftigen Gespräches kann nicht der Weg sein.

Aber gibt es allgemeingültige Grenzen im Bereich der sogenannten Freien Meinungsäußerung - und wo liegen diese Grenzen?

Zunächst geht es darum, anzuerkennen, dass dem Anderen jemand oder etwas "heilig" ist. Dazu muss ich die Glaubenswelt des Anderen kennen und akzeptieren. Wenn jemand an Karneval mit der Bierdose in der Hand laut grölend in diese Kirche kommt, hat er eine solche Grenze überschritten, auch wenn er das selbst gar nicht so sieht. Diejenigen jedoch, die sich in diesem Raum zum Gottesdienst versammeln und der Überzeugung sind, dass Gott selbst hier wohnt und dem Menschen begegnen will, halten diesen Raum heilig und werden darauf achten, dass er nicht als Kneipe oder als reines Museum betrachtet wird.

Ähnlich verhält es sich mit Worten und Bildern. Da ist beispielsweise der Witz. Er schafft einerseits Distanz - und kann andererseits wohltuend die menschliche Seite z.B. in der Kirche als Institution hervorheben. Da muss ich nur Jopi als Pastor auf der Bühne sehen und weiß, was gemeint ist. Der Witz, die Komik als humorvolle Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, der ein herzhaftes Lachen hervorlockt - das hat noch niemandem geschadet.

Wenn jedoch Gegenstand des Witzes Gott selbst oder die Heiligen sind, ist schon viel Fingerspitzengefühl vonnöten, um eben nicht in die Banalität abzugleiten oder tatsächlich religiöse Gefühle zu verletzen.

Dabei wird ein Mensch das Lächerlichmachen religiöser Überzeugungen um so schmerzhafter erfahren, je wichtiger ihm die Inhalte dieser Überzeugungen sind. Menschen jedoch, die in diesem Bereich sensibel sind, neigen meist dazu, ihren Ärger eben runterzuschlucken und im schlimmsten Fall gegen ihre Überzeugung im Strom zu schwimmen. Wer will denn schon der Spaßverderber sein oder in irgendeiner Weise rückständig erscheinen. Protest - und sei er auch nur stumm, kann in solchen Fällen durchaus auch das Mittel der Wahl sein.

"Heilig" ist jedoch dem gläubigen Menschen nicht allein Gott selbst und der ihm vorbehaltene Raum. Dem Christen, der sich als "Tempel Gottes" versteht, ist seit der Menschwerdung Gottes auch der Leib heilig. Dass damit in dem ohnehin sensiblen Bereich der Sexualität eine besondere Rücksicht vonnöten ist, gehört heute keineswegs mehr zum Allgemeingut.

Die sogenannte Freiheit in diesem Bereich ist nicht selten gerade eine Problemanzeige, weil Menschen gerade das, wo sie ihre Schwierigkeiten haben oder wovon sie beherrscht werden, zwanghaft zum Thema machen müssen.

Wenn dann aber das Lächerlichmachen von religiösen Überzeugungen mit zotenhaften Witzen oder Karikaturen vermischt werden, ist die Grenze des Erträglichen überschritten.

"Vergib mir Vater, ich habe gesündigt." Was die Kreativabteilung der LTU wohl kaum noch ahnt: Der Vater vergibt wirklich Sünden. Dazu ist sein Sohn Mensch geworden. Um uns von der Sünde zu befreien. Den Schriftgelehrten erschien gerade das als Gotteslästerung - gerade weil ihnen diese Eigenschaft Gottes heilig war und sie nicht glauben konnten, dass Jesus Gottes Sohn war.

Gott vergibt die Sünden - damals wie heute. Das ist das größere Wunder. Nicht die Heilung des Gelähmten - auch wenn sie für mehr Aufsehen sorgte.

Lassen wir uns befreien von der Sünde - durch Gebet, gute Taten und die Beichte. Dann können wir befreit Karneval feiern, denn die echte Freude widerspricht dem Glauben nicht, sondern lebt aus ihm. Wenn überhaupt Menschen gibt, die Grund zur Freude haben, dann sind es die Christen: Der Vater vergibt uns und zeigt uns den Weg zum Leben!

474. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, es ist eine weit verbreitete Meinung, dass es doch wichtiger sei, »Armen zu helfen und sich für Randgruppen einzusetzen, als immer nur in die Kirche zu rennen.«

Einmal abgesehen davon, dass die meisten von uns nicht in die Kirche "rennen", ist dieser Satz wohl auch ein bewusste Trick, die beiden Dinge gegeneinander zu setzen:
Hier die Nächstenliebe - und da die Gottesliebe. Letztlich kann keiner das eine vom anderen abkoppeln. Entweder bin ich ein liebender Mensch - ein Mensch, der seine Erfüllung darin findet, nicht für sich zu leben, sondern sein Leben als Dienst zu verstehen. Dann werde ich für Gott ebenso da sein wie für die in Not geratenen Menschen.
Oder ich bin ein (mehr oder weniger) nicht-liebender Mensch. Dann wird mir das Gebet und die Gottesliebe genauso schwer fallen wie der Dienst am Menschen.

Die Gefahr des heutigen Glaubens liegt darin, die Liebe am Menschen als real anzusehen - und die Liebe zu Gott als etwas unwirkliches. Viele sind davon überzeugt, dass man Gott gar nicht wirklich lieben kann - nicht so, wie wir einen Menschen lieben. Wir glauben an Gott - okay. Aber mehr geht einfach nicht.

Wer so glaubt, der reduziert Gott auf einen Glaubenssatz - und steht einer ganz gefährlichen Glaubensrichtung nahe, der GNOSIS. Dort kommt es allein darauf an, dass wir die richtige Überzeugung haben. Schauen wir auf eine moderne gnostische Gemeinschaft: Die Zeugen Jehovas. Sie feiern keine Gottesdienste mit Gebet und Gesang, keine Anbetung und keine Andachten. Sie studieren, lernen und wissen Bescheid. Sogar an der Haustüre diskutieren sie gerne - verweigern aber das gemeinsame Gebet. Probieren sie es mal aus - selbst das biblische Vater unser wollen sie nicht beten.
Kein Wunder, dass sie auch keine wirkliche Nächstenliebe praktizieren: Sie unterhalten keine Armenspeisung, keine Waisenhäuser und Altenheime, keine Entwicklungsprojekte und keine Sozialstationen. Sie leben für eine Lehre.

Gerade an Ihnen erkennen wir, in welcher Gefahr wir uns auch selbst befinden: Wer Glauben an Gott mit "Fürwahrhalten" übersetzt, aber nicht glaubt, Gott lieben zu können, verliert schnell jede Liebe - nicht nur die Nächstenliebe, sondern irgendwann auch die Liebe zum Ehepartner, zu den Kindern und zur Familie.

Dabei ist es durchaus möglich, Gott zu lieben. Den Liebe ist nicht nur ein zärtliches Gefühl, sondern das, was ich tue. Eine Liebe ist vor allem daran zu erkennen, dass ich die Nähe des Geliebten suche - und bereit bin, um meiner Liebe willen Opfer zu bringen.

Und genau darum geht es in der vor uns liegenden Fastenzeit. Gottes Nähe suchen und um unserer Liebe willen Opfer bringen: Nichts beschreibt die Fastenzeit besser.
Suchen wir Seine Nähe. Nehmen wir uns für die Fastenzeit vor, zu beten, Gottesdienste aufzusuchen (vielleicht nicht nur am Sonntag), zu Beichten und anzubeten.
Leben wir aber auch unseren Glauben. Fasten wir - IHM zuliebe. Stehen wir zu unserem Glauben, auch wenn es Nachteile mit sich bringt. Damit ist nicht nur Spott und Hohn gemeint, sondern auch die Zeit, die wir Gott schenken, obwohl wir dann das Gefühl haben, in der Welt etwas zu verpassen. Im Fernseher, im Freundeskreis, beim leckeren Essen oder bei der nächsten Fete: Wir verpassen eine ganze Menge, wenn wir den Glauben ernst nehmen. Aber: Das ist Liebe.

Ob ich ein liebender Mensch bin, zeige ich nicht nur durch das, was ich tue. Sondern durch mein Tun, meine Sehnsucht nach Nähe und meine Opfer, werde ich zu einem Menschen der Liebe.

Wer Gott in den Mittelpunkt der 40 Tage bis Ostern stellt, verpasst eine ganze Menge in dieser Welt. Wer der Welt zuliebe aber Gott zurückstellt, der verpasst vor allem sich selbst - und alles, wofür es sich lohnt, zu leben.
Amen.

475. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Im Moment läuft in Hannover wieder einmal die Cebit, die größte Computermesse der Welt. Die neuesten Techniken werden vorgestellt, in diesem Jahr besonders in der Telekommunikation: die neuesten Handy, mit denen man sogar ins Internet gehen kann, so groß, wie eine Armbanduhr. Oder auch das Telefonieren zu Hause wird sich verändern: das telefonieren durch die Steckdose sei jetzt marktreif. Ganz neue Möglichkeiten, die unsereins gar nicht mehr überschaut, für manchen von uns unvorstellbar sind. So, wie bei einem neuen Wein, einem neuen Jahrgang, da weiß man auch noch nicht , wie der schmeckt. Und ich möchte einmal in diesem Bild bleiben, welches uns das Evangelium bietet: demnach gehört dieser neue Wein in neue Schläuche. Das kann ich gut nachvollziehen: diese vielen neuen Techniken kann so manch einer von uns nicht mehr verstehen, manchmal auch den Sinn nicht mehr nachvollziehen - diese neuen Techniken passen in unser Denken, dieser neue Wein in unsere alten Schläuche nicht mehr hinein. Der passt besser in die neuen Schläuche, die neuen Möglichkeiten passen besser zu der neuen Generation.

Gehören wir anderen, mich bereits eingeschlossen, jetzt zum alten Eisen? Sind wir in dieser hochtechnisierten Welt überflüssig, sogar störend, weil wir das Neue behindern? So wie Jesu Botschaft nicht mit den alten Regeln zusammenpasst?

Zumindest sollte uns dieses Gleichnis zu verstehen geben, dass unsere bisherigen gewohnten Denkstrukturen nicht festgefahren sein sollten, dass wir uns bewußt sind, dass Neues auch neue Formen braucht: neuer Wein braucht neue Schläuche. Und das gilt auch für unsere Kirche: Pfarrer Böhmer ist mir da immer ein gutes Beispiel. Er sagt, er sei jung geblieben durch die vielen jungen Kapläne, die er hatte. Er hat deren neue Denkarten gehört, geprüft, und wo sie gut waren übernommen. So hat er wie auch einige von Ihnen viele Veränderungen erfahren: die deutsche Sprache ersetzte die lateinische; statt des Lesens der Messe mit dem Rücken zum Volk, kam das gemeinsame Feiern um den Altar versammelt; früher ging alles vom Priester aus, heute wäre Kirche ohne die vielen Dienste durch ehren- und hauptamtliche Laien gar nicht mehr denkbar; früher spielte sich das ganze Leben auf dem Dorf ab, mit der Kirche in der Mitte, heute existieren die verschiedensten Lebenswelten nebeneinander: Schule hier, Arbeit dort, Freundin drüben, Sport da, und auch der Ort der Kirche ist Veränderungen unterworfen, wir hören es nicht nur von uns, sondern bistumsweit werden da momentan Überlegungen angestellt. Neuer Wein in neue Schläuche: die Kirche hat sich in vielen Bereichen geändert und wird sich auch weiter verändern müssen.

Nur bei aller Veränderung und aller Anpassung bleibt der Kern doch gleich. Wenn Jesus das Fasten für seine Jünger im Moment auch ablehnt, so verneint er doch nicht das Fasten ansich. Er sagt, sie werden zu einem späteren Zeitpunkt fasten. Wenn der neue Wein auch neue Schläuche, neue Strukturen braucht, so bleibt es doch jedesmal Wein, und es wird nicht plötzlich Wasser in die neuen Schläuche gefüllt. Und da sollten wir drauf achten: dass unser Wein nicht verwässert, dass der Kern unseres Glaubens bestehen bleibt.

Unser Glaube ist in der Lehre der Kirche durch die Bibel und die Tradition festgelegt. Der Kern dessen ist im Glaubensbekenntnis zusammengefasst, deren wichtigste Botschaft sicherlich die der Auferstehung ist. Fundamente, worauf dieser Glaube fußt, sind sicherlich die 10 Gebote, der heutige Wertschätzung uns in der letzten Woche von der Zeitung vor Augen geführt worden ist. Diese 10 Gebote zu praktizieren, vorzuleben ist sicherlich eine Grundlage, die zeitlos ist, die für alle Zeiten gilt, auch wenn die Gesellschaft das in so manchen Bereichen anders sieht, wie in der Treue in der Ehe oder auch in der Falschaussage. Da sollten wir schon zunächst einmal bei unserer eigenen Steuererklärung schauen, statt erbarmungslos auf die Aussagen der Politiker.

Wenn wir bei der Grundlage der 10 Gebote bleiben, wenn die Grundbotschaft der Auferstehung unser Leben prägt, dann können wir beruhigt offen bleiben für die neuen Weine, für die neuen Wege, die die Kirche gehen wird, für die neuen Techniken, mit denen wir konfrontiert werden.

476. Predigtvorschlag

Tragen sie noch gestopfte Socken? Oder - bekommen ihre Kinder noch Flicken auf die Hose, wenn die außer einem Loch noch gut ist? Selbst jetzt zu Karneval laufen kaum noch welche mit solchen bunten Flicken herum.

Da scheint Jesus ja heute einmal auf der Seite der Reichen zu stehen: keinen neuen Stoff auf ein altes Kleid - Flickschusterei ist nicht mehr. Ein neues Kleid muss her.

Sie können sich denken, dass Jesus mit dieser Flickschusterei etwas anderes meinte - es wird uns ja auch direkt die Hintergrundgeschichte dazu geliefert:

Es war üblich zu fasten - nur: Jesu Jünger tun das nicht. Wenn sich Jesus auch grundsätzlich an das Gesetz des Mose hält, hier sagt er, dass er alles neu macht - dass mit ihm nun eine neue Zeit angebrochen ist, in der das Fasten zumindest derzeit nicht angebracht ist - er ist mit den alten Kleidern nicht zu vergleichen, der Säuregrad seiner Botschaft würde die alten Formen, die alten Weinschläuche zerfetzen.

Tatsächlich hat seine Botschaft zu einer neuen Form des Glaubens geführt - das Gesetz der Väter ist nicht mehr im Mittelpunkt, sondern der Glaube an den Sohn. Wir haben es vorhin bei Paulus gehört: Die Tafeln aus Stein sind ersetzt worden durch die Herzen von Fleisch. Die Vergebung der Schuld, die Erlösung vom Tod, die Auferstehung zum ewigen Leben verleiht dem Glauben an Gott eine ganz neue Qualität.

Und dieser Glaube führt zu einer Freude, die mit der Flickschusterei der damaligen Welt nicht zu vergleichen ist. Da wurde dem Herrn hier ein Dankopfer dargebracht und da dem Tempel der 10. gespendet, um sich dadurch ein Stück vom Himmel zu erkaufen. - Den Christen ist der Himmel bereits erschlossen. Der gelebte Glaube an Jesus Christus ist die Garantie für ein ewiges Leben bei Gott! Das ist das neue Kleid, das Christen anziehen.

Nur scheinen viele Christen heute nicht daran zu glauben: die tiefe Lebensfreude über das gewonnene ewige Leben ist ihnen nicht anzusehen. Viele versuchen eher, hier auf Erden alle Freuden auszukosten, denn wer weiß, wie lange das Leben noch geht - irgendwann ist es zu Ende - ich war diese Woche selber noch bei einem tödliche Verkehrsunfall. Der Glaube an das ewige Leben ist längst nicht mehr bei jedem Getauften vorhanden. Daher kosten diese sicherheitshalber das Leben hier auf Erden aus so gut es geht: hier ein kleiner Urlaub um auszuspannen, dort ein kleines Abenteuer, um Lust zu verspüren, hier ein bisschen Karneval um mal ganz ausgelassen zu sein, dort ein wenig Luxus, um sich mal zu verwöhnen. Nichts als Flickschusterei! Nicht dass diese Dinge schlecht sind: Urlaub und Entspannung ist für einen Christen erstrebenswert, Karneval lässt sich für einen Christen gut feiern. Doch die Freude an den Späßchen ist vergänglich, die Lebensfreude des Christen hingegen übersteht auch Tage der Stille und der Not, auch Tage der Trauer und des Todes. Für einen gläubigen Christen ist die Freude Aschermittwoch nicht vorbei!

Und gerade deswegen - so paradox es klingt - ist die Fastenzeit, eine Zeit des Verzichtes auf kleine irdische Freuden, so sinnvoll und gut. Die Fastenzeit ist mit einer Zeit der Wüste zu vergleichen, wie wir es vorhin in der 1. Lesung hörten. Gott führt sein Volk nicht in die Wüste um ihnen den Spaß zu verderben, sondern um ihnen zu zeigen, wo die wahre Quelle der Freude sitzt. Der Wohlstand macht uns das Leben zwar ganz angenehm, aber er kann auch vieles verdecken. Im Alltag wird uns soviel als erstrebenswert und Glücksverheißend dargestellt, dass wir leicht den Quell der eigentlichen Freude übersehen. Es ist gar nicht so einfach, sich so von den Vergnügungen der Welt nicht abhängig zu machen - daher ist so eine Zeit der Wüste, des Fastens angebracht. So ist es auch bei dem Propheten Hosea gedacht: erneut in die Wüste, um die Liebe Gottes neu zu entdecken. Gott will uns dort neu seine Liebe zeigen. In der Wüste hat er den Menschen das Manna, die Wachteln geschickt, das lebensspendende Wasser aus dem Felsen. Er will sich uns in der Wüste neu antrauen - neu mit uns vermählen - den Bund mit uns erneuern. Er ist derjenige, der uns neu beschenken möchte - wir müssen uns bloß in die Wüste führen lassen - den Rest macht Er! Die Fastenzeit als Zeit des sich von Gott beschenken lassens.

Nach solch einer Zeit der geistigen Erneuerung vermögen wir auch wieder deutlich zu machen, worin der Sinn unseres Lebens besteht, der eigentliche Grund unserer Freude: dass Gott mit uns ist, dass er sich uns angetraut hat, dass das Leben hier nur ein kleines Vorprogramm auf den Hauptfilm: das ewige Leben ist.

Und dann wird auch unsere christliche Handschrift wieder deutlicher sichtbar, vermögen wir auch wieder, andere anzustecken. So sagt es Paulus: wir sind ein Empfehlungsschreiben, ein Aushängeschild für Jesus Christus - durch uns wird Christus sichtbar in der Welt. Nicht mehr der steinerne Tempel, sondern wir als der Tempel des Heiligen Geistes stellen die Gegenwart Gottes dar. Ein hoher Anspruch.

Somit lade ich sei ein, diese nächsten Mittwoch startende 40-tägige Fortbildung wahrzunehmen, um eine Freude auszustrahlen, die weit über Karneval hinausreicht. Amen.

477. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat. Das gilt auch für uns Christen: Der Sonntag ist kein Tag, der von der Gottesdienstpflicht lebt, sondern davon dass wir uns einmal etwas Gutes gönnen wollen. Gott möchte uns eine Freude bereiten und lädt uns ein.

Es kann aber vorkommen, dass uns die Freude an Gott abhanden kommt, so ganz nebenbei, ohne dass wir das merken. Plötzlich haben wir einfach keine Lust mehr, zur Kirche zu gehen.
Das kann auch in allen anderen Bereichen passieren: Die Freude an der Arbeit, an der Familie, am Studium - ja, sogar die Lebensfreude schlechthin kann verdunsten.
Dagegen haben die Menschen das Feiern erfunden: Weg mit dem Alltäglichen, zurück zur Freude! Dafür kann auch Karneval eine Hilfe sein; eine Rückbesinnung auf die angeborene Freude am Einfachen.

Der Papst kommt eines Tages in den Himmel. Petrus begrüßt ihn ganz freundlich und zeigt ihm seine Wohn-Wolke; Petrus gibt dem Papst einen kleinen Zettel, auf dem die Gottesdienstzeit, die Lobpreis-Zeiten, die Zeiten für's Halleluja und die Essenszeiten stehen.
Nach ein paar Tagen meldet sich der Papst wieder beim Petrus. «Ich möchte mich ja nicht beschweren. Die Gebetszeiten sind ja ganz in Ordnung. Und Halleluja singe ich auch gerne. Vor allem der Lobpreis am Nachmittag gefällt mir sehr gut. Aber warum gibt es morgens, mittags und abends immer nur Schnittchen und Quark? Ich habe mal einen Blick vom Himmelsrand in die Hölle geworfen: Die kriegen dort unten immer Kartoffeln und Schnitzel und Suppe.»
Daraufhin meint Petrus: «Nun ja, weißt Du, hier bei uns im Himmel lohnt es sich eben nicht, nur für eine Person warm zu kochen.»

Liebe Schwestern und Brüder, Lachen und Humor ist keine Erfindung des Teufels, sondern eine Gabe Gottes. In der Freude findet sich der Glaube schneller zurecht als im Ernst, denn die Freude geht tiefer - wenn sie richtige Freude ist.

Ein junges Ehepaar kommt zum Kaplan. «Wir sind jetzt schon 6 Jahre verheiratet, und es will sich einfach kein Nachwuchs einstellen. Wir haben schon viel versucht und auch die besten Ärzte konnten uns nicht helfen.» sagen sie. Darauf meint der Kaplan: «Dann bitten sie doch Gott um Hilfe. Fahren sie zum Beispiel nach Lourdes, und zünden sie dort eine Kerze an.»
Diesen Ratschlag beherzigen die beiden Eheleute, doch wenig später wird der Kaplan versetzt, und er kommt nicht mehr dazu, die beiden zu besuchen. Ein paar Jahre später ist der Kaplan zufällig wieder in der Gegend und besucht das Ehepaar. Nachdem er an der Tür geklingelt hat, macht im ein kleiner Junge auf. Na, meint der Kaplan zu sich, mit Gott kann man immer rechen. Er fragt den kleinen Jungen: «Hast du eigentlich noch Geschwister?» Und der Junge antwortet: «Ja, meine Schwester Sabine ist sechs Jahre alt, mein kleiner Bruder Jan ist fünf Jahre alt, Silvia und Silke sind vier Jahre, Stefan ist drei Jahre; Helena und Iris sind zwei Jahre und Niko ist 1 Jahr alt.» - «Und wo sind deine Eltern?» - «Die sind nach Lourdes gefahren, die wollen da eine Kerze auspusten.»

Liebe Schwestern und Brüder, natürlich können wir nicht jeden Gottesdienst als eine Belustigungsveranstaltungen feiern. Wir können auch nicht das ganze Jahr Karneval feiern. Aber es tut uns ganz gut, uns daran zu erinnern, dass auch in diesen Heiligen Hallen gelacht werden darf. Weil Gott uns zur Freude geschaffen hat.

Am Eingang des Männer-Himmels gibt es zwei riesige Tore. Über den einen steht: Für Ehemänner, die von ihren Ehefrauen unterdrückt wurden. Davor steht eine riesige Schlange von Männern.
Über dem anderen Tor steht: Für Ehemänner, die ihre Frauen unterdrückt haben. Das Tor ist verstaubt und voller Spinnweben, schon seit Jahren hat sich hier keiner angestellt. Bis eines Tages auch vor diesem Tor ein einzelner Mann steht. Nachdem Petrus endlich den Schlüssel für dieses Tor gefunden hat, fragt er den Mann, warum er denn vor dieser Tür steht. Daraufhin antwortet der: Ich soll mich hier anstellen, hat meine Frau gesagt.

Der Pfarrer ist mit seiner Gemeinde gerade dabei, den Kreuzweg zu beten, als er zu einem Sterbefall gerufen wird. Er bittet seine Haushälterin, den Kreuzweg weiterzubeten; er wäre dann rechtzeitig zum Schlusssegen zurück.
Nun dauerte es doch etwas länger, und als der Pfarrer kurz vor Mitternacht wieder nach Hause kommt, brennt in der Kirche immer noch Licht. Er geht in die Kirche und hört, wie seine Haushälterin tapfer betet: «82. Station: Simon von Cyrene heiratet Veronika mit dem Schweißtuch.»

Und zu letzt ein Ausspruch, aufgeschnappt von auf dem See Genezareth, vor 2000 Jahren:

«Es ist mit egal, wer Dein Vater ist, wenn ich hier fische, läufst Du mir nicht übers Wasser...»

Amen.

478. Predigtvorschlag

Warum gibt es das Leid in der Welt? Eine immer wieder gestellte Frage. Die Antwort der Bibel aus dem Buch Genesis haben wir gerade gehört: der Sündenfall. Der Mensch ist nicht mehr im Paradies, weil er sich über die Gebote Gottes hinweg gesetzt hat, weil er so sein wollte wie Gott. Darin sehe ich durchaus eine Deutung, mit der ich auch heute vieles Leid erklären kann: weil Menschen so sein wollen wie Gott.

Aber Gott belässt es nicht bei dem selbst eingebrocktem Leid der Menschen. "Würdest Du Herr, unsere Sünden beachten, Herr, wer könnte bestehen". Wir sind ihm nicht egal "Ja, er wird Israel erlösen" - so hieß es vorhin im Psalm 130 zwischen den Lesungen. Der Psalmist wusste, Gott wird uns nicht im Stich lassen und in Jesus Christus hat er dann seine Hoffnung erfüllt bekommen. Jesus heilt die Menschen, vergibt ihnen ihre Sünden - all das ist der Evangelienstelle, die wir heute von Markus gehört haben voran gegangen. Deshalb kommen so viele Menschen zu ihm, strömen ihm zu, weil sie dieses Heil wollen. Papst Franziskus hat es auch schon angekündigt: ein Jahr der Barmherzigkeit, den Menschen die Sünden vergeben.

Und Jesus hat Erfolg: er erfährt einen Menschenandrang, wie vor 10 Jahren das Anbetungszelt auf dem Weltjugendtag, woraus sich unser Nightfever entwickelt hat. Bei den Menschen zur Zeit Jesu stößt das auf Skepsis. Das kennen wir sicherlich auch - wenn sich irgendwo unerwartet ein Menschenandrang, eine Erfolgsgeschichte auftut. Und so denken die Verwandten Jesu: der isst nicht mehr, der spinnt, der ist krank, wir müssen ihn da raus holen. Noch energischer reagieren die Schriftgelehrten, die sagen, dass er vom Teufel besessen sei. Beide Male - ob die Krankerklärung oder die Verteufelung - können bzw. wollen die Leute nicht verstehen. Jesus macht ihnen deutlich, dass er nur im Namen Gottes reden kann, dass alles andere unlogisch ist, aber sie wollen das nicht hören.

Paulus in der zweiten Lesung sagt: das wird Euch auch so passieren. Auch ihr werdet immer wieder äußerlich aufgerieben werden. Aber - so Paulus - der innere Mensch wird Tag für Tag erneuert. Wir dürfen jeden Tag die Liebe des Vaters erleben, der uns erwählt hat, jeden Tag die Liebe Jesu, der sich uns geschenkt hat, jeden Tag die Liebe des Geistes, der uns stärkt, Kraft gibt. Gott ist jeden Tag neu für uns da, im täglichen Gebet, in der täglichen Messe darf ich ihn erleben, möchte er uns erneuern, möchte er in uns die Gewissheit stärken - wie Paulus schrieb - dass wir letztlich eine Wohnung von Gott im Himmel haben. Nicht als Vertröstung für das Leid dieser Welt, sondern als Ziel des irdischen Lebens hier und jetzt.

Und davon gilt es zu reden - nochmal Paulus: "Wir glauben und darum reden wir", dass wir auferstehen werden, dass dieses Leben hier nicht alles ist, dass Gott uns unsere Schuld verziehen hat, er uns diese Vergebung zusagen möchte. Gott ist uns barmherzig. Das gilt es den Menschen zu künden. Damit sie bereit werden, ihm ihr Herz zu öffnen, um diese Barmherzigkeit auch zu empfangen.

479. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Was können wir Menschen heute nicht alles machen: Satelliten lassen uns Dinge sehen, die tausende Kilometer von uns entfernt passieren, Space-Shuttles fliegen mit Wissenschaftlern in den Weltraum, wir machen künstlichen Schnee für den Wintersport, stellen Nahrungsmittel gentechnisch her, klonen Schafe, bald vielleicht auch Menschen. Vieles ist machbar, unserem Können scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein.

Wenn wir soviel machen können, dann müßten wir es doch hinkriegen, daß die Kirchen wieder voller werden. In den Medien sind jetzt gerade wieder die letzten Kirchenbesucher und Kirchenaustrittszahlen berichtet worden. Es scheint so, als würde voller Stolz berichtet, daß im Bistum Münster nur 1 Prozent weniger in die Kirche gegangen sind, als noch vor einem Jahr. Sicherlich ist es schön, wenn vielleicht eine Trendwende abzusehen ist, aber noch immer kehren mehr Menschen der Kirche den Rücken zu, als Neue und Alte zur Kirche hin bzw. zurück finden. Können wir denn nicht etwas unternehmen, daß die Kirchen wieder voller werden? Manche meinen, mit besseren Gottesdiensten, jugendlicheren Pfarrern und einem modernen Papst würde die Kirche mehr erreichen. Irgendwas müssen wir doch tun, um die Sache Jesu weitergehen zu lassen.

Die heutigen Bibeltexte nehmen solch einem Denken zunächst einmal den Wind aus den Segeln. Jesus erzählt im ersten Gleichnis von der Ausbreitung des Reiches Gottes von einem Mann, der nicht viel mehr berichtet wird, als daß er schläft und wieder aufsteht. Der Same wächst und bringt Frucht, ohne daß der Mann weiß, wie. Nicht der Mann läßt die Frucht wachsen, sondern der Same wächst von alleine. Das Reich Gottes wird sich nicht durch unsere Leistungen und Erfolge verbreiten, sondern die Kraft steckt in der Sache selbst. Jesus hat das Reich Gottes mit der Größe eines Senfkorns verglichen. So klein ist es, für manchen vielleicht auch heute noch. Aber es wird so groß werden, daß Vögel darin nisten können, d.h., daß das Leben daraus weiter geht, daß es Frucht trägt.

Ludger Edelkötter hat diesen Bibeltext zum Hintergrund genommen für ein Lied, daß im neuen Gotteslob Einzug gefunden hat, welches wir auch für unsere Gemeinde schon bestellt haben. Noch ist es nicht da, von daher greifen sie bitte auf die ausgeteilten Zettel zurück. Frau Brinkhaus spielt uns die Melodie einmal vor, ich singe es Ihnen einmal vor, und dann bitte ich sie miteinzustimmen:

  1. Das Gleichnis vom Senfkorn war damals ein allgemein verständliches. Jeder wußte sofort, was damit gemeint war. In unseren Breitengraden sind Senfbäume seltener anzutreffen, von daher hat Alois Albrecht weitere Bilder ausgewählt, die verdeutlichen sollen, wie sich das Reich Gottes ausbreiten kann. Wie ein kleiner Funke, der zur Flamme, zum Feuer wird. Ich sing es einmal vor:
  2. In jeder Strophe singen wir: mir umsonst geschenkt. Ich brauche mir nicht groß etwas einfallen lassen, was und wie ich den Glauben mitteilen soll, sondern den Anfang, die Grundvoraussetzung, hat Gott mir bereits mitgegeben. Auch wenn wir es als viel zu wenig empfinden, als daß wir mit unserem kleinen Glauben das Reich Gottes ausbreiten könnten. Jesus macht deutlich, laß das Kleine nur gedeihen, dann kann daraus Großes erwachsen. So kann eine Münze, richtig eingesetzt, Zinsen tragen und zu großem Reichtum werden.
  3. Auch wird in jeder Strophe deutlich, daß nicht ich es bin, der das Reich Gottes machen muß. Sondern in jedem Bild, wird wie in dem ersten deutlich, daß die Kraft zur Ausbreitung in der Sache selbst liegt. Es ist mit dem Reich Gottes nicht wie bei einem Hausbau, wo ich immer neue Steine heranschleppen muß, um den Bau zu vollenden. Von alleine passiert da nichts. Beim Senfkorn, beim Funken, bei der Münze ist das anders, da ist genug Potential in der Sache selbst, daß daraus großes werden kann. Ich muß das mir Geschenkte nur zum Einsatz kommen lassen, und nicht damit hinterm Berg halten. Offen gelebte Gefühle bewirken ähnliches.
  4. All diese Strophen bringen gleich Beispiele, wie ich das mir Geschenkte umsetzen kann, in welchen Bereichen überall das Reich Gottes zum Zuge kommen kann. Wenn ich meinen kleinen Glauben lebe, biete ich anderen Ängstlichen Schutz, wie ein schattenspendender Baum, bin ich ein Licht, wonach sich andere ausrichten können, bin ich Reichtum für geistig Arme, die keinen Sinn im Leben finden, kann ich Trauernde trösten, oder wie es in der letzten Strophe heißt, andere bei Gott Ruhe finden lassen.
  5. Gott schenkt mir die Voraussetzung. Er läßt sein Reich wachsen, ich bin nur gefordert, den kleinen Glauben, den ich besitze einzusetzen, zu leben. Alles andere tut er dazu. Amen.

480. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

in einem, Ihnen sicherlich bekannten Film mit dem Titel "Und täglich grüßt das Murmeltier" gerät ein unangenehmer Zeitgenosse in eine Zeitschleife. Er erlebt ein und denselben Tag immer wieder - er kann machen, was er will. Jedesmal, wenn er aufwacht, erlebt er den gleichen Tag, alles wiederholt sich.

Nun, so ganz unangenehm ist ihm das zuerst nicht - immerhin hat er ein Auge auf eine bestimmte Frau geworfen, und nun kann er sie studieren. Tag für Tag erfährt er mehr über sie, übe ihre Vorlieben und Abneigungen, ihre Hobbys und ihre Vergangenheit, ihre Wnsche und Sehnsüchte. Aber nachdem er fast alles erfahren hat, jedes Fettnäpfchen vermeidet und alles, was er weiß, gewinnbringend einsetzt - verachtet sie ihn nur noch mehr. Wissen, liebe Schwestern und Brüder, ist noch nicht lieben.

Lieben, dass heißt, sich auf den anderen einlassen. Nicht: Ihn studieren, anakysieren und sezieren und dann einzupacken. Sondern ihn gerade mit den Rätseln nehmen, das Unerklärliche nicht erklären, sondern hüten. Lieben, das heißt das Geheimnisvolle am anderen zu wahren - und ihm dennoch (oder gerade deshalb) sein eigenes Leben anzuvertrauen.

Das gilt auch für Gott. Er spricht in Rätseln, Gleichnissen und erklärt sie nur seinen Jüngern. Man kann Gott studieren, ihn sezieren und in handliche Dogmen verpacken. Wer alles glaubt, was im Katechismus steht, muss nicht unbedingt auch verliebt sein in Gott.
Wer alle Regeln des Glaubens kennt, alle Gebote auswendig kann und minuziös einhält - ist deshalb allein noch nicht erlöst. Erlösung erfährt erst der, der Gott annimmt - mit seinen Geheimnissen, seinen Rätselhaftigkeiten und dem Unerklärlichen. Gott so zu lieben und - gerade deshalb - sein Geheimnis zu wahren, heißt lieben.

Wenn wir nicht nur die Tatsache, dass Jesus uns heute zwei Gleichnisse präsentiert, betrachten, sondern auch schauen, was die Gleichnisse uns sagen, kommen wir zum gleichen Schluss: Die Saat wächst - und der Sämann weiß nicht wie. Er muss es auch nicht wissen. Er wird nicht dadurch ein besser Sämann, weil er alle Wachstumsprozesse aufzählen kann und schematisch darstellen. Er ist ein guter Sämann, wenn er vertrauen kann, abwarten kann und Geduld hat. Wenn er in alle Liebe gelasen bleibt, weil er weiß: Es wird gut.

Liebe Schwestern und Brüder: Gott zu kennen ist schön. Seine Gebote zu halten, tut gut. Aber wichtiger und grundlegender ist, Gott zu vertrauen, dass das, was wird, gut ist. SICH Gott anzuvertrauen. Weil alles, was in Seinen Händen liegt, gut ist und gut wird.

Lieben - das heißt Glauben. Glauben, dass Gott Gott ist und ich ihn nicht begreifen muss, um selbst geliebt zu sein. Glauben - das heißt lieben. Gott zu lieben, so wie er ist. Wer nur diesen einen Funken Liebe in sich trägt, hegt und pflegt - wie das kleinste Samenkorn - der hat den ganzen Glauben. Ob er nun den Katechismus auswendig kann (was eine feine Sache wäre) und alle Gebote einhält (was sehr angenehm wäre) - oder auch nicht. Hauptsache, die Liebe wächst.

Amen.

481. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Auf die Frage: «Was ist eigentlich das Leben?» hat ein französischer Dichter einmal geantwortet: «Das Leben ist dein Schiff; doch deine Heimat ist es nicht.» Mit anderen Worten: Wir sind unterwegs, unser Leben gleicht einem Boot, das nicht im Hafen liegt, sondern auf hoher See einem Ziel entgegenstrebt.

So kann das heutige Evangelium wie ein Fingerzeig sein, der auf bestimmte Situationen unseres Lebens hinweist: In ruhigen und guten Zeiten unseres Lebens glauben wir mehr oder weniger problemlos, dass Jesus im Boot unseres Lebens gegenwärtig ist. Stellen sich aber plötzlich unvorhergesehene Ereignisse ein - oder geraten wir in arge Bedrängnis, dann werden wir urplötzlich kopflos und rufen nach Hilfe. Dann macht sich plötzlich Angst breit: «Ich schaffe das nicht. Der Sturm ist zu groß für mich. Ich werde untergehen. Und Gott? Warum tut er nichts?» Und wie die Jünger stellen wir dann die Frage (oder auch manchmal die Anklage): «Meister, kümmert es dich nicht, das ich zugrunde gehe?»
Wie ist es denn möglich, dass Gott sich so zurückhält, wenn Menschen so sehr in Not - und vor allem in Angst - geraten?

Vielleicht gilt die Antwort Jesu aber auch uns: «Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?» Zwischen Angst und Unglauben besteht eine unmittelbare Verbindung. Angst vermehrt den Unglauben. Und umgekehrt: Unglaube vergrößert die Angst. Das gilt mich für mich, für jeden einzelnen. Das gilt aber auch für die ganze Kirche. Glauben heißt: Die eigene Angst von Gott überwinden lassen und vertrauen. Glauben heißt, unbedingt darauf vertrauen, dass Jesus bei seiner Kirche ist und dass sie nicht untergehen wird. Die größte Gefahr, die der Kirche droht, sind Angst und Unglauben. Oder besser: Angst aufgrund von Unglauben.

Daher versteht sich auch, dass es keinen echten Mut ohne Glauben gibt. Mutig im Sinne Gottes sind letztlich nur die, die voll des Glaubens sind. Das sehen wir an allen, die in gefahrvollen Situationen die feste Überzeugung hatten, dass denen nichts passieren kann, die «mit Jesus sind». So schrieb Edith Stein am Vorabend ihrer Deportation nach Auschwitz ihren letzten Brief, der mit den Worten schließt: «Konnte bisher herrlich beten.»

Die Erzählung von der «Stillung des Sturmes auf dem Meer» hat also zwei Seiten: Den gewaltigen Sturm, die Angst und den Unglauben. Das ist die eine Seite. Aber es gibt noch die eine andere: Die Macht Jesu und seine unbedingte Ruhe. Sie machen stark. Was tue ich also, wenn mein Lebensboot hin und her geworfen wird? Schau ich auf den Sturm, der mich ängstigt, oder schaue ich auf Jesus, der mich zur Ruhe bringt? Überlassen wir uns für keinen Augenblick dem Sturm. Halten wir uns an Jesus, der in meinem Lebensboot anwesend ist. Die kleine Therese von Lisieux hat einmal gesagt: «Wenn der Sturm kommt, schaue ich auf den Herrn. Ich brauche ihn nicht zu wecken. Mir genügt zu wissen: Er ist da.»

Amen.

482. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Mitten in die spannende Geschichte von der Auferweckung der Tochter des Jairus erzählt Markus von einer abergläubische Frau. Die glaubt doch tatsächlich, sie müsste Jesus nur berühren, und sie würde geheilt werden. Das ist ja ein typisch magisches Denken. Und dass das nicht richtig ist, weiß jeder von uns.

Wir wissen inzwischen, als aufgeklärte Menschen: Weihwasser ist nur ein Zeichen, Lourdeswasser genauso; mit dem Kreuz können wir keine Vampire vertreiben, und ein Christopherus im Auto schützt auch nicht vor Unfällen. Die wundertätige Medaille darf eigentlich gar nicht so heißen, und der Wettersegen aus der Kirche bewahrt auch nicht wirklich vor Blitz und Hagel. Wenn jemand hilft, dann ist das Gott; und den brauchen wir nur zu bitten. Alles andere ist Brimborium und Aberglauben.

Wir aufgeklärten Menschen haben es manchmal sogar soweit getrieben, dass selbst die Kommunion nur noch ein Zeichen ist, das weder Kraft schenkt noch Vergebung der Sünden. Das wäre ja auch sonst Magie. Alles was geschieht, soll letztlich nur ein Akt des Glaubens sein. Gott tut alles. Niemand sonst.

So haben auch die Apostel gedacht. Sie verstehen nicht, was Jesus mit der Frage will: Wer hat mich berührt?

Aber Jesus zeigt uns zwei entscheidende Dinge: Ersten hört er einfach über die Frage und die Einwände der Jünger hinweg. Das sollten wir auch viel öfter tun. Es lohnt sich nicht immer und jedesmal, große Diskussionen anzufangen. Wenn es um den innersten, eigenen Glauben geht, dann darf man Kritiker und Zweifler auch einfach mal "überhören". Gerade die sogenannten modernen Menschen, die Aufklärer und die religiösen Besserwisser können einem normal Glaubenden ganz schön den Kopf verdrehen. Hören Sie einfach nicht hin. Das hat Jesus auch nicht getan. Hauptsache, man behält ein offenes Ohr für Gott und seine Kirche.

Und zweitens: Jesus bezeichnet selbst den Aberglauben der Frau als "einen Glauben, der Dir geholfen hat". Also doch!

Es gibt keine geheime Kraft im Gewand Jesu. Es ist der Glaube an die Göttlichkeit Jesu, die dem Zeichen der Berührung Kraft und Heilung verleiht.

Es hilft also doch, sich mit Weihwasser zu bekreuzigen: Wenn wir glauben. Wenn wir an Gottes Macht glauben, dann schützt auch ein Christopherus, ein Wettersegen und ein Kreuz in jedem Zimmer; dann haben Reliquien und Andenken einen guten Platz in unserem Leben. Wenn wir so wie die Frau im Evangelium, unserer erste Hoffnung auf Gott setzen, dann kann alles das Heil vermitteln, dass Gott uns schenkt.

Amen.

483. Predigtvorschlag

Ein Prophet zählt nichts in seiner Heimat.

Liebe Schwestern und Brüder, wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum ein Priester normalerweise nicht in seinem Heimatort eingesetzt wird. Dort, wo er aufgewachsen und groß geworden ist, kennt man alle seine guten und schlechten Seiten, seine ganze Menschlichkeit. Den Nachbarn, Freunden Verwandten und Bekannten fällt es schwer, in diesen so menschlichen jungen Mann mehr zu sehen, als er immer gewesen ist. Anscheinend ist die Mentalität der Bewohner Nazareths bis heute nicht ausgestorben.

Und so können sich auch die Bewohner von Nazareth nicht überwinden, in den - vermutlich netten und freundlichen - kleinen Jesus von früher jetzt Gottes Sohn zu sehen. Sie bleiben bei ihrem Bild, das sie immer von Jesus hatten, und das ist eben nur menschlich. Ein Mensch jedoch darf sich diese Dinge nicht herausnehmen, die sich dieser Jesus herausnimmt. Und so kommen sie schnell zu ihrem Urteil: Der ist verrückt geworden, übergeschnappt, größenwahnsinnig.

So ist das mit uns Menschen: Wir machen uns gerne ein Bild, indem wir vom Äußeren auf das Innere schließen. Und von diesen lieb gewordenen Bildern, die wir vom Menschen haben, trennen wir uns nur ungern. Es bleibt dabei: Wo Zimmermann draufsteht, da kann nicht Gottes Sohn drin sein.

Womit wir aber nicht rechnen, ist, dass die Menschen, die uns scheinbar sehr vertraut sind, auch noch eine ganz gehörige Tiefendimension haben, und in dieser Tiefe des Menschen, die sich dem gut nachbarlichen Nebeneinander entzieht, wirkt Gott oft, ohne dass wir es erahnt hätten.

Viele Heilige sind in jungen Jahren von ihren Bekannten schlichtweg für verrückt erklärt worden, nur weil sich das Bild, dass die Bekannten von ihnen hatten, nicht mehr mit der Wirklichkeit deckte.
Das, was den Bewohnern von Nazareth fehlt, ist nicht die menschliche Nähe zu Jesus, dem Sohn der Maria, sondern der Glaube an die Macht Gottes, auch in den Menschen Wunder zu wirken.

Wunder, bei den Kranke geheilt werden oder Brot vermehrt oder Stürme beschwichtigt, scheinen einigen Menschen noch eher wahrscheinlich, als das Wunder, dass sich Menschen von Grund auf neu ausrichten und zu einer moralischen Größe gewandelt werden, die ihnen keiner gönnt. Gerade das aber ist das eigentliche Wunder des Christentums: Die Bekehrung der Herzen. Daran glauben aber die Bewohner Nazareths nicht, und deshalb bleibt ihnen auch jedes andere Wunder verborgen.

Und wie sieht mit uns aus? Was trauen wir eigentlich dem Wirken Gottes in unseren Mitmenschen zu? Glauben wir eigentlich noch daran, dass Gott in unserem Nachbarn wirkt? Was trauen wir eigentlich Gott zu?

Wenn wir versuchen, in den Menschen, die uns gerade im Alltag begegnen, auch die Tiefe zu entdecken, die Gott in ihnen sieht, dann können wir vielleicht feststellen, dass da, wo «Nachbar» drauf steht, schon längst ein «Heiliger» drin steckt.

Amen.

484. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Stellen sie sich einmal vor, ein guter Bekannter von ihnen - vielleicht ein Nachbar oder ein Kegelbruder - kommt ihnen eines schönes Tages in ihr Haus mit einer Botschaft, die er von Gott empfangen hat. Er soll ihnen ausrichten, dass sie ihr Leben zu ändern haben.

Was würden sie denn wohl sagen? «Größenwahnsinnig ist der geworden!» - «Zuviel getrunken hat der!» - «Was bildet der sich nur ein?!»

Da reagieren sie genauso, wie auch die Menschen in der Lesung oder im Evangelium, die den von Gott Gesandte ablehnen. Die wollen ihn auch nicht hören. Die Menschen, zu denen er sprechen soll, wenden sich ab. Und das ist doch erst einmal sehr verständlich. Woher sollen sie denn auch wissen, dass da wirklich jemand von Gott beauftragt wurde?

Es erscheint uns heute - genauso wie auch zu allen anderen Zeiten - als sehr unwahrscheinlich, dass irgendjemand von Gott ausgewählt wird, den Menschen ins Gewissen zu reden. Wir rechnen nicht damit. Es ist ja auch schon rein statistisch gesehen äußerst unwahrscheinlich, dass wir einen Propheten in unserem Bekannten- oder Verwandtenkreis haben.

Und dann sind Propheten ja auch meist sehr unbequeme Zeitgenossen. Die reden uns nämlich in unsere privatesten Dinge hinein. In unsere Geschäftsbeziehungen, in unser Spendenverhalten, in unseren Lebensstil, in unsere familiären Dingen und sogar in unsere Ehe. Wir müssten schon ein sehr schlechtes Gewissen haben, wenn wir das so einfach akzeptieren würden. Aber Propheten werden nicht zu den Menschen geschickt, die bereits ihr Fehlverhalten erkannt haben. Und deshalb stehen sie oft auf verlorenen Posten.

Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum wir uns so schwer tun, warum sich die Menschen zu allen Zeiten so schwer getan haben, einen Propheten zu akzeptieren: Und das ist der Neid.

«Warum soll den gerade der etwas besonderes sein?! Was erhebt der sich denn über mich? Was bildet der sich eigentlich ein?» Und das ist wohl auch der Grund, weshalb echte Propheten sich immer dagegen gesträubt haben, den Prophetendienst anzunehmen: Weil sie sich im Klaren waren über ihre eigene Unvollkommenheit. Und doch hat Gott gerade sie, die Unvollkommenen, dazu ausgewählt.

Es ist ganz offensichtlich, dass nicht nur die besseren Menschen Kritik üben dürfen. Und trotzdem weisen wir immer wieder Hinweise auf unsere eigene Lebensführung mit dem Argument zurück: «Der soll erst einmal bei sich selbst anfangen.» Selbst bei Jesus, der doch eigentlich über jede Kritik erhaben ist, finden sie den entscheidenden Grund: «Das ist doch bloß der Zimmermann! Was will der uns denn schon sagen?»

Wenn jemand beginnt, in unser Leben hineinzureden - und dabei ist es egal, ob er sich auf einen Auftrag Gottes beruft oder nicht - dann sollten wir nicht als erstes zum Gegenangriff übergehen und dessen Fehler und Schwächen ans Licht zerren. Das gilt für unseren Nachbarn, der plötzlich glaubt, ein Prophet zu sein - weiß man's? -, aber genauso auch für den Kollegen, den Pfarrer oder den Papst.

Wenn jemand beginnt, in unser Leben hineinzureden - wie unangenehm das auch sein mag - dann sollten wir uns wirklich die Demut und die Zeit nehmen, uns zu prüfen und nach Gottes Willen zu fragen. Stolz und falsche Verletztheit hat da nichts zu suchen. Gott sucht sich manchmal für diese Aufgabe die unsympathischsten Menschen heraus. Das ist aber Seine Sache. Unsere Sache ist die ehrlich Selbstprüfung.

Indem ich ihnen das sage, rede ich Ihnen selbst schon in ihr Leben hinein. Und das, obwohl ich mit Sicherheit keinen Deut besser bin als Sie, wohl eher im Gegenteil. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel.

Amen.

485. Predigtvorschlag

Lieber Schwestern und Brüder,

Ein moderner Mensch verirrte sich in einer Wüste. Tage- und nächtelang irrte er umher. Wie lange braucht man, um zu verhungern und zu verdursten? Das überlegte er sich beständig. Er wusste, dass man länger ohne Nahrung leben kann, als ohne etwas zu trinken. Die unbarmherzige Sonnenglut hatte ihn ausgedörrt. Er fieberte. Wenn er erschöpft ein paar Stunden einschlief, träumte er von Wasser, von Orangen und Datteln. Dann erwachte er zu schlimmerer Qual und taumelte weiter.

Plötzlich sah er in einiger Entfernung eine Oase. Aha, eine Fata Morgana, dachte er. Eine Luftspiegelung, die mich narrt und zur Verzweiflung treiben wird, denn in Wirklichkeit ist gar nichts da. Er näherte sich der Oase, aber sie verschwand nicht. Sie wurde im Gegenteil immer deutlicher. Er sah die Dattelpalmen, das Gras und die Felsen, zwischen denen eine Quelle entsprang. Es kann natürlich auch eine Hungerphantasie sein, die mir mein halb wahnsinniges Hirn vorgaukelt, dachte er. Solche Phantasien hat man ja in meinem Zustand. Natürlich, jetzt höre ich sogar das Wasser sprudeln. Eine Gehörhalluzination. Wie grausam die Natur ist. Mit diesem Gedanken brach er zusammen. Er starb mit einem lautlosen Fluch auf die unerbittliche Bösartigkeit des Lebens.

Eine Stunde später fanden ihn zwei Beduinen. "Kannst du so etwas verstehen?", sagte der eine zum andern. "Die Datteln wachsen ihm ja beinahe in den Mund, er hätte nur die Hand auszustrecken brauchen. Und dicht neben der Quelle liegt er, mitten in der schönsten Oase, verhungert und verdurstet. Wie ist das nur möglich?" "Er war ein moderner Mensch", antwortete der andere Beduine. "Er hat nicht daran geglaubt."

Nach dieser kleinen Geschichte ist es ein Kennzeichen des "modernen Menschen", skeptisch zu sein. Der Verdurstende hätte nur seinen Sinnen vertrauen müssen, und er wäre gerettet gewesen. Aber nein. Er war ein "moderner Mensch".

Mir ist diese Erzählung eingefallen, weil ich gerade über die Aussage des morgigen Evangeliums nachdenke (Markus, Kap. 6, 1 bis 6). Jesus ist zu Besuch in seiner Heimatstadt, aber die Menschen lehnen ihn ab. Er steckt für die Menschen aus seiner, die seine Familie kennen und seine Verwandten, in einer bestimmten Schublade, und aus der kommt er nicht raus. Und dann heißt es "Wegen ihres Unglaubens konnte er dort keine Wunder tun".

Unglaube verhindert Transzendenz, schränkt das Leben ein, behindert die Sicht, verhindert Leben. Wie in der Erzählung. Ich finde es bemerkenswert, wie Christus damals reagiert hat. Da steht "Er wunderte sich über ihren Unglauben." Nicht etwa "Er verurteilte sie ob ihres Unglaubens", oder "Er verfluchte seine Heimatstadt,"nix dergleichen. Sondern einfach nur "Er wunderte sich."

Ich glaube, dass wir in diesem Sich-WundernJesu ganz nah dran sind an dem, was uns das Evangelium als gute Botschaft für unseren Alltag mitgeben will. Jesus wundert sich, weil er sich fragt, "Wie können sich diese Menschen gegen den Glauben verschließen, der doch nichts anderes will, als unseren eingeschränkten Horizont aufzubrechen, Wunder möglich zu machen, und selbst dort noch Leben zu verheißen, wo für einen ungläubigen Menschen nichts mehr ist. Es ist doch merkwürdig, dass es Menschen gibt, die sich gegen eine solche Horizonterweiterung ihres Daseins versperren ? und damit die ganz Tiefendimension ihrer Existenz verneinen.

Einen gesegneten Sonntag und viele neue Einblicke in das, was unser Glaube möglich machen kann

486. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wie Sie wissen, war ich vor einigen Tagen auf dem ökumenischen Kirchentag in Berlin. Es hat mir dort gut gefallen und von vielen Veranstaltungen war ich wirklich sehr angetan. Aber eine Sache ging mir dann doch gegen den Strich - im übrigen die gleiche wie auch auf den Katholikentagen in den Jahren davor:

Die Redner auf den Podien und Bühnen dort konnten über vieles reden. Aber immer, wenn sie die Stimme gegen Bischöfe, Grundsätze des Glaubens und vor allem gegen Rom erhoben und sich darüber beklagten, dass die dort oben doch alle von gestern seien, brandete Applaus auf.

Immer, wenn einer kommt und auf die Strukturen und die Obrigkeit schimpft, wenn einer den Finger in die Wunde legt und Fehler öffentlich macht - natürlich die der anderen - dann ist er gern gesehen, hat Zulauf und bekommt Applaus. Das nämlich wollen die Leute hören, heute genauso wie vor 3000 Jahren. Während man sich heute damit als Berufskritiker in den Medien Geld verdienen kann, ging das auch schon damals im alten Israel als Prophet. Und man konnte sich damit eine goldene Nase verdienen. Die Angesehenen und die Wohlhabenden fand man am Königshof, die weniger erfolgreichen an den Heiligtümern; sie verdienten ihre Brötchen bei der einfachen Bevölkerung.

Allen gemeinsam aber war eines: Schuld waren immer die anderen! Das kennzeichnete ihre Botschaft immer wieder. Sie redeten ihren Brötchengebern nach dem Mund, sagten das, was ihre Adressaten hören wollten, schimpften auf die anderen und sicherten sich dadurch ihren Erfolg.

Das war der Unterschied zwischen den bezahlten Berufspropheten - und den Propheten, die eine Berufung hatten; von den damaligen Berufskritikern weiß man heute nichts mehr - die Botschaft der wahren Propheten allerdings hat sich in der Bibel niedergeschlagen.

Einer der ersten Propheten, von dem wir eben in der Lesung gehört haben, war Amos. Alles andere als ein Berufsprophet. Er war Hirte im Land Juda, hütete Rinderherden und züchtete Maulbeerfeigen. Und er legt wert darauf, dass er kein üblicher Prophetenschüler ist, sondern dass Gott ihn berufen hat.
Dem König schleuderte er ins Gesicht, dass nicht die anderen, sondern dass der König und das Volk selbst an den Zuständen im Land schuld seien. Der König sei verantwortlich, weil er das Recht mit Füßen trete, weil er der Korruption Tür und Tor öffne und nur auf eigene Vorteil bedacht sei. Den Verantwortlichen in den Gemeinden hielt er vor, dass sie die Witwen und Waisen, die Armen und Rechtlosen, die Hilfsbedürftigen unterdrückten und knechteten. Und auch den Rest der Gesellschaft brandmarkte er, weil sie im Egoismus zu ersticken drohte, in der jeder nur noch auf sich selber blickte, auf seinen eigenen Reichtum und Wohlergehen, in der der Andere fast gar nichts mehr galt.

Eine Botschaft, die niemand hören wollte - wie wir in der Lesung gehört haben: «Geh Seher, pack Dich fort!» sagte ihm der Priester vom Reichsheiligtum Bet-El. «Erzähl' deine Schauermärchen anderen, vielleicht wollen die sie ja hören.» Eine Botschaft, die man nicht hören wollte.

Und so wie Gott Amos sandte, so sendet Jesus im heutigen Evangelium seine Jünger. Auch ihnen wird verheißen, dass man ihre Botschaft nicht unbedingt hören möchte, aber egal, sie sollen sich auf den Weg machen.

Und an ihrer Stelle stehen heute wir: wir sollen Jesu Botschaft in die Welt tragen, wir sollen in seinem Namen handeln. Wir sollen uns um die an den Rand der Gesellschaft Gestellten kümmern und uns nicht an den Gütern dieser Erde klammern, die nicht den Sinn unseres Lebens ausmachen.

Ich gebe zu, es ist schwer, anderer Meinung zu sein, wenn alle anderen applaudieren. Ich gebe zu, es ist schwer, zur Kirche zu stehen, wenn die anderen so gute Argumente haben.

Ich gebe zu, es ist schwierig, Beispielsweise als Messdiener seinen Dienst zu versehen, wenn es auf der anderen Seite Freunde und Freundinnen zu anderen Veranstaltungen hinzieht.

Ich gebe zu, dass es schwer fällt, der Welt eine Botschaft zu bringen, die sie nicht hören will. Wie schnell sind wir resigniert und meinen, es macht keinen Sinn - es hört keiner zu.

Ich gebe zu, dass es nicht einfach ist, nicht danach zu fragen, wie andere uns sehen; was sie über uns denken; was sie über uns reden.

Ich gebe zu, dass es schwer fällt, allein danach zu fragen, wozu Gott mich ruft.

Ich gebe gerne zu, dass es nicht nur Freude macht, Christ zu sein und sich senden zu lassen. Nicht umsonst haben sich alle Propheten des Alten Testamentes bis zum äußersten dagegen gesträubt, den Prophetendienst anzunehmen. Und jetzt ist es passiert: Sie alle sind Propheten.

Aber Gott hat niemals versprochen, dass er es und leicht machen wird. Er will keine Leichtgewichte, keine Warmduscher.
Aber er hat uns versprochen, immer, vor allem aber dort, wo wir es schwer haben, unser Kreuz mitzutragen.

487. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

Über 2700 Jahre ist das mittlerweile her, und es ist immer noch kein bißchen anders. Daran hat sich in den zurückliegenden Jahrtausenden absolut nichts geändert. Wenn einer kommt und jammert, auf die Strukturen und die Obrigkeit schimpft, wenn einer den Finger in die Wunde legt und Fehler öffentlich macht - natürlich die der anderen - dann ist er gern gesehen, hat Zulauf und Erfolg. Das nämlich wollen die Leute hören, heute genauso wie vor 3000 Jahren. Während man sich heute damit als Berufskritiker in den Medien Geld verdienen kann, ging das auch schon damals im alten Israel als Prophet. Und man konnte sich damit eine goldene Nase verdienen. Die angesehenen und die wohlhabenden fand man am Königshof, die weniger erfolgreichen an den Heiligtümern; sie verdienten ihre Brötchen bei der einfachen Bevölkerung.

Allen gemeinsam aber war eines: Schuld waren immer die anderen! Das kennzeichnete ihre Botschaft immer wieder. Sie redeten ihren Brötchengebern nach dem Mund, sagten das, was ihre Adressaten hören wollten, schimpften auf die anderen und sicherten sich dadurch ihren Erfolg.

Das war der Unterschied zwischen den Berufspropheten und den Propheten, die eine Berufung hatten; den Propheten, deren Botschaft sich in der Bibel niedergeschlagen hat.

Einer der ersten Propheten, von dem wir eben in der Lesung gehört haben, war Amos. Alles andere als ein Berufsprophet. Er war Hirte im Land Juda, hütete Rinderherden und züchtete Maulbeerfeigen. Und er legt wert darauf, dass er kein üblicher Prophetenschüler ist, sondern dass Gott ihn berufen hat. Er packte ihn, wie es im Hebräischen heißt „hinter der Herde weg." Hinter der Herde weg packte er ihn, zog Amos in das Nordreich Israel an den Königshof und an das Reichsheiligtum Bet-El. Und dort fing er an, seine Botschaft zu verkünden. Und das war eine ganz andere Botschaft, als die, die man dort zu hören gewohnt war.

Dem König schleuderte er ins Gesicht, dass nicht die anderen, sondern dass der König selbst an den Zuständen im Volk Schuld sei. Er sei verantwortlich, weil er das Recht mit Füßen trete, weil er der Korruption Tür und Tor öffne und nur auf eigene Vorteil bedacht sei. Den Verantwortlichen in den Gemeinden hielt er vor, dass sie die Witwen und Waisen, die Armen und Rechtlosen, die Hilfsbedürftigen unterdrückten und knechteten. Und auch den Rest der Gesellschaft brandmarkte er, weil sie im Egoismus zu ersticken drohte, in der jeder nur noch auf sich selber blickte, auf seinen eigenen Reichtum und Wohlergehen, in der der Andere fast gar nichts mehr galt.

Eine Botschaft, die niemand hören wollte: „Geh Seher, pack Dich fort" sagte ihm der Priester vom Reichsheiligtum Bet-El. „Pack dich fort ins Land Juda, wo Du hergekommen bist. Iß dort dein Brot und erzähl' deine Schauermärchen anderen, vielleicht wollen die sie ja hören." Eine Botschaft, die man nicht hören wollte.

Und so wie Gott Amos sandte, so sendet Jesus im heutigen Evangelium seine Jünger. Auch ihnen wird verheißen, dass man ihre Botschaft nicht unbedingt hören möchte, aber egal, sie sollen sich auf den Weg machen. Und dabei sollen sie sich nicht an materiellen Dingen festhalten, am besten gar nichts mitnehmen, das lenkt nur ab vom Wesentlichen, von Jesu Botschaft, sich weniger um sich selbst als vielmehr um die Kranken und von Dämonen Besessenen zu kümmern.

Und an ihrer Stelle stehen heute wir: wir sollen Jesu Botschaft in die Welt tragen, wir sollen in seinem Namen handeln. Wir sollen uns um die an den Rand der Gesellschaft Gestellten kümmern und uns nicht an den Gütern dieser Erde klammern, die nicht den Sinn unseres Lebens ausmachen.

Wir sind auch diejenigen, die die Botschaft des Amos hören müssen und uns hinterfragen lassen sollten, ob wir zu sehr an uns selbst denken, nur an unseren Vorteil und die Probleme der Kirche und der Gesellschaft nicht mehr im Blick haben und uns nicht darum kümmern. Drohen wir im Egoismus zu ersticken, denken wir nur noch an unseren eigenen Reichtum und unser Wohlergehen? Lassen wir die Botschaft des Amos und die Botschaft Jesu an uns heran, den Anderen und nicht so sehr uns selbst und unsere Güter im Blick zu haben?

Wenn Jesus hier betont, daß wir nichts mitnehmen sollen, um seine Botschaft zu verkünden, zu verbreiten, dann heißt das für uns heute genau das: wir brauchen um Zeugen Christi sein zu wollen, nichts mehr als seine Beauftragung, seine Berufung, die jeder von uns in der Taufe schon erfahren hat. Wir brauchen nicht irgendwie materiell ausgestattet sein, sondern einfach nur dort wo wir leben unseren Glauben leben. Wir brauchen keine teuren Kurse machen, wie es in verschiedenen Sekten der Fall ist, um Gott näher zu kommen

Einfach nur Zeugnis ablegen tut auch Amos, stößt dabei auf Widerstand, er wird dort weggeschickt, er ist dort als Mahner Gottes nicht gerne gesehen. Aber er legt ganz einfach als Viehzüchter Zeugnis von Gott ab, als ganz einfacher Mensch.

Die Lesung und das Evangelium sagen uns also, daß wir ganz einfach in unserer Welt Zeugnis von unserem Glauben ablegen sollen, das persönliche Zeugnis jeden einzelnen ist gefragt.

Desweiteren gibt uns das Evangelium eine Hilfe, wie wir dieses Zeugnis leben können. Und zwar ermahnt es jeden einzelnen von uns und ich pack mich da auch an die eigene Nase, nicht so an den materiellen Dingen zu hängen. Deswegen eben auch nichts mit auf den Weg nehmen.

Sicherlich ist nicht jeder von uns ein Franziskus, der alles abgeben konnte, der ein materiell ganz Armer werden konnte. Das ist auch gar nicht verlangt, das heutige Evangelium gibt uns da ein Ideal an, nach dem es sich zu streben lohnt, das man als Ziel vor Augen haben sollte, nicht jeder kann ein Franziskus sein.

Aber es kommt darauf an, daß wir uns nicht von den materiellen Dingen, von den irdischen Gütern das Glück erhoffen, sondern wissen, daß Jesus Christus es ist, der uns den wahren Sinn des Lebens gibt, er ist also unser Glück. Die materiellen Dinge machen das Leben zwar ganz angenehm, aber angewiesen sind wir darauf nicht. Jesus Christus ist genug, in ihm empfangen wir alles, wir brauchen eigentlich nichts anderes. Zum wahren Glück, zur wirklichen inneren Zufriedenheit brauchen wir die materiellen Werte nicht, das kann uns nur Christus geben. Und Jesus Christus wollen wir auch nun in der Eucharistie empfangen, ihn der uns alles ist. Amen.

488. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wie wird man eigentlich Apostel?

Vielleicht haben Sie schon von den berühmten Verkündern des Glaubens gehört, die dann den Beinamen "Apostel" bekommen haben. Bonifatius, der Apostel der Deutschen, oder Willehad, Willibrod oder andere, dann zu den Aposteln der Friesen, Apostel der Franken und so weiter geworden sind.

Das sind alles leuchtende Gestalten der Geschichte, Menschen, die etwas erreicht haben und sich einen Namen gemacht haben. Ganz ähnlich den 12 Aposteln, die in der Bibel genannt werden, und die nach Jesu Tod und Auferstehung von Spanien, Deutschland bis nach Indien gezogen sind, um den christlichen Glauben zu verkünden.

Nun haben sie vielleicht schon einmal gehört, dass wir alle Apostel des Glaubens sein sollen. Vielleicht haben sie das sofort wieder verdrängt, weil das ein doch sehr hoher Anspruch zu sein scheint. Aber vielleicht haben Sie sich ja auch überlegt, zumindest in ihrem kleinen Kreis ein Apostel zu sein. Jeder für sich, in seinem Freundeskreis und seiner Familie. Ein Bringer der frohen Botschaft.

Wie aber wird man ein solcher Apostel? Das heutige Evangelium im Zusammenhang mit dem vom letzten Sonntag gibt uns dabei drei ganz wesentliche Hinweise:

1. Sollte sie von Jesus gesandt sein. Es geht also nicht darum, seine eigenen Weisheiten zu verkünden und sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Ein Apostel sollte nicht nur von seinen Erfahrungen sprechen; sondern die befreiende Botschaft Jesu in den Vordergrund stellen: Wir sind befreit von Sünde und Tod, der Teufel kann uns nichts mehr anhaben; wir sind dazu berufen, die bösen Geister zu vertreiben, die vielen das Leben zu schwer machen.

2. Jesus hat die Jünger, die er zu Aposteln machen wollte, noch einfach nur "die 12" genannt, bevor er sie ausgeschickt hatte. Nachdem sie sich haben senden lassen und losgegangen sind, nennt er sie nach ihrer Rückkehr die "Apostel". Apostel wird man also nicht durch Schule und Diplom, sondern dadurch, dass man einfach losgeht und anfängt. Apostel ist keiner, der viel weiß, sondern jeder, der das, was er weiß, weitergibt. Apostelsein ist kein Titel, sondern eine Tätigkeit.

3. Nachdem die 12 zurückkommen, sind sie erschöpft und ermüdet. Sie brauchen, so bestimmt Jesus, nun erst einmal Stille. Aber keine Stille wie im Schlafzimmer, sondern eine Zeit mit Jesus alleine. Wer Apostel sein will, muss immer wieder den Weg zurück zum Herrn finden. Im Gebet, im Gottesdienst, in der Messe, vor allem aber in der Anbetung findet jeder Apostel seine Vollendung. Wer nur redet, aber nicht mehr zuhören kann, ist kein Apostel. Und wer anderen sein Leben als Beispiel vorhält, aber verlernt hat, auf das Beispiel Jesu zu schauen, in aller Ruhe und Einfachheit, ist ebenso wenig ein Apostel.

Liebe Schwestern und Brüder, Gott erwartet nicht von ihnen, dass sie gleich morgen ein Schild über ihr Bett anbringen, wo "Ich will Apostel" werden drauf steht. Nehmen sie sich das nicht vor.

Sondern versuchen sie umgekehrt, die drei genannten Punkte zu leben: (1) Sich von Jesus senden zu lassen, keine Gelegenheit vorüber gehen zu lassen, in der sie Gutes tun könnten. (2) Einfach mit dem anzufangen, was sie begriffen haben und (3) im engsten Kontakt zu dem bleiben, der Ihre Kraft und Freude ist. Wenn Sie das tun, dann brauchen sie sich nicht mehr vorzunehmen, auch noch Apostel zu werden. Dann sind sie es schon.

Amen.

489. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!
Ein großes, aufsehenerregendes Wunder habe wir gerade im Evangelium gehört.
Jesus speist die Fünftausend mit nur fünf Broten und zwei Fischen.

Würde der Herr das heute tun, z. B. hier im Bocholter Langenbergpark, dann wären morgen die Zeitungen voll davon. Riesige Überschriften könnte es geben. Ungefähr so:
Unerklärliches Wunder im Park
Scharlatan oder Sohn Gottes - Wer ist dieser Jesus?
Massenspeisung im Langenbergpark - 5000 werden satt.

Vielleicht käm auch ein Team von WMW und würde Teilnehmer befragen,
oder im Heute-Journal könnte man ein Interview mit Jesus verfolgen,
und in den Tagesthemen gäbe es ein Feature über den Wundermann.

Auf jeden Fall können wir sagen: Die Speisung von Fünftausend war ein außergewöhnliches Ereignis. Und auch heute wäre diese Großtat eine Nachricht wert.

Doch mich interessiert nicht das Großartige, Aufsehenerregende dieser Episode aus dem Leben Jesu. Mich interessiert, ja mich fasziniert etwas in diesem Geschehen, das ganz nebenbei im Evangelium berichtet wird, das wahrscheinlich keine Aufmerksamkeit in den reißerischen Nachrichten von heute finden würde.
Ich meine folgende Stelle, in der es heißt:
Als die Menge satt war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übriggebliebenen Brotstücke, damit nichts verdirbt.

Das ist doch erstaunlich. Da vollbringt der Herr ein Wunder, ein riesiges, beeindruckendes Wunder vor einer großen Menschenmenge. Man kann sich die Begeisterung, das Beeindruckt-Sein der Menschen, auch der Jünger damals vorstellen. Aber statt den Erfolg zu genießen, die Verehrung und Freude des Volkes an sich herankommen zu lassen, kümmert sich Jesus um scheinbar Unwesentliches, Unwichtiges: ums Aufräumen.

Als die Menge satt war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übriggebliebenen Brotstücke, damit nichts verdirbt.
So öffnet der Herr den Blick der Jünger für die kleinen Dinge, den Alltag. Er will nicht, dass das Außergewöhnliche allein vorherrscht, sondern das Normale.

Diese Aufmerksamkeit für die kleinen Dinge, die Liebe, die er in den alltäglichen Kleinigkeiten des Alltags und im Umgang mit den Menschen an den Tag legt, ist etwas, was Jesu Leben auf Erden immer wieder ausgezeichnet hat.

Die Evangelien sind voll davon:
Er merkt, wenn die Jünger eine Verschnaufpause benötigen. Der auferweckten Tochter des Jairus lässt er etwas zu Essen geben;
nach der Auferweckung des Lazarus bittet er die begeisterte Menge, Lazarus von seinen Binden zu befreien und erst mal in Ruhe zu lassen;
und es gäbe noch anderes aufzuzählen.
Die kleinen Dinge zu beachten und ernst zu nehmen, das hat Jesus in den dreißig verborgenen Jahren seines Lebens in Nazareth gelernt, wo er mit Maria und Josef das alltägliche Leben einer Handwerkerfamilie gelebt hat. Ohne groß Aufsehen zu erregen.

Als die Menge satt war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übriggebliebenen Brotstücke, damit nichts verdirbt.
Warum weist die Schrift so oft auf diese kleinen Dinge hin?
Warum war es für Jesu so wichtig, dass die übriggebliebenen Stücke eingesammelt werden?

Einen Hinweis gibt uns ein geistlicher Schriftsteller:
"Das Meer besteht aus lauter Tropfen, die Million aus lauter Pfennigen und das Leben aus lauter Minuten. Aber die Menschen wollen nicht mehr wissen von der Weisheit der Schöpfung, die das unendlich Große aus dem unendlichen Kleinen bestehen lässt. ... Eine Minute ist es, in der der kleine Mensch den ersten Brüller tut. Eine Minute ist es, in der er der Geliebten begegnet, und in einer Minute stirbt er. Wir gehen ganz handlich mit den Jahrhunderten um. Mit den Minuten können wir nicht hantieren."

Liebe Schwestern und Brüder, aber gerade diese Minuten machen unser Leben aus, gerade das Unscheinbare prägt unser Leben. Wir sehen selten außergewöhnlich Wunder noch vollbringen wir gewöhnlich heroische Großtaten.

Aber was wäre unser Leben ohne die Kleinigkeiten, die wir erfahren, und die wir tun? Wie arm wäre unser Leben ohne das aufmunternde Lächeln des Gegenübers, wie lieblos ohne die nette Aufmerksamkeit des Partners, wie langweilig ohne den netten Scherz des Nachbarn.

Unser Leben besteht nun mal aus Kleinigkeiten, aus den kleinen Dingen, die nahe liegen, doch leicht vergessen werden können.

Und wenn der Herr damals die Jünger und heute uns auf die kleinen Dinge aufmerksam macht, dann hat das auch etwas mit unserem Glaubensleben zu tun.

Wenn wir Christus nachfolgen wollen, dann ist unser Weg wohl weniger ein extraordinärer, dessen Etappen jeden Tag in der Zeitung zu lesen sind. Vielmehr geht es darum Gott zu loben und zu preisen in den ordinären Dingen des Alltags.
Aber wie könnte das gehen?
Hören wir das Zeugnis zweier Heiliger, der eine aus der frühen Zeit der Kirche, der andere aus dem 20. Jahrhundert.

Hören wir zuerst Augustinus, den großen Kirchenlehrer und Bischof:
"Wer kann mit der Zunge den ganzen Tag hindurch das Lob Gottes wiederholen? ... Wer kann den ganzen Tag immerfort Gott loben? Ich schlage die ein Mittel vor, wie du Gott den ganzen Tag loben kannst, wenn du willst. Tue alles, was du tust, gut, dann hast du Gott gelobt."

Das nun folgende Zitat stammt von Josefmaria Escriva, dem Gründer des Opus Dei, der einmal predigte:
"Ich versichere euch, wenn ein Christ die unbedeutendste Kleinigkeit des Alltags mit Liebe verrichtet, dann erfüllt sich diese Kleinigkeit mit der Größe Gottes."

Als die Menge satt war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übriggebliebenen Brotstücke, damit nichts verdirbt.
Jesus hat uns ein Beispiel gegeben. Wir sollen die kleinen Dinge ernst nehmen. Sie sind der normale Weg unseres Lebens.
Wenn wir sie aber ernst nehmen, sie gut tun und mit Liebe erfüllen, dann wird dieser Alltag der Ort, in dem wir Gott preisen und begegnen können.

Dann wird aus dem alltäglichen Einerlei etwas ganz Großes, Göttliches.
Das ist ein wirkliches Wunder, auch wenn uns deshalb kein Reporter interviewen wird und sich über das keine Schlagzeilen in den Gazetten finden lassen.

490. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Auf die Frage, was sich denn nun bei der Brotvermehrung in der Wüste wirklich abgespielt hat, finden wir in einigen Schulbüchern und auch in dem inzwischen weit verbreiteten religiösen Kinderlied vom «Kleinen Jonathan» folgende Antwort:

Die Menschen in der Wüste waren nicht bereit, irgendetwas miteinander zu teilen und erwarteten von Jesus, dass er sie versorgte. Erst als ein kleiner Junge ganz selbstlos seine Brote und Fische zur Verfügung stellte, wurden die anderen Jünger beschämt. Jeder schaut noch einmal in seinen Vorratstaschen nach, und sie teilten mit einander, was sie dort fanden - und prompt wurden alle satt. Das angebliche Wunder der Brotvermehrung ist demnach nichts anderes als die erwachte Bereitschaft der Menschenmenge, ihren Besitz zu teilen. Und so heißt es in dem Kinderlied vom kleinen Jonathan abschließend: «Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt.»

Nach dieser Theologie wäre die Aussage des heutigen Evangeliums: Leute, teilt was ihr habt! Es ginge in diesem Evangelium gar nicht um ein Wunder, das wirklich geschehen ist, sondern nur um die Erfahrung der ersten Christen: Ihr müsst selbstloser leben!
Und das ist keineswegs die einzige Stelle im Evangelium, die von der modernen Theologie so gedeutet wird:
Danach ist Petrus nie wirklich über den See gegangen, sondern das ist lediglich eine Geschichte zur Ermutigung, neue Wege zu gehen.
Ebenso hat der wunderbare, reiche Fischfang nie stattgefunden, sondern diese Geschichte soll zur Missionierung ermutigen.
Und so weiter...

Und von den Wundergeschichten, die uns von Jesus überliefert sind, bleibt am Ende nichts wunderbares mehr, nur noch ein ganz großer, erhobener Zeigefinger: Ihr müsst teilen! Ihr müsst neue Wege gehen! Ihr müsst vertrauen! Ihr müsst missionieren! Ihr müsst und sollt und habt zu tun...
Wer aus dem Christentum ein Morallehre macht, aus der Lehre Jesu eine Vorschriftensammlung und aus dem Evangelium ein Aufforderung zur sozialen Verantwortung - der verdreht alles genau in sein Gegenteil.

Jesus Christus ist nicht in die Welt gekommen, um uns unsere Schlechtigkeit aufzuzeigen und mit erhobenen Zeigefinger daran zu erinnern, dass wir ja eigentlich bessere Menschen sein müssten. Er ist nicht in die Welt gekommen, um uns den Weg größerer Menschlichkeit zu zeigen.

Die Botschaft Jesu Christi ist vielmehr: Kommet zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch Ruhe verschaffen! Und wenn ihr Durst habt - ich will euch erquicken! Kommt zu mir, wenn ihr hungrig seid, ich bin das Brot des Lebens! Die Botschaft Jesu ist: Ich bin der Weg! Ich bin das Leben! Wer zu mir kommt, der soll das Leben haben in Fülle!

Nicht Gebote, Lehre und Dogmen stehen im Vordergrund des Christentums. Nicht die Moral, das bessere Lebenskonzept. Das Christentum ist keine Lehre, sondern die Beziehung zu einer Person: Jesus Christus. Zu Jesus Christus, der Gottes Sohn ist, der Gott ist und die Kraft hat, Wunder zu vollbringen.

Liebe Schwestern und Brüder, nach der Brotvermehrung wollten die Juden ihn zum König machen, weil er in diesem Wunder gezeigt hat, dass er Dinge vermag, die kein Mensch kann, dass er Wunderkräfte hat. Was Jesus aber will, ist nicht, die Menschen wie ein irdischer König regieren, sondern ihnen Gutes tun: Ihre Sehnsüchte stillen, ihren geistigen Hunger nach Wahrheit. Gott liebt die Menschen in Jesus Christus, und er will nichts anderes, als in seiner Liebe angenommen zu werden und den Menschen diese Liebe mitzuteilen.

Wer aus dem Christentum eine Lehre zur Verbesserung des Menschen macht, der macht aus der Frohbotschaft eine Drohbotschaft.
In Wirklichkeit ist das Christentum eine Art Liebesgeständnis Gottes, der nicht mit erhobenen Zeigefinger sondern mit ausgestreckten Armen auf uns, so wie wir sind, wartet.
Amen.

491. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

So eine Brotvermehrung war vielleicht sehr publikumswirksam, aber offensichtlich nicht sonderlich eindeutig. Die fünftausend Menschen, die Zeugen der Brotvermehrung gewesen sind, haben nicht begriffen, was Jesus ihnen damit klar machen wollte:
Dass er derjenige ist, von dem das Leben kommt. Dass der Glaube und die Hoffnung genauso lebenswichtig sind wie das tägliche Brot. Und dass Gott diejenigen, die er zu den Seinen zählt, weder verhungern noch verdursten lassen will.
Alles, was die Fünftausend offensichtlich verstanden haben, ist, dass sie satt geworden sind, und dass die Brotvermehrung schon etwas Besonderes gewesen ist.

Nun kommen sie wieder zu Jesus und wollen noch mehr von diesen besonderen Sachen sehen - sie haben sogar eine präzise Vorstellung von dem, was sie sehen wollen: So etwas wie das Mannawunder in der Wüste, das wäre nicht schlecht. Für die großen, Aufsehen erregende Wunder sind sie zu haben - aber das einzig notwendige, den Glauben, die persönliche Beziehung zu Jesus - das interessiert sie nicht.

Es macht sich allmählich ein ganz interessanten Phänomen in unserer Gesellschaft breit: Während es noch vor Jahrzehnten hieß: «Jesus - ja, Kirche - nein», so heißt es heute eher: «Kirche - ja, Jesus - nein». Da suchen einige die Gemeinschaft der Kirche, ihr soziales Engagement und ihre Sinnstiftung - aber die Mühe, wirklich zu glauben, machen sie sich nicht. Da gibt es Christen, die regelmäßig die Schönheit der Gottesdienste, der Sakramente und der Kirchen aufsuchen (oder die unterhaltsamen Kindergottesdienste) - aber eine persönliche Beziehung zu dem, der darin wohnt, haben sie nicht.

Die Botschaft des Gründers unserer Kirche ist aber eine andere: In der Brotvermehrung versucht Jesus deutlich zu machen, dass er selber für das Leben so wichtig ist, wie zum Beispiel das tägliche Brot. Wer aber nicht hinter dieses Wunder schaut, stellt nichts anderes fest, als dass er satt geworden ist.

Die Gestaltung der Kirchen, Schönheit der Gottesdienst, die Musik und die Liturgie versuchen deutlich zu machen, wie schön es ist, Gott zu dienen. Wer nicht hinter dieses Geschehen schaut, der wird nichts anderes finden, als dass, was im Kunstführer steht.
In dem Geheimnis von Brot und Wein, im Sakrament des Altares, will Jesus uns nahe sein und sich uns in der Kommunion schenken. Wer aber nicht hinter dieses Geschehen schaut, der wird nichts anderes entdecken, als ein eher spärliches Mahl, das nur aus trockenen Brotscheiben besteht.
«Die Taufe als Schutz vor allem Bösen, als Segen für das Kind - ja, gerne. Aber müssen wir denn wirklich all das glauben, was im Glaubensbekenntnis steht - vor allem das mit der Kirche?» Aber - wer soll denn Schutz gewähren, wenn nicht der Gott, den wir im Glaubensbekenntnis verkünden? Und durch wen soll denn das Kind getauft werden, wenn nicht durch die Kirche?

Hinter allen Dingen und in allem Tun steht beim Christen die persönliche, intensive Beziehung zu seinem Gott und Herrn, zu Jesus Christus. Alles erhält aus dieser Perspektive eine andere Dimension. Ohne diese Beziehung wird dagegen die ganze Wirklichkeit flach, farblos und verwirrend.

Das Brot des Lebens, also das, was unser Leben erhält, was unserem Leben Geschmack, Profil und Farbe gibt; dieses Brot des Lebens ist Jesus Christus. Er ist das Salz in unserer Suppe, ohne ihn wird alles öd und fad. Wir können die Lehrer der Welt kaschieren mit bunten Bildern, Reisen und Abenteuer (organisiert durch Neckermann und Marlboro). Aber davon werden wir niemals satt, es schmeckt immer nach mehr. Das wahre Brot des Lebens findet sich eben nicht als Manna, das uns - mir nicht, dir nichts - vor die Füße fällt. Das Brot des Lebens findet sich für denjenigen, der zu Jesus Christus kommt, wer an ihn glaubt.

Nur wer anfängt, hinter die Dinge zu schauen, kann erst im Brot den finden, der es uns in Liebe bereitet hat. Amen.

492. Predigtvorschlag

Zum Portiunkula-Ablass

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Viele haben Anstoß genommen an dem, was ich in den letzten Pfarrnachrichten zum Portiunkula-Ablass habe abdrucken lassen. Einige von Ihnen sind zu mir gekommen und haben mir gesagt, dass es die Reizworte "Ablass" und "Fegefeuer" waren, die heute nicht mehr verstanden werden. Daher will ich diese Begriffe hier gerne erklären - also heute eine Katechese, statt einer Predigt. Der abgedruckte Artikel war keine hervorgekramte Lehre aus dem Mittelalter, sondern ein Hinweis unseres Bischofs, den er anlässlich des 2. Augustes 2015 uns Seelsorgern mit auf den Weg gegeben hat. Mein Fehler war es, ihn unkommentiert weiter zu geben, die Erklärung will ich hier heute nachholen. Das ist nicht einfach, aber es lohnt sich, denn was hinter diesen Begriffen steckt, zeigt einmal mehr die große Güte Gottes. Und Papst Franziskus hat gerade heute um 10:08 Uhr getwittert: Wir alle sind Sünder. Lassen wir uns von der Barmherzigkeit Gottes verwandeln.

Also: die Lehre der Kirche bezüglich des Ablasses ist absolut vergleichbar mit der modernen Rechtsauffassung unseres Staates. Unser Staat - und eigentlich jeder Mensch - kennt einen Unterschied zwischen Schuld, Schaden und Strafe. Wenn mir z.B. jemand Geld klaut, hat das drei verschiedene Folgen: 1. er missbraucht mein Vertrauen und verletzt mich (jeder, bei dem schon mal eingebrochen wurde, weiß, dass das der größere Schaden ist als der Materielle), 2. ein materieller Schaden (mir fehlt jetzt Geld) und 3. er hat sich selbst und die Gemeinschaft geschädigt. Und alle drei Aspekte werden auch vor einem deutschen Gericht berücksichtigt. Als erstes wird geschaut, ob es dem Täter leid tut, wenn ja, wird er für den Diebstahl bei mir um Entschuldigung bitten. Aber damit ist das für den Richter nicht erledigt, es fließt höchstens mildernd in das Verfahren ein. Als zweites verurteilt das Gericht auf Wiedergutmachung. Er darf das Geld nicht behalten, ist logisch. Und als drittes wird der Dieb zu einer Strafe verurteilt. Der Dieb darf nicht einfach nach Hause gehen, wenn er das Geld zurück gegeben hat. Wir unterscheiden also im Leben zwischen 1. Schuld, 2. Schaden und 3. Strafe. Das gilt so vor Gericht und genauso bei der Erziehung zuhause: wenn die Heranwachsenden zu spät nach Hause gekommen sind, müssen sie 1. bekennen, dass es ihnen leid tut - um Entschuldigung bitten, 2. Möglichst den Schaden wieder gut machen (die dadurch verschlafene Aufräumaktion im Keller nachholen) und 3. Erfolgt zumindest im Wiederholungsfall eine Strafe (Handyverbot oder neues W-Lan-Kennwort oder ...). Diese Strafe soll dem Übeltäter deutlich machen, Du hast da was falsch gemacht. Und die Strafe will der Besserung der Person dienen. Das ist doch bei mir genauso: ich würde mich doch auf freier Autobahn nicht an Tempo 100 halten, wenn mir nicht erneut ein Fahrverbot als Strafe droht. Oder andersherum: Abtreibung ist in Deutschland verboten, aber straffrei, daher tun es so viele. Durch Strafe werde ich erzogen, die Strafe dient also den Menschen, will ihn zum Guten hinführen - im Staat, zuhause und

bei Gott ist es ganz ähnlich. 1. Geht es um Vergebung der Schuld - das gelingt mir am besten in der Beichte, geht aber bei kleinen Vergehen auch durch den Besuch der Messe, durch das Lesen in der Bibel, durch eine aufrichtige Vergebungsbitte. Als 2. gilt es den Schaden wieder gut zu machen - das gestohlene Geld wieder zurück zu geben. Oft geht das nicht: wenn lästern gebeichtet wird ist es schwer wieder rückgängig zu machen - da dient oft das Bußwerk in der Beichte als Ausgleich: für diesen Menschen zu beten, über den man gelästert hat oder den Menschen an dem man sich versündigt hat, etwas Gutes zu tun. Der Blumenstrauß beim Ehebruch wird jedoch nur noch selten empfohlen, das hat Blumensträuße zu sehr verdächtig gemacht. Und als 3. gilt es auch hier vor Gott, sich zu bessern. Wir reden bei Gott ungern von Strafe, obwohl die Bibel voll davon ist. Aber genau wie in der Familie und vor dem irdischen Gericht gilt auch hier, dass ich eine Strafe empfange, damit ich lerne, dass ich der Gesellschaft und der Gerechtigkeit geschadet habe. Es geht um den Reinigungsprozess - auch Fegefeuer genannt!

Das Fegefeuer ist nicht zu verwechseln mit der Hölle! Die Hölle ist die absolute Gottferne. Wer nichts mit Gott zu tun haben will, dem drängt er sich nicht auf, der braucht auch im ewigen Leben nach dem Tod mit Gott nichts zu tun haben. Aber alle anderen könnten letztlich zu Gott kommen. Diese berechtigte Hoffnung dürfen wir Christen haben. Sie ist begründet in Jesu Reden und Tun. Jesus macht dabei deutlich, dass wir nicht aus eigener Kraft zu ihm gelangen können, sondern dazu hat er sein Leben hingegeben. Wenn wir die Strafen, also die Konsequenzen unserer Gottlosigkeit selber tragen müssten, bliebe uns nur die ewige Verdammnis. Aber dadurch, dass Christus unsere Sünden und unsere Strafe bereits getragen hat, ist es uns möglich, vor Gott zu bestehen. Aber obwohl wir jetzt schon erlöst sind, sind wir immer noch nicht perfekt in der Liebe. Sondern wir bedürfen vor der Begegnung mit Gott der Läuterung. Und ich rede jetzt nicht von der Vergebung der Schuld - das war der 1. Aspekt und ich rede nicht von der Buße - das war der 2. Aspekt - sondern hier geht es darum ein guter, reiner, geläuterter Mensch zu werden, der vor Gott bestehen kann: der nichts Schlechtes mehr im Herzen hat, überhaupt kein Misstrauen mehr, der ganz rein vor Gott treten kann.

Bei Edelmetallen geschieht das durchs Feuer: das Feuer reinigt das Gold vom Dreck. Und so ist auch das Fegefeuer zu verstehen - es geht nicht um Höllenqualen, sondern um Reinigung, um Läuterung, damit ich wieder ein guter Mensch werde, wie ich ursprünglich von Gott geschaffen wurde.

Und jetzt kommt der Ablass ins Spiel. "Ablass ist der Nachlass zeitlicher Strafe vor Gott für Sünden, deren Schuld bereits getilgt ist" Also nochmal: Ablass hat nichts mit Sündenvergebung zu tun - das war der 1. Aspekt - sondern es geht hier um die Tilgung des 3. Aspekts, der Strafen. Weiter hieß es letzte Woche im Pfarrbrief: "Die nach der Vergebung der Schuld noch verbleibenden Sündenstrafen können in diesem Leben durch Gebet und Opfer gesühnt werden." Gott gibt uns also die Möglichkeit, diese Strafen zu mildern. Ein Beispiel: letzte Woche jährte sich zum 4. Mal das Attentat im Ferienlager in Norwegen, bei dem Andreas Breivik 77 Menschen tötete. Wir haben in unseren Kirchen immer für 78 Menschen gebetet. Wir beten auch für den Täter, der vielleicht krank war, vielleicht aber auch nur böse. Bis er vor Gott bestehen kann, bis er eingesehen hat, dass Gott ihn liebt, dass auch er zur Liebe berufen war, wird ihm schmerzhaft bewusst werden müssen, was er da Unmenschliches an sich und den anderen 77 getan hat. Und dieser Schmerz ist Teil der Läuterung, ist die Reinigung. Diesen Schmerz können wir durch unser fürbittendes Gebet mildern, erträglicher machen. Es hieß in diesem Schreiben: "Den Verstorbenen, die in der Gnade Gottes aus dem Leben scheiden, jedoch noch Sündenstrafen im Fegefeuer/Reinigungsort erleiden müssen, können wir fürbittweise Ablässe zukommen lassen."

Gott schenkt die Gnade, sein Erbarmen nicht einfach so - er drängt sich nicht auf - er will erbeten werden. Das macht Jesus immer wieder deutlich: der Blinde, der um Hilfe schreit, die blutflüssige Frau, die durch das Berühren des Gewandes um Heilung bittet, die Frau, die ihm die Füße salbt, usw, usw. Wenn der Mörder sich aber nicht an Gott wendet, drängt sich Gott auch nicht auf. Da komme ich ins Spiel und kann für den anderen, von dem ich glaube, dass er Gott nur nicht gefunden hat, ihn nicht erkannt hat, für ihn beten, so dass sein Erkenntnisschmerz gemildert wird.

Hilfreich für mich war auch die neuere Medizinforschung, die sich mit Nahtoderfahrungen beschäftigt. Was jetzt kommt ist keine Lehre der Kirche, sondern nur ein Gedankenmodell von mir, welches mir hilft, das Gesagte zu verdeutlichen. Wie so oft, unterstreicht die neuere Forschung hier die Lehre der Kirche. Menschen mit Nahtoderfahrungen beschreiben oft Folgendes: sie befinden sich in einem langen dunklen Tunnel, der nicht schön ist. Währenddessen spult sich das ganze Leben in wenigen Momenten ab. Sie haben dabei kein Zeitempfinden. Und alles wird überstrahlt von einem hellen wunderschönen Licht, welches sie am Ende des Tunnels sehen (zumindest die Meisten). Von dort reichen ihnen auch verstorbene Verwandte die Hand und erwarten sie. Diese Erfahrungen lassen sich mit der kirchlichen Lehre vom Fegefeuer in Einklang bringen: der dunkle Tunnel wäre das Fegefeuer - mein Leben spult sich darin ab, ich sehe also auch, was ich alles falsch gemacht habe, wen ich verletzt habe, was mein Verhalten für Auswirkungen hatte - das tut weh, ich werde geläutert, gereinigt. Dies ist ein schmerzhafter Prozess. Erträglich wird das ganze nur durch das Licht, welches ich als Christus, Gott deute. Das Licht wird als wunderschön - ähnlich wie in der Bibel beschrieben - wir hatten es gerade bei der Verklärung des Herrn am letzten Donnerstag. Dort sind die Verstorbenen im Licht und kommen mir entgegen. Das Fegefeuer wird erträglich durch das Licht Gottes, die mich erwartenden Heiligen. Ich meine, das passt.

Wir können nun durch unser Gebet diese zeitlichen Sündenstrafen - diese Schmerzen beim Reinigungsprozess/im Fegefeuer/im Tunnel mildern, ablassen.

Gott ermöglicht uns also sogar hier die gerechte Strafe des Anderen zu mildern. Nun fragen Menschen dann immer konkret: wie geht das - was muss ich dafür tun. Und so hat die Kirche dann viele Möglichkeiten gegeben, solch einen Ablass zu gewinnen. Zwischendurch war er auch käuflich - der Ablasshandel war eine Fehlentwicklung - aber das Gebet für Andere ist immer noch sinnvoll: z.B.: am Weihtetag der Portiuncula-Kirche in Assisi am 2. August, oder Allerseelen - da hatte ich es das letzte Mal erwähnt, oder anlässlich des Heiligen Jahres, wozu Papst Franziskus jetzt aktuell aufgerufen hat. Oder beim Segen "Urbi et Orbi" am Fernsehen wird es immer wieder erwähnt, dass damit ein vollkommener Ablass verbunden ist. Immer wieder - bei all diesen Anlässen - habe ich die Möglichkeit durch Gebet Anderen etwas Gutes zu tun. Und damit ich auch weiß, was ich konkret tun kann, gibt die Kirche bestimmte Bedingungen vor: Besuch der Kirche, Vater unser, Glaubensbekenntnis, Beichte, Kommunion und ein weiteres Gebet freier Wahl. Sonst meine ich vielleicht, dass ich für den Mörder damit nicht genug getan habe.

Lange Rede - kurzer Sinn: ich zitiere nochmal Papst Franziskus: Wir alle sind Sünder. Lassen wir uns von der Barmherzigkeit Gottes verwandeln. (1) Er verzeiht uns unsere Schuld, (2) er macht es uns leicht, den Schaden durch ein Bußwerk wieder gut zu machen und (3) die Strafe kann ich auch hier auf Erden schon mildern. Gott ist gnädiger als jedes weltliche oder mitmenschliche Gericht. Amen

493. Predigtvorschlag

Sind Sie schon mal an einem toten Punkt gekommen?
Konnten Sie körperlich wie seelisch nicht mehr?

Wenn ja, liebe Schwestern und Brüder, dann sind Sie in guter Gesellschaft.
Z. B. mit dem großen Propheten des alten Bundes Elija. Von ihm erzählte die Lesung.
Von ihm und seinem toten Punkt. Er, der wortgewaltige und großartige Prophet Gottes, kann nicht mehr, ist am Ende.

Elija ging eine Tagereise weit in die Wüste hinein. Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. Er sagte: Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben; denn ich bin nicht besser als meine Väter. Dann legte er sich unter den Ginsterstrauch und schlief ein.

Doch dann erscheint in dieser Sackgasse ein Ausweg. Vom Himmel her reicht ihm ein Engel Speise und Trank.
Elija nimmt von dieser himmlischen Speise und geht seinen Weg weiter. Er hat seinen toten Punkt überwunden.

Seit jeher haben die Ausleger der Hl. Schrift darin einen Vorausgriff auf die Hl. Eucharistie gesehen.

Wie Elija durch das Brot und das Wasser des Engels neue Kraft für sein Leben schöpfte, so erfüllt der Empfang des Leibes und Blutes Christi den Gläubigen mit neuem Leben.

Im heutigen Evangelium sagt Jesus von sich:
Ich bin das Brot des Lebens. Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben.

Die Texte der heutigen Messe also geben uns die Hl. Kommunion als Thema vor.

Was geschieht eigentlich bei der Kommunion mit uns?
Nun, wir nehmen Christus in uns auf in der Gestalt von Brot. ER wird unsere Nahrung, unsere Speise.
Wir werden eins mit IHM. Allerdings wird ER nicht in uns verwandelt, wie es sonst bei der Verdauung von Nahrung ist, nein, wir werden in ihn verwandelt.
Wer die Kommunion empfängt, wird sozusagen zu einem zweiten Christus, wird zu einem Christusträger.

Jeder einzelne, jede einzelne von uns wir zu einem Christus.
Und wir alle zusammen werden zu einem Christus; so wie aus den vielen Körner ein Brot wird, werden wir alle zu einem Leib Christi.

Wenn wir durch die Kommunion in Christus verwandelt werden, haben wir Sein Leben in uns. Er lebt in uns.
Und da Sein Leben den Tod besiegt hat, ist der Empfang der Hl. Kommunion ein Unterpfand dafür, dass auch wir auferstehen werden.

Ich bin das Brot des Lebens. Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben.
Weil uns der Empfang des Leibes Christi mit Seinem unsterblichen Leben erfüllt, uns so stärkt für das ewige Leben, gibt es seit jeher die Tradition der Krankenkommunionen.

Der Leib des Herrn wird denen gebracht, die wie Elija am Ende zu sein scheinen, die nicht mehr weiterkönnen, deren Leben hier auf Erden zu Ende zu gehen scheint.
Die Hl. Kommunion soll den Kranken mit Christus eins machen.
Der Kranke soll die Nähe Jesu spüren, der ebenfalls körperlich gelitten hat, der weiß, was es heißt ein Kreuz zu tragen, dem Tode nahe zu sein.
Der Kranke soll der Nähe Jesu gewiss sein, der für uns den Tod besiegt und den Weg zum Leben erschlossen hat.

Gleichzeitig darf der Kranke erfahren, dass auch er seinen Platz in der Gemeinschaft der Glaubenden, in der Pfarrgemeinde hat. Er ist nicht vergessen, sondern Glied des einen Leibes Christi, der die Kirche ist.

Jeder Tabernakel erinnert uns daran, dass Christus unser Brot des Lebens ist. Dort wird das allerheiligste Altarsakrament aufbewahrt.
Aus dem Tabernakel wird der eucharistische Leib des Herrn genommen und zu den Kranken gebracht.
Das könnte eine Anregung für uns sein: Wenn wir eine Kirche besuchen, eine Kniebeuge vor dem Tabernakel machen, dann könnten wir unserem Herrn ein Dankgebet sagen für Seine heilspendende Nähe unter uns. Und gleichzeitig könnten wir Ihn um seinen Beistand bitten für die Kranken in der eigenen Familie, im Bekanntenkreis, in der Gemeinde.

Schwestern und Brüder, ich darf Sie ermuntern, wenn Sie Verwandte oder Bekannte kennen, die gerne die Kommunion empfangen möchten, aber durch Krankheit und Alter ans Haus gebunden sind, dem Pfarrbüro deren Namen zu nennen. Wir Seelsorger werden uns darum kümmern.

Ich bin das Brot des Lebens. Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben.
In der Hl. Kommunion werden wir in Christus umgestaltet.
Er hat den Tod und die Sünde, alles, was das Leben verdunkelt, besiegt.
Deshalb kann uns der regelmäßige und würdige Empfang der Hl. Kommunion auch in den Sorgen des Alltags Kraft und Stärke sein. Mit Christus sind wir nie am Ende.Denn er ist das Brot des Lebens - für die Jungen und die Alten, für die Gesunden und für die Kranken.

494. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

nicht nur die Juden nehmen Anstoß an dem, was Jesus dort in seiner Brotrede sagt. Gerade noch begeistert von der Brotvermehrung, werden sie jetzt mit dem radikalen Anspruch Jesu konfrontiert: (Ich übersetze es ihnen einmal etwas freier:)

«Ich bin der einzige, der Gott je gesehen hat, weil ich mit Gott eins bin. Und deshalb kann keiner je Gott finden, wenn er mich nicht findet.» Ohne Jesus kein Heil, ohne ihn kein Zugang zu Gott. Das klingt für uns Christen schon nach ziemlich starkem Tobak. Was ist dann mit den Nicht-Christen? Für die Juden damals war das pure Blasphemie. Aber es geht ja noch weiter:

«Und zu mir kommt ihr nur, wenn ihr mich esst. Denn ich bin wie ein Brot, dass euch das himmlische Leben garantiert. Ohne mich zu essen, müsst Ihr alle sterben.» Für die Juden der reinste Schwachsinn.

Für uns Christen geht uns allerdings ein Licht auf. Aha, der meint die Eucharistiefeier! Den christlichen Gottesdienst!

«Wer glaubt, der kommt auch zu mir, um das Brot des Lebens zu empfangen. Und wer zu mir kommt, der empfängt das ewige Leben.»

Damit gibt Jesus glasklar eine Antwort auf viele Fragen, die mir manchmal gestellt werden:
«Ist etwa ein Mensch, der nicht mehr zu Kirche geht, ein schlechterer Christ?» - Ja, das ist er. Es ist sogar so, dass ein Mensch, der nicht mehr zur Kirche geht, überhaupt kein Christ mehr ist. Denn wer glaubt, der wird auch kommen, um das Brot des Lebens zu empfangen. Denn nur der Geist macht lebendig, nicht der Buchstabe, auch nicht die beiden Buchstaben im Personalausweis, die meine Konfession angeben.
«Was habe ich denn davon, wenn ich zum Gottesdienst gehe? Was soll mir der Gottesdienst bringen?» - Das ewige Leben! Nichts weniger als das!
«Und ich soll wirklich glauben, dass sich das Brot da verwandelt?» - Ja, das ist unser Glaube. Dass Jesus unser Brot wird und wir sein Fleisch essen.

Liebe Schwestern und Brüder, am Ende der Brotrede erklären die Juden Jesus für verrückt. In Scharen verlassen sie ihn. «Das ist ja unerträglich! Wer kann sich so etwas anhören!» heißt es im Originaltext.

Vielleicht ergeht es ihnen genauso: Ohne die Eucharistiefeier kein ewiges Leben, ohne den Sonntagsbesuch keinen Himmel; jede verpasste Sonntagsmesse eine Sünde; ohne Christus keinen Zugang zu Gott? Wer soll sich so etwas anhören, dass ist doch unerträglich!

Ganz oder gar nicht, heißt es bei Jesus. Er lässt die Massen gehen und macht keine Abstriche an dem, was er gesagt hat. Die Apostel aber sind geblieben, und noch viele andere. Weil sie begriffen haben, das nicht Jesus sich nicht auf Kompromisse einlassen will; sondern das alles, was den Glauben ausmacht, durch Kompromisse zerstört würde.
Die Freiheit des Glaubens, der Kinder Gottes; die Wunder, die durch den Glauben geschehen sind, die Gnaden und Freuden des Gebetes - das alles können wir nur haben, wenn wir uns entscheiden. Wir können den Glauben nicht sezieren und sagen: Okay, das mit der Hochzeit, der Taufe und den schönen Weihnachtsgottesdiensten, den Trost bei der Beerdigung und ab und zu ein Gebet zu hause: Das nehme. Was kostet das?

Nein, Jesus gibt es nur ganz oder gar nicht. Wir müssen uns Jesus in der Eucharistie anschließen wie mit einem Kabel. Das schränkt unsere Bewegungsfreiheit ein, klar. Aber ohne dieses Kabel zur sonntäglichen Messe fließt auch all das andere nicht mehr. Wir powern aus. Und wenn wir wirklich mal Gott brauchen, weil unser Leben in einer Katastrophe zu enden droht, finden wir uns oft in einer Gottferne wieder, die wir selbst verschuldet haben.

Jesus wünscht uns eine entschiedene Entschiedenheit. Er ist unsere Kraft und unser einzige Verbindung zu Gott. Zu wem sollten wir auch sonst gehen? Nur er hat wirklich Worte des ewigen Lebens. Amen.

495. Predigtvorschlag

"Meine Güte, ist das heute wieder langweilig."
"Wenn das so weitergeht, kriege ich noch einen Herzinfarkt vor lauter Arbeit."
"Ich habe den Eindruck, als ob die Uhrzeiger stehen blieben."
"Was?! Schon wieder so spät!? Dieser Stress bringt mich um."

Ich vermute, liebe Schwestern und Brüder, dass Sie solche Sätze so oder ähnlich schon einmal gehört haben. Vielleicht haben Sie diese so oder so ähnlich auch schon einmal ausgesprochen, weil Sie sich so fühlten: gelangweilt oder gestresst.

Langeweile und Stress - beides hat mit unserem Umgang mit Zeit zu tun.
Es gibt Menschen, die mit der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit nichts anzufangen wissen, die die Zeit irgendwie totschlagen.
Es gibt andere, die wünschten sich, dass der Tag mindestens 36 Stunden hätte und sie nur vier Stunden Schlaf bräuchten. Diese stehen ständig unter Strom. Süchtig nach Arbeit.

Langeweile und Stress - beides hat negative Auswirkungen auf den Menschen.

Wem das Leben langweilig ist und sich daran gewöhnt hat, dem wird irgendwann jeder innerer Antrieb, etwas zu tun, verloren gehen. Er wird zum Müßiggänger, dem alles egal ist. So verkümmert er innerlich, seine Freundschaften zerbrechen. Er wird einsam. Vielleicht sogar des Lebens müde.

Wer ständig im Stress lebt und sich daran gewöhnt hat, wird krank. Ein Workaholic riskiert seine Gesundheit, sein Kreislauf wird anfällig. Auch er wird merken, dass seine Freundschaften zerbrechen, weil er keine Zeit zu finden meint, diese zu pflegen. Wenn er dann irgendwann nicht mehr arbeiten kann, verliert er den Halt, fühlt sich nutzlos, kann in tiefe Depression fallen.
Unser Umgang mit der Zeit ist wichtig für uns, für unsere Gesundheit und unser seelisches Wohlbefinden.

Das wusste auch schon Paulus. Deshalb ermahnt er in seiner Hirtensorge die Gemeindemitglieder von Ephesus:
Achtet sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht töricht, sondern klug. Nutzt die Zeit!

Die Zeit klug nutzen und nicht töricht verstreichen lassen - wie mag das gehen?
Wie können wir die richtige Einstellung zur Zeit finden? Was ist für uns Christen die Zeit?

Ich bin auf einen Satz des heiligen Josemaria Escriva gestoßen, der uns ein Hinweis sein könnte:
Er schreibt in seinem Buch "Der Weg", einem Klassiker geistlicher Literatur:
Die Geschäftsleute sagen: Zeit ist Geld. - Das ist sehr wenig. Treiben wir die Geschäfte Gottes, so wissen wir: Zeit ist Herrlichkeit.

Für die Menschen ohne Gott wird die Zeit etwas Bedrängendes: Zeit ist Geld. D. h. ich muss so schnell wie möglich alles tun, um etwas zu verdienen, Reichtümer scheffeln, es mir damit dann gut gehen lassen. Für mich gibt es nur diese Zeit, diese Welt mit ihren Gütern, nur dieses irdische Leben. Da darf ich nichts verpassen, keine Gelegenheit auslassen. Nach mir die Sintflut!
Für wen die Zeit Geld ist, und für wen Geld alles ist, der kommt in eine Stressspirale: Der arbeitet wie ein Verrückter, um Geld zu verdienen, um sich dann alles mögliche leisten zu können. Aber lange kann er sich daran nicht erfreuen, denn er muss ja ganz schnell und ganz viel weiter arbeiten, um Geld zu verdienen. Zeit ist Geld.

Die Geschäftsleute sagen: Zeit ist Geld. - Das ist sehr wenig. Treiben wir die Geschäfte Gottes, so wissen wir: Zeit ist Herrlichkeit.

Zeit ist Geld heißt, dass der Mensch sich etwas verdienen muss, ackern und rackern muss und deshalb unter Druck steht.
Zeit ist Herrlichkeit - Das weist darauf hin, dass dem Mensch etwas geschenkt wird. Die Zeit wird uns geschenkt, nicht um zu verdienen, sondern um zu leben. Sicherlich, ich muss arbeiten, manchmal sogar hart. Es geht nicht ohne Schweiß und Mühsal. Aber Schweiß und Mühsal sind nicht alles.

Zeit ist Herrlichkeit - Das weist auf den hin, der uns diese Lebenszeit geschenkt hat: auf Gott. Und mit Geschenken geht man gut um, nicht zuletzt, weil man dem Schenkenden so Dank erweisen will. Wer Gott im Blick hat, und nicht nur seinen eigenen Erfolg, sein Geld, seinen Spaß, der sieht weiter, der sieht mehr. Der wird seine Zeit wirklich nutzen, indem er nämlich in der Zeit Gott dankt für die geschenkte Lebenszeit.

Zeit ist Herrlichkeit - Es geht darum, Gott für das Geschenk der Zeit zu danken. Das kann ich tun, indem ich die Zeit bewusst nutzte. Und das kann ich tun, indem ich meine Pflichten sorgfältig erfülle. Indem ich meine alltäglichen Aufgaben, meine Arbeit Gott als Gebet anbiete. Der Hl. Josemaria schlägt vor:
Lege ein übernatürliches Motiv in deine alltägliche Berufsarbeit, und du hast deine Arbeit geheiligt.

Er meint damit, eine Arbeit in einer guten Meinung zu verrichten. Diese Stunde am Schreibtisch verbringe ich für den kranken Kollegen. Das Fensterputzen heute will ich für meine Familie aufopfern usw. Statt eine Kerze in der Kirche aufzustellen, bete ich so in meinen Anliegen

So vermeiden wir die Gefahr, Gott und die anderen aus den Augen zu verlieren. So nutzen wir die Zeit, indem wir unsere Arbeit gut tun, für die Nächsten beten und Gott seinen Platz in unserem Alltagsleben einräumen.

Zeit ist Herrlichkeit - Es geht darum, Gott für das Geschenk der Zeit zu danken. Paulus ruft die Epheser damals und uns heute auf:
Laßt in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und Lieder erklingen, wie sie der Geist eingibt. Singt und jubelt aus vollem Herzen zum Lob des Herrn.
Die Zeit richtig nutzen, dass meint auch Gottesdienst zu feiern, den Sonntag zu heiligen. Wenn wir am Sonntag die Hl. Messe besuchen, dann feiern wir Eucharistie, dann sagen wir Gott dank. Er selbst hat am siebten Tag geruht. Und auch wir sollen unsere Arbeit an diesem Tag ruhen lassen, um ihn anzubeten, uns zu erholen, freie Zeit mit den Unseren zu verbringen.

Zeit ist Herrlichkeit - Wer die Zeit so nutzt, als Danksagung an Gott, der bereitet sich schon innerlich auf die ewige Herrlichkeit vor. Der klebt nicht an dieser Erde und ihren Gütern, der sieht, dass es mehr gibt als diese Erde, das es mehr gibt als Geld und irdische Zeit. Der weiß um die Herrlichkeit und Ewigkeit, in denen wir unsere Vollendung finden.
Ja, Zeit ist mehr als Geld. Vielmehr. Zeit ist Herrlichkeit. Deshalb wollen wir Gott loben und preisen, jetzt in dieser Zeit und dereinst in Ewigkeit.

496. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, es ist so ziemlich jedem Menschen eigen, dass er ungern in der Ecke steht oder ungern von allen verspottet wird. Wir Menschen haben eine nahezu unstillbaren Drang nach Anerkennung und Liebe. Nun folgt daraus ein durchaus gesunder Drang, sich beliebt zu machen.

Aber das hat auch seine Grenzen. Einmal können wir es nicht allen gleichzeitig recht machen. Zum anderen erreicht derjenige, der immer nur darauf aus, bei allen "lieb-Kind" zu sein, oft das Gegenteil. "Schleimer" nennt man solche Leute, "Rückgratlos" oder "anbiedernd".

Sympathien dadurch zu gewinnen, indem man sein Fähnchen in den gerade herrschenden Wind hängt, bringt vielleicht kurzfristig Erfolge; auf lange Sicht aber verliert man nicht nur die Achtung der anderen, sondern auch die eigene Selbstachtung.

In dieser Gefahr haben auch schon immer die Christen gestanden, zu allen Zeiten der Geschichte, aber auch jetzt, in der heutigen Zeit. Wir Christen können nicht mehr die Lieblinge aller Menschen sein.
Dabei haben die Christen in der Zeit nach dem Nationalsozialismus einen hohen Stellenwert in der deutschen Gesellschaft gehabt. Staat und Kirche waren sich in sehr vielen Punkten einig, und die Politik hat große Hoffnung auf die christlichen Werte gesetzt, damit sich die Katastrophe des Holocaust nicht wiederholt. Wer Christ war, ja, auch wer Katholik war, stand hoch im Kurs.

Das hat sich leider gewandelt, auch wenn viele es nicht wahrhaben wollen. Wer heute noch im vollen Umfang Christ sein möchte, stellt sich in vielen Punkten gegen die Gesellschaft. Fragen sie sich selbst, wie stark die Meinungen auseinander gehen, wenn Sie an Abtreibung, künstliche Empfängnisverhütung, Ehescheidung, das Zölibat, das Beichtsakrament, die Sonntagspflicht oder den Wahrheitsanspruch der katholischen Kirche denken. Denken Sie nur genetische Experimente, an Versuche mit menschlichen Embryonen, an Sterbehilfe, das Recht auf Euthanasie in Holland (schon für 12-jährige gegen den Willen der Eltern). Entweder ich schwimme mit dem Strom der gängigen Meinung, oder ich bin überzeugter Katholik. Beides, so müssen wir uns immer mehr eingestehen, geht nicht mehr.

Wenn wir uns aber entschieden für unseren Glauben und für Jesus einsetzen, verlieren wir die Achtung der Gesellschaft. Wir werden belächelt und nicht mehr ernst genommen, wir verlieren Sympathien und werden unglaubwürdig gemacht. Das tut weh; das hat keiner gern; aber, liebe Schwestern und Brüder, das ist der Normalzustand des Christen: Entweder die Welt zu lieben oder Jesus zu folgen. Das hat Jesus ja schon selbst erfahren. In Scharen haben sie ihn verlassen, bis nur noch der kärgliche Rest von 12 Aposteln bei ihm blieb. Aber Jesus bleibt bei Seiner Berufung: lieber lässt er auch noch die 12 gehen, als dass er auf Stimmenfang geht.

Liebe Schwestern und Brüder, wer sich lieber die Sympathien und die Liebe der Gesellschaft sichern möchte und auf Gottes Gnaden verzichtet, wird auf Dauer beide verlieren.
Wer sich aber für ein eindeutiges Leben aus dem Glauben entscheidet, der wird vielleicht sogar beides gewinnen. Denn unsere Gesellschaft hat bei allem Wischiwaschi einen Hunger nach Gradlinigkeit. In unserer Zeit sagt doch jeder nur das, was alle hören wollen. Ein Politiker richtet sich in dem, was er tut, so sehr nach den Meinungsumfragen, dass er sogar bei einer Demonstration gegen seine eigene Person mitdemonstriert, wenn's sein muss (so wie Jörg Haider in Österreich vor einigen Jahren).
Wer glaubt, weder zum Papst, noch zur Kirche stehen zu dürfen, weil er sonst zum Idioten gestempelt wird, versinkt letztlich in der eigenen Profillosigkeit. Jemand aber, der sagt was er denkt, der seine Überzeugung auch dann noch durchhält, wenn alle ihn belächeln, der sich vor allem Gott gegenüber Rechenschaft gibt und keine «Schulterklopfer zählt», der wird vielleicht auch von seinen Feinden geschätzt, mit Sicherheit aber von seinem besten Freund: Jesus Christus.

Lassen Sie uns also gemeinsam im Glauben, Beten und Leben Zeugnis ablegen für unseren Glauben, wie es auch schon der sel. Karl Leisner geschrieben hat: «Christus ist meine Leidenschaft» - nichts sonst.

Amen.

497. Predigtvorschlag

Die Kanzel in unserer Propsteikirche wird renoviert.
Das Gerüst, liebe Schwestern und Brüder, das Gerüst, das die Kanzel umgibt, wird uns wohl noch einige Wochen erhalten bleiben.
An der Kanzel blättert z. T. die Farbe ab. Oder sie ist in den Jahren so dick aufgetragen worden, daß man die Feinstrukturen der Verzierungen gar nicht mehr erkennt. Mit den Jahrzehnten haben sich natürlich auch Staub und Dreck auf ihr abgelagert.

Und über die Kanzel möchte ich sprechen, möchte ich nachdenken.
Ich will aber nicht über deren künstlerischen Wert oder Unwert reden, auch nicht über die Kosten der Renovierung und daß uns das Offizialat nur dafür Geld genehmigt hat, obschon andere Dinge vielleicht eher der Renovierung bedürfen.

Nein, ich möchte über genau diese Kanzel sprechen, weil ihr jetziges Erscheinungsbild mich an etwas erinnert. An etwas, was für unser christliches Leben entscheidend wichtig ist.
Es geht mir um das stetige Bemühen christliches Wort und christliche Tat in Einklang zu bringen. Es geht mir um den Kampf des gläubigen Menschen, das zu tun, was, er glaubt, was er sagt.

Estote factores verbi et non auditores tantum fallentes vosmetipsos.
Steht auf dem Rand des Schalldeckels unserer Kanzel.
Das sind die Worte, die wir gerade aus dem Jakobusbrief gehört haben:
Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst.

Die Kanzel diente zur Verkündigung und Auslegung des Wortes Gottes.
Mit goldenen Lettern ermahnt uns die Kanzel also nicht nur Hörer der Frohbotschaft zu sein, sondern auch Täter des Evangeliums zu sein.

"Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach" ruft uns die Kanzel zu. "Bringt Wort und Werk in Einklang, ansonsten ist euer christliches Leben unglaubwürdig, ansonsten betrügt ihr euch selbst."

Die Einheit von Denken, Reden und Tun - dafür steht die Kanzel.

Und diese Kanzel ist renovierungsbedürftig, bedarf der Auffrischung.

Und wie steht es mit der Umsetzung ihrer Botschaft bei uns?
Wie steht es um unser Bemühen, wirklich zu tun, was wir glauben, was wir sagen?
Besteht da vielleicht auch Renovierungsbedarf? Müßte da nicht auch ab und zu etwas erneuert, aufpoliert werden, bei mir, bei Ihnen persönlich?

Als Christen sagen wir: "Liebe deinen Nächsten."
Und wie viele Akte der Nächstenliebe gibt es hier in Vechta, egal ob Caritas oder private Nachbarschaftshilfe. Dem Nächsten helfen, tue ich das wirklich vornehmlich, weil ich in ihm Christus sehe? Helfe ich ihm wirklich um seiner selbst willen? Oder tue ich das hauptsächlich, damit man mich lobt?

Als Christen sagen wir: "Du sollst nicht lügen. Halte dich an Wahrheit."
Kann es sein, daß ich ab und zu die Realität beschönige oder komplizierter darstelle als sie ist, weil ich dann in einem besseren Licht stehe, mir keinen Zacken aus der Krone breche?

Viele Fragen solcher Art ließen sich nun aufzählen.
Letztlich geht es bei all diesen Fragen um die eine Frage: Ist die Motivation meines Tuns und Lassens am Evangelium ausgerichtet, am Willen Gottes, am Nächsten ? Oder geben andere Motivationen den Ausschlag?

Als Menschen werden wir nie eine einzige, sozusagen reine Motivation haben. Das ist mir klar. Aber wir sollten uns prüfen, inwieweit unsere Motivationen lauter sind.

Wir sollten ab und an überprüfen ob die Hauptmotivationen unseres Handelns wirklich evangeliumsgemäß sind, oder ob andere Motivationsschichten sich darüber legen und das Eigentliche überdecken:
Z. B. der Staub des Egoismus, die Abdeckfarbe des Im-Mittelpunkt-Stehen-Wollens, die Patina, sich mit niemanden etwas zu verscherzen...

Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst.
Liebe Schwestern und Brüder, diese Predigt halte ich nicht allein Ihnen. Diese Predigt halte ich auch mir, weil ich mir bewußt bin, daß gerade diejenigen, die amtlich das Wort Gottes verkünden, in ihrem Tun am Wort Gottes gemessen werden. Gerade von uns Diakonen, Priestern, Bischöfen erwartet man, daß wir tun, was wir lehren. Ich bitte Sie: Helfen Sie uns dabei, um der Glaubwürdigkeit der Kirche und der Botschaft Jesu willen.

Schicht für Schicht werden an der Kanzel in unserer Kirche der Schmutz der Jahrzehnte, der Staub, der überflüssige Farbauftrag abgenommen, damit die Kanzel bald wieder in hellem Glanz erstrahlt.

Rundherum erneuert wird sie uns dann wieder mit den Worten des Apostels Jakobus ermahnen:
Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst."

Noch aber ist die Kanzel eingerüstet. Das wird sie auch wohl noch für einige Wochen bleiben.
Vielleicht kann sie uns in diesem Zustand eine Erinnerung, ein Ansporn sein, uns zu besinnen, wo wir in unserem Reden und Handeln renovierungsbedürftig sind, wo in unserem Leben eine Säuberung nottut.

Estote factores verbi et non auditores tantum fallentes vosmetipsos.
Steht auf dem Schalldeckel der Kanzel.
Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach: sonst betrügt ihr euch selbst.
Herr, hilf uns dabei, daß wir die Einheit von Reden und Tun immer besser leben. Amen.

498. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Wer von uns hat nicht schon einmal davon geträumt, Gedanken lesen zu können? Mitzukriegen, was ein anderer wirklich denkt, wie es in ihm aussieht - das würde unser Zusammenleben enorm verändern. Dann könnte man nicht mehr so schnell über Ohr gehauen werden, man wüsste sofort, wo man bei einem Menschen dran wäre.

Der Wunsch, in einen anderen Menschen quasi hineinschauen zu können, ist so alt wie die Menschheit. Und auch heute gibt es viele Erzählungen, Romane oder Filme, die sich mit diesem Phänomen auseinandersetzen - Gedanken lesen können, ist ein uralter Traum der Menschheit.
Denn es ist schmerzhaft, einen Menschen falsch eingeschätzt zu haben. Wer sich in einem Menschen schwer getäuscht hat, kann das nachvollziehen. Und wer von einem Menschen getäuscht worden ist, weiß, wie weh so etwas tun kann.
Da wir aber - normalerweise - in einen Menschen nicht hineinsehen können, wir aber auch nicht jedem immer und überall blind vertrauen wollen, haben wir uns - notgedrungen - darauf verlegt, Menschen nach Äußerlichkeiten zu beurteilen. Uns bleibt ja auch nichts anderes übrig: Wer nicht immer wieder auf Verführer oder Betrüger, auf die Fehler anderer hineinfallen will, der muss sich eben auf diese Art schützen. Und so werden Autohändler, Versicherungsagenten und Nachbarn, die Leute vor uns in der Schlange an der Kasse genauso wie gute Freunde eingeschätzt - meist nach Äußerlichkeiten, nach dem, was sie sagen, danach, wie sie sich verhalten, was für einen Eindruck so auf uns machen. Wonach sollten wir sie denn auch sonst beurteilen?
Mit diesem Verhalten liegen wir eigentlich ja auch ganz richtig. Denn man kann oft anhand von Äußerlichkeiten auch auf innere Qualitäten schließen: Das fängt bei der Automarke an, geht über Essgewohnheiten, Kleidung sogar bis zur Farbe der Schlafzimmertapete oder der Haarfarbe. Gerade Psychologen, die von Äußerlichkeiten auf den Charakter schließen, haben im Moment Hochkonjunktur:
Aber es gibt auch persönliche Eigenschaften, die sich den Äußerlichkeiten entziehen. Es gibt so etwas, wie einen geheimen Raum im Herzen eines jeden Menschen, in den keiner eindringen kann, kein Psychologe und kein noch so großer Menschenkenner; eine Art inneres Heiligtum. Und oft weiß man selbst einmal nicht, wie es darin aussieht.
Im Innersten eines jeden Menschen spielen sich die eigentlich wichtigen Dinge ab. Dort befindet sich all das, was wir wirklich tun wollten, aber wozu wir nicht gekommen sind - weil etwas dazwischen gekommen ist, weil uns der Mut fehlte - und so weiter.
Im Innersten eines jeden Menschen schlummern Eigenschaften, die noch nicht zur Entfaltung gekommen sind; unentdeckt. Eigenschaften, die vielleicht auch nie zum Zuge kommen, weil wir keine Möglichkeit bekommen, sie zu erproben.
Wir selber ahnen wahrscheinlich auch nur schemenhaft, wozu wir in der Lage wären, wenn nur die äußeren Umstände anders sind. Aber genau auf diese Innersten Werte, die Verdienste, die sich jemand erworben hat, weil er nur mit ganzem Herzen wollte - aber von außen daran gehindert wurde - genau darauf kommt es Gott an.
Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass wir unsere Glaubensschwestern und Glaubensbrüder nicht einteilen können - in gute Christen und schlechte Christen - weil wir eben nicht das können, was Gott kann: Den Menschen bis in Herz schauen.

Falls sie nun enttäuscht sein sollten, dass es keine Regel gibt, wonach wir die Christlichkeit unserer Mitmenschen beurteilen können (wie wir im Evangelium gehört haben, ist die Häufigkeit des Händewaschens auch kein brauchbares Kriterium), so kann ich sie beruhigen. Es gibt eine ganz einfache Regel zur Beurteilung ihres Nächsten - zum Beispiel ihres Banknachbarn: «Gehen sie grundsätzlich davon aus, dass alle anderen im Grunde ihres Herzens - also in den Augen Gottes - bessere Christen sind als sie selbst.»
Eine einfache Regel - aber sie zu leben ist eine Lebensaufgabe. «Ich gehe davon aus, dass alle anderen Menschen im Grunde ihres Herzens besser sind als ich». Falls sie wirklich versuchen sollten, diese Regel zu leben, so muss ich Ihnen aber noch eine zweite Regel mit auf den Weg geben, die mindestens ebenso wichtig ist: «Und gehen sie auch davon aus, dass sie selbst - im Grunde ihres Herzens, also in den Augen Gottes - besser dastehen, als sie es je für möglich gehalten haben.»

Amen.

499. Predigtvorschlag

Effata! Öffne Dich!
Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel berfreit, und er konnte richtig reden.

Schwestern und Brüder!
Diese Episode aus dem Evangelium, dieser Ruf Effata! Öffne Dich! spielt eine Rolle in unserem Christenleben.

Effata! Öffne Dich!
So heißt es nämlich auch im Taufritus. Der Zelebrant berührt Ohren und Mund des Täuflings und spricht dabei:

"So wollen wir den Herrn bitten, dass er diesem Kind helfe, seine Botschaft zu hören und zu bekennen. Er lasse dich heranwachsen, und wie er mit dem Ruf "Effata" dem Taubstummen die Ohren und den Mund geöffnet hat, öffne er auch dir Ohren und Mund, dass du sein Wort vernimmst und den Glauben bekennst zum Heil der Menschen und zum Lobe Gottes."

Effata! Öffne Dich!
Dieser Ruf, dieses Gebet steht also am Anfang unseres Christseins.
Der Christ soll und kann durch die Hilfe Gottes Ohren und Mund geöffnet halten.

Als Christ geht es darum, auf die Stimme Gottes zu hören, seine Botschaft in uns aufzunehmen.
Bei dem Wirrwarr an Stimmen, Meinungen und Schlagzeilen, fällt es nicht immer leicht, die Ohren für den Anruf Gottes freizuhalten. Sein Wort an uns kommt nicht so dröhnend und marktschreierisch daher, wie die meisten Stimmen dieser Tage.
Umso wichtiger ist es für uns, Orte und Wege aufzusuchen, an denen wir Gottes Stimme hören können.

Umso wichtiger ist es für uns, auch Zeiten der Stille und des Gebetes zu halten, z. B. hier in der Kirche, wenn gerade kein Gottesdienst ist.

Umso wichtiger ist es für uns, die Hl. Schrift zu lesen, uns nach dem Glauben der Kirche zu erkundigen - und zwar bei Menschen, die sich darin auskennen. Die öffentliche Meinung und die Beiträge in Fernsehen und Presse sind zu weiten Teilen nicht dazu geeignet.

Effata! Öffne Dich!
Für das Wort Gottes. Nimm es auf in Dein Herz und in Dein Leben.

Effata! Öffne Dich!
Damit das Wort Gottes auch anderen bekannt wird. Dein Glaube gehört nicht Dir allein. Dein Glaube gehört auch den anderen, der Welt um Dich herum. Religion ist eben keine Privatsache.

Wir Christen sollen den Mund aufmachen.
Am Arbeitsplatz, wenn man wieder über Kirche herzieht, weil das zu Zeit so in ist. Wir brauchen uns nicht zu verstecken.

Wir sollen den Mund aufmachen für die, auf deren Stimme niemand hören will, die aber unsere Nächsten sind:

Für die Behinderten, die immer noch an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.

Für die Familien, die immer wieder politisch und finanziell benachteiligt werden.

Für die Kinder und Jugendlichen, die unsere Zukunft sind.
Für die alten und pflegebedürftigen Menschen, weil sie ein Recht haben menschenwürdig behandelt zu werden.

Für die Ungeborenen, weil sie ein Recht auf Leben haben, genauso wie jeder von uns.

Für Ausländer und Asylanten, wo sie Opfer dumpfer, brauner Parolen von nationalistischen Wirrköpfen werden.

Für Verarmte und Sozialschwache, dass sie die nötige und eine angemessene Unterstützung erhalten.

Liebe Schwestern und Brüder,
ich weiß, dass viele von Ihnen Ihren Mund dafür schon geöffnet haben und weiterhin öffnen werden. Und das ist gut so.
Denn unsere Gesellschaft braucht solche Stimmen, um sich richtig zu orientieren. Ohne Verkünder der Frohen Botschaft Jesu Christi rennen die Menschen in die Irre, wird die Welt nicht unbedingt menschenfreundlicher.

Die Aktion "Auf geht's", jetzt an diesem Wochenende, ist so ein Moment, wo Christen, wo eine Gemeinde den Mund auftut, um hinzuweisen, dass die Güter der Erde noch immer nicht gerecht verteilt sind, dass die Menschen in aller Welt eine Familie sind.
Allen, die sich an dieser Aktion beteiligen sei an dieser Stelle ein herzliches "Vergelt's Gott" gesagt.

Effata! Öffne Dich!
Öffne Deine Ohren und Dein Herz für das Wort Gottes.
Öffne Deinen Mund, um die Frohe Botschaft anderen weiterzugeben.

Öffne Deinen Mund auch, um Gott mit Liedern im Gottesdienst zu preisen.
Ich finde es manchmal erschreckend erstaunlich, wie viele mit enormer Ausdauer "Die Hände zum Himmel" anstimmen können, wenn es sich aber auch um bekannte Gottesloblieder handelt, den Mund schwerlich aufbekommen.
Ich finde das sehr schade, weil das für die Feierlichkeit des Gottesdienstes und auch für die eigene Andacht abträglich ist.
Aber das so am Rande

Effata! Öffne Dich!
Dieses Wort Jesu hat dem Taubstummen ein neues, geheiltes Leben geschenkt.
Dieses Wort verheißt jedem Christen bei der Taufe ein erfülltes Leben.

500. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

immer wieder fragen sich Menschen: Warum soll ich eigentlich glauben? Was bringt mir ein Gott, was bringt mir der Glaube? Es geht mir doch auch so ganz gut; und wenn ich Probleme habe, finanziell, gesundheitlich oder sozial, dann gibt es dafür doch auch Fachmänner, Spezialisten: Finanzberater, Ärzte, Psychologen und Therapeuten.
Wofür ist Gott eigentlich gut?

Nun, die Antwort setzt eine Erkenntnis über uns Menschen voraus, die etwas aus der Mode gekommen ist. Viele Jahrhunderte waren die Menschen davon überzeugt, das die Wurzel allen Übels die Sünde ist; die Entfernung von Gott und unser gottloses Verhalten.
Selbst das, was wir heute als ungerechte Verhältnisse, falsche Wirtschaftsstrukturen, unangemessene Erziehung oder krankmachende gesellschaftliche Umstände ansehen, hat ja auch irgendwo seinen Grund. Und der liegt, nach wie vor, immer noch in der Unfähigkeit des Menschen. Inzwischen haben viele dieser Spezialisten erkannt, dass sich der Mensch und damit die Welt erst dann ändert, wenn man ihn in seiner Ganzheit betrachtet und ernst nimmt.

Zum Menschen gehört aber immer auch seine Freiheit - und die Möglichkeit, diese Freiheit zu missbrauchen. Gegen seinen Hang zum Bösen und Zerstörerischen, zum Egoismus gibt es aber keine Pillen, keine Therapie und kein Sozialprogramm. Den Menschen aus dieser seiner größten Not zu befreien hilft allein die Quelle des Guten schlechthin: Gott.

Wir brauchen Gott, um uns über die Zerstörung der Welt und unsere Selbstzerstörung hinwegzusetzen. Gott ist der Befreier, der Erlöser, und wir haben nichts nötiger als ihn. Das gilt nicht nur für uns Christen; jeder Mensch ist ein Gefangener seiner eigenen Schwäche; jeder Mensch wird erst dann frei, wenn er in Gott seiner Stärke und Bestimmung findet.

Aber wie macht Gott das? Wie befreit er uns? Dazu ist das heutige Evangelium ein deutlicher Fingerzeig:

Zunächst nimmt er uns beiseite. Er stellt kein Gesellschaftsprogramm auf, er schert uns nicht über den gleichen Kamm. Er nimmt sich jeden einzelnen von uns vor, abseits von der Masse, und schaut uns ganz persönlich ins Herz.

Er berührt uns, er will uns anrühren. Er braucht Nähe, um uns zu heilen. Die Befreiung durch Gott kann nur geschehen, wenn wir ihn an uns heranlassen, wenn wir vertrauen fassen und seine Nähe aushalten. Wenn wir bei jeder Berührung zusammenzucken und uns zurückziehen, kann Heilung nicht geschehen. Dann bleiben wir, wie wir sind.

Er wählt, um uns zu befreien, die einfachsten Zeichen dieser Welt: Im Evangelium ist es Staub und Speichel, seine Finger und ein einziges Wort. In unserem Leben sind es so einfache Zeichen wir Wasser, Wein und Brot, Salbe und Handauflegungen, einfache Worte wie "Ich taufe Dich", "Ich liebe Dich", "Ich spreche Dich los". Gott wirkt durch die Sakramente, das ist sein Weg, sein Angebot. Vielleicht ist es ihnen zu billig: "Gott kann doch auch ohne dieses Brimborium wirken..." denken viele und meinen, sie bräuchten Eucharistie, Taufe und Beichte nicht.
Aber Gott hat sich an diese Zeichen gebunden, damit wir ihn fühlen und hören können. Gott handelt nur so, niemals anders.

Liebe Schwestern und Brüder, so will Gott die Welt verwandeln, indem er uns verwandelt. Zu neuen Geschöpfen, ohne Angst, ohne Zwang, ganz frei für seine Liebe. Geheilt und befreit können wir das Loblied seiner Gnade singen; neue Wege gehen. Aus der Gottesbegegnung in den Sakramenten entsteht die neue Welt und der neue Mensch.

Was für ein Geschenk!

501. Predigtvorschlag

(Bilder von Paralympics-Siegern im Kirchenraum aufhängen)

Warum das Leid in der Welt? Warum müssen unschuldige Kinder sterben, in den Kriegen dieser Welt, millionfach im Mutterleib in unserem Land. Warum müssen junge Eltern an Krebs sterben, warum wird jedes 14. Kind in Deutschland sexuell missbraucht? Warum???

Keiner auf Erden kann ihnen darauf eine befriedigende Antwort geben, aber das Evangelium gibt zu der Frage, wozu Ich unschuldiges Leiden erdulden muss, einen Hinweis.

Jesus kündigt im heutigen Evangelium an, dass er leiden wird, dass es ohne dem nicht geht, dass er diesen schmerzhaften Weg gehen muss. In diesem unausweichlichem Leiden können wir unsere Situationen wiederfinden: das Leiden der Unschuldigen unter Krebs, den Pflegefall zu Hause, die Abkehr einzelner Familienangehöriger vom Glauben. Leiden, welches wir nicht verstehen, welches scheinbar so sein muss.

Im Evangelium herrscht Petrus Jesus an: das darf nicht sein, lass das nicht zu, Ich lass das nicht zu! Jesus kündet seinen Tod an, unschuldiges qualvolles Sterben und Petrus kann das nicht verstehen.

Geht es uns anders? Reagieren wir heute nicht ganz ähnlich, wenn sich der Tod eines unschuldigen, dazu noch eines jungen Menschen ankündigt? "Das darf doch nicht sein!"

Jesus weist Petrus daraufhin zurecht: "Weg mit dir Satan - du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen." Wir Menschen wollen das Leid am liebsten ausschließen, nach Möglichkeit vermeiden, das ist auch richtig, doch manchmal ist es unausweichlich. Es gibt immer wieder Böses auf dieser Welt. Wir vermögen die Welt nicht leidlos zu gestalten, wir vermögen es nicht, hier auf Erden das Paradies zu schaffen. Das kommt erst bei Gott. Wir müssen den Zustand der Unvollkommenheit, das Böse, das Leid auf Erden respektieren.

"Du hast nicht das im Sinn, was Gott will" - sich bemühen, Gottes Willen zu verstehen - sich auf ihn einlassen, auch wenn es unbequeme Wege sind. Jesus nennt es: das Kreuz tragen und ihm nachfolgen. Das Leid annehmen und es tragen. Jesus hat nicht über das Kreuz diskutiert, sondern es einfach getragen. Nicht murren über das eigene Leid und es abschütteln, nicht Gott immer nur Vorwürfe machen, sondern es einfach tragen. Keiner wird darunter zusammenbrechen - jeder bekommt nur das Kreuz auferlegt, welches er tragen kann. Manchmal wundert man sich, wieviel Leid eine Familie tragen muss, wieviele Todesfälle, sogenannte Schicksalsschläge auf einzelne Menschen zukommen - aber sie können es tragen. So manch anderer wäre darunter schon zusammengebrochen. Jeder bekommt sein Kreuz. Nicht das Kreuz, welches er verdient, sondern welches er unverschuldet tragen kann.

Denn, so fährt Jesus im Evangelium fort - denn - das Ganze hat also einen Sinn: denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer sein Kreuz nicht annimmt, sich immer dagegen währt - wer nur darauf bedacht ist, sein Leben zu retten, der wird es verlieren - der ist sein ganzes Leben lang nur hinterhergehetzt.

"Wer dagegen sein Leben um meinetwillen verliert, wird es retten." - wer sein Kreuz annimmt, es trägt, sich nicht vom Bösen klein kriegen lässt, der wird das Leben gewinnen. Bei Behinderten Menschen kann man das oft sehen: die haben oft eine Lebensfreude, die wir Gesunden nicht so schnell nachempfinden können. Wir sehen schnell, was diese nicht können - jene sehen das Leben, das sie zwar nur eingeschränkt, aber welches sie leben können, welches ihnen geschenkt ist. Blinde entwickeln einen besseren Gehörsinn, Taube einen besseren Tastsinn. Ich hab Ihnen mal ein paar Bilder von den Parylympics aufgehängt. Wer das Leid annimmt, das er trägt, kann das Leben, das ihm trotz Allem geschenkt ist, aufmerksamer annehmen, leben.

502. Predigtvorschlag

Im Evangelium des heutigen 24. Sonntags im Jahreskreis sagt Jesus ein Wort, das auch seine heutige Tagesaktualität hat: „der Menschensohn müsse vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden“ (Mk 8,31).

An vielen wichtigen und weniger wichtigen Ereignissen erleben wir auch heute, dass Gott von den Menschen „verworfen“ wird.

Überdeutlich in den Ideen einer vor kurzem mit dem Theodor-Adorno-Preis ausgezeichneten „Schriftgelehrten“, der Amerikanerin Judith Butler, die eine wichtige Theoretikerin des modernen Mainstream-Genderismus ist. Was ist mit diesem Wort Gender (Geschlecht) gemeint? Der Gebrauch dieses Begriffes unterstellt, dass die Kategorien Mann und Frau nicht aufgrund biologischer Gegebenheiten existieren, sondern lediglich eine Sache der sprachlichen Formulierung sind: „Worte besitzen die Macht, Dinge wie etwa den biologischen Körper aus einer Begriffssubstanz heraus zu schaffen“ (vgl. Hannelore Bublitz: Judith Butler zur Einführung. 3. Auflage, Hamburg 2010. - Interessanterweise scheint sich hier jene seltsame Auffassung der antiken Gnosis wieder zu finden, nach der die materielle Welt durch ein geistiges Fehlverhalten entstanden ist). Einfacher ausgedrückt: ob ein Mensch Mann oder Frau sein wird, entscheidet sich nicht aufgrund körperlicher Voraussetzungen, sondern ist eine Frage der Erziehung. Auf den ersten Blick wird manch einer sagen: das ist doch Unsinn, die tägliche Erfahrung spricht doch dagegen. Aber so leicht wollen wir es uns nicht machen. Es gibt sicher Menschen, die sich in ihrem Geschlecht eigentlich nicht wohl fühlen (Das ist auch der Titel eines der Werke von Judith Butler: „Das Unbehagen der Geschlechter“ im Original: „Gender trouble“). Aber die Tatsache, dass dies ganz seltene Ausnahmen sind, ist ja gerade eine Bestätigung. Denn das Sprichwort von der Ausnahme, die die Regel bestätigt, ist eine tiefe Wahrheit, die der Lebenserfahrung jedes Menschen entspricht. Nur da, wo bei einer Serie alle Einzelexemplare immer gleich ausfallen und eine Veränderung nie vorkommt, haben wir es nicht mit der Welt des Lebens zu tun, sondern mit der Welt der Maschinen.

Tatsache ist außerdem, dass in der Zeit der Pubertät bei einigen jungen Menschen eine Phase der Unsicherheit in der sexuellen Orientierung vorkommt, die aber wieder überwunden wird, falls nicht gewisse Faktoren diese Stabilisierung verhindern (z.B. fehlendes Vaterbild, ideologisierte Erziehung, extreme Umwelteinflüsse etc.). Die Behauptung der Gender-Ideologie, dass man Kinder im frühen Alter durch entsprechende Erziehung zu Jungen oder Mädchen „machen“ kann, erweist sich im Experiment als haltlos. Im Gegenteil: Schon bei ganz kleinen Kindern gibt es – ohne jede Manipulation – ganz klare Hinweise, ob die kleine Person männlich oder weiblich ist.

Manche Auffassungen sind so abseitig, dass sie sich am besten durch ein befreiendes Lachen lösen lassen. So gibt es seit kurzem auf YouTube ein Video „The Gender Equality Paradox“ von Harald Eia, einem norwegischen Journalisten, der in zahlreichen Interviews die verschiedenen Standpunkte zum Thema Gender darstellt. Der Film wurde Mitgliedern des norwegischen Parlaments vorgestellt, das daraufhin etwa 55 Millionen Euro, die für die Gender-Forschung bereit gestellt waren, wieder cancelte.

Im heutigen Sonntagsevangelium erleben wir, wie Jesus sehr heftig auf eine Bemerkung des Petrus reagiert, auf den ersten Blick unbegreiflich: „Weg mit dir, Satan!“, dabei hat Petrus es nur gut gemeint. Er wollte verhindern, dass Jesus ein Leid geschieht. Warum dann so ein hartes Wort?

Der Fehler des Petrus wird auch heute häufig gemacht: „Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen!“ (Mk 8,32)

Sicher wäre der Gedankenfehler des Gender-Mainstreams zu korrigieren, wenn die Verantwortlichen nicht eine nur irdische Sicht der Dinge anstrebten. Aber das Denken der Menschen muss notwendigerweise vom bloß Menschlichen (das noch nicht falsch sein muss) zum Irrtum hin gelangen, wenn man so beharrlich Gott außen vor lässt. Das II. Vatikanische Konzil sagt (in Gaudium et Spes): „Nur Christus macht dem Menschen den Menschen offenbar“.

Und das ist letztlich die Frage: Was ist der Mensch? Seit Menschengedenken hat man diese Frage immer wieder gestellt. „Was ist der Mensch, dass du seiner gedächtest?“ fragt der Psalmist (Ps 8,5). Ohne den Blick auf seinen Schöpfer wird der Mensch diese Frage nie befriedigend beantworten können.

Dieser Sonntag wird eingeleitet durch zwei Feste, die uns auf die Notwendigkeit des übernatürlichen Blicks hinweisen. Am Freitag das Fest Kreuzerhöhung und am Tag darauf das Fest der Sieben Schmerzen Mariens. Beide Feste geben uns konkrete Auskunft darüber, was Jesus meint, wenn er im Sonntagsevangelium sagt: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“ (Mk 8,34)

Ein größerer Gegensatz zu der Ideologie des Gender-Mainstreams ist kaum vorstellbar. Hier das bis zum Exzess getriebene Streben nach Selbstverwirklichung, das sogar die Schöpfungs-ordnung ablehnt, dort der Vorschlag, sich selbst nicht nur nicht zu suchen, sondern sich auch noch selbst zu verleugnen.

Und obendrein sein Kreuz auf sich zu nehmen!

Der Mensch will aber doch glücklich sein!

Das Wort vom Kreuz hat es allerdings in sich. Wer es ernst nimmt, versteht sofort: das Kreuz ist sowieso da, es gibt kein Menschenleben, in dem Leid nicht vorkommt (Krankheit, Enttäuschung, seelisches Leid etc). Wer nun aber dieses Kreuz nicht versucht wegzuschieben – was sowieso nicht geht – sondern es im Blick auf Christus auf sich nimmt, in dem Wissen, dass es dann sogar sehr sinnvoll wird, der hat gewonnen.

Und vor allem: er lebt in der Realität.

Maria, die das Kreuz ganz bewusst mit Christus trägt, zeigt uns wieder einmal das Paradoxon des Christentums:

wer sich selbst sucht, verliert sich,
wer sich selbst verliert, wird sich finden. Und das Glück obendrein.

Die Schmerzen Mariens, sie sind, genau wie das Kreuz, nicht das letzte Wort. Am Ende steht Sieg und Freude ohne Ende.

Christus, um der Mutter Leiden
Gib mir einst des Sieges Freuden
Nach des Erdenlebens Streit.

Jesus, wann mein Leib wird sterben,
lass dann meine Seele erben
deines Himmels Seligkeit! Amen.

503. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

"Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten?"
Diese Frage aus dem Jakobusbrief ist eine brennende Frage. Eine Frage die sich viele Menschen stellen.

Und wie das so ist, wenn eine Frage viele Menschen interessiert, wird sie wissenschaftlich angegangen.
Und so gibt es viele Gelehrte, die sich in soziologischen Studiengängen oder an eigens eingerichteten Friedensforschungsinstituten mit dieser Frage beschäftigen:
"Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten?"

Und die Wissenschaftler kommen durch breitangelegte Untersuchungen zu Ergebnissen. Sie legen offen, welche gesellschaftlichen, politischen, militärischen und wirtschaftlichen Gründe es gibt für Krieg und Gewalt.

Und die Wissenschaftler legen Problemlösungsvorschläge vor, was man gesellschaftlich, politisch, militärisch und wirtschaftlich gegen die erkannten Gründe für Krieg und Gewalt tun kann.

"Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten?"
Die Wissenschaftler und Gelehrten der Friedensforschungsinstitute, sie tragen sicherlich viel zur Beantwortung dieser Frage bei.

Nur glaube ich, daß sie zu kurz greifen. Sie untersuchen die Strukturen menschlichen Zusammenlebens und stellen einige Strukturen infrage.
Mit Recht.

Nur, ich bin fest davon überzeugt, daß Krieg, Gewalt und Streitigkeiten sich nicht im Tiefsten aus falschen Strukturen allein herleiten lassen.

Ich glaube vielmehr, daß Krieg, Gewalt und Streitigkeiten ihren tiefsten Grund im einzelnen Menschen selber haben, in seinem Inneren.

Wirklichen Frieden erhalten wir nicht dadurch, daß wir gesellschaftliche Strukturen ändern. Das zum Teil auch.

Wirklichen Frieden erhalten wir dadurch, daß wir die Menschen in diesen Strukturen ändern.
Die gesellschaftlichen Strukturen sind ja nicht aus dem Nichts entstiegen. Nein, diese Strukturen sind ja von Menschen erdacht, von Menschen ausgeführt, von Menschen mit Leben gefüllt.

Anders, persönlicher ausgedrückt: Ich muß mich ändern, nicht die Struktur!

"Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten?",
fragt der Verfasser des Jakobusbriefes.
Und er gibt auch die Antwort:
"Doch nur vom Kampf der Leidenschaften in eurem Innern."

Liebe Schwestern und Brüder!
Und in unserem Inneren rumort es ja manchmal wirklich, tobt es ja manchmal regelrecht.
"Wieso hat der das und ich nicht?"
"Was die kann, kann ich auch. Und besser!"
"Wenn ich den Posten bekäme, dann hätte ich es ihm aber gezeigt..."

Und wir sind damit in guter Gesellschaft. Die Apostel im Evangelium gerade waren auch wie wir, ganz Mensch:
Jesus fragte sie: "Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?"
Sie schwiegen, denn sie hatten unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer von ihnen der Größte sei.

Daß wir solche Gedanken haben, gehört zu uns Menschen. Nur wie wir mit diesen Gedanken, mit diesem Kampf der Leidenschaften in unserem Innern umgehen, das ist die Frage.

Wenn wir Menschen nach Größe und Macht streben, dann geht das nie ohne Konflikte, Streitereien, Intrigen u.s.w. ab. Wenn wir nur unsere eigenen Interessen durchsetzen wollen, dann endet das fast zwangsläufig in einem Hauen und Stechen. Das erleben wir tagtäglich, ob Zuhause, im Betrieb, in der Politik, in der Kirche...

Das ist die Folge einer menschlich-allzu menschlichen Ordnung, in der es nur um mich geht und um meine Anliegen, um mein Prestige ...

Jesus im Evangelium stellt uns einen anderen Weg vor, den Weg den er selbst gegangen ist.
"Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein."

Er selbst hat sich erniedrigt. Er, der Sohn Gottes, der Sohn des Höchsten hat sich klein gemacht: Als kleines Kind in der Krippe, als Verbrecher am Kreuz.
Er hat sich selbst zurückgenommen, damit die Botschaft seines Vaters verkündet wird. Er selbst hat sich zurückgenommen, damit er für uns das Heil erwirken konnte.

"Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein."
Für uns kann das heißen: Nimm Dich nicht so wichtig, nimm Dich zurück. Du und Deine Wünsche sind nicht alles auf dieser Welt.
Schau nach, ob Dein Wollen mit dem Willen Gottes übereinstimmt, ob Dein Wollen den anderen dient.
Überprüfe Dich, ob Du wirklich für diese Aufgabe unentbehrlich bist, ob Du nur Deine Ehre suchst, oder auch das Wohl der anderen.

"Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein."
Es geht nicht darum, daß wir Christen uns aus der Verantwortung stehlen. Es geht darum, daß wir Christen unsere Verantwortung vor Gott und den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Es geht darum, daß wir Christen nicht an uns selber kleben, an unseren Wünschen, Plänen krampfhaft festhalten.

"Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten?"
Sie kommen aus unserem Inneren, aus unseren egoistischen Festhalten unserer Ansprüche.
Wenn wir Frieden haben wollen, richtigen Frieden, dann dürfen wir nicht dabei stehen bleiben, unsere Umwelt zu beschuldigen, an den Strukturen herumzudoktern.

Wenn wir Frieden haben wollen, richtigen Frieden, dann müssen wir bei uns anfangen, uns zurücknehmen, wenn es sein muß, indem wir uns an Gott und am Wohl der anderen ausrichten.
Denn, wie steht es im Jakobusbrief:
"Wo Eifersucht und Ehrgeiz herrschen, da gibt es Unordnung und böse Taten jeder Art. Doch die Weisheit von oben ist erstens heilig, sodann friedlich, freundlich, gehorsam.

Also noch mal: "Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten?" "Doch nur vom Kampf der Leidenschaften in eurem Innern."

504. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, "Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten?" Diese Frage aus dem Jakobusbrief ist eine brennende Frage. Eine Frage die sich viele Menschen stellen.

Und wie das so ist, wenn eine Frage viele Menschen interessiert, wird sie wissenschaftlich angegangen. Und so gibt es viele Gelehrte, die sich in soziologischen Studiengängen oder an eigens eingerichteten Friedensforschungsinstituten mit dieser Frage beschäftigen:

Und die Wissenschaftler kommen durch breitangelegte Untersuchungen zu Ergebnissen. Sie legen offen, welche gesellschaftlichen, politischen, militärischen und wirtschaftlichen Gründe es gibt für Krieg und Gewalt.

Und die Wissenschaftler legen Problemlösungsvorschläge vor, was man gesellschaftlich, politisch, militärisch und wirtschaftlich gegen die erkannten Gründe für Krieg und Gewalt tun kann. Die Wissenschaftler und Gelehrten der Friedensforschungsinstitute, sie tragen sicherlich viel zur Beantwortung dieser Frage bei.

Nur glaube ich, dass sie zu kurz greifen. Sie untersuchen die Strukturen menschlichen Zusammenlebens und stellen einige Strukturen in Frage. Mit Recht.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Krieg, Gewalt und Streitigkeiten sich nicht im Tiefsten aus falschen Strukturen allein herleiten lassen. Ich glaube vielmehr, dass Krieg, Gewalt und Streitigkeiten ihren tiefsten Grund im einzelnen Menschen selber haben, in seinem Inneren.

Wirklichen Frieden erhalten wir nicht dadurch, dass wir gesellschaftliche Strukturen ändern. Das zum Teil auch.
Wirklichen Frieden erhalten wir dadurch, dass wir die Menschen in diesen Strukturen ändern. Die gesellschaftlichen Strukturen sind ja nicht aus dem Nichts entstiegen. Nein, diese Strukturen sind ja von Menschen erdacht, von Menschen ausgeführt, von Menschen mit Leben gefüllt.
Anders, persönlicher ausgedrückt: Ich muss mich ändern, nicht die Struktur!

"Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten?", fragt der Verfasser des Jakobusbriefes. Und er gibt auch die Antwort: "Doch nur vom Kampf der Leidenschaften in eurem Innern."

Liebe Schwestern und Brüder! Und in unserem Inneren rumort es ja manchmal wirklich, tobt es ja manchmal regelrecht. "Wieso hat der das und ich nicht?" - "Was die kann, kann ich auch. Und besser!" - "Wenn ich den Posten bekäme, dann hätte ich es ihm aber gezeigt..."

Und wir sind damit in guter Gesellschaft. Die Apostel im Evangelium gerade waren auch wie wir, ganz Mensch: Jesus fragte sie: "Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?" - Sie schwiegen, denn sie hatten unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer von ihnen der Größte sei."

Dass wir solche Gedanken haben, gehört zu uns Menschen. Nur wie wir mit diesen Gedanken, mit diesem Kampf der Leidenschaften in unserem Innern umgehen, das ist die Frage.
Wenn wir Menschen nach Größe und Macht streben, dann geht das nie ohne Konflikte, Streitereien, Intrigen usw. ab. Wenn wir nur unsere eigenen Interessen durchsetzen wollen, dann endet das fast zwangsläufig in einem Hauen und Stechen. Das erleben wir tagtäglich, ob Zuhause, im Betrieb, in der Politik, in der Kirche...
Das ist die Folge einer menschlich-allzu menschlichen Ordnung, in der es nur um mich geht und um meine Anliegen, um mein Prestige ...

Jesus im Evangelium stellt uns einen anderen Weg vor, den Weg den er selbst gegangen ist.
"Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein."

Er selbst hat sich erniedrigt. Er, der Sohn Gottes, der Sohn des Höchsten hat sich klein gemacht: Als kleines Kind in der Krippe, als Verbrecher am Kreuz. Er hat sich selbst zurückgenommen, damit die Botschaft seines Vaters verkündet wird. Er selbst hat sich zurückgenommen, damit er für uns das Heil erwirken konnte.

Für uns kann das heißen: Nimm Dich nicht so wichtig, nimm Dich zurück. Du und Deine Wünsche sind nicht alles auf dieser Welt. Schau nach, ob Dein Wollen mit dem Willen Gottes übereinstimmt, ob Dein Wollen den anderen dient. Überprüfe Dich, ob Du wirklich für diese Aufgabe unentbehrlich bist, ob Du nur Deine Ehre suchst, oder auch das Wohl der anderen.

Es geht nicht darum, dass wir Christen uns aus der Verantwortung stehlen. Es geht darum, dass wir Christen unsere Verantwortung vor Gott und den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Es geht darum, dass wir Christen nicht an uns selber kleben, an unseren Wünschen, Plänen krampfhaft festhalten.

"Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten?"
Sie kommen aus unserem Inneren, aus unseren egoistischen Festhalten unserer Ansprüche.
Wenn wir Frieden haben wollen, richtigen Frieden, dann dürfen wir nicht dabei stehen bleiben, unsere Umwelt zu beschuldigen, an den Strukturen herumzudoktern.

Wenn wir Frieden haben wollen, richtigen Frieden, dann müssen wir bei uns anfangen, uns zurücknehmen, wenn es sein muss, indem wir uns an Gott und am Wohl der anderen ausrichten.

Denn, wie steht es im Jakobusbrief:
"Wo Eifersucht und Ehrgeiz herrschen, da gibt es Unordnung und böse Taten jeder Art. Doch die Weisheit von oben ist erstens heilig, sodann friedlich, freundlich, gehorsam."

Amen.

505. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Jesus hat in seiner Belehrung der Zwölf, von der wir im Evangelium gehört haben, die Karriereleiter in der Kirche umgekehrt: Während die Apostel von Macht und Amt, von Ehre und Ansehen gesprochen haben, betont Jesus: Wer der Erste sein will, soll der Letzte und der Diener aller sein. Das Wesen der Kirche ist das Dienen, nicht deshalb, weil wir damit unser Gewissen beruhigen können, sondern deshalb, weil im Dienen die Erfüllung des Menschseins liegt.

Das ist einfach zu verstehen, aber nicht immer einfach zu leben: Wer nimmt schon gerne sein Kreuz auf sich, wer möchte schon gerne - wie Jesus - von allen verspottet und verachtet werden? Wer es aber einmal versucht hat, kann verstehen: Darin liegt nicht das Unglück, sondern das Glück unseres Glaubens.

Fernsehen, Werbung und der Zeitgeist dagegen erzählen uns, dass wir nur glücklich werden können, wenn wir gut aussehen, jung bleiben, erfolgreich sind, Geld haben und Mundgeruch vermeiden. Ob sich die Apostel nun über ihre Ämter oder aber wir über Lottoglück und Schminke, Autos oder Handys unterhalten: Die Antwort Jesu bleibt die Gleiche: «Er stellte ein Kind in ihre Mitte und nahm es in die Arme. ( - ) Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.» Und wer Jesus hat, der hat alles Glück dieser Welt.

Das mag für eine Predigt relativ wenig sein, aber das ist tatsächlich das Geheimnis unseres Glaubens, mehr nicht: Wer leben will, der fange an zu dienen. Viel Freude dabei. Amen.

506. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn man das heutige Evangelium - Abschnitt für Abschnitt - verfilmen würde (oder sich zumindest bildhaft vorstellt), so dürfte das Ergebnis sicher nicht für Jugendliche unter 18 Jahre zugelassen werden. Ausgerissene Gliedmaßen, brutales Ertränken und dazu noch Exorzisten und die dreifache Erwähnung der Hölle - zusammen mit dem Worten der Lesung (aus dem Jakobusbrief) starker Tobak.

Warum - so fragen wir uns heute und so haben sicherlich auch die Apostel damals gefragt - fährt Jesus plötzlich so starke Geschütze auf? Was ist passiert?

Das wird uns nicht klar, wenn wir den Text des heutigen Evangeliums so isoliert betrachten, wie er uns präsentiert wird. Im Zusammenhang ergibt sich nämlich ein hochinteressantes Gesamtbild.

Alles fing vermutlich damit an, dass Petrus - eifrig wie immer - bekannte: "Herr, wir haben Frau, Kinder, Äcker und Häuser verlassen - was werden wir dafür erhalten?" - Und Jesus antwortet irgendetwas mit dem ewigen Lohn und - das war der Auslöser - von 12 Thronen, auf denen die Apostel sitzen werden, um die 12 Stämme Israels richten (Lk 22,30; Mt 19,28).
Man kann sich sehr lebhaft vorstellen, wie es jetzt in der Phantasie der Apostel arbeitete. Zwölf Throne! Vielleicht sogar mit eigenem Thronsaal? Oder kriegt jeder einen eigenen Palast? Werden die zwölf Throne nach Wunsch ausgearbeitet? Darf sich jeder eine Farbe aussuchen? Und - vor allem - gibt es eine Rangfolge? Hat vielleicht Simon der Zelot einen größeren Thron, weil er der Älteste war?

Während Jesus davon erzählte, dass er nach Jerusalem ziehen wird, um dort verraten, ausgeliefert, hingerichtet und getötet zu werden; schwirrt in den Köpfen der Apostel immer noch die Farbe und Größe ihrer Throne herum. Als Jesus merkt, dass die Zwölf darüber nachdenken, wer von ihnen der größte sei, nimmt er ein Kind in ihre Mitte und betont: "Nur, wer dient - diesem Kind zum Beispiel - nimmt mich auf."

Alles vergebens. Die Apostel hören nicht zu. An dieser Stelle beginnt unser Evangelium. Das Kind steht noch in der Mitte, als Johannes die Verheißung der zwölf Throne gefährdet sieht: Da ist einer, der in Jesu Namen Gutes tut - das darf der nicht. Kriegt der dann etwa auch einen Thron? Und noch mehr? Dann sind wir Apostel ja gar nichts besonderes mehr! Jesus, das musst Du ihm verbieten!

Und nun wird Jesus unwillig - und fährt mit einer Schärfe und Eindringlichkeit fort, die uns vielleicht überrascht - aber offensichtlich notwendig war. "Dient! Dient, meine Apostel, dient um jeden Preis! Koste es Euch auch Euer Leben - ihr müsst das Dienen lernen, denn sonst wird auch aus der Verheißung des Himmels nichts anderes als die Hölle werden!"

Das sitzt. Denn bis hierhin haben die Apostel gedacht: Na, das mit dem Leiden und Dienen kriegen wir schon hin, Hauptsache wir erhalten nachher unsern Lohn. Augen zu und durch - das kennen wir auch. Aber der Dienst am Kleinsten, das Leid und das Kreuz sind keine willkürlichen Hürden, die es zu überwinden gilt, um dann auch das himmlische Treppchen zu gelangen. Der Himmel ist kein Lohn für Sportskanonen.

Der Dienst, von dem Jesus spricht, ist unverzichtbare Voraussetzung für den Himmel, weil wir nur so zu Bürgern des Himmels werden können. So wie Jesu Leid und Kreuz den Himmel überhaupt erst ermöglichten, ist der Dienst am Kleinsten ein Erlernen das himmlischen Zustandes.

Es geht ohne Dienst einfach nicht. Nur wer den Kleinsten groß sein lässt und um den Dienst am Anderen bereit ist, alles zu erleiden, alles zu lassen, auf alles zu verzichten - der entgeht der Hölle der Eitelkeit, der Machtgier und der Geld-Besessenheit.

Deshalb die harschen Wort - auch an uns: Dient! Dient, liebe Schwestern und Brüder - koste es, was es wolle! Amen.

507. Predigtvorschlag

In der letzten Woche hatte mein Weihejahrgang Studienwoche in Münster. Bei der Gelegenheit hatten wir auch ein Gespräch mit unserem Bischof Felix, welcher u.a. schockiert war von der neuesten Umfrage des Allenbachs-Instituts zum Thema Glauben, welches in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am letzten Mittwoch veröffentlicht wurde. Demnach schwindet der christliche Glaube rapide: Seit Mitte der 50er Jahre sinkt der Anteil derer, die Sonntags in die Kirche gehen und auch unter diesen bekennenden Christen schwinden der Glaube: 1986 glaubten noch 56% der Christen, dass Jesus der Sohn Gottes ist, heute nur noch 46%. Der Glaube an die Auferstehung der Toten (der Kern unseres Glaubens!) sank der Anteil von 38 auf 30 %! Dagegen steigt der Glaube an Wunder von 33 auf 51% und der von Seelenwanderung von 7 auf 20%. Die Zeitung folgert: "Das Christentum wird gleichsam von innen ausgehöhlt. Die Kernbotschaft findet immer weniger Glauben."

Gleichzeitig sprechen sich die Menschen in dieser Umfrage für christliche Werte aus, auch wenn sie selber mit dem Christentum nichts mehr zu tun haben. 78% der Befragten wollen z.B., dass christliche Feiertage höher gestellt bleiben, als muslimische, auch für christliche Werte in der Politik sprechen sich große Mehrheiten aus.

Ich bin geneigt mit dem Evangelium zu sagen: "wer nicht gegen uns ist, ist für uns" - wenn diese Menschen, die an Christus nicht mehr glauben, an den auferstandenen Sohn Gottes, dennoch christlich handeln, sollte man sie nicht daran hindern. Es ist doch gut, dass Werte wie "Einsatzes für die sozial Schwachen" und die "Stärkung der Familie", der "Einsatz für Länder der Dritten Welt" als christliche Werte angesehen und auch eingefordert werden. Wenn Gutes auch außerhalb der Kirche getan wird, ist das sicherlich in Jesu Sinne. Ähnlich dürfen wir auch die 1. Lesung verstehen: auch außerhalb der Auserwählten geraten Menschen in Verzückung, wirkt der Heilige Geist. Moses deutet es richtig und sagt: dass es gut so ist. So ist es auch heute: nicht nur die Amtsträger haben den Geist Gottes gepachtet, sondern mit Taufe und Firmung hat ein jeder von uns diesen Geist empfangen, der einen jeden von uns zum Propheten macht. Man kann in dieser Aussage der 1. Lesung oder des 1. Teils des Evangeliums auch ein Plädoyer sehen für Toleranz und gemeinschaftlichem Engagement mit außerhalb unserer Kirche Stehenden: mit Evangelischen oder Andersgläubigen. "Wer nicht gegen uns ist, ist für uns. Hindert sie nicht daran, in meinem Namen zu handeln."

Schwieriger wird der 2. Teil des Evangeliums. Während es im 1. Teil um die Außenperspektive ging, geht es im 2. Teil um die Innenperspektive. Während im 1. Teil Milde waltete mit den außerhalb des Jüngerkreises Stehenden, wird nun im 2. Teil mit denen, die zu den Jüngern dazu gehören in voller Härte verfahren. Jesus spricht alleine in diesem kurzen Abschnitt drei mal von Hölle, dazu vom ewigen Feuer, mit dem Mühlstein um den Hals ins Meer werfen. Warum, bzw. für wen solche Härte? Wenn Dich etwas zum Bösen verführt, dann soll man sich davon lossagen, (Hand, Fuß, Auge) um nicht beim Bösen zu landen. Der Kirchenvater Johannes Chrysostomus aus dem 4. Jh. sagt dazu: "Er sagt das nicht von den leiblichen Gliedern, sondern von den nahestehenden Freunden, die wir, insofern sie für uns notwendig sind, unter die Glieder zählen. Denn nichts ist so schädlich wie schlechte Gesellschaft." Wer die Kleinen zum Bösen verführt, gemeint sind die Kleinen im Glauben: die im Glauben Unwissenden. Wer sie um ihren Glauben bringt, der wird in der Hölle landen.

Hier sind wir wieder bei der Umfrage. Natürlich gibt es auch Kräfte, die versuchen, die Unwissenden um den Glauben zu bringen. Aber ein großes Problem unserer Zeit liegt daran, dass es ganz viele Unwissenden im Glauben gibt! Ganz viele glauben nicht mehr an die Gottessohnschaft Jesu, an seine Auferstehung, weil sie mit diesen Begriffen nichts anfangen können.

Da passt es gut, dass Papst Benedikt ein "Jahr des Glaubens" ausgerufen hat. Es beginnt nächsten Monat, am 11. Oktober, dem 50. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils. Ein Jahr, in dem wir uns auch hier in unseren Gemeinden verstärkt mit unserem Glauben auseinandersetzen wollen, dieser um sich greifenden Unwissenheit im Glauben entgegen arbeiten, unseren Glauben vertiefen.

Bis dahin lassen wir uns nicht beirren, bleiben wir Christus treu und freuen uns über jeden, der im Namen Jesu Gutes tut.
Amen

508. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!
Man nimmt sich für das Leben ja so einiges vor. Jeder und jede von uns hat Ziele für die eigene Existenz, hat Wünsche, wie der eigene Charakter wohl sein sollte, hat Träume für die eigene Zukunft und die der anderen.
Das ist normal.

Normal ist aber auch, dass wir davon meistens nicht einmal die Hälfte am Ende verwirklicht haben.

Ich weiß natürlich nicht, was Sie sich so für ihr Leben so vorgenommen haben - ob Sie sich überhaupt darüber schon Gedanken gemacht haben.
Ich will Sie natürlich auch nicht mit meinen Zielvorstellungen langweilen.

Ich vermute aber, dass der Lebenswunsch "Ich will Prophet werden!" nicht allzu verbreitet ist. Weder unter uns, jetzt hier, noch auf den Strassen von Recklinghausen und anderswo.

Das Wort "Prophet" hat wohl für die meisten von uns einen eigentümlichen Beigeschmack.

Beim Wort "Prophet" denken viele vermutlich an so eine etwas verrückte, verstiegene Gestalt. Der steht an der Straßenecke und ruft irgendwelche Botschaften. Vielleicht hat er auch einen langen, etwas zotteligen Bart und abgerissene Kleider. Irgendwie ist der alles andere als normal, so etwas wie eine Art Hippie.

Beim Wort "Prophet" kommen vielleicht sogar gewisse Ängste in uns hoch, denn so ein Prophet spricht doch meistens etwas Unbequemes aus, der kündigt etwas Schlimmes an, das Ende. Propheten sind doch immer irgendwie Unglückspropheten. Und dennoch haben sie etwas faszinierendes an sich. Anders kann ich mir das in den letzten Jahren gestiegene Interesse an Nostradamus und anderen dunklen Verkündern einer dunklen Zukunft nicht erklären.

Ein Prophet zu sein ist für uns schon schwer vorstellbar. Ein ganzes Volk von Propheten erst recht.
In der Lesung aus dem Alten Testament haben wir von einer großen Gruppe verzückter Propheten gehört. Für uns ist der Wunsch des Mose fern jeder Realität: Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde.

Also noch einmal die Frage an Sie: Möchten Sie so ein Prophet sein?

Nun, egal wie Ihre Antwort ausfällt, ich muss Ihnen heute mitteilen: Sie sind bereits Prophet!
Und das auch noch freiwillig, und schon seit vielen Jahren!
Sie sind Propheten seit Ihrer Firmung. Damals haben Sie den Geist Gottes empfangen, der Sie zu Propheten macht.
Das ist Lehre der Kirche. Das ist Ihre und meine Wirklichkeit.

Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen. Sie, wir können nicht mehr zurück.
Sie wir können uns nur noch überlegen, ob wir gute oder schlechte Propheten sein wollen.

Aber keine Angst! Sie müssen jetzt nicht direkt nach dem Gottesdienst sich mitten im Stadtfest auf eine Apfelsinenkiste stellen und das Ende der Welt verkünden. Nein, das bedeutet es nicht Prophet zu sein.
Prophet sein heißt, an Gottes Stelle zu handeln, ihm die Stimme zu leihen., für andere dasein, für die Menschen dazusein.

So haben wir es im Evangelium gehört: Heilen, Böses verhindern. Gutes tun im Namen Gottes, im Namen unseres Herrn. Und wenn es nur eine kleine Geste ist, wie das Reichen eines Glases Wasser.

Prophet-sein meint, die Zuwendung Gottes zu uns Menschen spürbar, erlebbar werden lassen. Und das Ganze mit Begeisterung. Wem man die Begeisterung für Gott, für den Glauben, ja für die Nächstenliebe im Namen Jesu ansieht, wem sie aus den Augen strahlen, der ist Prophet - und zwar einer der besten, die es gibt.
Dieses Prophet-sein, dieses von Gott erzählen in dem, was wir tun und in dem, was wir sind, wie wir leben - dieses Prophet-sein kann jeder. Egal, welches Alter, egal, welches Geschlecht, egal ob gesund oder krank, egal, welche Bildung, egal, was auch immer.

Durch die Taufe und letztlich in der Firmung hat Gott uns zu Propheten erwählt und gemacht. Und er hat uns dazu mit dem Hl. Geist die nötige Kraft und Stärke verliehen. Wir müssen Ihm bloß vertrauen, uns von ihm begeistern lassen.
Wir brauchen nicht in Verzückung zu geraten. Aber mit ein bisschen Begeisterung kann ein kleines Lächeln aus Liebe zu Gott und zum Nächsten zu einem echten prophetischen Zeichen werden.

Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde.
Dieser Wunsch des Mose hat sich erfüllt.
In der Kirche. Dieser Wunsch will sich erfüllen in uns.

Eine Meditation aus dem 14. Jahrhundert spricht davon:

Christus hat nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun.
Er hat nur unsere Füße, um Menschen auf seine Wege zu führen.

Christus hat nur unsere Lippen, um den Menschen von Sich zu erzählen.
Er hat nur unsere Hilfe, um Menschen an seine Seite zu bringen.

Wir sind die einzige Bibel, welche die Menschen heute noch lesen.
Wir sind Gottes letzte Botschaft, in Taten und Worten.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen gesegneten und prophetischen Sonntag.

509. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

man kann sich ja für sein Leben so einiges vornehmen, in der Hoffnung, dass man am Ende seines Lebens dann vielleicht die Hälfte davon geschafft hat. Ich weiß jetzt natürlich nicht, was Sie sich so für Ihr Leben vorgenommen haben - ob Sie sich überhaupt schon Gedanken darüber gemacht haben, was Sie im Laufe Ihres Lebens so alles erreichen wollen.

Ich vermute aber, dass der Lebenswunsch: «Ich will Prophet werden» nicht allzu weit verbreitet ist. Und wenn ich Sie einzeln fragen würde: «Möchten Sie gerne Prophet werden?», dann bekomme ich wahrscheinlich nicht allzu viele Anmeldungen. Prophet-Sein hat so einen Beigeschmack von «verrückt», «übergeschnappt», oder «unbequem».

So haben wir es in der Lesung gehört: Da beginnen die siebzig Ältesten, auf die der Geist sich gesenkt hat, in prophetischer Verzückung zu reden. Und Moses wünscht sich: «Ach, wenn doch das ganze Volk zu Propheten würde!»

Möchten Sie so ein Prophet sein?

Nun, egal, wie ihre Antwort ausfällt: Sie sind bereits Propheten. Und sie haben sich selbst dafür entschieden, zumindest die, die hier schon gefirmt. Damals haben Sie den Geist bekommen, der Sie zu Propheten macht.

Es tut mir leid, aber jetzt können Sie nicht mehr zurück. Sie können sich nur noch überlegen, ob sie gute - oder schlechte Propheten sein wollen.

Nun bedeutet Prophet sein ja nicht unbedingt, dass sie sich an die nächste Straßenecke stellen und den Leuten das Reich Gottes künden. Prophet sein heißt, an Gottes Stelle zu handeln, an Seiner Stelle zu sprechen. Für andere dasein, für die Menschen dazusein. So, wie wir es im Evangelium gehört haben: Heilen, Böses verhindern. Gutes tun, im Namen Gottes, im Namen Jesu. Und wenn es nur ein Glas Wasser ist. Für die Menschen Gottes Zuwendung spürbar werden zu lassen. Und das ganze, wie es sich für einen Propheten gehört, mit Begeisterung. Wem man die Glaubensbegeisterung, die Gottesbegeisterung, ja, die Liebe ansieht, wem sie aus den Augen strahlen, der ist Prophet - und zwar einer der besten, die es gibt.

Dieses Prophet-sein - von Gott erzählen in dem, was wir tun und in dem, was wir sind, wie wir leben - das kann jeder. Der Wunsch des Mose: «Ach, wenn doch das ganze Volk Propheten wäre!» ist mit der Sendung des Geistes vor 2000 Jahren in Erfüllung gegangen: Jeder Christ kann in diesem Geist Prophet sein - egal, welches Alter, egal, welches Geschlecht, egal, welche Bildung, egal, welche Eigenschaften er sonst noch hat. Und wenn - wie in der Lesung oder im Evangelium - der Neid oder die Missgunst sich breit macht: Es bleibt dabei: Sie alle sind Propheten, so wie Moses es sich immer gewünscht hatte.

Dass das nicht unbedingt heißt, dass sie alle jetzt in Verzückung geraten müssen, ist klar. Aber mit einem bisschen Begeisterung für Gott und seine Menschen würde aus einem normalen Tag immerhin schon ein prophetischer Tag werden, aus einem ganz normalen Lächeln ein prophetisches Lächeln - uns so weiter. Glauben Sie mir: Prophet sein ist gar nicht so schwer.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen, prophetischen Sonntag. Amen.

Christus hat nur unsere Hände,
um Seine Arbeit heute zu tun.

Er hat nur unsere Füße,
um Menschen auf Seinen Wegen zu führen.

Christus hat nur unsere Lippen,
um den Menschen von Sich zu erzählen.

Er hat nur unsere Hilfe,
um Menschen an Seine Seite zu bringen.

Wir sind die einzige Bibel,
welche die Menschen heute noch lesen.

Wir sind Gottes letzte Botschaft,
in Taten und Worten geschrieben.

Und wenn nun diese Schrift gefälscht ist,
nicht gelesen werden kann?

Wenn unsere Hände mit anderen Dingen
beschäftigt sind als mit den Seinen?

Wenn unsere Füße dahin gehen,
wohin die Sünde zieht?

Wenn unsere Lippen sprechen,
was er verwerfen würde?

Erwarten wir, Ihm dienen zu können,
ohne Ihm nachzufolgen?

aus dem 14. Jahrhundert

510. Predigtvorschlag

Was aber Gott verbunden hat, dass darf der Mensch nicht trennen.

Deutliche Worte, liebe Schwestern und Brüder, die der Herr im Evangelium spricht.

Die Haltung Jesu zur Ehe und zur Scheidung sind eindeutig. Daran gibt es nichts zu deuteln: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet. Ehebruch - das ist ein schwerwiegender Verstoß gegen die Weisung Gottes. "Du sollst nicht die Ehe brechen!" heißt es in den Zehn Geboten, deren Einhaltung Garant für ein Leben nach Gottes Willen ist, für ein gelingendes Leben hier auf Erden und in der zukünftigen Welt.

Was aber ist eigentlich die Ehe? Warum ist der Ehebruch ein so schwerwiegender Verstoß, eine schwere Sünde?

In der Lesung aus dem Buch Genesis haben wir gehört, das Gott den Menschen als Mann und Frau erschaffen hat. Beide sollen einander ergänzen, beide sind aufeinander angewiesen. Man muss also sagen, dass Gott der Urheber der Ehe ist. Die Ehe ist nicht ein rein weltlich Ding, von Menschen allein ausgedacht. Es geht bei der Ehe nicht nur um Zügelung der sexuellen Triebe, um die Erlangung eine anderen Steuerklasse, um Altersicherung durch Kinder. Nein, bei der Ehe geht es auch um Gott. Schließlich hat er sie eingesetzt. Die Ehe ist ein Abbild der Treue Gottes zu uns Menschen. Gott hat vorbehaltlos zu uns JA gesagt. Er ist seinem Bund mit uns immer treu geblieben, obwohl der Mensch sich immer wieder den Geboten Gottes widersetzt hat, sich des Bundes mit ihm nicht würdig erwies.

Gott ging in seiner Treue sogar soweit, dass er seinen Sohn in die Welt gesandt hat. Obwohl die Menschen ihn kreuzigten und töteten, blieb er uns treu und hat uns nicht verstoßen. Vielmehr hat er uns im Tod und in der Auferstehung seines Sohnes gezeigt, wie sehr er uns liebt. Ohne Gottes Treue zu uns könnten wir nicht leben, hätten wir keine Hoffnung auf Erlösung. Ohne vorbehaltlose Treue können auch die Eheleute nicht leben. Diese Treue zueinander kann durchaus auf eine harte Probe gestellt werden, kann zu einem Kreuz werden. Das weiß ich aus der Tätigkeit als Seelsorger ziemlich genau.

Ich weiß aber auch, dass das Jawort von Mann und Frau zueinander kaum Bestand haben kann, wenn der Zusatz "bis der Tod uns scheidet" nicht mitgesprochen wird. Ein Jawort mit Hintertürchen ist kein Ja, sondern ein Jein. Darauf aber lässt sich kein gemeinsames Leben bauen. Ein Jawort mit Hintertürchen, ein Ja "bis ich es mir anders überlege" führt letztlich zu Misstrauen und Eifersucht, führt zu einem leichtfertigen Umgang mit der Treue des Partners. Ein solche Ja mit Hintertürchen widerspricht zutiefst der christlichen Lehre von der Ehe, die mit der Hl. Schrift sagt, dass Mann und Frau in der Ehe ein Fleisch sind, untrennbar miteinander verbunden, so wie Gott sich mit uns Menschen unzertrennbar verbunden hat.

Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen... Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet.

Diese Worte Jesu verpflichten die Kirche und jeden von uns, alles zu benennen, was der Würde und dem Wesen der Ehe widerspricht. Den Worten des heutigen Evangeliums entsprechend kann die Kirche die Ehe von wiederverheirateten Geschiedenen nicht als gültig anerkennen, insofern die vorherige Eheschließung gültig war. Das hieße nämlich zwei Ehen gleichzeitig zu führen. Weil diese Situation dem Gebot Gottes, seinem Bund mit uns offensichtlich widerspricht, können wiederverheiratete Geschiedene das Zeichen des Neuen Bundes, die Hl. Kommunion nicht empfangen und bestimmte Aufgaben in der Kirche nicht übernehmen. Ich weiß, dass ich mich mit diesen Worten nicht sonderlich beliebt mache. Aber es ist meine Pflicht und Schuldigkeit, die Lehre der Kirche darzustellen, damit Sie, die Gläubigen, wissen woran Sie sind und an der Lehre der Kirche Ihr Gewissen ausrichten können.

Ich weiß, wie viele pastorale und menschliche Probleme durch diese Lehre entstehen können. Aber die Worte Jesu sind für die Kirche und auch für mich persönlich unzweifelhaft: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet. Da, wo christliche Ehen in den Augen der Partner gescheitert sind, bietet die Kirche ein sogenanntes Ehenichtigkeitsverfahren an. Dabei geht es nicht um die Scheidung einer bestehenden Ehe, sondern um die Feststellung, dass die notwendigen Voraussetzungen für eine katholische Ehe zu Zeit der Eheschließung nicht bestanden haben. Wird die Nichtigkeit einer Ehe festgestellt, sind die Partner wieder frei, eine neue Bindung einzugehen.

Aus Gesprächen mit den beteiligten Richtern und Anwälten, unter denen ich einige Freunde habe, weiß ich, dass weit mehr als die Hälfte der Fälle positiv beschieden werden. Strenge Vertraulichkeit und ein hohes Maß an menschlicher Rücksichtnahme sind allen Beteiligten ein großes Anliegen.

Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen... Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet. Diese Worte Jesu gehen nicht so leicht runter, ja können schwer im Magen liegen.
Eine solche Ehe zu führen scheint heute fast unmöglich zu sein. Mit Gottes Hilfe aber, der treu für uns da ist, kann es gelingen. Der Herr segne und behüte die Ehen und Familien unser Gemeinde und die in aller Welt.

511. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Jeder Mensch, der glaubt, glaubt auf seine Weise. Jedes Kind, jeder Mann und jede Frau hat seine eigene Art und Weise, zu glauben, den Glauben zu leben und mit ihm durchs Leben zu gehen. Trotz aller Unterschiedlichkeit dürfte aber eins uns allen gemeinsam sein: Dass das Glauben oft Schwierigkeiten macht.

In diesem Punkt treffen wir uns mit den großen Heiligen und den kleinen Sündern, den großen Gestalten unseres Glaubens und den kleinen Kindern: Der Glaube; das Bemühen, zu glauben, zehrt an unseren Kräften. Glaubensschwierigkeiten, Zweifel oder das Gefühl, den Roten Faden verloren zu haben, kommen immer wieder. Wer meint, Gott und die Welt im Döschen zu haben, läuft Gefahr, am Wesen des Glaubens vorbeizugehen.

Und denen, die darunter leiden, den Roten Faden im Glauben verloren zu haben, kommt manchmal der Gedanke: «Wenn Gott will, dass ich glaube, wenn ihm etwas an meinem Glauben liegt, dann soll er mir doch auch mal unter die Arme greifen.» Ein Glaube an Gott nämlich, der immer nur durch die Kirche vermittelt wird, durch Menschen, die alle ihre Fehler haben, fällt selbstverständlich schwer. Wonach sich viele Menschen sehnen, ist die Unmittelbarkeit: Gott selbst zu erfahren, um dann - fast wie von selbst - glauben zu können.

Aber Gott zeigt sich nicht im blendenden Licht, unmittelbar - wahrscheinlich könnten wir es gar nicht ertragen. Genauso wenig, wie wir nicht direkt in die Sonne schauen können. Aber Er zeigt sich uns in jedem Augenblick - für den, der hinter die Dinge schaut. Er verbirgt sich, nicht um sich zu verstecken, sondern um sich von uns finden zu lassen.

Vielleicht ist das ja auch der Kern des heutigen Evangeliums: Es geht Jesus nicht um die rechtliche Frage von Ehescheidung oder Unauflöslichkeit. Es geht ihm darum, dass wir hinter diese vordergründigen Angelegenheiten schauen und lernen, jeden Menschen - vor allem unseren Ehepartner, unsere Kinder (oder auch unsere Geschwister und Eltern) - als Geschenke Gottes ansehen. Ja, sogar noch mehr: In diesen Menschen begegnet uns Gott. Im Ehepartner, in den Kindern können wir Gott begegnen, ohne dass wir von seiner Herrlichkeit geblendet werden. Jede Begegnung mit dem Nächsten wird zur Gottesbegegnung.
Dass jeder von uns seine Schwächen und Fehler hat, steht dem nicht im Wege. Wenn wir nicht in der Lage sind, in den Menschen, die uns wirklich lieb in unserem Leben sind, Gott zu finden, dann können wir ihn nirgends finden. Glauben tut letztlich nur der, der sich darum bemüht, der glauben will.

Vielleicht zeigt uns das heutige Erntedankfest, wo wir stehen. Wer verlernt hat, hinter die Dinge zu schauen; wer in dem, was uns umgibt, nicht mehr das liebevoll Wirken Gottes sieht, der fragt sich wahrscheinlich auch, warum es noch so ein Fest gibt wie Erntedank. Wer im Wachsen der Früchte nur das Wirken von Naturgesetzen, von Biologie und Chemie, sieht, der braucht auch nicht zu Danken. Wer in seinem ganzen Hab und Gut nur die Produktion von perfekten Fabriken und das Ergebnis seiner eigenen Hände Arbeit sieht, der braucht nicht zu danken - allerhöchsten vielleicht unserer Wirtschaft.

Wer aber genug Phantasie, genug Wille zum Glauben hat, wer Gott sucht auch in den kleinsten Selbstverständlichkeiten unseres Lebens, der kann gar nicht mehr aufhören, Gott zu danken und zu loben. Dann kann schon der leckere Kaffee am Morgen oder das warme Wasser der Dusche ein Liebesbeweis Gottes sein. Wer danken will, der braucht gar nicht mehr nach Gründen zu suchen, zu danken. Wer danken will, braucht nur auf die kleine Auswahl der Gaben zu schauen, die hier am Altar liegt; der braucht nur in die Augen des Ehepartners zu schauen, in die der Kinder - um vor Dankbarkeit stumm zu werden.

Wer glauben will, der braucht nicht nach Gottes Spuren zu suchen. Wer wirklich glauben will, der findet Gott auf Schritt und Tritt, in jedem Lachen eines Kindes und in jedem Zuspruch, den ein Mensch gibt. Denn letztlich sind nicht wir es, die Gott suchen. Letztlich ist es Gott, der uns ständig sucht, ohne Unterlass. Wir müssen uns nur finden lassen. Amen.

512. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Manchmal klingt das, was Jesus so sagt, ziemlich veraltet. Da kommen die Pharisäer mit Problemen, die heute einfach keiner hat.

Im heutigen Evangelium klingt der Disput zwischen Pharisäer top-aktuell. Nur ein wenig verändert, könnte er aus einem Gespräch beim Friseur stammen: "Wie, man kann sich in der katholischen Kirche nicht scheiden lassen? - Da ist der Staat aber großzügiger, der erlaubt Scheidungen." - "Nur, weil ihr so hartherzig seid, erlaubt das Gesetz Scheidungen. In der Schöpfung hat Gott den Menschen so geschaffen, dass er dazu fähig ist, ohne Haltbarkeitsbegrenzungsdatum zu lieben. Außerdem bestätigt Gott den Ehebund. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen."

Da liegt es nahe, dass man nochmal nachfragt: Meinst Du das wirklich? Und genau das haben auch die Apostel getan. Und Jesus bestätigt - wie auch heute immer noch die katholische Kirche: "Wer seinen Ehepartner aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet, begeht Ehebruch." - Bei Lukas antworten die Apostel: "Dann ist es wohl besser nicht zu heiraten" - ein Reaktion, die auch heute viele praktizieren: Kein Sakrament ist (neben dem Beichtsakrament) zahlenmäßig so sehr zurückgegangen wie das der Ehe.

Wie kommen wir aus diesem Dilemma heraus? Sehr viele Menschen empfinden das Verbot der Scheidung und Wiederheirat als unchristlich; auf der anderen Seite ist kein modernes gesellschaftliches Problem so deutlich in der Bibel - von Jesus selbst - angesprochen und geregelt worden wie das der Ehescheidung. Man fragt sich unwillkürlich, ob diejenigen, die davon sprechen, dass das Verbot der Wiederheirat nach einer Scheidung unchristlich sei, es besser wissen wollen als Jesus?

Wenn das Thema durch ein päpstliches oder bischöfliches Wort wieder auf die Tagesordnung der allgemeinen Diskussion kommt, dann reden sich wieder die Vertreter der entgegengesetzten Parteien die Köpfe heiß - und diese Parteien ziehen sich quer durch die Konfessionen und die Kirche. Was also tun?

Es steht im Evangelium selbst drin, auch wenn es zunächst wie ein ganz andere Geschichte klingt: "Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen."

Es geht nämlich nicht darum, die Weisungen Jesu zu diskutieren, zu verwerfen oder es besser zu wissen, sondern schlicht, sie anzunehmen. Der Glaube ist uns geschenkt. Da sollte man nicht, wie bei einem Rosinenkuchen, sich die Stücke herauspicken, die einem gefallen und den Rest zurückgeben mit den Worten: "Danke für den Glauben, lieber Gott; aber diese Teile der Botschaft mag ich nicht." Das tut keiner, der weiß, was ein Geschenk eigentlich meint.

"Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen." meint aber noch etwas anderes: Ein Kind vertraut darauf, dass das, was einem die Eltern vermitteln, seinen Sinn hat. Dass es gut ist, hilfreich und wertvoll. Dass - in diesem Fall - hinter der Unauflöslichkeit der Ehe nicht Hartherzigkeit steht, sondern die Liebe Gottes. Wer Gott wie ein Kind vertrauen kann, dass die Liebe nicht wirklich aufhört, der findet immer einen Weg, den Partner neu lieben zu lernen - und wenn es sein muss, aus einem nötigen Abstand heraus. Wer Gott kennt, der weiß, dass man seine Hoffnung niemals begraben darf.

Und ein letztes meint der Satz: "Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen": Ein Kind vertraut darauf, dass die Eltern zur Stelle sind, wenn es selber nicht mehr weiter weiß. Wer seine Ehe als Sakrament begreift und geschlossen hat, der weiß, dass der Vater zur Stelle ist, wenn es kriselt; wenn die Ehe zu zerbrechen droht. Wer weiß, dass er und sein Ehepartner nicht allein um die Liebe und die Fortführung ringt, sondern dass Gott mit leidet und sich um Liebe bemüht, der weiß, dass Liebe - und vor allem die eheliche Liebe - nicht gemacht werden kann, sondern geschenkt wird.

Vielleicht müssen wir - vor allem in der Ehe - mehr darum beten, dass Gott mitten unter uns wirken kann. Vielleicht hilft es auch, wenn wir, deren Beziehungen von so schweren Krisen verschont geblieben sind, für die mitbeten und mitleiden, die - manchmal ohne eigenes Verschulden - plötzlich allein dastehen.

Vor allem aber sollten wir lernen, jede Stunde eines jeden Tages wie ein Kind zu werden, das Gott vertraut, Ihm glaubt und sich in seinem Schutz geborgen weiß - was immer auch kommen mag. Amen.

513. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Letzten Samstag und am vergangenen Mittwoch konnten wir erfreulichen Fußball sehen. Zwei Siege unserer Nationalmannschaft. Diese Siege waren verdient, denn die Fußballspieler sind da hingegangen wo es weh tut. Vor einem Jahr sah das noch anders aus. Da sagten die Sportler noch: „Wir sind einfach nicht da hingegangen, wo es weh tut!"
„Stimmt, da hatten sie Recht!" murmelten viele Hobbysportler auf dem Sofa, während sie genüßlich Cola schlürften und Chips futterten.

Dahin gehen, wo es weh tut. Gilt das nur für Sportler? Gilt das nicht auch für den Glauben? Ein Leben aus dem Glauben erfordert auch Sportsgeist und Anstrengung.
Aber wieso? Wir leben doch aus dem Glauben. Wir gehen sonntags und Feiertags zur Kirche, vor und nach der warmen Mahlzeit wird gebetet und meist abends im Bett. Freitags gibt es Fisch statt Fleisch. In der Fastenzeit wird auf Süßes verzichtet und Geld gespendet wird auch. Die zehn Gebote sind bekannt und werden gehalten.
Wir haben es uns schön eingerichtet im „Sofaglauben". Suchen wir noch die entschlossen Zweikämpfe gegen die eigene Trägheit? Gehen wir im Glauben noch dahin, wo es weh tut?
Will Gott das überhaupt?
Das heutige Evangelium gibt eine eindeutige Antwort. Gott reicht eine „Sofaglaubensmentalität" nicht. Der Jüngling geht traurig davon, weil er nicht bereit ist, dahin zu gehen, wo es weh tut.

Gelegenheiten bietet uns der Alltag genug, um der „Sofaglaubensmentalität" zu entkommen.
Der Verzicht auf die zweite Tasse Kaffee, das dritte Glas Bier, die vierte Zigarette. Nichts Spektakuläres. Kleine Nadelstiche gegen die eigene Trägheit und Sattheit. Unscheinbare Verzichte aus Liebe zu Gott. Wer im Auto unterwegs ist, läßt einmal das Radio aus und betet einen Rosenkranz. Bei dem Sonntagnachmittagsspaziergang im Oktober die Rosenkranzandacht mit einplanen. In der Woche einmal eine Heilige Messe mitfeiern. Das Feld der Möglichkeiten für die Zweikämpfe ist ein sehr weites.

Wenn wir es uns im Winter auf dem Sofa bequem machen bei prasselndem Kaminfeuer und den Biathleten zuschauen, wie sie in der Kälte den Wettkampf bestreiten, dann dürfen wir uns bewußt machen, daß diese Sportler die Leistung nur bringen, weil sie hart dafür trainiert haben. Sie trainieren nicht nur dann, wenn es ihnen gerade „danach ist". Das gilt doch auch für den Glauben. Ich kann nicht nur dann Glauben, wenn es mir gerade „danach ist". Feste Gebetszeiten können da sehr hilfreich sein. Wenigstens morgens und abends fünf Minuten Zeit nehmen, um Gott zu loben, zu danken und ihm unsere Sorgen vorzutragen.

Die Begegnung mit Jesus läßt den Jüngling erkennen, daß Jesus ein „Sofaglauben" nicht genug ist. Auch wir erfahren und erleben hier in diesem Gottesdienst eine Jesusbegegnung im Wort und in dem Sakrament der Eucharistie. Wie dem Jüngling sagt uns Jesus: „Geh dahin, wo es weh tut!" Und wenn wir anfangen unsere „Sofaglaubensmentalität" zu überwinden, werden wir merken, wie spannend und faszinierend auf einmal das Leben aus dem Glauben wird. Auf einmal ist der Alltag des Glaubens nicht mehr fad, sondern ein tägliches Abenteuer. Die kleinen unscheinbaren Verzichte aus Liebe zu Gott können das Leben so spannend machen. Amen.

514. Predigtvorschlag

Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr.

Liebe Schwestern und Brüder,
das mit dem Kamel und dem Nadelöhr ist ein bekanntes Sprichwort. Vermutlich haben Sie es schon gehört oder selbst verwendet.

Dieses geflügelte Wort meint, dass irgendetwas unmöglich passieren kann, schließlich kann man selbst das kleinste Kamel nicht durch das größte Nadelöhr quetschen.

Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr.
Dieses Sprichwort nimmt auch Jesus in den Mund. Wir verwenden in der Regel nur diesen ersten Teil. Häufig vergessen wird oder überhaupt nicht bekannt ist die wichtige Präzisierung, die Entfaltung, die der Herr im zweiten Teil anspricht.
Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.

Da stellt sich die Frage: Ist es also für Reiche unmöglich, in den Himmel zu kommen? Und ab wann ist man denn eigentlich reich, ab 2000 € Monatsgehalt? Schaut Gott den auf den Lohnstreifen und das Girokonto? Muss ich etwa am letzten Tag sozusagen eine Lohnsteuererklärung für den Himmel machen?

Nun diese Fragen machen deutlich, dass man dieses Wort vom Nadelöhr und dem Kamel nicht einfach ganz platt übernehmen kann. Dass wussten auch schon die Bibelwissenschaftler. Und sie haben dabei etwas Erhellendes heraus gefunden.

Wenn Jesus vom Nadelöhr spricht, dann spricht er mit aller Wahrscheinlichkeit von einem Stadttor in Jerusalem. Zur Zeit Jesu waren alle Städte mit Mauern umgeben, die mit einigen Toren versehen waren. Diese wurden allerdings aus Sicherheitsgründen nachts verrammelt und verriegelt, damit keine feindlichen Truppen eindringen konnten. Wer also bis zum Einbruch der Dunkelheit nicht rechtzeitig die Stadt erreicht hatte, musste draußen übernachten.

In Jerusalem aber gab es eine kleine Tür, die immer geöffnet war. Tag und Nacht. Sie war allerdings so eng und niedrig, dass dort keine Angreifer mit Rüstung und Waffen eindringen konnten, sondern nur einzelne Personen und das auch noch gebückt. Und dieser Eingang hieß im Volksmund damals "Nadelöhr".

Mit diesem Wissen im Hintergrund lässt sich besser verstehen, was der Herr meint, wenn er sagt:
Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.

Wenn z.B. ein reicher Kaufmann mit seiner Karawane die Stadt Jerusalem nicht rechtzeitig vor Toresschluss erreicht hatte, um sich und seine Waren hinter den Mauern vor den Räubern in Sicherheit zu bringen, musste er sich entscheiden:
Bleibe ich jetzt, diese Nacht draußen bei meinen voll beladenen Kamelen? Oder bringen ich mein Leben lieber in Sicherheit, indem ich durch das Nadelöhr in die Stadt hineingehe?

Eins war klar: Seinen ganzen Besitz konnte er nicht mitnehmen. Der war zu sperrig für das kleine Tor. Der Reiche musste sich wohl oder übel davon trennen, es loslassen.

Der Herr will uns sensibilisieren mit diesem Wort vom Nadelöhr, sensibilisieren für unsere Anhänglichkeiten:

Angenommen, Sie stehen vor diesem Nadelöhr, vor dieser kleinen Pforte. Was haben Sie, woran hängen Sie?

Könnten Sie, wollten Sie so ohne weiteres auf Liebgewordenes verzichten? Auf das schicke Auto, den jährlichen Urlaub, den regelmäßigen Besuch im Restaurant und auf die vielen anderen Dinge, die das Leben so angenehm machen? Oder hängen Sie schon zu sehr daran? Aber all diese Dinge können wir nicht durch das schmale Tor zerren.

Es ist gut, sich einmal damit zu beschäftigen, woran man denn so richtig hängt. Vielleicht erschrecken wir sogar darüber, wie sehr wir schon an manchen Dingen und Gewohnheiten kleben.

Liebe Schwestern und Brüder!
Weder ich noch der Herr wollen Ihnen das Schöne am Leben verleiden, die kleinen Freuden des Alltags, das kleine bisschen Luxus, das wir uns gönnen dürfen.

Aber es schlummert in uns Menschen die Gefahr, diese Nebensächlichkeiten zu ernst zu nehmen, uns zu viel damit zu beschäftigen, so dass unser Kopf davon voll ist. So dass wir nur noch damit beschäftigt sind, das Auto zu pflegen, die besten und billigsten Angebote für einen Kurztrip zu sichten, die Preise und das Ambiente der Gaststätten zu vergleichen und was weiß ich.

In all dem schlummert die Gefahr, dass sich um uns ein Berg auftürmt, der uns den Zugang, ja die Sicht für das kleine Tor, für das Wesentliche nimmt.

Vollbepackt kommen wir nicht durch das Nadelöhr. Wir müssen loslassen lernen, so wie der Kaufmann von damals, wenn er des nachts in die sichere Stadt Jerusalem kommen wollte.

Liebe Schwestern und Brüder,
es gehört zu unserer menschlichen Existenz unweigerlich dazu, dass wir abgeben können, loslassen können müssen. Erst recht, wenn wir unser Leben lassen müssen, um in die himmlische Stadt Jerusalem, in das ewige Leben eingehen zu können.
"Das Totenhemd hat keine Taschen."
"Nach oben nimmt man nix mit."
So und so ähnlich heißt es dann. Und zu recht.

Bevor wir unser ganzes Leben loslassen - in die Hände Gottes - wäre es gut, die kleinen Dinge unseres Lebens loslassen zu lernen, damit uns der letzte Schritt am Lebensende leichter fällt, damit wir frei von unnötigem Ballast werden.

Liebe Schwestern und Brüder!
Gerade hier im Krankenhaus, angesichts der Krankheit, des Leidens und des Leides,
gerade hier ist ein Ort, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Viele erleben hier worauf es eigentlich ankommt.
Viele merken hier, dass das Leben, das Sein an sich viel wichtiger ist als das Haben.

Auf etwas verzichten zu können, fällt oft schwer. Aber wehe dem, der auf nichts verzichten kann. Er wird sich für das Wesentliche, das Ein und Alles nicht entscheiden können.

Wir können durch das Nadelöhr in die gepriesene, ewige Stadt gelangen,
wenn wir lernen, zu besitzen, ohne am Besitz zu kleben,
wenn wir lernen, die Dinge dieser Welt zu genießen, ohne unser Herz von diesen Dingen und dieser Welt abhängig zu machen,
denn dann werden wir der Verheißung unseres Herrn gemäß einen bleibenden Schatz im Himmel haben.

515. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Auch wenn wir nicht genau wissen, wie es im Himmel aussieht - es ist im allgemeinen doch erstrebenswert, in den Himmel zu kommen.

Und so spielt die Frage des Jünglings aus dem Evangelium auch in den Köpfen der heutigen Menschen eine große Rolle: Wie komme ich in den Himmel? «Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erlangen?»

Die erste Antwort Jesu war wohl zu erwarten: Halte dich an die Gebote. Tatsächlich sind die 10 Gebote ja auch durchaus geeignet, unser Verhalten zu besseren. Liebe Gott, ehre seinen Namen, lüge und stehle nicht, ehre Vater und Mutter und deinen Ehepartner. Eine Richtschnur, die sich immerhin Tausende von Jahren bewährt hat.

Aber Vorsicht! Regeln, Gebote und Gesetze können zwar unser Verhalten ändern, aber einen besseren Menschen machen sie noch nicht. Im Gegenteil: Sie können sogar als Schutz vor weitergehenden Ansprüchen Gottes verstanden werden.

So kann ein Angestellter, der möglichst wenig mit seinem ungeliebten Vorgesetzten zu tun haben möchte, gerade die Erfüllung aller Vorschriften und Höflichkeitsformen benutzen, um die Kontakte mit dem Vorgesetzten auf ein Minimum zu reduzieren. «Je mehr ich mich an die Vorschriften halte, umso weniger habe ich mit ihm zu tun. Und wenn er mir komisch kommt, kann ich immer sagen: Was willst Du denn, ich habe doch alle Vorschriften erfüllt?»

Genauso kann eine gewissenhafte Befolgung aller Gebote und kirchlichen Vorschriften geradezu zum Bollwerk gegen Gott werden: «Was willst Du denn, Gott, von mir? Ich habe alle deine Vorschriften erfüllt, lass mich also in Ruhe.»

Wer sich lange genug bemüht, der kann irgendwann alle diese Gebote halten, er wird perfekt sein. Und wer perfekt ist, wer fertig ist - wofür braucht der noch einen Gott?

Nicht so bei Jesus: Wer den einen Schritt getan hat, der wird aufgefordert, den nächsten zu tun. Und wer schon sehr weit vorangeschritten ist - wie der reiche Jüngling - der steht vor immer schwierigeren Schritten: Alles verkaufen? Den ganzen Besitz? Wieviel will Gott noch von mir fordern?!

Liebe Schwestern und Brüder: Wer einen einfachen, kurzen Weg zum Himmel finden will, wer ein Rezept in die Hand gedrückt bekommen will, mit der Garantie, nach einiger Zeit zu den «Perfekten» zu gehören, der ist in der Nachfolge Jesu am falschen Ort, der sollte sich besser einer Sekte anschließen. Denn gerade die Sekten bieten Patentrezepte an, mit Erfolgsgarantie, und irgendwann gehört man zu den «Perfekten», den Erleuchteten, den Heiligen. Dann hat man die Welt im Dösken und mit Gott nichts mehr zu tun.

Aber erwarten sie das nicht von unserem christlichen Gott: Es geht immer einen Schritt weiter auf der Leiter zur Vollkommenheit, aber perfekt werden sie nicht werden. Versuchen sie nur einmal die Armut zu leben. Da kommen sie nie an ein Ende - denn Armut bedeutet ja nicht, mittellos zu sein, sondern Armut bedeutet frei sein von unseren materiellen Vorlieben, frei sein vor Gott. Und wer kann schon von sich behaupten, das geschafft zu haben? Wer von ihnen freut sich nicht auf eine geheizte Kirche, ein warmes Mittagessen, den Fernseher und das weiche Bett?

Aber - wenn wir hier nie perfekt werden - wie können wir dann in den Himmel kommen? «Wer kann dann noch gerettet werden?» Die Frage des Petrus ist gar nicht so schlecht. Als Jesus aber den reichen Jüngling liebevoll anschaute, war die Antwort eigentlich schon klar: Gott wünscht unsere Armut, damit wir großzügig werden, damit wir lieben, damit wir werden wie Er - und genau dieser großzügig und liebevolle Gott ist die einzige Hoffnung - die einzige Garantie, die wir haben. Amen.

516. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, «Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in das Reich Gottes kommt». Ein bekannter Spruch aus der Bibel, oft zitiert und heiß umstritten. Und bis heute wird gerätselt, was denn genau mit diesem Sprichwort gemeint ist.

Es gibt einige Erklärungen, die sich in der Bibelwissenschaft (der Exegese) finden. Ich fand aber nur die folgende wirklich einleuchtend:

Jerusalem war damals, wie auch viele andere große Städte von einer festen Mauer umgeben, der Stadtmauer, in der es zwar zahlreiche Tor gab, die aber nachts alle geschlossen wurden. Wer bis zum Einbruch der Dunkelheit nicht rechtzeitig zurück war, musste zunächst draußen bleiben. In Jerusalem allerdings soll es eine Besonderheit gegeben haben: Dort gab es eine kleine Tür, die auch in der Nacht noch geöffnet war. Diese Tür war eng und niedrig, so dass dort keine Angreifer mit Waffen und Rüstungen hindurch konnten, sondern nur einzelne Personen, gebückt und zum Teil sogar kriechend. Eine solche niedrige Pforte gibt es heute zum Beispiel noch an der Grabeskirche in Bethlehem, gerade einmal 1,10 m hoch.
Diese Pforte in Jerusalem soll "Das Nadelöhr" geheißen haben. Alle Zuhörer Jesu wussten also genau, was er gemeint hat, als er sagte: "Eher geht ein Kamel durch das Nadelöhr in unserer Stadtmauer". Damit ändert sich allerdings auch der Sinn dessen, was er den Leuten damals sagen wollte:

Es kam sehr wohl vor, dass ein Kaufmann mit seiner Karawane nicht rechtzeitig die Stadt erreichte, um sich dort hinter den Mauern in Sicherheit vor den umherziehenden Räuberbanden zu bringen. Wenn er Jerusalem erreichte und die Tore verschlossen vorfand, musste er sich entscheiden: Möchte ich die Nacht hier draußen verbringen, bei meinen mit kostbaren Waren beladenen Kamelen? Oder möchte ich lieber mein Leben in Sicherheit bringen und durch das Nadelöhr in die Stadt fliehen?

Nicht wer einfach nur reich ist, kommt nicht in den Himmel. Sondern wer an seinem Reichtum so sehr hängt, dass er ihn nicht loslassen kann, selbst wenn seine Seele in Gefahr ist.
Reichtum verführt uns zur Selbstherrlichkeit. Die Gier nach Hab und Gut verdirbt den Charakter. Wer besessen ist von dem Gedanken, was er als nächstes noch kaufen muss, der verliert den Blick für das wirklich wichtige im Leben.

Aber wie das so ist im Leben: Wir merken es nicht, wenn die Gier und das Besitzenwollen von unserem Denken und Tun und unserem Herzen Besitz ergreift. Wer sich selber eine Grube gräbt, redet sich oft ein, dass er auf Gold gestoßen ist.

Stellen Sie sich einmal die Frage, die Jesus mit seinem Beispiel angedeutet hat: Angenommen, sie stehen vor diesem Nadelöhr, der kleinen Pforte. Auf der einen Seite Ihr Besitz, ihr Anerkennung, die Freunde und ihre Freizeit, auf der anderen Seite Gottes Reich. Welche Seite würden sie wählen?

Lieber die Ernte einbringen - oder den Sonntag heiligen?
Liebe bis zum Morgengrauen feiern - oder zum Gottesdienst gehen?
Lieber Schweigen und sein Gesicht nicht verlieren - als bei Gotteslästerungen (oder Lästern über Menschen) zu protestieren?
Lieber im neuesten Trend bleiben - als mein Geld den geben, die weniger haben?
Lieber die Freizeit abwechslungsreich gestalten - oder das Leben derer zu bereichern, die nur noch wenig vom Leben haben?

Liebe Schwestern und Brüder, wir stehen - gottseidank - nicht ständig vor der Wahl. Oft genug können wir beides tun: Unser Leben genießen und gleichzeitig am Reich Gottes mitwirken. Aber oft genug, in kleinen Dingen, ganz unscheinbar, müssen wir uns entscheiden. Das, liebe Schwestern und Brüder, sind kleine Tests; Zwischenprüfungen Gottes, ganz unerheblich. Damit wir uns dort immer häufiger richtig entscheiden, feiern wir Gottesdienst; bitten wir Gott um seine Hilfe. Amen.

517. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

...und wieder hört keiner zu. Es ist erschreckend! Jesus kündigt zu dritten Mal sein Leid an - und wieder sind die Jünger mit Machtfragen beschäftigt (beim letzten Mal - Sie erinnern sich? - ging es darum, fremde Wundertäter auszuschalten). Diesmal sind es innerkirchliche Zwistigkeiten, die die Jünger daran hindern, auf Jesus zu hören. Und wer nicht hinhört, kann auch nicht glauben. Letztlich sind die Jünger selbst schuld, dass sie durch das Kreuzesgeschehen vollkommen aus der Bahn geworfen wurden. Jesus hat sie weiß-gott-genug darauf vorbereitet.

"Glauben kommt vom Hören" hat Karl Rahner gesagt. Dementsprechend führt mangelndes Hören, Hören-wollen und Hören-können auch zum Unglauben. Eine Krankheit nicht nur unserer Zeit, wie das Evangelium darlegt. Aber weil es ein Problem aller Zeiten ist, ist es auch eines der heutigen Kirche.

Seit Donnerstag der vorletzten Woche befinden wir uns im Jahr des Glaubens, das Papst Benedikt für die ganze Weltkirche ausgerufen hat. Nach dem "Jahr des Priester" und dem "Paulus-Jahr" die dritte Initiative des jetzigen Papstes.
Anlass ist sicherlich der 50. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962; deshalb begann das Jahr des Glaubens auch am 11. Oktober, am vergangenen Donnerstag.
Aber der Anlass ist nicht gleichbedeutend mit dem Grund für dieses Jahr. Vielmehr sorgt sich der Papst - und mit ihm die ganze Kirche - um den immer geringer werdenden Glauben und das mangelnde Glaubenswissen.

Bis zum Konzil - so erzählt man sich (ich habe das leider aufgrund meiner späten Geburt nicht mehr live erlebt) - habe die Kirche quasi in einer Parallelwelt gelebt. Liturgie, Sprache und Probleme der Kirche waren nicht mehr kompatibel zur Welt; die Welt kam (so behaupten die, die sich daran erinnern können) in der Kirche nicht mehr vor.
Doch mit dem II. Vatikanum hat sich die Kirche geändert. "Freude und Hoffnung, Leid und Sorge der Welt sind auch Freud und Sorge der Kirche", hieß es. Die Kirche öffnete sich, die Liturgie wurde geändert, die Sprache der Theologie und der Katechismus revolutioniert. Gottseidank! (Auch wenn es manchen zuviel Änderung war und zu schnell ging).
Doch mittlerweile glauben viele, sobald ein Problem zwischen Kirche und Welt auftauche, müsse sich die Kirche weiter ändern. Wenn die Menschen dem Gottesdienst fernbleiben, muss die Liturgie schuld sein. Wenn die Moral - zum Beispiel die Ehemoral - nicht mehr akzeptabel erscheint, muss die Moral geändert werden. Wenn der Papst dem kirchenfernen Agnostiker nichts mehr zu sagen hat, dann muss der Papst umkehren.

Aber das ist ein Trugschluss. Die Kirche muss sich nicht der Welt anpassen, sondern die Menschen dieser Welt sollen Christus nachfolgen. Damit wir gehört werden, müssen wir auf das achten, was in der Welt geschieht - aber nicht dem hinterherlaufen, was gerade politisch unkorrekt oder en vogue ist. Ja, Papst, Bischöfe und Priester müssen sich immer wieder neu ausrichten; aber das gilt auch für alle Christen - ja, für alle Menschen. Und da haben wir viele Defizite!

Das mangelnde Glaubenswissen ist nur eine von mehreren Wunden, in den der Papst nun seinen Finger legt. Wissen wir wirklich noch, was Glauben heißt? Es gibt - selbst unter Katholiken - erschreckende Glaubensmängel, Lücken und Irrtümer. Viele Menschen sind immer noch davon überzeugt, Katholiken geben beim Glaubensbekenntnis ihren Verstand ab. Dabei heißt "Glauben" nicht in erster Linie "blinder Gehorsam", sondern "wohlüberlegte Vertrauen".
Aber - ist unser Glaube "wohlüberlegt"? Wissen wir, was wir glauben - und warum? Können wir Kritikern und Suchenden Rede und Antwort stehen?

Vermutlich nicht. Firmlinge meinen auf die Frage nach dem Tod Jesu, er sei vermutlich erschossen worden; einer Umfrage zufolge glauben 30 % der Deutschen, die Kirche feiere an Pfingsten die Hochzeit Jesu; 70 % der Amerikaner halten Johanna von Orleans für die Frau von Noah (weil Joan d'Arc im Englischen auf die Arche schließen lässt); und - seien sie mal ehrlich - wer würde von ihnen noch die 10 Gebote aufzählen können?

Aber das mangelnde Glaubenswissen ist nur ein Problem. Wie sollen wir glauben, wenn wir nicht mehr hören? Wenn wir so sind, wie die Apostel: Mit innerkirchlichen Streitigkeiten beschäftigt, obwohl es um unser Heil geht?
Aber wie sollen wir hören, wenn wir nicht mehr beten? Wenn wir Stille nicht mehr aushalten? Wer kommt denn noch von uns zu einer stillen Anbetungsstunde?
Und wie sollen wir unseren Glauben bezeugen, wenn wir ihn nicht leben? Wer tritt denn noch gegen Abtreibung ein, für das Lebensrecht von Behinderten und gegen die Ausbeutung der Ärmsten dieser Welt.

Es ist Zeit! Wir müssen dringend unseren Glauben leben; das können wir nur, wenn wir unseren Glauben auch kennen; wie aber sollen wir ihn kennen, wenn wir nicht mehr beten, hören und fragen?

Ja, es ist Zeit. Zeit für das Jahr des Glaubens. Es geht letztlich um die Frage, ob wir noch Christen sind.

Amen.

518. Predigtvorschlag

Von Krankheit gezeichneter Papst begeht sein Jubiläum
Wer wird Nachfolger von Johannes Paul II?

So oder so ähnlich lauteten Schlagzeilen in den letzten Tagen. So oder so ähnlich haben Sie sie auch wohl gehört und gelesen, liebe Schwestern und Brüder.

Seit Jahren schon wird öffentlich darüber spekuliert, wie lange Johannes Paul II. noch im Amt bleibt. Es wird weniger über die Inhalte seiner Ansprachen gesprochen als über seinen Gesundheitszustand. Manchmal scheint die Presse seinen Tod herbeischreiben zu möchten...

Dass unser Hl. Vater alt geworden ist, dass seine Gesundheit schwer angeschlagen ist, all das ist unbestritten, weil offensichtlich.
Viele haben Mitleid mit ihm, wenn sie Fernsehbilder von ihm sehen, der Kopf gebeugt, die Hand zitternd, sich auf einen fahrbaren Wagen stützend, weil die Arthrose ihm das Gehen nicht mehr möglich macht.
"Kann der nicht auf sein Amt verzichten? Das tut weh, mit anzusehen, wie er sich quält. Das geht doch über alle menschlichen Kräfte."

Ja, es stimmt. Unser Heiliger Vater hat wirklich die Grenzen seiner körperlichen Kraft erreicht. Sein Geist und sein Wille aber sind wach. Er brennt vor Glauben.

Und so ist gerade der jetzige Papst ein Zeugnis dafür, was das Amt des Nachfolgers Petri ausmacht.

Zum Petrus, zum Fels der Kirche hat sich der Herr den Simon erwählt. Einen, der leicht an seine Grenzen stößt, einen Fischer, keinen Gelehrten, einen der mutig sein kann, aber auch feige. Immerhin hat er Jesus verleugnet.

Ausgerechnet diesem Petrus übergibt er die Schlüssel zum Himmelreich.
Ist das nicht eine totale Überforderung. Wäre nicht vielleicht der jüngere Johannes der Bessere gewesen für dieses Amt? Oder hätte man das nicht auf zwei, drei Leute verteilen sollen?

Diese Fragen sind müßig. Der Herr hat entschieden. Einer soll der Fels der Kirche sein. Petrus und seine jeweiligen Nachfolger, die Päpste.

Ein einziger Mann soll für die ganze Kirche, weltweit Oberhaupt sein,
die Schwestern und Brüder in Ost und West, Nord und Süd im Glauben stärken,
die Interessen und die Sendung der Kirche gegenüber der ganzen Welt vertreten.

Ist damit ein einziger nicht überfordert?
Ja, er ist damit überfordert. Das ist nicht menschenmöglich. Das kann man nur mit Christi Hilfe schaffen.

Und darum geht es: Im Amt des Nachfolger Petri wird deutlich, dass es Christus ist, der diese Kirche trägt und lenkt.
In der totalen Überforderung des einen Menschen sehen wir die Kraft Gottes am Werk.

Nicht das Menschenmögliche zählt, sondern das Gottgewollte.

Wenn es nicht Gott wäre, der ein Interesse am Papsttum und an der Kirche hätte, dann wäre beides schon längst verschwunden angesichts der zahlreichen Sünden und Sünder in der Kirche und auf der Kathedra Petri. Während das 1000jährige Reich Hitlers nach 12 Jahren zerstört war, gibt es die Kirche nach fast 2000 Jahren immer noch.

Aber warum könnte Gott ein solches Interesse am Papst und an der Kirche haben?
Eines hat die Kirche immer getan: das Evangelium verkündet und die Sakramente gespendet, also die Botschaft und die Nähe Christi weitergegeben.
Und darum geht es. Das ist der Dienst der Kirche an ihren Gläubigen und an der Welt: Christus verkünden, die Sakramente spenden. Selbst ein so moralisch heruntergekommener Papst wie Alexander VI. hat immerhin das Angelusläuten weltweit eingeführt.

Liebe Schwestern und Brüder!
Der Papst soll Zeugnis ablegen von Christus und seiner Lehre. Es geht nicht darum, dass er sich und seine Qualitäten in den Vordergrund rückt.
Er ist kein politischer Führer, vom Volk gewählt.
Er ist kein Manager auf Zeit für einen Global Player, Weltkonzern Kirche.
Er ist erst recht kein "Mächtiger" im üblichen Sinn. Er dient der Kirche mit seinem ganzen Leben. Das Tagespensum und die Strapazen dieses Dienstes würde vermutlich kein Top-Manager der Welt auf sich nehmen wollen.

Der Papst ist von Gott berufen, das Evangelium zu verkünden und Christus in dieser Welt darzustellen.
Wir dürfen Gott sehr dankbar sein, dass er uns in diesen Jahren einen solchen Papst geschenkt hat, der gerade in seiner körperlichen Gebrechlichkeit ein überzeugender Prediger des Wortes Gottes ist.

Gerade an ihm sehen wir, dass es bei der Kirche auf Gott und nicht so sehr auf die Leistung des Menschen ankommt.
Und die heutige Seligsprechung von Mutter Teresa macht deutlich, dass in den Augen der Kirche jeder Mensch eine unveräußerliche Würde hat, gerade die Kleinen, die Geschundenen, die Ausgestoßenen, die Kranken und die Sterbenden.

Denn der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen Daran muss sich die Kirche messen lassen, vom Papst bis zum Neugetauften, auch wir.

519. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Was tut die Kirche eigentlich?

Was tut eigentlich die Kirche gegen all die Ungerechtigkeit in der Welt? Was tun die Bischöfe, der Papst, die Priester eigentlich zu den Problemen in Somalia, in Ruanda, in Burundi, in China, in Haiti, in Albanien oder sonstwo auf der Welt?
Was tut eigentlich die Kirche gegen die zunehmende Umweltzerstörung? Was tut der Papst, die Bischöfe, die Priester eigentlich für mehr ökologisches Bewusstsein, für die Erhaltung der Natur?
Was tut eigentlich die Kirche, was tun die Bischöfe eigentlich für mehr soziale Gerechtigkeit, gegen Ausländerhaß, gegen den Terror von rechts und von links?
Was tut eigentlich die Kirche, was tun die Priester und die Bischöfe für die Belange der Arbeitnehmer, für die Alleinerziehenden, für die Gleichberechtigung von Mann und Frau?

Den Katalog der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Probleme könnten sie wahrscheinlich beliebig ergänzen. Und auf die Frage «Was tut die Kirche eigentlich?», «Was tun die Bischöfe eigentlich - und der Papst und die Priester?» fällt einigen von ihnen sicher auch etwas ein. Aber die Frage bleibt: Was tut die Kirche eigentlich? Tut sie genug? Und viele Christen wenden sich enttäuscht von den Kirchen ab, weil diese ihrer Meinung nach nicht genug tun. Sie werfen - angesichts mangelnden christlichen Engagement - der Amtskirche Untätigkeit und Bequemlichkeit vor.

Letztens las ich einem Bericht auf der Kulturseite einer Zeitung, in dem der Mangel an echter christlicher Literatur beklagt wurde. Aber - interessanterweise - forderte der Autor nicht, dass nun der Papst oder die Bischöfe verstärkt christliche Romane schreiben sollte. Er ging davon aus, dass das die Aufgabe der ganzen christlichen Kirche sei: Alle Christen seien dafür zuständig.
Und tatsächlich wäre es auch ziemlich albern, es der Amtskirche zu überlassen, christliche Literatur zu schreiben.

Genauso albern ist allerdings auch, wenn Christen angesichts der vielfältigen drängenden Probleme der Welt es der Amtskirche überlassen, für eine bessere Welt zu arbeiten.

«Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen.» Sie sind Christ geworden, nicht, um ihre christlichen der Pflichten und die Ausübung der Nächstenliebe der Amtskirche zu überlassen. Kirche sind wir alle, sind wir auch, wenn wir uns bei Gruppierungen engagieren, die nicht der Kirche angehören: Ob bei Parteien, bei Menschenrechtsbewegungen, Selbsthilfegruppen oder sonstigen Initiativen - z.B. auch bei amnesty international.

Wer auf die Kirche wartet, auf die Amtskirche, der vergisst, dass er selbst diese Kirche ist.

Also: Was tut die Kirche eigentlich? Was tun sie eigentlich?

520. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir Menschen denken in den Kategorien von Gewinn und Ertrag. Es gehört zu unserem menschlichen Wesen, so scheint es, dass wir fragen, was unser Tun uns bringt.

Das gilt auch für unseren Glauben. Viele, die aus der Kirche austreten oder zumindest der Gottesdienstgemeinschaft den Rücken kehren, begründen diese Haltung mit den Worten: «Das bringt mir nichts mehr.» - «Da fühle ich mich nicht mehr wohl» - «Da habe ich nichts von».
Umgekehrt begründen die, die den Gottesdienst und dem Glauben treu bleiben, ihr Verhalten ähnlich: Ihnen hat der Glaube viel gegeben, er hilft ihnen im Leben, der Gottesdienst in der Gemeinschaft mit Gott und den anderen Christen tut ihnen gut.

Wahrscheinlich können wir uns nie so ganz sicher sein, dass das, was wir tun, wirklich selbstlos ist. Manchmal geht es uns um die Anerkennung durch andere, oder darum, unser eigenes Gewissen zu beruhigen. Manchmal spielt auch die Hoffnung eine Rolle, zumindest einen himmlischen Lohn für unseren Einsatz für andere zu erhalten.

Wie fließend und undurchsichtig die Grenzen sein können, zeigt sich z.B. in der Bewertung von Lady Diana. Hat sie ihren Einsatz für die Not der Menschen lediglich als Hobby angesehen? War das eine Beschäftigung, um der königlichen Langeweile zu begegnen? Ging es ihr um eine Aufwertung ihres Images - oder das der königlichen Familie? War es ihr wirklich ein Bedürfnis, den Ärmsten zu helfen? Ist die Erfüllung, die sie dabei gefunden hat, ein egoistisches Motiv?
Wahrscheinlich hätte sie diese Fragen selbst gar nicht beantworten können. Genauso wenig, wie wir von unserem Tun sicher sein können, dass es wirklich selbstlos ist. Irgendwo haben wir immer auch etwas davon, wenn wir Gutes tun.
Wenn wir uns solche Gedanken machen über die Gründe, warum wir uns bemühen, gut zu sein, so kann man sehr leicht zum Pessimisten werden. Sind wir nicht doch durch und durch Egoisten? Geht es letztlich nicht bei allem, was wir Menschen tun, darum, uns selbst ein gutes Gefühl zu verschaffen? Sogar bei dem, was wir Liebe nennen?

Es lassen sich keine Beweise anführen, ob wir Menschen wirklich in der Lage sind, vollkommen selbstlos zu handeln. Es hat letztlich mit unserem Glauben zu tun: Gott ist kein Pessimist. Er ist davon überzeugt, dass wir wirklich lieben können. Er hat die Hoffnung nie aufgegeben, dass der Mensch in der Lage ist, sich selbst zu vergessen oder nicht zu wichtig zu nehmen.
Jesus hat uns den Auftrag gegeben, anders zu handeln als die Mächtigen der Welt, weil er es uns zutraut. Weil er weiß, dass wir es können.

Wenn wir das glauben, dann ist es im Grunde egal, warum wir etwas tun. Dann stört es nicht, dass wir bei den Spenden, die wir geben, Steuervorteile erhalten; dass wir bei den Hilfsaktionen, die wir organisieren, in der Achtung anderer steigen; dann kommt es nicht darauf an, ob wir uns selbst wohl fühlen. Alles das ist ja erlaubt und auch gut so, aber eben nicht mehr so wichtig.

Jesus hat Johannes und Jakobus den Platz im Himmel nicht verweigert. Aber eines hat er ganz deutlich angesprochen: Dass die Apostel über einander murrten. Der Neid und das sich gegenseitig vergleichen. Mehr Lohn haben wollen als der andere, der ja auch weniger gutes tut.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir uns schon selten wirklich sicher sein können über unsere eigenen Motive, dann sollten wir vor allem genauso zurückhaltend und wohlwollend sein, wenn wir über die Motive anderer nachdenken. Das gilt für Lady Diana - und das gilt für unseren Banknachbarn. Amen.

521. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn "Mission" bedeutet, die ganze Welt von Armut und Elend zu befreien, dann hat sich die Kirche zwar eine ganze Menge vorgenommen und vermutlich bis ans Ende der Zeiten zu tun. Allerdings dürfen wir Christen damit auch bei den anderen Religionen mit Anerkennung und vielleicht sogar mit Mithilfe rechnen.
Wenn Weltmission aber bedeutet, die ganze Welt christlich zu machen, alle Menschen dieser Welt zu Christus zu führen, dann steckt dahinter eine ganze Menge Konfliktpotential. Andere Religionen werden damit gar nicht einverstanden sein.

Deshalb gibt es viele Stimmen in und außerhalb der Kirche, die vom alten missionarischen Gedanken abraten. Helfen wir den Menschen, so heißt es, zu einem besseren Leben in Frieden und Wohlstand, in Gesundheit und Sicherheit. Damit ist ihnen mehr geholfen, als wenn wir sie ihrer ursprünglichen Religion entfremden und aus ihnen Christen machen.

Deshalb wundert es auch nicht, dass die Erklärung der Glaubenskongregation "Dominus Jesus" auf so schroffe Ablehnung gestoßen ist. Da wird doch allen ernstes behauptet, dass Gott seinen Sohn gesandt hat, um alle Menschen zum Heil zu führen. Da werden doch unverschämter Weise die Worte der Bibel ernstgenommen, die da heißen: "Er, Jesus, ist der Eckstein, und in keinem anderen ist Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name gegeben, durch den wir gerettet werden sollen" (Apg 4, 12).
Diese Erklärung verstößt gegen die "political correctness", gegen den guten Ton. So etwas sagt man nicht, andere könnten es uns Übel nehmen. Und außerdem, das wäre arrogant und vermessen, überheblich und selbstherrlich. So, als wenn wir die Wahrheit gepachtet hätten.

Liebe Schwestern und Brüder, es mag uns vielleicht nicht so passen, aber dieser Anspruch stammt von Jesus selbst. "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als durch mich!" (Joh 14, 6) Aber keiner würde deshalb auf die Idee kommen, Jesus als arrogant, überheblich und selbstherrlich zu bezeichnen. Wir haben als Menschen nicht die Wahrheit gepachtet. Das stimmt. Aber Jesus darf das von sich behaupten: "Ich bin die Wahrheit."
Als Christen wirkt es bescheiden, von der Gleichheit der Religionen zu sprechen. Aber genau besehen, ist das keine Bescheidenheit, den wir machen ja nicht uns damit kleiner, sondern Gott. Verleugnen wir denn nicht Jesus, wenn wir sagen, alle hätten gleichermaßen recht oder Unrecht und es ist egal, was man glaubt?

Wenn Jesus recht hat, dann macht das allerdings Mission notwendig. Denn davon müssen wir doch weiter erzählen, oder? Wenn es tatsächlich Gottes Wille ist, dass wir durch Jesus Christus zum Vater gelangen, dann sind alle anderen Wege doch zumindest Umwege, wenn nicht sogar Irrwege.

Liebe Schwestern und Brüder, das sind keine leichten Gedanken. Alles das ist wirklich nicht sehr populär. Und wer sich als Christ dazu bekennt, darf mit heftiger Kritik rechnen. Aber Jesus hat nie gesagt, dass es leicht sein wird, Christ zu sein. Er selbst ist wegen seines Absolutheitsanspruches hingerichtet worden; und er hat auch gesagt, dass wir als Knechte es nicht leichter haben werden als der Meister.

Aber er erinnert uns auch daran, dass wir eben nicht Christen geworden sind, um es leicht zu haben. Wir sind nicht Herren unseres Glaubens, wir können nicht das herausstreichen, was uns oder anderen nicht passt. Wir haben einen Auftrag, eine Mission, die da heißt: "Macht alle Menschen zu meinen Jüngern!"

Also doch: Mission heißt, allen Menschen das Evangelium zu bringen. Die frohe Botschaft. Keinen zu zwingen, aber allen von der Einmaligkeit unseres Glaubens zu erzählen. Unseren Dienst nicht nur an den leiblich Ärmsten, sondern auch an den Seelen der Menschen zu vollziehen, die sich nach etwas sehnen, an das sie sich halten können, das alle Zeit und Moden überdauert. Und deshalb beginnt Mission nicht erst hinterm Äquator. Mission beginnt, sobald sie die Kirche verlassen. Dort beginnt das Missionsgebiet: Weil dort die Menschen einen Halt brauchen.

Amen.

522. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

"Dein Glaube hat Dir geholfen!" - Diesen (oder einen ähnlichen) Satz hören wir oft im Zusammenhang mit einer Wunderheilung. Das klingt sehr verdächtig nach dem typischen Placebo-Effekt: Nicht das Medikament wirkt, sondern der Glaube an die Wirksamkeit des Medikamentes! So lassen sich tatsächlich beachtliche Heilungserfolge mit absolut unwirksamen Medikamenten erzielen - wenn der Kranke nur glaubt (zumindest in engen medizinischen Grenzen). Und so gibt es tatsächlich Deuter der Schrift, die meinen dass nicht Jesus den blinden Bartimäus geheilt habe, sondern ein - wie auch immer gearteter "Glaube" des Bartimäus. "Wie auch immer?" Ja, letztlich ist es belanglos, woran der gute Bartimäus glaubt; wenn der Glaube allein schon Heil-Kräfte weckt, dann mag es auch der Glaube an Außerirdische sein - Hauptsache, es wirkt.

Natürlich widerstrebt uns spontan eine solche Annahme; und selbstverständlich legen wir weiterhin Wert darauf, dass es eine Kraft gegeben haben muss, die von Jesus ausging. Aber das ist ein wenig heuchlerisch; denn in unserem Alltagsdenken, -reden und -verhalten zeigt sich, dass es wirklich schon so weit gekommen ist, dass Jesus eine Art Placebo ist. Wie selbstverständlich reden wir davon, dass "man ja an irgendetwas glauben muss" und dass es ganz schrecklich sei, wenn jemand "an nichts mehr glaubt". Dabei finde ich, dass jemand, der an die Rassenideologie des 3. Reiches glaubt, besser an nichts glaubt. Auch in der Gesprächen mit Mitmenschen, die einer anderen Religion angehören, hören wir uns schnell sagen: "Ja, wenn das nun einmal deren Glaube ist...!" - "Wir glauben halt an Jesus und die an Mohammed - wo ist da der Unterschied?" - "Wie Gott wirklich ist, weiß doch keiner!". Auch im Ökumenischen Dialog sind wir uns rasch einig, dass doch jeder sein Recht auf einen eigenen Glauben hat "Ob nun mit Maria oder ohne - das muss doch jeder selber wissen!"; jeder Glaube aber gleichwertig sei - zumindest wenn er nicht zur Gewalt aufruft. Solange aber alles friedlich abgeht, soll jeder glauben, was er will. Hauptsache, er wird glücklich damit.

Hauptsache, wir werden glücklich damit. Die Güte eines Glaubens wird nach seinem "Glückspotential" bemessen. Nach seinem Effekt: Wenn er mich glücklich macht, dann ist es doch egal, ob er "richtig" ist oder "falsch". Darauf kommt es nicht an. Das, was hilft, wird als "wahr" definiert. - Und, natürlich, gilt das umgekehrte: Wenn der Glaube mit Kopfschmerzen bereitet, mich unglücklich macht, dann ist es kein guter Glaube. Wenn eine Religion von mir verlangt, im Zweifelsfall mein Leben für eine Überzeugung zu lassen, dann übersteigt sie ihre Zuständigkeit. Wenn die Kirche von ganzen Personengruppen (ob nun Homosexuellen, wiederverheiratet Geschiedenen, ehewilligen Priestern oder glücklichen Großgrundbesitzern) verlangt, sie dürfen ihr vermeintliches Glück nicht ausleben, dann hat die Kirche eben versagt. Wahr ist, was hilft. Ein Glaube, der nicht zum Glück dient, dient zu nichts.

Und genau da hakt es. Er sagt von sich eben nicht: "Ob ich der wahre Sohn des wahren Gottes bin, wird sich erweisen, wenn ihr mir folgt und dabei feststellt, dass es unheimlich viel Spaß macht!" - Jesus stellt die Welt wieder in die richtige Rangordnung: "Weil ich die Wahrheit bin, findet Ihr nur bei mir Euer Glück. Weil ich die Wahrheit von Ewigkeit her bin, bin ich der Weg zum ewigen Leben!" Jesus verlangt Unfassbares: Einen Vorschuss-Glauben. Einen Glaubensakt nicht aufgrund von erfolgter Glückserfahrung. Sondern aufgrund von Erkenntnis, vielleicht Intuition, eines Erlebnisses, das mich ergreift. "Weil Du an en einen wahren Sohn geglaubt hast, wurdest Du geheilt!" (Apg 3,16) - So ist der Hauptmann unter dem Kreuz nicht zur Erkenntnis gekommen, dass der Gekreuzigte "wahrhaft Gottes Sohn war", weil das Kreuzigungsgeschehen für ihn so beglückend war - sondern im Gegenteil. (Mt 27,54)

Liebe Schwestern und Brüder; es geht im Glaubensgespräch - in ihrer Familie und Freundeskreis, aber auch im Gespräch mi anderen Religionen und Konfessionen - nicht nur darum, sich an den Überzeugungen anderer zu freuen. Sondern es geht um etwas viel Dramatischeres: Um die Suche nach der Wahrheit; nach dem, was wirklich ist, was für jeden gilt. Ein echtes Glaubensgespräch lädt jeden ein, von dem zu berichten, was er als wahr entdeckt hat. Alles andere ist nur spirituelle Wellness.

Bartimäus hat geglaubt; er war sich sicher, dass in Jesus das Erbarmen Gottes auf die Erde gekommen war. Er hätte sicherlich auch dann noch geglaubt, wenn Jesus ihn nur gesegnet und nicht geheilt hätte. Sein Glaube war kein Mittel zum Zweck - zum Glück und persönlichen Wohlbefinden - sondern ein Ergriffensein von der Wahrheit. Als Zeichen für uns, dass allein die Wahrheit und nicht ein Placeboglaube hilft, hat Jesus dem geistig hellsichtigen Bartimäus auch das leibliche Augenlicht wiedergeschenkt.

Lassen wir uns auch ergreifen von der Wahrheit. Sie ist uns näher als wir manchmal vermuten. Zum Beispiel im Glaubensbekenntnis, das wir gleich gemeinsam beten. Amen.

523. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,
dieses Evangelium haben sie sicherlich schön häufig gehört. Es ist eines der bekanntesten und auch eines der sympathischsten.
Eine lebendige Geschichte, die zeigt wie sehr Christus uns nahe ist.

Eine Episode von der wir lernen auch können.
Bartimäus, der blinde Bettler am Straßenrand, ist heute unser Lehrmeister. Ein Lehrmeister des Betens und des Lebens.

Bartimäus ist blind.
Auch wir kommen in Situationen, wo uns der Durchblick fehlt: Ereignisse können uns sozusagen das Licht nehmen. Wohin? Wie soll das weitergehen? In Krankheit und Leiden, in Brüchen unseres Lebens, in enttäuschter Hoffnung spüren wir oft das Dunkel in und um uns. Wir wissen weder ein noch aus.

Bartimäus ist Bettler.
Er bedarf der Hilfe der anderen, aber gleichzeitig ist er von diesen ausgestoßen, weil damals die irrige Meinung vertreten wurde, dass eine Krankheit die direkte Folge einer Sünde sei.
Es ist nicht leicht, auf andere angewiesen zu sein in einer Gesellschaft, in der der "Macher" den Ton angibt. Noch schwerer ist es, sich von den anderen verlassen zu fühlen, sich einsam zu wissen.

So wie es Bartimäus damals ging, so geht es vielen Menschen heute, hier in Deutschland und anderswo. Sie sitzen zwar vielleicht nicht so augenfällig an der Strasse, aber wer wachen Auges unser Gemeinwesen betrachtet, sieht sie doch: die Einsamen, die Verzweifelten, die Hoffnungslosen, die seelisch Verwundeten, die körperlich Kranken. Und vielleicht finden wir uns selber darin wieder. Vielleicht sind auch wir in einem gewissen Sinne ein "blinder Bettler".

Das Evangelium endet damit, dass Bartimäus wieder sehen kann und in der Nachfolge Jesu eine Sinn, eine Orientierung für sein Leben findet. Wie kommt es zu dieser Wende? Was ist nötig aus dem Dunkel ins Licht zu kommen?

Bartimäus hört.
Er hörte, dass Jesus an ihm vorüber ging. Zum Hören braucht es Stille und auch Zeit. Und oft ist es das, was uns fehlt. Unsere Ohren sind voll mit allem möglichen. Unsere Sinne werden bombardiert mit Reizen. Wir kommen gar nicht dazu, in uns hineinzuhören, über uns und unser Leben nachzudenken, erst recht nicht zum Beten.
Um wie Bartimäus hören zu können, müssen wir versuchen, uns Zeit freizuschaufeln für uns, für unser Gebet. Manchmal zwingen uns die Umstände sogar dazu, hören zu müssen, still zu werden, z. B. dann, wenn ich durch die Krankheit ans Bett gebunden bin. Und oft ist es wahr, dass erst die Not wieder beten lehrt.

Bartimäus ruft.
Jesus, Sohn Davids hab Erbarmen mit mir. Bartimäus ruft nach Jesus. Er ruft, weil er weiß, dass er Hilfe braucht; weil er weiß, dass Jesus ihm helfen kann.
In seinem Ruf steckt sicherlich viel Schmerz, viel Gram, viel Enttäuschung darüber, dass er blind und Bettler ist. Aber wer genau hinhört, spürt auch die Hoffnung in diesem Ruf.
Er schreit nach Jesus. Auch gegen den Widerstand der anderen, die ihn mundtot machen wollen. Er hört nicht auf nach Jesus zu rufen.
Sein Rufen hat einen Adressaten. Er sieht ihn zwar nicht. Er weiß aber, dass er existiert, dieser Jesus. So betet Bartimäus.

Im Gebet können auch wir unserer Not, der inneren wie der äußeren, Ausdruck verleihen. Das, was uns bedrängt, muß heraus, damit es uns nicht auffrisst. Unser Dunkel dürfen wir hinausschreien, ja müssen wir hinausschreien, um ans Licht zu gelangen.
Unser Flehen stößt nicht ins Leere, es trifft auf die Ohren unseres Herrn. Auch wenn wir ihn nicht mehr wahrzunehmen scheinen, auch wenn wir ihn schon lange außen vor gelassen haben in unserm Leben. ER ist da. ER hört. ER ruft uns zu sich. So wie auch den Bartimäus.

Bartimäus wagt den Sprung.
Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu.
Der Blinde wird vom Herrn gerufen und er macht sich auf, IHM zu begegnen. Wie schwierig mag es für einen Blinden sein, aufzuspringen und sich ohne Hilfe auf die Suche nach jemandem zu machen. Aber Bartmäus wagt es. Er vertraut sich Christus an. Und andere ermutigen ihn dazu.
Sein Vertrauen ist wirklich groß. Er wirft seinen Mantel von sich, das also, was er sicher besitzt, um zu erlangen, was er erhofft.

Sich Christus anzuvertrauen ist ein schwerer Schritt. Er ist nicht leicht, aber er ist der einzige Weg vom Dunkel ins Licht. Wie Bartimäus müssen auch wir uns freimachen von dem, was wir zu besitzen meinen: Geld, Kraft, Stärke, Fähigkeiten, sogar von Menschen, die uns zu sehr festhalten wollen, uns nicht freilassen.

Bartimäus eröffnet seine Sehnsucht vor dem Herrn.
Was soll ich dir tun? - Ich möchte wieder sehen können.
Bartimäus kennt seine Sehnsucht. Er speist sich selber nicht ab mit Nebensächlichkeiten. Er will von Jesus kein Almosen, ein paar Münzen. Er will alles. Er will wieder sehen.

Kennen wir unsere tiefste Sehnsucht? In jedem von uns schlummert eine Sehnsucht. Wirklich glauben zu können. Lieben zu können. Geliebt zu werden.

Stell Dir vor, Jesus steht jetzt vor Dir und fragt Dich: Was soll ich dir tun? Es ist eine einmalige Chance. Was würdest Du ihm antworten?

Jesus kommt dem Bartimäus nicht mit einem Lebensrezept, nach dem Motto: Mache dies und dann das und Du wirst wieder sehen. Nein, Jesus wirkt einfach. Dein Glaube hat dir geholfen. Und im gleichen Augenblick konnte er wieder sehen und er folgte Jesus auf seinem Weg.

Bartimaüs hat es geschafft. Er sieht wieder. Das Dunkel ist dem Licht gewichen.
Auf diesem Weg musste er sehr mit sich ringen.
Er musste schmerzlich anerkennen, wie es um ihn steht. Um ihn, den blinden Bettler. Er hat sich seine Situation nicht schön geredet.
Und er musste den Sprung wagen, sich mit all seinem Schmerz und seiner Sehnsucht Christus anzuvertrauen. Ohne Vorbehalt, ohne Hintertürchen.

Liebe Schwestern und Brüder,
so zu beten, so auf Gott zu vertrauen, das fällt nicht leicht. Weder Ihnen noch mir. Aber das Evangelium von heute sagt uns, jedem, jeder persönlich:
Hab nur Mut, steh auf, der Herr ruft dich!

524. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Jesus ist mit seinen Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem, und die Menschenmenge, die ihn dabei begleitet, sieht in diesem Hinaufziehen zum Tempel eine Art Demonstration. Sie unterstützt die Sache Jesu. Die Leute wollen dabei sein, weil Sie die Idee dieses unorthodoxen Predigers gut findet. Die Sache Jesu ist eben nicht die Sache der Pharisäer, und das kommt an.
Jesus aber geht es gar nicht um eine Sache. Er will mit dem Zug nach Jerusalem auch nicht einfach irgendein Programm oder eine Lebensphilosophie demonstrieren. Jesus geht es um den Menschen. Deshalb stört ihn der blinde Bartimäus auch nicht - im Gegensatz zu denen, die ihm befahlen, doch lieber den Mund zu halten. Und deshalb ist die Frage, die Jesus stellt, das Zentrum des Evangeliums: «Was soll ich dir tun?»

Was soll ich dir tun? Was würden wir auf diese Frage antworten? Was ist es, dass wir uns von Jesus, von Gott wünschen? Was steht im Mittelpunkt unseres Lebens, unserer Sehnsucht? Bartimäus hat sich nichts sehnlicher gewünscht, als sehen zu können. Und er glaubte, damit bei Jesus an der richtigen Adresse zu sein. Bei ihm fühlte er sich mit seinem Wunsch aufgehoben. Haben wir einen solchen tiefsten Wunsch? Würden wir uns damit an Jesus wenden, weil wir uns bei ihm aufgehoben wissen?

Wir feiern heute den Welttag der Mission, den Weltmissionssonntag. Der erste Gedanke, der uns bei dem Stichwort «Mission» durchzuckt, ist der Gedanke an unsere Geldbörse - muss ich jetzt schon wieder etwas spenden? Wieviel wohl?
Bei dem Wort «Weltmission» vergessen wir nämlich leicht, dass nicht nur wir die Gebenden sind. Gerade die Menschen in den sogenannten Entwicklungsländer sind nämlich in mancher Beziehung reicher als wir.

Ein Bischof hat einmal geschrieben: «Es fällt mir immer wieder auf, dass man in den Armenvierteln zum Beispiel in Südamerika viel mehr lachende, fröhliche Menschen findet als bei uns. Offensichtlich haben sie bei aller Not noch die Wahrnehmung des Guten, an der sie sich auch festhalten, sich aufrichten und Kraft gewinnen können. Insofern brauchen wir wieder jenes Urvertrauen, das letztlich nur der Glaube geben kann. Dass im Grunde die Welt gut ist, dass Gott da ist und gut ist. Dass es gut ist, zu leben und ein Mensch zu sein.»

Könnten wir vielleicht von diesen Menschen wieder lernen, was es heißt, Gott zu vertrauen? Das Leben zu lieben, weil Gott uns liebt?

Natürlich braucht die Mission auch unsere finanzielle Unterstützung. Aber auch wir brauchen die Mission, damit wir wieder lernen, in Gott und im Glauben unsere Freude zu finden. Vielleicht haben wir gerade im Hinblick auf die Mission verlernt, zu bitten - so wie der Bartimäus Gott um Hilfe anzuflehen.
Die glaubenden Menschen in den Krisengebieten dieser Welt wissen sehr gut, was sie auf die Frage Jesu «Was soll ich dir tun?» antworten sollen. Und sie haben das Vertrauen, dass Gott sie nicht alleine lässt mit ihrem Wunsch.

Sind wir wunschlos glücklich, weil es uns gut geht und kommen - zumindest praktisch gesehen - ohne Gott aus?

Oder wissen wir, was Gott uns tun soll? Haben wir das Vertrauen, dass er uns nicht allein lässt? Denn ihm geht es nicht um eine Sache, Ihm geht es um mich. Ganz persönlich. Was willst du, dass ich dir tun soll?

Amen.

525. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Geschichte des blinden Bartimäus ist vielen von uns schon seit Kindertagen bekannt. Ich will Ihnen zu dieser Geschichte auch nicht viel Neues erzählen, sondern sie lediglich dazu einladen, Ihrer äußeren Augen zu schließen und ihre inneren Augen zu öffnen, für das, was dort geschehen ist, und was auch mit ihnen geschehen kann.

Bartimäus hat von Jesus gehört, wie wohl jeder Einwohner von Jericho damals. Und nun spürt er, wie Jesus vorbeigeht. Man sagt ihm, dass es dieser berühmte Prophet sei. Und Bartimäus beginnt, ins Dunkel seiner Welt hinein, laut zu rufen.

Es gibt Ereignisse in unserem Leben, die uns sozusagen alles Licht nehmen. Plötzlich sitzen wir im Dunkeln. Wie oft kommt es vor, dass uns nicht nur Gott, sondern auch diese Welt so ganz entzogen ist - alles ist weit weg. Dann ist es wichtig, jemanden in seiner Nähe zu spüren. Dann tut es gut, wenn mir jemand sagt: Ich bin da. Dafür müssen wir Ohren haben. Dafür brauchen wir aber auch eine Stimme, die noch rufen und klagen kann.
Wer das beten verlernt hat - das bewusste, flehende Gebet des Herzens - verliert auch seine Stimme. Bei Gott und bei den Menschen. Vielleicht können manche Ereignisse, die uns die Orientierung im Leben nehmen, unsere Stimme wieder finden lassen. Not lehrt beten, sagt man, Dunkelheit und Orientierungslosigkeit sollte uns wieder das Bitten und Rufen lehren.

Als Bartimäus ruft und ruft, wurden viele ärgerlich und befahlen ihm zu schweigen. Das ist vielleicht der größte Widerstand, den Bartimäus überwinden muss. Er ist doch auf diese Menschen angewiesen, es muss ihn viel Überwindung gekostet haben, sie jetzt zu verärgern. Aber wichtiger als die Abhängigkeit von den Menschen ist ihm die Zuwendung Gottes. Dass Gott mit ihm Erbarmen habe ist ihm wichtiger als die Anerkennung seiner Mitmenschen.

Und dann sagt Jesus: Ruft ihn her. Bartimäus springt auf und läuft auf Jesus zu. Blind, ohne zu wissen, wie er von ihm empfangen wird, geht er einfach los.

Zur Zeit finden in Sydney die Paralympics, die Olympischen Spiele der Behinderten statt. In der Zeitung habe ich ein Bild von einem blinden Leichtathleten gesehen, der am Weitsprung teilgenommen hat. Blind loszurennen und sogar noch zu springen, ins Dunkel hinein - und sich dann fallen zu lassen - das erfordert ein Vertrauen, das weit größer ist, als wir sehende Menschen leisten können.
Aber manchmal sind wir auch dazu genötigt. Gott zeigt sich uns höchst selten, er erwartet von uns dieses außergewöhnliche Vertrauen. Nicht deshalb, weil er uns auf die Probe stellen möchte, sondern weil er uns zeigen möchte, dass er uns hält. Dass er da ist. Immer.

Und dann fragt Jesus den blinden Bartimäus: «Was soll ich Dir tun?» - Das Vertrauen hat sich gelohnt; Jesus will helfen. Aber er fragt, was wir denn möchten. Worum es uns denn geht. Was ist es, dass wir uns von Jesus, von Gott wünschen? Was steht im Mittelpunkt unseres Lebens, unserer Sehnsucht? Bartimäus hat sich nichts sehnlicher gewünscht, als sehen zu können. Und er glaubte, damit bei Jesus an der richtigen Adresse zu sein. Bei ihm fühlte er sich mit seinem Wunsch aufgehoben. Haben wir einen solchen tiefsten Wunsch? Würden wir uns damit an Jesus wenden, weil wir uns bei ihm aufgehoben wissen?

«Rabbuni, ich möchte wieder sehen können.» sagt Bartimäus. «Rabbuni, ich möchte glauben können» würden wir vielleicht sagen. Oder: «Rabbuni, ich möchte lieben können, uneigensüchtig, selbstlos.» Die Antwort Jesu ist kein Lebensrezept: «Tue dies, oder tue das, und Du wirst schon sehen, wie sich Dein Leben ändert.» Sondern Jesus sagt nur: «Dein Glaube hat Dir geholfen.» Jesus hilft, indem ER wirkt. Er gibt die Verantwortung nicht ab - oder zurück an Bartimäus.

Und Bartimäus konnte wieder sehen, weil er sich nichts sehnlicher gewünscht hatte. Wenn wir uns wirklich wünschen, zu glauben, zu lieben, zu schenken oder zu beten, so reicht diese kleine Bitte vollkommen aus, dass es geschieht. Und in diesem Augenblick sind wir, wie Bartimäus, schon in der Nachfolge Jesu. Amen.

526. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Wenn Sie zwei oder mehr Kinder - oder mehrere Enkel haben, dann haben sie sicherlich schon einmal erlebt, dass ihr Herz geteilt war. Einerseits dem einen Kind gerecht werden - andererseits das andere nicht vernachlässigen. Wenn Mann zwei Frauen liebt, oder eine Frau neben ihrem Ehemann noch einen zweiten, dann führt dieses gespaltene Herz meist zum Tod mindestens einer Liebe.

Wenn ich einer Sache mein ganzes Herzblut schenke, dann bin ich bei einer anderen Sache höchstens halbherzig dabei. Sie erinnern sich vielleicht an das Bibelwort: Ich kann nicht zwei Herren dienen: Gott und dem Mammon. Wem gehört mein Herz? Woran hängt mein Herz?

"Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben - mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Diese Worte, auf die ich Dich heute verpflichte, sollen auf Deinem Herzen geschrieben stehen."

Bei allem Anspruch, der darin steckt, und der uns vielleicht unheimlich schwer vorkommt, empfinde ich diese Worte als wunderschön!


Gott will uns ganz. Er hat uns mit allem erschaffen: mit Herz und Verstand. Er will nicht nur etwas Gefühlsduselei à la Esoterik mit Räucherstäbchen. Er will auch nicht nur rein theoretisch analytisch erschlossen werden. Sondern beides: Herz und Verstand hat er uns gegeben.

Aufs Herz hören, in mich hineinhorchen - auf die innere Stimme hören. Man bezeichnet solche Menschen auch als Bauchmenschen. Auf der anderen Seite die Kopfmenschen, die mehr nach Logik und Verstand entscheiden. Beides hat Gott uns gegeben. Das eine ist dem anderen nicht vorzuziehen. Durch beides will er wirken - und zwar voll und ganz mit Verstand und Herz lieben.

Und dazu hat er uns auch noch die Seele und Willenskraft gegeben. Er hat uns so vielfältig erschaffen, es gehört alles zu meinem Menschsein dazu. Und entsprechend beansprucht uns Gott auch in dieser komplexen Form.

Er schreibt uns diese Worte nicht mit erhobenem Zeigefinger hinter die Ohren, sondern auf Dein Herz.

Gott hat dich erschaffen, mit Herz und Verstand, mit Seele und Willenskraft, er liebt dich - und er bittet um Deine ganze Liebe. Amen.

527. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

die drei großen christlichen Tugenden "Glaube - Hoffnung - Liebe" (theologisch auch die "göttlichen Tugenden" genannt), sind so eng miteinander verbunden, dass sie im Grunde das Gleiche beschreiben, nur mit drei verschiedenen Aspekten. Wer liebt, glaubt, dass der, den er liebt, liebenswürdig und liebenswert ist; er hofft, dass das, was er tut, aus Liebe geschieht und diese Liebe rein und ehrlich ist; er glaubt, dass auch er geliebt wird und hofft, dieser Liebe gerecht zu werden.

Wenn Jesus also als das erste aller Gebote "die Liebe zu Gott" - ganz in der jüdischen Tradition - nennt, so ist das nichts anderes als der Aufruf "Glaubt an Gott, mit jeder Faser Eures Seins!". Gerade im jüdischen Denken ist Lieben und Erkennen fast schon das Gleiche. Wer eine andere Person liebt, der will sie kennen; immer mehr und immer tiefer. Papst Benedikt hat einmal Theologie umschrieben als "der Versuch, den Geliebten immer besser kennen zu lernen".

Deshalb können wir Gott auch mit ganzem Herzen und ganzem Verstand lieben - der Verstand bleibt keineswegs außen vor. Unser moderner Liebesbegriff (wie Richard David Precht ihn zum Beispiel vertritt) verkürzt die Liebe nur noch auf ein Gefühl - einen Affekt. Aber Liebe heißt eben auch Nachdenken, Verstehen und Begreifen.

Allerdings - in der umfassenden Weise, wie Jesus diesen Anspruch formuliert, können wir uns schon ein wenig überfordert fühlen. "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft." So sehr? Ja, 100 %! Aber - da bleibt dann doch kaum noch Platz für etwas anderes in unserem Leben? Und, als wenn das noch nicht genug wäre, belässt es Jesus allerdings nicht mit diesem einen Gebot, sondern fügt noch ein zweites hinzu: "Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."
Sie und ich hätten vermutlich (als Schriftgelehrte) die Segel gestrichen und gesagt: "Das auch noch? Mehr als 100% geht doch nicht!"

Aber dann hätten wir nicht begriffen, wie Gott ist. Er steht doch gar nicht in Konkurrenz zu den anderen Menschen! Es soll ja nicht so sein, dass wir zunächst eine gewisse Zeit und Energie für die Liebe zu Gott aufwenden, und dann - anschließend - noch mehr Zeit und weitere Kraft für die Liebe zum Nächsten. Nein, die Art und Weise, Gott zu lieben, besteht darin, den Nächsten ins Herz zu schließen. Und die Liebe zum Nächsten ist nur dann wirkliche Liebe, wenn sie auch aus Zuneigung zu Gott geschieht - dort ihren Ausgangspunkt nimmt und auch wieder zu Gott führt. Wir sollen Gott und den Nächsten lieben, indem wir en Nächsten und Gott lieben.

Und - wiederum - mit ganzer Kraft, mit ganzem Herzen, und: mit ganzem Verstand. Ja, mit ganzem Verstand!

Ein ganz entscheidende Ort, die Menschen und Gott zu lieben, ist - die Kirche. Dort laufen die entscheidenden Fäden zusammen: Wir feiern Gottesdienst und stärken uns gegenseitig. Wir dienen einander helfen uns gegenseitig in den Himmel. Wir lernen uns gegenseitig verstehen, indem wir Gott studieren. Indem wir von Gott erfahren, öffnen wir uns füreinander.

Liebe Schwestern und Brüder, das klingt ein wenig idealistisch. "So ist unsere Kirche heutzutage aber nicht mehr!" Ja, in dem jetzigen Zustand, in dem viele unsere Gemeinden sich befinden, kann man nicht mehr wirklich im vollen Sinne von Kirche sprechen. Gottesliebe und Nächstenliebe sind auseinander gefallen; und nachdem die Liebe zu Gott verdunstet, stirbt auch die Nächstenliebe. Noch sind Spuren vorhanden, aber sie werden immer undeutlicher.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir unseren Glauben erneuern wollen, dann geht das nur in und mit der Kirche. Dann geht das nur, wenn wir uns neu "mit ganzem Herzen, mit ganzem Verstand, mit ganzer Seele, mit all unseren Gedanken und all unserer Kraft" wieder in den Raum der Kirche begeben: Im Empfang der Sakramente, im Hören auf das Wort, im Leben der Gebote und der Liebe, im Beten miteinander.

Das ist kein theoretisches Gedankengebäude. Das ist eine Frage der ganz konkreten Alltagsentscheidungen: Wo sind denn unsere Kinder, unser Kommunionkinder, deren Eltern, unsere Jugendlichen, unsere Nachbarn und Verwandte? Haben wir wirklich noch einen gemeinsamen Glauben? Eine gemeinsame Hoffnung? Die eine Liebe?

Und vor allem die entscheidende Frage: Lieben wir sie wirklich?

Wenn ja, dann dürfte es uns ein inneres Herzensanliegen sein, sie mitzunehmen auf den Weg des Glaubens, den wir selber gehen. In der Kirche, mit der Kirche wachsen in der Liebe zu Gott. Amen.

528. Predigtvorschlag

(Anlässlich einer bevorstehenden Firmung)

Man gönnt sich ja sonst nichts.

Wer den Nächsten lieben will, wie sich selbst, darf sich selbst nicht vernachlässigen. Der muss auch etwas für sich selbst tun, sich selbst auch mal etwas gönnen. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Dass klingt selbstverständlicher, als es in Wirklichkeit ist. Wann gönnen wir uns schon einmal etwas? Ich meine nicht die neue CD, das neue Sweat-Shirt oder die neuen Turnschuhe von LA oder was man sich sonst so kauft. Wer sich wirklich einmal etwas gönnen will, braucht dafür kein Geld auszugeben.

Wann haben wir zuletzt mal etwas für unser Herz getan? Etwas für unsere Seele? Unser Herz braucht Pflege, und zwar nicht zu knapp. Wann gönnen wir uns schon einmal ein gutes Gespräch? Wann besuchen wir schon einmal jemanden - von ganzem Herzen? Wann schreiben wir überhaupt einmal einen Brief - oder lachen einmal - ganz herzlich, herzerfrischend?

Man gönnt sich ja kaum etwas. Wir sind mit den Gedanken immer nur bei anderen. Und selbst, wenn wir an uns selber denken, sind die anderen immer schon mit dabei: Wie wirkt das auf andere? Was denken die, wenn die mich so sehen? Was machen die wohl für Augen, wenn ich ihnen das erzähle? Was werden wohl meine Freunde sagen?

Wer anderen zugeneigt sein will, muss bei sich selbst anfangen. Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten, etwas für sich selbst, für sein Herz, für seine Seele zu tun. Wir wär's einmal mit - Beten?

Ja, der ist Kaplan, und wir sind hier in der Kirche, kein Wunder, das der mit sowas ankommt.

Nein, ich meine das ehrlich: Probiert's doch einmal mit Beten. Mit einem ganz persönlichen Gespräch. Ganz für euch, ihr alleine, ohne Messe, ohne Gottesdienst, ohne Priester. Betet einmal nur für Euch, erzählt von euren Sorgen, von euren Freuden, von den alltäglichen Kleinigkeiten. Gönnt euch doch mal das Gebet. Es gibt jemand, der darauf wartet.

Noch ein Vorschlag, was ihr euch einmal gönnen könntet: Wie wär's einmal mit - Firmung? So eine Firmung tut der Seele echt gut. Die Firmvorbereitung mag ja mal mehr, mal weniger gut sein. Aber so eine Firmung - das baut auf. Denn da wirkt Gott an Euch - wenn ihr nichts dagegen habt.

Okay - ihr wacht am Tag nach der Firmung genauso auf wie am Tag vorher, und die Gerüchte, dass derjenige, der gefirmt ist, beim Duschen nicht mehr nass wird, sind auch gelogen.
Aber eurem Herzen geht's dann besser, ihr habt etwas für eure Seele, für euch selbst getan. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Und nur wer auch an sich selbst denkt, kann an andere denken. Nur, wer sich selbst nicht vernachlässigt, kann anderen helfen. Nur, wer sich selbst nicht hasst, kann andere lieben. Und das haben wir ja in Gronau übersetzt: Nur, wer sich selbst im Auge behält, kann anderen sagen: Pass gut auf Dich auf.

Also, wie wär's mit: Firmung - man gönnt sich ja sonst nichts.

529. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Zwei Witwen, die Gott alles geben, was sie haben. Die Witwe im heidnischen Sarepta erkennt den Boten Gottes an seinem Gruß und glaubt ihm, so dass sie ihm das letzte Brot gibt, was sie für ihren Sohn und sich bereiten wollte.

Die arme Witwe im Tempel gibt sogar unaufgefordert alles, was sie hat - nur Gott schaut zu (hier konkret Jesus hinten in der letzten Reihe, will auch mitkriegen, was alles passiert).

Und auch die zweite Lesung passt zu diesen Gedanken: gebt alles was ihr habt, denn auch Gott selbst warf seinen einzigen Sohn in den Opferstock, alles was er besaß.

Und er erhält mehr zurück: er erhält den Einsatz zurück - Christus lebt! Und Christus hat dadurch die Sünden hinweggenommen, nun können alle Menschen wieder leben. So wie die Witwe in Sarepta mehr zurückbekommt, als sie gibt: sie hat nicht nur noch einen Rest, den sie teilen muss, sondern immer genug Mehl und Öl im Krug.

Und Gott gibt unaufgefordert seinen Sohn für uns hin, freiwillig - so wie die Witwe im Tempel. Gerade darin wird das Große offenbar.

Ich könnte jetzt natürlich gut zu einer Sonderkollekte für die Orgelreparatur überleiten: gebt freiwillig nicht nur von dem, was ihr überhabt, sondern alles was ihr habt! Das dürfen sie gerne tun, aber hier geht es um mehr: um ihr ganzes Leben.

Diese Erfahrung machen wir doch auch dauernd. Wenn Sie Kinder haben, wird es glaub ich am deutlichsten: sie schenken denen ihre Liebe, manche sehen darin sogar den ganzen Lebensinhalt - das ist allerdings nicht unproblematisch. Aber die Liebe, die sie dort investieren, hingeben, bekommen sie zurück. Selbst Schreikinder kommen irgendwann dazu, dass sie sie dankbar in den Arm nehmen. So ist das mit all unserer Liebe - egal, wo wir sie investieren.

Der Heilige Martin, dessen Gedenktag wir heute feiern ist da ein gutes Beispiel. Anfänglich gibt er nur etwas, was er über hat: ein Teil seines Umhangs, so dass der Rest immer noch für ihn reicht. Dann sieht er in einer Erscheinung, wie sich Christus bei ihm für den Mantel bedankt. Später lässt er sich taufen und wird zum Bischof gewählt. Spätestens da hatte er Gott sein ganzes Leben geschenkt, nicht nur das, was er übrig hat.

Auch die Lesungen des heutigen Sonntags muss ich letztlich so deuten: Ich soll Gott mein ganzes Leben zur Verfügung stellen. Dann werde ich mehr zurück bekommen! Wenn ich vorher dachte, es ist ja kaum mehr genug für mich zum leben, gebe ich dieses wenige Gott: dann wird er mir mehr wieder geben.

Gebe ich freiwillig mein Leben hin, werde ich wie Christus ein neues Leben wieder erhalten. Amen

530. Predigtvorschlag

Liebe Christen!
Heute wird uns in den Lesungen der Hl. Messe eine Lektion erteilt. Und zwar von zwei Witwen. Von zwei armen Witwen.

Die eine lebte zur Zeit des Alten Testamentes, zur Zeit des Propheten Elija.
In der Zeit damals herrschte Hungersnot. Diese Frau hatte nicht einmal genug zu essen für ihren Sohn und für sich selbst.
Und da kommt Elija und verlangt von ihr eigentlich etwas Unverschämtes: Mache zuerst für mich ein kleines Gebäck und bring es zu mir heraus. Danach kannst Du für dich und deinen Sohn etwas zubereiten.
Und sie tut es, weil Elija ein Prophet ist, der Bote Gottes.

Die andere Witwe lebte zur Zeit Jesu. Sie warf zwei kleine Münzen in den Opferstock des Tempels. Damit gab sie alles, was sie besaß, Gott.

Zwei Witwen, die alles geben.
Zwei Witwen, die aber auch alles dafür erhalten.

Die Witwe aus dem Alten Testament erfährt die große Gnade, dass ihr Mehltopf nicht leer wird und ihr Ölkrug nicht versiegt, dass sie selbst in der größten Not sicheres Leben hat.

Die Witwe aus dem Neuen Testament wird von Jesus gepriesen. Während er vorher die Schriftgelehrten wegen ihrer Halbherzigkeit und Scheinheiligkeit einem harten Urteil unterstellt, darf die Witwe auf einen großen Lohn hoffen.

Zwei Witwen, die alles geben.
Zwei Witwen, die indem sie alles geben, was sie haben, auch alles erlangen, was sie erhoffen.
Das Wenige, was ihr Leben ausmacht, der Bissen Brot und die zwei Kupfermünzen, geben sie Gott.
Und sie werden überreich beschenkt mit Leben.

Schwestern und Brüder,
sicherlich wollen uns diese Episoden aus der Hl. Schrift zu einem großherzigen Umgang im Almosengeben anleiten. Wir sollen nicht nur ein wenig von unserem Überfluss abgeben.

Aber es geht hier um mehr als um Geld und Zinsen.
Es geht um eine Haltung, die uns Christen prägen sollte.
Es geht um die Logik christlichen Lebens. Und die lautet:
Gib alles Gott, und er wird dir alles geben.

"Alles meinem Gott zu Ehren in der Arbeit in der Ruh!
Gottes Lob und Ehr zu mehren, ich verlang und alles tu.
Meinem Gott nur will ich geben Leib und Seel, mein ganzes Leben." So singen wir in dieser Hl. Messe.

"Alles meinem Gott zu Ehren..." das ist wahre Frömmigkeit. Das ist christliches Leben.

Wenn wir Gott nur ein paar Nischen in unserem Leben gewähren, dann geraten wir in die Gefahr halbherzig, scheinheilig zu werden. Letztlich betrügen wir uns dann selbst.
Dann werden wir wie die Schriftgelehrten, vor denen uns Jesus im Evangelium warnt.

Es gibt Menschen, die tun nur so, als ob sie mit Gott lebten. In Wirklichkeit ist diesen das Christentum so eine Art Zuckerguss über das ansonsten spießbürgerliche Leben.
Zuckerguss allein ist aber ungesund. Von Zuckerguss allein können wir nicht leben.

Diese religiösen "Zuckerbäcker" gehen zwar zur Kirche, aber den Glauben geben sie wie einen Mantel an der Garderobe ab, wenn sie durch das Kirchenportal hinaus in die Welt schreiten.

Da spielt Gott dann keine Rolle mehr. Da ist es egal, was ich tue. Da lebe ich so, als ob es Gott und seine Weisungen nicht gäbe. Nach dem Motto:
"Gott lebt nur in der Kirche. Und da soll er auch schön bleiben."

Bei einigen, leider nicht wenigen, ist ihre Zugehörigkeit zur Kirche nur Fassade. Auf der Steuerkarte steht zwar "römisch-katholisch". Aber in ihrem Herzen und in ihrem Kopf haben sie das "römisch-katholisch" längst ausradiert.

Kirche, Gott, Glaube - das ist allerhöchstens noch etwas für bestimmte Anlässe, weil's ja so nett ist z. B. an Weihnachten.

Das ist Fassade, hinter der nichts steckt. Dahinter ist nur gähnende Leere.

Das kann nicht unser Weg sein, liebe Schwestern und Brüder!
Oder möchten Sie hinter einer bröckeligen Fassade Ihr Leben fristen, die jeden Augenblick einzubrechen droht?

"Alles meinem Gott zu Ehren..." Das ist Frömmigkeit. Das ist christliches Leben. Leben aus einem Guss, ohne Halbheiten.

Wir Christen haben unseren Namen von Christus. Diesem Namen sind wir verpflichtet. Dieser Christus war in seinem irdischen Leben ganz da für Gott. Und Gott war ganz für ihn da.

"Alles meinem Gott zu Ehren..." Das ist nicht leicht. Ich weiß.
Doch es lohnt sich.

Schauen wir auf unsere Lehrmeisterinnen, die beiden Witwen.
Ihre Frömmigkeit wird belohnt. Sie hocken nicht hinter einer zerfallenden Fassade.
Sie sind geborgen im Haus Gottes, das der beste Schutz ist gegen die Unbilden der Zeit.

Ich kann mir gut vorstellen, dass die beiden Witwen heute gerne mit uns die Strophe singen würden:
"Alles meinem Gott zu ehren, dessen Macht die Welt regiert, der dem Bösen weiß zu wehren, dass das Gute mächtig wird. Gott allein wird Frieden schenken, seines Volkes treu gedenken. Hilf, o Jesu, guter Hirt."

531. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Das heutige Fest, das die Kirche feiert, stellt unseren Glauben auf eine Probe. Denn wenn wir heute die Weihe der Lateranbasilika in Rom feiern (die Lateranbasilika ist die erste Papstkirche und bis heute der wichtigste Kirchbau der katholischen Kirche), so ist das nur der Anlass. Kern dieses Festes ist vielmehr die Freude darüber, zu dieser Kirche gehören dürfen. Was wir feiern, ist nicht ein Kirchbau, sondern die kirchliche Gemeinschaft.

Und das passt heute nicht mehr so ganz in den modernen Glauben. «Jesus Ja - Kirche Nein» kennzeichnet nun schon seit einer Generation unser Verhältnis zu Gott und Kirche. Gegen Gott haben wir nichts, Glauben wollen wir schon. Aber viele lassen sich von keiner Kirche mehr vorschreiben, wie ihr Glaube auszusehen hat. «Das muss doch jeder selbst entscheiden.»

Dahinter steckt oft nur einfache Bequemlichkeit. Das Glauben und Leben in der Gemeinschaft der Kirche ist oft genug anstrengend und unbequem.

Für viele steckt dahinter auch eine ehrliche Unzufriedenheit mit den Zuständen in unserer Kirche - nicht nur hier vor Ort. sondern auch noch weit darüber hinaus. Es gibt ja wirklich viel zu kritisieren in unserer Kirche, das gebe ich zu. Da sie zwar dem Glauben treu bleiben wollen, aber sich nicht mit der jetzigen Kirche anfreunden können, bleiben.

Dahinter steckt auch ein Missverständnis. Denn Glauben ist ja keine Gewissensentscheidung. Wie sollte auch mein Gewissen darüber entscheiden, ob Gott nun gut ist, ob er die Welt erschaffen hat, ob Jesus Christus Wunder hat vollbringen können oder Maria Jungfrau gewesen ist? Genauso wenig kann mein Gewissen zu der Frage etwas sinnvolles beisteuern, ob Julius Cäsar existiert hat oder nicht. Das sind keine Gewissensfragen.
Glauben kommt vom Hören, vom Hinhören auf das, was uns ein anderer erzählt. Glauben heißt eben nicht, sich selbst etwas zurechtzulegen, sondern anzunehmen, jemandem zu glauben.
Wir können gar nicht ohne die Kirche glauben, weil sie es ist, die uns den Glauben überliefert hat, sie hat die Heilige Schrift zusammengestellt, sie hat uns die Nachricht von Jesus bewahrt und weitergegeben.

Auch Jesus war offensichtlich mit dem Zustand des Tempels nicht zufrieden. Aber er hat sich nicht seinen eigenen Tempel gebaut, oder nach dem Motto: «Gott Ja, Tempel nein» sich nicht mehr darum gekümmert. Sondern er hat den Tempel geräumt, ihn gesäubert, ihn wieder auf das zurückgeführt, was seine eigentliche Bestimmung ist.
Das, was Jesus in dieser Situation bestimmt hat, ist im Wort der Jünger beschrieben: «Der Eifer für Gottes Haus verzehrt ihn.»

Darum geht es: Wenn uns der Glaube lieb und teuer ist, wenn wir wirklich glauben wollen, dann dürfte auch der Einsatz in und für Gottes Kirche keine Zumutung darstellen. Im Gegenteil: Dann liegt uns das Schicksal der Kirche genauso am Herzen wie unser eigener Glaube.

Glauben können wir immer nur in einer Gemeinschaft, die uns trägt und die uns stärkt. Und deshalb ist es wirklich ein Fest wert, dass wir eine solche Gemeinschaft haben, nicht nur hier in Halverde, sondern weltweit. Amen.

532. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

eine Predigt ist keine Vorlesung. In einer Predigt geht es nicht allein um Wissensvermittlung, angesprochen werden soll nicht nur der Verstand. Ein Predigt soll ermahnen, zum Denken anregen, Umkehr und Reue erwecken, Freude vermitteln und schließlich zur Tat ermutigen.

Angesichts aber des erschreckenden Rückgangs des Glaubenswissen auch bei den treuen Katholiken hat der Papst das Jahr des Glaubens ausgerufen; und so möchte ich diesesmal - und in lockerer Folge an weiteren Sonntagen - die Predigt durch eine kleine Glaubensunterweisung ersetzen. Nicht systematisch anhand des Credo, sondern passend zu den Lesungen und Festen.

Zum heutigen Evangelium und zur Zeit, in der wir uns befinden, passt sicherlich die Frage nach den letzten Dingen; also nach dem, was schließlich mit der Welt geschehen wird - und mit uns ganz persönlich, wenn wir diese Welt verlassen.

Nun, zunächst ist wichtig, dass keiner Tag und Stunde der Wiederkunft Christi kennt (so hieß es ja am Schluss des Evangeliums): Keiner kennt den Tag und die Stunde, weder die Engel im Himmel, noch der Sohn, auch nicht die Maya, sondern nur der Vater. Der zuende gehende Maya-Kalender mag für Hollywood interessant sein - uns Christen interessiert er nicht.

Die Zeit davor aber - die Zeit der Not - ist bereits Gegenwart. Die "Endzeit" ist keine noch zu erwartende Zeit. Wenn Jesus sagt "diese Generation wird nicht vergehen, ehe das alles eintrifft", so ist damit nicht eine Generation in unserem Sinne gemeint, sondern die Menschheit, die nach der Zeit des Judentum auf die Wiederkunft Christi wartet. In dieser Zeit, so sagt Jesus, werden die Christen nicht vergehen, die Menschen, die warten und erwarten, werden nicht verschwinden.
Die Zeit der Not, der Kriege, der Erdbeben, Naturkatastrophen und der Zeichen am Himmel ist jetzt - schon seit 2000 Jahren. Wer in die Welt schaut und auch ein wenig zurückblickt, hat keine Schwierigkeiten, diese Aussage bestätigt zu finden.

Ob wir die Wiederkunft Christi hier auf Erden noch miterleben werden, mag fraglich sein. Deshalb ist es für uns sehr viel interessanter, nach dem persönlichen Schicksal zu fragen. Was geschieht mit uns - mit jedem Einzelnen persönlich - im und nach dem Tod?
Es ist verblüffend, wie sehr gerade dieses Wissen geschwunden ist. Wir sind sehr wohl von unseren Vorstellungen eines Lebens nach dem Tod überzeugt - ab ob es auch das ist, was Jesus und Kirche uns lehren, ist dann doch fraglich.

So glauben etwa 30 % der Katholiken (!) in Deutschland an die Wiedergeburt, die Reinkarnation. Verblüffend - weil von diesem Glauben nun in der Bibel überhaupt nicht die Rede ist. Wiedergeboren wird man allerhöchsten durch die Taufe zu einem neuen Leben. Aber mit dem Tod beginnt das Jenseits - und keine Wiederholung des irdischen Lebens in Endlosschleife.
Dass dennoch so viele Menschen an die Wiedergeburt glauben wollen, hat mit zwei Denkfehlern zu tun. Der erste Denkfehler ist verständlich: Man sehnt sich nicht nach dem neuen und unbekannten, sondern nach dem altbekannten und vertrauten. Das Leben hier kennen wir - also lasst uns mal dabei bleiben. Kinder wünschen sich, wenn man sie fragt, den Videofilm, den sie schon 25 mal gesehen haben; und Urlauber fahren seit 35 Jahren in den gleichen Urlaubsort. Schuster, bleib bei deinen Leisten - Christ, bleib bei deinem bekannten Leben.
Der zweite Denkfehler liegt in einer gewissen egozentrischen Wahrnehmung. Natürlich möchte man gerne das, was schön war, wiederholen. Ein wunderbares Leben in Wohlstand und Freude darf gerne, wenn es zuende geht, nochmal von vorne starten. Menschen aber, die in Not, Elend und Schmerzen leben; kaum wissen, wie sie überleben sollen und immer damit kämpfen, in ihrer Not nicht zum Täter zu werden, wünschen sich kaum eine ständige Wiederholung dieser Umstände. Leider ist ein solches Leben aber eher die Regel - nicht das Leben in westlichem Luxus.
Auch der Buddhismus und Hinduismus betrachten die Wiedergeburt keineswegs als Glück. Das Rad der Wiedergeburt ist ein Folterrad, aus diesem ewigen Kreislauf gilt es, erlöst zu werden (oder sich selbst zu erlösen). Genau das ist aber die Botschaft des Christentum. Eben keine ewige Reinkarnations-Folter.

Im Tode trennt sich die Seele vom Leib - nichts anderes ist der Tod. Im Gegensatz zu den griechischen Philosophen ist das ein Unglück: Denn Leib uns Seele bilden eine Einheit, die durch den Tod gewaltsam beendet wird. Die Seele braucht den Leib um zu wirken - eine Seele ohne Leib ist also keine befreite Seele, sondern eine beraubte Seele. Platon und andere Griechen glaubten, der Tod sei der Moment der lang ersehnten Freiheit vom Leid und der Begrenzung durch die Welt.
Vom körperlichen Leid sind wir tatsächlich im Tod befreit; aber das seelische Leid nehmen wir mit. Selig, wer dann ganz und gar "Ja" zu Gott sagen kann und sich von seiner Gegenwart erfüllen lässt. Schade, wer es nur zu einem "Ja, aber..." bringt und noch Zeit braucht, sich des "Abers" zu entledigen. Schrecklich, wer Gott von sich weist. "Ein Leben lang habe ich versucht, Dir aus dem Wege zu gehen; nun sollst Du mir in alle Ewigkeit gestohlen bleiben!"
Himmel, Hölle und Fegefeuer sind also keine Orte, sondern Zustände der Seele. Zustände, die wir uns schon hier auf Erden schaffen und die hier schon real sind. Himmlische Menschen, die Gott und jede Freude in ihr Herz lassen, können wir hier schon werden - mit Gottes Hilfe.

In dieser Zeit können wir zwar vom "Leben nach dem Tod" sprechen, aber sicherlich noch nicht von der "Auferstehung". Die folgt nämlich erst noch.

Manche erschreckt der Gedanke, dass es diese Zwischenzeit gibt; ja, sie fürchten sich überhaupt vor einer Zeit im Jenseits. Sie finden es sehr viel ansprechender, wenn wir direkt in die Ewigkeit Gottes gelangen - eine Zeitlosigkeit, in der alle immer schon da sind und sein werden. Diese "Auferstehung im Tod", die ganz oder jeden Zeitbegriff auskommt, ist auf eine blutleere Weise attraktiv - aber vollkommen unlogisch. Sie findet ihren Ausdruck gelegentlich in "Auferstehungsmessen" anlässlich von Beerdigungen. Dabei gilt, dass allein Gott ewig ist, weil Er unendlich ist. Wir als endliche Wesen können nicht alles gleichzeitig, sondern immer nur ein nach dem anderen - und das ist eben nur in einer Zeit möglich. Außerdem: Warum sollten die Heiligen für uns Fürsprache einlegen, wenn wir doch schon - aus ihrer Sicht - alle im Himmel beisammen sind?

Nein, es gibt schon noch Zeit, und so kommt irgendwann - wann, weiß nur der Vater - der Tag, an dem die Erde, die ganze Welt und auch die Zwischenwelt von leiblosem Himmel, Fegefeuer und Hölle, ein Ende haben. Der Tag der Auferstehung, der jüngste Tag, der Tag des Gerichts. An diesem Tag erhalten wir tatsächlich unseren Leib wieder; wir können uns in die Augen schauen und in die Arme nehmen. Unser Leib wird - wie der Auferstehungsleib Jesu - herrlich, anders und wunderbar sind, und doch wiedererkennbar. Im Glaubensbekenntnis bekennen wir auf Deutsch "die Auferstehung der Toten", gemeint ist aber - so der Urtext - die "Auferstehung des Fleisches". Wer sich gerne auf Altbekanntes freut, muss also nicht zur Wiedergeburt greifen - die Auferstehung erfüllt auch diese Sehnsucht.

Dann werden die, die schon zuvor höllisch waren, ihr Glück in der Gottferne suchen. Das mag unfassbar klingen, aber sie haben frei und selbstbestimmt entschieden, dass sie im Himmel in der Anwesenheit Gotts niemals so glücklich sein können wie ohne Gott. Wir - und Gott - wollen ihnen dieses zweifelhafte Glück nicht nehmen, weil wir sie lieben. Niemand wird in die Hölle geschickt, alle sind dort aus freien Stücken. Der Riegel an der Tür zur Hölle - so sagt man - ist innen.

Alle anderen - auch die, die zuvor noch im Fegefeuer war - werden ihr Gott in der Liebe zu den vielen Menschen finden, in denen sich die Mannigfaltigkeit Gottes widerspiegelt; und in der Liebe zu Gott, in der Seine Liebe zu jedem Einzelnen seiner Kinder widerscheint. Auch die, die im Fegefeuer nur ein ganz kleines "Ja" zu Gott gesprochen haben, und ein riesiges "ABER!" daran geknüpft haben, sind definitiv dabei. Dann wird es endgültig kein Leid mehr geben, alle werden ein Herz und eine Seele sein.

Amen.

533. Predigtvorschlag

Endzeitstimmung!
So, liebe Schwestern und Brüder, könnte man die Atmosphäre beschreiben, die die Lesungen des heutigen Sonntags kreieren.

Endzeitstimmung!
Weltuntergang. Verfinsterte Sonne. Dunkler Mond. Sterne fallen vom Himmel. Gericht.

Endzeitstimmung!
Am Ende des Kirchenjahres werden die Evangelien düsterer: Die Sterblichkeit der Menschen und das Wiederkommen Christi als Richter werden heraufbeschworen.

Und schon wird vielleicht bei den Älteren von Ihnen die Erinnerung an Damals wach, wo Mama, Papa und der Pastor den Kindern mit der Hölle Angst gemacht haben.
Drohbotschaft statt Frohbotschaft sei das, sagen die Jüngeren heute. Und deshalb steht zwar das Lied "Strenger Richter aller Sünder" noch im Gotteslob, wird aber sozusagen nicht mehr gesungen.

Nein, diese Evangelien von Weltuntergangsszenarien und Naturkatastrophen machen uns unsere schöne Weltsicht kaputt, gerade jetzt so kurz vor dem Gemütlichkeit versprühenden nahen Advent.

An das unausweichliche Ende zu denken, das fällt den Menschen und auch uns Christen immer schwerer. Etwas sperrt sich in uns dagegen.

Am Anfang der Christenheit war dem nicht so. Im Gegenteil. Die junge Kirche konnte die Ankunft Christi, des Weltenrichters gar nicht abwarten. "Maranatha! Komm, Herr Jesus!" war ein beliebter und mit tiefer Sehnsucht erfüllter Gebetsruf damals. Damit endet auch das Neue Testament: "Komm, Herr Jesus!"

Das ist uns Menschen heute sozusagen fast gänzlich abhanden gekommen. Statt der Freude auf das zukünftige Leben, die neue Welt macht sich bei uns oft eine diffuse Angst breit, vor den Dingen, die da kommen sollen.

Liebe Schwestern und Brüder.
Vermutlich ist es aber gar keine Angst vor der Zukunft, die uns bewegt das Ende von allem irgendwie zu verdrängen. Vielmehr scheint es mir die Angst vor der eigenen Vergangenheit zu sein.

Wir fürchten nicht so sehr das, was da kommen wird, sondern eher das, was wir jetzt, im Moment sind.

Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich - wie ich mir - schon häufiger die Frage gestellt haben: "Was würde ich tun, wenn heute mein letzter Tag wäre?"
Und sicherlich haben Sie sich wie ich mir viele Antworten gegeben: mich mit jemanden versöhnen, mich entschuldigen, jemanden besuchen, die Natur ein letztes Mal genießen, wirklich beten.

Aber - und das ist das Entscheidende - wir tun's oft nicht. Wir bringen nicht den Mut, nicht die Kraft auf, das wirklich zu tun, was wir tun müssten, wollten. Und deshalb - weil wir nicht die sind, die wir eigentlich sein könnten - deshalb fürchten wir das, was da kommen soll, weil wir fürchten, was wir sind. Nicht, weil das Ende so schrecklich wäre, sondern weil wir spüren, dass wir uns selber, unseren Mitmenschen und Gott gegenüber nicht gerecht werden.

Liebe Schwestern und Brüder, angesichts des unausweichlichen Endes sollten wir uns das vielleicht eingestehen, dass unser Leben wirklich unvollkommen ist.
Wir bedürfen der Umkehr, des täglichen Neuanfanges, damit wir uns in unserer Haut wieder wohlfühlen können.

Das ist ein anspruchsvolles Leben. Sicherlich. Und vielleicht, weil viele diesen Anspruch ahnen und nicht wahrhaben wollen, wenden sie sich von Kirche und Gott ab, verdrängen den Tod und das Ende der Welt.

Unsere Gesellschaft scheint mir manchmal eine riesige optimistische, laute, vergnügte, ausgelassene Feiermenge zu sein, die es nicht gern hat, wenn man beim Feiern an den Kater erinnert wird, der unumgänglich kommen wird.

Die Evangelien über das Gericht - eine Drohbotschaft?
Für mich sind sie eher eine Wach-mach-Botschaft?
Die Evangelien drohen nicht mit dem bösen Gott, der uns allen übel mitspielen will.
Vielmehr sensibilisieren uns diese Evangelien auf unser eigenes Leben zu schauen, es ernst zu nehmen, es nicht zu vertrödeln, uns nicht zu vertrösten mit einem: "Ab morgen fang' ich an, wirklich zu leben!"

Das Leben ist zu wertvoll es nicht wirklich zu leben.

Liebe Schwestern und Brüder!
Christus wir am Ende der Tage erscheinen, um Gericht zu halten.
Ein Richter ist aber kein Despot, der willkürlich bestraft und mit den Angeklagten macht was er will. Ein Richter deckt vielmehr auf, was wirklich geschehen ist und fällt dann ein Urteil, das gebunden ist an die Gerechtigkeit.

Und dieses Urteil des gerechten Richters wird von vielen erwartet, die heute auf der Schattenseite des Lebens stehen.
Der Junge, der unter unmenschlichen Bedingungen z. B. auf einer afrikanischen Plantage arbeiten muß,
das Mädchen, das von asiatischen Zuhältern an europäische Sextouristen erkauft wird,
der junge Mann, der gefoltert wurde, weil er sich gegen ein Gewaltregime geäußert hat,...
Haben nicht all diese und die zigtausend anderen Opfer von Gewalt und Unrecht auf dieser Erde ein Recht auf diese letzte Gerechtigkeit? Für viele mag der Gedanke an ein gerechtes Ende dieser Welt die einzige Hoffnung in ihrem Leiden gewesen sein.

Liebe Schwestern und Brüder!
Gott ist gerecht, weil er gut ist. Er wird niemanden zu kurz kommen lassen oder übervorteilen.

Gott ist aber auch barmherzig, weil er gut ist. Er wird jeden und jede mit seinem liebenden Blick anschauen. Er wird all die tiefen Sehnsüchte, die Schwächen, die Leiden, das Bemühen in uns sehen und anerkennen.

Christus wir am Ende der Tage erscheinen, um Gericht zu halten.
Er ist ein barmherziger und gerechter Richter. Er droht uns nicht. Er macht uns Mut unser Leben wirklich zu leben, uns nicht auf faule Kompromisse einzulassen.

Wir sind in seiner Hand, aber nicht als Verlorene, sondern als Geborgene.

534. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Ende der Welt - kein sehr erfreuliches Thema. Die Sonne wird sich verfinstern, der Mond nicht mehr scheinen, die Sterne fallen vom Himmel. Das Ende der Welt wird hier nicht besonders rosig ausgemalt. Und oft hört man von Menschen, die großen Katastrophen gegenübergestanden haben, im Nachhinein den Ausruf: «Ich dachte, das Ende der Welt sei gekommen!».

Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, mag vielleicht der eine oder andere denken und sich dann bangen Herzens in das drein geben, was da kommen wird.

Dabei haben die ersten Christen das Ende eigentlich gar nicht gefürchtet, sondern sogar im Gegenteil herbeigesehnt. Am Ende der Bibel ist der letzte Satz der Stoßseufzer des biblischen Menschen: «Maranatha - komm, Herr Jesus.» Seltsam.

Oder ist nicht eher unsere Haltung seltsam? Was ist daran so beängstigend, wenn es heißt: «Die Verständigen werden strahlen, wie der Himmel strahlt» - «Sie werden immer und ewig leuchten wie die Sterne» - «Dann wird der Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen» - «Er wird die Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen» - wie herrlich muss doch der Himmel sein!

Sicher - auch hier auf der Erde ist es schön. Aber eben leider nicht immer und nicht für alle Menschen, die Augenblicke des Glücks sind eben nur Augenblicke. Für den biblischen Menschen war es also klar: Unsere Heimat ist im Himmel, hier sind wir in der Fremde. Was sollten wir also sehnlicher erwarten als das Weltenende?

Warum freuen wir uns - freuen sie sich - also nicht auf das Ende der Welt? Warum haben so viele Menschen Angst vor den Dingen, die da kommen sollen?

Vermutlich, weil es genau genommen keine Angst vor der Zukunft ist, sondern eine Angst vor unserer eigenen Vergangenheit. Wir fürchten nicht das, was da kommen wird, sondern vielmehr dass, was wir jetzt, im Moment, sind.

Wer hat sich nicht schon öfter die Frage gestellt: «Was würde ich heute tun, wenn ich wüsste, dass dies mein letzter Tag wäre?» Viele Antworten fallen uns dazu ein, und oft können wir ganz bestimmt sagen, was wir dann tun würden:
Uns versöhnen, uns entschuldigen, noch einmal jemanden besuchen, Gespräche führen, die Natur genießen, beten, mit Gott ins reine kommen.

Aber - und das ist der entscheidende Punkt - wir tun's nicht. All das, was wir tun würden, wenn das Ende der Welt morgen wäre, lassen wir doch wieder sein. Und deshalb - aufgrund unserer eigenen Inkonsequenz - fürchten wir das, was da kommen soll, weil wir fürchten, was wir sind. Nicht, weil das Ende so schrecklich ist, sondern deswegen, weil wir heute so schrecklich inkonsequent sind.

Wenn wir unser Glück an den Fernseher, unser Haus und unser Ansehen hängen, können wir beim Ende der Welt nur verlieren. Und zwar so ziemlich alles.

Wenn wir aber beginnen, ganz in der Liebe zu Gott und den Menschen aufzugehen, werden wir nur gewinnen können. Wer damit rechnet, dass das Ende der Welt wirklich morgen da sein könnte(!), und auch so lebt(!), der gewinnt hier auf Erden schon eine ganze Menge, dereinst aber gewinnt er mit Garantie den Hauptpreis.

Amen.

535. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Vom Ende redet keiner gerne. Wenn es schön ist, alle vergnügt und gut unterhalten, die Mägen und die Gläser gut gefüllt - dann ist derjenige ein Spielverderber, der davon spricht, dass es nicht immer so sein wird. Wer will schon beim Feiern an den Kater denken, der auf ihn wartet?

Solange es uns gut geht, wollen wir nicht daran denken, dass es auch anders sein könnte. Wer sein Leben genießen will, der wird Tod und Leid verdrängen, bis es nicht mehr geht. Dass wir in der westlichen Welt auf Kosten aller anderen und vor allem auf Kosten der Natur leben, steht fest. Davon brauchen wir aber nicht immer wieder zu reden, denn das zerstört nur unsere gute Genießerlaune. Wer jetzt davon redet, dass es uns nicht lange so gut gehen kann, wie es uns jetzt geht, bekommt vielleicht ein zustimmendes Nicken - damit man dann ganz schnell das Thema wechselt. "Die Natur ist schon arm dran. Da hast Du recht. Okay, wer kommt mit zu McDonalds?" Carpe Diem! So hieß ein Wahlspruch des Mittelalters. Carpe Diem - Genieße den Tag, so lange es hellt ist.

In einer Gesellschaft, in der es sich gut leben lässt, ist der Gedanke an das Ende, an den Tod und das, was danach kommt, allerdings ein trübseliger Gedanke.
Aber für die Menschen, die auf der anderen Seite der Medaille leben, die hier einiges zu leiden haben, deren Leben eben kein Zuckerschlecken ist, sieht das schon ganz anders aus: Da ist der Himmel wirklich noch eine Verheißung. Da ist man gar nicht so entsetzt darüber, dass dieses Leben nicht ewig dauert.

Unsere Glaubensschwäche, nicht an das Ende denken zu wollen, ist schon ein wenig arrogant. Den Gedanken an das Ende und das Gericht als wenig frohmachend zu bezeichnen, ist eigentlich pure Egozentrik.

Ja, im Grunde ist auch unser Empfinden bei Glaubenssätzen wie "Strenger Richter aller Sünder" entlarvend. Jeder Ausgebeutete Sklave auf den Plantagen der grausamen Großgrundbesitzer wird sich vom Richter der Welten genau das Wünschen: Strenge und Gerechtigkeit. Jedes Opfer von Gewalt und Diktatur spürt Hoffnung, wenn wir ihm Gott als den Richter aller Menschen verkünden. Jeder Mensch, der gefolterte und misshandelt, vergewaltigte und gebrochen wurde, findet Halt in der Verheißung vom Weltgericht.

Und wir versuchen, solche Glaubenssätze zu vermeiden, aus den Liedern und Gebeten zu streichen, ja sogar aus den Evangelien! Das kann das nur zwei Gründe haben: Erstens geht es uns zu gut und zweitens auf Kosten anderer.

Aber noch etwas ist daran entlarvend: Wenn wir uns wirklich um eine christliche Lebensweise bemühen, dann werden wir feststellen, dass diese sich nicht auszahlen wird. Wer ehrlich lebt, wird Nachteile haben (denn Lügner kommen weiter). Wer Rücksicht nicht, wird des öfteren auf der Strecke bleiben (denn Ellbogen setzen sich durch). Wer sich Zeit zum Gebet nimmt, wird ab und zu den Anschluss verlieren (denn die Zeit verrinnt, und Zeit ist Geld). Wer auf Gott vertraut, wird nicht genügend leisten (denn wer Sonntags Pause macht, ist ein Betriebsrisiko). Es ist nichts Neues, dass Christsein und christlich Leben ein gesellschaftliches Risiko allerster Ordnung darstellen.
Das macht uns Christen aber nichts. Das ist kein Problem. Denn wir wissen ja, dass wir spätestens beim Jüngsten Gericht Recht bekommen. Dass dann alles offenbar wird, was hier auf Erden nicht gewürdigt wurde. Gerade weil wir Christen an das Jüngste Gericht, an das Ende der Welt und an Gott den Herrn der Zeiten glauben, sind wir so vergnügt, wie es sonst kein anderer sein kann.

Das Gericht verschweigen will nur der, der etwas zu fürchten hat. Wenn wir uns redlich bemühen, gibt es dafür aber keinen Grund. Außerdem: Vergessen wir nicht das Vitamin B. Wir haben Beziehungen. Gute Beziehungen. Die helfen immer. Deshalb: Pflegen sie ihr Verhältnis zu Jesus. Wir können es alle gebrauchen.
Amen.

536. Predigtvorschlag

Ist Auferstehung möglich? (I)

Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es viele ernstzunehmende Wissenschaftler, die sagten: Ein Flug zum Mond ist unmöglich. Die zu überwindenden Schwierigkeiten, was Treibstoff und Beschleunigung, Hitze und Kälte und vieles mehr angeht, seien so komplex, daß es nicht möglich sein würde, auf dem Mond zu landen und sicher wieder zurückzukehren. Die Probleme, die seit dem Versuch, den Mond wirklich zu erreichen, aufgetaucht waren, schienen diesen Wissenschaftlern recht zu geben. -
Nun, wir wissen, daß vor fast 40 Jahren zum ersten Mal und danach mehrmals in Folge Menschen es wirklich geschafft haben, auf dem Mond zu landen und wieder zur Erde zurückzukehren. Wer also vorher gemeint hat: „Das geht nicht“, sollte nun seine Meinung ändern und zugeben: Ich habe mich geirrt, und: Ich habe nicht mit einem solchen Fortschritt gerechnet. - Das wäre, so denke ich, wohl die „normale“ Reaktion; das, was wir am ehesten erwarten würden.
Eine andere Reaktion wäre freilich in diesem Falle auch noch möglich: Der Wissenschaftler könnte hingehen und behaupten: Ich habe mich nicht geirrt. Sondern die Mondlandung, die ja gar nicht möglich ist, ist ein Betrug. Sie hat in Wirklichkeit überhaupt nicht stattgefunden. Es handelt sich bloß um eine gewaltige Inszenierung, um einen riesigen Bluff mit dem Ziel, die Menschen zu täuschen. –

So gibt es tatsächlich eine Reihe von Menschen, die sagen: Die Mondlandung hat man in Wirklichkeit in einem Atelier in Hollywood gedreht. Es ist alles gar nicht wahr.
Was kann uns dieses Beispiel zeigen? Es kann zeigen, daß sehr viel davon abhängt, ob einer bei seiner einmal gefaßten Meinung auf jeden Fall bleibt, auch wenn ihm etwas vorgeführt wird, was seinen Horizont erweitern müßte, wo er sagen müßte: Ich habe mich in der Tat getäuscht, ich habe mich zu vorschnell festgelegt, ich muß meine Auffassung ändern. - Ist er aber dazu nicht bereit, dann sucht er seinerseits Gründe, wie er seine Meinung retten kann, trotz der Argumente, die dagegen sprechen.
Ostern ist ein Fest, das etwas behauptet, das wir von unserem rein menschlichen Verstand her für unmöglich halten müßten: daß einer von den Toten wieder aufersteht. Es kann keinen vernünftigen Zweifel daran geben, daß Jesus am Kreuz wirklich gestorben ist. Wer die Praxis einer Kreuzigung auch nur ein wenig studiert, der weiß, daß Jesus, der zudem noch geschwächt war durch die nächtlichen Verhöre und durch die Geißelung, diese Tortur in keinem Falle überleben konnte. Jesus war wirklich tot, als er schließlich in ein Grab gelegt wurde. Das wird übrigens auch nicht von seinen Gegnern bestritten, die dafür dann behaupteten, seine Jünger hätten seinen Leichnam aus dem Grab gestohlen (vgl. Mt 28,15).

Die Mondlandung war ein Werk von Menschen, eine technische Meisterleistung. Die Auferstehung ist kein Werk von Menschen. Unser Glaube sagt: Die Auferstehung ist eine Tat Gottes. Gott, der Leben in Fülle in sich hat, hat seinen Sohn nicht im Tode gelassen, sondern ihn machtvoll aus dem Grab auferweckt. Er hat ihn auferstehen lassen zu einem neuen, verwandelten Leben.
Die Auferstehung Jesu von den Toten ist keine Rückkehr in das rein irdische Leben, wie es bei Lazarus der Fall war, den Jesus auferweckt hatte, der aber danach ebenso sterblich blieb wie jeder andere Mensch. - Jesus, der Auferstandene, kommt nun in einer anderen, verklärten Daseinsweise zu seinen Jüngern. Er erscheint und er entzieht sich wieder, wie bei den Emmausjüngern (vgl. Lk 24,31), er kommt durch verschlossene Türen (vgl. Joh 20,19) und ißt vor den Augen der Jünger ein Stück gebratenen Fisch (vgl. Lk 24,42): Was uns widersprüchlich und nicht miteinander vereinbar erscheint, das ist für Jesus nicht unmöglich. „Für Gott ist nichts unmöglich“, sagt der Engel zu Maria bei der Verkündigung (Lk 1,37), und für den Glauben an den lebendigen Gott ist der Glaube an die Auferstehung der entscheidende, der wichtigste Prüfstein!
Hier lautet die Frage nicht mehr: Ist für uns Menschen dieses oder jenes prinzipiell unmöglich, sondern: Ist es für Gott unmöglich, daß in dieser Welt Wunder geschehen, für die wir keine Erklärung haben, außer daß wir sagen müßten: Ein solches Werk trauen wir nur Gott allein zu, dem Allmächtigen - wenn wir es denn ihm zutrauen.

So ist auch für Paulus der Glaube an die Auferstehung die Mitte des Glaubens überhaupt. Sehr deutlich schreibt er in seinem ersten Brief an die Christen in Korinth:
„Wenn aber verkündigt wird, daß Christus von den Toten auferweckt worden ist, wie können dann einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht?
Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden.
Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und unser Glaube sinnlos.
Wir werden dann auch als falsche Zeugen Gottes entlarvt, weil wir im Widerspruch zu Gott das Zeugnis abgelegt haben: Er hat Christus auferweckt. Er hat ihn eben nicht auferweckt, wenn Tote nicht auferweckt werden.
Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden.
Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos, und ihr seid immer noch in euren Sünden;
und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren.
Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen.
Nun aber i s t Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.“ (1 Kor 15,12-20).

Damit sagt Paulus: Es ist etwas geschehen. Vorher, vor der Auferstehung Christi, kann man viel hin und her spekulieren, ob eine solche Tat für Gott möglich ist. Nun aber ist etwas geschehen. Das Unvorstellbare hat Gott wahr gemacht. Im Gleichnis vom reichen Prasser bittet der Reiche: Schicke doch jemand aus der Totenwelt herüber, dann werden wir glauben (vgl. Lk 16,27f.). Nun ist diese Bitte erfüllt: Jesus ist aus dem Reich des Todes gekommen und hat selbst Kunde gebracht, daß er lebt! - Und was ist nun? Werden die Menschen glauben? Kann man vernünftigerweise daran glauben? Oder muß man, um hier glauben zu können, jede Vernunft außer acht lassen und sozusagen unvernünftig glauben? Weil doch unsere Vernunft sagt: Ein Toter kann doch gar nicht wieder ins Leben zurück?
Ich finde, daß hier, was unseren Osterglauben angeht, der Glaube und die Vernunft sich nicht gegenüberstehen, sondern sich durchdringen und ergänzen. Glaube und Vernunft sind keine Widersacher und Feinde, sondern Partner und Freunde. Darüber ein wenig nachzudenken, dazu möchte ich Sie am nächsten Sonntag einladen.

537. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

In vielen Gesprächen, vor allem mit Jugendlichen zum Beispiel auf den Orientierungstagen, aber auch mit Erwachsenen wird immer wieder gefragt, ob ich denn Gott beweisen kann. Woher kann ich wissen, dass es wirklich einen Gott gibt und dass Jesus Christus sein Sohn ist?

Nun, die Apostel und die Jünger Jesu hatten es da etwas einfacher: Sie haben Jesus gesehen und gehört, und haben seinen Tod genauso erlebt wie die Begegnung mit den Auferstandenen. Sie waren wahrscheinlich genauso ungläubig und skeptisch, wie Viele es heute sind. Das heutige Evangelium verheimlicht da nichts. Aber Jesus lädt sie ein, ihre Bedenken abzulegen: «Ich bin es doch! Fasst mich doch an! Seht meine Wunden!» Als das auch nichts half, weil die Apostel wohl immer noch eher an einen Geist als an die Auferstehung glauben wollten, nahm er ein Stück gebratenen Fisch und aß diesen vor ihren Augen.

Der Anfang des christlichen Glaubens beruht also auf eigene Erfahrung, auf Anschauung und Berührung. Die ersten Jünger haben Jesus gesehen, mit eigenen Augen, und wurden zu Zeugen: 1. es gibt einen Gott, der mächtiger ist als der Tod; 2. Jesus ist dieser Gott, der Mensch geworden ist.

Für diese Überzeugung sind (mit einer Ausnahme) alle Apostel in den Tod gegangen. Sie waren Zeugen unseres Glaubens, bis zum Tode.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir uns heute fragen, ob wir denn gute Gründe haben, den christlichen Glauben anzunehmen oder zu bewahren, dann betrachten wir oft den christlichen Glauben wie ein Parteiprogramm. Da gibt es Sachen, die uns gefallen, andere, die wir ablehnen und wieder andere, die wir nicht verstehen. Für die letzten beiden werden wir nach Gründen gefragt: Warum ist das denn so? Warum kann das nicht auch anders sein? Und wenn die guten Gründe fehlen oder zu schwierig sind, dann sagen wir uns: Na, dann müssen wir es eben glauben.

Liebe Schwestern und Brüder, Glauben im Sinn von vermuten, vorerst einmal annehmen oder, weil etwas einleuchtend ist, es für wahr halten, hat nichts mit dem christlichen Glauben zu tun.

Wir glauben vor allem den Zeugen, die uns berichtet haben, dass Jesus lebt. Wir glauben z.B. Lukas, der uns das heutige Evangelium berichtet hat. Glauben heißt, all diesen Zeugen zu vertrauen, dass sie uns nicht belügen; dass sie nicht flunkern, auch nicht um einer guten Sache willen. Dass sie wissen, was sie schreiben.
Das heutige Evangelium macht deutlich, was der Grund unseres Glaubens ist: Nämlich keine philosophische Überlegung oder ein Lebensprogramm, sondern die Begegnung mit Gottes Sohn, Jesus Christus. Die Erfahrung seiner Auferstehung. Den Eindruck, den seine Predigt hinterlassen hat.

Aber vor allem die Begegnung mit dem Auferstandenen. Das muss sehr beeindruckend gewesen sein. Das hat die Apostel und die Kirche für Jahrhundert geprägt. Mit der Auferstehung haben wir einen Anhaltspunkt für unsere Vorstellung vom ewigen Leben, zumindest schon einmal eine Person, der wir dort begegnen werden. Die Himmel ist uns nicht mehr so fremd, und auch nicht das Leben hier.

Liebe Schwestern und Brüder, Ostern als das Fest der Auferstehung ist nicht von ungefähr das Fest der Tauf- und Glaubenserneuerung: An Ostern hören wir die Berichte, die zur Geburt der größten Religionsgemeinschaft aller Zeiten geführt hat. So viele Menschen haben diesen Berichten geglaubt, weil Sie Christen erlebt haben, die glaubwürdig waren.

Wenn Sie Menschen erleben, die unsicher im Glauben geworden sind; wenn sie selbst im Glauben skeptisch geworden sind: Lesen Sie nicht ein Buch nach dem anderen, sondern suchen Sie Menschen auf, die glaubwürdige Zeugen sind. Und, seien so christlich, versuchen sie selbst, solche Zeugen zu sein. Gott braucht Sie. Amen.

538. Predigtvorschlag

Ist Auferstehung möglich? (II)

Jesus ist auferstanden von den Toten. Das ist die Botschaft, die die Jünger von Anfang an verkündigt haben. Diese Botschaft enthält das Zeugnis, für das die Jünger einstehen. Die Botschaft von der Auferstehung ist Zeugnis, nicht Erzeugnis. Sie spricht von einer Tatsache, nicht von einer Erfindung.
Daß Jesus von den Toten auferstanden ist und lebt, war sogar für gläubige Juden etwas Unvorstellbares. Mehrmals kündigt Jesus vor seinen Jüngern an, daß er leiden müsse, aber am dritten Tag auferstehen werde, und das Evangelium fügt hinzu: „Dieses Wort beschäftigte sie, und sie fragten einander, was das sei: Von den Toten auferstehen“ (Mk 9,10). - Marta, die Schwester des Lazarus, glaubt an die Auferstehung der Gerechten am Jüngsten Tag (vgl. Joh 11,23). Aber daß die Auferstehung jetzt geschehen sein soll - das ist für sie unbegreiflich.

Der Glaube an die Auferstehung war selbst unter den Juden nicht gemeinsames Glaubensgut. Jesus setzt sich mit den Sadduzäern auseinander, die behaupten, es gäbe überhaupt keine Auferstehung von den Toten, und die sich darüber lächerlich machen (vgl. Mk 12,18-27). Ihnen sagt Jesus: „Ihr irrt euch sehr“ (Mk 12,27). Paulus wird später als Gefangener vor dem Hohen Rat die Versammlung spalten, indem er einfach erklärt: „Brüder, ich bin Pharisäer und ein Sohn von Pharisäern; wegen der Hoffnung und wegen der Auferstehung der Toten stehe ich vor Gericht“ (Apg 23,6). Daraufhin gab es einen großen Krach, weil der eine Teil des Hohen Rates an die Auferstehung von den Toten glaubte, der andere nicht.

Man sieht, daß Jesus nicht einfach den Glauben voraussetzen konnte, als er anfing, von seiner eigenen Auferstehung zu sprechen. Und auch nach Ostern ist der Glaube an Christi Auferstehung unter den Jüngern nicht einfach von vorneherein akzeptiert und fraglos angenommen, sondern ein sehr angefochtener und angefragter Glaube. Aber daß die Jünger diesen Glauben nicht nur annahmen, sondern später dafür sogar in den Tod gingen, zeigt uns, daß sie von dem, was sie glaubten und verkündeten, auch wirklich fest überzeugt waren. Es muß wirklich etwas geschehen sein. Denn für ein Hirngespinst und eine fromme Legende hält man nicht seinen Kopf hin, wenn es darauf ankommt.

Nicht nur wir heutige Menschen haben Schwierigkeiten, Wunder und vor allem das Wunder der Auferstehung Jesu zu verstehen. Auch die Generationen vor uns haben nicht einfach „blind“ geglaubt, sondern sich Rechenschaft abgelegt über das, was sie glaubten.
„Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ mahnt der Erste Petrusbrief (3,15), und im Zweiten Brief dieses Apostels heißt es: „Denn wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe“ (2 Petr 1,16).

Es ist also nicht einfach ein blinder Glaube, der verlangt wird, sondern der Glaube soll und kann sich erweisen als vernunftgemäß, als aufrichtig, als besonnen und klar. Der Glaube braucht das Licht der kritischen Nachfrage nicht zu scheuen. Aber zugleich kommt immer eine wichtige Voraussetzung ins Spiel: Wie stelle ich mir Gott vor? Was glaube ich wirklich von ihm? Traue ich ihm wirklich das Unfaßbare, das Unwahrscheinliche, das, was unsere menschlichen Erfahrungen sprengt, auch zu, oder sage ich von vorneherein: Dies und jenes, zum Beispiel die Auferstehung von den Toten, kann nicht sein. Das kann Gott nicht bewirken. –

Damit habe ich von mir aus eine Grenze gezogen, an die Gott sich halten muß. Damit habe ich aber auch gezeigt, wie ich mir Gott vorstelle: Gott ist dann für mich der, der einmal die Welt ins Dasein gerufen hat mit all ihren Bereichen und Gesetzmäßigkeiten. Er ist Baumeister der Welt und hat alles wunderbar ausgedacht und ausgestaltet. Die Naturgesetze, von ihm geschaffen, gelten für alle Zeiten, und an die hält sich Gott auch selber. - Das ist die Vorstellung von Gott als einem unendlich intelligenten Baumeister, der sein Werk, das er sich ausgedacht hat, nur noch in Gang setzen muß, wie ein Uhrmacher seine Uhr, und dann läuft sie.

In einem solchen Denken ist allerdings nicht vorgesehen, daß Gott in sein Werk eingreift. Die Gesetze der Natur gelten unerbittlich, und wenn Gott in sie eingriffe, zeigte er damit, daß er Nachbesserungen vornehmen müßte, die beweisen würden, daß sein Werk doch nicht vollkommen ist. In einem solchen Denken über Gott wäre auch die Auferstehung von den Toten nicht möglich. Denn sie widerspräche den ewig geltenden Gesetzen von Natur und Zeit.

Dieses Bild von Gott ist aber nicht das Bild, das die Offenbarung der Bibel uns schenkt.

Die Bibel offenbart uns eine andere Sicht von Gott: Gott ist Schöpfer, und er ist treu. Er begleitet sein Volk. Er leitet es und offenbart sich durch machtvolle Taten. Es ist ein Zeichen seiner Liebe und väterlichen Treue, daß er in Jesus Christus wunderbar handelt.
Und für den, der an Gott glaubt als Schöpfer und Vater, als fürsorgender Erhalter dieser Welt, sind gerade die Wunder, die das Neue Testament von Jesus berichtet, nun nicht erstaunlich. Denn er weiß: Gott hat ja dieses Wunder gewirkt. Erstaunlich wäre, wenn ein Mensch es gewirkt hätte.

Wie können wir uns das verständlich machen? Wenn Gott wirklich Schöpfer ist, dann ist die Schöpfung nicht ein Geschehen in grauer Vorzeit. Nein, Schöpfung ist fortwährendes Geschehen; und die schöpferischen Vorgänge zeigen das: wir sehen in der Schöpfung, wie alles wunderbar wächst und gedeiht; wir sehen, wie die Gaben der Schöpfung sich vermehren, wir sehen, wie etwas entsteht und geboren wird. Alles das weist auf die Schöpfermacht Gottes hin. Für uns Menschen sind diese Vorgänge im Grunde gar nicht vollkommen durchschaubar. Es sind Geheimnisse der schöpferischen Liebe Gottes. Und genau so dürfen wir die Wunder Jesu sehen und begreifen. Die Wunder Jesu sind im Kern nichts Außergewöhnliches für den, der an Gott glaubt, sondern nur verdichtete Zeichen und Beweise der Schöpfermacht Gottes in der Natur, die uns umgibt.

Der heilige Bischof Augustinus sagt: „Denn der an jenem Tage bei der Hochzeit den Wein in den sechs Krügen machte, die er mit Wasser zu füllen befahl, ist derselbe, der dies jedes Jahr in den Weinstöcken tut. Wie das, was die Diener in die Krüge gossen, durch das Tun des Herrn in Wein verwandelt wurde, so wird auch, was die Wolken ausgießen, durch das Tun desselben Herrn in Wein verwandelt.“
Ähnlich sieht Augustinus auch die wunderbare Brotvermehrung: Gott vervielfältigt aus wenigen Saatkörnern die Saat der Erde. So vermochte auch Christus die fünf Brote, die ihm in die Hand gegeben wurden, zu vervielfältigen, so daß alle satt wurden.

Und wenn ein Mensch geboren wird, erkennt der gläubige Mensch die Macht Gottes, die alles in Leben ruft. Die Auferweckung des Lazarus ist dann im Grunde nichts anderes als das, was Gott in der Natur durch seine schöpferische Liebe ohnehin geschehen läßt: „Der hat einen Menschen erweckt, der den Menschen erschaffen hat. Denn er ist der Eingeborene des Vaters, durch den, wie ihr wißt, alles geworden ist. Wenn also durch ihn alles geworden ist, was Wunder, wenn einer durch ihn aufersteht, da doch täglich so viele durch ihn zum Leben kommen? Es ist mehr, Menschen zu erschaffen als zu erwecken ... Er hat einen bereits Riechenden wieder erweckt, aber dennoch war in dem riechenden Leichnam noch die Gestalt der Glieder ...“ - So sagt es der heilige Augustinus. - Wie Gott in dieser Welt immer wieder Leben hervorbringt, so hat er uns in Jesus gezeigt, daß er Leben in Fülle schenken will, Leben, das bleibt. Jesus ist auferstanden von den Toten - in der Macht des lebendigen Gottes. Jesus hat ganz in der Liebe des Vaters gelebt. In dieser Liebe ist er Sieger über den Tod.

Die Auferstehung Jesu von den Toten ist das größte Wunder, das die Welt je gesehen hat. Wie groß muß Gottes Liebe sein, daß er uns ein solches Zeichen schenkt, das seine Macht und Größe zeigt, und wie groß muß die Freiheit sein, die er uns schenkt, daß wir daran glauben und darauf vertrauen, daß Gottes Liebe stärker ist als der Tod und sein Licht mächtiger als alles Dunkel dieser Welt.

539. Predigtvorschlag

Welttag der geistlichen Berufe

Jesus, der Gute Hirte - Jesus, das Lamm Gottes

Die Gestalt Jesu zieht immer wieder Menschen in ihren Bann. Anders ist es nicht zu verstehen, daß derzeit wieder Jesusbücher Hochkonjunktur haben: Bücher, in denen uns Jesus vorgestellt wird, wie er wirklich war, was er wirklich gesagt oder nicht gesagt hat, daß er nach seiner Kreuzigung in Indien gelebt hat, daß er überhaupt nicht gekreuzigt, sondern in Wirklichkeit gesteinigt worden sei ... und vieles mehr. Für jede neue Erfindung gibt es ein neues Jesus-Buch. Und diese Bücher werden verkauft und - so muß man es wohl befürchten - zum Teil auch gelesen. Nach so viel verwirrender und sich natürlich auch widersprechender Literatur tut es gut, einmal das wichtigste und beste Jesus-Buch aufzuschlagen: die Bibel. Die Bibel, das Buch der Bücher. Die Bibel, das Buch der Kirche. Beides gehört zusammen: Bibel und Kirche. Nicht die Bibel hat die Kirche hervorgebracht, sondern die Kirche hat - teilweise nach langem Ringen - gesagt, was zur Bibel gehört und was nicht. Aber die Kirche ist nicht Herrin über die Bibel. Was in der Bibel bleibend als Offenbarung Gottes ausgesagt ist, ist und bleibt für die Kirche verbindlich. Sonst würde sie aufhören, Kirche zu sein.

Wir schlagen also die Bibel und darin das Neue Testament auf und machen sehr bald eine wichtige Entdeckung: So einheitlich und gleichmäßig, wie wir uns eine Personenbeschreibung vorstellen möchten, finden wir in den Evangelien Jesus nicht gezeichnet. Da gibt es nicht nur den sanften und gütigen Jesus, sondern auch den, der in heiligem Zorn mit Stricken um sich schlägt (Joh 2,15) und die Pharisäer und Schriftgelehrten "Nattern und Schlangenbrut" (Mt 23,33) und "übertünchte Gräber" (vg. Mt 23.27) nennt. - Da gibt es nicht nur Frohbotschaften mit beglückenden Verheißungen, sondern auch Drohungen mit Gericht und Feuer. - Da gibt es nicht nur den armen Jesus, der nicht weiß, wo er abends sein Haupt hinlegen kann (Lk 9,58), sondern auch den, der es geschehen läßt, daß kostbarstes Öl über seine Füße gegossen wird (Mk 14,2). - Diese Spannungen und Gegensätzlichkeiten sind nicht erst von unserer Zeit erkannt. Die Christen aller Zeiten haben darum ringen müssen, die Mitte der Botschaft zu finden, sozusagen das Herz des Erlösers zu entdecken und zu befragen. - Jesus kann nicht einfach in eine vorgefertigte Schablone gepreßt werden. Sondern seine Worte und seine Taten müssen immer neu mit unserem Leben, mit unseren Fragen in einen lebendigen Glaubenszusammenhang gebracht werden. Wir müssen die Mitte finden, von der wir Jesus verstehen und ihm folgen können.

Ich glaube, diese Mitte finden wir in diesem "Ich-bin"-Wort, das uns heute neu im Evangelium aufleuchtet: "Ich bin der gute Hirt", sagt Jesus (Joh 10,11). Die Menschen brauchen einen Hirten. So wie sie Brot zum Leben brauchen und einen, der ihnen sagt: "Ich bin das Brot des Lebens" (Joh 6,35.48) und so wie sie nach Wahrheit und Orientierung suchen und einen, der sagt: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6), so brauchen sie auch einen Hirten. Einen, der sie vor den Wölfen bewahrt und auch davor, mit den Wölfen zu heulen. Einen guten, das heißt einen wirklichen Hirten brauchen sie, einen, dem wirklich an der Herde liegt; eben daran, daß die Schafe, die ihm anvertraut sind, leben. Daran können wir den wirklichen Hirten erkennen: ihm liegt an den Schafen, an jedem einzelnen. Er läßt auch die neunundneunzig sicheren in der Steppe zurück und geht dem einen verlorenen nach, bis er es findet (Lk 15,4). Der gute Hirte - ein Bild für die Sorge, die unter uns in der Kirche wach sein müßte, die Sorge nicht um die große Zahl und um den sichtbaren Erfolg und schon gar nicht um den Beifall der Wölfe, sondern um jeden einzelnen.

Bisweilen wird das Bild des guten Hirten verdächtig gemacht. Es wird gesagt: Da haben wir es ja mal wieder! Die Kirche, starr in ihren Institutionen und hierarchisch in ihrer Befehlsgewalt von oben nach unten, sie untermauert ihren Anspruch mit diesem Bild, das ja zutiefst patriarchalisch ist: der Hirt, der mächtig ist, kümmert sich um die fromm blökende Herde. - Und so wird dieses biblische Bild von Grund auf in Frage gestellt, was die Bedeutung für die Kirche heute angeht.

Diesen Vorwurf muß man ernst nehmen. Aber wiederum muß man die ganze Bibel nehmen, nicht nur einen kleinen Teil. Jesus stellt sich uns vor als der Gute Hirte. Aber Johannes, der vierte Evangelist und tiefe Kenner des Herzens Jesu, hat noch ein anderes Bild, ein Bild, das das vom Hirten ergänzt und vollständig macht. Wir müssen immer das Ganze sehen, dann erst können wir eine Aussage machen darüber, was gemeint ist und was das für uns bedeutet.

Ebenso wichtig wie das Bild vom Guten Hirten ist für Johannes das Bild vom Lamm Gottes. Jesus ist nicht nur der Hirt, er ist zugleich auch das Lamm! "Seht, das Lamm Gottes!" ruft Johannes der Täufer über Jesus aus (Joh 1,36). Jesus wird ein Mensch unter Menschen: er geht den Weg der Erniedrigung und des Mit-Leidens. - Nach der Chronologie des Johannes stirbt Jesus am Kreuz genau zu dem Zeitpunkt, an dem im Tempel die Opferlämmer geschlachtet werden (Joh 19,31.42). Der gute Hirt, der sein Leben hingibt für die Schafe (Joh 10,11), ja der sogar den Schafen gleich wird in ihrem Schicksal und sie dadurch erlöst.

Es gibt viele Bücher über Jesus und viele Ansichten und es wird auch immer wieder weitere geben. Gute und weniger gute. Die Wahrheit findet aber nur der, der sich wirklich auf Jesus selbst einläßt. Und der seiner Verheißung glaubt, die er gegeben hat: "... und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten" (Joh 10,16).

540. Predigtvorschlag

Lieber Schwestern und Brüder,

Die Kirche denkt am heutigen Sonntag an die geistlichen Berufe, an den Priesterberuf und die Ordensberufe; Gelegenheit, viele Fragen aufzuwerfen, Fragen zu stellen und Antwortversuche zu beginnen.
Eine der brennendsten Fragen in diesem Zusammenhang ist die Frage nach dem Priestermangel, die Frage nach dem Mangel an geistlichen Berufen.

Die Gründe, die für diesen Rückgang der Priesterberufungen angeführt werden, sind vielfältig: Da ist die Rede davon, dass es sich weniger um einen Priestermangel - einem Hirtenmangel also - handelt, als vielmehr um einen Christenmangel, einem Herdenmangel. Denn verglichen mit der Zahl der Kirchenbesucher ist die Zahle der Priesterberufungen fast konstant geblieben. Da ist dann auch die Rede davon, dass das Priesterbild geändert werden müsse, da viele Erwartungen den Priester überforderten. Das Priesterbild müsse neu überdacht werden. Und da ist die Rede davon, dass die Zulassungsbedingungen geändert werden müssen, die Bedingungen also, die ein Priesteramtskandidat erfüllen muss, damit er zur Priesterweihe zugelassen wird.

In diesem Zusammenhang ist eine Überlegung fast immer dabei: Es wird überlegt, den Priester vom Pflichtzölibat zu befreien, ihm also freizustellen, ob er ehelos leben will - oder nicht. So auch gerade in einem Beschluss des Diözesanforums.

Ja, es stimmt, dass theologisch das Zölibat nicht notwendig mit dem Priesterberuf gekoppelt sein muss. Es stimmt auch, dass das Zölibat keine Forderung der Bibel ist.
Was hindert also unsern Bischof, endlich mit diesem Ärgernis, das verantwortlich gemacht wird für den so drängenden Priestermangel, aufzuräumen?

Liebe Schwestern und Brüder, stellen Sie sich einmal vor, Sie seien Bischof. Es wäre nun Ihre Aufgabe, die Zulassungsbedingungen zum Priesteramt festzulegen. Was erscheint Ihnen notwendig erforderlich, damit ein junger Mann Priester werden kann? Dass Zulassungsbedingungen überhaupt notwendig sind, liegt doch auf der Hand: Es gibt - leider - zu viel "schlechte" Priester, als dass jeder nach eigenen Vorstellungen Priester werden könnte. Wenn also Zulassungsbedingungen erforderlich sind, welche würden Sie aufstellen?

Vielleicht würden Sie als erstes sagen: «Der Priester muss Ahnung vom Glauben haben. Er muss Glaubensfragen beantworten können, er muss im Glauben Rede und Antwort stehen können. Er muss Zeugnis von unserem Glauben geben können. Er muss zumindest versuchen, Zweifel am Glauben zu beseitigen.»
Nun, diese Bedingung ist sicher sinnvoll, und eine Überprüfung des Glaubenswissen eines Kandidaten ist relativ einfach: Sie können, als Bischof, beispielsweise ein Studium anordnen, zumindest aber eine Prüfung über den Umfang des Glaubenswissen verlangen.

Vielleicht würden sie aber auch sagen: «Der Kandidat muss eine gewisse menschliche Reife an den Tag legen. Er muss zuhören können, er muss auf Menschen eingehen können, er darf nicht verklemmt sein, er muss eine gewisse Lebenskultur besitzen. Er muss Kompromisse schließen können und Leitung übernehmen können.»
Nun, dies ist schon etwas schwieriger zu überprüfen. Mit einem Prüfungsgespräch von 20 Minuten ist es hier nicht getan. Aber vielleicht kommen Sie als Bischof auf die Idee, das Leben in einer Seminarsgemeinschaft zu verlangen, das dann von dem Seminarleiter begutachtet wird. Vielleicht schlagen sie aber auch ein Praktikum in der Gemeinde vor, oder sie verlegen, wie in vielen Bistümern Hollands, die Ausbildung direkt in die Gemeinden und lassen den Kandidaten in einem Pfarrhaus wohnen. Nach einiger Zeit bewertet dann der Pfarrer die menschliche Reife des Kandidaten. Vielleicht haben Sie aber auch noch andere Ideen.

Weiterhin könnten sie ein Mindestalter festlegen. Vielleicht 30 Jahre, vielleicht 25 Jahre. Sie haben da als Bischof eine große Freiheit.

Vielleicht fallen Ihnen noch ganz andere Kriterien ein, die sie aufstellen und überprüfen lassen würden. Das Wichtigste aber fehlt bisher, die Wichtigste Voraussetzung, die einen Kandidaten zum guten Priester werden lässt:

Die Liebe zu Christus und die Liebe zur Kirche.

Das, was den Hirten im heutigen Evangelium ausmacht, ist, dass er die Seinen kennt. Und Kennen heißt im biblischen Sprachgebrauch nichts anderes als Lieben.

Der Priester muss von dieser Liebe Zeugnis geben, sie versprühen, sie leben. Sie ist seine Berufung: Er ist dazu berufen, Gottes Liebe zu leben, sie zu feiern, zu verkünden und weiterzugeben.

Aber - wie will man das überprüfen? Mit einem Prüfungsgespräch? Wohl kaum. Durch einen Gutachter dürfte eine Überprüfung ebenso schwierig sein. Und mit einem Mindestalter ist es erst recht nicht getan.

Vor Jahrhunderten standen die Bischöfe vor der gleichen Frage, und sie haben sich gesagt: Wir wollen von dem Priesteramtskandidat ein deutliches Zeichen, dass er bereit ist, nur aus der Liebe zu Christus und aus der Liebe zur Kirche zu leben. Er soll bereit sein, nur diese Liebe als Grundlage zu nehmen. «Wir wollen nur die jungen Männer zu Priestern weihen, die bereit sind, aus Liebe zu Christus und aus Liebe zur Kirche auf die Ehe - und auf die Familie - zu verzichten. Die Männer, die von sich aus sagen: Meine Beziehung zu Gott ist so intensiv und so personal einmalig, dass ich keine weitere einmalige personale Beziehung in meinem Leben brauche. Und aus diesen Menschen, die von sich aus den Weg der Ehelosigkeit gewählt haben, erwählen wir unsere die Priester.» Es gilt also nicht: Wer Priester werden will, muss sich überlegen, ob er auf die Ehe verzichten will - weil es das Gesetz so vorschreibt. Die Bischöfe wählen vielmehr ihre Priester aus den Kreis derjenigen, die aus Liebe zu Gott den Weg der Ehelosigkeit als ihren Lebensweg gewählt haben.

Ja, das ist ein großes Opfer; aber wer von dieser Liebe erfüllt ist, wird dieses Opfer gerne bringen. Nur wer bereit ist, aus Liebe das Zölibat auf sich zu nehmen, der soll in den Dienst des Priesters treten.
Somit ist das Zölibat zwar Verzicht: Es ist aber zuerst eine Liebesentscheidung.

Vergleichen Sie dies einmal mit einer Hochzeit: Selbstverständlich bedeutet das «Ja» zu dem einen Ehepartner auch ein «Nein» zu - wer weiß wie vielen - anderen möglichen Menschen, die nun von dieser Liebesgemeinschaft ausgeschlossen sind. Aber wer käme auf die Idee, bei der Hochzeit diesem «Nein» hinterherzutrauern? Was im Vordergrund steht - und nur das allein zählt - ist das Ja zu dem einen Geliebten.

Das Zölibat ist also nicht zuerst eine Gesetzespflicht, ein Zwang, eine Verordnung von oben - es ist eine Entscheidung aus Liebe.

Als ich mein Versprechen zur Ehelosigkeit gegeben habe, war das keine Gesetzespflicht und kein Grund zur Trauer: Es war schlicht und einfach Liebe - und damit ein Grund zur Freude.

Ich habe zu meiner Weihe damals natürlich viele Glückwunsch und Briefe bekommen. In einigen Briefen war die Rede von dem schweren Weg, den ich vor mir habe, der sicher schwierigen Entscheidung zur Ehelosigkeit und zur Weihe. Es wurde Mitleid bekundet, aber auch Bewunderung, dass ich diesen Weg nun doch gehe.

Liebe Schwestern und Brüder, stellen Sie sich einmal vor, Sie bekämen einen solchen Brief zu Ihrer Hochzeit. Darin hieße es, sie hätten bestimmt einen schweren Weg vor sich, ebenso, dass es sicherlich eine schwierige Entscheidung zu dieser Frau - zu diesem Mann gewesen ist. Stellen Sie sich vor, man drücke Ihnen Mitleid aus, aber auch Bewunderung, dass sie sich nun doch mit diesem Partner verheiraten würden.

Das wäre nicht nur seltsam, das wäre peinlich. Sehr peinlich.

Dahinter steckt doch die Vermutung, dass diese Frau, die sie heiraten wollen (oder dieser Mann), überhaupt nicht liebenswert ist. Sie werden bedauert, weil ihr Ehepartner ihnen alles andere als Glück und Liebe schenken wird! Was für eine Verachtung gegen ihren auserwählten Ehepartner käme in einem solchen Brief zum Ausdruck!

Ist es bei meinen Briefen denn wirklich so anders? Steckt hinter diesem Mitleid denn nicht auch die Vermutung, dass diese Kirche überhaupt nicht liebenswert ist?! Steckt hinter diesem Mitleid nicht auch eine Verachtung der Kirche?! Der Kirche, der ich mein Leben weihe?

Man kann eine Ehe kaputtmachen, indem man immer wieder Mitleid mit einem der Ehepartner bekundet: «Ach, was hast du es doch schwer! Wie kannst du mir leid tun! Du musst ja wirklich sehr unglücklich sein!» Auf Dauer ist es ohne weiteres möglich, so eine Ehe zu zerstören.

Und genauso kann man einen Priester kaputtmachen, wenn man ihm immer wieder sein Mitleid bekundet: «Ach, was hat es dieser Mann doch schwer, wie unglücklich muss er doch sein!»

So zerstört man Priester. Und so verhindert man Priesterberufungen.

Nur, wenn wir als Christen wieder mehr Freude als Mitleid leben, wieder mehr die Liebe in den Vordergrund stellen und nicht den Verzicht, nur wenn wir als Christen wieder glauben, d.h. Christus und die Kirche lieben, dann kann nicht nur der Priestermangel ein Ende haben, dann gibt es vielleicht auch bald keinen Christenmangel mehr.

Amen.

541. Predigtvorschlag

Lieber Schwestern und Brüder,

Ich hätte jetzt ja ganz große Lust. Es würde mich unheimlich reizen, heute einmal mit den Worten: "Meine lieben Schafe!" zu beginnen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es dann eine Fülle von Protesten hageln würde. Und einige würden wahrscheinlich sogar recht sauer reagieren.

Wer will denn auch schon ein Schaf sein! So viel den Menschen in früherer Zeit der Vergleich mit dem Hirten und seiner Herde möglicherweise auch einmal gesagt haben mag, heute wird man damit kaum noch große Begeisterung hervorrufen.
Aber warum ist das so? Was macht die Vorstellung, ein Schaf zu sein und in der Herde eines Hirten zu leben, denn so furchtbar? Was widerstrebt mir denn so bei dem Gedanken ein Schaf zu sein?

Liebe Schwestern und Brüder,
ich habe versucht, das wirklich einmal ganz konkret durchzudenken: Was ist denn das furchtbare daran, ein Schaf zu sein?
Stellen Sie sich ganz einfach einmal vor: Ich wäre ein Schaf; ich wäre ein kleines, putziges, niedliches Schaf. Und wie alle normalen Schafe, lebe ich unter vielen anderen Schafen, in einer großen Herde, die ganz gemächlich vorwärts trottet, und gefräßig wie sie ist, jeden Tag eine ungeheure Fläche abweidet.
Es ist mir bekannt, dass ein Leben an der frischen Luft mit ständiger Bewegung, und kräftiger, aber vegetarisch ausgewogener Ernährung äußerst natürlich und gesund ist. Und ich habe daher auch allen Grund mit mir und meinem Schafsein zufrieden zu sein. Als intelligentes Schaf weiß ich darüber hinaus natürlich auch nur zu gut wie wichtig und hilfreich die soziale Absicherung im Herdenverband ist.
Es sind nur die dummen Schafe, die sich immer wieder darüber aufregen, dass sie nicht alleine irgendwo hinlaufen können und der Ort, an dem wir abends lagern, immer am Morgen schon vorgegeben ist. Wer ein klein wenig nachdenkt, so wie ich als Schaf das tue, der weiß, wie wichtig es ist, dass jemand, der den Überblick hat, für so eine große Herde vorausdenkt und -plant. Ich habe gesehen, wie Kollegen sich in den Dornen verblutet und in Gruben zu Tode gestürzt haben, weil sie es partout besser wissen wollten.
Ein intelligentes Schaf ist deswegen intelligent, weil es um seine Grenzen weiß und nicht dem Wahn verfällt, alles alleine machen zu können. Ich weiß daher, was ich an unserem Hirten habe.
Glücklich die Herde, die von sich behaupten kann, sie hätte einen guten Hirten, einen, der sich die Mühe macht, bei aller Unwegsamkeit des Geländes, doch noch die besten Weideplätze zu finden, darauf zu hören, wenn einer von uns ganz gequält blökt, weil er sich einen Dorn in den Fuß getreten hat; und vor allem einen Hirten, der nicht nur darauf aus ist, in den Ortschaften am Wegrand, immer ein paar von uns unter der Hand zu verkaufen, um seinen persönlichen Profit dadurch zu steigern.

Selbst der große Stock in seiner Hand, der zugegebenermaßen auch schon das ein oder andere Mal auf meinem Hinterteil landete, vor allem dann, wenn ich im Eigensinn halt unabänderlich und unbedingt geradewegs auf den Abgrund zusteuern wollte, selbst dieser Stock macht mir keine Angst mehr. Ich hab' mit eigenen Augen gesehen, wie der Hirte mit diesem Stock Bestien verprügelte, um uns dadurch zu schützen.

Nein, auf unseren Hirten lasse ich nichts kommen; genauso wie ich das Leben, das ich führe, durch kein anderes auf der Welt eintauschen wollte.

Ja, ich könnte mich wohlfühlen, ich würde mich als Schaf im Paradiese wähnen, wenn in unserer Herde, wenn da der Hund nicht wäre.

Vielleicht liegt es weder an den Schafen noch am Hirten, dass das Bild aus dem heutigen Evangelium, für viele Menschen unserer Tage seine Faszination verloren hat. Vielleicht liegt es ja gerade an denen, die weder Schaf noch Hirtn, sondern Hund sind; an denen, die eigentlich Hirten sein wollten, und sich immer häufiger als Hirtenhunde entpuppen, die der Herde nicht zutrauen, dass sie Herde sein will. Und die sich selbst für zu gut halten, ein Teil der Herde zu sein.
Liebe Schwestern und Brüder, das schöne am Schaf-Sein ist, dem Hirten vertrauen zu können. Das Schöne am Hirtensein ist, dass der Hirte von diesem Vertrauen weiß und darauf baut.

Das, was dieses Bild so unbeliebt macht, ist das mangelnde Vertrauen: Menschen, die einer Schafherde nichts zutrauen und Menschen, die dem Hirten nicht vertrauen. Deswegen feiern wir heute den Sonntag vom Guten Hirten - der seiner Herde Gutes will und Gutes zutraut. Und wir feiern heute auch das Fest der »Guten Herde« - die Herde nämlich, die sich Gott anvertrauen kann, weil sie ihn an der Stimme erkennt. Amen.

542. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, Ich möchte Ihren Blick heute einmal besonders auf die Lesung lenken. Zur Priesterweihe überlegt sich jeder Weihekandidat einen sogenannten Weihespruch, der dann zu einer Art Absichtserklärung oder - wenn man will - so etwas wie eine Überschrift über sein priesterliches Tun sein soll.

Mein Weihespruch, den ich mir zu meiner Priesterweihe, die am Donnerstag genau 9 Jahre her ist, überlegt habe, stammt aus der Lesung, die wir gerade gehört haben. "Wenn Euer Herz euch auch verurteilt, Gott ist größer als Euer Herz."

Manchmal erliegen wir Priester und wir Christen der Versuchung, mit Methoden, Konzepten, Vorschriften und Regeln den lebendigen Glauben herbeizuzaubern. Man rechnet damit, dass die Erfüllung von Vorschriften entweder das innerliche Glaubensleben ankurbelt, oder aber dass man mit geeigneten Methoden ein Gemeinschaftsgefühl erzwingen kann.

Gerade angesichts dieser Tendenz ist es wichtig für die Fülle im Glauben, festzuhalten, dass Glauben und die Beziehung zu Christus eine Herzensangelegenheit ist. Es darf nicht angehen, dass ich, als Priester zum Beispiel, Menschen nach Ihrer Oberfläche beurteile. Was zählt, ist das Herz, und das bleibt meistens im Verborgenen. Uns bleibt daher, nicht zu urteilen, sondern zu stärken, zu trösten und zu helfen. Seid gut, wenn ihr könnt! Es zwingt euch keiner - außer euer Herz.

Wenn wir uns bemühen unser eigenes Herz unter der Oberfläche zum Glühen zu bringen - bedarf es vor allem drei Dinge:
Der Gnade - des Willens - und einer gehörigen Portion Gelassenheit.
Um die Gnade müssen wir beten. Wir können sie nicht erzwingen oder verdienen. Den Willen müssen wir üben, immer neu ausrichten an der Liebe Gottes. Und beides braucht viel Raum und Zeit. Die Ungeduld kann alles wieder zerstören. Wie schnell sind wir an dem Punkt zu sagen: «Das hat alles keinen Zweck, ich kann das nicht, ich schaff das nicht, ich lass das sein. Ich bin nicht fähig dazu, zu glauben, zu beten, Gott zu lieben.» Und flugs sind wir wieder bei den Äußerlichkeiten und hoffen, dass es reicht.

Dabei hat Gott uns guten Grund gegeben zur Gelassenheit. Im heutigen Evangelium heißt es nämlich: «Nicht erst, wer seinen Bruder tötet, sondern wer seinem Bruder auch nur im Herzen zürnt...» Das mag zunächst nach einer Verschärfung der Gesetze aussehen. Aber Meister Eckhart hat es auf den Punkt gebracht: «Du bist verantwortlich für alle deine Intentionen». Auch der, der seinen schlechten Vorsatz aus irgendwelchen Zufällen nicht in die Tat umsetzen konnte - ist verantwortlich für seinen Vorsatz, für seine Intention.
Aber dann gilt auch umgekehrt: Auch dem, der sich die gute Tat fest vorgenommen hat, aber nicht dazu kam, wird das Gute angerechnet werden. Wir kennen das: Böse Worte sind gefallen, man möchte sich vielleicht auch entschuldigen, aber kommt nicht dazu, man bringt es nicht übers Herz oder vergisst es dann doch wieder. Gott vergisst es nicht! Gott ist größer als unser Herz - wir werden erstaunt sein, welche guten Taten uns beim Jüngsten Gericht angerechnet werden - «die hab ich doch nie getan!» All das Gute folgt uns nach, das wir getan haben, aber auch all das, was wir gewollt haben.

Wenn wir nicht anders können - kann ein Lächeln, ein liebender Blick, ein aufmunterndes Nicken - eine ganze Palette von guten Werken ersetzen. Wir sind verantwortlich für unsere Intentionen, und wenn unser Herz uns auch verurteilt, weil wir doch nichts zustande gebracht haben - Gott ist größer als unser Herz. Wir sind auf Gott hin und Gott ist die Liebe. Wenn das kein Grund zur Gelassenheit ist!

Deswegen heißt die Devise der Gelassenen nicht «Mach was aus Dir!» sondern «lass was aus dir machen.» Worauf es wirklich ankommt ist die Liebe. Was wir mitnehmen - irgendwann - ist keine Äußerlichkeit - sondern die Liebe Gottes in uns. Wir brauchen dieser Liebe Gottes in uns nur Platz zu gewähren - möglichst viel - unser Herz weiten.

Und das erreichen wir nicht durch einhämmern von Regeln, Termin, Formularen und Vorschriften, sondern allein durch die Gnade, um die wir bitten, den Willen, den wir üben, und einer gehörigen Portion Gelassenheit.

Amen.

543. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, es ist ein Gerücht, dass Gott alle Menschen gleich liebt. Das wäre zwar schön, aber leider ist es nicht wahr.

Wir haben uns schon sehr daran gewöhnt, soviel von der Liebe Gottes zu reden, dass wir gar nicht mehr bemerken, wie unpassend das oft ist: Wenn Gott wirklich jeden und alle lieben würde, was ist dann mit den Übeltätern, den Monstern in der Geschichte der Menschheit: Hitler, Stalin, Idi Amin, den gewissenlosen Nazischergen und den Kinderschändern und und und...?

Ist Gottes Liebe wirklich wie die Sonne, die allen gleich nah ist? Was ist mit Menschen, die diese Liebe nicht wollen? Gibt es keinen Schatten in dieser Liebe? Sagt Gott: "Selbstverständlich hast Du die Freiheit, "Nein" zu mir zu sagen. Aber mir ist das egal. Ich liebe Dich trotzdem, ganz gleich, ob Dir das recht ist oder nicht..." ?

Nun, man könnte unterscheiden zwischen dem, was eine Person tut, und der Person selbst. Dann heißt es: "Gott liebt nicht die Sünde, aber er liebt den Sünder." Damit nehmen wir uns selbst den Druck, uns die Liebe Gottes verdienen zu wollen, und trotzdem sind wir aufgefordert, die Sünde zu meiden.
Aber so ganz einfach ist das auch nicht. Die Sünde lässt sich nicht sauber und präzise von dem trennen, der sie tut. Indem wir Gutes oder Schlechtes tun, werden wir selbst auch anders: Besser oder schlechter. Schließlich stecken wir ja auch keine Taten ins Gefängnis, sondern den Täter. Oder haben Sie schon einmal ein Gerichtsurteil gehört, dass zwar den Mord verurteilt, aber den Mörder freispricht, weil beides ja verschiedene Dinge sind?
Es ist zwar wichtig, immer die Person hinter den Taten zu sehen; zu fragen, was passiert ist, bevor es zur Sünde kam. Aber doch gerade deswegen, weil beides zusammengehört: Die Tat und der Täter.

"Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben!" sagt Jesus. Was aber, wenn wir die Gebote nicht halten?
"Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage." Was aber, wenn wir das nicht tun, was Jesus uns aufträgt? Dann sind wir doch nicht mehr seine Freunde, oder?
Liebe Schwestern und Brüder, immer wieder heißt es in der Kirche, in Predigten und frommen Texten, dass Gottes uns annimmt, auch wenn wir noch so große Sünder sind. Und dass wir diese Liebe nicht verdienen können, dass er sie uns schenkt.
Das ist sehr wohl richtig, und daran soll auch nichts eingeschränkt werden.

Aber Gott lässt uns auch die Freiheit, seine Liebe nicht anzunehmen. Die Annahme seiner Zuneigung zu verweigern.

Gott wird diese Freiheit respektieren und wird uns seine Liebe nicht aufzwingen.

Wenn wir das prinzipielle Wohlwollen Gottes einem jeden Menschen gegenüber als Liebe bezeichnen wollen, dann liebt Gott tatsächlich jeden Menschen. Aber damit haben wir noch nichts über Gott gesagt, und auch nichts über das tatsächliche Verhältnis eines Menschen zu Gott. Denn Liebe zeigt sich immer erst in dem, was wirklich geschieht. Gott respektiert aber unsere Entscheidung, ein Handeln Gottes abzulehnen.
Wenn wir allerdings - genau wie im alltäglichen Leben - erst dann von Liebe sprechen, wenn ein Mensch die Liebe Gottes annimmt, sich ihr öffnet und sie weitergibt - dann liebt Gott tatsächlich nicht alle Menschen und nicht alle Menschen gleich.

Bei der Liebe geht es nicht darum, positive Gefühle zu entwickeln. Das ist noch keine Liebe, das ist Sentimentalität; das ist einseitig. Liebe bedeutet immer Beziehung und Austausch.

Liebe Schwestern und Brüder, ich möchte die Liebe Gottes nicht kleiner machen, als sie ist. Aber wenn sie sowieso immer da und immer gleich ist, dann ist daran nichts besonderes mehr. Ein solcher Glaube ist Kleinglaube und Kleinliebe.

Nehmen wir das Gebot Gottes ernst: «Liebet einander!». Dann erkennen wir, dass diese Liebe ein unverdientes Geschenk Gottes bleibt; das wir weder machen können noch erzwingen. Dann erkennen wir aber auch, dass es eine Gnade ist, von Gott geliebt zu sein; nichts selbstverständliches und automatisches, sondern eine ganz persönliche, und einmalige Zuwendung Gottes. Amen.

544. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, die Einheit der Jünger ist das große Anliegen in dem Gebet, das wir soeben als Evangelium gehört haben.

Wenn wir an die Einheit der Kirche denken, sind wir schnell bei den anderen christlichen Konfessionen. Die Einheit der Kirche steht aber genauso auf dem Spiel, wenn wir uns die Richtungskämpfe innerhalb der Kirche ansehen. Links gegen rechts, konservativ gegen progressiv, alt gegen neu, Feministinnen gegen Pfarrherren - usw. Ich bezweifle, dass wir zu einer echten ökumenischen Initiative fähig sind, solange wir in unseren eigenen Reihen die Einheit nicht leben.

Das Vorbild für die Einheit ist Gott selbst, der Dreifaltige. So, wie sie eins sind, sollen wir eins sein. In Gott aber gibt es Freiheit und Verschiedenheit (Vater-Sohn-Geist), verbunden in der Liebe und der Ausrichtung.

Uns gemeinsam ist die Ausrichtung auf Gott, der Glaube. Hilfe: Der Satz, den vor allem Johannes XXIII. geprägt hat: Einheit im Notwendigen, Freiheit im Zweifel, in allem aber die Liebe.

Einheit im Notwendigen: Das, was wesentlich zum Glauben und der Kirche gehört, das, was nicht zur Diskussion stehen darf, das verbindet uns und soll auch von allen Teilen der Kirche anerkannt werden.

Das jedoch, was veränderbar ist, was dem Wandel oder dem persönlichen Geschmack unterliegt, was in seiner Verbindlichkeit zweifelhaft ist, das soll jedem freigestellt bleiben: Freiheit im Zweifel.

In allem aber die Liebe: Wenn wir - gegen unsere Neigung - anerkennen müssen, dass etwas nicht verfügbar ist, sondern zum gemeinsamen Glauben zählt, dann sollen wir es in Liebe tun! Nicht mürrisch und zähneknirschend - oder gar in der Haltung des Unterdrückten. Und umgekehrt: Wenn wir anderen die Freiheit in den übrigen Dingen lassen, dann nicht mit einem herablassenden Blick, sondern eben auch in der Liebe.
Nun, ich gebe zu, das klingt einleuchtend. Aber es hilft dann nicht viel, wenn wir uns nicht darüber einigen können, was nun zum notwendigen Bestand des Glaubens gehört, und was zum «zweifelhaften».

Deshalb ein paar Vorschläge, wie wir der Einheit innerhalb der Kirche - in aller Freiheit und Liebe - näher kommen können.
Wir kommen der Einheit und der Freiheit nicht näher ohne die Bischöfe und den Papst. Wenn wir fragen, ob etwas zur Diskussion steht - oder ob es eine Glaubensverpflichtung für die ganze Kirche ist -, dann ist ein Gebot unseres Glaubens, die Entscheidungen Roms und der Bischöfe als erstes Kriterium anzunehmen.
Mit wieviel Liebe begegnen wir der anderen Position? Hören wir noch zu? Sind wir bereit, anzuerkennen, dass der andere (der erzkonservative oder der rücksichtslos progressive) eventuell recht haben könnte? Suchen wir das Gespräch? Nur, um recht zu behalten? Oder auch, um den anderen zu verstehen? (Stephanus: ...hielten sich die Ohren zu)
Oder gehen wir jeder Diskussion mit billigen Ausflüchten und bequemen Vorurteilen aus dem Wege: Mit dem kann man nicht reden - Der ändert seine Meinung sowieso nicht - Die sind verbohrt. Kein Mensch ist so schlecht, dass er nicht das Recht auf ein aufrichtiges Gespräch hätte. Das billigste wäre, sich auf Fernsehen und Zeitung zu verlassen.
Lassen wir uns nicht von Äußerlichkeiten und Kleinigkeiten ablenken. Weder die Kleidung, noch die Auswahl der Gebete oder Tonfall in der Kirche lassen definitive Schlüsse über den Charakter eines Menschen oder einer Meinung zu. Hüten wir uns vor billigen Feindbildern.
In der Kirche ist Platz genug für jeden von uns. Keiner muss seine Identität an der Kirchentür abgeben. Nur eines bleibt ein Gebot: Liebet einander. Wichtiger als unsere Meinungsverschiedenheiten ist die Bereitschaft uns dort zu ändern, wo wir lieblos und unaufrichtig sind.

Denn wenn die Liebe fehlt, ist die Einheit nur noch Zwang. Amen.

545. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

«Alle Jahre wieder kommt das Christuskind», so heißt es in einem Kinder-Weihnachtslied. Alle Jahre wieder feiern wir im Advent die Ankunft des Herrn.

Wozu aber noch auf ihn warten, wenn er schon angekommen ist? Wozu noch nach ihm Ausschau halten, wenn er schon zu sehen ist? Ist er denn nicht schon letztes Jahr Weihnachten angekommen, habe wir denn da nicht schon seine Ankunft gefeiert?

Ist die alljährliche Adventszeit nur ein Kinderspiel? Tun wir nur so «als ob», obwohl der Herr längst unter uns ist?

Nein.

Denn die Ankunft Jesu ist eine Ankunft in meinem Herzen, nicht in der Krippe in der Kirche oder im Fernsehen. Advent feiern heißt, Gott in meinen Alltag hineinlassen, so dass er das ganze Jahr über in meinem Leben gegenwärtig ist. Und dieses «mit Gott leben» muss immer wieder neu begonnen werden. Mindestens jedes Jahr.

Denn wir sind ja immer wieder neu, anders als vor einem Jahr. Unser Leben ändert sich, wir sehen anders aus und haben uns auch innerlich geändert. Deshalb ist es notwendig, Gott wieder neu in unser Leben einzuladen, um sein Kommen zu bitten, Ihm unser Leben hinzuhalten.

So ein Neuanfang schließt aber auch ein, dass wir nicht ständig Altlasten mit uns herumtragen. Der Advent lädt uns ein, wirklich einmal reinen Tisch zu machen, Gott neu zu begegnen. Mit anderen Worten: Ich möchte Sie ganz herzlich einladen, in der Vorbereitung auf Weihnachten auch das Beichtsakrament ernsthaft in ihre Überlegungen einzubeziehen.

Seien wir mal ehrlich: Was uns daran hindert, diese Chance zu nutzen, ist nicht das ganz normale Unwohlsein, wenn wir an die Beichte denken, sondern eher das Zugeständnis, dass wir gar nicht so recht wissen, was wir denn da sagen sollen. Das größte Hindernis zum Neuanfang ist unsere Gedankenlosigkeit.

Im Evangelium heißt es: «Lasst euch von den Sorgen des Alltags nicht verwirren!» Denn diese vielen kleinen Sorgen, die gerade vor Weihnachten Überhand nehmen, halten uns davon ab, zu erkennen, wie es wirklich mit uns aussieht.

Liebe Schwestern und Brüder, nutzen sie die adventlichen Besinnungsangebote, füllen Sie die wenigen Freiräume für die Selbsterkenntnis, die zu einem wirklichen Neuanfang nötig ist.

Beginnen sie damit ruhig heute. Denn jetzt ist die Zeit. Jetzt ist die Stunde. Amen.

546. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Nun beginnt sie wieder, die besinnliche Zeit vor Weihnachten - die Adventszeit. Zeit der Ankunft.

Wir haben hier in der Kirche die erste Kerze des Adventskranzes angezündet und damit deutlich gemacht, dass bereits mit dem Advent die Zeit der Dunkelheit vorbei ist. Ist wird langsam hell, in den nächsten Wochen immer mehr, wenn wir eine Kerze nach der anderen anzünden und an Weihnachten dann den Weihnachtsbaum mit all seinen Lichtern.

Aber das Licht erscheint eben nicht erst an Weihnachten. Die Zeit des Adventes nicht eine Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft Jesu, sondern die Zeit der Ankunft selbst. Das Licht Jesu ist ja bereits erschienen, vor 2000 Jahren.

An Weihnachten feiern wir das: Dass diese Welt, trotz der vielen Schattenseiten, Kriege, Katastrophen und der menschlichen Tragödien eine Hoffnung hat: Eine Zukunft.

Aber bevor wir das feiern, stellt sich eine ganz persönliche Frage: Ist Jesus bei mir angekommen? Habe ich Ihm Platz gemacht?

Im heutigen Evangelium hieß es: «Nehmt Euch in acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren.» Nehme ich mir eine Zeit der Stille? Der Gewissenserforschung? In vielen Vereinen und Gruppen werden Advents- oder Weihnachtsfeiern angeboten. Aber nur, weil sie einen "besinnlichen Teil" haben, heißt das noch nicht, dass ich mich wirklich besonnen habe.

«Wacht und betet allezeit!» Nehmen Sie sich Zeit zum persönlichen Gebet. Allein; in aller Ruhe. Versuchen Sie einmal Abstand zu gewinnen, von dem, was so selbstverständlich geworden ist. Überdenken Sie ihr Leben mit der Frage: Bin ich bereit?

Verschließen Sie ihre Augen nicht vor ihrem eigenen Versagen. Reden Sie sich nicht heraus und beschönigen Sie es nicht. Der Weg zum Beichtstuhl ist hier in Halverde nicht weiter als 3 km - ein schöner Abendspaziergang, mehr nicht.

Verschließen Sie die Augen aber auch nicht vor dem Schönen, dass Ihnen geschenkt wurde. Auch wenn das vergangene Jahr nicht gerade als ein friedliches Jahr in die Geschichte eingehen wird - es ist trotz aller Dunkelheit erleuchtet von vielen kleinen Liebesbeweisen, die unser Leben erhellen.

«Richtet Euch auf, erhebt Eure Häupter, denn Eure Erlösung ist nahe.» - Wer wirklich glaubt, dass Gott uns nahe ist in seiner Kirche, in Beichte und Eucharistie, der kennt keine Dunkelheit mehr. Lassen Sie uns Licht sein für die Welt, damit sie erkennt: Der Herr, unser Gott Jesus Christus, ist mitten in dieser Welt.

Amen.

547. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Klagen und Stöhnen über die Hektik in der sogenannten Vorweihnachtszeit gehört schon fast genauso zum Advent wie der ständige Hinweis in besinnlichen Stunden, doch endlich einmal zur Ruhe zu kommen.

Und tatsächlich: Wenn Advent bedeutet, dass wir die Ankunft des Herrn erwarten, so ist es nicht so, dass wir dem kommenden Gott bewusst die Türe vor der Nase zuschlagen oder erst gar nicht öffnen: Nein, es scheint vielmehr so zu sein, dass wir - in Erwartung des «ankommenden Gottes» schlicht nicht zu hause sind. Sollte Gott nämlich tatsächlich einmal zu uns kommen wollen, so wird er keine verschlossenen Türen vorfinden - sondern verlassene Häuser.

Mit dem ständigen «Unterwegssein» meine ich nicht nur die Tatsache, dass wir so viele Besorgungen zu machen haben oder von einer Veranstaltung zur nächsten hasten. Mit dem ständigen «Unterwegssein», dem schlichten «Nicht zu hause sein» meine ich vielmehr unsere innere Unruhe.

Deshalb - lassen sie mich ihnen einen Tipp geben:

Das, was wohl in fast aller Munde ist, ist wahrscheinlich die Frage nach den Geschenken. Es ist ja nun auch gar nicht so einfach: Es soll ein persönliches Geschenk sein, nichts bloß Dahergekauftes, es soll Liebe und Mühe darin stecken und auch noch dem gefallen, für den es gedacht ist. Eingepackt werden muss es zwar auch, aber selbst die schönste Verpackung macht aus einem lieblosen Gegenstand noch kein Geschenk.

Wer wirklich von Herzen schenkt, ist dann schließlich auch selbst der Beschenkte,

Liebe Schwestern und Brüder, was schenken Sie eigentlich dem «Christkind»? Was machen Sie eigentlich dem kommenden Herrn zum Geschenk?
Haben Sie daran überhaupt schon gedacht?

Mein Vorschlag: Machen Sie sich selbst dem Herrn zum Geschenk. Achten Sie dabei weniger auf die Verpackung. Geschenke sollen schön und gut sein, nicht nur schön und gut verpackt.

Zum schönen und guten Geschenk wird man, wenn man Schönes und Gutes tut. Kümmern Sie sich um sich, sonst ist es kein persönliches Geschenk mehr. Natürlich kostet das Mühe und Liebe - aber, wir haben das ja festgestellt, das macht ja eben ein echtes Geschenk aus. Tun Sie ruhig mal etwas, das Ihnen nicht so leicht fällt. Das kostet nicht viel Zeit - schenkt aber sehr viel Wärme. Warten Sie mit Ihren gut Vorsätzen nicht erst bis Neujahr - sonst könnte es sein, dass der einzige, der in ihrer Familie am Weihnachtsabend kein Geschenk bekommt, Christus ist.

«Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet Ihm die Straßen! Zieht hinaus und bekennt Eure Sünden!» heißt es im Evangelium. Und, mit Verlaub, hier in den beiden Holzschränken in der Kirche bekommen Sie - völlig kostenlos, jeden Samstag - den schönsten Weihnachtsschmuck. Amen.

548. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

ich werde manchmal gefragt, wie es mir so geht, in einer Kirche Gottesdienst zu feiern und zu predigen, die von Jahr zu Jahr immer leerer wird - und manchmal noch nicht einmal zu einem Viertel gefüllt ist. Macht sich da nicht Verärgerung oder Frust breit? Verliert man da nicht die Lust und die Freude an der Vorbereitung und der Feier der Gottesdienste?

Nun, ich gebe zu, dass ich mich hier und da von einer gewissen Wehmut nicht frei machen kann. Es wäre doch viel schöner, in einer vollen Kirche mit lautstarkem Gesang und vielen Betern zu feiern - in dem schönen Bewusstsein, nicht allein zu sein.

Aber ich weiß auch, wie schwer es den Christen heute fällt, im Gottesdienst noch richtig mit Gott in Berührung zu kommen. Dabei liegt das eigentliche Problem nicht im Gottesdienst selbst und in seiner Gestaltung, sondern in unserer Unfähigkeit, zur Ruhe zu kommen und die Stille mit Gott zu teilen.

Wir sind es gewohnt, immer beschäftigt zu sein: Schule, Arbeit, Haushalt, Termine und Feierlichkeiten, Fernsehen und Ausflüge - immer ist etwas los. Stille im Haus und gemeinsame Zeiten des Gebetes sind dem modernen Menschen selten - manchmal sogar in christlichen Familien vollkommen unbekannt.
Wir sollen wir da im Gottesdienst aufmerksam sein für die feinen Töne, die Gott anschlägt? Wie sollen wir da eine Dreiviertelstunde am Wochenende uns selbst vor Gott bringen - wenn wir doch die ganze Woche nicht einmal zehn Minuten freiwillig mit uns allein gewesen sind?

Ich habe also viel Verständnis dafür, dass ein Gottesdienstbesuch Überwindung kostet. Und dass oft die Messe selber zu wenig interessant ist, zu wenig Ablenkung bietet - und uns überfordert, weil wir nicht mehr gewohnt sind, unsere Zeit mit Gott von innen her selbst zu gestalten.
Es kann also nicht Auftrag des Priesters oder der Gemeinde sein, die Menschen in die Kirche zu locken. Was sollen sie da, wenn sie nicht mehr beten können?
Es muss vielmehr unsere gemeinsame Aufgabe sein, den Glauben und das Gebet, die Zeiten der Ruhe und der Stille im Alltag wieder zu beleben. Aber da türmen sich Schwierigkeiten ohne Ende: Termine, Leistungsdruck, das Gefühl, etwas zu verpassen, Feierlichkeiten bis in die Nacht, Events, Action und natürlich immer wieder das Fernsehen.

Und wieder stellt sich die Frage: Macht sie das nicht mutlos? Was kann man schon gegen eine solche Batterie von Hindernissen tun - als Priester, als Gemeinde, als Vater und Mutter?

Ich habe keine Angst. Denn das heutige Evangelium spricht gerade in unsere Zeit die Verheißung, das Gott selbst seinen Weg bereiten wird: «Jede Schlucht möge aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken.» Was auch immer uns von Gott trennt, wenn wir glauben und beten möchten, dann wird Gott uns den Weg bereiten: «Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden.» Wir gehen selbst in der Familie so unterschiedliche Wege, dass wir kaum zum gemeinsamen Aufbrechen kommen. Aber Gott verheißt uns: «Und alle Menschen,» - alle! - «werden das Heil sehen, das von Gott kommt!»

«Schau nach Osten und sieh deine Kinder: Vom Untergang der Sonne bis zum Aufgang» - also aus dem Dunkeln der Gottferne - «hat das Wort des Heiligen sie gesammelt. Sie freuen sich, dass Gott an sie gedacht hat... Gott bringt sie heim!»

Ich als Priester bin nicht der Herr der Gemeinde, der Euch locken muss. Ich bin der Diener derjenigen, die Gott feiern möchten und zum Beten hier sind. Ich bin dankbar für jeden, der hier ist - und lade Euch ein, ebenfalls Gott zu danken, der Euch hierher geführt und Euren Weg geebnet hat - und die Gnade schenkt, Ihm hier zu begegnen.

Amen.

549. Predigtvorschlag

Die Wüste und das Feuer
Waren Sie schon einmal in einer Wüste? - Sicher denken wir bei diesem Wort zuerst an die wasserlosen Einöden, die weite Gegenden Afrikas prägen und die sich leider immer weiter ausbreiten, an Karawanen und vielleicht an die Rallye Paris-Dakar.
Wenn Sie noch nicht in einer solchen Wüste gewesen sind - ich bin sicher, irgendeine Wüste haben Sie schon erlebt oder sogar erlitten! Was gibt es nicht alles für Wüsten in unserer Zeit! Betonwüsten und Sinnwüsten, Beziehungswüsten und andere Wüsten, die von Menschen gemacht sind, wie etwa die ganze Gegend um Tschernobyl in Weißrußland, wo nur noch Menschen leben, die sich nichts mehr aus der tödlichen unsichtbaren Gefahr machen, die dort herrscht.
Heute möchte ich mit Ihnen das Bild der Wüste betrachten, das ja ein ganz starkes, vielleicht das stärkste adventliche Bild ist, das wir haben. - Stimmt das denn? Haben wir nicht den Kranz und die Kerzen, singen wir nicht "Macht hoch die Tür" und "Tauet Himmel den Gerechten", die auch wunderbare Bilder und Symbole sprechen lassen? - Das ist richtig. Aber die Wüste ist schon ein besonderes Zeichen, denn der direkte Vorläufer Jesu, man könnte sagen: der im wahrsten Sinne adventliche Mensch - Johannes der Täufer - hatte seinen Wirkungsort in der Wüste.
Als Sohn eines Priesters - Zacharias - war für ihn vermutlich eine Tätigkeit in Jerusalem vorgesehen, im kultischen und politischen Mittelpunkt des Volkes Gottes. Doch Johannes ließ sich in die Wüste rufen, und dorthin - an den Jordan - rief er die Menschen, damit sie sich dort von ihm taufen ließen.
Vermutlich können wir uns heute gar nicht mehr recht vorstellen, welche Erregung es damals bei vielen Menschen ausgelöst haben mag, als bekannt wurde: Da ist einer, der kündigt den Kommenden an, den Messias! - Wir können davon ausgehen, daß die Menschen wie elektrisiert waren. Warum? Weil in dieser Gestalt, die die Menschen erlebten - eine prophetische Gestalt, im Kamelgewand, mitten in der Wüste - sofort die Erinnerung an eine andere prophetische Gestalt wachwurde, an den Propheten Elija. Elija, der zur Zeit der unseligen Königin Isebel im 9. vorchristlichen Jahrhundert leidenschaftlich für die Verehrung des einen Gottes Jahwe eintrat, dieser Elija würde nach der Überzeugung der frommen Juden unmittelbar vor dem Kommen des Messias wiederkommen und das Volk sammeln.
Und jetzt geschah genau dies! So waren viele, als sie von Johannes hörten und ihn erlebten, überzeugt: Das ist niemand anderes als der Prophet Elija!
Und noch aus einem anderen Grund löste das Auftreten Johannes des Täufers eine Bewegung im Volk aus: Sein Stehen in der Wüste erinnerte daran, daß die Wüste ein besonderer Ort war: das Volk Israel mußte nach der Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens vierzig Jahre durch die Wüste ziehen, bis vor seinen Augen das Gelobte Land erschien. -
Genau das gleiche mußten die Menschen jetzt auch tun: Aus den Städten und Dörfern, die sie bewohnten, mußten sie in die Wüste ziehen, um dort Johannes zu treffen und sich von ihm taufen zu lassen. - Gibt es ein stärkeres, ein sprechenderes Bild für Umkehr und Erneuerung als dieses?
Wie können wir dieses Bild der Wüste heute verstehen? -Wir können es nur verstehen, wenn wir es auf uns beziehen, auf unsere Gemeinden, auf unsere Kirche. Waren wir nicht über viele Jahre gewohnt, daß sichere kirchliche und gemeindliche Strukturen da waren, daß es sozusagen überall Städte und Dörfer gibt, die uns Geborgenheit geben, die uns die Gewißheit vermitteln, daß es schon irgendwie weitergeht mit dem Programm und den Angeboten und den Möglichkeiten in unseren Gemeinden - und wir merken erst spät, ganz spät, daß Wüstenerfahrungen in unserer Mitte immer mehr zur Wirklichkeit werden, weil es weniger Gläubige gibt, weniger Ehrenamtliche, weniger Ordensleute, weniger Priester … und nicht nur das: Familien brechen auseinander, Menschen brechen Beziehungen ab, … da wächst Wüste, da wird eine Einöde immer größer, die vielen Menschen Angst macht.
Wir feiern Advent. Heißt Advent nicht auch, in die Wüste hinauszuziehen? Da wartet Johannes auf uns, da wartet der Jordan auf uns. Da müssen wir uns entscheiden: Kann ich diesem Johannes und seinen Worten wirklich glauben? Ist Gott wirklich so streng, wie er es sagt, daß er die Spreu vom Weizen trennen will? Oder ist vielleicht Johannes ein bißchen durchgedreht? Ein Öko-Freak oder eine Art biblischer Tarzan oder so? Was soll man von dem halten?
Nicht nur damals bestand diese Frage, auch heute. Auch heute gibt es Gestalten wie Johannes der Täufer, die mahnen und bezeugen: Gott kommt, er kommt uns entgegen, er möchte, daß wir ihm die Straßen und Wege bereiten! Gott ist nicht eine Idee, eine Zusammenfassung schöner Wahrheiten, Gott kommt uns leibhaftig entgegen, er rückt uns auf die Pelle, er interessiert sich für uns! - Solche Menschen, die das sagen, die gibt es auch heute! Ich denke da an unseren Papst Benedikt und an seinen Vorgänger Johannes Paul.
Jesus selbst hat ganz offensichtlich an Johannes geglaubt. Er hat ihm keine Fragen gestellt, sondern hat sich in die Reihe der Sünder gestellt, zwischen die Zöllner und Soldaten, zwischen kleinen und großen Gaunern, zwischen Zweiflern und Neugierigen. Für diese Gesellschaft war er sich nicht zu fein.
Heute feiern wir den Sonntag Gaudete, den Sonntag der Vorfreude auf Weihnachten. Wie können wir uns wirklich auf Weihnachten freuen? Wenn wir uns von innen her öffnen und aufbrechen dahin, wo Wüste ist - und die ist für uns nicht in Afrika und auch nicht in einer verwahrlosten Plattenbausiedlung - sondern die Wüste, die ist oft genug in unserem eigenen Inneren, in mir selbst. Der große Heilige und Kirchenlehrer Bernhard von Clairvaux sagt darum über die große Gnade, dem Kommenden entgegenzugehen:
"Du, Mensch, du brauchst keine Meere zu überqueren, keine Wolken zu durchdringen oder die Alpen zu überschreiten. Du brauchst keinen weiten Weg zu machen, sage ich. Geh deinem Gott entgegen zu dir selbst (…). Geh ihm entgegen bis zur Reue des Herzens und zum Bekenntnis des Mundes, damit du aus dem Unrat deines beklagenswerten Wissens herauskommst."

550. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

«Mache dich auf und werde Licht» - so heißt es beim Propheten Jesaja und so heißt auch ein Adventslied. «Werde Licht» - wie geht das? Wie kann ich selbst wieder mehr leuchten? Wie kann ich das, was in mir dunkel oder verloschen ist, wieder hell machen und neu entzünden?

Zu einer Kerze, die nicht mehr brennt, kann man sehr oft sagen: Brenne! Werde Licht! Und trotzdem wird sich an einer verloschen Kerze dadurch nicht viel ändern. Das könne sie gerne am Adventskranz einmal ausprobieren. Das einzige, was eine Kerze zum Brennen bringen kann, ist wiederum eine brennende Kerze - oder ein Streichholz.

Übertragen auf uns bedeutet das: Wir werden nicht dadurch leuchtende, begeisterte Menschen bekommen, indem wir immer wieder ermahnen. Wir werden auch selbst nicht zu lichtvollen, adventlichen oder sogar weihnachtlichen Menschen, indem wir uns zusammenreißen, sondern allein dadurch, dass wir uns anstecken lassen.

Augustinus hat einmal gesagt, dass die normale Art der Glaubensweitergabe die der Ansteckung ist, wie bei einer Erkältung. Damit das geschehen kann, müssen wir allerdings Abstände überwinden, müssen wir uns näher kommen.

Vor allem aber kann das nur geschehen, indem wir uns wieder Gott nähern, seine Nähe suchen und das abbauen, was zwischen uns und Gott steht. Ihn vor allem darum bitten, dass er uns erleuchtet.

Versuchen Sie es doch einmal mit dem stillen Gebet. Werden Sie einfach mal ganz ruhig, so dass Gott sich ihnen nähern kann. Ich lade Sie dazu ganz herzlich ein - am Sonntag nachmittag in der Andacht, oder auch ganz für sich alleine. Lass sie Gott Zeit, sich ihnen zu nähern.
Oder versuchen sie es doch einmal mit dem ruhigen, ungestörtem Lesen in der Bibel. Nicht so, wie man einen Roman lesen würde. Sondern so, als ob sie einen Brief vor sich hätten. Lassen sie Gott Zeit, ihnen etwas zu sagen.

Denn Er ist es, der uns erleuchtet. Wir müssen nichts machen.

In diesem Sinne ist auch die Predigt des Johannes zu verstehen: Er zeigt uns durch seine Mahnungen, die manchmal ganz schön hart klingen können, den Weg, wie wir Gott begegnen können. Er ist nicht selbst der Weg, denn wer sich so verhält, wie Johannes es den Menschen seiner Zeit rät, der ist nicht bereits erlöst oder erleuchtet. Wir können uns nicht dadurch befreien, indem wir uns zusammenreißen.
Aber wir können uns bereiten, um dem Erlöser zu begegnen. Das ist die Aufgabe des Johannes: Den Weg zu zeigen, den Menschen eindringlich die Möglichkeit vor Augen halten, sich auf den Weg zu machen, um dem zu begegnen, der da kommt.

Wir werden Licht, wenn wir uns entzünden lassen. Gott ist es, der alleine das tun kann. Das wäre Weihnachten: Das Gott - durch uns - die Nacht der Menschen erleuchtet.
Und Advent ist dann vor allem die Zeit, in der wir uns diesem Gott wieder neu nähern, ihn an uns heranlassen. Beiseite legen, was das Licht behindert.

«Wer zwei Gewänder hat, der gebe dem, der keines hat,
wer zu essen hat, der handle ebenso.»

Vielleicht wäre die Adveniat-Kollekte eine von verschiedenen Gelegenheiten dazu.

Vielleicht denken Sie aber auch noch einmal an den Empfang des Beichtsakraments. Man gönnt sich ja sonst nichts. Amen.

551. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, sowohl in der Fastenzeit als auch in der Adventszeit gibt es einen Sonntag der Vorfreude; er soll uns daran erinnern, dass Jesus ja nicht erst Weihnachten 2003 auf die Welt kam - sondern dass seine Gegenwart in dieser Welt schon Realität ist. Nur unsere Antwort auf Seine Menschwerdung erneuern wir durch die Feier des Weihnachtsfestes.

"Gaudete" heißt dieser dritte Sonntag im Advent, indem wir schon einmal verhalten zum Ausdruck bringen, dass die Weihnachtsfreude schon jetzt in unser Leben ausstrahlt.

Es gibt allerdings auch so einiges, dass uns manchmal die Freude vermiesen will. Dazu gehört natürlich der übliche vorweihnachtliche Stress: Ein Fest will gut vorbereitet sein - und das nimmt uns manchmal über die Maßen in Anspruch. Besonders das Fest des Schenkens kostet uns nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Ruhe.

Aber es gibt einen noch größeren Feind der Freude: Das sind wir selbst. Da ärgern wir uns gelegentlich über die leeren Kirchenbänke; kaum füllt sich aber wenigstens an Weihnachten die Kirche wie zu Zeiten aus dem letzten Jahrhundert - und wir klagen schon wieder. Klagen über die U-Boot-Christen, die sonst nie kommen. Anstatt uns darüber zu freuen, dass wenigstens ab und zu die kommen, die wir das Jahr über vermissen, werfen wir ihnen noch vor, dass sie uns die Plätze wegnehmen.

Warum freuen wir uns nicht einfach? Das würde uns und unseren seltenen Gästen gut tun.

An Weihnachten wird für Adveniat gesammelt; eine schöne Sache, finde ich. "Gott liebt einen freudigen Spender" versetzt uns in die Lage, gerade durch unsere Spende Freude zu erfahren. Wir sind gottseidank wohlhabend genug, von unserem Besitz abzugeben und weiter zu schenken. Aber anstatt dass wir uns darüber freuen, haben wir ständig das Gefühl, als wenn wir uns freikaufen würden und angesichts des Leids in der Welt eigentlich nicht wirklich feiern dürfen. Als wenn es den Menschen in Afrika besser gehen würde, nur weil wir uns das Lachen verbieten!

An Weihnachten erinnert uns die Kirche daran, dass Gott nur aus einem einzigen Grund Mensch geworden ist: Um uns von unserer Schuld zu erlösen. Keinen anderen Grund gab es für Gott, unser Leid und unseren Tod zu teilen. Aber anstatt dass wir im Sakrament der Beichte diese Erlösung in Anspruch nehmen und wirklich erfahren, was Befreiung für ein schönes Gefühl sein kann, reden wir uns ein, wir hätten nichts getan und hätten auch keine Vergebung nötig - und leben weiterhin mit einem schlechten Gewissen und machen auch anderen noch eins.

Wieviel Freude könnte es uns machen, Gott wirklich in den Mittelpunkt zu stellen: Mich daran zu freuen, dass ich beten kann; dass ich in der Kirche nicht allein bin; dass Gott mir verzeiht, wenn ich um Verzeihung bitte.

Vielleicht liegt es an unserer Mentalität - sagen einige: «Die Deutschen wären nicht zufrieden, wenn sie nichts zu klagen hätten.» Nun, dann müssten wir ja hochzufrieden sein.

Dietrich Mendt schreibt in einer Geschichte von dieser Freude, die uns verlorengegangen ist:

Als ich dieses Jahr meine Pyramide und die Krippe und die zweiunddreißig Weihnachtsengel wieder einpackte, behielt ich den letzten in der Hand.

"Du bleibst", sagte ich. "Du kommst auf meinen Schreibtisch. Ich brauche ein bisschen Weihnachtsfreude für das ganze Jahr."
"Da hast du aber ein Glück gehabt", sagte er.
"Wieso?" fragte ich ihn.
"Na, ich bin doch der einzige Engel, der reden kann."
"Wieso kannst du eigentlich reden? Das gibt es doch gar nicht. Du bist doch aus Holz!"
"Wenn jemand einmal nach Weihnachten einen Engel zurückbehält, nicht aus Versehen oder weil er sich nichts dabei gedacht hat, sondern wegen der Weihnachtsfreude, wie bei dir, dann können wir reden. Aber es kommt ziemlich selten vor. Übrigens heiße ich Heinrich."

Seitdem steht Heinrich auf meinem Schreibtisch. In seinen Händen trägt er einen goldenen Papierkorb, oder vielmehr: Einen Müllkorb. Ich dachte erst, er sei nur ein Kerzenhalter, aber da hatte ich mich geirrt. Wenn ich mich über irgendetwas ärgere, hält er mir seinen Müllkorb hin und sagt: "Wirf rein!" Ich werfe meinen Ärger hinein - und weg ist er!

Manchmal ist es ein kleiner Ärger, zum Beispiel wenn ich wieder meinen Kugelschreiber verlegt habe oder eine fremde Katze in unserer Gartenlaube vier Junge geworfen hat. Es kann aber auch ein großer Ärger sein oder eine große Not oder ein großer Schmerz, mit dem ich nicht fertig werde.

Eines Tages fiel mir auf, dass Heinrichs Müllkorb immer gleich wieder leer war.
"Wohin bringst du das alles?"
"In die Krippe", sagte er.
"Ist denn so viel Platz in der kleinen Krippe?"
Heinrich lachte. "Pass auf! In der Krippe liegt ein Kind, das ist noch kleiner als die Krippe. Und sein Herz ist noch viel, viel kleiner."
Er nahm seinen Kerzenhalter unter den linken Arm und zeigte mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, wie klein.
"Denn deinen Kummer lege ich in Wahrheit gar nicht in die Krippe, sondern in das Herz dieses Kindes."

Auf einmal wollte ich Heinrich noch vieles fragen, aber er legte den Finger auf den Mund. "Psst!" sagte er. "Nicht reden! Nur sich freuen!"

552. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Schon Johannes Paul II. hat - in der Vorbereitung auf das Jahr 2000 - immer wieder ein Jahresmotto ausrufen lassen. Damals fand diese Initiative es Papstes zunächst nur geringe Resonanz in Deutschland. Man war allem, was aus Rom kam, eher skeptisch bis desinteressiert gegenüber.

Das hat sich allerdings geändert. Die Themen, die Papst Benedikt inzwischen verschiedenen Jahren gegeben hat, wurden auch in Deutschland eifrig aufgegriffen; freilich nicht immer ganz im Sinne des Erfinders.

Ein Jahr das Glaubens auszurufen, um gerade angesichts des immer größer werdenden Glaubensschwundes deutlich zu machen, was eigentlich Inhalt unseres Glaubens ist, geht nur dann, wenn zumindest die Verantwortlichen in den Gemeinden, den Verbänden, Diözesen und Bildungseinrichtungen noch eine Ahnung davon haben, was Glauben eigentlich ist. In manchen Fällen wage ich daran zu zweifeln.

So hört man hier und dort aus offiziellen Quellen, dass Glauben bedeutet, neue Wege zu gehen - das solle man doch nun im Jahr des Glaubens einmal ausprobieren. Sich selbst überschreiten - das sei ein Akt es Glaubens. Aus dem Gewohnten ausbrechen; im Vertrauen auf Gottes Wort Überliefertes in Frage stellen... alles das sei das, worum es eigentlich im Glauben geht.

Wir schauen heute auf Maria. Von ihr sagt Elisabeth: "Selig, die geglaubt hat, was der Herr ihr sagen ließ." Von ihr sagt die Kirche, dass die die Mutter der Glaubenden sei und die Mutter der Kirche. Von ihr können wir sicherlich lernen, was glauben heißt.

Nun - neue Wege gehen? Aus dem Gewohnten ausbrechen? Sich selbst überschreiten? Nun ja - Maria hat sich zur Geburt auf den Weg nach Bethlehem gemacht; aber nicht, weil sie aus dem Gewohnten ausbrechen wollte ("Nicht immer nur die Geburt in Nazareth - es muss doch auch etwas anderes geben...?!"), sondern weil sie durch die Volkszählung dadurch gezwungen wurde.
Sie brach nach Ägypten auf - aber nicht, um ihrem Leben neue Horizonte zu erschließen, sondern weil sie vor Herodes floh.
Maria hat sicherlich sich selbst überschritten - vom kleinen Mädchen in Nazareth zur Mutter der Christenheit. Aber nicht deshalb, weil sie mal etwas Neues ausprobieren wollte. Sondern, weil sie auf den Anruf Gottes einfach nur mit "Ja" geantwortet hat.

Glauben, so lehrt uns Maria, besteht aus einer Antwort auf all die Widrigkeiten des Lebens, eine Antwort voller Gottvertrauen. Eine Antwort, die sich nicht deshalb auszeichnet, weil sie neu, kreativ und aus allem verknöchertem aufbrechend ist. Maria war traditionell, einfach und schlicht - und sie blieb es ein Leben lang.

Maria hat geglaubt, weil sie einfach das, was Gott, der Engel, aber auch ihre Religion ihr sagen ließ, gläubig angenommen. Wir dagegen haben manchmal das Gefühl, dass nur der wirklich glaubt, der wie Abraham (dem Vater des Glaubens) alles hinter sich lässt und neu beginnt. Maria (als Mutter des Glaubens) zeigt, dass es auch anders geht. Ja, dass in dem einfachen Glauben, der "Für-Wahrhalten" und "Gottvertrauen" verbindet, ohne sofort zu Selbsterfahrungsgruppe in Jerusalem aufzubrechen und sich für Ikebanakurs in Hebron anzumelden. Um wahrhaft zu glauben, müssen sie sich nicht zu einem Glaubenskurs im Hochseilgarten anmelden und auch keinen Kibbuz besuchen.

Ertragen Sie Mann, Frau, Kinder, Nachbarn und alle anderen Menschen, versuchen Sie, alle zu lieben. Glauben Sie, Beten Sie, Beichten Sie - und vertrauen Sie Gott, dass er Seine Verheißungen wahr macht. Seien Sie treu im Kleinen, liebevoll in allem und fromm.

Dann liegt in der Krippe ihres eigenen Lebens mehr Gott als den Broschüren aller geistlichen Angebote zusammen. Dann kann Weihnachten werden. Amen.

553. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder - haben Sie alle Geschenke? Ist alles besorgt oder eingekauft für den Heiligen Abend und die Feiertage? Für die Lehrer unter uns: Sind alle Klausuren korrigiert, alle Klassenarbeiten nachgesehen? Für die Priester: Sind alle Predigten geschrieben? Für die, die in den nächsten Tagen sogar noch Geburtstag haben: Ist die Suppe für die Gäste bestellt?

Bei all dem Stress - immer nur an andere denken - wünschen wir uns manchmal, wir könnten uns in unser stilles Kämmerlein zurückziehen, einfach nur eine Kerze anzünden, etwas Musik auflegen und in Ruhe den Advent genießen. Aber - es gibt doch soviel zu tun! Wir kommen eindeutig mit der Sorge für unser eigenes Wohl zu kurz.

In einem frommen Buch habe ich gelesen, dass es helfen soll, in solchen Augenblicken Maria in den Blick zu nehmen; wie sie in alle Ruhe, Einfachheit und Stille das, was geschah, in Ruhe in Ihrem Herzen bewegte und darüber nachsann.

Hm... Der Blick in das heutige Evangelium der Begegnung zwischen Maria und Elisabeth hinterlässt aber einen ganz anderen Eindruck.

Als Maria die Botschaft vom Engel vernahm, dass sie die Mutter des Erlösers werden sollte, hat sie sich eben nicht in ihr stilles Kämmerlein zurückgezogen, eine Kerze angezündet, eine CD aufgelegt und den Advent genossen. Im Gegenteil - sie macht sich unmittelbar danach auf und eilt (!) zu ihre Kousine Elisabeth. Was da alles zu organisieren war für so eine Reise, was alles einzupacken und zu regeln! Und dann erst im Haus der Elisabeth - die Geburtsvorbereitungen, Absprachen, die Sorge für den dortigen Haushalt; danach die Geburt und die ersten Tage mit dem neugebornen Johannes. Und danach die beschwerlich Reise wieder zurück.

Kaum zuhause angekommen, geht es wieder los - diesmal nach Bethlehem, Josef kommt daher. Und das in der Zeit ihrer Hochschwangerschaft! Und dann dieses logistische Chaos in Bethlehem! Was für ein Stress.

Aber nicht genug - kaum sind sie wieder in Nazareth, kommt Josef mit der Hiobsbotschaft, dass sie nun nach Ägypten fliehen müssen. Schon wieder - Organisation, Planen, Absprachen und Stress.

Maria als beschauliche Adventliche Person? Kommt sie überhaupt dazu, etwas für sich zu tun? Hm.. vielleicht doch. Denn alles, was Maria für andere - für Elisabeth, für Josef, für Jesus - tut, tut sie auch für sich. Vielleicht brauchen wir im Advent gar nicht soviel Zeit für uns - wenn wir erkennen, dass alles, was für andere tun, auch ein Tun für uns ist. Ja, vielleicht gewinnen wir sogar Freude daran und schaffen doch noch einen kleinen Besuch bei denen, die sonst niemand besucht - oder ein Anruf bei dem, mit dem wir zerstritten haben, schon vor Jahren... oder...

Aber nicht nur der Perspektivwechsel - alles Gut-Tun für andere ist auch Gut-Tun für uns selbst - hilft. Wir müssen nicht unbedingt Dinge unterlassen, um zur Luft zu kommen. Vielleicht hilft es sogar, noch einige Dinge zusätzlich in en Blick zu nehmen.

Wenn wir uns nicht nur darum sorgen, dass unsere Lieben am Heiligabend satt werden - sondern auch selig; wenn wir sie nicht nur mit Geschenken, sondern auch mit Gebeten bereichern; wenn wir nicht nur Frieden in der Familie, sondern auch Frieden mit Gott stiften - wenn es uns nicht nur um das leibliche Wohl, sondern auch um das ewige Heil der Menschen geht, dann ist plötzlich alles Tun von einem größerem Ernst und größere Tiefe - und durch größere Erfüllung weit von jedem Stress entfernt.

Sie glauben das nicht? Nun, deshalb heißt es ja auch am Ende des Evangelium: Selig bist Du, Maria, dass Du geglaubt hast. Amen.

554. Predigtvorschlag

Weihnachten - das Fest des Friedens steht bevor. Zu Weihnachten verkündeten Engel den Frieden auf Erden, und auch in der heutigen Lesung heißt es am Schluss: «Sie werden in Sicherheit leben, denn nun reicht seine Macht bis an die Grenzen der Erde. Und er wird der Friede sein.»

Weihnachten als Fest des Friedens - offensichtlich eine Illusion. Denn die Kriege in Afghanistan, Burundi, im Libanon, im Sudan, in Somalia und in Liberia gehen genauso weiter wie die anderen Kriege in der Welt. Genauso auch die kleinen Kriege, die wir führen: Die mehr oder weniger privaten Auseinandersetzungen. Der Statistik nach sind gerade über die Feiertage Auseinandersetzungen innerhalb der Familie besonders häufig.

Weihnachten als Fest des Friedens? - Was haben denn die Engel gemeint, die den Hirten den Frieden auf Erden verkündeten? Wo ist er denn geblieben, der Friede?

Gehen wir einmal davon aus, dass die Engel, die den Hirten damals den Frieden auf Erden verkündet hatten, gewusst haben, was sie da sagen. Was hat sich denn in dieser Nacht in der Welt getan?

Gott selbst hat sich in jener Nacht der Menschen angenommen, ist Mensch geworden. Gott selbst hat in jener Nacht seinen festen Willen zum Ausdruck gebracht, dass er jetzt Frieden machen möchte mit den Menschen. Er hat sich - als kleines Kind - in die Hände der Menschen gegeben. Was die mit ihm gemacht haben, das hängt ja bei uns überm Altar: Gekreuzigt haben sie ihn.

Ein vergeblicher Friedensversuch Gottes?

Ob das, was sich in jener Nacht ereignet hat, tatsächlich vergeblich gewesen ist, das hängt von uns ab. Denn Gott hat sich nicht nur in die Hände der Menschen von vor 2000 Jahren gegeben. Er lässt sich buchstäblich auch in unsere Hände geben; und jetzt hängt alles davon ab, was wir mit ihm machen.
Es wäre uns wahrscheinlich lieber, wenn die Engel, die den Frieden verkündet haben, auch selbst für den Frieden sorgen würden. Aber dem ist leider nicht so. Die Engel, die Frieden auf Erden sagten, haben uns damit gemeint. Sie haben gemeint, dass nun, wo Gott sich friedlich und unscheinbar in unsere Welt begibt, wir auch Frieden miteinander schließen können. Was können wir bei einem solchen Frieden schon verlieren, wenn Gott uns seinen Beistand verheißen hat?

Und so heißt es ja auch im Weihnachtsevangelium korrekt: Frieden auf Erden den Menschen, die guten Willens sind.

Es liegt an uns, was wir aus dem Frieden, den Gott mit uns geschlossen hat, machen. Oder, mit anderen Worten: Es liegt letztlich daran, was wir aus uns machen lassen.

Gott hat sich zu uns gesellt, mit uns nicht nur Frieden, sondern sogar Freundschaft geschlossen. Lassen wir uns nun gemütlich Zeit, diese Freundschaft weiter zu schenken? Oder drängt es uns, sie weiterzugeben, so wie auch Maria es eilig hatte, von dem bevorstehenden Ereignis zu berichten? Maria eilt zu ihrer Kusine, weil sie weitergeben möchte, weil sie die Freude Gottes nicht für sich behalten kann.

Wenn wir weitergeben, was Gott uns geschenkt hat - Verzeihung, Frieden, Freundschaft - dann kann vielleicht noch einmal Frieden werden - hier auf unserem Planeten.

Dazu aber müssen wir erst einmal anfangen, den Frieden mit Gott zu erneuern. Sie wissen, wie das geht. Und dann gilt es, die Freude Gottes weiterzugeben. Mit wem möchten sie - noch vor Weihnachten - den Versuch unternehmen, Frieden zu schließen? Freundschaft zu erneuern?

Selig sind die, die glauben, dass sich erfüllen kann, was die Engel verkündeten: Den Frieden auf Erden. Amen.

555. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

mit dem Blick auf Weihnachten und dem, was alles noch zu erledigen ist, wachsen uns gerade in den letzten Tagen die Dinge, die noch zu erledigen sind, über den Kopf. Dann, wenn vieles in kurzer Zeit geschehen muss, ist es notwendig, sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren; anderes, das nicht so dringend ist, muss dann eben warten.

Die Frage allerdings, was denn nun wirklich not tut, und was vielleicht sogar ganz weggelassen werden kann, darf man nicht in der Hektik entscheiden. Denn gerade in der Zeitnot erscheinen uns die Dinge, die schnell erledigt sind, als machbar; alles, was mehr Zeit kostet, hält auf und wird verschoben.

Dabei sind es oft diese zeitintensiven Dinge - Dinge, die wir auch morgen oder nächstes Jahr noch erledigen können - die uns und andere besonders reich beschenken.
Einen Besuch bei der Oma, Zeit zum Spielen mit den Kindern, ein Gespräch mit dem Nachbarn oder ein Besuch im Krankenhaus hält auf. Und sind denn die Menschen, die uns brauchen, nicht auch noch in einer Woche - in einem Monat - nächstes Jahr da?

Liebe Schwestern und Brüder, immer wieder flattern mir in den letzten Tagen Werbeprospekte für Wellnesstage ins Haus. "Tun sie mal etwas für sich!" heißt es dort. Vermutlich ist dieser Trend deshalb eine Marktlücke, weil wir glauben, im Alltag immer nur etwas für andere zu tun. Wir sind tagaus, tagein in die Pflicht genommen und sortieren unsere Pflichten nach Wichtigkeit, Kosten/Nutzen oder Zeitaufwand.

Dabei vergessen wir, dass Zeit für andere Menschen immer auch Zeit für uns selbst bedeutet. Zeit, die in Liebe für andere geopfert wird, ist Zeit auch für meine Seele. Der Krankenhausbesuch ist zunächst eine Freude für den Kranken - aber er heilt auch mein Verletzungen. Der Besuch bei jemanden, der viel allein ist, schenkt auch mir die Überzeugung, gebraucht zu werden, Gutes tun zu können und Freude verbreiten zu dürfen - auch in meinem eigenen Leben.

Eine solche Person, die wir bei allen Festvorbereitungen schnell aus den Augen verlieren, ist Maria. Maria, die stille und ruhige Person des Advents könnte uns so viel schenken:

Die innere Ruhe;
Bereitschaft, auf Gott zu hören;
sich leiten zu lassen;
auf Gott zu schauen und Jesus in sich zu spüren;
empfangen und geben zu können;
Freude an Gott zu haben
und diese Freude zu verstrahlen.

Wenn wir uns Zeit nehmen, trotz Alltags-Stress für Maria, dann erfüllen wir keine Pflicht: Wir tun uns etwas Gutes. Ein Rosenkranz, in Hektik begonnen und in Ruhe beendet, ist mehr als ein Wellnesstag: Dadurch kann ein ganzes Leben zu leuchten beginnen.

Amen.

556. Predigtvorschlag

Es wird das Hirtenwort verlesen!

557. Predigtvorschlag

Das Thema des heutigen Sonntags ist: Glaube und Verwandlung. Glaube Gott und lass Dich verwandeln.

In der ersten Lesung: Abraham glaubte Gott - er vertraute seiner Verheißung und er wurde zu einem großen Volk verwandelt. In der zweiten Lesung der Aufruf des Paulus: steht fest in der Gemeinschaft mit dem Herrn, er wird uns verwandeln. Und im Evangelium: wir sollen auf den geliebten Sohn hören, der sich vor den Augen der Jünger verwandelt hat.

Gott glauben, das heißt: seiner Verheißung trauen, fest in der Gemeinschaft mit ihm stehen und auf ihn hören - Aufforderungen der Bibel an uns heute. So viele machen uns Versprechen in der heutigen Zeit, verheißen uns einen heißen Sommer und immer weniger Arbeitslose, versprechen uns satte Aktiengewinne und Frieden im Irak. Da werden die meisten misstrauisch gegenüber Verheißungen und Aufforderungen, jemanden blind zu vertrauen, nur weil man eine Stimme aus dem Himmel oder von der Kanzel hört. Doch wir dürfen unterscheiden zwischen gewagten Versprechen der Menschen und zugesagten Verheißungen Gottes.

Die Verwandlung, die Gott angekündigt hat, ist bisher noch immer eingetreten. Aus dem Stammvater Abraham wurde ein großes Volk, so zahlreich wie die Sterne am Himmel, Jesu Verwandlung auf dem Berg Tabor ist die endgültige Verwandlung in der Auferstehung von den Toten gefolgt, wo er Maria Magdalena und seinen Jüngern im verwandelten Leib erschien und anschließend noch mehreren Hundert. Und auch unsere Verwandlung wird folgen, wenn wir fest im Glauben stehen, wie Paulus uns auffordert.

Wenn Paulus damals an die Philipper geschrieben hat, so spricht er dabei durchaus auch unsere heutige Situation an: viele, die einst Christus gefolgt waren, "leben als Feinde des Kreuzes Christi - ihr Gott ist der Bauch. Irdisches haben sie im Sinn." So auch heute: viele, die getauft sind, leben nur für irdische Dinge, ihr Gott ist der Bauch - viele, die nicht nur zuerst an sich denken, sondern auch nur an sich, die nur darauf aus sind, wie es Ihnen hier auf Erden besser geht, die das ewige Leben aus dem Blick verloren haben. Paulus hat das damals schon erlebt und ermahnt seine Glaubensbrüder: "steht fest in der Gemeinschaft mit dem Herrn", denn wir erwarten "Jesus Christus, den Herrn als Retter, der unseren armseligen Leib verwandeln wird. "

Diese Verheißung des Paulus möchte ich zwar auch, aber nicht nur auf das Jenseits verstanden wissen. Wenn wir an Christi Botschaft und an der Gemeinschaft mit ihm festhalten, werden wir uns verwandeln, schon hier und jetzt. Wir sind immer wieder der Versuchung ausgesetzt, stehen jeden Tag aufs Neue in der Gefahr, vom Weg abzukommen, dass wir nur uns sehen, und Gott und die Mitmenschen aus dem Blick verlieren, nur an den eigenen Bauch denken. Jeden Tag aufs Neue müssen wir uns entscheiden, ob ich nun links rum oder rechts rum gehe, ob ich nun dies oder jenes in der nächsten Stunde tue. Und oft ist es auch eine Entscheidung für oder gegen Jesus. Im Alltag fest in der Gemeinschaft mit ihm stehen, sich bemühen, das zu tun, was er von mir will. Verbringe ich die Zeit damit, in noch einem Geschäft zu vergleichen oder besuche ich jemanden, der einsam ist, besuche ich in der Fastenzeit eine Tanzveranstaltung oder gebe ich das Geld den Armen, investiere ich die Zeit vor dem Fernseher, oder ins Gebet. Wenn ich in Christus investiere, d.h. für diese österliche Bußzeit: Fasten, Almosen geben und Gebet, dann werde ich verwandelt, auch schon hier und jetzt. Dann gelange ich zu einer tiefen Lebensfreude, zu einer innerlichen Ruhe, aus der mich so schnell nichts und niemand herausreißt.

Und das ist auch eine Botschaft des heutigen Evangeliums. Die Jünger erleben mit Jesus den Berg Tabor: die Verklärung, die Stunden des Glücks, so wie wir sie erleben können, wenn wir uns auf Gott einlassen, wenn wir seine Nähe spüren, vielleicht auch hier im Gottesdienst. Danach kommt für Jesus und seine Begleiter die Stunde der Bedrängnis, sie müssen viel Leid erfahren, bevor sie endgültig verwandelt werden. So wird es auch bei uns sein. Auch wir werden Leid erfahren, ob es der Tod eines lieben Angehörigen, eine schwere Krankheit, der Lebenswandel einzelner Familienmitglieder oder anderes persönliches Leid ist. Wir können es tragen, wenn wir uns in Jesus verwurzelt wissen, wenn wir solche Stunden des Glücks auf dem Berg Tabor erlebt haben, solche Stunden der Gottesnähe, wie sie die Jünger bei der Verklärung erlebt haben. Diese Stunden geben uns Kraft für die Stunden der Not. Bemühen wir uns um diese Standfestigkeit, um diese Verwandlung, um diese tiefe Lebensfreude, damit wir für die Stunden der Bedrängnis vorbereitet sind.

558. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

viele fabelhafte Geschichten beginnen damit, dass die Hauptperson zunächst einschläft - und dann etwas erlebt, sieht oder hört, von dem der Leser dann nicht genau weiß: Findet es im Schlaf statt? Ist es ein Traum? Bildet sich das nur jemand ein?

So ist es auch auf dem Berg der Verklärung: Petrus und seine Begleiter waren eingeschlafen - dann werden sie wach und sehen Jesus im strahlendem Licht. Hier fragen sich nicht nur wir, die wir zuhören, sonder vermutlich auch Petrus, Johannes und Jakobus: Träumen wir? Kann das sein? Ist das, was wir da erleben, Wirklichkeit?

Ein Erlebnis zwischen Träumen und Wachen, zwischen dieser Welt und einer anderen - genau das ist das, was die Jünger auf dem Berg erlebt haben. Und so etwas erleben wir auch oft. Eine Deja vu, ein Traum - ein plötzlicher, unvermittelter Eindruck, ein Gefühl - und schon ist es wieder vorbei und wir fragen uns: War das Einbildung? War das Realität?

Im Grund gilt das nicht nur für die ganz flüchtigen Eindrücke, die wir haben - die ganz hauchzarten Erlebnisse, kaum zu packen. Im Grunde gilt das für alles, was wir hinter uns lassen. Wie oft fühlen wir uns bei einem Menschen restlos geborgen - und kommen schon am nächsten Tag ins Zweifeln. Wie oft habe wir uns erbärmlich aufgeregt und geschimpft - grübeln aber wenig später, ob das wirklich gerechtfertigt war. Vielleicht kommen wir ins Zweifeln, ob die Begeisterung beim Kauf des Autos oder bei der Einrichtung der Wohnung nicht nur etwas gewesen ist, dass wir uns eingeredet haben? Vielleicht haben wir auch schon daran gezweifelt, ob die das Ja-Wort, das ich meiner Frau oder meinem Mann damals gegeben habe, wirklich aus Liebe geschah - oder ob die Liebe nicht nur Verliebtheit - oder die Verliebtheit nur eine Einbildung war.

Liebe Schwestern und Brüder - alles, was hinter uns liegt, ist mit dem Schleier des unsicheren überzogen. Wie zwischen Traum und Wirklichkeit. Genauso wie Petrus, Johannes und Jakobus können wir grübeln ohne Ende: War das Wirklichkeit? - uns selbst schlaflose Nächte bereiten.
Wer - wenn auch nur für einen Augenblick - ein Taborerlebnis wie Petrus, Johannes und Jakobus hatte, kann sich auf drei Weisen dazu verhalten:

1. Ganz leicht können wir uns einreden: Es war alles nur Trug, Lug und Einbildung. Und nicht wenige Menschen werfen das weg, was sie Jahre - Jahrzehnte lang geglaubt haben.
2. Wir können aber auch eine andere Entscheidung treffen: Wir können unserer Erinnerung trauen. Das glauben, was wir erlebt haben. Das Annehmen, was unsere Sinne uns Vermitteln.
3. Wir können einfach vergessen, was war. So tun, als hätten wir nichts gespürt, nichts gesehen und nichts erlebt. Einfach im jetzt leben und uns die nächste Pizza bestellen. Mit Sauce Hollandaise. Ist doch egal, was früher mal war. "Was gehen mich die Dinge von gestern an?"

Wir sind verantwortlich dafür, wie wir uns verhalten - denn die drei möglichen Reaktionen sind unsere Entscheidungen. Der Glaube daran, dass Jesus der Messias ist - das ist eine Entscheidung. Eine Entscheidung, die uns in dem, was auf dem Berg Tabor geschah, die Realität erkennen lässt. Genauso wie wir uns täglich neu Entscheiden müssen, an unsere Liebesentscheidungen, die vielleicht sogar Jahre zurück liegen, festhalten zu wollen.

Liebe ist eine Entscheidung. Wer diese Entscheidung trifft, entdeckt Wunder, die andere Menschen, deren Gott der Bauch und die Pizza ist, nicht entdecken. Wer darauf wartet, dass die Wirklichkeit ihm zeigt, dass es Liebe wirklich gibt, kann lange warten. Und vor allem vergeblich. Wer sich aber entscheidet, der Wirklichkeit eine Dimension der Liebe zuzutrauen, der wird sie auch finden.
Wer darauf wartet, dass die Wirklichkeit ihm zeigt, dass es Gott gibt, der kann lange warten. Und manchmal vergeblich. Wer sich aber entscheidet, der Wirklichkeit und auch der eigenen Wahrnehmung Gott zuzutrauen, der findet ihn auch.

Das schlimmste aber ist immer noch die 3. Reaktion: Sich gar nicht zu entscheiden - und sich dem Essen zuzuwenden. Lassen wir also einmal 40 Tage lang die Sauce Hollandaise beiseite und vertrauen stattdessen der Wirklichkeit. Amen.

559. Predigtvorschlag

Was heißt eigentlich Umkehr?

Haben Sie schon einmal einen Turm einstürzen sehen? Wir denken da sicher sofort an den 11. September, an New York, wir denken an die vielen Toten damals und an den Haß, der da sichtbar wurde und leider weiterging.

Türme in New York, Kriege in anderen Ländern …das alles scheint erst einmal weit weg zu sein …

… dennoch glaube ich, daß wir auch jetzt dabei sind und zusehen, wie Türme einstürzen: nicht Türme aus Steinen, aus Glas und Stahl, sondern andere Türme, die Menschen in Fleiß oder auch Stolz aufgebaut haben und die in Gefahr sind, einzustürzen:

Da sind die Türme der Finanzwelt, der Euro, die komplizierten Strukturen und Konzepte von Wirtschaftslenkung und –hilfen, von Subventionen, Krisenmanagement und Plänen ...

… da sind die stolzen Türme der Krankenhäuser und der medizinischen Labors, die sich von Orten der christlichen Barmherzigkeit und der Nächstenliebe zu großen Wirtschaftsmärkten entwickelt haben, wo jetzt nicht nur Krankheiten geheilt, Menschen gesund gepflegt und schlimme Verletzungen behandelt werden, sondern wo auch Menschen, die das entsprechende Geld mitbringen, Operationen angeboten werden, die mehr „Schönheit“ versprechen oder die ein Wunschkind aus der Retorte hervorholen, das alle gewünschten Eigenschaften hat – und wenn es die nicht hat, gibt es die maßgeschneiderte Rechtsprechung, die dafür sorgt, daß das ungeborene Leben ohne schlechtes Gewissen verschwinden kann …

… oder denken wir an die stolzen Türme unserer Industrieanlagen – Fördertürme, Hochöfen, Autofabriken -, die schon vielfach verschwunden sind oder dabei sind, abgebrochen zu werden, weil anderswo günstiger produziert werden kann oder weil man sich einfach in der Planung oder Kalkulation verhoben hat.

Sage keiner, beim Zusammensturz all dieser Türme - lautstarke oder lautlose Zusammenstürze – seien keine Menschen umgekommen. Täglich kommen Menschen um, aber das steht nicht unbedingt in den Zeitungen und Schlagzeilen.

Warum ich das erwähne? Warum ich dieses Bild vom Turm nehme? Weil es etwas von dem deutlich macht, was „Umkehr“ und „Bekehrung“ meint.

In der Fastenzeit hören wir immer diese Worte, und das ist wichtig. Bekehrung und Buße gehören zum geistlich-geistigen Programm des Christenmenschen dazu. „Buße“ heißt ja nicht in erster Linie: Dinge tun, die einem die Laune verderben oder das Gesicht miesepetrig aussehen lassen. Wer Buße so versteht und seine Mitmenschen damit belastet, hat etwas davon nicht verstanden.

Nein, Buße heißt zuerst: Gott recht geben. Er ist der Chef meines Lebens. Er gibt die Richtung vor. Er gibt uns die Gebote, die uns wahrhaft frei machen und die bewirken, daß unser Leben und das der anderen gut werden kann.

Und so denken wir bei „Buße“ und „Umkehr“ auch an Gebet, an Gottesdienst, hoffentlich auch einmal an Beichte und Versöhnung, und das ist sicher ganz wesentlich.

Aber die Türme, die einzustürzen drohen, weil Menschen ihr Leben in die falsche Richtung bringen, diese Türme stehen draußen, in der Welt, im alltäglichen Leben, im Großen wie im Kleinen.

Und darum sind die Worte Umkehr und Bekehrung und Buße nicht nur Worte, die uns irgendwie frommer machen sollen, sondern Worte, die uns an unsere eigene Verantwortung erinnern – für uns selber und für unser gemeinsames Dasein in dieser Zeit und in dieser Welt.

Vielleicht würde Jesus es heute so sagen: Meint ihr, daß nur die Griechen und die Spanier über ihre Verhältnisse gelebt haben, so daß sie jetzt die große Wirtschaftskrise haben, und ihr nicht?

Meint ihr, daß nur die Amerikaner ihre Schwarzen und die Australier ihre Ureinwohner benachteiligen und ausgrenzen und dadurch die sozialen Spannungen zunehmen, und bei euch ist alles gut?

Meint ihr, nur die Finanzgurus und die großen Manager haben ihre Zahlen frisiert und streichen sich satte Gewinne in die eigene Tasche, und ihr wäret in der gleichen Lage besser?

Umkehr und Buße haben handfeste, konkrete Bedeutung, und wir tun gut daran, in der Fastenzeit im Jahr des Glaubens nicht mit den Fingern auf andere zu zeigen, sondern bei uns selbst anzufangen. Jeder bei sich, in seinem eigenen Leben.

Mir kommt bei alldem, was uns angesichts erschreckender Nachrichten und Meldungen Angst und Sorge bereitet, ein Wort Jesu in den Sinn, das, wie ich meine, gut hierhin paßt. Da sagt Jesus: „Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, dann wird euch alles andere dazugegeben werden“ (Mt 6,33).

560. Predigtvorschlag

"Vielleicht trägt er doch noch Früchte" Das Evangelium besteht aus lauter Warnungen. Man erzählt Jesus, dass Pilatus ein paar Männer umbringen ließ, dass beim Einsturz eines Turmes 18 Männer erschlagen wurden. Für Jesus sind alle anderen, solange sie sündigen, genauso gefährdet. Und dann erzählt er selber das Gleichnis vom Feigenbau, der keine Frucht bringt. Man sollte ihn umhauen, er ist ein Schmarotzer. Auf Bitte des Gärtners erhält er eine letzte Chance: "Vielleicht trägt doch noch Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen." Schon die ersten Ereignisse wären in diesem Sinn zu deuten: jedem droht das Schwert des Pilatus - in der vergangenen Woche sind wieder viele Menschen Opfer von Gewalttaten geworden, über jedem kann jederzeit der Turm einstürzen, dazu muss man nicht auf Haiti oder in Chile wohnen. Der unfruchtbare Feigenbaum wird hier nicht verflucht, aber er hat die Geduld des Besitzers bis zum äußersten strapaziert; dass man ihn düngt und die Erde um ihn aufgräbt, ist Gnade - eine letzte, die er nicht verdient hat. Eine ihm angebotene Gnade, die nicht automatisch Frucht hervorbringt, sonder die er, der im Baum gemeinte Mensch, mit der Gnade leisten muss.

Die zweite Lesung gibt einen Überblick über die dem Volk in der Wüste gewährten Gnaden: Durchzug durchs Meer, Speise vom Himmel, Trank aus dem Felsen, der nach der Sage mit dem Volk mitwandert. Und wieder soll die ganze Schilderung uns zur Warnung dienen: das Volk war undankbar, gierte nach den Leckerbissen Ägyptens zurück, ließ sich zur Unzucht verleiten, murrte gegen Gott. Und so erreichten, weil Gott sie strafte, die meisten das von Gott verheißene Ziel nicht. Die Kirche, die damit von Paulus gewarnt werden soll, kann sich den Juden gegenüber nicht in größerer Sicherheit wiegen: für sie werde doch alles gut ausgehen. Vielleicht ist sie gerade deshalb, weil sie begnadeter ist, auch gefährdeter. Niemand gerät auf schlimmere Abwege, als solche, die von Gott für andere zum Weg vorbestimmt waren, die als Lehrer, Trainer, Priester, Patres ihrer Erwählung untreu wurden. Zu großer Heiligkeit Vorbestimmte können die gefährlichsten Führer werden und beim Abfall vom wahren Weg ganze Teile der Kirche mit sich reißen. Wieviele werden in Deutschland der Kirche den Rücken zukehren, weil Verantwortung Tragende in der Kirche den falschen Weg eingeschlagen haben! Das wird unsere Kirche verändern!

Und dennoch wird in der 1. Lesung das Wunder des brennenden Dornbuschs geschildert und Mose erwählt, um diesen Namen Gottes "Ich-bin-da" als den Namen des Retters dem Volk zu verkünden. Was besagt dies im heutigen Zusammenhang anderes, als dass Warnungen, die an den Menschene rgehen und sich an ihm verwirklichen können, die Treue des mitwandernden Gottes niemals in Frage stellen? Es wäre deshalb verkehrt zu folgern, Gottes Geduld mit dem unfruchtbaren Menschen sei einmal zu Ende, nach der göttlichen Liebe folge die göttliche Gerechtigkeit. Gottes Eigenschaften sind nicht endlich. Endlich ist nur der Mensch. Der Feigenbaum wird irgendwann sterben und dann kann er keine Frucht mehr bringen. Gewarnt wird nicht davor, dass Gottes Geduld erschöpft sei, sondern dass die begrenzte Zeit der Chance für den Menschen demnächst ein Ende hat.

Nutzen wir diese Fastenzeit, unsere Wurzeln zu kräftigen, damit wir nicht mitgerissen werden, wenn andere fallen, sondern dass wir Früchte vorweisen können, wenn wir vorm Herrn stehen.

561. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder

Im heutigen Evangelium wird Jesus eine der größten Fragen der Menschheit gestellt, die auch bei uns heute immer wieder gestellt wird: Warum das Leid in der Welt? Warum ließ Gott es zu, dass die Galiläer von Pilatus umgebracht wurden, warum ließ Gott die Katastrophe zu, dass achtzehn Menschen von dem einstürzenden Turm erschlagen wurden? Warum?

Jesus antwortet. «Glaubt bloß nicht, dass Gott sie wegen ihrer Schuld bestraft hat, dann müsste jeder einzelne von Euch genauso sterben.» Wenn es nach Gerechtigkeit ginge, dann hätte ein jeder von uns den Tod verdient. Denn wir alle haben viel von Jesus gehört und erfahren, wir sind durch ihn und durch die Kirche reich beschenkt worden; ein jeder von uns, mich eingeschlossen, müsste deshalb eigentlich ganz anders leben.

Aber wir sind eben Menschen, und ein jeder hat seine Schwächen, in die er immer wieder zurückfällt. Für die meisten von uns gilt, was Jesus damals den Menschen gesagt hat: «Aufgrund Eurer Gedanken, Worte und Werke hätte ein jeder den Tod verdient».

Doch der Gott, den Jesus verkündigt, handelt anders. Um das deutlich zu machen, erzählt Jesus den Menschen das Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum. Wir Menschen werden von Ihm mit solch unfruchtbaren Feigenbäumen verglichen. Gott, der Weingärtner kommt immer wieder zu uns und schaut nach, ob wir die erwarteten Früchte tragen, aber nichts geschieht. Drei Jahre schon schaut er vergeblich nach uns, und wir bringen immer noch keine Frucht. Wir haben die Geduld Gottes schon über jedes normale Maß strapaziert, so dass es nun Zeit wird, uns umzuhauen, damit wir nicht weiter sinnlose Nutznießer und Schmarotzer des Weinberges sind.

Doch trotz unseres sinnlosen Treibens wird der Feigenbaum nicht verflucht, nicht umgehauen, sondern Gott schenkt uns erneut seine Gnade. Obwohl wir den Tod verdient hätten, bemüht er sich noch einmal um uns, gräbt die Erde um den Feigenbaum auf, düngt ihn. Gott gibt sich um jeden einzelnen von uns solch eine Mühe, wie der Weingärtner um diesen Feigenbaum. Er lockert den Boden auf; da wo bei uns alles fest und hart ist. Wo unsere Positionen im Streit mit der Verwandtschaft oder Bekanntschaft fest und unumstößlich sind, will er die Erde auflockern, so dass wieder neues Leben entstehen kann. Er düngt den Boden, gibt Nahrung von außen hinzu, so wie Aspekte, neue Sichtweisen, neue Ideen eine Beziehung zwischen Oppositionen neu beleben können. Gott will, dass wir endlich zu leben anfangen, Frucht bringen. Daher müht er sich um jeden Einzelnen.

Wir haben diese Gnade Gottes nicht verdient. Wenn es nach der Gerechtigkeit ginge, hätte ein jeder von uns den Tod verdient. Das wir überhaupt noch leben, dass Gott mit uns noch nicht die Geduld verloren hat, ist Grund genug, ihm täglich zu danken.

Die Zeit, die wir hier auf Erden haben, ist nichts anderes als Gottes Geduld mit uns. Die Zeit, die jeder Mensch noch zu leben hat, ist das Warten Gottes auf Früchten. Eine andere Daseinsberechtigung haben wir nicht.

Und das Leid in der Welt? Der Tod der Unschuldigen? Jesus gibt da keine direkte Antwort. Er stellt lediglich fest - in aller Deutlichkeit, dass es keine Strafe Gottes. Er erinnert uns aber anhand der Gegenwart dieses plötzlichen Todes an unseren eigenen Tod, der uns schneller ereilen kann, als wir meinen.

Der Tod ist greifbar, das Leid in der Welt wird uns tagtäglich vor Augen geführt, und Gott selbst fiel dem Tod am Karfreitag zum Opfer. Doch danach gibt es immer wieder ein Ostern. Jeder Sonntag lädt uns ein, nach einem Freitag des Verzichts, des kleinen Sterbens, neu das Leben zu feiern.

Jesus will uns ermuntern, gerade angesichts der Gegenwart des Todes, endlich anfangen zu leben.

562. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Jesus erzählt das Gleichnis vom verlorenen Sohn hier den Pharisäern und Schriftgelehrten, und zwar so, dass diese sich leicht wieder erkennen können:
Da ist der abtrünnige Sohn, der sich nun wirklich schäbig benimmt und restlos herunterkommt - der noch der tiefer sinkt als die Schweine, die er hüten muss. Für die Juden, die die Schweine als unreine Tiere angesehen haben, war klar: Tiefer kann keiner sinken. Unschwer erkennen die biblischen Zuhörer darin ganz klar die Sünder und vor allem die Zöllner, die ja das eigene Volk ausbeuten und den Römern dienen.
Und auf der anderen Seite steht der zweite Sohn, von dem der Vater sagt, dass sie alles gemeinsam haben, der ihn sein Kind nennt und ihm nichts vorzuwerfen hat. Darin dürften die Pharisäer unschwer sich selbst erkannt haben.

Jesus kritisiert nicht die Pharisäer, die das Volk in die Gerechten und in die Sünder einteilten. Er leugnet nicht, dass die Zöllner Sünder sind. Und er behauptet auch nicht, dass die Pharisäer nicht wirklich oft heiligmäßige Menschen gewesen sind.
Aber er legt Wert darauf - und damit wendet er sich gegen die Pharisäer - dass kein Mensch festgelegt werden darf, sondern dass jedem die Gelegenheit zur Umkehr gewährt werden muss.

Damit sind auch wir gemeint. Vielleicht könnte ich jetzt darüber predigen, wenn wir, als moderne Pharisäer, so alles ausgrenzen: Die Obdachlosen, Drogenabhängige, Asoziale, die Fremden und Kriminelle - die modernen Sünder und Zöllner, denen wir oft genug und trotzdem immer wieder den Stempel aufdrücken: Umkehr zwecklos.

Und vielleicht hätten wir es auch nötig, dass wir uns darüber Gedanken machen, denn wir Menschen stehen immer in der Gefahr, für andere zum Pharisäer zu werden.

Aber es gibt einen anderen Punkt, der mir wichtiger erscheint: Die Tatsache, dass wir uns selber abstempeln mit der Aufschrift: Umkehr zwecklos.

Wie oft entschuldigen wir unsere eigene Ungeduld, wenn wir anderen wieder über den Mund gefahren sind, wenn wir einen Schritt zu weit gegangen sind, mit einem Achselzucken und der Bemerkung: «So bin ich eben.»
Wie oft bemerken wir an unserem eigenen Charakter einen dunklen Fleck: Die Bequemlichkeit, auf etwas Luxus nicht verzichten zu wollen, gerade, wenn wir jemand uns braucht. «Tut mir leid, aber das brauche ich nun einmal.»
Oder, wenn wir uns nur noch Witze erzählen, die unter die Gürtellinie gehen: «So ist nunmal mein Humor.»
Oder, wenn wir unser lasterhaftes Gerede nicht unter Kontrolle halten können: «Da kann ich nichts dran ändern.»
Oder, wenn wir uns im Gebet nicht zurechtfinden wollen, es uns überhaupt sehr schwer fällt, etwas Religiöses zu tun: «Ich bin nun mal kein Heiliger.»

Vielleicht fallen ihnen noch mehr Beispiele ein. Alle diese Gedanken sind Gedanken der Pharisäer, der Pharisäer in uns, die uns Sündern die Umkehr verweigern wollen. Die uns einreden, dass es da nichts mehr zu ändern gibt. Und - noch schlimmer - die uns einreden wollen, dass das eigentlich gar keine Sünde mehr ist, sondern eine Charaktereigenschaft, die zu meiner Person gehört. Und Gott liebt mich doch so, wie ich bin - oder?

Der verlorene Sohn wurde auch von seinem Vater geliebt, als er Schweine hütete. Aber hat er sich deshalb in den Trog gesetzt und gesagt: Was will ich mehr, mein Vater liebt mich, wie ich bin?

Paulus schreibt heute an uns: «Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!» Bleibt nicht so, wie ihr seid. Jeder hat die Möglichkeit, umzukehren, keiner hat das recht, sich selbst abzustempeln, weder mit dem Stempel: «Umkehr vergeblich» noch mit dem Stempel «Umkehr nicht nötig».

Denken Sie daran: Gott wartet nicht nur auf, er bittet sie selbst, die Umkehr zu versuchen. Enttäuschen sie ihn nicht. Amen.

563. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

im Priesterseminar, vor der Priesterweihe, musste jeder Seminarist einen der Morgengottesdienste halten. Mittwochs war dazu der Domchordirektor Freimuth anwesend, der anschließend mit uns liturgischen Gesang übte. Freimuth bemerkte einmal, dass er unsere Predigten viel zu lieb empfand, er vermisse schon seit längerem mal wieder so eine richtige Höllenpredigt.

Nun, liebe Schwestern und Brüder, möchte ich Ihnen keine "Höllenpredigt" halten. Aber im Rahmen der Fastenzeit ist es durchaus angebracht, ein paar Worte der Mahnung zu sagen und damit nicht erst bis zur Bußandacht zu warten. Auch wenn es im Evangelium vom verlorenen Sohn heute um die liebevolle Aufnahme des verlorenen Sohnes geht, setzt das doch eine Umkehr voraus. Aber, liebe Schwestern und Brüder, sind sie überhaupt bereit, umzukehren? An der Anzahl der Beichten seit Weihnachten könnte man eher das Gegenteil ablesen. Oder glauben sie etwa, nicht umkehren zu müssen, weil sie alle schon so heilig sind?

Unser Leben ist doch gekennzeichnet von einer gut versteckten Doppelbödigkeit. Wir beklagen den allgemeinen Niedergang der Religion - und sind doch selber mitverantwortlich dafür. Es geht nicht nur darum, regelmäßig zu beichten. Vielmehr sollten sie sich die Frage stellen, wann Sie das letzte Mal mit Begeisterung von der Herrlichkeit des Beichtsakramentes gesprochen haben? Aber wie sollten sie das, wenn sie dieses Gnadenangebot Gottes für nebensächlich halten? Haben Sie jemals, jemals nur irgendeinem anderen mit Freude in den Augen von der Herrlichkeit des Gebetes berichtet? Dass sie gerne beten? Dass sie die Nähe Gottes suchen, im Alltag. Dass sie gerne Gott besuchen, hier in der Kirche? Wie könnten Sie davon sprechen, wenn sie es nicht tun?

Wofür, glauben sie, feiern wir durch die Woche Dienstags, Mittwochs und Freitags eine Heilige Messe? Als Beschäftigungstherapie für Messdiener und Küster? Warum kommt da nur 1 (!) Prozent der Gemeinde? Haben sie alle etwas Besseres vor? Bitte schön: Was ist denn Ihrer Meinung nach besser als die Messe?
Warum verschwinden sie immer sofort am Ende der Messe aus der Kirche? Sagt denn keiner von ihnen Gott noch ein Dankeschön für das Wunder, dass er an Ihnen vollzogen hat? Glauben sie denn überhaupt noch, das Gott in jeder Messe für sie stirbt und aufersteht?

Haben Sie jemals schon irgendwem von der Freude erzählt, die sie empfinden, weil sie zur Kirche gehören dürfen? Sind Sie etwa nicht begeistert, katholisch sein zu können? Wieviele Menschen haben Ihr Blut vergossen, um Ihrem Glauben treu zu bleiben, und Sie freuen sich nicht darüber? Vergleichen sie mal die Zeit, die sie mit Klagen über Papst, Tradition und Bürokratie verbringen mit der Zeit, in der sie über die Schönheit Ihres Glaubens gesprochen haben? Wir hätten sofort die Gemeinden wieder zu blühendem Leben gebracht, wenn nur jeder von ihnen einen Neuen mit zu den Gottesdiensten bringen würde. Aber vermutlich haben sie Probleme genug damit, sich selbst zu den Gottesdiensten zu bewegen.

Vielleicht denken Sie, dass ich jetzt nur von Gottesdienste und Kirchbesuche erzähle, dass Christentum aber doch viel mehr ist. Selbstverständlich, da haben sie recht. Aber wie wollen sie denn als Christ leben, wenn sie Christus nicht feiern? Das sind doch oft genug faule Ausreden: Ich kann ein guter Christ sein, auch wenn ich nicht jeden Sonntag in der Kirche bin. Das stimm nicht! Dann sind sie vielleicht ein guter Mensch, aber ein schlechter Christ.

Aber wo wir gerade bei Leben sind: Wie oft sagen sie eigentlich die Unwahrheit? Absichtlich, nur um ihr Gesicht zu wahren? Wie reden sie sich vor Gott damit heraus, dass es eine Notlüge gewesen ist, wobei die einzige Not doch nur die gewesen ist, eine Peinlichkeit zu vermeiden? Und kommen trotzdem nicht auf die Idee, zu beichten?

Haben Sie schon jemand von den Neuzugezogenen besucht, Hilfe angeboten, zur Teilnahme am Vereinsleben eingeladen? Vom Glauben erzählt?

Glauben Sie eigentlich, die nächste Generation wird von allein christlich? Glauben Sie, Ihre Kinder, Ihre Nachbarn oder Ihre Freunde werden auch ohne Ihre gelebte Verkündigung zum Glauben kommen? Was tun Sie eigentlich?
Liebe Schwestern und Brüder, ich bin nicht plötzlich Pessimist geworden. Im Gegenteil, ich glaube fest daran, dass wir Menschen und ändern und bessern können. Davon spricht das heutige Evangelium. Seien sie also nicht verärgert; ich habe gelegentlich genauso eine Mahnpredigt verdient wie Sie. Amen.

564. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

im alten Testament gibt es eine Geschichte, die dem heutigen Evangelium sehr ähnelt: Da wird auch eine Frau vor Gericht gezerrt, Susanna. Ihr wird ebenfalls Ehebruch vorgeworfen, und ihr droht die Steinigung. Aber damals haben sie fromme Männer, die Richter des Volkes, gegen sie verschworen: In Wirklichkeit war sie unschuldig.

Gottseidank wird der Komplott aufgedeckt und Susanna freigesprochen.

Hier aber liegt der Fall anders. Ob wir heute Ehebruch noch als strafwürdiges Vergehen betrachten, mag unterschiedlich gesehen werden. Aber wenn die Schuld einwandfrei feststeht - dann wird das Urteil gesprochen und vollzogen. Das ist doch in Ordnung, oder?

Das Gesetz ist dafür da, die Rechte der Menschen zu schützen. Wer sich an den Rechten eines anderen schuldig macht, muss die Konsequenzen tragen. Wo kämen wir denn hin, wenn es keine Gesetze und keine Strafe mehr gäbe? Das reinste Chaos bräche aus!

Und dennoch stellt sich Jesus vor diese Frau. Er verteidigt sie nicht. Er hinterfragt nicht den Prozess. Er diskutiert nicht, ob das Gesetz sinnvoll ist und die Strafe - der Tod - angemessen. Er macht nichts von alledem. Er fordert sogar noch auf, die Steine zu werfen; allerdings solle der damit beginnen, der keine Sünde hat.

Genau genommen ist das unerhört. Denn der Ehebruch dieser Frau richtet sich ja vermutlich gegen einen Ehemann - der muss doch verzeihen. Und hätte der nicht als erster das Recht gehabt, einen Stein zu werfen?

Jesus fragt nicht nach Recht. Er schaut nicht zurück: Was war? Wer hat's gesehen? Wer kann etwas bezeugen? Wer ist geschädigt? Wer hat Ansprüche? - Er fragt nach der Zukunft. Er will nicht den Tod der Frau, weil er noch einen anderen Sinn im Gesetz sieht: Die Menschen zu Gott zu führen. Zu heilen.

Der Ehemann mag geschädigt sein und auf Genugtuung sinnen. Jesus aber erweist sich als derjenige, der die Frau mehr liebt als der Ehemann. Er fragt nicht nach seinem eigenen Wohl, er fragt: Wie kann ich der Frau helfen? Wie kann ich sie für das Leben zurückgewinnen?

Jesus ist Gott. Auch Gott kennt Gesetze, Verbote und Gebote. Aber sie alle dienen nur einem Zweck: Die Menschen zur Liebe zu befreien. Sie mit Gott zu versöhnen. Einen Ausweg aus dem Hass und der Rache zu finden.

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus ist kein Anwalt, der dem Unschuldigen zu seinen Recht verhilft. Er ist auch kein Anwalt, der für den Schuldigen eine möglichst milde Strafe herausholt.

Jesus ist Gott - und Gott verzeiht. Das größte Geschenk, dem alles dienen soll, in der Kirche, im Staat, in den Vereinen und Familien, ist: Gott lieben zu dürfen.

Lassen sie sich mit Gott versöhnen. Geben sie alles, was rückwärts gerichtet ist, ab. Jede Beichte bietet dazu eine gute Gelegenheit. Und dann schauen Sie nach vorn: Gott wartet. Voller Sehnsucht und Liebe.

Amen.

565. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, obwohl Jesus die Ehebrecherin nicht verurteilen will (immerhin sagt er es ja ausdrücklich: "Auch ich verurteile Dich nicht!"), nennt er sie eine Sünderin. Damit macht er doch ganz klar, dass diese Frau das ist, wofür sie die Leute halten: Eine Ehebrecherin.

Ist das nicht inkonsequent? Zuerst schweigen, die anderen düpieren und dann selbst dieser Frau in Gesicht sagen: "Geh! Und sündige jetzt nicht mehr!" - ?

Nicht den ersten Stein zu werfen, nicht zu verurteilen und nicht herabzuschauen, das lehnt Jesus ab. Aber er scheut er sich nicht, die Pharisäer zu beschimpfen: "Ihr Natternbrut!" - "Ihr Heuchler!" Er bezeichnet die Pharisäer sogar als "weißgestrichene Gräber, außen schön und innen voller Gestank".

Wenn das nicht unehrlich ist! Ist Jesus etwa ein doppelbödiger Pharisäer, der auf der einen Seite das Verurteilen verbietet, auf der anderen Seite selbst über andere richtet?

Liebe Schwestern und Brüder, auch wenn wir dieses Gleichnis oft so verstehen: Es geht hierbei nicht darum, das Urteilen zu verbieten. Es geht darum, dass wir gerne andere niedermachen, damit wir nicht an unsere eigene Brust schlagen müssen. Kaum werden wir angegriffen, finden wir doch immer noch einen anderen, der noch schlimmer ist. Die Kinder machen es uns doch vor: "...und was ist mit dem da? Der hat doch noch viel mehr gelogen als ich!" - Als ob dadurch unsere Sünde kleiner würde, wenn andere mehr Dreck am Stecken haben!

Ja, wir glauben, wir seien doch noch ganz gut dabei, weil wir uns besser dünken als die Mehrheit, als der Schnitt. Um uns selbst zu rechtfertigen, zeigen wir mit Fingern auf die anderen: "Und was ist mit denen? Die sind doch noch viel schlechter! Die hinterziehen noch viel mehr Steuern! Was mein Nachbar letztens bei der Versicherung rausgeschlagen hat! Und so regelmäßig wie ich ist doch kaum einer in meinem Alter in der Kirche! Also, ich gebe mein Geld wenigstens nicht für so einen Schwachsinn aus wie alle anderen in meinem Freundeskreis..." und so weiter. Man könnte fast glauben, es stände in der Bibel nur ein einziges Gebot: "Seid besser als die anderen." Aber, liebe Schwestern und Brüder, das habe ich nirgendwo gefunden.

Viel mehr steht in der Bibel: "Seid gut!" Von besser sein, vom vergleichen steht dort nichts. Was uns interessieren sollte, ist nicht, was andere tun, sondern was Gott möchte. Und dahinter bleiben wir all derbe zurück. Da haben wir alle, ohne Ausnahme, Dreck am Stecken. Wir sind Sünder, daran ist nichts zu deuteln. Das ist nicht schön, weiß Gott nicht. Aber das Schlimmste wäre es, nun mit Steinen auf andere zu werfen, in der Hoffnung, dass es dann nicht aufallen würde.

Dagegen wehrt sich Jesus. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Das heißt soviel wie: Lenkt nicht ab!

Mit dem, was Jesus dann der Sünderin sagt, macht er auch uns Mut: "Ihr braucht Eure Sünden gar nicht zu verstecken. Ihr braucht keinen Sündenbock. Ihr braucht von Euren Sünden nicht abzulenken. Sagt mir einfach, was ihr getan habt, ich werde Euch verzeihen! Dafür bin ich doch Mensch geworden! Wenn Ihr mich nur ein klein wenig liebt, nicht viel, nur ein bisschen, dann kommt zu mir und empfangt meine Verzeihung! Dafür bin ich doch auf die Welt gekommen, danach sehne ich mich!"

Die Sünderin ist nicht freiwillig gekommen, sie ist von den Pharisäern und Schriftgelehrten zu Jesus geprügelt worden. Wir dagegen haben die freie Einladung.

Schade, dass wir davon keinen Gebrauch machen.

566. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Armut ist keine Schande, so heißt es im Sprichwort. Aber Hand aufs Herz: Meinen Sie nicht doch insgeheim, dass ein großer Teil der Armen dieser Welt an seiner Armut immer auch ein bisschen selbst schuld ist? In einem Brief einer Ärztin, die viel mit Asylbewerbern zu tun hatte, heißt es: «Wenn ich die Afrikaner so vor mir sehe, verspielt, oberflächlich, wie Kinder, dann kann ich mir kaum vorstellen, dass sie in ihrer Heimat richtig arbeiten können; und dann verstehe ich, dass es in Afrika soviel Armut gibt.» Soweit die Ärztin.
Solche Vorurteile und Pauschalurteile sind schlimm. Sie tun denen, die ohne ihre Schuld in bitterer Armut hineingeboren sind, unrecht. Jesus warnt heute im Evangelium eindringlich davor, solche Urteile zu fällen: Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Wie sehe es wohl in Deutschland aus, wenn die westliche Welt nach dem zweiten Weltkrieg - wohl auch zurecht - gesagt hätte: «Die Deutschen sind selbst Schuld an diesem Krieg. Was sollen wir ihnen noch Geld und Pakete schicken? Die Deutschen müssen am eigenen Leib lernen, was es heißt, andere Völker in Not und Hunger, in Krieg und Elend zu stürzen.»

Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein, hat Jesus gesagt, und damit eine einzelne Frau vor der Rachsucht eines Volkes gerettet. Ihm war es wichtiger, zu helfen, als anzuklagen. Mag sein, dass die Frau wirklich gesündigt hatte. Aber wichtiger ist es, ihr einen neuen Anfang zu ermöglichen.

Mag sein, dass vieles in Afrika und in den anderen Entwicklungsländern selbst verschuldet ist. Aber wichtiger, als die Frage, wer woran Schuld ist oder nicht, ist die christliche Aufgabe, anderen eine neue Chance zu geben.

Armut ist keine Schande für die Armen. Aber für die Reichen, für uns, ist sie eine Schande, wenn wir nichts gegen die Armut unternehmen und hochmütig auf die Armen herabsehen.

Die Sünde der Ehebrecherin ist ihr vergeben worden. Gedemütigt aber wurden die, die sie steinigen wollten. Was haben wir in der Hand, wenn es um die Armen der Welt geht? Den Stein, den wir werfen wollen, weil sie nicht so wie wir Profit erwirtschaften? Oder das Brot, das wir ihnen reichen, damit sie einen neuen Anfang wagen können?

Papst Johannes-Paul II. hat bei einem Besuch in der Sahel-Zone gesagt: «Wie würde die Geschichte über eine Generation urteilen, die alle Mittel besitzt, um die Bevölkerung des ganzen Planeten zu ernähren, sich aber in mörderischer Blindheit weigert, dies zu tun? Was für eine Wüste würde eine Welt sein, auf der das Elend nicht der Liebe begegnet, die Leben spendet?»

Es ist erwiesen, dass die gesamte Menschheit allein von der Welt-Getreide-Ernte hätte ernährt werden können, ja, es könnten sogar noch eine halbe Milliarde mehr Menschen ernährt werden, als auf der Welt leben. Und neben der Welt-Getreide-Ernte gibt es auch noch eine Welt-Kartoffelernte und Welt-Gemüse-Ernten und so weiter. Es gibt beispielsweise genügend Erdbeeren auf der Welt, um damit jeden Menschen jeden Tag 100 Gramm Erdbeeren zukommen zu lassen!

Das Bild, das wir eingeblendet haben, macht dieses Problem deutlich: Es gibt genug. Aber es gibt viel zu wenig Gerechtigkeit. Die Waage klagt uns an.

Was hier auf dem Spiel steht, ist nicht die Würde der Armen. Es ist unsere Würde, die wir verlieren, weil wir sagen, wir können nichts tun. Und wenn Armut eine Schande ist, dann ist es eine Schande für uns.

Jesus hat uns klar gemacht, worin unsere Würde besteht: In der Vergebung und in der Bereitschaft, anderen aufzuhelfen, nicht nur einmal, sondern immer wieder. Und wir brauchen diese Hilfe genauso, wie alle anderen Menschen dieser Welt. Amen.

567. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder! Gott ist Mensch geworden. Dieses große Ereignis der Weltgeschichte haben wir in der Weihnachtszeit, die nun hinter uns liegt, mit viel Freude und Aufwand gefeiert.

Gott ist Mensch geworden, um uns zu Gott zu führen. Er will uns mit seinem Vater versöhnen, uns wieder mit ihm in Verbindung bringen. Das ist sein Auftrag, sein sehnlichster Wunsch, und er vermeidet alles, was ihn oder andere davon abbringen könnte:
Die Versuchungen des Teufels in der Wüste, der ihm alle Reichtümer dieser Welt verspricht, weist er zurück. Als ihn die Menschen nach der wunderbaren Brotvermehrung vom König machen wollen, flieht Er. Und der reiche Jüngling, der ihn «guter Meister» nennt, wird von Jesus daraufhin gewiesen, dass nur einer wirklich gut genannt werden soll: Gott allein.

Jesus handelt nicht auf eigene Rechnung, sondern er lebt und wirkt allein für Gott. Die Versöhnung der Menschen ist sein Wunsch, und der lässt sich nur am Kreuz erfüllen.

Und da kommt Maria, seine Mutter, mit der Bitte, er möge doch bei der Beschaffung von Wein für eine Hochzeit helfen. Reichlich deplatziert, gell?

Die Wunder Jesu sind Wunder, die dem Menschen aus tiefster Not helfen: Aussätzige werden rein, Lahme, Blinde, Taube und Stumme werden geheilt. Jesus offenbart sich als Herr über die Naturgewalten und über die Dämonen, die den Menschen gefangen halten. Daran erkennt das gläubige Volk Israel seinen Herrn: Sie können selbst in tiefster Not Vertrauen haben und Hoffnung schöpfen.

Ein Wirt, dem auf einer Hochzeit der Wein ausgeht, ist zwar auch arm dran - das muss schon ganz schön peinlich sein, sich so zu verkalkulieren - aber dessen Not dürfte wohl kaum mit der Not der Todkranken, Äusgestoßenen und Hungernden gleichzusetzen sein. Tut mir leid, lieber Wirt, aber mit solchen Problemen darfst Du unserm Herrn Jesus Christus nicht kommen.

Aber das Unfassbare geschieht: Jesus, der zwar zunächst ablehnt, hilft dem hilflosen Wirt dann doch. Und das nicht nur, indem er Wein besorgt - nein, er vollbringt sogar sein erstes Wunder und verwandelt Wasser in Wein. Sein allerstes Wunder - und das auf einer Hochzeit!

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht haben sie sich auch schon einmal gedacht, dass Gott nur für die großen Nöte unseres Lebens zuständig ist. Mit den vielen Kleinigkeiten unseres Alltags, so haben wir manchmal das Gefühl, sollten wir unseren Herrn besser nicht belästigen.

Lassen sie sich von diesem Evangelium Mut machen: Gott hat ein offenes Ohr für all' unsere Sorgen und Nöte, und wenn sie noch so alltäglich sind. Der verlorene Schlüssel - die Schwierigkeit, irgendwo noch pünktlich zu erscheinen - das mangelnde Kleingeld - das nötige Quäntchen Glück für den Arbeitsbeginn - die Angst, den Videorecorder doch falsch programmiert zu haben - und so weiter.

Gewöhnen sie sich ruhig die gute alte Tradition der ständigen Stoßgebete an, gerade und vor allem in den Alltäglichkeiten. Wir werden unserem Gott damit nicht lästig - im Gegenteil, er freut sich darüber und lädt uns genau dazu ein. Denn so bleibt uns bewusst, was ein Christ ist: Nämlich jemand, der immer - auch im Alltag - auf Gott vertraut.

Natürlich werden wir auch weiterhin mit den Tücken des Alltags zu kämpfen haben: Gott ist kein Patentrezept. Aber es wird uns leichter fallen, wenn wir wissen, dass Gott gerne bereit ist, hier und da einmal ein kleines Wunder zu wirken. Es müssen ja nicht jedes mal 600 Liter Wein sein. Gell?

Amen.

568. Predigtvorschlag

"Sie haben keinen Wein mehr", sagt Maria in Kana zu Jesus. Das ist ein Satz, der stimmt. Es ist nicht nur ein Satz, der gestimmt hat, damals, als die Becher leer waren und die Gesichter lang wurden.
Dieser Satz - er stimmt auch heute.
Denn diese Hochzeit zu Kana, die ist heute.
Und die Hochzeitsgäste, die zusammengekommen sind, um ein Fest zu feiern, sind wir.
Wie soll man das verstehen?
Johannes, der Evangelist, deutet das sehr feinfühlig an.
Er sagt: "Äuch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen" (Joh 2,2).

Was ist die Kirche denn anderes als dies: Gemeinschaft mit Jesus und seinen Jüngern, und mit Maria, seiner Mutter, um voller Vertrauen in die Zukunft zu schauen, um zu danken und um Glück zu erfahren, so wie ein Hochzeitspaar das tut, das sich freut, weil Gott den Bund ihres Lebens segnet.
Die Gäste auf der Hochzeit zu Kana, das sind wir.
Und wir stellen fest: Wir haben keinen Wein mehr.
Wir haben keinen Wein mehr: Wir müssen Klöster, Priesterseminare und Kirchen schließen, weil kaum noch einer kommt, weil "Nachwuchs fehlt", wie man so schön sagt, weil keiner mehr die Kosten tragen kann für große Gebäude und Änlagen, in denen kein Leben mehr ist.

Wir haben keinen Wein mehr: Wir erleben, dass wir die einzigen aus unserer Straße sind, denen die sonntägliche Meßfeier noch etwas bedeutet. Wir erleben, dass man sich zwar wunderbar über das Wetter oder über Börsenkurse oder sonst etwas unterhalten kann, aber ein religiöses Thema - da erleben wir meist Funkstille.

Wir haben keinen Wein mehr: Wir reden in den Gemeinden über Strukturen und entwerfen Kooperationsmodelle, aber das Ganze geschieht eher gezwungen, gequält, mit der Ängst im Nacken, dass es in naher Zukunft nicht mehr so sein könnte wie bisher.

Die Hochzeitsgesellschaft in Kana, die sind wir.
Und wer merkt das überhaupt, dass der Wein ausgegangen ist? Das ist im Evangelium Maria.

Wer wie Maria den Weg Jesu mitgeht, wer sich wie sie interessiert für seine Botschaft und seine Lehre, der ist in der Lage, den Notstand als solchen zu erkennen. Der erkennt, dass ja in Wirklichkeit die Feier keine Feier mehr sein kann ohne Wein. Mit anderen Worten: Der erkennt, dass wir gar nicht Kirche sein können ohne den Glauben, ohne die Zuversicht, ohne die Glaubensfreude, die aus der Mitte kommt.

Man kann natürlich noch eine Zeitlang mitmachen und bei der Feier dabeisitzen; man ist eben gekommen, weil die anderen auch da sind, man fühlt sich noch eine Zeitlang wohl.
Äber wenn der Wein ausgegangen ist, wird man langsam merken, dass die Stimmung schlechter wird, dass es nicht mehr so ist wie am Änfang, als alle noch gut zufrieden waren, dass auch die anderen sich heimlich oder unheimlich schnell davonstehlen und dass mehr und mehr Plätze leer bleiben.
Vielleicht wird er auch noch ein bißchen schimpfen über die schlechte Organisation der Feier und darüber, dass der Gastgeber sich wohl verrechnet hat mit seiner Planung.

Doch einer, der denkt und fühlt wie Maria, der wird auf die entscheidende Idee kommen. Der wird etwas tun und sagen, was die Feier retten wird. Der wird zu den Dienern sagen: "Was er euch sagt, das tut" (Joh 2,5).

Die Diener: das sind heute die Verantwortlichen in unserer Kirche. Das sind die Gremien und Räte in den Pfarreien und im Bistum. Das sind die Hauptamtlichen, die Pastoralreferenten ebenso wie die Priester und Bischöfe. Sie sind die Diener, sie müssen das Wort hören: Was er euch sagt, das tut.

Doch wer gibt ihnen heute diesen Rat? Wer gibt ihnen diese einfache, klare Weisung, die sich so ganz anders anhört als manche Ratschläge, die da lauten: Paßt euch den Umständen an! Die Zeiten haben sich eben geändert! Man darf alles nicht so eng sehen! - Diese Ratschläge können gut gemeint sein. Äuch Jesus hat sich seiner Zeit und dem Verständnis angepaßt. Äber dennoch war er kein angepaßter Mensch. - Älles, was die Diener damals und heute tun müssen, ist: Hören und sehen, was Jesus sagt und tut. Nicht mehr, nicht weniger. Er ist der Maßstab. Er ist die Mitte.

Gibt es denn auch noch heute Menschen wie Maria, die uns auf Jesus verweisen und uns helfen, ihn zu verstehen und zu tun, was er uns sagt? Ich glaube, die Äntwort darauf ist nicht schwer:
Tun nicht unsere Päpste seit Jahrzehnten genau das und immer wieder das? Sie helfen uns, die Botschaft Jesu Christi in der Kirche zu verstehen und zu leben. Dafür haben sie, weder Johannes Paul II. noch Benedikt XVI., nicht nur Beifall bekommen. Äber sie tun es und haben es getan, ohne sich irre machen zu lassen.
Und können wir nicht in der Bibel lesen und im Gottesdienst hören, was uns Gott durch seinen Sohn mitteilen möchte? Darum wird der Gottesdienst, zu dem wir zusammenkommen, immer wichtiger. Denn hier geschieht genau das, was vor 2000 Jahren in Kana geschehen ist: Im Gottesdienst der Kirche füllen die Krüge unseres Lebens mit Wasser. Mit dem gewöhnlichen Wasser unserer Erlebnisse, unserer Begegnungen, unserem Ärger und unseren Enttäuschungen, mit der ganzen Mühsal unserer alltäglichen Ärbeit, mit unseren Wünschen und Hoffnungen. - Mit alldem füllen wir die Krüge.

Und dann geschieht das Wunder: aus dem gewöhnlichen Wasser, das wir mitbringen, entsteht der Wein des Glaubens und der Freude. Der Wein der Hoffnung und der Liebe zu Gott und dem Nächsten. Und alles das, weil wir auf das Wort hören, das Maria sagt: Was er euch sagt, das tut.

Laufen wir also nicht weg, wenn der Wein auszugehen droht in unserer Kirche heute. Vertrauen wir darauf, dass nicht nur damals ein Wunder geschehen konnte, sondern auch heute.

569. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir hatten zuhause einen Hund, Bobbi, der nicht unbedingt der intelligenteste Hund der Gegend war, sehr zum Glück für die Katzen und Kaninchen in der Nachbarschaft, die sich somit relativ sicher fühlen konnten.
Bobbi hatte nun die Angewohnheit, alles auf sich zu beziehen. Am schlimmsten war es immer dann, wenn jemand laut schimpfte: Bobbi verkroch sich sofort in sein Versteck, weil er dachte, er sei gemeint.

Bobbi war nicht intelligent, aber offensichtlich sehr empfindsam. Als Kind hat es mir oft Mut gemacht, wenn ich ausgeschimpft wurde, dass dann auch Bobbi den Schwanz einzog und mitlitt.
Vielleicht haben sie dass auch schon bei Säuglingen und kleinen Kindern entdeckt - die alles, was eine Stimme ausdrücken kann, sie auf sich selbst beziehen. Nicht, weil sie egoistisch und egozentrisch wären - sondern weil sie so empfindsam sind.

Liebe Schwestern und Brüder, es hatte mich lange Zeit sehr verwundert, wie Jesus eine Textstelle, die der Prophet Jesaja Jahrhunderte vorher geschrieben hatte, auf sich beziehen konnte. Jesaja hatte bei der Verfassung seiner Reden selbstverständlich nicht an Jesus gedacht, sondern dem damaligen Volk in großer Not Hoffnung machen wollen.
Und genau das tut Jesus jetzt auch: Er bezieht diesen Text, dass es Freiheit und Heilung geben wird, auf seine eigene Person, weil er Hoffnung wecken will. Er wird stellvertretend für sein Volk leiden - weil er eben alles, auch die Strafe für die Sünden des Volkes, auf sich bezieht. Und damit gibt er auch stellvertretend Hoffnung: Denn wenn er die Verheißung der Jubelzeit ebenfalls auf sich bezieht, und sagt, dass diese Zeit nun gekommen ist, so können auch wir uns freuen und neue Hoffnung schöpfen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Lukas, der Arzt und Evangelist, beginnt sein Evangelium mit einer Einleitung, die an einen gewissen Teophilus gerichtet ist. Er schreibt sein Evangelium nicht für die Theologen, nicht für die ganze Christenheit und eben auch nicht für uns. Sondern er hat einen einzigen, ganz konkreten Menschen vor Augen - jenen Teophilus, den wir heute leider nicht mehr kennen.

Und trotzdem dürfen wir alles, war dort berichtet wird, auch auf uns beziehen: Wenn wir uns genauso belehren lassen wir dieser Teophilus, wenn wir uns genauso ansprechen lassen wie die Armen, Kranken und Sünder und die vielen anderen Gestalten in den Geschichten des Neuen Testamentes, nur dann können wir Jesus begegnen. Eigentlich geht es also nicht nur darum, ob wir uns von der Frohen Botschaft angesprochen fühlen dürfen, sondern sogar darum, dass die Bereitschaft, sich ansprechen zu lassen Voraussetzung ist, Gott zu begegnen - auch wenn wir glauben, nicht gemeint zu sein.

Dazu müssen wir, so wie die Kinder oder auch mein Hund Bobbi, empfindsam sein, mitfühlen können, wie es denn wohl in den geschilderten Personen aussieht. Das ist keine Frage der Intelligenz, sondern eine Frage, wie viel Zeit wir uns nehmen, mit unserer Phantasie mitzuleiden und uns mitzufreuen.

Ob wir uns ansprechen lassen, ob wir die Texte und Gebete des Gottesdienstes auf uns beziehen, hängt nicht davon ab, wie ansprechend der Gottesdienst gestaltet ist - «ansprechend» im wahrsten Sinne das Wortes. Sondern wie aufmerksam und empfindsam wir sind - nicht nur im Gottesdienst, aber eben auch hier im Gottesdienst.

570. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

Sie kennen die Lesung von vielen Hochzeiten: "Die Liebe ist langmütig; die Liebe ist gütig, ..." Aus solch einer Liebe heraus tritt Jesus im Evangelium seinen Landsleuten gegenüber und hält ihnen den Spiegel vor: Erkennt euren Unglauben und eure Heilsbedürftigkeit! Den treuen Juden in seiner Heimatstadt macht er auf wenig diplomatische Art und Weise klar, dass keiner nur, weil er zum auserwählten Volk Israels gehört, schon einen Anspruch auf Gottes Zuneigung hat. Er macht es an zwei Beispielen aus der Geschichte deutlich: "Es gab viele Witwen zur Zeit des Propheten Elija" - aber nicht den Israeliten wird geholfen, sondern einer Witwe bei den Heiden, weil sie sich ihrer Hilfsbedürftigkeit Gott gegenüber bewusst ist. "Und viele Aussätzige gab es in Israel zur Zeit des Propheten Elischa. Aber keiner von ihnen wurde geheilt, nur der Syrer Naaman." Er wusste um seine Heilsbedürftigkeit. So auch jetzt die Bewohner Nazareths: sie werden nicht deshalb schon mit Wundern überschüttet, weil Nazareth die Heimatstadt Jesu ist. Vielmehr geht es bei dem Anspruch Jesu um etwas ganz anderes als Wohnort oder Abstammung.

Jesus hat in der Synagoge verkündet - wir haben es am letzten Sonntag gehört -: "Ich bin gekommen, damit ich den Armen eine gute Nachrichte bringe, den Gefangenen Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht". Und die Nazarener haben ihm zugejubelt, - so hörten wir es ja auch gerade am Anfang des Evangeliums noch - zugejubelt, ohne zu verstehen, dass sie selbst mit den Armen, den Gefangenen und den Blinden gemeint sind. Sie müssen erkennen, dass sie heilsbedürftig sind! Jesu zeitlose Botschaft fordert auch heute jeden auf, in sich selber nachzuspüren, wo eigentlich die Wurzeln der Lieblosigkeit zu finden sind. Egal, welche Abstammung, welche Rasse oder welchen sozialen Status jemand hat, notwendig, unverzichtbar ist das Eingeständnis: "Ja Herr, ich bin arm, arm im Geiste. Du kannst mich reich machen." - "Ja Herr, ich bin gefangen. Gefangen in meiner eigenen Selbstsucht, meiner Faulheit, meiner Schuld und in den Verstrickungen dieser Welt. Du kannst mich frei machen." - "Ja Herr, ich bin blind - blind für die Liebe Gottes, wie sie in der 1. Lesung beschrieben worden ist, blind für meine eigenen Begabungen und Schwächen. Du Herr, kannst mich sehend machen." - Wer meint, dieses Eingeständnis nicht nötig zu haben - "Was soll ich mich erlösen lassen, mir geht's doch gut?" - der lehnt Jesus und seine Erlösung ab.
So erging es den Nazarenern damals: sie wollten nicht erkennen, dass sie die Erlösung bedürfen. Und ähnlich ergeht es auch uns heute. Viele berufen sich auf den Taufschein, auf die Zugehörigkeit zum Volke Gottes und wiegen sich in erlöster Sicherheit. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass wir dieser Liebe Christi bedürfen - und zwar tagtäglich aufs Neue. Konnten sie vorhin zu Beginn der Messe aus ganzem Herzen sagen, dass sie gesündigt haben in "Gedanken, Worten und Werken"? Und wenn wir dann dreimal wiederholen: "Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld" - gestehen wir uns ein, dass wir Fehler haben? Wir haben einen liebenden Gott - aber brauchen wir die verzeihende Liebe noch, wenn wir uns doch einreden, ohne Sünde zu sein?

Oder wenn wir nachher vor der Kommunion beten: "Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach" - glauben wir das wirklich? Halten wir uns tatsächlich für "nicht würdig"? Oder ist das mehr oder weniger leeres Gerede?

Die Nazarener sind nicht schon deswegen Kinder Gottes, weil sie die Nachbarn Jesu gewesen sind. Sondern geheilt werden kann nur der, der erkennt, dass er krank ist - das sagt uns jeder Mediziner.
Es gibt Menschen, für die hat beispielsweise der Gottesdienst lediglich einen Unterhaltungswert. Und da dieser auf Dauer gesehen doch eher dürftig ist, bleiben sie schließlich Zuhause. Wer aber erkannt hat, dass er bedürftig ist, erlösungsbedürftig, ja, im eigentlichen Sinne des Wortes "hilfsbedürftig", für den geht es im Gottesdienst um mehr als nur um gute Unterhaltung. Er sehnt sich nach Erlösung, nach Hilfe und nach Stärkung. Für einen solchen Menschen geschieht Wesentliches in der Messfeier.

Jemand, der sich selbst eingesteht, dass er auf andere angewiesen ist, mag sich in unserer Gesellschaft eine peinliche Blöße geben. Jemand, der von sich behauptet, dass er auf Gott angewiesen ist, macht sich vielleicht sogar lächerlich. Und - noch schlimmer - wenn einer sogar behauptet, dass er der Hilfe der Kirche bedarf, der Gemeinschaft derer, die glauben, ist er für viele nur noch bedauernswert: Ein armer Tropf.

Selig, die so arm sind. Denn ihrer ist das Himmelreich. Amen.

571. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

Heute wird provoziert! Keine Bange - nicht schon wieder von mir bzgl. dem Sonntagsgebot, und auch nicht die Kirche ist hier gemeint, bzgl. der Unauflöslichkeit der Ehe oder dem Schutz des ungeborenen Lebens. Dieses Mal ist es Jesus, bzw. der Prophet Jeremias in der 1. Lesung. "Erschrick nicht vor ihnen" wird ihm gesagt. Es geht um seinen Mut, um das Ärgernis, welches seine Predigt hervorrufen wird. "Erschrick nicht" angesichts der Härte des Widerstands, welcher dir entgegen schlagen wird, welchen du aushalten musst. Er muss Gottes Widerspruch den Menschen gegenüber stellen. Und dabei wird er selbst zu einer eisernen Säule, zur ehernen Mauer, einer Mauer aus Erz. "Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir." Dennoch kostet Jeremias dieser Auftrag Gottes viel. Sehr schön übrigens beschrieben im Roman von Franz Werfel: "Jeremias. Höret die Stimme".

Jesus im Evangelium übernimmt die Haltung des Propheten: er beginnt damit, seine Zuhörer offen zu provozieren. Dass er die Erfüllung aller Weissagung ist, hat er ihnen gesagt. Gegen jede Lobhudelei über sein "begnadetes Reden" setzt er sogleich die Aussage, dass ein Prophet in seiner Heimat nicht gehört wird. Er erwähnt das Beispiel von Elija und der Witwe, von Elischa und dem aussätzigen Syrer Náaman. Er provoziert damit, so dass sie in Wut geraten. Hätte er nicht besser damit anfangen können, ihnen Dinge zu sagen, die sie vertragen und schlucken können. Ist er nicht selber Schuld, dass sie ihn aus der Stadt schleifen und umbringen wollen?
Aber auch später wird christliche Predigt die Technik Jesu nachahmen: Petrus sagt in seiner Tempelpredigt den Juden: "Ihr habt den Heiligen verleugnet, den Urheber des Lebens getötet" Diplomatisches Leisetreten sieht anders aus. Paulus mag den Weisen von Athen heidnische Dichter zitieren, er muss letztlich doch von Jesus, der Auferstehung der Toten und vom Gericht sprechen. Und wie gesagt: son manche Lehraussage der Kirche oder Predigt von mir provoziert ähnlich.

Zwischen diesen beiden Texten heute steht als 2. Lesung das Hohelied von der Liebe, dem "Weg, der alles übersteigt", dem einzigen, der zum Ziel führt. Alles andere, auch unser tiefstes Erkennnen, auch unsere heroischste Tat: "meine ganze Habe verschenken, meinen Leib dem Feuer übergeben" reicht nicht aus. Dass Gott durch die Propheten, durch Christus und durch die Kirche heute die Menschen provoziert ist einzig ein Werk seiner Liebe. Und jede Provokation heute muss aus Liebe geschehen, muss in Liebe geschehen, sonst ist sie kein Bote Gottes und redet stattdessen nur aus sich selbst heraus. Jeder, der ohne diese Liebe provoziert, redet nur aus Verachtung gegenüber den Mitmenschen, ihrer Fehler, ihrer Wohlstandskultur, ihrem Missbrauch der Macht in Politik und Gesellschaft. Solche Motive erreichen nicht das Niveau der christlichen Predigt. Die Liebe "ereifert sich nicht, sie lässt sich nicht zum Zorn reizen, sie freut sich nicht über das Unrecht." Im härtesten Wort, welches wir im Namen Gottes an unsere Familie, unseren Schwestern und Brüdern im Glauben zu sagen haben, muss eben diesen die in uns wirksame Liebe spürbar sein. Wenn ich ohne Liebe kritisiere nützte es mir nichts!

Amen.

572. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, da hat Jesus sich - in Nazareth - wohl ganz schön in die Nesseln gesetzt: Den treuen Juden in seiner Heimatstadt macht er auf wenig diplomatische Art und Weise klar, dass keiner nur, weil er zum auserwählten Volk Israels gehört, schon einen Anspruch auf Gottes Zuneigung hat. Auch die Bewohner Nazareths werden nicht deshalb schon mit Wundern überschüttet, weil Nazareth die Heimatstadt Jesu ist.

Nein, offensichtlich geht es Jesus um etwas ganz anderes als Wohnort oder Abstammung.

Jesus hat in der Synagoge verkündet (wir haben am letzten Sonntag gehört):
«Ich bin gekommen, damit ich den Armen eine gute Nachrichte bringe, den Gefangenen Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht». Und die Nazarener haben ihm zugejubelt, ohne zu verstehen, dass sie selbst mit den Armen, den Gefangenen und den Blinden gemeint sind.

Es ist das Besondere an der Botschaft Jesu, dass sie prinzipiell allen Menschen offen steht, egal, welche Abstammung, welche Rasse oder welchen sozialen Status jemand hat. Aber notwendig, unverzichtbar ist das Eingeständnis:
«Ja Herr, ich bin arm, arm im Gefühl und im Geiste. Du kannst mich reich machen.»
«Ja Herr, ich bin gefangen. Gefangen in meiner eigenen Selbstsucht, meiner Faulheit, meiner Schuld und in den Verstrickungen dieser Welt. Du kannst mich frei machen.»
«Ja Herr, ich bin blind. Blind für die Menschen um mich, blind für deine Liebe, blind für meine eigenen Begabungen und Fehler. Du kannst mich sehend machen.»

Wer meint, dieses Eingeständnis nicht nötig zu haben, der lehnt Jesus und seine Erlösung ab. Was soll ich mich erlösen lassen, wenn's mir in allem nur gut geht? Wenn ich einfach nur gut bin?

In der Lesung war die Rede von der Liebe - das Hohelied der Liebe aus dem Korintherbrief. Und wahrscheinlich habe viele von Ihnen genickt und gesagt: Ja, genau, das ist Liebe. Die Frage, die sich mir aber stellt, ist: Habe Ich diese Liebe? Und damit ist nicht nur die gute Absicht gemeint, sondern auch die Form: Ich kann es mit meinem Mann, meiner Frau oder meinen Kindern gut meinen - aber wie äußert sich diese Liebe?

Machen wir einen Versuch: Können Sie ohne schlechtes Gewissen die Lesung auf sich beziehen:

«Ich bin langmütig, ich bin gütig. Ich ereifere mich nicht, ich prahle nicht, ich blähe mich nicht auf. Ich handle nicht ungehörig, suche nicht meinen Vorteil. Ich lasse mich nicht zum Zorn reizen, ich trage das Böse nicht nach. Ich freue mich nicht über das Unrecht, sondern freue mich an der Wahrheit. Ich ertrage alles, glaube alles, hoffe alles, halte allem stand...»

Könne Sie das wirklich von sich sagen? Wenn ja - dann brauchen Sie keinen Gott und keinen Erlöser. Dann sind Sie bei den Bewohnern Nazareths in bester Gesellschaft.
Falls sich bei Ihnen aber bei der einen oder anderen Stelle doch das schlechte Gewissen regt - ja, dann sind Sie hier richtig. Gott weiß um unsere Schwäche; und solange wir selbst ebenfalls darum wissen, ist der erste Schritt getan.

Der nächste Schritt ist: Um Verzeihung bitten. Gott - und denen, denen wir die Liebe schuldig geblieben sind. Um Verzeihung - und um Hilfe. Wir alle brauchen Gottes Hilfe - und die Hilfe anderer Menschen.

Wenn Sie dazu bereit sind, dann sind Sie den Nazarenern einen Schritt voraus. Einen Schritt in Richtung Frieden - Erlösung - Gott.

Amen.

573. Predigtvorschlag

Lk 5,1-11 Was predigte Jesus?

Was hat Jesus eigentlich gepredigt, damals auf dem See von Galiläa, als er den Simon – später Petrus – gebeten hatte, ihm doch das Boot auszuleihen, und als er dann, auf dem Boot stehend, vom Ufer aus zu den Menschen sprach? Was waren seine Worte? Was hat er gelehrt? – Finden Sie das nicht auch eigenartig? Lukas, der Evangelist, berichtet davon rein gar nichts. Nicht den Inhalt. Nur die Tatsache, daß Jesus vom Boot aus zu den Menschen, die am Ufer waren, gesprochen hat.

Ich finde das in einer Weise sehr entlastend: Nicht allein auf die Worte kommt es an, die im Gottesdienst gesprochen werden. Nicht allein auf die Predigt kommt es an, ob die nun spannend, mitreißend, beglückend oder sonst etwas ist, oder vielleicht eher ein Mittel, um den zu kurz gekommenen Schlaf ein wenig nachzuholen. –

Wenn ich einmal darüber nachdenke, wieviel von den Predigten, die ich gehört habe, bei mir wirklich hängengeblieben ist – da ist nicht das allermeiste. Ich weiß nicht mehr, was mein Heimatpastor zu meiner Erstkommunion gepredigt hat. Ich kann überhaupt nicht mehr sagen, was Weihbischof Laurenz Böggering in der hl. Messe gepredigt hat, in der ich gefirmt wurde. Die Predigten zu meiner Weihe zum Diakon und zum Priester sind zum Glück aufgenommen worden, die kann ich mir immer wieder anhören.

Aber nicht deswegen bin ich zu meiner Erstkommunion oder Firmung oder zur Weihe in die Kirche oder in den Dom gekommen, um nur eine Predigt zu hören, und auch nicht allein deswegen sind Sie und seid Ihr heute – vermutlich – in dieser Kirche, sondern wegen etwas anderem.

Was ist dieses „andere“? Es ist, mit einem Wort gesagt, unser Glaube, daß nicht Worte gemacht werden, sondern daß etwas geschieht, daß sich etwas ereignet.

Was meine ich damit? Man muß unterscheiden: Worte, die wir Menschen machen, sind nicht wenig. Ein Wort, zur rechten Zeit gesprochen, kann einen Menschen trösten, ihm Mut machen, ihn stärken. Umgekehrt gibt es Worte, die niederreißen, die Vertrauen zerstören, die verletzen. Es kann eine einzige Bemerkung sein, ein falscher Ton, ein Wort zur falschen Zeit.

Worte haben oft eine große Macht und eine große Wirkung; es gibt Worte, die gehen in die Geschichte ein.

Doch das alles ist wenig, ganz wenig, im Vergleich zu dem Wort, das Gott selber spricht. Wenn Menschen sprechen, können sie viel: sie können verändern, beeinflussen, informieren. – Aber sie können eins nicht: sie können nicht etwas schaffen, was vorher nicht da war. Das kann nur Gott. Und das tut er auch. Er spricht: „Es werde Licht“, und es wird Licht. Gott spricht, und es geschieht. Er ruft ins Dasein, und etwas wird geschaffen.

Das Wort, das Gott spricht, ist also nicht nur Botschaft oder Mitteilung, sondern es ist Schöpfung, Wille, Ereignis. Es schafft Wirklichkeit.

Ich glaube, das müssen wir bedenken, wenn wir heute zwar nicht den Inhalt der Predigt vernehmen, die Jesus damals vom Boot aus gehalten hat, aber erfahren, was sich dann ereignet hat: Simon Petrus folgt, entgegen aller Erfahrung als Fischer, dem Befehl Jesu, noch einmal hinauszufahren, er fährt mit seinen Begleitern eine gewaltige Menge Fische ein, und er empfängt von Christus das Wort: „Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen“ (Lk 5,10).

Dieses Wort ist nicht ein Befehl, eine Erwartung, ein frommer Wunsch. Dieses Wort schafft eine neue Wirklichkeit. Aus Simon, dem Fischer auf dem See Genesareth, wird Petrus, der erste Menschenfischer auf den Meeren dieser Welt. Aus Simon, der gewohnt war, seine Fische zu verkaufen, um damit sich und seine Familie zu ernähren, wird ein Mensch, der sich ganz und gar der Vorsehung und der Führung durch seinen neuen Herrn hingibt, um Menschen für das Reich Gottes zu gewinnen – nicht durch ein Netz, das gefangennimmt und die Freiheit raubt, sondern durch ein Netz anderer Art, das auffängt, trägt und den hält, der ohne dieses Netz ins Bodenlose fallen würde.

Und Simon Petrus und die anderen Apostel und Jünger werden zu Trägern eines Wortes, das sie nicht selber gemacht haben, sondern das sie empfangen haben und bewahren. Das ist das Geheimnis und das Wesen der Sendung, die von Christus ausgeht: Christus selbst will in Menschen sprechen und gehört werden, nicht nur damals, vor 2000 Jahren, sondern auch heute. Nicht nur in Galiläa und in Jerusalem, sondern auch in Berlin, New York, in Düsseldorf und in Grafenwald.

Jeder, der beginnt, im Namen und im Auftrag der Kirche zu sprechen, muß sich immer bewußt sein, daß es nicht seine Worte sind, die er zu den Menschen spricht, sondern die Worte Christi. – Und wenn er sich wirklich dafür zur Verfügung stellt, für diesen wunderbaren Dienst, dann kann er auch Worte sagen, die er von sich aus nie zu sagen wagte, Worte wie: „Ich spreche dich los von deinen Sünden“, oder: „Das ist mein Leib – Das ist mein Blut“.

Hier bewirken die Worte, was sie sagen. Hier leuchtet eine neue Wirklichkeit auf, die von Gott kommt, nicht von einem Menschen.

574. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, die Predigt, die Jesus in den Booten der Fischer hält, wird an dieser Stelle gar nicht näher erwähnt. Und offensichtlich hat sie keinen entscheidenden Eindruck auf die Fischer gemacht, ihr Leben nicht von Grund auf verändert. Zumindest wird da nichts von berichtet.

Wenn man einmal näher in die Heiligen Schrift hineinschaut, so entdeckt man darin einen Grundzug: Durch seine Predigt fasziniert Jesus zwar die Menschen, stimmt sie nachdenklich und hilft ihnen, über ihren Glauben und ihr Leben nachzudenken. Bekehrungen aber geschehen dadurch nur ganz wenige.

Auch bei den Fischern, die Jesus vermutlich genauso zugehört haben wie die Menge der Menschen, hat die Predigt noch keine innere Revolution ausgelöst. Aber immerhin sind sie so angetan von dem, was Jesus sagt, dass sie ihm nicht widersprechen, als er zu ihnen sagt: «Fahrt hinaus!»

Nur - damit haben sie sich auf etwas eingelassen, wo sie nicht mehr herauskommen. Denn jetzt erfahren sie, wer dieser Jesus ist: Eben nicht nur ein Prediger; nicht nur einer, der eine neue Lehre zu verkünden hat; nicht nur ein Entdecker von neuen Lebensweisheiten - sondern einer, der mein Leben verändern kann, weil er alles bewirken kann.

So gewinnt Jesus auch an den vielen anderen Stellen im Neuen Testament seine Jünger: Indem er nicht viele Worte macht, sondern indem er in das Leben der Menschen eingreift, es verändert. Indem er heilt, hilft, rettet und befreit. Bekehrungen geschehen nicht durch Worte allein - auch nicht durch meine Worte hier - sondern durch die Begegnung mit dem, der mein Leben in der Hand hält.

Und das ist dem Petrus eindeutig zu viel. Jesu Predigt anhören - das war ja noch in Ordnung. Sich vielleicht hier und da aus der Predigt Jesu ein paar nette Sätze notieren - und dann in Ruhe darüber nachdenken - das geht noch. Aber - sich von diesem Fremden in seiner Arbeit, in seinem Leben beeinflussen lassen - das geht dem Fischer ohne Frage zu weit. «Herr, geh weg von mir!» sagt er - und meint es auch so.

Aber da ist es bereits zu spät. Jesus hat ihnen gezeigt, was Glauben wirklich heißt, was es bedeutet, sich auf diesen Jesus einzulassen: Nämlich hinzunehmen, dass mein Leben vollkommen umgekrempelt wird.

Und vielleicht haben wir davor auch so unsere Ängste. Im Gottesdienst sich ein paar nette Worte anhören - das eine oder das andere erwägen, darüber nachdenken, und, wenn es uns auskommt, es auch beherzigen, das mag ja noch angehen. Aber Gott persönlich begegnen - sich ihm überlassen, ihm ausliefern, das liegt uns dann doch nicht so.

Aber Gott weiß, dass uns das nicht so liegt, dass es nur allzu menschlich ist, sich vor dem zu fürchten, was wir nicht kennen und was Gott mit uns vorhaben könnte. Und deshalb sagt er dem Petrus und auch uns: «Fürchte dich nicht!»

Fürchten Sie sich nicht, sich diesem Gott anzuvertrauen und ihn in ihrem Leben wirken zu lassen. Fürchten Sie sich nicht, denn Gott meint es nur gut mit uns. Amen.

575. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

manchmal glauben wir, die Berufung der Jünger, von der wir gerade gehört haben, sei ein Ereignis wie ein Blitz im Leben. Zuvor noch nie gesehen - und plötzlich gefangen im Netz des Glaubens. Wir schreiben der Ausstrahlung Jesu unglaubliches zu, weil wir immer wieder annehmen, Jesu würde seine Jünger schon beim ersten Treffen herausfordern, ihr Leben zu ändern.

Wer aber die Berufungsgeschichten im Zusammenhang des ganzen Evangeliums liest, der entdeckt, dass Jesus schon zuvor mit Petrus und den anderen Jüngern unterwegs war: Auf der Hochzeit zu Kana haben sie gemeinsam gefeiert, zwischendurch hat Jesus sogar einige Zeit bei Petrus gewohnt und dessen Schwiegermutter geheilt, es sind bereits Wunder geschehen und Jesus hat dadurch - und durch seine Predigten - für einiges Aufsehen gesorgt.

Aber erst nach diesem langsamen Bekanntwerden mit dem Messias erfolgt die Berufung. Keineswegs haben die zukünftigen Apostel - in einem Anflug von Liebe auf den ersten Blick - alles stehen und liegen gelassen. Jesus hat ihnen vielmehr Zeit gegeben, ihn kennen zu lernen, sich mit dem Gedanken, vielleicht doch ein anderes Leben zu leben, vertraut zu machen. Jesus hat Geduld.

Liebe Schwestern und Brüder, nachdem J. R .R. Tolkien sein Jahrhundertwerk, "Der Herr der Ringe" geschrieben hat - ein Roman, der nur so vor Helden und heldenhaften Handlungen strotzt -, hat er in einem Interview einmal gesagt, dass es auch in der realen Welt Zeiten gibt, in der wir zu heldenhaften aufgerufen sind. Diesen Ruf zum Helden hört aber nur der, der den größten Teil seiner Zeit zuvor damit verbringt, die Treue im Alltäglichen zu leben. Diese innere Bereitschaft, jetzt schon das nötige zu tun, ist die Vorraussetzung, um auch zu großem fähig zu sein.
Die Apostel sind nicht willkürlich ausgewählt. Auch Jesus hat Gelegenheit gehabt, sie in Ruhe kennen zu lernen. Und er ruft die zu Großem, die bereits vorher bereit waren, im Alltäglichen treu zu sein.

Auch wir sind von Gott angesprochen. Vielleicht liegt das große Heldenstück noch vor uns. Vielleicht hat Gott uns dazu noch nicht gerufen. Aber wir können diesen Ruf nur hören - und dann den Mut haben, ihm zu folgen, wenn wir bereits jetzt aufmerksam sind; auf Gott schauen, ihm zuhören und nahe sind.

Vielleicht wird einmal ein wildfremder Mensch vor uns in Tränen ausbrechen. Dann gehört für unsereiner aller Mut der Welt dazu, darin den Ruf Gottes zu erkennen. Denn mit Sicherheit werden wir, wie Petrus, im Inneren alle möglichen Ausreden erfinden: «Wer bin ich schon, dass ich mich da einmische? Vielleicht will der keine Hilfe? Vielleicht mache ich alles nur noch schlimmer? Vielleicht störe ich nur? Warum gerade ich? Spiele ich mich dadurch nicht auf? Es gibt doch so viele andere...!»

Doch die Antwort Jesu gilt auch für uns: Fürchte dich nicht, meinen Ruf zu folgen. Er wird kommen, der Ruf: Durch jemand, der in Not gerät - und keiner traut sich, Hilfe anzubieten. Durch jemand, der verlassen wird - und keiner weiß, ob er Gesellschaft braucht. Durch jemand, der in Schuld gerät - und keiner weiß, ob man ihm noch trauen kann. Durch jemand, der mir fremd ist - und ich nicht weiß, ob ich überhaupt erwünscht bin. Durch jemand, der nicht die Kraft hat, um Hilfe zu bitten - und ich nicht weiß, ob ich überhaupt helfen kann. Dann sind Helden gefragt. Apostel, die allein schon durch die Umstände den Ruf Gottes erkennen und nicht auf eine extra Aufforderung warten.

Das kann nur der, der jetzt schon an seiner Bereitschaft arbeitet. Der sich nicht zu schade ist, im kleinen an seinen eigenen Ängsten zu arbeiten, sich hier und dort zu blamieren. Der weniger um seinen Ruf als vielmehr um seine Mitmenschen bemüht ist. Der sich bemüht, die Menschenfurcht abzulegen. Der nicht danach fragt, was alles sein könnte, sondern der tut, was er für gut hält. Das sind Apostel, die wir brauchen. Amen.

576. Predigtvorschlag

«Es gibt vier Arten von Menschen, die man als tot erachten kann: Aussätzige, Blinde, Kinderlose und Zahlungsunfähige.»

Liebe Schwestern und Brüder, dieser Satz stammt aus einem jüdischen Text, verfasst wenige Jahre nach Christi Geburt. Darin spiegelt sich ein wenig vom Denken der damaligen jüdischen Gesellschaft wider: Menschen, die nichts vom Leben haben werden, sind quasi schon tot.
Als ich den Satz vor ein paar Jahren zum ersten mal gelesen habe, ging mir der Gedanke durch den Kopf: Gott sei Dank leben wir nicht mehr in einer solchen Gesellschaft, die Leben für nicht mehr lebenswert hält, weil es nicht dem Ideal entspricht. Aber inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher.

In einer Studie wurden 1157 Frauen befragt, inwieweit eine Veranlagung zu Übergewicht ein Grund zur Abtreibung sein könnte. 18,9 % gaben an, selbst in einem solchen - vergleichsweise harmlosen - Befund abtreiben zu wollen, weitere 36,0 % würden zwar persönlich deswegen nicht abtreiben, finden aber, dass in diesen Fällen Abtreibung möglich sein sollte. Fazit: Mehr als 50% sehen in Übergewicht einen «akzeptablen Grund» zur Abtreibung! Übrigens ist das für eine Veranlagung zu Übergewicht verantwortliche Gen mittlerweile identifiziert worden.

In einer wissenschaftlichen Arbeit (von Stackelberg) heißt es: «In einer Zeit der knapper werdenden öffentlichen Mittel muss überlegt werden, ob es nicht billiger ist, das Leben behinderter Kinder zu verhindern. Der öffentliche wie auch der private Wohlstand steigt, wenn es keine behinderten Kinder mehr gibt.» Diese Arbeit erhielt 1981 den Gesundheitsökonomiepreis des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, die Laudatio hielt die damalige Parlamentarische Staatssekretärin Anke Fuchs.

Im Europarat wurde inzwischen eine Bioethik-Konvention beschlossen, die Experimente an Personen erlaubt, die nicht zustimmen können: An Behinderten, an Menschen, die im Koma liegen, und an Säuglingen. Mit dieser Konvention sind grundsätzlich auch genetische Experimente am Menschen erlaubt. Genetische Information über zu erwartende Erbkrankheiten dürfen auch an die Arbeitgeber weitergegeben werden. Alle 39 Länder haben zugestimmt, nur allein Deutschland hat sein Veto eingelegt.

«Es gibt vier Arten von Menschen, die man als tot erachten kann: Übergewichtige, Behinderte, Menschen im Koma und Ungeborenes Leben.» So könnte die moderne Version lauten - und sie ließe sich beliebig ergänzen.

Das Urteil darüber, ob ein Leben noch lebenswert ist, liegt uns heute genauso nah, wie damals zur Zeit Jesu dem jüdischen Volk. Und deshalb hat uns das heutige Evangelien genauso viel zu sagen, wie den Zuhörern damals:
Selig sind nicht die Reichen, nicht die Menschen, denen es gut geht, nicht die Menschen, die sich alles leisten können. Selig sind die Armen, denn ihnen gehört das Reich Gottes.
Selig sind nicht die Menschen, die mit ihrem Leben zufrieden sind und Grund haben, glücklich zu sein; selig sind nicht die Menschen, die keine Behinderung erleiden müssen und die ihren behinderten Kindern das Leben ersparen. Selig sind vielmehr die, die Weinen, denen in den Augen der Gesellschaft das Leben keinen Grund zum Lachen gegeben hat, die aber leben und anderen Leben ermöglichen.
Selig sind nicht die Menschen, die Anerkennung finden und geachtet werden, die körperlich gesund sind, die gut aussehen. Selig sind vielmehr die, die von allen gehasst werden, die aus der Gemeinschaft ausgeschlossen sind, die einen schlechten Ruf haben.

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus ist keine Werbefachmann. Er malt seinen Zuhörern kein rosiges, sympathisches Bild der Zukunft für die, die ihm nachfolgen. Er spricht nicht vom gelungenen Leben, sondern vom Kreuz. Er sagt, wie es sein wird, und mag dabei vielleicht etwas übertreiben. Selbstverständlich hilft unser Glaube vielen zu einem erfüllten Leben. Aber alle Freude, die der Glaube uns schenkt, nimmt nicht das Kreuz weg, dass es in jedem Leben gibt.

Selig sind die, die ihr Kreuz auf sich nehmen; denn das Kreuz ist die einzige Brücke, die zum Himmel führt. Amen.

577. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Menschen lieben, die uns hassen, sich schlagen lassen, unser Eigentum dem schenken, der uns bestiehlt - eine seltsame frohe Botschaft. Sie passt so gar nicht in unser Rechtsempfinden, und sie passt vor allem nicht in das Rechtsempfinden des Alten Testamentes, in dem es Hunderte von Vorschriften gibt, um die Gerechtigkeit zu wahren.

Für die Juden war diese Rede damals ein Skandal. Und eigentlich müsste sie auch für uns «unerhört» sein, radikal und extremistisch. Aber wir haben uns an den Anspruch «Liebet eure Feinde» gewöhnt. Und durch diese Gewöhnung hat diese Aufforderung Jesu an Schärfe verloren:

Wir richten uns ja sowieso nicht danach.

Selbstverständlich muss ein Einbrecher verhaftet werden, jemand, der uns unsere Wohnungseinrichtung zerstört, werden wir wohl kaum noch die Autoschlüssel anbieten. Das hat's ja noch nie gegeben.
Und wenn wir etwas ausleihen, dann erwarten wir es selbstverständlich zurück. Jemand, der das nicht tut, bezeichnen wir eher als gutgläubig, vertrauensselig und ein bisschen bescheuert. Wo kämen wir denn dahin, wenn wir das ernst nehmen würden, was im heutigen Evangelium geschildert wird?
Richtet nicht, verurteilt nicht, erlasst die Schuld: Was wäre wohl, wenn das alle täten? Mit diesem Anspruch des Evangeliums halten wir uns nicht lange auf: Er ist weltfremd. Und zwar vollkommen weltfremd.

Das hat's noch nie gegeben, wo kämen wir denn dahin, wenn das alle täten - und überhaupt. Die vier triftigsten Gründe, sich nicht mehr damit auseinanderzusetzen.

Wir lesen die Bergpredigt, finden sie beeindruckend und - stellen Strafantrag gegen Unbekannt, weil in unserem Vorgarten Blumen fehlen.

Aber an unserer Hochachtung vor dem Lehrer Jesus ändert das nichts: Auch trotz dieser Bergpredigt, an die wir uns nicht halten, glauben wir noch an Jesus Christus als dem Sohn Gottes.

Seltsam.

Ein Politiker, der Unmögliches von den Bürgern verlangt, wird wegen Unfähigkeit abgewählt.

Ein Arbeitgeber, der von seinen Mitarbeitern ständig das Äußerste fordert, und noch darüber hinaus, wird wegen Ausbeutung oder unsozialem Verhalten vor Gericht gebracht.

Eine Kirche, die nicht den Durchschnitt zum Maß erhebt, sondern das Überdurchschnittliche, die verlässt man.

Jesus wird aber - gerade aufgrund seiner Bergpredigt - gepriesen und verehrt, obwohl doch eigentlich klar, dass keiner dazu in der Lage ist, sie zu erfüllen. Er erwartet von uns Unmögliches, das Äußerste, das Überdurchschnittliche - und trotzdem stört sich keiner daran.

Aber gerade das ist es tatsächlich, was Gott von uns erwartet: Dass wir Unmögliches versuchen, dass wir ans Äußerste gehen, dass wir uns über den Durchschnitt erheben. Nicht deswegen, weil wir Christen so hervorragend sind - das wage ich zu bezweifeln.
Gott kann dies alles von uns erwarten, weil er selbst in uns das Unmöglich vollbringt, er selbst in uns bis zum Äußersten geht und er selbst in uns Überdurchschnittliches bewirkt.
Man kann das Gnade nennen, was Gott mit denen macht, die sich auf diesen unmöglichen Anspruch einlassen. Man kann es Gnade nennen, was Gott uns schenkt, wenn wir uns nur auf ihn einlassen würden.

«In reichem, vollem, gehäuften, überfließendem Maß wird er euch beschenken!» Man kann diese Großzügigkeit Gottes Gnade nennen.

Aber egal, wie wir es nennen: Weil Gott so einen seltsam hohen Anspruch an uns stellt, so gibt er dem Menschen auch die Fähigkeiten, das Unmögliche zu vollbringen, ans Äußerste zu gehen und den Durchschnitt hinter sich zu lassen.

Wenn wir es nur versuchen würden, könnte jeder von uns feststellen, dass wir alle - wenn auch nicht zum Supermann - so doch zum Heiligen berufen sind.

«Liebet Eure Feinde, gebt jedem, der euch bittet, richtet nicht, verurteilt nicht, erlasst einander die Schuld. Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!»

Am Anfang des Evangeliums heißt es: «Jesus sprach zu seinen Jüngern: Euch, die ihr mir zuhört, sage ich...» Anscheinend habe damals schon so einige bei dieser berühmten Predigt nicht richtig zugehört, nicht zuhören wollen.

Wie steht's mit ihnen?

578. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

die Anweisungen der Bergpredigt (hier bei Lukas ist es genaugenommen die Feldrede) haben wir oft genug gehört. Wir können sie fast auswendig, und halten uns trotzdem nicht daran. Es ist einfach zuviel verlangt: Die segnen, die mich verfluchen; denen Gutes tun, die mich hassen; sich schlagen lassen und den Dieben noch das letzte Hemd lassen - usw. Damit sind wir überfordert und kommen einfach nicht mit.

Jesus weiß das, er kennt den Menschen sehr wohl. Er weiß, was uns möglich ist - und dass uns die Bergpredigt überfordert. Aber er schraubt seinen Anspruch nicht herunter; er bleibt dabei: Das Ziel des christlichen Lebens ist die absolute Selbstlosigkeit.

Wir sind uns einig, dass sich darauf kein Staat und kein Verein aufbauen lässt; es ist nicht praktikabel. Auch die Kirche kann nicht dem Anspruch der Bergpredigt gerecht werden, ohne gleichzeitig die Gerechtigkeit zu vernachlässigen. Es muss Vereinsregeln geben, staatliche Gesetzt und eine kirchliche Ordnung, die von jedem befolgt werden kann.

Aber damit ist nicht gesagt, dass derjenige, der alle staatlichen Gesetze befolgt - oder im Verein alle Regeln beachtet - schon ein gutes Mitglied ist. Alle Regeln und Gesetze - auch in der Kirche - sind Mindeststandards. Die zu erfüllen ist unsere Pflicht. Gott verlangt aber die Kür von uns.

Und die Aufforderung, nach der Pflicht an die Kür zu gehen, ist der Inhalt der Bergpredigt. Wir unterscheiden uns von einem Nicht-Christen dadurch, dass wir religiöse Pflichten haben und diesen nachkommen. Aber dadurch sind wir noch lange keine Christen: Zu echten Christen werden wir erst, wenn wir über unsere Pflicht hinaus denken und handeln.

Leider sind wir Menschen, die gerne wissen möchten, was denn von uns erwartet wird - und wann wir die Erwartungen Gottes erfüllt haben.

Das gilt z.B. auch für die Fastenzeit, die vor uns liegt: Es gibt Mindest-Standards, die erfüllt werden sollten: Die Kirche versteht schon seit jeher unter "Fasten", dass wir an Aschermittwoch und Karfreitag sowie an allen Freitagen der Fastenzeit kein Fleisch essen - Abstinenz. Darüber hinaus fastet der, der sich nur einmal am Tag satt ißt. Auch der Empfang des Beichtsakramentes vor Ostern gehört zu den Grundbedingungen - sie kennen sicherlich noch die Kirchengebote.

Aber was vor Gott zählt, das darüber hinaus ist die Kür: Dem Nächsten bereitwilliger dienen, den Gottesdiensten auch an den Werktagen Beachtung schenken; das Gebet suchen, die Stille und die Gottesbegegnung.

Sie wissen es - ich weiß es: Bereits die Pflichtübungen unseres Glaubens sind keine Selbstverständlichkeiten mehr. Und zur Kür kommt es dann oft nicht mehr.

Gott ist aber anspruchsvoll. Er erwartet die volle Erfüllung der Pflicht und ruft dann zur Kür. Gott ist anspruchsvoll und lässt nicht locker. Nicht, weil er unbarmherzig ist. Ganz im Gegenteil: Weil er uns liebt, und weil er ein barmherziger Gott ist, will er unser Herz verändern; er will uns liebesfähig machen. Er liebt uns, trotz unserer Bequemlichkeit.

579. Predigtvorschlag

Herr, ich bin nicht würdig ...
Immer wieder, in jeder heiligen Messe beten wir dieses Gebet vor dem Kommunionempfang.
Ist uns dabei bewußt, dass wir die Worte eines Heiden aufgreifen? Ja, ein Heide hat sie gesprochen. Es sind die Worte eines römischen Hauptmanns. Er muss ein feines Gespür besessen haben: für das Übernatürliche, das er in Jesus erahnt, wie für das Menschliche in Gestalt seines erkrankten Knechtes. So erbittet er von Jesus wie für einen Freund die Genesung seines Knechtes.
Der römische Hauptmann gehörte zu jenen, die man gottesfürchtig nannte - Heiden, die dem Glauben Israels nahestanden, weil sie darin eine Antwort auf ihre Sehnsucht nach dem Heil ahnten. Dies und sein Sinn für solidarisches Mitempfinden erinnert uns vielleicht an Menschen unserer Zeit. Angenehme, sympathische Menschen: weitsichtig genug, die weltlichen Sinnangebote in ihrer Vordergründigkeit zu durchschauen, und selbstlos genug, die Not anderer zu erspüren. Viele stehen an der Schwelle zum Glauben und erwarten von uns Christen vielleicht nur das auslösende Moment eines anziehenden Beispiels oder ermunternden Wortes.
Der Evangelist schildert bewegt und bewegend die Aufgeschlossenheit dieses Heiden für Christi Botschaft:
demütig vertraut er auf Gott und besitzt ein Gespür für die erhabene Gestalt Jesu. Haltung und Worte zeigen, dass er alles vom Erbarmen Jesu, nichts von seinem eigenen Zutun erwartet. Er nähert sich schrittweise dem Herrn. Zuerst schickt er einige von den jüdischen Ältesten; dann lässt er Jesus ausrichten: Herr, bemühe dich nicht! Denn ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst. Er stellt sich nicht sofort direkt vor Jesus. Er schickt erst einmal andere vor.
Die Ältesten bemühen sich redlich, Jesus für den Hauptmann einzunehmen. Der Evangelist sagt, sie baten Jesus inständig und sagten: Er verdient es, dass du seine Bitte erfüllst; denn er liebt unser Volk und hat uns die Synagoge gebaut. Aber nicht diese äußeren Gründe bewegen Jesus, sondern der Glaube dieses Menschen. Jesus wandte sich um und sagte zu den Leuten, die ihm folgten: Ich sage euch: Nicht einmal in Israel habe ich einen solchen Glauben gefunden.
Aus der Betrachtung dieser Stelle können wir Demut, Vertrauen, Solidarität und eine weitherzige Menschlichkeit lernen, uns für andere einzusetzen durch unsere Fürbitte bei Jesus.
Das Fürbittgebet ist eine Konstante des Glaubens: "Jedes Herz, das in die Barmherzigkeit Gottes miteinstimmt, tritt, seit Abraham, für die anderen ein und bittet für sie." heißt es im Katechismus der Katholischen Kirche. Abraham nahm es auf sich, für die dem Untergang geweihten Städte Fürbitte einzulegen. Er wagte mit Gott eine Art Handel: Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte in der Stadt: Willst du auch sie wegraffen und nicht doch der Stadt vergeben wegen der fünfzig Gerechten dort? (...) Da sprach der Herr: Wenn ich in Sodom, in der Stadt, fünfzig Gerechte finde, werde ich ihretwegen dem ganzen Ort vergeben. Da es keine fünfzig gab, feilschte Abraham mit Jahwe: (...) Vielleicht finden sich dort nur vierzig? (...) dreißig? (...) zwanzig? (...) zehn?
In der Fürbitte für andere drückt sich das Band aus, das uns als Geschöpfe und Erlöste miteinander verbindet. Wir erfahren uns - ungeachtet unserer eigenen Not - als Wohltäter anderer: in der leiblichen Not einer Krankheit oder in der geistigen Not der Glaubenslosigkeit oder Gottferne. In der heiligen Messe legen wir Fürbitte für alle ein: "Erhöre, gütiger Vater, die Gebete der hier versammelten Gemeinde und führe zu dir auch alle deine Söhne und Töchter, die noch fern sind von dir." heißt es im Hochgebet.
"Denk an mich in Kevelaer. Zünd mal eine Kerze an für meine Tochter. Würden Sie wohl für meinen Vater beten, dem geht es nicht gut." Vielleicht hat man solche Sätze schon einmal an Sie gerichtet.
Vielleicht aber haben Sie auch schon solche Sätze gesagt. So wie wir Fürbitte für andere einlegen, so verlassen wir uns auch auf die Fürbitte anderer für uns. Wir erbitten die Hilfe jener, von deren Glauben wir überzeugt sind. Seien sie noch hier auf Erden unter uns oder schon im Himmel.
Besonders verlassen wir uns auf die Fürbitte der durch die Kirche Heiliggesprochenen, da eine gesunde Heiligenverehrung in keiner Weise den Kult der Anbetung abschwächt, der Gott dem Vater durch Christus im Heiligen Geist dargebracht wird, sondern ihn vielmehr reicher gestaltet. Denn die Gemeinschaft mit den Heiligen verbindet uns mit Christus, dem die Heiligen vertrauten und von dem sie alles erhofften..
Die Heiligsprechungen durch die Jahrhunderte erinnern uns daran, dass die Nachfolge Christi kein abstraktes Ideal ist, sondern eine sehr konkrete Wirklichkeit, die zu allen Zeiten und in den verschiedensten Lebenssituationen Gestalt angenommen hat. Die Heiligen inkarnieren die christliche Botschaft, sie bezeugen den Geist der Seligpreisungen als lebbar und verweisen auf das Wesentliche: die Freundschaft mit Christus. Theodor Schnitzler fasst es einmal so zusammen: "Christus nannte die Apostel und alle Heiligen seine Freunde. Die heiligen Freunde Christi sind ihrem Meister so ähnlich geworden, wie alternde Eheleute nach einer langen Ehe oft einander in ihren Gesichtszügen ähnlich werden. Man kann diese Freunde Gottes nur zeichnen, wenn man ihre Christusgleichförmigkeit sucht. Dabei erkennt man, dass sie auch unsere Freunde sind."

Herr, ich bin nicht würdig ...
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Aussage eines Heiden hat uns zur Heiligenverehrung geführt.
Zum einen kann das heißen, dass wir aufmerksam sind für das Gute, das wir bei Menschen anderer Kulturen, Religionen etc. finden können. Es ist egal, wer das Gute und die Wahrheit tut. Behalten wir das Gute und das Wahre im Herzen.

Zum anderen kann uns das zu einem verstärkten Vertrauen in die Heiligen führen, die unsere Fürsprecher sind.
Gleichzeitig kann uns das Vorbild des heidnischen Hauptmannes ermuntern, fürbittende Menschen zu sein. Das öffnet uns für Gott und für die Menschen um uns und in der ganzen Welt.

Ich habe als Kind von einem Pastor einmal folgendes gelernt. "Gehe nie abends schlafen, ohne für andere gebetet zu haben."
Einen Satz, den man nicht nur Kindern sagen kann, sondern jedem. Denn er ist gut und wahr.

580. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Zweimal ist heute von der Auferweckung Toter die Rede. In der 1. Lesung ist es der Prophet Elija, der den Sohn einer Witwe zum Leben erweckt; im Evangelium ist es Jesus selbst, der den Sohn der Witwe zum Leben erweckt. Auch wenn die Fälle sich unterscheiden, durch beide Wunder kommen Menschen zum Glauben an den lebensspendenden Gott. Bei Jesus geschieht das Wunder fast ganz nebenbei - er ist gerade unterwegs in die Stadt. Er hat einfach Mitleid und handelt und erweist sich als der Herr über Leben und Tod. Deshalb ist für ihn auch eine Totenerweckung nicht schwieriger als eine Krankenheilung. In einer anderen Episode seines Wirkens vergibt Jesus dem Gelähmten zuerst die Sünden bevor er ihn heilt. Er fragt dabei die Menge noch: "Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Deine Sünden sind Dir vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm Dein Bett und wandle?" Weil Jesus die Macht hat, Sünden zu vergeben, darum hat er auch die leichtere Vollmacht, leiblich Kranke zu heilen und leiblich Tote zu erwecken.

Die 2. Lesung macht nochmals deutlich, welches das größere Wunder ist: die Erweckung des Paulus zum Leben. Er beschreibt, wie er vorher den Herrn verfolgt hat, sich für die jüdischen Gesetze ereifert hat und wie er dann durch das Ereignis in Damaskus die Offenbarung Jesu Christi empfangen hat. Wie Gott sich hier zeigt, ist im Grunde genommen noch viel erhabener als seine irdische Handlung an der Bahre des Jünglings von Naim. Denn hier wird eine ganze Existenz in ihr geistiges Gegenteil umgewandelt. Paulus war vorher geistig tot, Jesus kann ihn durch eine Erscheinung zum Leben erwecken.

Das kann er auch heute noch - bitten wir ihn einfach darum. In einem bischöfliche Segensgebet findet sich diese Auslegung des Textes, die dort eine Art Anwendung findet:

"Gott, der den Sohn der Witwe, der schon vor das Stadttor gebracht war, auferwecken wollte, schütze die Pforten eures Leibes mit seinem Segen und verteidige sie gegen den Angriff aller sichtbaren und unsichtbaren Feinde. Und so wie er damals jenen Jüngling von Erbarmen bewegt zum Leben zurückführte, so möge er euch, die ihr tot seid durch Sünde, zurückrufen, zu seiner Gnade und schenke euch seine Vergebung durch die Buße der Sünder. Auf dass der große Prophet, der sich durch seine Menschwerdung freundlich um das Menschengeschlecht gekümmert hat, mache, dass ihr den Weg der Fehler verlasst und dem Pfad der Tugenden folgt, damit ihr bei der Auferstehung der Toten die Freuden des Himmels erhaltet."

581. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,
geht es ihnen auch manchmal so, dass sie vor der Beichte, bei einem Bußgottesdienst oder bei einer Gewissenserforschung, nicht genau wissen, was Sie überhaupt beichten sollen. Da greifen wir schnell zu den Gebotssammlungen und gehen die Gebote in Gedanken durch, um uns zu fragen, gegen welche wir den verstoßen haben. Und schon sind wir auf dem falschen Weg. Denn die Sünde besteht eben nicht darin, dass wir einfach nur gegen Regeln verstoßen hätten.

Wir glauben das gerne. Aber das würde bedeuten, dass Gut und Böse einfach nur Markierungen sind, die von Gott, einem menschlichen Gesetzgeber, oder mir selbst gesetzt wurden - sozusagen als Wegmarkierungen für einen gewählten, aber im Grunde beliebigen Weg. Ich spreche zum Beispiel von Sünde, wenn ich mich an meinen eigenen Diätregeln nicht gehalten habe. Ob ich aber überhaupt Diät halten will, habe ich selbst festgelegt - und das bleibt meine freie Entscheidung. Oder ich spreche von Sünde im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr (einem Verkehrssünder), wenn er sich an die vom Gesetzgeber vorgegebenen Regeln und Gefahreneinschätzungen nicht hält. Wir sprechen gelegentlich auch von Sünde, wenn jemand gegen ein göttliches Gebot verstoßen hat - aber das ist selten.

Kein Wunder dass wir uns an unsere Sünden unter diesen Umständen nicht richtig erinnern können. Denn wir haben unter diesen Umständen nicht automatisch ein schlechtes Gewissen, sondern wir müssen uns das schlechte Gewissen erst anerziehern, in dem wir immer unser Verhalten mit den gegebenen Regeln und Geboten vergleichen. Sehr mühsam. Und auch nicht sehr hilfreich.

In Wirklichkeit ist Sünde aber kein Regelverstoß. In Wirklichkeit ist Sünde immer Lieblosigkeit; mangelnde Liebe, Gehässigkeit, Missbrauch und Benutzen anderer Menschen für meine eigenen Interessen.
Wir wissen nicht welche Sünde die Sünderin im Evangelium begangen hat. Wir denken (aus einem nicht bekannten Grund) schnell an Prostitution. In Wirklichkeit könnte die Frau aber alle möglichen Sünden begangen haben: Sie könnte eine Intrigantin sein; oder eine Grundbesitzerin, die ihre Untergebenen misshandelt. Vielleicht hat sie ein Lügengewebe gesponnen und über die Stadt ausgebreitet. Vielleicht hetzt sie Leute gegeneinander auf und zerstört so Existenzen. In jedem dieser vermuteten Fälle liegt ihre Sünde in ihrerer mangelnden Beziehungsfähigkeit. Darin, dass sie nicht bereit ist, wahre Beziehungen aufzubauen, die darin bestehen, den Anderen gelten zu lassen. Lieb heißt, das Wohl des anderen zu suchen. Sünde heißt, den anderen für sein eigenes Wohl einzuspannen. Pläne zu schmieden, in denen andere nur dann eine Rolle spielen, wenn sie mir nützen.

Die Busse bei Regelverstößen liegt darin, ein Bußgeld zu zahlen, ins Gefängnis zu kommen und uns vor allem demnächst noch viel besser an die Regeln zu halten. Die Konsequenz unserer Lieblosigkeit liegt dagegen darin, dass wir die Beziehungen, die wir zerstört haben, nun wieder aufbauen müssen. Das ist allerdings viel mühsamer als zuvor, denn wir müssen mit viel Vertrauen andern Menschen begegnen, die leider berechtigterweise uns zunächst misstrauen.
Und genau das tut die Sünderin. Sie nimmt das Kostbarste was sie hat - ein Alabastergefäß mit Öl -, und opfert es für Jesus. In aller Öffentlichkeit tut sie etwas, von dem sie nicht den geringsten Nutzen hat. Ganz im Gegenteil: es wird ihr sogar noch angekreidet; die anderen Gäste lästern über sie. Aber es geht ihr nicht um den persönlichen Nutzen. Ganz voller Liebe fragt sie nicht, ob sie etwas von dieser Tat hat. Es geht ihr nur darum, Liebe zu zeigen, weil sie so oft und so häufig Liebe verweigert hat.

Wenn wir also uns vor einer Beichte, in einem Bussgottesdienst oder einer Gewissenserforschung unserer eigenen Sündhaftigkeit nähern wollen, fragen wir: In welchen Beziehungen leben wir? Wo sind wir Liebe schuldig geblieben? Wem gegenüber waren wir lieblos? Zu wem haben wir Beziehungen abgebrochen, oder zumindest Beziehungen geschädigt?
Und wir sollten uns ernsthaft fragen ob es nicht notwendig ist, sowie die Sünderin die Wiedergutmachung öffentlich zu zeigen. Denn unsere Sünden ziehen Kreise des Misstrauens, ermutigen andere ebenfalls zu betrügen und zu lügen, oder schüren in ihnen die Angst betrogen und belogen zu werden. Man erzählt sich davon, dass Beziehungen meinetwegen zerbrochen sind, man hat Angst um seine eigene Beziehung und vielleicht Misstrauen mir gegenüber.

Die Sünderin hat Jesus nicht nachts oder im Privaten aufgesucht, sondern in aller Öffentlichkeit. Sie wollte deutlich machen, dass das, was sie in aller Öffentlichkeit Gott angetan hat, nun auch öffentlich wiedergutmacht. Damit macht sie den Menschen Mut, ihren eigenen Weg der Umkehr zu gehen, das Vertrauen zu den Menschen zurückzugewinnen, von denen sie missbraucht und belogen wurden. "Wenn die Sünderin sich bekehren kann, dann vielleicht auch der, der sich mir gegenüber schuldig gemacht hat."

Wie gewinnen auch Vertrauen in das Unsichtbare zurück. Einem Polizisten ist egal, ob wir uns wünschen über eine rote Ampel zu fahren. Hauptsache ist, dass wir es nicht tun. Einem Polizistengott, der nur nach Geboten und Regeln fragt, ist es egal was wir denken und fühlen. Ihn interessiert nur, was wir wirklich tun.

In einer Liebesbeziehung ist aber nicht unwichtig, ob ich in Gedanken lieber mit jemand anderem verheiratet wäre. Oder ob ich meinen Ehemann oder meine Ehefrau am liebsten tot sähe. In einer Liebesbeziehung ist vielleicht sogar das, was Beweggrund für eine Tat ist und sich vor der Tat im Herzen des Menschen abspielt, viel wichtiger als die Tat selbst. So sind betrogene Liebende viel enttäuschter über die Gefühlswelt dessen, der sie betrügt, als über den Seitensprung selbst.

Gott möchte aber kein Polizist sein, sondern eine Liebesbeziehung zu uns knüpfen. Er möchte nicht, dass wir uns nur einfach an Seine Gebote halten, sondern Er möchte unser Herz. Er schenkt uns die Liebe, die nötig ist, damit wir in unserer Beziehung Ihm gegenüber keine Ängste mehr haben. Er möchte, dass wir Ihm vertrauen - grenzenlos und furchtlos. Deshalb verzeiht er uns schon, bevor wir gesündigt haben und ermöglicht uns so diese Liebe zu erwidern. Ja, er schenkt uns sogar die Liebe, mit der wir ihm selbst wieder begegnen können, um unsere Schuld wiedergutzumachen. Unsere Liebesschuld. Diese Liebe, die er uns schenkt, ist Jesus Christus persönlich. Amen.

582. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

an verschiedenen Stellen im Bericht über das Wirken Jesu wird davon gesprochen, dass Jesus Sünden vergibt - und dass dadurch viele Menschen Anstoß an ihm nehmen. Dass Jesus heilt, er den Menschen von der Liebe Gottes erzählt, Gutes tut und das Reich Gottes verkündet - okay. Aber in dem Augenblick, indem er von der Vergebung der Sünden spricht, gehen oft die Wogen hoch - wer ist der, der sich in das Privateste der Menschen einmischt? In Ihrer Verfehlungen Gott gegenüber?

Ist denn die Sünde nicht Privatsache zwischen Gott und dem Menschen? Was hat sich Jesus dort einzumischen?

Liebe Schwestern und Brüder, wir denken heute auch nicht viel anders. Unsere Schwäche, unsere Verfehlungen sind uns peinlich, und deshalb machen wir sie am liebsten direkt mit Gott ab. Was sollen wir da noch eine Vermittlung suchen? Das bedeutet ja nur, auch noch jemanden anderem gegenüber einzugestehen, dass wir etwas getan haben, für das wir uns schämen. Lieber machen wir das mit Gott aus.

Nur, dass heute noch bei vielen Menschen das Bewusstsein hinzukommt, dass wir eigentlich gar nicht mehr richtig sündigen. So schlecht sind wir doch gar nicht. Und die paar Fehler sind eben nur menschlich.

Wir vergessen dabei aber leicht, dass verzeihen und vergeben eine der schönsten Formen der Liebe ist. Und mit dem Verschwinden des Sündenbewusstseins und mit dem Verschwinden der ehrlichen Aussprache und Vergebung bringen wir uns um die tiefsten Liebes-Erfahrungen unseres Lebens.

Das, was die Sünderin im Evangelium tut, geht unter die Haut. Jesus vergleicht ihr Verhalten mit dem des Gastgebers, und er macht ganz deutlich, dass ihre Reue ihm viel kostbarer ist, als die gepflegte Gastfreundschaft des Pharisäers.

Dabei verharmlost Jesus das Sündenregister der Frau nicht. Ganz im Gegenteil: Er spricht sie an und redet von den vielen Sünden, die sie begangen hat. Aber er sagt eben auch: Deine Sünden sind dir vergeben.

Jesus hat nie die Sünde verharmlost; sie war für ihn immer das größte Übel, die schlimmste Krankheit. Aber er war gut zu den Sündern und hat ihnen die Vergebung zugesprochen, die ihnen von anderen verweigert wurde. Er hat den Sündern nicht gesagt, dass alles nicht so schlimm sei. Und gerade deshalb mischt er sich ein in das angeblich private Verhältnis des Sünders zu Gott: Weil er derjenige ist, der Gottes Liebe den Menschen erfahrbar macht.

Jesus begnügt sich nicht nur damit, den Armen und Kranken Menschen Gottes Liebe zu predigen. Er heilt sie.
Jesus begnügt sich nicht nur damit, den Schwachen und Sündern Gottes Vergebung zu predigen. Er spricht ihnen diese Vergebung zu.

Wir Menschen brauchen diese Erfahrung. Wer heiratet, begnügt sich auch nicht mit dem einen Jawort in der Kirche, sondern für die Ehe ist lebensnotwendig, einander immer wieder zu sagen: Ich liebe dich.

Wir berauben uns selbst, indem wir unsere Schwäche zur Privatsache erklären und die Kirche außen vor lassen. Wenn unser Glaube konkret bleiben soll, muss uns auch jemand sagen, dass Gott mir die Sünden vergibt.
Wir berauben uns selbst, indem wir unsere Schwäche nicht wahr haben wollen. Das Wort Sünde kommt vom Wort sich absondern. Jeder, der sich von Gott oder von den Menschen absondert, der sündigt. Nur wer liebt, überwindet diese Spaltung, diesen Graben, der sich auftut; oft genug in uns selbst.
Wer aber seine Fehler einsieht und erkennt, der kann gerade dadurch zu noch größerer Liebe heranreifen - sowohl den Menschen gegenüber, als auch Gott gegenüber.
Berauben sie sich nicht selber dieser Erfahrung, dieser Möglichkeit, über sich selbst hinauszuwachsen. Und berauben sie sich nicht der Erfahrung, die Vergebung Gottes - und damit die Liebe Gottes - ganz persönlich zugesprochen zu bekommen. Amen.

583. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

liebt Gott eigentlich alle Menschen gleich?

Es gibt das Gerücht, und es hält sich hartnäckig: Gott liebt auch den größten Sünder; ja, vielleicht sogar noch etwas mehr als die anderen, die nicht so viel auf dem Kerbholz haben.

Eigentlich seltsam, finden sie nicht? Da verehren wir große Heilige, die ihr Leben ganz und gar in Gottes Dienst gestellt haben; und behaupten gleichzeitig, dass Gott diese Menschen auch nicht mehr liebt als Verbrecher, Mörder und Vergewaltiger.

Liebt Gott wirklich alle Menschen gleich?

Wenn Gott alle Menschen liebt, warum dann noch Religion? Warum dann noch Opfer, Gottesdienst und Gebet? Gut - vielleicht deshalb, damit unsere Liebe zu Gott einen Ausdruck findet. Aber machen wir uns nichts vor: Wir kommen ja nicht immer mit frohem, überquellendem Herzen zu Gott und freuen uns auf den Gottesdienst. Manchmal müssen wir uns selbst zur Kirche schieben und zum Gebet aufraffen; damit unsere Liebe zu IHM nicht erlischt.

Aber warum? Reicht es denn nicht, wenn er uns liebt? Er wird uns doch all unsere Sünden vergeben, so wie der Sünderin im heutigen Evangelium. Wenn Gott alle Menschen liebt, dann brauchen wir doch nur das tun, was wir wollen. Gott liebt uns.

Anscheinend haben wir da ein Dilemma: Auf der einen Seite klingt es ungeheuerlich, wenn wir behaupten würden, Gott liebt nicht alle Menschen. Denn dann käme doch sofort die Frage: Wenn liebt er denn?
Auf der anderen Seite führt die Behauptung, dass Gott alle Menschen liebt, in der Konsequenz zu einem Laxismus: Dann brauchen wir doch nichts mehr tun...

Und wie so oft hilft in diesem Dilemma die genaue Unterscheidung: Denn es ist ja auch bei uns Menschen so, dass Liebe nicht immer erwidert wird. Auch wenn ich einem Menschen mit Liebe begegne, kann nicht immer von einer Liebesbeziehung gesprochen werden. Würde ich einem Menschen, der meine Liebe nicht will, trotzdem meine Zärtlichkeiten aufdrängen, so käme ich ins Gefängnis. Liebe als Grundhaltung kann ich jedem Menschen entgegenbringen, aber jeder, dessen Liebe zurückgewiesen worden ist, wird bestätigen, dass Liebe danach verlangt, ein Geschehen zu sein. Liebe als ein Geschehen setzt aber die Bereitschaft auf beiden Seiten voraus.

Gott möchte sehr wohl alle Menschen lieben; er ist die Liebe und ist jedem Menschen in Liebe zugetan. Aber ein Liebesgeschehen, eine Liebesbeziehung kommt nur zustande, wenn auch der Mensch sich öffnet. Auch seine Gnade, die göttlichen Zärtlichkeiten, wird er uns nur schenken, wenn wir es wollen und ihn darum bitten. Sonst wäre er kein Gott, und vor allem keine liebender Gott.

Menschen, die sich von Gott abwenden, seine Liebe und Verzeihung nicht wollen, werden von Gott weniger geliebt. Es geschieht einfach weniger. Gott respektiert diese Entscheidung; er leidet darunter, er sehnt sich danach, dass seine Liebe auch in die Tat umgesetzt wird. Es gibt keinen größeren Schmerz für Gott, als wenn diese Liebe zu einem Menschen für alle Zeiten unerfüllt bleibt.

Aber genauso gilt, liebe Schwestern und Brüder, dass es für Gott keine größere Freude gibt, als wenn ein Mensch sich endlich öffnet und mit Gott das Leben neu beginnt. Glauben Sie mir, Gottes Freude darüber ist unbeschreiblich.

Amen.

584. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

Das Beispiel, welches die Lesung heute von König David überliefert, ist ja mal wieder typisch für die Menschen. Den reichen Mann, der dem Armen ein Schaf stiehlt, verurteilt er schnell und heftig: er verdient den Tod, sagt David. Doch daß er selbst dieser Mann ist, der noch viel schlimmeres getan hat, sieht er nicht. Darauf muß ihn Gottes Prophet Natan erst aufmerksam machen. Er selbst hat einen Mann umbringen lassen, damit er dessen Frau heiraten kann. Den Splitter im Auge des anderen sieht man schnell, doch den Balken im eigenen Auge übersieht man leicht.

Ganz ähnlich die Geschichte im heutigen Evangelium: Nur müssen wir da etwas genauer hinschauen, um dieses Bild in aller Deutlichkeit zu entdecken.

Schauen wir zunächst auf die Sünderin. Es handelt sich dabei aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Prostituierte. Sie betritt heimlich von hinten das Haus des angesehenen Pharisäers, was ihr als Sünderin nicht erlaubt ist. Doch sie riskiert alles, um zu Jesus zu gelangen. Sie schleicht sich von hinten heran. In seiner Gegenwart, also vor Gottes Angesicht, beginnt sie einfach zu weinen. Sie findet keine Worte, sondern ihr wird ihre Schuld so bewußt, daß ihr die Tränen kommen. Dann wäscht sie Jesus mit ihren Tränen die Füße, ein Zeichen äußerster Demut, wie wir es ja auch von der Fußwaschung Jesu beim letzten Abendmahl her kennen. Dann trocknet sie seine Füße mit ihrem Haar. Dazu muß sie ihr Haar öffnen, was Frauen damals nur für ihren Liebsten taten. Sie schenkt Jesus also ihre ganze Liebe, was auch durch ihr unablässiges Küssen seiner Füße deutlich wird. Und schließlich salbt sie ihn noch mit kostbarem Öl, ein Zeichen der höchsten Verehrung.

Lassen sie uns nun einen tieferen Blick auf den Pharisäer Simon werfen. Er ist ein angesehener Mann, der regelmäßig in die Synagoge geht, regelmäßig sein Gebet verrichtet, den zehnten Teil seines Einkommens für soziale Zwecke gibt. Kurz gesagt: er ist sich keiner Schuld bewußt und hat es sich erlaubt diesen viel gefragten Jesus einzuladen, den er nun anständig bewirtet.

Und da kommt ihm nun diese Frau dazwischen, die es wagt, seinen Gast zu belästigen, wo sie doch eine schwere Sünderin ist.

Und nun kommt Jesus ins Spiel. Er erkennt die Gedanken des Simon und weist ihn zurecht. Diese Frau, die sicherlich eine große Sünde getan hat, bittet durch ihr Verhalten um Vergebung. Er jedoch, der sich keiner Schuld bewußt ist, hat nichts dergleichen getan. "Als ich in dein Haus kam, hast du mir kein Wasser zum Waschen der Füße gegeben;" wie es damals bei verehrten Persönlichkeiten durchaus üblich war, " sie aber hat ... Deine Sünden sind dir vergeben."

Die Sünderin zeigt durch ihr Verhalten Reue, und erlangt Vergebung. König David bittet Gott um Vergebung und bekommt diese sofort zugesprochen. Und wir? Sitzen wir nur dumm herum, wie Simon, der Pharisäer, der sich keiner Schuld bewußt ist? Oder wagen wir das Wort des König David "Ich habe gegen den Herrn gesündigt"?

Wenn wir dieses Wort wagen, wenn wir Reue zeigen, ist Gott sofort bereit, uns zu vergeben. Amen.

585. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Seit ein paar Jahren steht an den Baustellenschildern auf den Autobahnen nicht nur bis wann gebaut wird, sondern zusätzlich auch der Hinweis: "Wir bauen für sie!" Zunächst dachte: "Was für ein Quatsch - meinen die etwa, ich würde glauben, dass die da Löcher rein reißen und wieder zuteeren um mich zu ärgern?" Aber dann las ich, dass wir Menschen so gestrickt sind, dass es uns leichter fällt eine Einschränkung hinzunehmen, wenn wir eine Begründung dafür hören, und sei sie noch so banal. Bei einer Warteschlange an einem Kopierer in einer Bücherei war es egal was die Person, die bat vorgelassen zu werden, als Begründung lieferte. Bat sie: "Lassen Sie mich bitte vor" - wurde sie abgewiesen. Bat sie: "Lassen Sie mich bitte vor, ich hab es eilig" wurde sie vorgelassen. Bat sie: "Lassen Sie mich bitte vor, ich möchte ein paar Kopien machen" wurde sie genauso vorgelassen, obwohl die Sache überhaupt keinen Grund darstellte. Kopien machen wollte jeder in der Schlange. Genauso klar war mir, dass die Autobahn für mich repariert wird. Aber wenn wir eine Begründung hören, fällt es uns leichter, den Nachteil in Kauf zu nehmen.

Übertragen wir diese Erkenntnis auf das heutige Evangelium. Jeder von uns muss sein Kreuz tragen: seine körperliche Einschränkung, seine zerstrittene Familie, die finanziellen Begrenzungen, die Einsamkeit, die Arbeit, der Ärger - jeder Mensch trägt sein Kreuz. Wir Christen genauso wie die, die nicht an Gott glauben. Dennoch sollte es uns Christen einfacher fallen, unser Kreuz zu tragen. Denn wir wissen warum! "Ich leben für euch"

Wenn wir wie Petrus bekennen, dass Jesus der Messias ist, und seine Jünger sein wollen, dann sind wir aufgerufen, täglich unser Kreuz auf uns zu nehmen und ihm nachzufolgen. Er hat es uns vorgemacht: er hat sein Kreuz getragen, obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, es abzulehnen. Er hat es getragen bis ans bittere Ende und dadurch das Leben für uns erschlossen. Die Liebe hat es ihm ermöglicht.

Wenn ich ihm darin nachfolge: mein Kreuz mit Liebe, aus Liebe trage, dann kann ich es schultern; dann kann ich damit ins Leben gehen.

Der bekennende Glaube (Du bist der Messias) erfordert die Tat (das Kreuz) und führt ins Leben (die Auferstehung).
Genauso sagt es Paulus im Galaterbrief: "Durch den Glauben seid ihr Söhne Gottes, Erben" im Kreuz und im Leben.
Oder auch die 1. Lesung: "sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben, sie werden klagen und weinen ... Es wird eine Quelle fließen" - mein Kreuz ist Grund zur Klage und zum Weinen, aber es führt gerade dadurch zur Quelle. Christus ist diese Quelle. Wenn ich ihm folge, gelange ich zum Leben.
Amen

586. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Es ist immer wieder schwierig, den Grundcharakter des Evangeliums als «Frohe Botschaft» in Einklang zu bringen mit den vielen Worten vom Kreuz.

«Wer mein Jünger sei will, der verleugne sich selbst und nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.»

Warum ist der Weg zum Himmel nicht glatt, breit und bequem? Was ist denn schon dran an der frohen Botschaft, wenn es so schwierig ist, in den Himmel zu gelangen?

Vielleicht hilft der Vergleich mit der Trägheit des Menschen. Wir sind nicht mehr so, wie Gott uns eigentlich haben wollte. Das Gute, das uns eigentlich besonders nahe liegen sollte, fällt uns manchmal besonders schwer. Eine Trägheit hat sich in uns breit gemacht, die uns lähmt und die um so schwerer zu überwinden ist, je besser es uns geht.

Diese Trägheit zu überwinden, braucht Kraft. Sich aufzuraffen kostet Energie, wir müssen und zusammenreißen. Das Gute vor Augen braucht es trotzdem noch einmal eine Anstrengung, es auch zu tun. Soweit die Botschaft vom Kreuz in unserem Leben.

Es bleibt aber nicht beim Kreuz; unser Glaube ist trotzdem eine frohe Botschaft, denn die Erfahrung viele Christen vor uns zeigt: Wer sich aufrafft, wer die Trägheit überwindet, wer in «Fahrt» kommt, dem wird das Leben und das Gute zunehmend leichter von der Hand gehen.

Wie ein schwerer Zug, der erst langsam in Bewegung kommt, zeigt uns das Leben so vieler Heiliger, dass es Freude macht, Jesus nachzufolgen. Ein gotterfülltes Leben ist kein ewiges Kreuz-Schleppen. Das biblische Tempo war schon immer die schwungvolle Eile.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir unser Kreuz auf uns nehmen und den oft so mühsamen Anfang machen, dann können auch wir die Erfahrung machen, wieviel Freude das Kreuztragen und Nachfolgen bereiten kann. Auch, wenn aller Anfang schwer ist.

Amen.

587. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Wer diesem Jesus nachfolgen will, der muss verrückt sein. Die Ansprüche, die er an seine Jünger stellt, sind wohl mehr als weltfremd: Sie dürfen keinen Ort haben, an dem man sich ausruhen können; sie dürfen sogar die eigenen Eltern nicht begraben, noch nicht einmal Abschied nehmen.

Wie kann Jesus so etwas sagen? Ist das denn noch christlich? Ist das denn noch die christliche Botschaft von der Liebe Gottes? Eigentlich heißt christlich leben doch, ohne Leistungsdenken zu leben, sich gerade darin von der Welt zu unterscheiden. Frohe Botschaft bedeutet doch: Gott liebt dich, egal wie du bist, egal, was du hast! Anscheinend macht Jesus hier einen deftigen Strich durch die Rechnung der Liebe. Verrät er sich selbst?

Ist er nicht bei Zachäus - dem Sünder und Zöllner - eingekehrt, ohne eine Vorleistung zu verlangen? Hat er denn nicht der Ehebrecherin, die gesteinigt werden sollte, die Sünden verziehen, ohne dass sie dazu etwas zu musste? Und heißt es denn nicht im Gleichnis, dass der König dem Knecht die Schuld von zehntausend Talenten erließ - ohne Bedingungen?
Und nun weist er Menschen ab, die im sogar nachfolgen wollen, nur weil sie sich verabschieden wollen?

Ja, was denn nun?

Vielleicht hilft uns hier die Lesung weiter. Denn dort heißt es im ersten Satz: «Zur Freiheit hat uns Christus befreit! » Und das eben ohne Vorbedingungen, ohne dass wir dazu etwas leisten mussten. Aber im nächsten Satz steht dann: «Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen»!
Wer ein Geschenk erhält, bemüht sich, es zu erhalten, pflegt es und kümmert sich darum.
Das Evangelium der bedingungslosen Liebe Gottes behält seine Gültigkeit! Gerade aber aus dem Wesen der Liebe ergibt sich aber auch die bedingungslose Antwort der Liebe.

Wer glaubt, Gottes Liebe sei nur seine grenzenlose Hingabe an uns, der weiß nicht, was Liebe ist. Sie verlangt aus ihrem innersten Wesen heraus nach unserer grenzenlosen Hingabe an ihn.

Dieser Anspruch ist nicht gering! Er ist nicht gering, gerade weil Gottes Liebe zu uns so bedingungslos und großartig ist.

«Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich» ist unbequem!
Wer anderes behauptet, der hat sein Kreuz schon seit langem abgelegt.

Wer aber mit Gott lebt, der weiß, dass die Frohe Botschaft Verheißung und Anspruch ist. Wer ihr die Verheißung nimmt, nur noch den Anspruch sieht, macht aus der Frohbotschaft eine Drohbotschaft, eine unmenschliche Moral.
Wer ihr aber den Anspruch nimmt, sozusagen die Zähne zu ziehen versucht, der macht aus der Frohen Botschaft eine Friede-Freude-Eierkuchen-Botschaft: Sei wer du willst, mach, was du willst, Gott liebt dich. Kümmere dich nicht um Gebote, Opfer und dein Kreuz, was du zu tragen hast. Bleib so dumpf , wie Du bist, Gott liebt dich.

Beides gehört zusammen: Das ist es, was uns Jesus im heutigen Evangelium sagt: Verschenke dich, weil Dir in Gott alles geschenkt wurde!

Denn auch Zachäus hat seine Konsequenzen gezogen aus der Liebe Gottes und jedem, den er betrogen hat, vierfach entschädigt. Auch die Ehebrecherin, der bedingungslos verziehen wurde, gab Jesus einen - weiß Gott hohen - Auftrag mit: «Sündige von nun an nicht mehr.» Dem Mann, dem im Gleichnis zehntausend Talente erlassen wurde, muss sie in dem Augenblick doch wieder zurückerstatten, in dem er seinem Mitknecht dessen Schuld nicht erlassen will.

Wer glaubt, Vergebung zu erlangen, in Gottes Liebe zu bleiben, ohne selbst Konsequenzen für sein Leben zu ziehen - der weiß nicht, was Liebe ist.

588. Predigtvorschlag

Als Jünger Jesu damals und heute unterwegs - Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Haben Sie in diesem Sommer auch eine Reise vor? Machen Sie es sich bequem: Sie haben die Wahl zwischen Bus, Flugzeug, Auto oder Schiff. An Komfort mangelt es nicht. Als wir vor zwei Wochen nach Lourdes gefahren sind, stand uns ein Reisebus zur Verfügung, dessen Anschaffung soviel gekostet hat wie ein Einfamilienhaus.

Trotzdem ist das Reisen auch heute noch anstrengend und nicht frei von Risiken und Gefahren. Wer in den Osten fährt, zum Beispiel in die Ukraine, und dazu den Zug nimmt, dem steht ein besonderes Erlebnis bevor: nicht nur wegen der langen Dauer, sondern auch wegen der Prozedur an der Grenze. Dort müssen nämlich alle Waggons von Normal- auf Breitspur umgebaut werden. Die Waggons werden angehoben und ein komplett neues Fahrgestell wird darunter angeschraubt. Erst dann kann die Reise weitergehen.

Machen wir jetzt einfach das gleiche: Stellen wir unsere Gedanken um von Schmalspur auf Breitspur, von den alltäglichen kleinen und großen Sorgen, die jeder hierher mitbringt, und von unseren wichtigen und weniger wichtigen Beschäftigungen auf die breite Spur, die Jesus seinen Jüngern mitgibt: er sendet sie aus und schickt sie mit einer besonderen Botschaft zu den Menschen in der Umgebung: mit der Botschaft vom Reich Gottes, das euch nahe ist, mit der Botschaft von der Ernte, die groß ist, aber für die leider nur wenige Arbeiter zur Verfügung stehen. - Das ist sozusagen die Breitspur des Evangeliums Jesu. Auf die sollen wir uns einlassen.

Diese Botschaft, mit der die Jünger loslaufen, ist so wichtig, daß sie sogar die Mahnung mitbekommen: "Grüßt niemand unterwegs!" (Lk 10,4). Nun, hier in Westfalen scheint es recht viele zu geben, die dieses Wort aus dem Evangelium kennen und danach handeln: sie scheinen es immerzu sehr eilig zu haben und kennen keinen links und rechts, der ihnen begegnet. -- Nein, im Orient, in der Umwelt Jesu, bedeutet Grüßen noch viel mehr, als sich nur die Tageszeit zu sagen oder mit halbvollem Mund "Mahlzeit" zu murmeln. Grüßen, das ist im Orient etwas besonders Wichtiges und für den Austausch unter den Menschen unerläßlich. Grüßen, das ist etwas, wofür man sich Zeit nehmen muß. Man läuft nicht weiter, sondern bleibt stehen, unterhält sich, tauscht Neuigkeiten aus, bereitet Geschäfte vor, debattiert und redet über sich und andere.

Und all das wird den Jüngern von Jesus einfach untersagt.

Ist das nicht ein Widerspruch? Die Jünger sollen doch gerade zu den Menschen gehen und bei ihnen sein. Warum dann nicht grüßen, nicht Freundlichkeiten austauschen, nicht plaudern? - Darauf kann es nur eine Antwort geben: weil die Zeit extrem knapp ist. Die Zeit läuft uns davon, denn: "Das Reich Gottes ist euch nahe" (Lk 10,9). Das ist die wichtige Botschaft, um die es geht und die allen Einsatz und alle Mühe lohnt. Das heißt: die Jünger sollen sich nicht mit Nebensächlichkeiten und Belanglosigkeiten aufhalten. Sie sollen zur Sache kommen. Und die Sache, um die es geht, ist Gott selbst. Gott und sein Reich. Der Himmel, der auf die Erde herabkommt. Nicht mehr und nicht weniger.

Jetzt sind Sie vielleicht enttäuscht. Und Sie könnten sagen: Der Himmel und das Reich Gottes - schön und gut. Aber ich habe jetzt meine Sorgen und Probleme. Mit denen muß ich hier und jetzt klarkommen. Was hilft mir dann, wenn da einer kommt und mir vom Reich Gottes erzählt?
Schauen wir einmal genau hin: Die Jünger empfangen, genau besehen, einen besonderen Auftrag mit einer klaren Abstufung: sie sollen in die Städte und Häuser der Menschen gehen. Sie sollen essen und trinken, was man ihnen vorsetzt. Und dann sollen sie zweierlei tun: sie sollen die Kranken heilen. Und dann sollen sie den Leuten sagen: "Das Reich Gottes ist euch nahe."

Ist das nicht genau das, was auch unserer Zeit nottut? Die Kranken, das sind ja nicht nur die Pflegebedürftigen, die Bettlägerigen und Alten. Das sind vor allem die, die in ihrer Seele nicht mehr ein und aus wissen, die keinen Sinn mehr sehen, die kein Ziel mehr vor Augen haben. Ihnen mitzuteilen: Gott ist euer Heil, das Reich Gottes kann nicht Wirklichkeit werden ohne dich, und jedes Leben hat seinen unbedingten Sinn - das ist etwas Heilsames und Gutes, das aufrichtet und neue Zuversicht schenkt, die wir heute so nötig brauchen.

"Macht euch keine Sorgen ... euch muß es zuerst um sein Reich und seine Gerechtigkeit gehen, dann wird euch alles andere dazugegeben", sagt Jesus in der Bergpredigt (Mt 6,31.33). Einer, der diese Botschaft immer wieder vorlebt und uns zeigt, wie konkret und wie befreiend und verwandelnd diese Botschaft ist, ist unser Papst, vor allem auch auf seinen Reisen in die Länder, in denen die Menschen in ihrer Würde und in ihrem Dasein bedroht sind. Er tut genau das, was Jesus im Evangelium von den 72 Jüngern forderte: er spricht ganz einfach vom Reich Gottes und erschließt gerade dadurch den Menschen einen neuen Horizont, der ihnen in den vergangenen Jahrzehnten so oft verschlossen geblieben war. Und so stellt er das Leben dieser Menschen, um wieder das Bild vom Anfang zu gebrauchen, gewissermaßen wieder auf eine breite Spur, auf die Spur Jesu Christi, mit dem Gottes Reich zu uns Menschen gekommen ist.

589. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

«Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.» Das traf sicherlich auf die damaligen Christen zu, die ja bekanntlich von den Juden und den Römern und - ab und zu - auch von den Griechen verfolgt wurden.
Man hat es aber auch danach noch oft schwer gehabt als Christ, bis auf den heutigen Tag. Und wenn wir Christen nicht gerade von feindlichen Mächten verfolgt und unterdrückt werden - wie im Sudan z.B. -, dann suchen wir uns eben neue Wölfe: Dann sind es eben die kirchlichen Amtsträger, vor allem der Papst, die einem das Leben schwer machen.

Und damit die Schafe sich gegen die Wölfe auch zur Wehr setzen können, werden Erklärungen verfasst, «Kirchenvolksbegehren», es werden Kölner Erklärungen, Luzerner Erklärungen und gott-weiß-was-für-Erklärungen abgegeben. Die Schafe sind ja schließlich mündige Christen.
Ihnen allen gemein ist die verbreitete Meinung, dass die Wölfe, unter die wir armen Christen gesandt sind, vor allem in der - römischen - Kirchenleitung sitzen.

Ach, wie schlecht geht es uns doch! Wie sollen wir denn auch mit diesen vielen überholten Vorschriften noch unsres Glaubens glücklich werden? Zölibat, Empfängnisverhütung, Ehemoral, Bischofsernennungen, Auseinandersetzung mit Theologen wie Drewermann, Ranke-Heinemann oder Küng (lang ist's her) nehmen den mündigen Christen die ganze Freude an der Kirche und am Schafsein.

Mit Neid schauen wir deshalb auf die jungen Kirchen in Südamerika, Afrika, Ozeanien oder Asien. Was für eine Lebensfreude und Glaubensfreude sie an den Tag legen! Was für eine lebensfrohe und glaubensfrohe Kirche! Man könnte fast meinen, sie hätten einen anderen Papst.
Warum ist dort die Freude noch vorhanden? Die leben ja nun wirklich wie Schafe unter Wölfen, die jeden Augenblick über sie herfallen können - und das ja auch leider oft genug tun.
Liebe Schwestern und Brüder!

In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts leitete Romano Guardini seine Vorlesung über die Kirche mit dem berühmt gewordenen Satz ein: Die Kirche erwacht in den Seelen gerade der jungen Menschen.» Heute scheint allerdings eine genau entgegengesetzte Tendenz am Werk zu sein: Die Kirche droht gerade in den Herzen der jungen Menschen zu sterben.
Das erste, was dabei stirbt, ist die Freude. Die Freude am Leben, die Freude am Glauben, die Freude in der Kirche - gerade die Elemente, die wir bei den jungen Kirchen so bewundern.

Und ich habe manchmal den ganz starken Verdacht, als wenn die ganze Kritik an der Kirche, ihre Weltfremdheit und ihr Machtgehabe nichts anderes ist, als eine dürftige Entschuldigung dafür, dass wir unsere Freude verloren haben.

Aber - warum stirbt die Freude in der Kirche zunehmend? Oder - anders gefragt - woher kommt denn die Freude, von der z.B. am Ende des heutigen Evangeliums die Rede ist? Die 72 Jünger, die Jesus auf vollkommen undemokratische Weise ausgesucht und ausgesandt hat, haben mit Sicherheit Ablehnung und Gleichgültigkeit, ja, sogar Haß sie erfahren. Aber die Freude haben sie nicht verloren - im Gegenteil: Sie kehren zurück und berichten voll Freude von dem, was sie erfüllt: Den Heilungen, den guten und helfenden Wirkungen, die sie den Menschen bringen durften.

Denn wahre Freude, so können wir von den 72 Jüngern Jesu lernen, ergibt sich nicht aus erfüllten Forderungen oder gewonnenen Kämpfen: «Freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind», weil ihr den Menschen Friede, Heilung - ja, euch selbst gebracht habt.

Vielleicht wäre das ein erster Schritt, die Freude am Glauben wiederzufinden: Wenn wir weniger Erklärungen abgeben und weniger «Begehren» veröffentlichen würden, wenn wir uns weniger bemühen würden, «mündigen Christen» zu sein, sondern vielmehr «tätige Christen».

590. Predigtvorschlag

Wozu sind wir auf Erden?

„Wozu sind wir auf Erden?“ – So begann in früheren Zeiten der Katechismus – ziemlich lange ist das her. Manche haben geglaubt, der Katechismus mit solchen Fragen sei überholt, der heutige Mensch habe andere Fragen und Probleme. – Nun, ich kann nicht für andere sprechen, aber mir persönlich kommt diese eine Frage doch durchaus biblisch vor. Der Gesetzeslehrer fragt: „Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Lk 10, 25) - Ich gebe gerne zu, daß mir diese Frage letztlich weitaus wichtiger und auch wertvoller und schöner, aber auch anspruchsvoller und unbequemer vorkommt als etwa die Frage: „Wie stelle ich es an, um möglichst glücklich zu werden?“ - oder: „Wie bringe ich die anderen dazu, auf möglichst viele meiner Wünsche und Bedürfnisse einzugehen?“

Inzwischen sehen viele ein, daß die Zeit des Ego-Trip vorbei ist. Solidarität ist wieder gefragt. Gemeinsinn und gegenseitige Hilfe kommen wieder an. So hat auch das Gleichnis, das Jesus erzählt, wieder eine Chance.

Doch Vorsicht: Dem Gesetzeslehrer geht es nicht um ein bißchen. Ein bißchen Liebe, ein bißchen Glück. Es geht ihm, genauer gesagt, um alles.

Nur gibt es hier noch einen Unterschied. Der Gesetzeslehrer fragt zuerst nicht, um eine Antwort zu bekommen. Er fragt, um „Jesus auf die Probe zu stellen“ (Lk 10,25). Das heißt: Mit dieser Frage will er Jesus in eine Falle locken. Aufgrund seines überragenden biblischen Wissens will der Schriftgelehrte Jesus in Widersprüche verstricken und so Jesus bloßstellen, ihn entlarven als unechten Rabbi sozusagen.

Jesus tappt nicht in diese Falle, die ihm gestellt wurde. Überhaupt tappt er niemals in eine Falle, auch wenn sie noch so gemein angelegt wird. Auch am Ende, als er am Kreuz hängt, ist er nicht in eine Falle getappt. Was er tut, tut er, weil Er es will und weil es der Verherrlichung des Vaters dient. So auch hier. Obwohl er die Absicht durchschaut, geht er auf den Fragesteller ein. Er will ihm helfen. Jesus ist nicht zu uns Menschen gekommen, um uns unsere Armseligkeit vor Augen zu halten oder um seine Überlegenheit uns gegenüber auszuspielen. Er ist gekommen, zu heilen, zu retten und zu erlösen. So geht er auf den ein, der ihm die Frage gestellt hat. Denn er gehört auch zu denen, die das Heil erben sollen. Jesus läßt ihn selbst zu Worte kommen. Er läßt ihn die Worte zitieren, die jeder gläubige Jude kannte und die jeder immer wieder aufsagte und sogar als Schrifttext an seiner Stirne trug: „Höre, Israel, Jahwe, unser Gott Jahwe ist einzig. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben ... und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (vgl. Mk 12,29-31).

So hat Jesus den Schriftgelehrten selbst zu der eigentlichen Frage geführt, die da lautet: „Und wer ist mein Nächster?“ (V. 29). Und Jesus beantwortet die Frage in einer, wie ich finde, vollkommen überraschenden Weise. Denn dieses Gleichnis, das er erzählt – wir kennen es als Gleichnis vom barmherzigen Samariter – dreht die Frage des Schriftgelehrten um 180 Grad um! Nachdem Jesus beschrieben hat, was der barmherzige Samariter alles getan hat, um das Leben des Überfallenen zu retten und ihn in Sicherheit zu bringen, macht er deutlich: dieser Samariter, das ist der Nächste! Der Nächste dessen, der von den Räubern überfallen wurde.

Der Nächste ist also nicht nur der, der Hilfe nötig hat, sondern der Nächste ist in diesem Blickwinkel der, der barmherzig ist: in seiner selbstlosen Hilfe, die nicht fragt, ob der andere die Hilfe auch wiedergutmachen kann. Der Nächste, das ist der, der Gutes tun kann, der Öl und Wein dabei hat, der Geld genug hat, um die Pflege des Verletzten zu bezahlen.

Hier kommt also etwas anderes ins Spiel, und ich bin sicher: Hier will Jesus von sich selbst sprechen. In einer ganz zurückhaltenden, dezenten, unaufdringlichen Weise macht Jesus deutlich, wozu er gekommen ist: um wie der barmherzige Samariter uns zu Hilfe zu eilen, wenn wir verletzt daliegen und nicht weiterkönnen, wenn wir verletzt sind in unserer Seele, wenn wir keinen Sinn mehr darin sehen, weiterzugehen. Dann kommt er mit dem Öl und dem Wein der Sakramente und richtet uns wieder auf. Dann beauftragt er Menschen, sich um uns zu sorgen und zu kümmern – ein wunderbares Bild für das Dienstamt in der Kirche - , und so sorgt er dafür, daß der Mensch vom Tod ins neue Leben kommt.

So hat die Kirche dieses Gleichnis immer in dieser doppelten Weise verstanden: einmal als Auftrag, es dem barmherzigen Samariter gleichzutun und Hilfe zu leisten, wo sie gebraucht wird und Menschen retten kann. – Dann aber auch, in einer tieferen Sicht, als Gleichnis für das, was Jesus an uns Menschen tut: er kommt, um uns Verlorene zu retten, indem er selbst sein Leben einsetzt. Und er tut es, obwohl wir zunächst nicht seine Freunde sind, obwohl wir zunächst nicht seine Hilfe erwarten durften. Er tut es, weil er gut ist und weil er uns liebt.

Wozu sind wir auf Erden? Nachdem wir dieses Gleichnis gehört haben, ist die Antwort darauf nicht mehr allzuschwer.

591. Predigtvorschlag

„Aus den Augen, aus dem Sinn“ - wir werden nach dem gerichtet werden, was unsere Augen gesehen haben

„Aus den Augen, aus dem Sinn“ - wer von uns kennt nicht dieses Sprichwort. „Aus den Augen, aus dem Sinn“ - das bedeutet: was ich nicht sehe, kümmert mich auch nicht. Wenn ich einer Sache aus dem Weg gehen will, sorge ich dafür, daß es mir nicht vor die Augen kommt. So einfach ist das. „Was ich nicht weiß, das macht mich nicht heiß.“ Schauen wir einmal auf den reichen Mann und den armen Lazarus: Der Reiche läßt den Armen vor seiner Tür liegen. Nicht, weil er Angst gehabt hätte vor seinen Läusen oder sonst etwas, sondern weil er ihn nicht sehen wollte. Denn sehen, das ist schon der Anfang der Nächstenliebe. Erst das Auge, dann die Hände. Liebe macht nicht nur erfinderisch, sondern sie macht zuerst auch finderisch, sie sucht und sie findet die Not, der abgeholfen werden muß. Hat das Auge dann die Not gefunden, wird auch die Hand durch die Liebe regsam. Mache ich aber die Augen zu, dann wird auch die Hand arbeitslos. Und mit dem geschlossenen Auge schläft dann auch das Gewissen ein, weil das Gewissen ja nichts mehr sieht und nichts mehr weiß und sagen kann: Was habe ich denn davon gewußt!?

Jesus sagt, wenn er eines Tages wiederkommen wird, um zu richten die Lebenden und die Toten, dann wird er zu den einen sagen: Ich, ja ich war es, der euch in den Hungrigen, Nackten, Gefangenen begegnete, und ihr habt mir nicht geholfen, und die so Verklagten werden mit der Gegenfrage antworten: „Herr, wann haben wir dich gesehen hungrig oder durstig oder nackt oder krank?“ (Mt 25,44).

Was einmal gerichtet werden wird, sind unsere Augen. Was sie gesehen haben und was sie sehen wollten. Darauf will das Gleichnis vom barmherzigen Samariter hinaus. Jesus erzählt dieses Gleichnis, weil er Antwort geben will auf die Frage des Schriftgelehrten: „Und wer ist mein Nächster?“ (Lk 10,29) Und Jesus erzählt: Ein Mann - wörtlich: ein Mensch - fällt auf seinem Weg von Jerusalem nach Jericho unter die Räuber und bleibt halbtot am Straßenrand liegen. - Zwei Personen kommen denselben Weg hinab: ein Priester und ein Levit. Menschen also, die das Gesetz kennen. Die nach den Vorschriften leben, die Moses seinem Volk gegeben hat, die aber auch das Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe kennen (vgl. Dtn 6,5; Lev 19,18). Beide sehen den Verwundeten. Aber im gleichen Moment regt sich Widerstand und sie „weichen nach der entgegengesetzten Seite aus“, wie es wörtlich übersetzt heißt. Das heißt: sie machen einen weiten Bogen. Sie machen einen Bogen um den, der als ihr Nächster gelten müßte. Sie sehen den Menschen in seinem Blut, aber sie wollen nicht annehmen, daß dieser da jetzt der Nächste ist. Sie handeln nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn.

Anders der Samariter. Er hat, so sagt das Evangelium, „Mitleid“ (Lk 10,33). Lukas drückt es in etwa so aus: Es regte sich etwas in seinen Eingeweiden. Und es geschieht das, was hier geradezu die Pointe des Gleichnisses darstellt: es geschieht, daß die Frage des Schriftgelehrten umgekehrt wird. Das Schriftgelehrte fragte ja Jesus: Wer ist mein Nächster? - Der Samariter fragt anders, er fragt: Wem bin ich der Nächste? - In dem Moment, wo ich so frage, kann ich nicht mehr die Augen zumachen. Es gilt dann nicht mehr das Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn - sondern es gilt das neue Motto: Guter Gott, deine Augen in meinem Sinn! - Lernen, mit Gottes barmherzigen Augen die Welt und die Menschen zu sehen, das will uns Jesus lehren. Beides gehört zusammen: Gott erkennen mit den Augen des Glaubens, um dann die Sorgen und Nöte der Menschen sehen zu können und danach zu handeln. Eins ohne das andere geht nicht. Danach werden wir einmal gefragt werden: was unsere Augen sehen wollten.

592. Predigtvorschlag

Mein Nächster ist Jesus - der barmherzig an mir handelt, der mich heilt und rettet

Ab und zu gibt es im Sommer auch einige wunderschöne Tage. Und so setzte ich mich einmal eines Sonntagabends auf das Fahrrad, um eine kleine Tour zu unternehmen, doch die nahm bald ein jähes Ende. Kaum aus Greven herausgekommen, kam ich bei dem Versuch, ein Ehepaar zu überholen, von der Fahrbahn ab, ich schlug hart auf und hatte an verschiedenen Stellen Blessuren und blutige Stellen. - Nun heißt es ja, daß viele unserer Zeitgenossen gleichgültig seien, an Unfallstellen vorbeiführen, nur gafften und nichts täten und so weiter.
Doch hier passierte das genaue Gegenteil: kaum lag ich da, war ich umringt von Leuten, die alle helfen wollten. Ein Auto hielt an, und verschiedene Vorschläge wurden gemacht, wie mein bedrohtes Leben kurzfristig zu retten sei. Es war nicht ein barmherziger Samariter anwesend, es waren derer viele.

Irgendwo hat wohl jeder von uns das schon einmal erlebt: daß es darauf ankam, einfach anzupacken und zu helfen, ohne lange zu fragen, oder daß man eben - wie ich in dem geschilderten Fall - dankbar ist für schnelle Hilfe im Notfall.

Insofern ist die Botschaft des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter klar und einfach: Der wichtigste Mensch ist der, dem du gerade begegnest. Der wichtigste Moment ist jetzt. Die wichtigste Tätigkeit ist die, in der du jetzt Gutes tun kannst.

Doch ich glaube, das Gleichnis hat auch noch eine andere Dimension, eine Tiefendimension. Es ist wie eine Muschel, die man im Meer finden kann. Man öffnet die Muschel, und wenn man Glück hat, ist darin eine Perle, etwas Wertvolles und Schönes, auf das es ankommt. Und eine solche Perle können wir auch im Gleichnis finden. Schauen wir einmal genauer hin:

Da ist dieser Mann, von dem wir weder wissen, was er beruflich macht, noch, wie alt er ist und was er vorhat. Wir wissen nur, daß er von Jerusalem kommt und nach Jericho will. Das heißt: Man kann annehmen, daß es sich um einen frommen Mann handelt, um einen, der den Tempel besucht und ein Opfer dargebracht hat. - Ein solcher Mann ist in den Augen des Gesetzeslehrers, der Jesus in das Gespräch verwickelt hat, sofort sympathisch. Man könnte denken: dieser Mann, der da unterwegs ist und überfallen wird, in dem kann ich mich wiederfinden! Ja, dieser Mann - der bin ich selbst! Genau das will Jesus hier: daß der Hörer des Gleichnisses sich mit diesem Mann, der da unter die Räuber fällt, identifiziert! Daß er sagt: Ja, das bin ich!

Genau darum geht es Jesus. Die drei Figuren, die jetzt auftauchen - der Priester, der Levit, schließlich der Mann aus Samarien - sie zeigen durch ihr praktisches Verhalten: nicht der, von dem ich es vielleicht am ehesten erwarte, weil er mein Verwandter, mein Stammesgenosse oder mein Verbündeter ist, sondern der, der mir helfend zur Seite steht, der ist es, der sich mir als mein Nächster erweist!
Was tut also Jesus? Er dreht die Frage des Gesetzeslehrers um. Der Gesetzeslehrer wollte ja wissen: Wie komme ich in den Himmel? - Eine berechtigte Frage, eine Frage, die zeigt, daß es ihm um's Ganze geht. Jetzt aber zwingt ihn Jesus, sich in die Rolle des verletzten, blutenden, ausgeraubten Mannes zu versetzen, der da im Staub liegt und dem die eigenen Mitmenschen nicht helfen!

Was könnte das denn anderes bedeuten, als daß Jesus sagen will: Du Mensch, der du überlegst, was du selber tun kannst, um in den Himmel zu kommen, du mußt dir erst einmal bewußt sein, wer du eigentlich bist! Du mußt dir bewußt sein, daß du selber geschlagen, ausgeplündert und blutend daliegst - durch die Sünde, der du dich ausgeliefert hast, durch die Macht des Bösen, die dir alles genommen hat, was dir wichtig und heilig war!

Und wenn du das erkannt hast, wer du bist und was du hast, dann dankst du für den Menschen, dem du bisher aus dem Weg gegangen und für den du nicht viel übrig gehabt hast, weil er aus Samarien kommt. Er wird jetzt für dich ganz wichtig, denn er rettet dein Leben, er hebt dich auf sein Reittier, er bringt dich in die Herberge, wo man für dich sorgt und du dich erholen kannst!

Ich bin sicher, daß Jesus genau an dieser Stelle von sich selber spricht. Er spricht vom barmherzigen Samariter. Und in der Gestalt dieses Mannes aus Samarien will Jesus selbst erkannt werden. Warum können wir das annehmen? Darauf gibt es zwei Antworten: Einmal, weil Jesus weiß, daß er eines Tages von seinen eigenen Glaubensbrüdern ausgestoßen, verraten und ausgeliefert wird, daß man mit ihm nichts mehr zu tun haben will. - Und zum anderen, weil dieses Gleichnis im Lukasevangelium kurz nach der Stelle kommt, wo es heißt, daß Jesus sich entschließt, nach Jerusalem zu gehen: Jerusalem - da wird er verworfen werden, da wird er auch auferstehen und seine Sendung vollenden.

Und auf diesem seinen Weg nach Jerusalem begegnet er uns, die wir durch die Sünde kraftlos geworden sind und wie Ausgeraubte am Boden liegen. Er lindert unsere Schmerzen mit dem Öl der Sakramente. Er nimmt uns mit in die Herberge, wo wir ausruhen können: ein wunderbares Bild für die Kirche und den Gottesdienst, der uns zu uns selbst und zum lebendigen Gott kommen läßt.

Und so ist dieses Gleichnis wirklich eine Perle und ein Schatz, der uns anvertraut ist, damit wir Jesus, den wahren Samariter, finden und durch ihn leben.

593. Predigtvorschlag

Der Sonntag - Leben aus der Mitte

An einem Sonntag im Sommer konnte ich die Kinder besuchen, die zur Ferienfreizeit unserer Gemeinde in den Odenwald gefahren sind. Das Wetter ist auch dort durchwachsen, und um an die Luft zu kommen, hatte ein Teil des Lagers am Sonntagnachmittag ein Elfmeterschießen auf der regennassen Wiese veranstaltet; am Ende waren alle zufrieden, naß und dreckig - wobei letzteres kein Problem ist, weil das Ferienhaus über fließendes warmes Wasser verfügt. - Als ich dann die Vorbereitungen traf für die verabredete gemeinsame Meßfeier um 18 Uhr, war ich ganz überrascht: Alle Kinder samt der Lagerleitung waren bereits eine Viertelstunde vor Beginn um den Altar versammelt und es herrschte eine feierliche Stille. Diese Gelegenheit nutzend, konnte ich dann die entscheidende Frage stellen: Warum denn kommen wir jetzt zusammen, nach so einem Tag, um miteinander den Gottesdienst zu feiern?

Sofort kam die Antwort: Weil heute doch Sonntag ist! - Das ist die erste, die beste und die richtigste Antwort. Der Sonntag ist ein besonderer Tag. An einem solchen Tag dürfen wir wieder einmal wirklich ganz bei uns und zugleich beim lieben Gott sein. Die Kinder hatten das gespürt. Es muß eine Zeit, eine regelmäßig wiederkehrende Zeit, geben, wo wir das tun und feiern. Dann geschieht das, was Maria erleben durfte, als Jesus kam: Der, der als Gast kommt - Jesus - ist in Wirklichkeit der Schenkende, der uns zu sich kommen läßt und dem wir zu Füßen sitzen dürfen. Maria, die das tut, tut „das Eine“. Sie bleibt bei Jesus und hört aufmerksam seinen Worten zu. Maria ist sozusagen der sonntägliche Mensch. Sie kann ganz loslassen und sich ganz auf das Eine konzentrieren. Sie erkennt, worauf es ankommt, und kann sich ganz darauf einlassen.

Marta dagegen ist uneins mit sich selbst. Sie hat Pflichten als Hausfrau und Gastgeberin, und die will sie erfüllen. Das ist nichts Schlechtes, sie hat etwas Richtiges und Wichtiges im Blick. Aber zugleich kommt bei ihr Neid auf: sie möchte auch im Wohnzimmer dabeisein und zuhören. Niemand hätte ihr das Recht dazu abgesprochen. Aber sie kann sich nicht zum einen oder anderen durchringen. Denn das Eine geht nicht, wenn sie zugleich das Andere auch will. Sich zu entscheiden, das bedeutet hier wie auch in vielen anderen Fällen: auf das andere zu verzichten. Entschieden zu leben, bedeutet auch, den Verzicht zu ertragen. Und das fällt Marta schwer. Und das fällt auch vielen von uns schwer. Gerade, wenn wir unseren Tages- und Wochenrhythmus betrachten: Wie viele Dinge müssen da untergebracht werden! Wie viele tatsächliche und eingebildete Pflichten müssen da erfüllt werden! Wundert uns da noch, wenn es vielen geradezu die Luft abschnürt, wenn sie nicht nur abgehetzt und erschöpft, sondern auch gereizt und verstimmt sind?

Genau dies hat unser Papst im Blick, indem er in einem eigenen Schreiben auf die Bedeutung des christlichen Sonntags hinweist. Nur vordergründig geht es ihm dabei um das sogenannte Sonntagsgebot, am Sonntag die heilige Messe zu besuchen. Dieses Gebot ist keineswegs von gestern und auch keineswegs überholt. Aber es muß im richtigen Zusammenhang gesehen werden. Die heilige Messe ist nicht ein zusätzlicher Termin oder eine lästige Verpflichtung, sondern die Mitte des Sonntags, die Mitte, die deutlich macht, worin sein Sinn besteht und was der Sonntag dem Menschen schenkt. - Der Papst möchte uns im Grunde nichts anderes sagen als das, was Jesus Marta gesagt hat: „Marta, du machst dir viele Sorgen und Umstände. Aber nur eines ist notwendig“ (Lk 10,41 f.) - Das heißt: erst die Mitte, das Leben aus der Mitte, schenkt dem Menschen Sinn und Erfüllung. Die Meßfeier am Sonntag hilft uns, daß wir Gott nicht vergessen und auch nicht vergessen, daß Gott uns beruft, einmal ganz bei ihm sein zu dürfen. Die Meßfeier am Sonntag hilft uns, unser Leben nicht ein-dimensional zu leben, sondern in einer neuen, wunderbaren Dimension: der Begegnung mit dem lebendigen Gott und mit Jesus, unserem Erlöser.

Martas Aufbegehren: sicherlich auch so etwas wie ein Hilferuf, eine Bitte an Jesus, er möge ihr helfen, doch die tragende Mitte des Lebens zu finden. Und wir können der Bibel selbst entnehmen, daß Marta aus dieser verkorksten Begegnung mit Jesus doch etwas gelernt hat. Als Jesus ein weiteres Mal zu ihr nach Betanien kommt, nach dem Tod ihres Bruders Lazarus, da bleibt sie nicht in der Küche. Da läuft sie ihm entgegen, und da schenkt sie ihm und uns das Glaubensbekenntnis, das nur ein Mensch sprechen kann, der ganz aus der Mitte heraus lebt: „Ja, Herr, ich glaube, daß du der Messias bist, der in die Welt kommen soll.“ (Joh 11,27).

594. Predigtvorschlag

zur Lesung Genesis 18,20-32

Seit meinem sechsten Lebensjahr nehme ich an der Sonntagsmesse teil. Als Kind war mir der Gang zur Kirche, meist allein, ohne die Eltern, die für sich gingen, völlig selbstverständlich. Ich hatte meinen festen Platz und bedauerte, daß die Erstkommunion erst im dritten Schuljahr möglich war. Natürlich verstand ich längst nicht immer alles, was gebetet oder gesungen wurde. Aber durch das eigene Mittun konnte sich mir nach und nach der Sinn der Gebete, der Gesänge und der heiligen Handlungen erschließen. Auch das Vaterunser habe ich zu Hause zuerst nur mitgeplappert, aber durch das ständige Wiederholen hat dieses Gebet einen festen und zentralen Platz im eigenen Gedächtnis bekommen. Ich bin davon überzeugt, daß das der normale und natürlichste Zugang zu dem ist, was wir im Glauben besitzen und bekennen. Was früh grundgelegt worden ist, kann sich mit der Zeit festigen und ausfalten.

An einige Momente in der Kirche, die ich als Kind erlebt habe, kann ich mich noch sehr gut erinnern. Zu diesen Momenten zählt auch der Vortrag der Lesung aus dem Buch Genesis, die wir gerade gehört haben. Abraham erlaubt sich, mit Gott zu reden, so wie man eine Verhandlung führt, und Gott läßt sich darauf ein. Es geht darum, daß Gott auch Richter ist und völlig souverän handelt und entscheidet. Gott ist gerecht, und seine Gerechtigkeit fordert eine Bestrafung der Städte Sodom und Gomorrha. Schon das ist für unsere neuzeitlichen Ohren ungeheuerlich. Straft Gott wirklich mit dem Tode? Ist er wirklich der Rächer? Haben wir nicht von Jesus gelernt, daß Gott der Barmherzige ist, daß er verzeiht? - Solche Fragen sind berechtigt, aber wenn wir miteinander Gottesdienst feiern, bedeutet das ja nicht zuerst, daß wir Fragen stellen, sondern daß wir Gottes Wort hören. Zuerst müssen wir uns also hier die Mühe machen, nachzusehen, worin denn die Sünde bestanden hat, die für die Städte Sodom und Gomorrha so sprichwörtlich geworden ist.

Es heißt einige Kapitel vor unserem Text: „Die Leute von Sodom aber waren sehr böse und Sünder gegen Jahwe“ (Gen 13,13). Nachdem Abraham mit Gott gesprochen hat, wird eine Erzählung geboten, die die ganze menschliche Niedertracht und Gottes Antwort darauf in sehr deutlichen Farben darstellt. Die zwei Männer, Boten Gottes, kehren als Gäste ein bei Lot und seiner Familie in der Stadt Sodom. Die Bewohner des Ortes erfahren davon und umringen zu später Abendstunde das Haus der Familie Lot. Sie verlangen: „Wo sind die Männer, die heute abend zu dir gekommen sind? Bring sie zu uns heraus ...!“ (Gen 19,5) Die Bewohner - und das ist auch für unser Verständnis blanke Gewalt und Mißachtung jeder menschlichen Würde - haben nichts anderes vor, als die Gäste Lots zu mißbrauchen und zu vergewaltigen. Das ist nicht nur aus Sicht der offenbarten Gebote Gottes ein gründlicher Verstoß gegen die Ordnung der Schöpfung und der Natur, sondern - was in der Sicht jedes Orientalen noch mindestens ebenso schlimm ist - ein besonders übler Fall von Verletzung der Gastfreundschaft. Die persönliche Unversehrtheit jedes Gastes mußte jedem Gastgeber und jeder Stadt, die Fremde beherbergt, am Herzen liegen, und schon deshalb war das Verhalten der Bewohner Sodoms unentschuldbar. Hier gab es keine Möglichkeit zur Umkehr mehr. Daß ein solches Verhalten nach dem unbestrittenen Sitten- und Glaubenskodex den Tod nach sich ziehen mußte, stand völlig außer Frage.

Jetzt können wir wenigstens in Ansätzen verstehen, was in Wirklichkeit Abraham unternahm, als er anfing, mit Gott über diesen Punkt in eine Verhandlung zu treten. Abraham stellt nicht in Abrede, daß Gott auch Richter ist. Aber er will Gottes Gerechtigkeit ganz ernst nehmen und fragt daher: Wieviele Gerechte muß es eigentlich in der Stadt geben, damit die Vernichtung abgewendet wird? Abraham setzt immer wieder von neuem an. Er läßt nicht locker. Schließlich hat er den notwendigen Anteil auf zehn Gerechte heruntergeschraubt. Nicht diese Zahl, sondern daß Gott überhaupt bereit ist, sich von einem Menschen auf eine Vereinbarung festlegen zu lassen, - das ist in meinen Augen die Wende. Nun entscheidet nicht mehr die Schuld der Vielen, sondern die stellvertretende Gerechtigkeit der Wenigen über das Geschick der Menschen und ihre Zukunft. Nun handelt die Gerechtigkeit Gottes nicht mehr danach, was sich alles an Üblem, Niederträchtigem und Bösem in aller Öffentlichkeit präsentiert, heute noch durch Medien verbreitet, sondern entscheidend ist die stellvertretende Sühne einiger Weniger. Sie haben die Aufgabe, die Wende herbeizuführen.

Unter einem anderen Blickwinkel ausgedrückt, heißt das ganz einfach: Nicht die vielen, die sich um den lieben Gott nicht scheren, die ihn einen alten Mann sein lassen und ansonsten nur sich selbst und den eigenen Vorteil kennen, können den Lauf der Welt bestimmen, sondern diejenigen, die im Vertrauen auf Ihn ihren Dienst tun, die beten, die zum Gottesdienst zusammenkommen, die bitten und auch flehen: die haben die meiste Macht und den größten Einfluß, auch wenn man das nicht sofort sieht und es auch nicht immer diesen Anschein hat. Aber es ist so. Gott selbst hat uns das gezeigt. Am Ende genügt ein Gerechter, der Gerechte schlechthin: Jesus Christus, der Sohn Gottes - um die Welt zu retten und die Menschen zu Gott zurückzuführen.

Als Kind, aber auch oft als Erwachsene verstehen wir nicht immer sofort, was Gott uns sagen will. Wir verstehen auch in der Heiligen Messe nicht immer alles. Aber in Treue bereit sein und die Saat des Gotteswortes in sich aufnehmen, das ist, glaube ich, heute wichtiger denn je, für Junge wie für Alte.

595. Predigtvorschlag

„Da hilft nur noch beten“

„Da hilft nur noch beten“: Können Sie sich noch an eine Situation erinnern, in der jemand so gesprochen hat? „Da hilft nur noch beten“? - Meistens ist es eine ausweglose Lage, ein hoffnungsloser Fall, wo man das hört.

Aber ist das schon alles, was wir über das Beten sagen können? Ist Beten nur die Rettungsleine am Notfallschirm, die dann im letzten Moment gezogen wird, wenn alle anderen Sicherungen versagt haben? Dann würde Beten heißen: Wir lassen Gott machen, wo wir selber nicht mehr weiterkönnen. Dann ist Gott der Lückenbüßer. Er muß die Lücke stopfen, die unsere Unzulänglichkeit nun mal so mit sich bringt.

Jesus hat offenbar das Gebet ganz anders verstanden. Er hat nicht gesagt: Betet, wenn ihr nicht mehr weiterwißt. Wenn ihr am Ende seid. Wenn es euch dreckig geht. - Für ihn war Beten mehr als die Rettungsleine kurz vor dem tödlichen Aufprall. - : Für Jesus ist Beten das Selbstverständlichste, weil Gott selbstverständlich für uns da ist - so wie die Luft, die uns umgibt, die wir ein- und ausatmen, über die wir meist nicht viel nachdenken ... um im Bild zu bleiben: Beten kann so etwas sein wie ein Fallschirm oder ein Gleiter, der uns wunderbar trägt und uns durch die Lüfte schweben läßt, so daß man staunen kann, wie es möglich ist, daß ein Mensch schwerelos dahingleitet.

Die Jünger hatten ihre Schwierigkeiten beim Beten. Wie sollte man das anstellen? Soll man laut schreien, oder sich mit Steinen die Brust wundschlagen, wie es früher oft der Fall war, wenn einer Buße tun wollte? Oder sollte man sich irgendwo hinstellen, wo alle Leute einen sehen können, damit sie sehen, wie ich bete? Die Jünger hatten ihre Schwierigkeiten. So wie wir unsere Schwierigkeiten mit dem Beten haben. Und wenn wir dabei sind und doch anfangen zu beten, dann haben wir unsere Schwierigkeiten beim Beten. Dann will das Beten nicht recht gelingen. Entweder haben wir zuwenig Zeit (zumindest meinen wir das, aber das ist nicht nur beim Beten so, sondern auch mit viel zu vielen anderen Dingen) oder wir werden abgelenkt oder finden das Beten langweilig oder ermüdend. - Das alles läßt uns das Beten problematisch erscheinen. - Für Jesus aber war Beten nicht ein Problem, sondern ein Die-Arme-ausbreiten nach Gott hin, zum Vater, der uns ruft. Jesus sagt: Zu Gott sollt ihr sprechen: Unser Vater.

Interessant ist also, wie Jesus Gott anspricht. Er sagt: Abba. Wollte man das möglichst wörtlich übersetzen, müßte man sagen: „Papa“ oder „Papi“: das Wort eben, das schon kleine und kleinste Kinder sprechen, die das Gesicht ihres Vaters erkennen. - Diese Anrede zeigt schon, worum es beim Beten im tiefsten geht: Um ein Sprechen mit Gott, nicht über Gott. Im Glaubensbekenntnis sagen wir: Ich glaube an Gott. Beten heißt nun, diesen Satz, diese Aussage, die ihre Wichtigkeit behält, zu einem Du-Wort, das heißt zu einem Gespräch werden zu lassen. Dann wird aus dem Satz „Ich glaube an Gott“ das Gebetswort: „Unser Vater“. Die ganz persönliche Annahme der Gerechtigkeit und Liebe Gottes formt sich zu einer Antwort, die einmündet in das Sprechen der Gemeinschaft: Es heißt dann nicht etwa: Mein Vater ... mein tägliches Brot gib mir heute ... sondern wer betet, betet als Gemeinschaft. Wer betet, ist nie allein. Wer betet, hat Unterstützung von oben - durch den Heiligen Geist - und von allen Seiten - indem die Kirche das Gebet des Einzelnen mitträgt und es dahin führt, wo es von Gott gehört und angenommen wird. - Seitdem Jesus die Worte des Vaterunser den Jüngern und damit auch uns heute vorgesprochen hat, beten wir diese Worte nicht aus eigener Kraft und eigenem Vermögen, sondern durch und mit Christus! Das sollten wir bedenken, wenn wir anfangen zu beten und wenn wir vom Gebet sprechen: Es bedeutet Gemeinsamkeit mit Jesus, der unser Mittler zum Vater ist. Er spricht für uns, wenn unsere Worte versagen. Er tritt für uns ein, wenn wir schwach und mutlos sind. Er macht gut, wo wir etwas verbaut haben. Und er beschenkt uns mit der Gewißheit, daß wir mit unserem Gebet Gott nie lästig werden. Ja, er fordert uns geradezu auf, Gott zu belästigen wie ein nächtlicher Besucher, der dem schon schlafenden Nachbarn höchst unwillkommen ist, aber der dennoch erhält, um was er bittet - nicht, weil dem Nachbar die nächtliche Störung gefallen hätte, sondern weil der Störenfried nicht locker läßt und seine Zudringlichkeit so groß ist, daß der andere keine andere Wahl hat, als ihm das Gewünschte durch die Tür zu reichen.

So, will Jesus sagen, ist Gott zu uns in seiner Güte: Er hört sich unsere armseligen Wünsche an. Er läßt sich stören von uns. Er will gesucht und gefunden werden von denen, die wissen, daß sie Bedürftige sind. „Der Mensch ist ein Armer, der Gott um alles bitten muß“, sagt der heilige Pfarrer von Ars, Johannes Maria Vianney. - Das heißt doch mit anderen Worten nichts anderes als dies: Da hilft nur noch Beten.

596. Predigtvorschlag

Gott, die Sicherheit unseres Lebens
Gott, die Sicherheit unseres Betens

Immer, wenn ich nach einigen Tagen Abwesenheit in unsere Gemeinde zurückkehre, dann freue ich mich auf das Läuten der Angelus-Glocke unserer Kirche. Dreimal am Tag lädt dieses Läuten uns ein, kurz innezuhalten und sich daran zu erinnern, wie nahe uns Gott doch gekommen ist durch die Menschwerdung seines Sohnes.

Heute morgen wurde ich enttäuscht. Die Glocke läutete nicht. Es funktionierte wohl das Anschlagen dreimal drei Mal. Das ist schon ein schönes Zeichen, ein Sinnbild für die Dreifaltigkeit Gottes, für die überströmende Liebe, die in Gott selbst ist. Doch das Geläut, das sich daran anschließen sollte, war nicht zu hören.

Man muß in den Glockenturm hinaufsteigen, dort einen alten schwarzen Sicherungskasten öffnen und sieht ein Gewirr von alten und neuen Kabeln, von Schaltern und Sicherungen, die schon eingebaut wurden, seit das erste Geläut installiert wurde, und von solchen, die angebracht worden sind, als vor einigen Jahren die große Dreifaltigkeitsglocke angebracht werden konnte. Und dann muß man in diesem bunten Allerlei ein einziges winziges Knöpfchen aus Plastik drücken, und schon läuft der Motor der Angelusglocke wieder an. Es ist eigentlich ganz einfach, wenn man es nur weiß.

Es ist ganz einfach, wenn man es nur weiß. Dieser kleine Knopf, der gedrückt werden muß, damit die Sache läuft, ist für mich so etwas wie ein Sinnbild. Er steht sozusagen für das Ganze. Die Jünger bitten Jesus: "Herr, lehre uns beten!" (Lk 11,1). In der Tat ist Beten das Größte, was wir Menschen tun können. Die Jünger haben gesehen, daß Jesus betete und wie er betete. Sie haben gesehen und erfahren, wie er es immer wieder und lange getan hat. Beten gehört zum Richtigsein des Menschen. Beten heißt nicht oder muß nicht heißen, selber viele Worte zu machen. Sondern Beten heißt, still zu werden, zu hören und Gott in sich sprechen zu lassen. Beten heißt, zu vertrauen und im Vertrauen beständig und treu, ja direkt hartnäckig zu sein, wie einer, der wieder und immer wieder um das Gleiche bittet. Beten heißt auch nicht, zu meinen, wir seien Menschen, die Gott lieben. Beten heißt vielmehr, aus dem Glauben zu leben, daß Gott mich liebt und mich immer liebt. Er liebt mich so, daß er seinen Sohn für mich hingegeben hat, schon als es mich noch gar nicht gab. Das ist das große Geschenk Gottes, daß Gott jeden Menschen von Anfang an geliebt hat und daß Jesus für alle Menschen gestorben und auferstanden ist.

Wenn so das Beten etwas Schönes und Gutes ist, warum konnte es dann so weit kommen, daß das Gebet vielfach abgestorben und aufgegeben ist? Daß - im Bild ausgesprochen - die Sicherung heraus ist und die Glocke nicht mehr läutet? Wo ist das tägliche, das gemeinsame Gebet noch etwas, das wirklich gelebt wird? Wo machen Eltern ihren Kindern noch wirklich vor, was das heißt: zu Gott zu beten, der unser guter Vater ist? Viele Kinder, die getauft sind, kennen das Vaterunser nicht mehr, nicht weil sie es nicht sprechen wollen oder weil sie zu dumm wären, es zu behalten, sondern weil sie es überhaupt nicht mehr hören. - Was ist da passiert? Ich könnte mir vorstellen, da ist das gleiche passiert wie mit unserer Angelusglocke: Die Glocke selbst ist da, sie hängt in einem wunderbaren Turm und in einem aufwendigen Glockenstuhl, aber das ganze nützt nichts, wenn da kein Strom fließt, der den Motor und die Glocke in Bewegung setzt. Erst dann kann etwas erklingen, die Melodie der Glocke, die wir weithin hören können.

Und genauso ist es auch mit uns: Erst wenn wir in uns den Strom der Gnade fließen lassen, erst wenn wir Gott an uns heranlassen, dann kommt es in uns zu einem Klang, zu einer Melodie, zu einem Gebet. Gebet ist ja nicht nur trockenes Wort, Gebet ist auch der Gesang, die Musik, die Sprache des Körpers. Ich habe in Lourdes Menschen gesehen, krank, im Rollstuhl, in sich versunken, nur mit einer brennenden Kerze in der Hand, und jeder konnte sehen: Dieser Mensch betet. Alles weist darauf hin, daß er jetzt, in diesem Moment, ganz auf Gott vertraut.

Wir haben in Lourdes viele Jugendliche gesehen, die oben im Camp des Jeunes, im Zeltlager, wohnen und unten, im heiligen Bezirk und in den Krankenstationen, Dienst tun für die Pilger und die Kranken. Diese jungen Leute sitzen oft abends zusammen, singen und erzählen, und man sieht: Das, was sie leben und tun, ist schon Gebet, ist schon Dienst am Nächsten, der unsere Hilfe braucht, und Dienst an Gott, der uns Maria geschenkt hat, die große Betende, die mit uns und für uns betet.

Und für viele wird eine solche Wallfahrt, eine solche Begegnung mit Menschen, die beten und vertrauen, wieder zu etwas, das dann den Strom wieder freigibt, so daß dann das eigene Herz wieder frei zu schwingen beginnt wie eine Glocke, die weiß, daß sie nicht für sich selbst da ist, sondern um hinzuweisen auf das Größere, auf den Größeren, der sie in seinen Dienst gerufen hat.

Hoffen wir, daß der Strom für die Angelusglocke unserer Kirche nicht allzuoft unterbrochen wird, damit sie ihren Dienst tun kann. Und hoffen wir auch, daß auch der Strom frei fließen kann, der in uns wirksam werden will, damit wir unser ganzes Leben ausrichten auf Gott und ihn immer neu erkennen als den Vater, der uns über alle Maßen liebt.

597. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Gott kommt bei Abraham zu Besuch und erzählt, so nebenbei, dass er gerade auf dem Weg ist nach Sodom und Gomorra. Er will nachschauen, ob alles wirklich so schlimm ist, wie man sagt; und wenn es sich bestätigt - na, dann ist Feierabend in den Städten. Gott hat beschlossen, diese beiden Städte auszurotten, wenn sie nicht von ihrer Sünde lassen wollen.

Wie würden Sie reagieren, wenn ein Prophet an Ihre Haustüre klingelt und so etwas ähnliches sagt? Wahrscheinlich würden wir uns abwenden und sagen: An einen solchen Gott glaube ich nicht - ein strafender und zorniger Gott ist nichts für mich. Zu einem solchen Propheten würden wir schnell "Geh weiter" sagen - auch, wenn es Gott selbst wäre. Dieser Gott ist für mich nicht diskutabel.

Abraham mag vielleicht ebenso gedacht haben - aber er hat sich nicht abgewandt; er hat nicht gesagt: Diesen Gott kannste vergessen. Nein, er wollte glauben, er möchte diesen Gott lieben und er will nicht von ihm lassen. Deshalb, nicht weil er es besser weiß als der Herr selber, macht er ihm Vorwürfe, er handelt mit ihm und feilscht. Im Grunde handelt er nicht um das Leben der Menschen in Sodom und Gomorra, sondern er ringt um seinen Glauben: Wie verhält sich dieser Gott, wenn ich ihn bitte? Steckt vielleicht doch mehr dahinter? Was passiert wohl, wenn ich noch einmal bitte?

Liebe Schwestern und Brüder, nicht umsonst nennt die Tradition Abraham den "Vater des Glaubens". Sehr demütig hat sich nicht benommen, das mag sein. Aber er hat sich auch nicht hochmütig abgewandt. Er hat mit diesem Gott gerungen, gebetet und nicht locker gelassen. Vielleicht ist es das, was Gott von ihm erwartet hat. Vielleicht ist es das, was Gott von uns erwartet: Das wir ihn bitten, mit ihm reden, wenn uns etwas nicht passt; das wir nicht locker lassen. Nicht umsonst tut Jesus im heutigen Evangelium nichts anderes als: "Betet! Um Himmelswillen - betet doch!" zu sagen.

Warum? Warum lässt sich Gott auf den Handel mit Abraham ein? Warum will er, dass wir beten? macht er denn nicht sowieso, was er will? - Ja klar, Gott macht, was er will. Deshalb ist er ja auch Gott. Aber - was will er überhaupt?

Er will eben nicht eine Stadt zerstören. Er will nicht seine Ruhe. Er will nicht unser Leid, unseren Tod, unser Unglück. Er will auch nicht verleugnet werden, verspottet und ausgelacht. Er will nicht, dass wir uns von ihm abwenden und unsere eigene Wege gehen. Und doch passiert es immer wieder, seit jeher bis auf den heutigen Tag. Deshalb fleht er um unser Gebet: Denn er will mit uns reden; er möchte unsere Zuneigung; er möchte unser Herz. Er will uns nicht verlieren.

Sodom und Gomorra sind zerstört worden - es haben sich noch nicht einmal zehn Gerechte dort gefunden. Aber uns wird er nicht im Stich lassen, um des einen Gerechten willen: Jesus. Wenn wir uns an ihn halten - im Gebet und ihm Leben - dann sind wir sicher.

Amen.

598. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Sind sie gut versichert? Haben sie neben der Krankenversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Pflegeversicherung, der Haftpflichtversicherung auch noch eine Hausratversicherung? Eine Unfallversicherung? Wie sieht's mit einer Fahrradversicherung, Kaskoversicherung, Glasversicherung, Urlaubsversicherung und Lebensversicherung - und was man sonst noch alles versichern kann - aus?

Wir sind eine Gesellschaft der Versicherten. Versicherungen bieten guten Schutz, wenn plötzlich Unglücksfälle auftreten. Das Geschäft mit den Versicherungen läuft, weil wir alle ein großes Bedürfnis danach haben, gesichert zu leben.
Durch Versicherungen aller Art versuchen wir unser Leben in den Griff zu bekommen, vor allem: Die Zukunft in den Griff zu bekommen. Wir wissen nicht, was da alles auf uns zukommt. Wir wissen nur, daß so einiges passieren kann.

Außerdem planen wir gerne. Mit den Versicherungen planen wir unseren Schutz vor bösen Überraschungen. Der Urlaub war seit Monaten geplant, vielleicht auch schon der im nächsten Jahr. Karriere und Hausbau, Familienfeierlichkeiten und besondere Ereignisse wollen ebenfalls von langer Hand geplant sein.

Gerade hier aber warnt uns sowohl die Lesung als auch Jesus im Evangelium: Es kommt nicht auf unsere großen und kleine Pläne an. Worauf es Gott ankommt, ist nämlich nicht das, was noch in der Zukunft liegt. Was haben wir schon von der Zukunft in der Hand?

Wenn wir «jetzt» sagen und die Zeit meinen, in der wir leben, so sind einige schon so bescheiden und meinen damit nicht unser Zeitalter, unser Jahrhundert, sondern nur das Jahr 2004, in dem wir gerade leben. Doch was haben wir von diesem Jahr schon in der Hand? Die eine Hälfte ist vergangen, daran läßt sich nichts mehr ändern - auch wenn wir das gerne würden. Und die andere Hälfte des Jahres liegt noch im verborgenen. Was wird da noch kommen?
Aber selbst nur diesen Sommer - diesen Monat - oder diese Woche liegt gar nicht in unseren Händen. Nichts können wir noch von dem ändern, was allein dieser Tag schon gesehen hat, nichts können wir endgültig voraussehen, von dem, was heute noch kommt.
Allein in unseren Händen liegt der Augenblick, das Jetzt. Nichts anderes. Weder die Zukunft, noch die Vergangenheit. Nur das, was im Moment, im Augenblick geschieht, können wir beeinflußen.

Nun gut, ich gebe zu: Machen Sie ruhig Plänen, schließen sie ruhig Versicherungen ab. So weltfremd bin weder ich noch die Bibel, daß ich nicht sehe, wie sinnvoll solche Einrichtungen sind. Aber: Leben müssen wir jetzt! Leben können wir immer nur im Augenblick, nicht in der Zukunft und nicht in der Vergangenheit.

Und Leben - das heißt, die Welt, die Natur, das Wetter genießen und sich daran freuen. Die Menschen genießen und sich mit ihnen freuen. Gott genießen - und sich an ihm freuen. Das Gebet zu genießen.

Sind sie hier? Sind sie in Gedanken jetzt hier? Bei ihren Nachbarn, in dieser Kirche, mit Gott? Oder sind sie in Gedanken schon beim Grillen heute abend, im Freibad morgen oder bei der Arbeit am Montag?
Jetzt haben sie die Möglichkeit, in diesem Augenblick. Aber dieser Augenblick ist nicht nur unser Augenblick. Letztlich sind es die Augen Gottes, die uns anblicken und dadurch unsere Antwort, unser Mittun, unser Danken erwarten.

Und nur diese Augenblicke machen uns reich. Reich sind wir nicht durch das, was wir haben und uns leisten können. Reich ist der, dem der Augenblick gehört, und der jeden neuen Augenblick aus Gottes Hand nimmt.

Amen.

599. Predigtvorschlag

Glaube ist: feststehen in dem, was man erhofft

Vor einigen Jahren wurde aus der zusammengestürzten Grube in Lassing in Österreich ein Bergmann wie durch ein Wunder nach 10 Tagen doch noch gerettet. Die Zeitungen schrieben, er habe nach seiner Rettung gesagt: „Mein Glaube hat mir geholfen.“

In der völligen Dunkelheit und Abgeschiedenheit hat dieser Mann darauf vertraut, daß etwas geschieht, was ihm das Leben rettet. Sein Glaube hat ihm in einer extremen und scheinbar hoffnungslosen Lage Stütze und Halt gegeben.

Der Glaube ist ein Geschenk. Wenn Eltern ihr Kind taufen lassen möchten, spielt dieses Motiv eine wichtige Rolle: Das Kind soll im Glauben aufwachsen. Das Kind soll den Glauben kennenlernen.

"Hauptsache, man glaubt an etwas!" - Kaum ein Satz ist so falsch und trügerisch wie dieser. Es ist nicht egal, was man glaubt. Stellen Sie sich einmal vor, zwei Liebende stehen sich gegenüber. Die Frau sagt: Ich liebe dich. - Und der Mann antwortet: Die Hauptsache ist doch, man liebt irgendetwas. - Das wäre peinlich und unschön. Es geht nicht darum, daß der Mann irgendetwas liebt und schön und begehrenswert findet, sondern daß er eine Antwort findet auf genau die liebenden Worte, die er gerade von seinem Gegenüber geschenkt bekommen hat.

Genauso ist es mit dem Glauben. Glauben hat mit Antwortgeben und mit Lieben zu tun. Darum zählt der Hebräerbrief Gestalten des Glaubens auf - Abraham, Sara, Isaak, Jakob - die einen Ruf gehört und die Antwort ihres Lebens im Glauben gegeben haben. In der deutschen Sprache hat unser Wort "glauben" die gleiche Herkunft wie "lieben": Glauben bedeutet, sich liebend etwas zu eigen machen. Wer einen Menschen liebt und ihm vertraut, der ist auch bereit, ihm zu glauben.

Es ist nicht egal, was einer glaubt. Und es ist noch weniger egal, wem wir glauben. In unserer hochtechnisierten Welt kommen wir ohne ein hohes Maß an Vertrauen und Glauben überhaupt nicht aus. Wir steigen in ein Flugzeug und glauben, daß es fliegt und daß der Pilot in der Lage ist, das Gerät sicher zu beherrschen. Wir haben es nicht selber ausprobiert - wir könnten das nicht einmal - und wir haben auch nicht mit dem Piloten gesprochen und ihn befragt - wir vertrauen und glauben einfach. - Und so ist es mit tausend Dingen in unserem Leben. Ob wir eine Maschine einschalten oder bei Grün über die Straße fahren, ob wir eine Nachricht über ein fernes Land hören oder ob wir sagen, die Erde ist rund, oder ob wir auf dem OP-Tisch liegen und einem komplizierten Eingriff entgegensehen - alles das sind Dinge, die wir selbst nicht überprüft haben; wir können gar nicht anders, als anderen Menschen Glauben zu schenken. Wir tun das, weil diese Menschen - Ärzte, Journalisten, Techniker undsoweiter ... für uns eben glaubwürdig sind.

Wenn schon Vertrauen und Glauben so wichtig ist, wenn es um die Beziehung unter uns Menschen geht, wieviel mehr dann, wenn es um die letzten Dinge geht - um Krankheit und Sterben, um Leid und Unglück, um Schuld und Vergebung. - Wenn einer sagt: Ich glaube nur das, was ich selber sehe - dann ist er in Wirklichkeit arm dran. Denn diese letzten Dinge in unserem Leben lassen sich nicht fotografieren und nicht festmachen. Ich kann nicht beweisen, daß mein Unglück, das mich getroffen hat, einen tieferen Sinn hat. Ich kann meinem Partner nicht sagen: Beweise, daß du mir wirklich vergeben hast! - Ich kann diese tiefen Dinge und Vorgänge und die Worte, die ein Mensch mir darüber sagt, nur glauben oder eben nicht glauben. Kann ich es, werde ich reich beschenkt - die Bibel sagt: der Glaube macht selig (vgl. Joh 20,29; Röm 4,9) - oder ich friste ein armes, verkümmertes Dasein ohne Glauben.

Für den Glauben an Gott haben wir eine "Wolke von Zeugen". So nennt der Hebräerbrief die Menschen, die ihr Vertrauen ganz auf Gott gesetzt haben (Hebr 12,1). - Schon damals, als die Kirche im Entstehen war, muß es zu einem Nachlassen an Glaubenskraft gekommen sein, zu einem Schwinden der Gewißheit, daß wir unser Leben ganz auf Gott bauen können. In den Gemeinden gab es schon damals so etwas wie eine geistliche Blutarmut: erst durch eine Art geistlicher Blutübertragung kann da eine Besserung eintreten. Diese Blutübertragung kann damals wie heute nur gelingen durch Menschen, die glauben und die ihren Glauben bezeugen. Eine Meinung kann Nachahmer finden; Glauben aber setzt sich nur fort durch Zeugen. Oder anders gesagt: Worte bewegen, Beispiele reißen mit.

Für mich ist ein solcher herausragender Zeuge der heilige Thomas Morus, Lordkanzler von England, im Jahre 1535 durch Heinrich VIII. wegen seiner Gewissensüberzeugung hingerichtet. - Von diesem Heiligen stammen die Worte: "Nichts kann geschehen außer dem, was Gott will. Und ich bin ganz gewiß, daß es, was es auch sei, in der Tat das Beste ist."

Im Gefängnis betete er: "Gib mir deine Gnade, gütiger Herr, auf daß ich die Welt für nichts erachte, auf daß ich meinen Geist fest auf dich gründe."

Und um den Glauben der Kirche zu verteidigen, gab er folgendes zu bedenken: "Es gibt ein Argument, das man allen Spitzfindigkeiten der Glaubenslosen entgegenhalten kann: Noch niemand hat je auf dem Sterbebett bereut, ein Christ zu sein."

600. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

jede Messe, die wir hier in unserer Kirche feiern, ist ein Vorgeschmack auf das himmlische Hochzeitsmahl. Sie ist ein Bild - aber auch ein Prüfstein. Vor allem ein Prüfstein für die Frage, die "einer" heute an Jesus stellt: "Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?"

Wir stellen uns oft vor, dass wir irgendwann vor der Himmelstür stehen und um Einlass bitten. Ob Petrus uns dann hineinlässt, scheint uns eine Frage der Größe Gottes zu sein - es liegt nunmehr nicht in unserer Hand. Soll er doch seine Barmherzigkeit zeigen.
Aber Jesus beantwortet nicht die Frage, wenn Petrus hineinlässt und wen nicht. Sondern er lenkt den Blick auf das, was sich VOR der Himmelstür abspielt: Denn ist es wirklich so, dass wir vor der Türe sehen und anklopfen? Oder haben wir längst den Weg verlassen und suchen unser Heil woanders? Aber: Warum sollte einer nicht in den Himmel wollen? Warum sollte jemand zu dieser Einladung Gottes "Nein" sagen?

Natürlich ist die Gemeinde hier in der Kirche nicht wirklich deckungsgleich mit denen, die dereinst im Himmel gemeinsam da Hochzeitsmahl feiern werden. Aber wenn wir einmal so tun, als wenn alle, die hier sind, sozusagen an die Himmelstüre klopfen und um Einlass bitten - warum sind dann soviel nicht hier und bitten erst gar nicht? Warum suchen so viele Menschen nicht im Glauben Halt und Freude? Warum klopfen so viele Menschen überhaupt nicht an?

Da hilft uns vielleicht die Lesung aus dem Hebräerbrief weiter. "Gott züchtigt" heißt es dort. Gott lässt es zu, dass wir gefordert werden, uns bewähren müssen. Ja, er lässt es sogar zu, dass uns Leid geschieht, Hoffnungen zerbrechen und Liebe versagt. Dass Ehe scheitern und liebe Menschen sterben. Wir leiden, trauern und sind der Verzweiflung nahe sind - und wo ist Gott?
Nicht wenige Fragen: "Warum tut Gott nichts? Will er mich nicht in seinem Himmel? Ist er kein guter Gott? Er hat die Welt doch in sieben Tagen - ja, sogar in sechs Tagen erschaffen! Warum nimmt er nicht einfach alles Leid aus dieser Welt? Warum sortiert er nicht einfach alle bösen Menschen aus?"
Und der Gedanke wächst schnell: Mit diesem Gott ist kein Brotkorb zu gewinnen. Was soll ich bei ihm?

Warum soll ich mich bemühen, in ein Hochzeitsmahl mit diesem Gott einzutreten? Einen Himmel mit diesem Gott? Nein danke.

Der Hebräerbrief gibt darauf eine Antwort: "Glaube nicht, dass Gott dich nicht liebt, nur weil Du leiden musst. Zweifle nicht daran, dass er von Dir weiß und sich um Dich kümmert. Er züchtigt Dich, weil er Dich liebt!"

In den Unglücken meines Lebens Gottes Nähe zu erkennen...? Ist das nicht ein bisschen viel verlangt?

Das, meine lieben Schwestern und Brüder, ist der enge Weg. Das Bemühen mit allen Kräften. Das schaffen viele nicht und versuchen es doch:

Im zänkischen Nachbarn Gottes Anfrage an meine Liebesfähigkeit zu sehen. Im Autounfall eines guten Freundes meinen Glauben an das ewige Leben zu prüfen und wachsen zu lassen. Im Verlust meiner Sicherheit (durch Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Behinderung) mein Gottvertrauen zur Reife zu führen. Betrogen zu werden, missbraucht und verletzt, und deshalb die Größe zu erlangen, wirklich zu verzeihen.

Sehen Sie im nervenden Freund die Gelegenheit, an ihrer Geduld zu arbeiten - er ist ein Geschenk Gottes. Sehen Sie im Unglück die Gnade, tröstende Menschen neu zu entdecken. Sehen Sie im Leid des Anderen Gottes Aufruf, selbst Trost zu spenden und Liebe zu zeigen.

Wer hier anklopft - in jeder Eucharistiefeier - dem wird geöffnet. Zuallererst die Augen für das Wirken Gottes selbst in jeder Not. Und dadurch auch die Tür zum ewigen Leben. Amen.

601. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Wer kommt eigentlich alles so in den Himmel rein? Alle? Nur 144.000, wie die Zeugen Jehowas glauben - dann wäre der Himmel schon voll - auch die noch lebenden Zeugen Jehovas hätten dann konsequent gedacht dort keinen Platz mehr. Ich sag denen dann immer: aber bei uns im Himmel ist noch Platz! Wir haben es heute wieder in der 1. Lesung und auch im Evangelium gehört: Gott ruft unsere Brüder aus allen Völkern zusammen, damit sie seine Herrlichkeit sehen - bzw. bei Lukas vorhin: "Und man wird von Osten und Westen, Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen." - aus allen Himmelsrichtungen werden die Himmelsbewohner kommen, alle Menschen sind eingeladen.

Sind also auch alle drin? Oder sind es nur wenige, die gerettet werden? So war ja auch die Ausgangsfrage im heutigen Evangelium. Und Jesus antwortet nur indirekt: bemüht Euch mit allen Kräften, durch die Enge Tür zu gelangen, denn vielen wird es nicht gelingen. Ihr selbst werdet ausgeschlossen sein. Ziemlich deutlich sagt Jesus hier, dass nicht alle einfach so in den Himmel kommen, die auch rein wollen, dass es doch auch wohl Bewohner in der sogenannten Hölle gibt. Anders weiß ich diese Worte Jesu nicht zu deuten. Und sie sind Ihm auch nicht im Nachhinein in den Mund gelegt worden. Im Gegenteil: es gilt als sicher, dass Jesus diese Worte so gesagt hat. Und er hat damit auch etwas beabsichtigt. Er wollte uns keine Angst machen: buhhh - die Hölle; sondern er will uns ermahnen, erinnern, nicht alles so selbstverständlich zu nehmen, so automatisierend: ich gehöre ja zum Volk Gottes: zum auserwählten Volk Israel oder durch den Taufschein zu den erretteten Christen - mir kann ja nichts passieren. Sondern die Zugehörigkeit zu Gott erwartet auch ein gottgefälliges Leben.

Die 2. Lesung hat es so deutlich gemacht, dass Gott uns züchtigt und dadurch etwas Gutes tun möchte, so wie der Vater seinen Sohn auch mal etwas verbieten muss, damit er zum Guten geführt wird. Diese Rede von der engen Tür zum Himmelreich erinnert uns daran, dass der breite Weg der Gesellschaft nicht automatisch der Richtige ist, dass es manchmal Mühe kostet, den gottgefälligen engen Weg zu gehen, aber dass er nötig ist!

602. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wir schieben die Frage gerne von uns und tun so, als ob sie schon längst beantwortet wäre: Die Frage nach Himmel und Hölle - und auch die Frage, wo wir denn unseren Platz haben.

Ob es ein Leben nach dem Tode gibt, ist bei den meisten Menschen nicht strittig. Mehr als 70 % aller Menschen glauben daran, dass es nach dem Tode irgendwie weiter geht.

Der Glaube aber daran, ob im Jenseits die Guten von den Schlechten geschieden werden, die einen in den Himmel kommen - und die anderen an den Ort ewiger Verdammnis - das verweisen sogar die meisten Christen als längst überholt in das Reich der Legenden.

An dieser Ablehnung des Gerichtsgedanken ist etwas richtiges dran: Ein Glaube, der sich nur an Gott und das Gute hält, weil man Angst hat, in der Hölle zu landen, ist kein Glaube. Gott und die Menschen sollte man lieben, weil beide liebenswert sind, und nicht, weil sonst das ewige Feuer droht. Eine Ehe, die nur noch aufrechterhalten wird, weil sonst Unterhaltszahlungen drohen, ist keine Ehe mehr, von Liebe ganz zu schweigen.

Aber so richtig diese Kritik ist, der Vermutung, alle Menschen kämen - ohne Unterschiede - in die himmlische Herrlichkeit würde unser Leben hier restlos entwerten. Nicht nur unser Leben: Das Leben einer Mutter Theresa bspw. wäre reinste Lebensverschwendung. Und auf der anderen Seite: Was ist denn mit den Schlächtern in Bosnien-Herzegowina oder im Kosovo, die Menschen auf brutalste Weise quälen und töten, und die - bis jetzt zumindest - ungestraft davon kommen? Was ist mit den KZ-Wärtern, die sich ein schönes Leben in Südamerika machen? Was ist mit den bezahlten Mördern der Straßenkinder in Brasilien? «Schön, dass ihr auch hier seid...» - ???

Machen wir uns nichts vor: Es gibt so etwas wie das persönliche Gericht eines jeden Menschen. Denn Gott nimmt unser Leben hier auf Erden ernst, nicht nur das der Kriegsverbrecher und Mörder, sondern dann auch das eines jeden Menschen. Das ist keine Drohung, keine Angstmacherei, sondern Ausdruck der Liebe Gottes: Es ist eben nicht egal, was wir tun, wie wir leben. Nichts anderes hat Jesus uns immer wieder gesagt. Er antwortet nicht auf die Frage, wieviel gerettet werden. Er antwortet, indem er uns auf den Ernst des Lebens verweist. «Müht euch mit allen Kräften!»

Unser Leben darf allerdings nicht darin bestehen, Punkte zu sammeln, bis wir ein Konto haben, das zum Eintritt in den Himmel berechtigt. Unser Leben ist auch kein stures befolgen von Geboten und Vorschriften, um dann mit einer weißen Weste vor Gott stehen zu können.
Wenn wir einmal vor Gott stehen, dann ist das einzig entscheidende, ob wir zu Gottes unbedingter Liebe ein ebenso unbedingtes «Ja!» sprechen. Nicht mehr, und nicht weniger.
Aber in dieses «Ja» müssen wir uns einüben, das «Ja» zu Gott und den Menschen müssen wir hier schon Leben lernen. Wir können dieses «Ja» nicht auf die Ewigkeit verschieben: Dann ist die Türe zu, und wir stehen draußen.
Wessen Leben immer nur aus halbherzigen «Ja, vielleicht», «ja, morgen schon» oder «ja, wenn, dann» bestanden hat, oder - was ich persönlich durchaus schon erfahren habe - wessen Leben eine ganze Reihe von deutlichen, bewussten und ausdrücklichen «Nein!» zu Gott zum Inhalt hatte, für den wird es - so die Botschaft des heutigen Evangeliums - in der Ewigkeit zu spät sein. Dann ist die Türe nämlich verriegelt.

Das Evangelium schließt aber sehr hoffnungsvoll: Da ist die Rede von Scharen aus dem Osten, Westen, Norden und Süden, die vom Reich Besitz ergreifen. Denn für uns Christen gilt, dass wir die begründete Hoffnung auf «Freispruch» haben, weil Jesus Christus selbst für uns eintritt. Schließlich ist er genau darum Mensch geworden, um für uns eintreten zu können. Und mit einem solchen Anwalt kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen.

Wenn wir uns bemühen, dann dürfen wir - egal, wie weit es uns gelingt - uns auch getrost und in aller Seelenruhe auf die Barmherzigkeit Gottes verlassen.

Amen.

603. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, die Frage ist bei uns Christen heutzutage allgegenwärtig: Warum werden wir eigentlich immer weniger? Weniger im Gottesdienst, weniger in der aktiven Mitarbeit der Gemeinde, weniger im gemeinsamen Gebet... - und so stehen die Befürchtungen bei der Kandidatensuche für den Pfarrgemeinderat im Raum: Wird da überhaupt noch einer mitmachen?

In den letzten Jahrzehnten der Experiment und gegenseitigen Vorwürfen wird es immer deutlicher: Das Problem liegt gar nicht zuerst in der Kirche selbst begründet. Zugegeben, vieles liegt auch bei unserem kirchlichen Tun im Argen und wir Katholiken müssen immer wieder kritisch auf das schauen, was wir tun. Aber die eigentlichen Gründe liegen in den gesellschaftlichen Veränderungen, die wir heute erleben. Immer mehr distanzieren sich die West-Europäer von christlichen Werten, die mancher noch für selbstverständlich und für ein Allgemeingut gehalten hat. Es ist doch einfacher, das zu tun, was bequem ist, als das, was moralisch ist. «Bevor ich mir von den Kirchen ein schlechtes Gewissen machen lasse, gehe und höre ich dort einfach nicht mehr hin. Denn wenn die Kirchen mir kein gutes Gefühl vermitteln, sondern eher den Finger in die Wunden der Gesellschaft und damit auch bei mir legen, dann haben die Kirchen mir eben nichts mehr zu sagen.»

Da ist das heutige Evangelium und die Lesung aus dem Hebräerbrief eine heilsame Kritik und kann als "Zurechweisung" Gottes verstanden werden: Das Reich Gottes liegt nicht auf der Straße. Es ist nicht das Vielbesuchte, Selbstverständliche und Bekannte. Man kann es nicht wie ein breites, freundliches Portal betreten, ohne anzuecken. Man muss sich hineinzwängen. Es ist die tägliche Mühe, Gottes Willen zu erkennen und anzuerkennen. Er ist nicht mein Wille, meistens läuft er dem völlig entgegen, was ich will. In dieses Reich Gottes (und damit ist nicht der Himmel gemeint, sondern der Glaube, der mich hier auf Erden schon erfüllt!) kann nur der gelangen, der den Willen Gottes freudig tut.
Liebe Schwestern und Brüder, Der Hebräerbrief, aus dem wir die Lesung gehört haben, ist am Ende des ersten Jahrhunderts an die zweite Generation der Christen geschrieben worden. Sein Ziel ist es nicht (wie in den meisten Paulusbriefen), Irrlehren zu bekämpfen, sondern einer wachsenden Ermüdung und Gewöhnung der Christen entgegenzutreten. Das Anliegen Jesu, die Weckung des Glaubens und die Sammlung des Gottesvolkes, war in Gefahr, verloren zu gehen. Die tätigen Hände der ersten Generation waren abgearbeitet und die Knie derer, die berufen waren, Neues zu wagen, waren müde geworden.
Das ist doch genau das, was wir heute erleben, oder? Da fällt das Beten schwer, die Kinder wollen nicht zur Kirche, man erwischt sich immer wieder bei Lügen und bei kleinen und großen Lieblosigkeiten, und trotzdem liegt mir die Beichte so fern wie die Hauptstadt von Timbuktu. Wie einfach wäre es, ohne Gott und ohne Moral, ohne Kirche und ohne religiösen Pflichten! Müdigkeit macht sich breit.

Liebe Schwestern und Brüder, nichts ist dem Hebräerbrief fremder als in das dumpfe Klagen über diese Zustände einzustimmen. Er vergleicht den Weg des Glaubens mit der Schule. Das Vertrauen auf Gottes Fügung wird schließlich nicht mit Genen vererbt. Es muss gelehrt und gelernt werden, von Generation zu Generation. Auch das Lesen, Rechnen und Schreiben zu lernen macht Mühe; bequemer wäre es, die Schrift und die Mathematik abzuschaffen, als sie immer wieder mühsam zu erlernen. Ich kenne wenige Schüler, die sich auf die Abiturprüfungen freuen.
Auch die erste Generation, die Apostel, die Männer und die Frauen, die Jesus gefolgt waren, hatten eine harte Schule mitmachen müssen, deren größte Prüfung das Aushalten unter dem Kreuz war. Diese Schule kann keiner Generation erspart bleiben, und diese Schule ist immer auch eine harte Schule: «Haltet aus, wenn ihr gezüchtigt werdet! Jede Züchtigung scheint zwar für den Augenblick nicht Freude zu bringen, sondern Schmerz, später aber schenkt sie dem, der durch diese Schule gegangen ist, als Frucht Frieden und die Gerechtigkeit.»

Klagen wir nicht, sondern tun wir, was Gott uns aufträgt. So werden "die erschlafften Hände wieder stark und die wankende Knie wieder fest!" Gott gibt immer wieder Freude zu unserem Tun, egal, wieviele wir sind. Amen.

604. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, sicher erinnern sie sich noch an Pater Nicholas, der hier in der Samstagsabendmesse zu Beginn die Gäste - also die Gottesdienstbesucher - von den letzten Plätzen nach vorne geholt hat. Jesus hat es vorgemacht: "Mein Freund, rück weiter hinauf!"

Aber vermutlich habe Sie sich gar nicht so geehrt gefühlt wie das in dem Gleichnis gemeint ist. Denn einem Sprichwort zufolge sind "die besten Plätze in der Kirche, im Krieg und im Kino hinten".

Warum eigentlich?

Nun, wahrscheinlich auch aus praktischen Gründen. Wer ganz hinten sitzt, ist am Ende des Gottesdienstes schneller zuhause, bei Familie und Kindern oder bei Theissen. Wer ganz hinten sitzt, fühlt sich nicht so beobachtet. Wer ganz hinten sitzt, der kann eher seiner eigenen Frömmigkeit nachgehen und ist nicht so dem direkten Blick des Priesters ausgeliefert.

Alles gute Gründe - und von mir aus dürfen Sie auch gerne - erst einmal - hinten sitzen bleiben.

Aber es gibt auch etwas anderes zu bedenken.

In einer Zeit, in der das ganze Dorf zur Kirche ging, an den Wallfahrten teilnahm, den Anbetungsstunden oder Prozessionen, war es sicher ein Zeichen von Bescheidenheit, sich nicht in den Vordergrund zu drängen. Demut und Einfachheit sind dann gefragt, wenn wir alle den gleichen Weg gehen.

In einer Zeit aber, in der es nicht mehr selbstverständlich ist, einen bestimmten Weg auch konsequent zu gehen, ist vielleicht der Mut inzwischen wichtiger. Der Mut, einfach mal mit gutem Beispiel voranzugehen. Der Mut, der erste zu sein, der sich in eine Liest einträgt. Der Mut, vielleicht der einzige zu sein, der sich für eine Anbetungsstunde einträgt. Der Mut, einer von wenigen zu sein, die zu einem Gottesdienst kommen.

Früher, als alle kamen, war dazu keine Überwindung nötig. Da war die Bescheidenheit, die Demut wivhtiger. Heute schauen viele auf uns - das mag uns peinlich sein, wenn wir bei der Fronleichnamsprozession an Häusern vorbeigehen, in denen die Menschen hinter den Gardinen hervorschauen und uns belächeln. Was gefragt ist, ist die Bereitschaft, zurückzulächeln. Den eigenen Weg mit einer größeren Selbstverständlichkeit zu gehen und sich nicht zu schämen, nicht zu fratgen, was andere denken oder ob sie uns für frömmer halten.

Es wäre ja schon viel geholfen, wenn sie uns überhaupt nur ein wenig für fromm - für gläubig - für gottesfürchtig halten. Geben wir den Menschen Anlass dazu!

Und nicht nur denen, die wir für "ungläubig" halten. Auch denen, die mit uns zum Gottesdienst gehen, mit uns auf Wallfahrt und mit uns zu Anbetung. Wir alle brauchen das gegenseitige Zeugnis des Glaubens: "Du bist nicht allein, ich bin auch dabei. Ich stehe dazu!"

Glauben Sie mir, liebe Schwestern und Brüder: Die größere Demut hat heute der, der mehr Mut zeigt. Amen.

605. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Am letzten Mittwoch war es soweit: unsere Kinder aus dem Ferienlager waren im Fernsehen! "Hallo Niedersachsen" war zu Gast beim Platzwart des Holdorfer Ferienlagers und hat dort den Abbau des Lagers gefilmt. Der Platzwart, so ein richtiger gemütlicher Friese, unterhält den Pfadfinderplatz seit vielen Jahren und freut sich daran, wesentlich dazu beitragen zu können, Kindern und Jugendlichen eine gute Ferienzeit zu ermöglichen; so nach dem Motto von Robert Baden-Powell, dem Gründer der Pfadfinderbewegung: "Jeden Tag eine gute Tat".

Im heutigen Sonntagsevangelium klingt es ganz ähnlich: "Wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es Dir nicht vergelten." Den Anderen Gutes tun, gerade dann, wenn man keinen Lohn dafür erwarten kann.

Anlässlich der Taufe besuche ich immer die jungen Familien zu Hause und spreche es dann auch an, wenn die Paare noch nicht kirchlich verheiratet sind. Immer wieder stellt sich dabei heraus, dass die Einstellung der Eltern zu Gott gar nicht das Hindernis ist, sondern das Fest soll groß gefeiert werden und man möchte alle die einladen, bei denen man selber auch schon eingeladen war, die eine Gegeneinladung erwarten. Da kommen dann so einige Freunde, Nachbarn, Verwandte, Kegelbrüder, Sportsbrüder, Arbeitskollegen, ... zusammen, so dass durch das fehlende Geld für solch eine große Feier dieselbige wohl auf den "Sankt Nimmerleinstag" verschoben wird. Jesus: "Wenn Du ein Essen gibst, so lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich ein, und damit ist dir wieder alles vergolten."

Jesus rät dazu einzuladen, um den anderen zu beschenken, sich daran freuen, dass der andere einen schönen Abend hat, sich satt essen kann. Den anderen eine Freude bereiten, weil man selber so voller Freude ist, weil man geheiratet hat, den Partner fürs Leben gefunden hat oder weil man sich freut, 50 gemeinsame Jahre gelebt zu haben, oder 70 Jahre auf Erden ist und immer noch morgens aus dem Bett kommt. Man ist von Gott reich beschenkt worden und möchte diese Freude weitergeben. Gott hat uns beschenkt, ohne dass wir es ihm auch nur annähernd zurückgeben könnten und so selbstlos sollen auch wir schenken.

Wenn man es einmal probiert hat, merkt man wie schön es ist

606. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, «Wenn Du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein.»
Damit ist unser Verhalten gemeint - nicht nur in den eigenen Kreisen zu verkehren, sondern sich zu öffnen.

Aber haben Sie es schon einmal aus dem Blickwinkel Jesu gesehen, der es uns vormacht? Der uns eingeladen hat, weil wir eben die Armen, Krüppel, Lahme und Blinde sind?

Und die Aussage: «Du wirst selig sein, denn sie können es Dir nicht vergelten» heißt dann soviel wie: Gut machen, uns Gott gegenüber revanchieren, das geht nicht.

Das mag viele ärgern. Sie möchten Gott gegenüber gerne alle Rechnungen bezahlen und frei von seinen Ansprüchen sein.

Aber das ist der Tod einer jeden Liebe - ob im menschlichen Bereich oder Gott gegenüber: Liebe kann man niemals vergelten.

Und darum geht es: Die Liebe. Im eucharistischen Mahl lädt er uns ein, um uns zu bedienen. Er dient uns in göttlicher Demut, nämlich so, dass wir es kaum bemerken, es nicht sehen. Aber der Glaube sagt uns: Es ist der Herr.

Demut ist etwas herrliches, für den, der es schon einmal ausprobiert hat. Sich das Gute nicht anzurechnen, dass man getan hat, sondern alles auf Gott zurückzuführen, ist befreiend. Ganz im Augenblick zu leben, nichts zu tun, um Punkte zu sammeln; auf Gottes Fügung zu vertrauen. Nicht in der Vergangenheit zu wühlen - was war gut, was war schlecht. Vielmehr in dem Bewusstsein den neuen Augenblick anzugehen, dass ich aus mir heraus sowieso nichts leiste, sondern wenn, dann immer nur Gott durch mich.

Demut, Bescheidenheit ist keine Selbstversklavung, sondern Befreiung. Wer auf sich selbst vertraut und sich seine eigenen Leistungen aufrechnet, der muss auch seine Schuld aufrechnen und sich selbst zuschreiben. Für alles bin ich dann verantwortlich und haftbar. Und ein gutes Ergebnis setzt mich unter Erfolgsdruck. Nicht nachlassen, jeder Stillstand ist Rückschritt. «Früher war ich ruhiger, lebendiger, zielstrebiger, energievoller.» Jetzt nicht mehr, o Gott, ich beginne zu Versagen.

Ein Mensch aber, der sich selbst sowieso nichts anrechnet, kann auch nichts verlieren.

Gut - wir brauchen unsere Streicheleinheiten, wir brauchen Zuwendung und Lob. Und wenn es uns versagt wird, dann müssen wir uns manchmal selbst sagen, dass wir etwas gut gemacht haben.

Ein von Gott geliebtes Kind hat das aber nicht nötig. Wer ernst macht mit dem Bewusstsein, dass Gott mich liebt, immer, mit tiefer Sehnsucht mich liebt - der braucht keine selbstgemachten Streicheleinheiten, keine erarbeiteten Zuwendungen und provoziertes Lob.

Demut heißt eben nicht Depression und mangelndes Selbstbewusstsein. Demut heißt, alle Lebensfreude nicht aus meinem Tun, sondern aus der Nähe Gottes zu schöpfen. Und alles Selbstbewusstsein aus der Tatsache, dass ich ein geliebtes Kind Gottes bin - und nicht aus meinen eigenen, oft zweifelhaften Leistungen.

Demut ist etwas herrliches, für den, der es einmal ausprobiert und sich darin übt. Demut ist aber auch etwas herrliches für den, der einem solchen Menschen begegnet. Denken Sie nur daran, wie heute oft Gespräche ablaufen: Ich - Ich - Und ich...

Wer seine Lebensfreude aus der Begegnung mit Gott in dieser Messe erhält, der gewinnt eine Demut, die uns sicherer und fröhlicher macht, als jede andere falsche Bescheidenheit. Amen.

607. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir haben ein kaufmännisches Verhältnis zum Lieben Gott. Wieviel gebe ich - und wieviel bekomme ich dafür? Wo ist es am billigsten? Und wieviel reicht für den Himmel?

Ein guter Kaufmann setzt nicht alles auf eine Karte. Da gilt dann vielleicht: Ein bisschen für ein bisschen.

Ein bisschen Glauben für ein bisschen Himmel, es müssen ja nicht unbedingt die vordersten Plätze sein. Mir reicht auch ein Stehplatz im Himmel. Aber dafür brauch ich dann auch nicht hier auf Erden alles zu geben.

Jesus ist da etwas anderer Meinung: Wenn jemand zu mir gehören möchte, dann muss er bereit sein, alles zu geben. Sogar sein Leben. Wenn's sein muss.

Diese Predigt richtet sich nicht an die Apostel, die ehelos leben sollen, an die zukünftigen Priester und Bischöfe oder so. Es heißt ausdrücklich: Er wandte sich an die vielen Menschen, die ihn begleiteten.

Dabei geht es nicht darum, dass wir alle jetzt auch wirklich alles geben müssen. Aber wir sollten bereit sein dafür. Ein bisschen für ein bisschen geht nicht.
Denn: Glauben erfahren kann nur der, der sich ganz gibt. Schnupperkurse funktionieren nicht.

Ein bisschen Glauben und ein bisschen Verzicht für ein bisschen Himmel ist nicht drin. Da ist Jesus radikal. Ein harter Geschäftsmann.

Aber das ganze Bild verändert sich radikal, wenn wir von unserem kaufmännischen Verhältnis zum lieben Gott absehen und ihn so betrachten, wie Jesus es tut: Als Vater, den wir ganz Vertrauen dürfen.

In der Lesung heißt es, dass Gott einen Plan hat für alle seine Geschöpfe, auch wenn wir ihn nicht erkennen. Daher rührt oft das Leid und die Glaubenszweifel: Dass dort, wo wir Gottes Plan nicht verstehen, er uns grausam oder fern erscheint. Dann sieht es manchmal so aus, als ob wir alles verlieren würden.

Aber dem, der Gott vertraut, nicht rechnet oder kalkuliert, sondern liebt, der wird sich ganz in Gottes Hände geben und er wird wissen, dass nichts, aber auch gar nichts von dem verloren geht, dass Gott uns geschenkt hat.

Wer Gott vertraut, der wird sich seinen Plänen anvertrauen und bereit sein, ihm ganz zu folgen. Aber Gott vertrauen kann nur der, der sich von dem vordergründigen besitzen-wollen und haben-wollen, dem festhalten-wollen befreien kann. Und zwar radikal.

Ein bisschen vertrauen geht nicht.
Ein bisschen lieben geht nicht.
Und auch ein bisschen leben oder ein bisschen sterben geht nicht.

Das weiß jeder, der liebt. Amen.

608. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder! An Gott zu glauben - den Schritt zu machen und sein ganzes Lebensglück an diesen Gott zu hängen - das ist immer auch ein Wagnis. Gott verspricht uns viel, und weil Gott derjenige ist, der nicht trügt und betrügt, wissen wir eigentlich, dass uns nichts passieren kann - im Gegenteil. Aber davor heißt es, auf unsere irdischen Sicherheiten verzichten. Und das ist ein schwieriger Schritt, den viele von uns noch gar nicht wirklich gemacht haben.

Wir haben gerade an den letzten Wochenenden einige Hochzeiten hier gefeiert. Zwei Menschen haben sich einander getraut. Auch sie wissen nicht, was sein wird; ob die Liebe des anderen trägt, wie lange sein 8oder ihr) Wort gilt. Eine Ehe auf Lebenszeit zu schließen, ist immer ein Wagnis. Aber sie trauen einander. Gerade dadurch beweisen sie einander, dass sie sich wirklich lieben: Sie sind bereit, dem anderen zu trauen; weiter zu trauen als alle Überlegungen zuvor reichen. Denn wahre Liebe heißt immer, einen Vertrauensvorschuss zu geben.

Liebe heißt nicht, auszurechnen, sondern vorzuschießen. Und das gilt auch für Gott und unseren Glauben. Ob Gott wirklich das Fundament ist, das trägt, erweist sich immer erst, wenn wir uns trauen. Wenn wir uns trauen, ihn als unsere größte Sicherheit, unsere größte Freude, unser größtes Geschenk in unser Leben einzubeziehen.

So handelt auch Paulus in der Lesung: Ein entflohener Sklave, Onesimus, der Paulus zum geliebten Sohn und Bruder im Herrn geworden ist, wird von ihm dem früheren Besitzer Philemon zurückgeschickt. Paulus befiehlt nicht und bittet nicht, dass Philemon den Sklaven freilässt. Er und Onesimus gehen das Risiko ein und vertrauen. Wir wissen nicht, was passiert ist, aber vermutlich hat gerade dieses Vertrauen auf die Güte des Philemon bewirkt, dass dieser wirklich auch Güte zeigen konnte.

Wahre Liebe gibt sich in die Hände des anderen, traut, glaubt und hofft. Nur - was glaubt und hofft der, der liebt?

Das ist nicht unerheblich! Jesus warnt im heutigen Evangelium eindringlich davor, Glauben als ein blindes Wagnis anzusehen. Ganz im Gegenteil: Wer wirklich vertrauen schenken will, der soll selbstverständlich vorher seinen Verstand einschalten!

Es gibt heute genügend Leute, die lieber der Kraft von Edelsteinen glauben, oder den Horoskopen und Sterndeutern; im Fernsehen wird Nacht für Nacht die Zukunft aus Karten vorhergesagt. Selbstverständlich fühlen sich auch die Menschen, die sich ganz und gar auf dem Aberglauben stützen, scher und gut aufgehoben. Aber ein solcher Glaube ist trügerisch und dumm: Das, worauf diese Menschen bauen, wird nicht halten, was es verspricht. Solche Menschen sind Menschen, die auf Sand bauen.

Aber anstatt den Aberglauben zu pflegen, gibt es auch eine blinden christlichen Glauben: Ein Glaube, der Gott einfach für seine eigenen Ziele einspannt und nicht fragt, wer dieser Gott eigentlich ist.

Wer Gott z.B. als eine Art Kranken- und Leid-Versicherung bucht, wird enttäuscht werden. Wie oft klagen Menschen, dass sie so sehr an Gott glauben und nun doch einen Schicksalsschlag nach dem anderen einstecken müssen. Auch sie haben fest darauf vertraut, dass Gott sie liebt. Aber sie haben nicht wirklich hingeschaut: Gott bewahrt nicht vor Leid; er hat seinen eigenen Sohn nicht davor bewahrt und er hat angekündigt, dass es uns nicht besser gehen wird.

Bauen Sie nicht auf Sand: Denken Sie nach. Wir haben einen Glauben, der uns großes verheißt - ein Gott, der uns nicht fallen lassen wird in alle Ewigkeit. Aber auch ein Gott, der uns auf diesem Weg ein Kreuz anvertraut - oder besser: Der uns am Kreuz Jesu Christi mittragen lässt. Sind Sie dazu bereit? Sind sie bereit, alle anderen vorübergehenden Sicherheiten hintan zu stellen? Sich mit der ganzen Welt anzulegen, um ihren Gott nicht zu verlieren? Und dann - sind Sie bereit, heute damit anzufangen? Amen.

609. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Hat Sie diese Woche jemand geärgert? Haben Sie sich aufgeregt über den Fehler oder die Bosheit eines Anderen? Freuen wir uns, dass wir diesen Menschen verzeihen können. Gott gibt uns dazu an diesem Sonntag das beste Beispiel. Die Barmherzigkeit Gottes bestimmt alle drei Lesungen: im Buch Exodus tanzt das Volk um das goldene Kalb und aufgrund einer Bitte des Mose "ließ sich der Herr das Böse reuen". Im Brief an Timotheus betont Paulus gleich zweimal, dass er vor Gott Erbarmen gefunden hat: (1) obwohl er ihn früher verfolgte, habe er ihn in den Dienst genommen und (2) Christus sei in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten, wobei er - Paulus - der erste Sünder gewesen sei. Und auch in den Beispielen, die Jesus im Evangelium erzählt, wird deutlich, wie weit Gott Vater uns entgegen kommt: er sucht das eine Schaf - auch wenn er übertriebenermaßen die 99 dafür im Stich lässt. Er sucht die eine Drachme und feiert anschließend ein Fest, welches viel mehr kostet, als die Drachme wert ist. Gott sucht uns, auch wenn wir meinen, dass wir dessen nicht wert sind wie die Drachme, wenn wir es nicht verdient haben wie die tanzenden Israeliten, wenn unsere Sünden so groß sind, wie die Christenverfolgungen des Paulus.

Gott sucht uns, das wird auch wunderbar deutlich an dem Beispiel des verlorenen Sohnes oder besser barmherzigen Vaters, wunderbar dargestellt auf dem Gemälde von Rembrand - (ich habe es auf der Titelseite der Pfarrnachrichten abdrucken lassen - ausnahmsweise ist es dieses Mal gewünscht, wenn Sie sich diese während der Predigt zur Hand nehmen) - der Vater strahlt eine grenzenlose Güte aus. Die Sehnsucht nach dem Sohn ist ihm förmlich anzusehen, die umstehenden verstehen die Barmherzigkeit nicht - sind distanziert, erst recht der Bruder des Verlorenen - er ist nur im Halbdunkel im Hintergrund zu sehen, er kann diese Barmherzigkeit nicht teilen. Im Evangelium haben wir gehört, wie der Vater auch auf ihn zugeht - auf den Gerechten, der immer bei Gott geblieben ist. Der Vater gewinnt auch ihn für die Barmherzigkeit - lässt ihn teilhaben an seiner Freude.

Gott schenkt uns seine Barmherzigkeit - und wir? Können wir diese Liebe annehmen, wie der Sohn? Können wir auf Gott zugehen und zugeben, dass wir was falsch gemacht haben, oder tanzen wir lieber weiter um das Goldene Kalb? Können wir dem Anderen vergeben, wie der Vater es mit uns gemacht hat. Gott hat uns all unsere Sünden vergeben, können wir den Geschwistern, den Eltern, Kindern deren eine große Sünde vergeben? Oder stehen wir wie der Sohn im Hintergrund und verstehen nicht, wie Gott auch den größten Ehebrechern verzeihen kann und fühlen uns um unsere Verdienste und unserer Frömmigkeit betrogen?

Gott ist barmherzig - über jede Gerechtigkeit hinaus - folgen wir ihm nach - dann können auch wir diese tiefe Freude empfinden, die der Vater in dieser Geschichte erfährt - sein Sohn lebt wieder - etwas schöneres kann es für den Vater nicht geben. Wenn wir dem anderen deren Schuld verzeihen machen wir unser Herz frei. Gott freut sich wie die Frau über die verlorene Drachme, wir können uns freuen wie der Hirte, wenn das Schaf wieder da ist, auch wenn wir nicht Schuld daran sind, dass es sich verlaufen hat. Freuen wir uns, dass wir dem Anderen verzeihen können.

610. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

"Was nix kostet, ist auch nix" - ein Grundsatz, der sich vor allem in der Erziehung bewährt, der aber auch unseren Alltag prägt: Wenn sie sich einen Pullover kaufen - oder eine Jacke oder etwas ähnliches - dann sind sie davon überzeugt, dass die Qualität vom Preis abhängt - je teurer, desto besser. Und Was nix kostet, ist auch nix.

Dieser Grundsatz könnte auch die Überschrift über das heutige Evangelium sein. Der Wert, den das eine Schaf für den Hirten hat - oder die eine Drachme - steigt, weil er sich dafür verausgabt habe. Weil es etwas gekostet hat, das Verlorene wieder zu finden.
Das eine Schaf mag überhaupt nicht besser sein als die 99 anderen; wahrscheinlich ist es sogar etwas dümmer oder störrischer, sonst wäre es ja nicht verloren gegangen. Aber weil ich mich für dieses eine Schaf einsetze, wird es mir wertvoll.

Liebe Schwestern und Brüder, auch wir sind Gott wertvoll, nicht, weil wir so pflegeleicht wären, sondern weil wir ihm etwas kosten - das Leben seines Sohnes. Das gibt er für uns hin, weil wir als Menschen insgesamt Gott aus den Augen verloren haben. Weil wir uns verirrt haben. Und - weil ich das heute noch genauso immer wieder tue.
All unsere persönlichen Schwächen können uns peinlich sein. Wir können leugnen wollen, dass wir uns verirrt haben. Wir können darauf bestehen, dass wir keine Schafe sind und genau wissen, was wir tun. Und dazu stehen.

Vor Gott aber steigern unsere Schwächen und Fehler seine Beziehung zu uns. Ich bin ihm wertvoll, weil er sich für mich verausgabt hat. Weil ich persönlich Gott schon soviel gekostet habe, bin ich ihm auch so wertvoll.

Das leugnen, unsere Fehlerfreiheit betonen, das beraubt uns nicht nur dieser Wertschätzung Gottes, es kappt auch jede Verbindung zu ihm.

Stellen sie sich vor, sie sehen jemand beim Ertrinken, stürzen sich selber in die Fluten und retten unter großer Mühe den Fremden, um dann anstelle von Dankesworten zu hören: Das hätte ich auch alleine geschafft. Was soll man da sagen? Eine solche Reaktion kappt jede Verbindung, die durch den Einsatz so intensiv hätte werden können.

Manchmal bin ich genauso wie dieser Gerettete: Ich will nicht wahrhaben, dass ich Gott brauche. Ich will nicht wahrhaben, dass ich seine Verzeihung brauche. Ich bestreite, dass Jesus für mich gestorben ist.

Aber ich spüre dann auch, dass ich mir selbst damit auch meinen Retter und Erlöser beiseite schaffe, ihn ablege. Und dass ich dadurch Gott noch mehr aus den Augen verliere.

Schuld, Sünde, Fehler und Schwächen sind nichts Schönes. Sie sind aber die menschlichen Eigenschaften, die uns immer wieder zu Gott zurückführen. Die uns daran erinnern, wie wertvoll wir für Gott sind.

Denn was nichts kostet, das ist auch nichts.

611. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Liebe Schwestern und Brüder, das Gleichnis, das Jesus da gerade erzählt hat, klingt zunächst ein bisschen seltsam: Da lobt Jesus einen Verwalter, der erst faul ist, und anschließend betrügerisch. Mit dem Eigentum seines Chefs geht er großzügig um, und sichert sich so die Sympathien der Menschen. Dann ist er, wenn er gefeuert worden ist, zumindest bei den ehemaligen Schuldnern seines Herrn gern gesehen.
Jesus lobt den unehrlichen Verwalter aber nicht, weil er so toll betrügen kann; die Klugheit des Verwalters liegt eher darin, dass er das Geld und den Besitz benutzt. Der unehrliche Verwalter hat erkannt, dass es keinen Sinn macht, das Geld selbst auf die Seite zu schaffen. Das ist irgendwann aufgebraucht. Sondern er setzt seine Stellung ein, um sich etwas wertvolleres zu erwerben: Freunde.

Abgesehen davon, dass die Art und Weise, wie der Verwalter sich die Freunde verschafft, schlicht betrügerisch ist: Die Grundhaltung, die Klugheit des Verwalters, ist nicht schlecht: Nicht Geld horten, Besitz sammeln und sich im Ruhm sonnen ist beruhigend. Sondern alles was wir haben, wird für ein höheres Ziel einzusetzen.

Das ist nämlich etwas, das wir oft vergessen: Alles was wir haben, dient uns als Mittel, um in dieser Welt die jenseitige Welt zu gewinnen.

Aber das fängt nicht erst an, wenn mal Geld übrig bleibt und wir fragen, was wir damit nun tun sollen. Die Klugheit beginnt bereits dort, wo wir fragen, ob wir dieses Geld überhaupt verdienen wollen - oder nicht unsere Zeit, unsere Arbeitskraft, unsere Geduld und Intelligenz usw. überhaupt in den Dienst des Geldes stecken sollen - oder ob es nicht lohnendere Ziele gibt.

Natürlich - das weiß ich auch - brauchen wir Geld zum überleben. Deshalb benutzt Jesus ja auch immer wieder Beispiele aus dem Arbeitsleben - er findet arbeiten nicht grundsätzlich schlecht. Auch Paulus betont, dass er immer nebenbei gearbeitet - als Netzmacher - und sich so seinen Unterhalt verdient hat.
Aber darüber hinaus stellt sich schon die Frage, ob wir tatsächlich noch mehr Geld brauchen - denn besseren Job annehmen müssen, die nächste Beförderung anstreben wollen, die Arbeit nebenbei auch noch mitmachen.

Es wirkt schon seltsam, wenn in unserem Land immer mehr Ehepaare immer weniger Kinder haben möchte - aus wirtschaftlichen Gründen. Aus wirtschaftlichen Gründen? Ging es uns denn in den 50-er und 60-er Jahren soviel besser? Geht es denn den Menschen in den Bevölkerungsreichen Ländern, in Afrika und Südamerika, soviel besser als uns, dass sie es sich leisten können, zwei- oder dreimal soviel Kinder großzuziehen als wir?

Wofür arbeiten wir eigentlich? Für unser Gehaltskonto, unsere Rente, unseren Urlaub oder die nächste Anschaffung?

Liebe Schwestern und Brüder, wahrscheinlich wird jeder, den wir fragen, sagen, dass er arbeitet, um schließlich und letztlich ein glückliches und sicheres Leben zu führen. Aber der Weg dorthin - zum Glück - wird verschieden gesehen: Für die einen ist es ein Glück, sich selbst immer mehr zu gönnen.

Die anderen aber haben die Klugheit des Verwalters: Glück finden wir nur in den Menschen, denen wir zum Glück geholfen haben. Erfüllung finden wir nur dort, wo wir erfüllt haben. Seligkeit erfahren wir nur dort, wo wir selig gemacht haben.

Nicht alle von ihnen können an der Kinderarmut unsere Gesellschaft persönlich noch etwas ändern. Aber wir alle können an der Einstellung, die dazu geführt hat, etwas ändern: Arbeiten Sie noch - oder leben Sie schon?

612. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Jeden Tag flattert bei mir eine Unmenge an Werbesendung durch den Briefschlitz. Von Büchersendung über Kirchenbedarf, Friedhofsgeräte und Baumarktprospekten bis zu Angeboten von Winzern und Weinbauern (die sind dann aber meistens an meinen Vorgänger adressiert). Heute habe ich einen Kalender zugeschickt bekommen - schon wieder eine Werbesendung - der für jede Woche zwei Seiten bietet. Als ich dahinein schaute, fiel mir auf, dass vor dem ersten Tag ein großer Platz zur Verfügung steht, mit der Überschrift: Prioritäten.

Interessant. Offensichtlich erwartet der Kalender von mir, dass ich mir vor Beginn einer jeden Woche überlege, was für Prioritäten ich setzen soll. Was ist mir diese Woche besonders wichtig?

Ja, da bin ich ins Grübeln gekommen. Was ist mir eigentlich kommende Woche besonders wichtig? Naja: Eigentlich wollte ich schon immer mal meinen Schreibtisch ganz abgeräumt haben. Und mein Auto muss auch dringend mal gewaschen werden. Aber vielleicht sind das noch keine Prioritäten, die ich für eine ganze Woche setzen sollte; denn das lässt sich ja schnell erledigen. Wenn man erst einmal damit anfängt...

Vielleicht sind mit Prioritäten aber Grundsätze gemeint, die vor all den vielen anderen Dingen Vorrang haben sollen, die sonst so in einer Woche zu tun sind. Vor allem dann, wenn demnächst ein Termin ins Haus steht. Dann kommt man ja erfahrungsgemäß erst richtig in die Gänge.

Dem Verwalter im heutigen Evangelium ist es so ähnlich gegangen. Erst, als der Herr ihm mit der Kündigung droht, wird er rege. Er beginnt, Gutes zu tun, weil er weiß, dass demnächst ein anderes Leben beginnen wird.

Er macht das zwar nicht gerade auf vorbildhafte Weise - man kann das auch Betrug nennen - aber zumindest ist er nicht dumm. Er setzt eindeutige Prioritäten.

«Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es mit Euch zu Ende geht.» heißt dann auch die Moral.

Und damit weist Jesus uns auf unseren Termin hin: Der Zeitpunkt, an dem es gilt, diese Welt zu verlassen. Was tun wir heute schon für die nächste Welt? Welche Prioritäten setzen wir? Heute? Für die kommende Woche? in unserem Leben?

Vielleicht versuchen wir, noch Gottgefällig zu leben - und gleichzeitig möglichst viel Spaß am Leben zu bekommen. So eine Art Gratwanderung. Ein bisschen Gott und ein bisschen Vergnügen. Jesus, der uns wohl sehr gut kennt, meint allerdings dazu: «Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.» Wir müssen wohl doch Prioritäten setzen, uns entscheiden (ein der schwersten Übungen heutzutage: Entscheidungen treffen).

Nur allzu gerne sind wir dann aber doch wie der Verwalter: Wir stehen im Dienst Gottes, verschleudern aber seine Gaben. Seien wir ruhig ehrlich.

Jesus erinnert uns nun aber an unseren Termin, an dem unser Leben zu Ende geht. Er sagt zwar nicht, wann das sein wird. Aber er lässt sich nicht verdrängen, dieser letzte Termin in unserem Leben. Und auch, wenn wir ihn gerne weit wegschieben: Er ist uns oft näher, als wir wahrhaben wollen.

Können wir uns den klugen Verwalter zum Vorbild nehmen? Jetzt schon Geld, Besitz und Luxus gering achten, um für den Zeitpunkt nach unserer Kündigung gerüstet zu sein?

Welche Prioritäten tragen sie in ihrem Wochenblatt ein?

613. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, in der Zeitung stand letztens, dass Jack Nicholson, der berühmte Hollywoodschauspieler, auf einer seiner letzten Feiern haufenweise Dollarscheine verbrannt hat. "Ich habe soviel Geld, das kann ich niemals alles ausgeben", war sein Kommentar. Hätte Jack Nicholson in die Bibel geschaut, wäre ihm vielleicht aufgegangen, was seine Aufgabe ist: Mit dem, was er hat, Gutes tun; helfen und heilen; Not lindern und Menschen zu Gott zu führen. Einfach nur Geld haben ist irgendwann langweilig.

Denn das Gleichnis, das Jesus da gerade erzählt hat, kann man nur so verstehen. Zunächst klingt es ein bisschen seltsam: Da lobt Jesus einen Verwalter, der erst faul ist, und anschließend betrügerisch. Mit dem Eigentum seines Chefs geht er großzügig um, und sichert sich so die Sympathien der Menschen. Dann ist er, wenn er gefeuert worden ist, zumindest bei den ehemaligen Schuldnern seines Herrn gern gesehen.
Jesus lobt den unehrlichen Verwalter aber nicht, weil er so toll betrügen kann; die Klugheit des Verwalters liegt eher darin, das er das Geld und den Besitz benutzt. Der unehrliche Verwalter hat erkannt, dass es keinen Sinn macht, sich Geld auf die Seite zu schaffen. Das ist irgendwann aufgebraucht. Sondern er setzt seine Stellung ein, um sich etwas wertvolleres zu erwerben: Freunde.

Zugegeben: Gekaufte Freunde sind keine sonderlich zuverlässige. Das wird jeder erfahren, auch der Verwalter; und Jack Nicholson hat wahrscheinlich schon genügend Freunde (hoffentlich gute), dass er keine mehr kaufen braucht.

Aber die Grundhaltung, die Klugheit des Verwalters, ist schon einmal nicht schlecht: Nicht Geld horten, Besitz sammeln und sich im Ruhm sonnen ist beruhigend. Sondern alles was wir haben für ein höheres Ziel einzusetzen.

Das ist nämlich etwas, das wir oft vergessen: Alles was wir haben, dient uns als Mittel, um in dieser Welt die jenseitige Welt zu gewinnen.

Dabei fordert Jesus keinen Mindesteinsatz; wir müssen also nicht erst einen Haufen Geld zusammenhaben, um mit dem Gutsein beginnen zu können. Jede Mark, die wir verdienen, ist eine Gnade, wenn wir sie jemandem schenken, der sie nötiger braucht als wir. Jack Nicholson hätte sich die Frage schon viel früher stellen sollen.

Alles, was wir besitzen, können wir in Münzen für die Ewigkeit umwandeln, wenn wir nicht darauf sitzen bleiben wollen. Denn gestapeltes Geld, ob in Form von Kontoauszügen oder Stereoanlagen, schadet letztlich nicht nur denen, die es hätten auch gut gebrauchen können, sondern vor allem uns: Wir verlieren den Blick für das wirklich Notwendige; unsere Schätze im Himmel. Irgendwann glauben wir, dass es nichts wichtigeres gibt als unser Haus. Unser Vorgarten. Das Auto. Den nächsten Urlaub. Irgendwann arbeiten wir nur noch für Dinge mit begrenztem Haltbarkeitsdatum.

Liebe Schwestern und Brüder, das Gleichnis und die Predigt Jesu ist kein Spendenaufruf. Es geht nicht darum, jetzt etwas abzugeben. Vielleicht ist es ja sinnvoll, den gutbezahlten Nebenjob doch nicht anzunehmen, dafür aber mehr Zeit für die Familie zu haben. Oder Zeit und Geld in ehrenamtliche Arbeit zu investieren. Weniger zu schuften, dafür mehr zu leben. Bei der Berufswahl den schöneren Beruf zu wählen - und nicht den besser bezahlten. Lieber die Mietwohnung zu nehmen, als im Eigenheim mit Schulden. Lieber eine Hochzeitsfeier in bescheidener Gemütlichkeit, als eine Show, bei der man sich noch die nächsten zehn Jahre bei jedem Kontoauszug dran erinnert. Und so weiter.

Jesus möchte, dass wir erkennen, dass wir nicht zwei Ziele gleichzeitig verfolgen können: Hier ein Leben im Wohlstand und dort ein Leben bei Gott. Entweder das eine oder das andere wird zum Hauptlebensinhalt.

Egal, ob die alte DM, der jetzige Euro oder der Dollar: Die himmlische Währung steht höher im Kurs. Amen.

614. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

an Erntedank sagen wir "Danke" für die Gaben der Natur. Hier vorne haben wir sie aufgebaut - und es fällt uns leicht, in Gedanken viele andere Annehmlichkeiten aufzurufen, die uns unser Leben angenehmer machen lassen: Vom Auto über die Heizung, den Herd zuhause und den Brotkorb (Supermarkt) um die Ecke.

Aber ein wenig schwerer fällt es uns schon, das alles mit Gott in Verbindung zu bringen. Aber mit ein wenig Nachdenken gelingt auch das: Was hätte alles passieren können? Wer hätte alles krank werden können? Was können wir dankbar sein, dass wir nicht in den Gegenden der Welt leben, in denen Hunger, Krankheiten, Gewalt und Krieg zur Tagesordnung gehören? Ja, mit einem bisschen Nachdenken haben wir guten Grund, auch Gott dankbar zu sein.

Aber noch etwas schwerer fällt es den Menschen, aus der Grundhaltung der Dankbarkeit auch zum konkreten Danken zu kommen.

Aber wir tun uns sowieso schwer damit, aus einer Einsicht auch zum Handeln zu kommen. Oft haben wir nach einer hitzigen Diskussion ein schlechtes Gewissen. Aber nochmal anrufen und um Entschuldigung zu bitten? Muss doch nicht sein.
Und wenn wir zuhause feststellen, dass der Wirt uns zu viel Wechselgeld gegeben hat - wer fährt denn dann nochmal los, um es ihm zurückzugeben? Umgekehrt - wenn wir zu wenig bekommen haben - ist es schon leichter.
Wie sehr freuen wir uns darüber, wenn ein Polizist uns erwischt - weil wir zum Beispiel nicht angeschnallt waren oder zu schnell gefahren sind - und es dann nochmal mit einer Ermahnung bewenden lässt! Aber wer würde der Polizeiwache deshalb einen Dankesbrief schreiben?
Bei www.spick-mich.de können Schüler ihre Lehrer bewerten. Manche Lehrer werden sogar mit guten Noten bedacht. Aber dem Lehrer einmal selbst zu danken? Muss doch nicht sein.

Liebe Schwestern und Brüder, wir haben in unserer Gemeinde mit der Firmvorbereitung begonnen. Zu den Pflichten der Firmlinge gehört es auch, bis zur Firmung jeden Sonntag an den Gottesdiensten der Gemeinde teilzunehmen. Nur fragen sich vermutlich schon einige der Jugendlichen, warum sie hier sind. Und vielleicht können auch die Eltern ihnen darauf nicht sofort eine Antwort geben.

Dabei ist die Antwort ziemlich einfach: Weil wir danken wollen! Nicht nur, weil wir dankbar sind, sondern weil wir es auch zeigen wollen. Weil wir dankbar dafür sind, dass wir Eltern haben, Kinder, die gesund sind, Freunde, die zu uns halten. Weil wir leben können - und lieben! Ja, weil es sogar eine ziemlich große Anzahl von Menschen gibt, die uns mögen. Und das ganz ohne Hintergedanken. Weil wir Gott einfach unendlich dankbar sind, dass er Gott ist und uns trotzdem liebt.

Wir sind hier, weil wir das Gleichnis im Evangelium verstanden haben: Nicht nur wissen. Sondern auch tun! Sich aufmachen. Gott antworten. Und sich einfach freuen, dass wir da sein dürfen.

Manchmal wünschen wir uns lebendigere Gottesdienste; schönere Lieder und freudigere Gebete. Liebe Gemeinde: Das wünsche ich mir auch. Aber im Grunde ist jeder Gottesdienst ein Wunder, ein Geschenk und der Höhepunkt einer Woche - auch dann, wenn daran noch vieles verbesserungsfähig ist. Allein deshalb, weil ich endlich tue, was ich sonst nur weiß. Weil ich nicht nur Glaube, sondern auch bete. Weil Gott nicht nur lieb ist - sondern hier auch liebevoll handelt.

Amen.

615. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Jeder Mensch, der glaubt, glaubt auf seine Weise. Jedes Kind, jeder Mann und jede Frau hat seine eigene Art und Weise, zu glauben, den Glauben zu leben und mit ihm durchs Leben zu gehen. Trotz aller Unterschiedlichkeit dürfte aber eins uns allen gemeinsam sein: Dass das Glauben oft Schwierigkeiten macht.

In diesem Punkt treffen wir uns mit den großen Heiligen und den kleinen Sündern, den großen Gestalten unseres Glaubens und den kleinen Kindern: Der Glaube; das Bemühen, zu glauben, zehrt an unseren Kräften. Glaubensschwierigkeiten, Zweifel oder das Gefühl, den Roten Faden verloren zu haben, kommen immer wieder. Wer meint, Gott und die Welt im Döschen zu haben, läuft Gefahr, am Wesen des Glaubens vorbeizugehen.

Und denen, die darunter leiden, den Roten Faden im Glauben verloren zu haben, kommt manchmal der Gedanke: «Wenn Gott will, dass ich glaube, wenn ihm etwas an meinem Glauben liegt, dann soll er mir doch auch mal unter die Arme greifen.» Ein Glaube an Gott nämlich, der immer nur durch die Kirche vermittelt wird, durch Menschen, die alle ihre Fehler haben, fällt selbstverständlich schwer. Wonach sich viele Menschen sehnen, ist die Unmittelbarkeit: Gott selbst zu erfahren, um dann - fast wie von selbst - glauben zu können.

Aber Gott zeigt sich nicht im blendenden Licht, unmittelbar - wahrscheinlich könnten wir es gar nicht ertragen. Genauso wenig, wie wir nicht direkt in die Sonne schauen können. Aber Er zeigt sich uns in jedem Augenblick - für den, der hinter die Dinge schaut. Er verbirgt sich, nicht um sich zu verstecken, sondern um sich von uns finden zu lassen.

Auch das ist eine Aussage des Evangeliums vom armen Lazarus in Abrahams Schoß, mit dem sich Jesus an die reichen Pharisäer seiner Zeit richtet - aber auch an den Teil in uns, der sich den Glauben zu bequem machen will: «Ihr habt die Propheten, ihr habt Mose», hört auf sie. Wartet nicht darauf, dass Gott extra für euch, die ihr vielleicht gar nicht glauben wollt, Wunder nach Wunder vollbringt. Ihr würdet sowieso nicht glauben, selbst wenn es eine Auferstehung geben würde. Glauben tut letztlich nur der, der sich darum bemüht, der glauben will.

Vielleicht zeigt uns das heutige Erntedankfest, wo wir stehen. Wer verlernt hat, hinter die Dinge zu schauen; wer in dem, was uns umgibt, nicht mehr das liebevoll Wirken Gottes sieht, der fragt sich wahrscheinlich auch, warum es noch so ein Fest gibt wie Erntedank. Wer im Wachsen der Früchte nur das Wirken von Naturgesetzen, von Biologie und Chemie, sieht, der braucht auch nicht zu Danken. Wer in seinem ganzen Hab und Gut nur die Produktion von perfekten Fabriken und das Ergebnis seiner eigenen Hände Arbeit sieht, der braucht nicht zu danken - allerhöchsten vielleicht unserer Wirtschaft.

Wer aber genug Phantasie, genug Wille zum Glauben hat, wer Gott sucht auch in den kleinsten Selbstverständlichkeiten unseres Lebens, der kann gar nicht mehr aufhören, Gott zu danken und zu loben. Dann kann schon der leckere Kaffee am Morgen oder das warme Wasser der Dusche ein Liebesbeweis Gottes sein. Wer danken will, der braucht gar nicht mehr nach Gründen zu suchen, zu danken. Wer danken will, braucht nur auf die kleine Auswahl der Gaben zu schauen, die hier am Altar liegt, um vor Dankbarkeit stumm zu werden.

Wer glauben will, der braucht nicht nach Gottes Spuren zu suchen. Wer wirklich glauben will, der findet Gott auf Schritt und Tritt, in jedem Lachen eines Kindes und in jedem Zuspruch, den ein Mensch gibt. Denn letztlich sind nicht wir es, die Gott suchen. Letztlich ist es Gott, der uns ständig sucht, ohne Unterlass. Wir müssen uns nur finden lassen. Amen.

616. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

immer wieder, wenn Jesus ein Wunder vollbracht hat, sagt er zum Geheilten: "Dein Glaube hat Dir geholfen." - Und als Jesus bei seiner Familie und den Nachbarn in Nazareth - zuhause - zu Besuch war, heißt es dort: Und er konnte keine Wunder tun, denn sie glaubten nicht.

Da drängt sich dann doch der Verdacht auf, Jesus selbst habe gar keine Wunder getan. Man könnte vermuten, dass nur der Glaube der Menschen als dies bewirkt hat. So sagen einige, dass Jesus mit Seiner Ausstrahlung und seinem Gottvertrauen die Menschen zu beeindruckt hat, dass Lebensmut, Lebenswille zurückkehrten und sie mit solcher Macht gesund werden wollten, dass ihre aktivierten Selbstheilkräfte ein Wunder bewirkten.

Nicht umsonst wird oft genug berichtet, dass an sich wirkungslose Medikamente (z.B. in der Homöopathie) erstaunliche Erfolge erzielen - weil die Menschen, die sie anwenden, davon überzeugt sind, dass sie wirken.

"Jesus, der die Selbstheilkräfte des Menschen aktiviert" - das ist aber eigentlich kein so schlechter Gedanke. Natürlich passt er nicht allein: Viele Heilungen sind so außerordentlich, dass sie nicht allein durch die Selbstheilkräfte des Menschen erklärt werden können. Schon gar nicht kann ein Lazarus, der bereits tot im Grab liegt, durch den sogenannten Placebo-Effekt wieder zum Leben erweckt werden.

Aber so ganz von der Hand zu weisen ist dieser Gedanke nicht. Es ist eben nicht im Sinne Gottes, dass der Mensch die Hände in den Schoß legt und darauf zu hofft, dass Gott ein Wunder bewirkt. Gott könnte natürlich alles Leid in der Welt wegnehmen - aber eben nicht das Leid, das wir selbst verursachen, das wir im Inneren tragen. Deshalb zielt Gottes Wirken nicht darauf, einfach wieder das Paradies herzustellen (was will Gott mit einem Paradies, wenn kein Mensch drin ist?); sondern Gottes will nichts anderes als einen paradiesischen Menschen.

Und deshalb muss der Mensch sich ändern. Hier - im Innersten des Menschen - muss das Wunder geschehen. Und das geht nur, wenn wir mitmachen. Wir selbst müssen uns wandeln, sonst nutzt alle Verwandlung der Welt nichts.

Und deshalb zielen tatsächlich alle Wunder, die Jesus vollbringt, auf den Lebenswillen des Menschen - auf seine Bereitschaft, Heil zu empfangen. Mitzuwirken, wenn Gott wirkt. Wenn der Mensch nicht Leben will, kann auch Gott kein Wunder tun. Wenn Gott aber in uns den freien, gewollten Glauben anregt, wachsen lässt und stärkt, dann ist alles möglich.

"Wenn Euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn!" Wenn wir nur ansatzweise sagen: "Gott, ich möchte wohl glauben", dann kann Gott wirken. Dann hat er einen Ansatzpunkt. Mag dieser Glaube, dieses "Ja" zu Gott nur ganz, ganz klein sein (wie ein Senfkorn) - das ist egal.
Wenn wir aber - wie die Menschen in Nazareth und viele andere bis auf den heutigen Tag - Gott nicht trauen und ihn nicht machen lassen wollen, nicht einmal ansatzweise, dann kann auch nichts wachsen. Und dann geschehen auch keine Wunder.

Vor kurzem hat mir jemand, der sich frisch zu Gott bekehrt hat, gesagt: "Ich habe soviel Freude an Gott, dem Gebet und den Gottesdiensten - ich habe Angst, dass ich irgendwann auch so ein weltfremder Christ werde, ein Langeweiler, ein Betbruder. Ich glaube, ich will das nicht." Und schwupp - war die Glaubenskrise da. Das Senfkorn wurde wieder zurückgegeben. Ein kleines bisschen Glauben - dass dann dazu führt, von anderen belächelt zu werden? Nein danke. Zurück an den Absender.
Nein zu sagen - das geht schnell.

Liebe Schwestern und Brüder, an Gott zu glauben dass heißt, ihm den kleinen Finger zu reichen und zu wissen, dass er dann die ganze Hand nimmt - noch mehr, uns vollständig, ganz. Lassen wir uns darauf ein? Dann wird unser Glaube Berge versetzen. Amen.

617. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Trotz der Aussage im heutigen Evangelium fürchte ich, dass es für uns schwierig wäre, allein durch unseren Glauben Maulbeerbäume zu bewegen. Nicht allein deshalb, weil es hier so selten Maulbeerbäume gibt.

Tatsächlich soll man der Kraft, die wir aus dem Glauben empfangen, einiges zutrauen. Wer einen festen Glauben hat, wer selbst fest im Glauben verwurzelt ist, der ist zu Dingen in der Lage, die Ungläubige in Erstaunen versetzen. Wieviel Leid ein Mensch ertragen kann, der seine Hoffnung im Glauben begründet sieht! Wieviel Freude und innere Ruhe in der Hektik des Alltags der Glaube spendet, wenn er nur tief genug ist! Dass es sich bei dem Versetzen von Maulbeerbäumen um ein Bild handelt, dürfte wohl klar sein. Wer aber glaubende Menschen erlebt, weiß, dass die Realität nicht allzu weit davon entfernt ist. Die Wunder des Glaubens geschehen auch heute noch.

Aber darüber dürfen wir nicht vergessen, woher denn der Glaube kommt. Der Glaube ist nämlich keine Leistung, die wir vollbringen; der Glaube ist keine menschliche Anstrengung, die aus sich heraus wirkt. Man kann sich nicht hinsetzen und ganz angestrengt glauben, um dann Maulbeerbäume oder sogar Berge zu versetzen.

Glaube ist ja doch nichts anderes als die Hingabe an Gott. Nicht, wer ganz intensiv die katholischen Glaubensgrundsätze für wahr hält, erhält die Glaubenskraft; sondern der, der ganz offen und freudig auf Gott vertraut. Glaube ist Beziehung, Beziehung zu Gott; ja, Glaube ist die Liebe, die wir für Gott empfinden. Sogar Paulus, der Verfechter der reinen Glaubenslehre sagt: «Hätte ich die Glaubenskraft, die Berge versetzen könnte, aber die Liebe nicht, so nützte es mir nichts».

Denn nicht der Glaube allein versetzt Berge, nicht das Fürwahrhalten von Glaubenssätzen spendet uns Kraft. Vielmehr ist die Kraft, die wir bekommen, immer das Wirken unseres Gottes, der uns liebt und der uns so sehr beschenkt, dass wir Ihn lieben können. Nicht der Glaube wirkt Wunder, sondern Gott ist es, der Wunderbares vollbringt. Im Glauben allerdings schlagen wir uns auf die Seite dieses liebenswerten Gottes, um dann mit ihm Berge zu versetzen - oder Maulbeerbäume oder auch nur ein paar Sträucher.

Vergessen wir nie, wenn wir über den Glauben sprechen, von ihm reden oder mit ihm Schwierigkeiten haben: Glaube ist Beziehung, ist die Liebe zu Gott und Seine Liebe zu uns. All das Gute, das uns der Glaube schenkt, entsteht aus unserer Zusammenarbeit mit dem guten Gott.

Deswegen weist Jesus auch im zweiten Teil des Evangeliums darauf hin, dass wir uns auf die großen Dinge, zu denen wir durch den Glauben in der Lage sind, nichts einbilden dürfen. Ob wir uns nun als unnütze Sklaven bezeichnen sollten, mag vielleicht etwas übertrieben klingen. Was aber damit gesagt werden soll, trifft durchaus zu: Unser Glaube, und mag er noch so groß sein, ist ein Geschenk. Kein Verdienst.

Wer weiß, warum es im Münsterland so wenig Maulbeerbäume und so wenig Berge gibt. Vielleicht sind sie alle durch den starken Glauben der Münsterländer irgendwo anders hinversetzt worden. Aber wie dem auch sei: Ein noch so großer Glaube ist ohne die Liebe und die eigene Bescheidenheit für unser Heil wirkungslos. Gehen wir also zur Sicherheit einmal davon aus, dass die Maulbeerbäume und Berge in unserem Münsterland aus anderen Gründen so selten sind. Amen.

618. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

vorgestern habe ich eine eMail erhalten, von die ich Ihnen am liebsten heute vorgelesen hätte. Ich tue es nicht, weil solchen eMails Vertrauensschutz zugesagt ist, aber ich möchte Ihnen dennoch kurz den Inhalt mitteilen:

Mit schreibt ein Unternehmer, der bis vor kurzen Chef einer Firma war, die er dann jedoch verkaufen musste. In all den Jahren hat er keinen Urlaub gemacht, sich selbst unterbezahlt, nie jemanden entlassen (auch dann, wenn er bestohlen, belogen und betrogen wurde). Jedem hat er eine neue Chance gewährt, wenn die Arbeiter nur versprachen, dass es nicht wieder vorkommen würde. Er hat immer nur schwer vermittelbare Arbeitssuchende eingestellt - und am Schluss die Firma für einen Euro verkaufen müssen. Mit einer Insolvenz wäre er besser weg gekommen - aber um die Arbeitsplätze zu sichern, hat er verkauft. Der einzige, der dann gehen musste, war er selbst.
Keiner der Angestellten hat sich bedankt. Keiner sich erkenntlich gezeigt. Im Gegenteil: Als Dank dafür verklagen ihn nun einige der ehemalige Mitarbeiter; auch der, der ihn bestohlen hat; auch der, der gegen alle Widerstände eingestellt wurde.

Am Ende schreibt der Unternehmer: »Damit kann ich umgehen. Im Gegenteil, es hat meinen Glauben gestärkt, weil ich, wie ich schon erwähnte, das Leben für eine Prüfung halte, die es zu bestehen gilt. Aber den Glauben an das Gute im Menschen habe ich endgültig verloren. Ich werde weiterhin versuchen, ein "gottgefälliges" Leben zu führen, aber man verschone mich mit neuen Freundschaften.«

Liebe Schwestern und Brüder - "Dank" ist eben keine reine Höflichkeit; es ist nicht nur etwas, das die Etikette und der Knigge erwartet. Dank ist etwas Lebenswichtiges; etwas, das uns nicht nur Mut zum Weiterleben gibt, sondern auch Mut, weiterhin gut zu sein.

Wir sind hier auf Erden, um im Guten zu reifen. Das gelingt uns ohne Probleme, wenn wir unser ganzes Denken darauf richten, alle anderen Menschen darin zu bestärken, Gutes zu tun. Und das beste Mittel, das Gute im Menschen zu fördern ist der Dank.

Wer dankt, ermutigt; wer dankt, lobt indirekt und gibt neue Energien. Wer dankt, der anerkennt das, was der andere versucht hat.

Vielleicht ist der Unternehmer, der mir geschrieben hat, ein Ekelpaket gewesen. Vielleicht war er stur oder unnahbar. Mag sein, das weiß ich nicht. Aber mit Sicherheit wird er es jetzt werden.

Wir können verhindern, dass Menschen sich in ihrer Ablehnung verhärten. Unser Dank sollte sich deshalb dringend, ja vornehmlich an die richten, die noch an Menschenfreundlichkeit zunehmen können; an die, die dabei sind, ihr Vertrauen in die Menschen zu verlieren und nur noch sich selbst zu sehen beginnen.

Manchmal fühlen wir uns wie Lehrer der alten Schule: Wer sich nicht richtig benimmt, wird abgestraft; wer nicht nett ist, erhält auch keinen Dank; wer selbst vergisst zu danken, wird das beim nächsten mal selbst zu spüren bekommen - und so weiter. Die Pädagogik Gottes ist jedoch anders: Jesus heilt die Aussätzigen - und obwohl nur einer kommt, um zu danken, ist er dennoch bereit, für alle am Kreuz zu sterben.

Wir verändern die Welt eben nur, wenn wir treu bleiben im Guten - bis zum Ende. Dann bleibt auch das Gute in uns - über das Ende hinaus.

Amen.

619. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wenn ein kleines Kind, gerade der Sprache mächtig, eine Kleinigkeit geschenkt bekommt - zum Beispiel beim Metzger eine Scheibe Fleischwurst - dann raunt die die Mutter oft von hinten ins Ohr: "Wie sagt man?!" - "Danke!".

Kinder haben es schwer mit dem Danke sagen, denn vieles ist für ein Kind einfach selbstverständlich: Die Nähe der Eltern, deren Liebe, das Essen, die Kleidung und die Wärme des Hauses. Erst mühsam muss es lernen, dass vieles von dem, was wir erhalten, anderen Menschen Mühe kostet. Und das diese anderen Menschen ihre Mühe vergessen und gerne geben, wenn sie unsere Dankbarkeit spüren - und vielleicht auch hören.

Da ist nun ein Wunder geschehen: Unheilbar am Aussatz erkrankte werden geheilt, nachdem sie Jesus um sein Erbarmen gebeten haben. Und trotzdem - eigentlich eine Unverschämtheit - kommt nur einer, um sich zu bedanken.
Warum eigentlich? Wo bleiben die anderen? Warum bedanken sie sich nicht? Nun, vielleicht, weil sie nicht an das Wunder glauben. Wer kann ihnen denn garantieren, dass Jesus es war, der sie geheilt hat? Vielleicht war es ja doch nur ein Zufall - erst sind sie Jesus begegnet, und dann, als sie sich von ihm entfernt haben, wurden sie geheilt. Wieso sollte da eine Verbindung bestehen? Wie sollte Jesus eine solche Heilung auch vollbringen?
Aussatz war auch für die damaligen Menschen eine endgültige Sache! Dagegen gab es kein Mittel, und keine Chance, geheilt zu werden. Dass sie Jesus um sein Erbarmen gebeten haben, war vermutlich nicht mehr als ein letzter Strohhalm, an den sie sich geklammert haben. Aber wer rechnet denn wirklich damit, dass so etwas wie eine Heilung geschehen soll?

Ob wir nachher auch wirklich "Danke" sagen, (was Gott gegenüber sehr, sehr selten vorkommt), hängt nicht so sehr davon ab, ob das, worum wir gebeten haben, auch wirklich eintrifft. Vielmehr stellt sich die Frage, ob wir denn bei unseren Bitten auch wirklich mit einer Antwort Gottes rechnen!

Wie oft haben wir um etwas gebetet?! Aber haben wir auch wirklich Gott gemeint, als wir um den guten Ausgang des Golfkrieges, um ein Ende des Krieges in Jugoslawien, um den Frieden im eigenen Land gebetet haben? Wir haben gebetet für unsere Kranken, unsere Kinder und unsere Eltern. Oder, jetzt ganz aktuell, für das Gelingen der Reise nach Rom und eine gute Wiederkehr.

Die Undankbarkeit des gläubigen Menschen ist genauso wie beim Kind darin begründet, dass wir Vieles als viel zu selbstverständlich begreifen und nicht erkennen, dass es Gott Mühe kostet, sich um uns zu sorgen. Wir glauben immer noch, dass wir Menschen allein für unsere Gesundheit, den Frieden und die gute Ernte verantwortlich sind; allerhöchstens wirkt Gott dort noch etwas begleitend mit, so als eine Art Katastrophenschutz. Dann brauchen wir allerdings auch nicht mehr zu bitten - und auch nicht mehr "Danke" zu sagen. Im Falle einer Katastrophe beschweren wir uns allerdings über das Versagen Gottes.

Dabei ist es genau umgekehrt: Alles kommt von Gott. Unser Leben, unsere Fähigkeit, in Frieden miteinander auszukommen und einander zu verzeihen, die Gaben der Natur zu nutzen und zu genießen - alles ist zunächst ein Geschenk Gott, und wir dürfen daran mitwirken. Unsere Aufgabe ist es nur, Gottes Schöpfung nicht zu vermasseln und uns mit Gottes Gaben zu arrangieren.

Vielleicht ist Gott zu großzügig. Er schenkt uns so viel, ohne das wir darum gebetet haben. Vielleicht wäre es daher angebracht, für jede ausgesprochene Bitte mindestens für zwei andere Sachen zu danken.

Amen.

620. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Vor wenigen Tagen fand sich in den Zeitungen die Meldung wieder, dass Papst Johannes Paul II. ein neues Rundschreiben an die Bischöfe und Priester veröffentlicht hat. Das Thema war diesmal eine philosophische Frage: Das Verhältnis von Vernunft und Glauben. (Daher blieb der sonst übliche Entsetzensschrei der Medien aus.)
Meiner Meinung nach aber sind dort Fragen angesprochen, die nicht nur für Philosophen, sondern für unseren Glauben ganz konkret von Bedeutung sind.

«Glaube und Vernunft sind wie die beiden Flügel des Geistes» lautet der erste Satz. Glaube und Vernunft, Glauben und Wissen sind keine Dinge, die sich ausschließen. Gut - das hört man immer so: «Weißt Du das - oder glaubst du das nur?» Aber dass Glaube - vor allem der Glaube an Gott - soviel bedeutet wie «sich nicht ganz sicher sein», ist einer der größten Denkfehler des letzten Jahrhunderts - sagt der Papst.
Wenn wir vom Glauben sprechen, dann ist damit gemeint, dass ich nicht etwas selbst erfahren habe, sondern auf die Angaben anderer angewiesen bin. Wissen Sie, ob es einen Mount Everest gibt? Oder glauben sie das nur? Glauben Sie, dass Halverde etwas über 1000 Einwohner hat? Oder haben sie die selbst nachgezählt?

In der Schule wird oft so getan, als sei das alles Wissen - und die Frage nach Gott eine Glaubensfrage - «weil man sich da nicht sicher sein kann.»
Aber das stimmt nicht. Alles, was wir für wahr halten, weil es uns jemand sagt, dem wir vertrauen, ist Glauben. Je vertrauenswürdiger derjenige, der es uns sagt, um so sicherer unsere eigene Überzeugung.
Das darf allerdings kein blinder Gehorsam sein. Wir müssen alles überprüfen, vor unserem eigenen Denken verantworten. Nur, weil eine vertrauens- würdige Person uns von fliegenden Kühen erzählt, werden wir wohl kaum unsere Weiden überdachen. Das, was wir glauben, müssen wir überprüfen. Nachfragen, ob das denn wohl sein kann. Ordnen, Abwägen und Hinterfragen. Das sind die beiden Flügel des Geistes - der Glaube und die Vernunft.

Und das gilt natürlich auch von unserem christlichen Glauben. Dass Sie Gott nicht sehen und nicht messen können, spielt keine Rolle. Oder haben sie schon einmal ein Elektron gesehen? Oder gemessen? Und trotzdem glauben sie, dass es sie gibt. Worauf es ankommt, ist, wie glaubwürdig derjenige ist, der Ihnen davon erzählt.
Vielleicht haben Sie schon einmal einen Stromschlag bekommen und sind deshalb zu der Überzeugung gekommen, dass es Elektronen gibt. Oder es hat zumindest ihre Überzeugung bekräftigt. So haben auch einige Menschen - ähnlich wie ein Stromschlag - Gott erfahren. Die sind dadurch zum Glauben gekommen, oder zumindest darin gestärkt worden.
Aber vernünftig und sicher ist der Glaube der Kirche - nicht unbedingt mein persönlicher Glaube - deshalb: weil Gott sich selbst dafür verbürgt.

Ich weiß ja, Gott täuscht sich nicht, er kann auch nicht von jemandem anderen getäuscht worden sein. Ich weiß, er liebt mich und er offenbart sich uns nicht, damit seine Botschaft anschließend verdreht und verdunkelt wird. Also sorgt er dafür, dass der Glaube der Kirche ein sicherer Glaube, ein wahrer Glaube bleibt. Und damit ist der christliche Glaube ein verbürgteres Wissen als, als das angebliche Wissen um die Elektronen.

Ich kann mich also - wenn es um die Wahrheit im Glauben geht - nicht damit herausreden: Das muss jeder selbst für sich entscheiden. Das ist Ansichtssache. Das weiß keiner so genau. Im Glauben darf ich mir ebenso sicher sein, wie im Physikunterricht.
Natürlich - es ist mein freier Entschluss, den Glauben an Gott abzulehnen. Ich kann auch die Existenz des Mount Everest bestreiten und das elektrische Licht als ein Wunder der Leuchtzwerge ansehen.
Aber mit der Wahrheit hat das dann nichts mehr zu tun.

Und das ist eine der Hauptaussagen der Enzyklika: Der Glaube der Christen hat den Anspruch, wahr zu sein. Denn Glaube heißt nicht, unsicher zu sein.

Wäre dem anders, ich würde als erster kündigen. Ich würde niemals mein Leben vergeuden - nur für Vermutungen. Amen.

621. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, sind wir noch Christen? Nichts anderes meint die Frage Jesu, die am Ende des heutigen Evangeliums steht: "Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?"

Dabei formuliert Jesus diese Frage überraschend skeptisch: "Wird es wohl bei meiner Wiederkunft noch Christen geben?" Christsein wird von Jesus in diesem Zusammenhang mit "Beten-Können" gleichgestellt. Darf Jesus das denn? Verkürzt er unseren Glauben nicht, wenn er mangelndes Gebet mit mangelndem Christsein vergleicht? Ob wir Christen sind oder nicht, entscheidet sich doch auch an unserem Glauben und unserem Verhalten in der Welt! Reicht es denn nicht, wenn wir besonders feste Glauben? Können wir denn nicht einfach besonders aktiv die Nächstenliebe üben?

Liebe Schwestern und Brüder, die drei Vollzüge unseres Christseins (die praktische Nächstenliebe, das Feststehen im Glauben und das Gebet) sind nicht zu vergleichen mit einem Guthaben, das wir auf drei verschiedene Konten verteilen. Wenn das eine in Gefahr ist, dann wird eben ein anderes Konto bevorzugt. Vielmehr ist unser göttliches Leben mit unserem biologischem Leben zu vergleichen: Wir brauchen zum Leben Wasser, Nahrung und Luft. Geht uns einmal die Luft aus, können wir das nicht ausgleichen, indem wir besonders viel Trinken; und umgekehrt können wir mangelnde Nahrung nicht durch schnelleres Atmen wettmachen.

Unser Christsein ist nur so groß, wie die schwächste der drei Säulen, auf denen es ruht. Und, das legt die Frage Jesu nahe: Offensichtlich hat er damals schon gewusst, dass das Gebet als Vollzug unseres Glaubens immer als erstes auf der Strecke bleibt. Wird der Menschensohn, wenn er wiederkommt, noch betende Menschen vorfinden?

Diese Frage soll uns schockieren, denn jede Messe, die wir hier feiern, ist doch schon die Wiederkunft des Herrn. Sind wir so, wie wir hier sitzen, betende Menschen?

Mit betenden Menschen sind nicht diejenigen gemeint, die in oder außerhalb der Messe alle Antworten können und mitsprechen. Auch das Vaterunser kann man aufsagen wie ein auswendig gelerntes Gedicht. Aber richten wir es auch an Gott? Füllen wir die Bitten mit unseren Anliegen, unserem Lob?

In der Lesung steht Mose auf dem Berg und betet, während Josua unten im Tal kämpft. Beten und kämpfen sind hier miteinander verknüpft. Bringen wir unser Leben ins Gebet? Unser Ringen und Kämpfen?

Mose braucht am Abend Helfer, die ihn im Gebet stützen. Mose, der Führer, Befreier und Wegweiser seines Volkes, braucht Hilfe im Gebet. Wenn sogar er auf andere angewiesen ist, wieviel mehr dürfen dann auch wir uns eingestehen, dass wir Hilfe im Gebet brauchen. Es ist keine Schande, jemanden um Hilfe zu bitten, wenn wir nicht mehr beten können. Und doch, wie schwer fällt uns das! Wie schwer fällt es uns, anderen überhaupt einzugestehen, dass wir beten möchten; geschweige denn, das wir Schwierigkeiten haben und Hilfe brauchen! Sogar Eheleuten vor einander und Eltern vor ihren Kindern trauen sich nicht mehr, als nur Morgen-, Abend- und Tischgebete aufzusagen.

Wird Jesus noch Glauben finden, wenn er wiederkommt? Es gibt Oasen, an denen wir uns trauen, zu beten. Das Grab von Schwester Maria Euthymia in Münster ist eine solche Oase. Dort braucht sich keiner zu schämen.
Ich wünsche mir, liebe Schwestern und Brüder, dass unsere Gemeinde hier in Halverde ebenfalls eine solche Oase wird. Nicht nur vor dem Bild, dass an das Grab von Schwester Maria Euthymia erinnert, sondern in den Familien, in den Freundeskreisen und Vereinen. Bei Hochzeiten und bei Feierlichkeiten; wenn sie trauern oder sich freuen; in unserem Gasthof vor Essen oder unterwegs auf den Nachhauseweg. Trauen Sie sich, zu betenden Menschen zu werden. Sonst kommt eines Tages der Menschensohn auf diese Welt, und keiner hat ihn gerufen. Amen.

622. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Sind wir nicht auch von unserer eigenen Gerechtigkeit überzeugt? Sonst hätten wir uns wahrscheinlich nicht so im Leben eingerichtet, wie wir es haben: wenn es uns angebracht erscheint: etwas spenden - zu Weihnachten auch mal soviel, dass wir uns auch etwas anderes hätten kaufen können; auf Ökologie und Bewahrung der Schöpfung achten, soweit es so einfach möglich ist: mal darüber nachdenken, mit dem Zug zu fahren - wenn es gerade der Weihnachtsmarkt in Bremen oder Osnabrück ist, passt das ja auch ganz gut. Verschwenderisch mit Öl oder Gas umzugehen, verbietet sich ja auch schon allein aus Kostengründen. Da gibt es weit Schlimmere als uns.

Den Jugendlichen heute geht es nicht anders: sie hängen viel im Internet - facebook ist momentan angesagt - haben sich oftmals neben der Schule einen Job gesucht und kaufen sich von dem Geld ein Handy, welches auch ins Internet gehen kann, so dass die neuesten Nachrichten von den Freunden sofort auf dem Handy erscheinen (ich weiß das so genau - weil ich auch sowas habe), dann bemühen sich die meisten, andere nicht zu verprügeln, oder bei den Schimpfparaden im Chat zumindest auf die übelsten Wörter zu verzichten. Für die Freunde sind sie da, sie versuchen ihre gestellten Aufgaben in der Schule und im Job zu erfüllen. In ihren Augen leben sie gerecht. Da gibt es Schlimmere.

Wenn ich unsere Jugendlichen darauf hinweise, dass es nicht gut ist, mit der 16-jährigen Freundin ins Bett zu gehen, ernte ich nur Unverständnis. Wenn ich jemanden für alle Anderen sichtbar Trost zuspreche, der anfragt, warum er überhaupt noch leben soll, mischt sich kaum ein anderer ein. Wenn ich Gruppenleiter anfrage, was sie ideenreiches mit ihren Messdienern anstellen wollen, weichen sie den Fragen aus.

Wenn ich unsere Erwachsenen auf die Beichte hinweise, stellen mittlerweile alle auf Durchzug, das kommt bei kaum jemanden an. Wenn ich Menschen suche, die eine neue Aufgabe übernehmen könnten, winken die allermeisten ab.

Wir haben uns eingerichtet in unserer Gerechtigkeit, genauso unsere Jugendlichen. So wie die jungen Leute sich kaum noch was sagen lassen, so ebensowenig wir!

Genauso wie der Pharisäer im Evangelium: er sagt Gott, was er alles Gutes tut, und dass es Schlimmere gibt als ihn.

Doch Jesus sagt: der Andere: der Lügner, der Betrüger, der Zöllner dort ist der Gerechte vor Gott. Warum?

Weil er sich auf Gott angewiesen weiß, weil er sich korrigieren lässt von Gott. Dieser Zöllner weiß, dass er mit seinem Leben vor Gott nicht bestehen kann und wird deswegen gerecht genannt.

Wenn ich den Jugendlichen sage, dass sie zur Kirche gehen sollen, mit dem miteinander Schlafen bis zur Ehe warten sollen, und selber mein Leben nicht mehr von Gott korrigieren lasse, bin ich unglaubwürdig. Wenn ich selber in meinem Leben nicht deutlich mache, dass ich Fehler habe, dass ich Gott brauche - woher sollen die Heranwachsenden es lernen? Zeig ich der nächsten Generation, dass es gut ist, dass es nötig ist, dass ich mich von Gott und seiner Kirche korrigieren lasse? In der Gesellschaft wird ihnen vorgelebt, dass sie alles können und dürfen. Wer Geld hat, hat das Recht, sich was dafür zu kaufen. Wer seinen Job gut macht, darf auch eine Gehaltserhöhung fordern. Ich habe es mir schließlich verdient. Dass ich mein Talent, mein Glück im Leben Gott verdanke! - wer lebt Ihnen das heute vor? Wir?

Es ist Missionssonntag - auch wenn wir heute Geld für Indien und viele andere Länder geben, die es gut gebrauchen können, so stehen wir alle zunächst in der Pflicht, hier unter uns in Holdorf zu missionieren. Indem wir selber wie der Zöllner im Evangelium sagen: Herr, ich brauche Deine Gnade, ohne die vermag ich nichts; wie Paulus in der zweiten Lesung: der Herr stand mir zur Seite und gab mir die Kraft für das, was ich getan habe; wie der Arme in der ersten Lesung weiß, dass Gott jedem hilft und beisteht, der Ihn um Hilfe bittet und nicht meint, alles selber zu können. Wir müssen den Anderen erklären und auch zeigen, dass wir unser Leben immer wieder von Ihm neu ausrichten lassen. Dann können wir diesen Maßstab auch den Nichtkirchgängern glaubwürdig empfehlen.

623. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

"das Flehen des Armen dring durch die Wolken, es ruht nicht, bis es am Ziel ist. Es weicht nicht, bis Gott eingreift und Recht schafft als gerechter Richter."

Bis Gott eingreift... bis er eingreift? Tut er das denn?

Liebe Schwestern und Brüder, im vergangenen Jahr bin ich des öfteren bei der Gemeinschaft "Cenacolo" gewesen, die sich um Drogenabhängig bemüht. In kleinen Gruppen leben dort ehemalige Abhängige zusammen, beten viel und organisieren ihr alltägliches Leben - und leben dabei vollkommen von der "Vorsehung". Das heißt: Sie erhalten keine staatlichen Zuschüsse, keine projektbezogenen Gelder und verdienen sich auch keinen Unterhalt. Sie haben grundsätzlich kein Geld, um Lebensmittel zu kaufen, sondern warten darauf, dass ihnen Lebensmittel geschenkt werden. Und wenn in der Küche mal etwas fehlt - Salz oder Nudeln oder ähnliches - dann wird die ganze Gemeinschaft zusammengetrommelt, alle müssen in die Kapelle und um Salz beten. Solange, bis dann wirklich jemand an der Tür klingelt und eine kleine Fuhre Lebensmittel abgibt und bis dann darunter auch Salz ist.

Ein solches Leben von der Vorsehung steht übrigens in einer alten, langen Tradition; schon seit fast tausend Jahren leben z.B. auch die Klarissen allein von den Spenden der Gläubigen - und viele, die früher als "Bettelorden" bezeichnet wurden.

Eine gute Übung; Gottvertrauen zu entwickeln. Eine gute Übung für Menschen, die sich Gott hingeben und spüren wollen, dass er sie am Leben erhält. Eine gute Übung vor allem für die Drogenabhängigen, dass sie lernen, anderen zu vertrauen, sich nicht alles - auch das Glück - nicht selbst machen, sondern schenken lassen. Und vor allem eine gute Übung, wenn es darum geht, zu erfahren, dass es Gott wirklich gibt und er "eingreift" - wie es in der Lesung hieß.

Im Sommer hatte ich einen Bulli voll mit gebrauchten Kleidern nach Saluzzo gebracht. Als wir dann Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Hauptverantwortlichen des Cenacolo hatten, meinte dieser dann zu uns: "Ihr seid unsere Vorsehung. Ihr seid diejenigen, die Gott uns immer wieder schickt. Gott sorgt für uns, indem er Euch erschaffen hat. Danke, dass es Euch gibt!"

Liebe Schwestern und Brüder - von der Vorsehung leben kann nicht jeder. Es muss auch Menschen geben, die Vorsehung sind. So wie wir zum Beispiel für Länder, Bistümer oder Gemeinden in der Dritten Welt. Die Ärmsten dort leben auch von dem, was ihnen geschenkt wird. Und wir sind in ihren Augen die Vorsehung Gottes.

Im Grunde müssen wir zugeben, dass auch wir nur einen Teil unseres Wohlstandes erarbeitet haben - ein viel größerer Teil ist uns geschenkt. Und auch bei uns gibt es Arme, die von dem leben, was ihnen gegeben wird.
Aber im Gegensatz zu uns erkennen viele Menschen in der Dritten Welt hinter den Gebern der vielen guten Gaben - Gott. Sie wissen, dass wir ihnen helfen, sehen in uns aber auch das Geschenk Gottes. Sie wissen, dass Gott uns berufen hat, Vorsehung zu sein.

Schauen wir nicht wie der Pharisäer im Evangelium nur auf die Bedürftigen Menschen herab. Sondern wenden wir uns ihnen auch zu. Und mit den lebensnotwendigen Dingen geben wir ihnen auch die Botschaft, dass Gott existiert, dass er ihr Flehen hört und eingreift und ihnen Recht verschafft.

Amen.

624. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner ist uns wohlbekannt; das Schlechte am Pharisäer ist demnach seine Überheblichkeit, das Gute am Zöllner seine Bescheidenheit.

Seltsam, dass wir zuvor ausgerechnet die Lesung aus dem Timotheus-Brief hören, in der Paulus offensichtlich in genau diese Pharisäer-Falle tappt: «Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den mir der Herr, der gerechte Richter geben wird.»

Wenn das nicht ein Pharisäer ist! Der hält sich wohl wirklich für einen Heiligen! Pfui.

Nun - Paulus ist ein Heiliger. Der macht sich nicht besser als er ist, er ist gut. Wir haben eine weit verbreitete christliche Allergie gegen jeden, der sich als von Gott erleuchtet betrachtet; gegen alle, die glauben, in der Wahrheit zu stehen; die von sich behaupten, den wahren Weg zum Leben zu kennen. Aber diese Allergie ist eine Krankheit - keine Tugend.

Dass der Pharisäer ein besserer Jude ist als der Zöllner, wird nämlich von Jesus gar nicht bestritten. Machen wir uns nichts vor: Pharisäer sind eifrige Menschen gewesen, oft ehrlich bemüht und gottesfürchtig. Zöllner dagegen waren Verbrecher, Verräter am eigenen Volk und Ausbeuter der Armen. Das wusste auch Jesus, und an dieser Tatsache will er auch gar nicht rütteln.

Natürlich haben wir (und viele, die sich als katholisch bezeichnen) häufig eine Abneigung gegenüber Personen, Gruppen oder Bewegungen, die sich in ihrem Beten, Glauben und Leben sicherer sind als wir. Aber das hat nicht mit Pharisäertum zu tun - selbst dann nicht, wenn die anderen sich ihrer Sache ein wenig zu sicher sind. Das war Paulus vielleicht auch. Diese Abneigung lässt sich nicht durch das Gleichnis rechtfertigen, das wir gerade gehört haben. Oft genug sind die, die wir als Pharisäer bezeichnen, einfach nur Menschen, die wir beneiden.

Eines darf derjenige, der einen alten Weg mit neuem Elan geht, allerdings nicht tun: Sich abfällig über den Zöllner äußern und ihm die Vergebung Gottes absprechen. Wer das tut, der verspielt seine eigene Rechtfertigung.

Nicht der ist also ein Pharisäer im schlechten Sinne, der - wie Paulus - ein Leben führt, das sich wohltuend aus der Masse heraushebt. Nicht der ist ein Pharisäer im schlechten Sinne, der mehr betet, frömmer ist, gläubiger oder papsttreuer. Nicht der ist eine schlechter Pharisäer, der weiß, dass er reich beschenkt wurde und Gott dafür danken kann.

Vielmehr ist derjenige schlecht, der einem anderen - und sei es ein Zöllner, ein Verbrecher, ein Verräter oder Krimineller - die Gnade Gottes abspricht. Mal ehrlich: Da haben wir wohl ziemlich viel von einem Pharisäer, nicht wahr?

Hüten wir uns davor, schlecht über andere zu sprechen (und schlecht zu denken!), nur weil deren Frömmigkeit von uns nicht verstanden wird. Gestehen wir uns ein, dass es viele gibt, die bessere Christen sind als wir. Gestehen wir neuen Gemeinschaften ruhig zu, dass sie uns voraus sind im Gebet und in der Heiligkeit.

Umgekehrt schämen wir uns manchmal unserer eigenen guten Taten und unseres Glaubens. Wir wissen, wie wir über solche Leute denken - und wollen nicht, dass andere nun mich für einen Pharisäer halten.

Halten sie es mit Paulus, auch wenn es schwer fällt: Reden Sie über das Gute, das Sie getan haben - im gleichen Atemzug danken sie Gott und geben Sie Ihm die Ehre. Hören Sie vom Glauben anderer (und sei er Ihnen selbst fremd und unverständig) - freuen Sie sich mit denen, die ebenso oder vielleicht sogar reicher beschenkt wurden. Hüten wir uns aber alle vor dem Teufel des Neides: Eitelkeit ist mit Abstand seine Lieblingssünde. Amen.

625. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

So schlecht, wie der Pharisäer immer dargestellt wird, ist er gar nicht. Denn sein beherrschendes Gefühl ist die Dankbarkeit. Er ist dankbar dafür, dass Gott ihn vor vielen Unannehmlichkeiten bewahrt hat. Was ist daran so schlecht? Soll er etwa ein schlechtes Gewissen haben, weil es ihm besser geht und er nicht stehlen und betrügen muss - so wie die Zöllner es zu der Zeit ganz eindeutig getan haben sind?

Wenn wir am heutigen Weltmissionssonntag den Blick auf die übrigen Völker dieser Welt richten - vor allem auf die sogenannten Entwicklungsländer - dann sollte für uns auch nicht das schlechte Gewissen überwiegen. Zuerst und vor allem sollten wir Gott dankbar sein. Dankbar für alles, was wir an Annehmlichkeiten haben. Dass es uns offensichtlich besser geht, ist nichts Verbotenes. Und auch nichts Unmoralisches.

Kardinal Ratzinger hat in einem ausgiebigen Interview einmal gesagt, dass er nirgendwo so viele lachende und fröhliche Menschen gesehen hat wie in den Slums und Elendsvierteln der südlichen Großstädte. Nicht hier bei uns, wo es uns doch gut geht - zumindest materiell. Bevor wir also auf die anderen schauen, sollten wir erst einmal für das dankbar sein, was wir haben. Ganz so, wie der Pharisäer.

Nach dem der Pharisäer also seinem Gott in einem leisen Gebet von ganzem Herzen Dank gesagt hat, und damit bestimmt auch den Gefallen Gottes gefunden hat, begeht er aber einen Fehler. Er zeigt auf den Zöllner und fügt seinem Gebet hinzu: Ich danke dir, dass ich nicht bin wie dieser Zöllner.

Damit macht er alles zunichte.

Denn jetzt maßt er sich an, in das Herz dieses einen, ganz bestimmten Menschen zu schauen. Und er verurteilt ihn, er siedelt ihn niedriger an. Anstatt ihm zu helfen, verabscheut er ihn.

Liebe Schwestern und Brüder, wir dürfen dankbar sein, für das, was wir haben. Wir dürfen dankbar sein, dass wir nicht in den Kriegsgebieten dieser Welt leben, in den Überschwemmungsgebieten oder in den Dürrezonen dieser Welt. Wir dürfen sogar dankbar sein, dass wir nicht irgendwelchen brutalen oder zumindest oft grausamen Stammesreligionen angehören, nicht durch Hunger zum Verbrecher werden und es uns leisten können, moralisch zu leben.

Aber wir dürfen uns niemals über einen anderen Menschen erheben. In keines Menschen Herz können wir hineinschauen. Aber darauf kommt es alleine an: Auf das, was im Herzen vorgeht.
Vielmehr sollte aus unserer Dankbarkeit im fließenden Übergang Hilfsbereitschaft erwachsen: Die anderen sollen die gleichen Chancen haben, wie ich sie habe. Ich möchte den ärmsten Verbrechern dieser Welt über eine Linderung ihrer Not die Chance geben, zum Heiligen zu werden.

Wer sich guten Gewissens seines Lebens freut, der gibt auch. Wer dankbar ist, kann auch schenken.

Liebe Schwestern und Brüder,
hüten wir uns davor, aus Unzufriedenheit mit unserem Leben auch anderen das Leben zu erschweren. Aber geben wir aus unserem Überfluss auch nicht nur deshalb, um unserem materiellen Glück noch das gute Gewissen hinzuzufügen. Auch der Spender kann - wie der Pharisäer, der ja auch seinen Zehnten gibt - hochmütig werden.

Halten Sie sich ruhig an die alte Regel, die einmal ein weiser Priester empfohlen hat: Geh immer davon aus, dass alle anderen Menschen besser sind als du. Und geh immer davon aus, dass du selbst besser bist als du denkst.

Amen.

626. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

«Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.»

Dieser Satz, der das soeben gehörte Gleichnis zusammenfasst, ist uns genauso geläufig wie "Die ersten werden die Letzten sein" oder "Wer nicht wird wie ein Kind, kann das Reich Gottes nicht gewinnen." Damit ist die Demut gemeint, das wissen wir. Aber wie sieht demütiges Verhalten eigentlich aus? «Wer sich selbst erniedrigt» - das klingt danach, als wenn wir uns vor anderen schlecht machen sollten: «Kümmert Euch nicht um mich, ich bin es nicht wert.» «Ich habe noch nie etwas großartiges auf die Beine gebracht» - oder so ähnlich.

Aber das kann es ja auch nicht sein. Wir alle sind ja keine Fehlprodukte Gottes. Gott hat, indem er uns erschaffen hat, Meisterwerke vollbracht. Warum sollen wir dann die unendlichen Gaben Gottes verheimlichen und verstecken?

Es geht doch vielmehr darum, zu erkennen, das alles, was uns ausmacht, Gottes Geschenk ist. Wir sind Wunderwerke, bestaunenswert. Aber nicht wir selbst sollen uns bestaunen lassen, sondern den, der uns geschaffen hat. Der uns das alles ermöglicht hat. Vor einigen Jahren hat man mir zum Geburtstag eine CD der Backstreet-Boys geschenkt - nicht gerade mein Geschmack. Aber im Booklet dieser CD danken die Backstreet-Boys nicht als erstes ihrem Produzenten oder ihren Kollegen - sondern jeder einzelnen dankt zunächst Gott. Dafür, dass sie überhaupt begabt wurden. Das macht die Musik zwar auch nicht besser, aber zumindest sympathischer.

Das hat der Pharisäer in dem Gleichnis zumindest schon einmal richtig gemacht: Er dankt Gott für alles, was ihm geschenkt wurde. Leider führt er es auf sein eigenes Tun zurück; auf sein Fasten und Gebet. Fasten und Gebet sind aber nicht die Ursache dafür, dass Gott uns beschenkt, sondern nur Ausdruck des Danken. Der Pharisäer allerdings begeht einen zweiten Fehler: Er ist nicht nur von seiner eigenen Gerechtigkeit überzeugt; er schaut auch auf die anderen herab und verachtet sie. Das muss er sich auch noch abgewöhnen.

Genauso wie wir. Denn Gott hat einen jeden von uns reich beschenkt; er hat keinen vergessen. Selbst das junge Mädchen aus unserem Dorf, das nicht sonderlich klug und wenig attraktiv gewesen ist, keine nennenswerte Begabung hatte und dazu noch krank war, war von Gott so reich beschenkt worden, dass sie sogar selig gesprochen wurde.

Wenn der Pharisäer, anstatt auf die anderen herabzuschauen, ihnen geholfen hätte, ihre eigenen Begabungen zu entdecken! Was könnten wir in dieser Welt verändern, wenn wir die Gaben Gottes, die in anderen Menschen noch unentdeckt schlummern, zur Entfaltung bringen könnten! Das, liebe Schwestern und Brüder, ist nicht nur die Aufgabe von Eltern, Lehrern oder Priestern, sondern eines jeden Christen.

Die Gaben anderer entdecken, das ist etwas, worauf wir stolz sein dürfen. Anstatt uns über die Fehler anderer auszutauschen, könnten wir doch viel besser über die verborgenen Talente anderer reden. Wir brauchen keine Angst zu haben, dass uns dann hier im Dorf der Gesprächsstoff ausgehen würde. Es ist ja nicht verboten, über andere Leute zu reden. Nur über deren schlechten Eigenschaften sollten wir besser schweigen - weil wir selbst auch genug davon haben.

Die schlechten Seiten der Menschen gehen nur Gott etwas an. Das macht uns der Zöllner vor. Reden wir mit Gott auch darüber, sonst tun es die anderen.

Reden wir mit Gott aber nicht nur über unsere schlechten Seiten. Reden wir mit ihm auch über die Schätze, die wir in anderen Menschen entdecken. Es gibt kaum ein schöneres Gebet. Amen.

627. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, das heutige Evangelium gehört zu den bekanntesten Evangelientexten. Zachäus, der auf einen Baum steigt, um Jesus zu sehen, ist vor allem bei den Kindern eine bekannte und beliebte Figur.
In den Hintergrund gerät dann leicht, dass das Interessante und Einmalige vor allem die Art und Weise ist, in der sich hier die Bekehrung vollzieht: Denn von dem, was Jesu diesem Zöllner und Sünder sagt, ist uns nur ein einziger Satz überliefert: «Zachäus, komm herunter, denn ich muss heute in Deinem Haus zu Gast sein.».

Mehr nicht. Keine Predigt, keine Vorwürfe, keine Ermahnungen. Jesus bedrängt Zachäus nicht, er fordert von ihm nichts. Er kehrt lediglich in sein Haus ein und ist zu Gast bei Zachäus.

Dabei wissen wir doch, dass Jesus auch ganz schön kräftig schimpfen kann. Den Pharisäern und Schriftgelehrten redet er kräftig ins Gewissen, und die Drohungen mit der Hölle, mit dem ewigen Zähneknirschen sind auch nicht ohne.

Aber hier - kein Wort des Tadels, keine Rede von Bekehrung. Die geschieht beinahe ganz von allein. Nur durch die Anwesenheit Jesu.

Die Begeisterung für Gott ist nämlich weniger eine Frage der Worte, die man findet. Ob sich jemand auf das große Abenteuer einlässt, mit Gott durchs Leben zu gehen, ist weniger eine Frage des Abwägens, als vielmehr eine Frage der Ansteckung.

Die wahre Begeisterung ist durchaus mit einem Grippevirus zu vergleichen: Erst, wenn man einander nahe kommt, kann man sich anstecken. Wer sich immer auf Distanz hält, bleibt davon verschont - vom Grippevirus genauso wie vom Glauben.

Jesus hat seinen Besuch bei dem Sünder Zachäus nicht von Vorleistungen abhängig gemacht. Er wollte einfach dem Sünder nahe sein. Und Zachäus hat ihn in sein Haus eingelassen. Mit dieser Nähe hat sich dann auch so einiges im Leben des Zachäus geändert.

Deshalb ist Gott Mensch geworden: Um uns nahe zu sein, um so zu sein, wie wir sind, dass wir ihn sehen können, ihn hören und vom ihm und seinen Taten erzählen können. Damit dann vielleicht der Glaube, die Liebe überspringen kann. Wir brauchen ihn nur bei uns einzulassen - mehr verlangt er tatsächlich nicht.

Natürlich hat so ein Verhalten seinen Preis. Denn wer sich so sehr den Menschen zuwendet, der liefert sich ihnen auch aus. Das hat Jesus am eigenen Leib erfahren: Gottes Geduld mit den Menschen, sein Programm, uns auf friedliche und liebevolle Art und Weise zu begeistern, hat ihn schließlich zum Kreuz geführt. Denn nicht alle Menschen wollten ihn so nahe an sich heranlassen, nicht alle konnten seine Liebe ertragen.

Und wenn wir versuchen, Menschen, die uns abweisen, nicht mit Distanz zu begegnen, sondern mit erhöhter Aufmerksamkeit, werden wir genauso verletzt werden. Wer beim Helfen noch nicht verletzt worden ist, der hat noch nicht geholfen. Denn wenn wir uns wirklich den Menschen nähern, dann werden uns auch die Enttäuschungen tiefer treffen. Wenn sich die Liebe immer auszahlen würde, dann könnte schon der gesunde Menschenverstand aus jedem einen Heiligen machen.

Die behutsame Liebe Gottes hat beim Zachäus Wunder gewirkt. Sie hat aber auch Jesus zum Kreuz geführt. Wenn wir uns wirklich auf diesen Gott einlassen wollen und es ihm nachmachen, wird es uns nicht viel besser ergehen. Wer zu viel Güte ins Spiel des Lebens bringt, wird schließlich auch am Kreuz nicht vorbeigelassen werden. Aber, liebe Schwestern und Brüder, wo wären wir besser aufgehoben als dort, bei IHM? Schließlich ist das Kreuz die einzige Brücke, die zum Himmel führt. Amen.

628. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

in einem Gebet eines Kindes heißt es: "Lieber Gott, Du hast so viele tolle Geschichten geschrieben, danke dafür. Aber kennst Du nicht noch ein paar neue? Wir haben jetzt alle gelesen und fangen schon wieder von vorne an."

Das haben vielleicht auch einige von Ihnen gedacht: Ach, Zachäus, die Story kennen wir doch schon. Gibt's denn nichts Neues? Und weil man all die Geschichten schon so oft gehört hat, suchen viele für Hochzeiten, Taufen oder andere Gottesdienste nach neuen Geschichten - von kleinen Prinzen, aus dem Buch Momo oder aus den Briefen Gandhis.

Was wir hier feiern, ist allerdings keine Lese-Stunde. Eine Lese-Stunde wird ja auch nicht gefeiert, sondern veranstaltet. Wir dagegen sind hier, um zu feiern: Das, was so herrlich erhebend von Jesus zu uns heute gesagt wurde.

Leider vergessen wir immer wieder, dass wir hier sind, um das Wort Gottes zu feiern - wir kommen uns eher vor, als wenn wir in der Schule sind. (Das mag vielleicht an den unbequemen Bänken liegen, oder an der Tatsache, dass einer vorne steht und die anderen hinten sitzen - wie auch immer). Wir verfallen schnell in die Gedanken eines Schülers: «Zachäus? Schon wieder? Kenne ich schon. Brauche ich nicht aufpassen.» Und flugs entgeht uns die eigentliche Schönheit dieser Geschichte.

Was aber ist die wunderbare Sache, die uns heute erzählt wird?

Ein kleines Wort im Evangelium führt uns auf die Spur: Jesus sagt zum Zöllner Zachäus: "Heute muss ich bei Dir zu Gast sein". Er sagt nicht: "Ich möchte so gerne", oder "ich würde viel lieber" oder: "Ich bin gerne bei Zöllnern zu Gast, die sind so unkompliziert und locker, im Gegensatz zu den rechtgläubigen aber langweiligen Pharisäern." Nein, Jesus ist nicht gerne zu Gast bei Zachäus, aber er muss Gast sein: Es ist sein Auftrag, deshalb ist Gott Mensch geworden.

Gott ist sicherlich angewidert von Betrügern und Ausbeutern, von Menschen, die auf Kosten anderer leben. Von Zöllnern und Großgrundbesitzern, von skrupellosen Managern und kleinen Schwindlern. Gott ist sicherlich angewidert auch von unserem Verhalten: Gerüchte verbreiten auf Kosten anderer, nur um einer der ersten zu sein, die etwas gehört haben. Den Stab brechen über andere, um von den eigenen Fehlern abzulenken; erst zu fragen, was andere denken, bevor ich mich frage, was Gott denkt - und so weiter.

Gott ist sicherlich angewidert davon - aber er wendet sich nicht ab. Er lädt sich ein - will Gast sein. Er kommt zu Zachäus und gleich auch zu uns. Er will uns mit seiner Liebe heilen. Er verabscheut uns nicht, auch wenn wir andere verabscheuen. Er liefert sich uns aus, auch wenn wir uns nicht wirklich IHM anvertrauen.

Gott glaubt felsenfest an das Gute im Menschen und an das Gute auch in Euch. Während wir den Stab brechen über Nachbarn, Freunde neben uns; während wir auf Abstand gehen zu Menschen, von denen wir nur gerüchteweise gehört haben oder mal so eben in der Zeitung gelesen haben, sucht Gott ihre Nähe.

Das Große der Botschaft, die wir heute gehört haben, geht uns vielleicht gar nicht mehr auf, weil wir manchmal glauben, Gott solle doch froh sein, wenn wir uns noch ein wenig Zeit für ihn nehmen. Dabei ist es genau umgekehrt: Wir dürfen froh sein, eingeladen zu sein. Wir dürfen froh sein, dass Gott sich immer wieder überwindet und immer noch an uns glaubt, uns mag und unsere Nähe sucht. Wir dürfen froh sein, dass Gott noch unser Freund sein will - trotz allem.

"Lieber Gott, du hast so viele tolle Geschichten geschrieben. Danke dafür. Wir haben jetzt schon alle gelesen und fangen wieder von vorne an. Und wenn wir sie noch tausend mal hören - es tut so gut, wenn Du mir sagst: Ich bleibe bei Dir, denn ich bin Dein Freund."

Amen.

629. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

auf den ersten Blick klingt es im heutigen Evangelium so, als ob die Sadduzäer, die nicht an die Auferstehung glaubten, einen weniger starken Glauben hätten. Aber sie glaubten an den einen, ewigen Gott; und sie hielten das ewige Leben eines sterblichen Menschen für eine Beeinträchtigung der göttlichen Einmaligkeit. Sie waren sozusagen aus religiösen Gründen davon überzeugt, dass es kein Leben nach dem Tod gibt: Der ewig lebende Mensch wäre schon fast wie ein Gott - und das lehnten die Sadduzäer als Hüter des Tempels in Jerusalem natürlich ab.

Auch heute gibt es Menschen, die um der Idee des Christentums willen ein Glauben an den Himmel ablehnen: «Wer sich auf den Himmel freut, der wird sich wohl kaum noch auf dieser Erde engagieren.» Vertröstung auf das Jenseits wurde den Christen vorgeworfen - und um die christliche Idee, die Nächstenliebe, aufrechtzuerhalten, wollte man lieber nicht mehr von einem erfüllten Leben nach dem Tod reden.

Aber Sadduzäer und die modernen Hüter der Nächstenliebe irren. Wer nicht mehr an einen gerechten Ausgleich im Jenseits glaubt, muss sich selbst den Ausgleich hier schaffen. Zum Leistungsdruck kommt der Vergnügungsdruck: Wenn nachher nichts mehr ist, dann muss man eben hier schon nehmen, was man kriegen kann.
Wer allerdings an ein Jenseits glaubt, der ist gelassener. Der kann um der Nächstenliebe auch mal verzichten - er ist nicht verpflichtet, an sich zu denken. Er kann auch Opfer bringen, unter Umständen auch das Opfer seines eigenen Lebens. Das kann nur der, der an ein Leben nach dem Tod glaubt; in dieser Welt können wir nicht wirklich verlieren.

Aber auch für den, der vielleicht im Laufe seines Lebens zu Zweifeln beginnt, ob es diese himmlische Gerechtigkeit wirklich gibt, wird, wenn zurückschaut, auf ein erfüllteres Leben blicken können als der Ungläubige, der sich verzweifelt um dieses erfüllte Leben bemüht hat.
Denn die Gelassenheit des Christen macht ihn empfänglicher für die kleinen Freuden des Lebens. Er muss nicht unbedingt die Weltreise machen - die Augen seiner Kinder sind mehr wert; das Lächeln des Ehepartners oder das Nicken der eigenen Eltern. Der Lohn des Glaubens wartet nicht erst im Himmel auf uns, schon in dieser Welt lebt der tiefer und glücklicher, der weiß, dass das eigentliche Leben noch kommt.

Liebe Schwestern und Brüder, im Namen des Glaubens kann man auch unsinnige Dinge fordern; so wie die Sadduzäer Unsinniges fragen. Da tut es manchmal ganz gut, einfach nicht hinzuhören.

Wer nicht mehr an das ewige Leben glaubt, muss diese Welt selbst retten. Pläne zur Errichtung des Weltfriedens gibt es immer wieder. Vielleicht tut es auch ganz gut, da einfach nicht hinzuhören. Der wahre Frieden erwartet uns eben nicht in dieser Welt. Amen.

630. Predigtvorschlag

Vielleicht kennen Sie die Geschichte, in der ein junger Mann, der sich zum Glauben bekehren will, einem Rabbi bittet, das jüdischen Gesetz und den jüdischen Glauben zu erklären, und zwar - wenn's geht - in einem Satz.
Die Antwort, die der Rabbi - ohne lange zu überlegen - gegeben hat, ist einfach: «Liebe Gott und deinen Nächsten.»

Auch heute, im Gespräch mit jungen Menschen in der Schule oder auf Tagen religiöser Orientierung, stellt sich häufig eine ähnliche Frage: «Was ist eigentlich so toll am christlichen Glauben?» - «Warum sollte ich überhaupt glauben?» - Verbunden mit der Aufforderung: «Mach's kurz.»
Nun, ich bin nicht so ein weiser Rabbi, und so brauche ich zwei oder drei Sätze. Und die habe ich mir lange überlegen müssen.

Ich glaube, dass es zwei Punkte sind, die den christliche Glauben so attraktiv machen: Die erlösende Botschaft, dass wir von unseren Sünden befreit wurden. Dass wir nicht mehr für unsere Schuld abbezahlen müssen, um mit Gott ins Reine zu kommen. Darüber hatte ich ja am letzten Sonntag gesprochen.
Und vor allem ein zweiter Punkt, der im heutigen Evangelium aufgegriffen wird: Die Verheißung Gottes, dass wir bei ihm Leben dürfen - ohne vom Tod bedroht zu sein.

Nun - so können Sie jetzt einwenden - das ist ja nichts besonderes. Alle Religionen haben den Glauben an ein Leben nach dem Tod. Das scheint ja ein ganz normaler Bestandteil zu sein.
Das ist er aber nur, wenn wir nicht näher hinschauen. Denn gerade im heutigen Evangelium wird etwas Wunderbares von unserem Glauben gesagt, dass es so in keiner anderen Religion gibt.

Unser Leben beim Vater wird nicht etwas vollkommen anderes sein, so dass wir nichts darüber sagen könnten. Dann könnten wir uns nämlich auch nicht darauf freuen, und es wäre auch nichts erstrebenswertes. Aber der Himmel, das Paradies, ist keine simple Fortsetzung unseres bisherigen Lebens. Das wäre zwar etwas, was wir uns vorstellen könnten, aber ganz und gar nichts verheißungsvolles.

Nein, unsere christliche Überzeugung ist, dass der Himmel das sein wird, was jetzt schon Leben ausmacht, aber ungetrübt, ohne den faden Beigeschmack der Vergeblichkeit.

Wir werden hineingenommen in ein wunderbares Geschehen, dar keine Langeweile aufkommen lässt. Der Himmel wird Begegnung sein - ungetrübte Begegnung mit Menschen, die mir hier auf Erden fremd gewesen sind. Ungetrübte Begegnung mit Menschen, die mir hier so lieb gewesen sind.
Wir werden Gott sehen, wie er ist: Fassungslose Liebe, bedingungsloses Dasein für uns. Gott, der uns in diesem Leben schon immer wieder überrascht mit herrlichen Momenten des Glücks, wird als der erkennbar werden, der unser tiefstes Sehnen erfüllt. Alles, was unseren Glauben hier erschwert, wird wegfallen. Es wird einfach nur herrlich sein.

Einander begegnen, Gott begegnen, nicht mehr hin- und hergerissen, nicht mehr mit der eigenen Unzulänglichkeit kämpfen müssen - es tut uns zwischendurch ganz gut, uns den Himmel auszumalen. Eine Zeit der Stille damit zu verbringen, uns schlicht zu freuen. Einfach nur dazusitzen und uns darauf freuen, dass alle die Menschen, die mir nur flüchtig begegnen, nicht verloren sind. Dass wir ein Wiedersehen feiern werden, dass alle Vorstellungen übersteigt.

Das ist eine Form von Gebet, die uns abhanden gekommen ist. Aber was gibt es Schöneres?

Beantworten wir uns ruhig öfter die Frage, was der Grund ist, weswegen ich glaube, und weswegen mein Glaube so ergreifend ist. Amen.

631. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, zu den Dingen, über die sich die Menschen schon ewig Gedanken gemacht haben, gehören Sterben und Tod eines Menschen. Dabei geht es nicht um Nebensächlichkeiten, sondern um die Mitte unseres Daseins. Die Art und Weise nämlich, wie man über Sterben und Tod denkt, hat massive Auswirkungen auf den Umgang, den wir miteinander pflegen. Bedenklich muss uns darum stimmen, dass offenbar immer weniger Bereitschaft da ist, den Toten und seinen Leib zu ehren und das Andenken an die Verstorbenen zu bewahren. Auf einem großen Berliner Friedhof wurden im Jahr 1996 bereits 744 Tote, das sind mehr als ein Drittel in diesem Falle, anonym beerdigt. Vor 20 Jahren waren es gerade erst 17 Fälle. In Berlin-Tegel wurden vor 2 Jahren bereits fast vier Fünftel aller Beerdigungen anonym durchgeführt. In Kopenhagen und anderen skandinavischen Großstädten ist die Beisetzung, wie wir sie kennen - mit Grabstein, Schmuck und Namen - schon die absolute Ausnahme: 90 % der Beerdigungen sind dort anonym. Aber auch in großen norddeutschen Städten wie Kiel oder Flensburg geht die Tendenz eindeutig dahin: die Trennung von den Toten ist vollständig; es gibt kein Wiedersehen; die Trauer wird ebenso verdrängt wie Krankheit oder das Sterben selbst. Man will nichts mehr damit zu tun haben.

Ein Blick in die Bibel zeigt, dass diese Entwicklung nicht unbedingt etwas ganz Neues ist. Das heutige Evangelium macht uns zu Zeugen einer Auseinandersetzung zwischen Jesus und einer jüdischen Gruppe, den Sadduzäern.

Schauen wir uns die Sadduzäer einmal genauer an: Sie gehörten zu den herrschenden Gruppierungen im jüdischen Volk. Als Mitglieder der alten Priestergeschlechter waren sie sehr wohlhabend. Weil sie darauf aus waren, ihren Reichtum nicht aufs Spiel zu setzen, arrangieren sie sich mit den römischen Besatzern im Land. Theologisch und was ihren Glauben angeht, sind sie sehr festgefahren auf einen "liberalen Minimalismus", d.h. sie lassen in der Bibel nur die ersten fünf Bücher des Mose gelten. So kommen für sie übernatürliche Wirklichkeiten wie Engel, Auferstehung und Unsterblichkeit nicht als Glaubenswahrheiten in Frage. Im Gegenteil, sie machen sich darüber lustig und versuchen nun, Jesus in eine peinliche Verlegenheit zu bringen und ihn vor allen Leuten zu blamieren.

Sie erzählen den konstruierten Fall einer Frau, die nacheinander sieben Männer heiratet, die alle der Reihe nach sterben. Schließlich stirbt auch die Frau. Frage: Wessen Ehefrau wird sie nun nach der Auferstehung sein?
Doch Jesus lässt sich durch diese Fangfrage nicht zu Fall bringen. Er durchschaut die Absicht derer, die ihren Spott treiben wollen. Aber zugleich liegt ihm auch an der Einsicht und der Umkehr der Menschen. Er will nicht, dass sie in ihrem Irrtum gefangen bleiben. Er will, dass sie zu Gott finden und leben.

Es ist die einfache und billigen Vorstellung der Sadduzäer, dass der Himmel nichts anderes ist als Verlängerung des irdischen Daseins: Ein ewiger Kampf um Leben und Tod. Jedes neugeborene Kind ist ein Sieg über den Tod. Wenn aber ein Mensch stirbt, hat der Tod wieder die Oberhand gewonnen. Wenn dann neues Leben entsteht, kommt wieder neue Hoffnung auf. Viele denken sich darum diesen Vorgang von Stirb und Werde, von Geburt, Ehe und Tod als einen ewigen Kreislauf: Den Gesetzen der Natur habe sich auch Gott zu fügen.

Dagegen betont Jesus, dass - wenn (nach dem Tod) dem Menschen die Auferstehung geschenkt wird - dann ein neues Leben anbricht, das nichts mehr mit dem Kampf um Leben und Überleben, den wir hier auf Erden führen, zu tun hat. Gott ist größer als alles, und er schenkt alles. Die Sehnsucht der Menschen nach Leben in Fülle enttäuscht er nicht. Denn er ist der Gott des Lebens, kein Gott des Totenreichs. Auch Abraham, Isaak und Jakob, die Stammväter des jüdischen Volkes, auf die sich auch die Sadduzäer berufen - sie leben und mit ihnen alle, die im Glauben an den lebendigen Gott gestorben sind.

Was Jesus sagt, hat er am Ende selbst bezeugt durch seine Auferstehung am dritten Tag. So bauen wir, wenn wir Christus glauben, nicht auf Hirngespinste und Phantasien, sondern auf das, was Jesus selbst getan hat für uns.

Mit dem praktischen Nichtglauben an ein Leben nach dem Tod leugnen wir auch die Macht Gottes, die alles Leben übersteigt - und sind, wenn wir konsequent sind, damit auch unser ganzes Leben alleingelassen. Wer seine Toten anonym beiseite legt, der lebt sein Leben selbst in aller Anonymität. Wer aber von sich und den Verstorbenen glaubt, dass er vor Gott einen Namen hat, der hat auch Zukunft, über den Tod hinaus. Amen.

632. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

die letzten Worte der Bibel, im Buch der Offenbarung, deuten es an: «Komm Herr Jesus, komme bald, Maranatha!» - wir Christen leben in der Erwartung, dass der Herr bald wiederkommen wird. Gerade die frühen Christen rechneten stündlich - zumindest täglich mit der Wiederkunft. Und das mit großer Freude: Endlich wird der Herr kommen, und alles Leid hat ein Ende; das Kämpfen mit den inneren und äußeren Widerständen - endlich vorbei! Endlich in der Nähe Gottes ausruhen dürfen, nicht mehr im Wettlauf sein mit anderen, mit der Zeit, mit den täglichen Aufgaben - ja, das haben sich die Christen ersehnt.

Wir allerdings fürchten das Kommen des Herrn - auch wegen der Begleiterscheinung (Erdbeben, Krieg und Katastrophen sind nicht sehr verlockend), aber vor allem wegen der bangen Frage: Was bleibt mir? Was wird mir genommen?

Nun, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Die schlechte zuerst: Die Begleiterscheinungen, die das Ende der Welt so unattraktiv machen, sind bereits im vollen Gange. Wir kriegen davon nicht immer soviel mit, aber unsere Welt ist voller Krieg, Katastrophen und Krankheiten. Jesus hat damit nicht nur ein letzte Phase kurz vor dem Untergang der Erde gemeint, sondern die ganze Zeit, die ganzen letzten 2000 Jahre. Wir haben also nicht mehr zu fürchten als das, wo wir gerade mitten dring sind.

Ich habe aber auch eine gute Nachricht: Das, was wirklich wertvoll ist, können wir nicht verlieren: Unsere Liebe zu den Menschen, die Freude die wir in deren Nähe haben, die Opfer, die wir für andere bringen und die Aufmerksamkeiten, die andere uns zukommen lassen. Was wir verlieren können, dass ist all das, was sowieso nicht wichtig ist.

Fatal wäre es allerdings, wenn wir uns an diese Dinge klammern. Oder wenn wir glauben, die ewigen Güter wie Liebe und Geborgenheit nur dadurch zu bekommen, indem wir sie uns erarbeiten, verdienen oder mehr oder weniger erschwindeln.

Paulus denkt da ganz nüchtern: Arbeit dient dem Lebensunterhalt - nicht dem ewigen Heil. Was ich arbeite, ist nicht so wichtig. Wie ich arbeite - und welche Rolle die Arbeit in meinem christlichen Leben spielt, ist entscheidend.
Die Arbeit dient nicht dazu, sich selbst wichtig zu nehmen, Macht auszuüben oder Geltungstriebe zu befriedigen. Sie dient nicht der Selbstverwirklichung oder um sich in der Gesellschaft eine angesehene Stelle zu erarbeiten.

Dass Arbeitslose sich Sorgen machen, wie sie ihr Leben sichern können, ist hart und schwer belastend. Dass aber zu diesen leider berechtigten Ängsten noch Minderwertigkeitskomplexe hinzukommen, ist ein untrügliches Zeichen, dass wir das eigentliche Ziel des Lebens aus den Augen verloren haben: Heilig zu werden.

Wir leben in der Endzeit - unsere Zeit ist begrenzt; ob nun durch unseren eigenen Tod oder die begrenzte Zeit der ganzen Welt. So stellt sich unausweichlich die Frage, was ich erreichen will in meinem Leben. Nun, die Antworten fallen unterschiedlich aus; für uns Christen ist die Sache aber klar: Wir wollen in dem wachsen, was Dauer hat über diese Welt hinaus: Liebe, Beziehung und Dienst. Und wir wollen alles, was diese Welt uns an vorübergehenden Mitteln zur Verfügung stellt, für dieses Ziel einsetzen: Heilig zu werden mit möglichst allen Menschen, die wir lieben.

Amen.

633. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, schöne Aussichten sind das, die Jesus seinen Jüngern da bereitet. Und für die Juden ist das alles noch ein Spur dramatischer: Denn dass der Tempel in Jerusalem zerstört werden soll, bedeutet für den gläubigen Juden soviel wie der Weltuntergang. Gottes Heiligtum auf der Erde wird nicht mehr existierten - damit ist alles zu Ende.

Schöne Aussichten sind das für uns aber auch nicht. Wie soll man denn für das Christentum werben, wenn einem eine solche Zukunft vorausgesagt wird? Wenn man in die schönen Hochglanzbroschüren der Zeugen Jehovas blickt, dann sieht man dort wunderbare Gemälde von glücklichen Menschen und glücklichen Kühen in einer friedlichen Umgebung. Richtig schön.
Warum kann Jesus uns nicht eine rosige Zukunft ausmalen? Unheilspropheten hat es doch immer schon genug gegeben. Jetzt fängt der auch noch damit an.

Liebe Schwestern und Brüder, in den letzten Wochen des Kirchenjahres - vor Beginn des Adventes - stellt uns die Liturgie der Kirche bewusst «das Ende der Welt» vor Augen. Dabei geht es nicht um ein Datum oder um ein Horrorszenario, sondern es geht darum, uns an die eigene Vergänglichkeit - und vor allem die Vergänglichkeit der Dinge um uns herum zu erinnern. Die Frage der Kirche an uns könnte lauten: Wenn Du bedenkst, dass das alles hier einmal nicht mehr sein wird - wenn Du bedenkst, dass auch Du einmal nicht mehr sein wird - worauf kommt es dann wohl im Leben an?

Das was Jesus da ausmalt, ist ja auch nicht mehr die Zukunft. Es ist noch nicht geschehen aus der Sicht des Evangelisten - aber das ist fast 2000 Jahre her. Was Jesus da prophezeit, ist mehr oder weniger unsere jetzige Zeit. Und somit gibt er uns gute Ratschläge und Antworten auf genau diese Frage: Worauf kommt es eigentlich an?
Die Juden loben den Tempel, weil er so schön und vor allem so reich ist. Jesus weist darauf hin, dass es darauf wohl kaum ankommen kann, dass Werte wie Schönheit und Reichtum sehr schnell zerstört werden können. Viel wichtiger ist doch, dass sich um den Tempel ein betendes und glaubendes Volk sammelt.

Jesus warnt auch davor, in Führungspersönlichkeiten schon den Messias zu sehen. Dahinter steckt auch der Stolz, den Meister gefunden zu haben; Bescheid zu wissen, dass das Ende nicht mehr weit ist. Es kommt nicht darauf an, über den Stand der Dinge informiert zu sein. Und es kommt auch nicht darauf an, einen Messias zu haben, den man sieht. Nur weil andere einen Guru haben, von dem es Fotos gibt, brauchen wir uns nicht zu schämen. Darauf kommt es nämlich auch nicht an.

In unserem Leben kommt es auch nicht darauf an, für alles und jedes Rede und Antwort stehen zu können. Aus jedem Streit perfekt herauszukommen. Immer eine Antwort zu wissen. Wir sollen uns eben nicht überlegen, was wir reden, wenn es mal so weit ist. Auch wissen kann Eitelkeit sein.

Und als letztes - vielleicht etwas hart - kommt es auch nicht auf ein harmonisches Familienleben an. Nicht mehr über den Glauben zu sprechen, weil es sonst nur Streit gibt. Nicht mehr von meiner eigenen Überzeugung zu reden, weil das die Familie belastet. Nicht mehr gemeinsam zu beten, weil die Kinder sich dabei unwohl fühlen...

Es gibt vieles, worauf es nicht ankommt, denn all das, so sagt Jesus, zerbricht immer wieder und zerstört dann auch den, der alle Hoffnung allein an diesen guten, aber leider vergänglichen Werten festgemacht hat.

Viel wichtiger ist es, in Verbindung mit unserem Gott zu bleiben.
Viel wichtiger ist es, auf Gottes Kraft zu vertrauen. In allen Lagen meines Lebens.
Es kommt in meinem Leben darauf an, Gott einen Platz zu bewahren - und zwar den ersten Platz.
Es kommt darauf an, sich durch Katastrophen und Kriegen nicht den Glauben rauben zu lassen. All das mag schrecklich sein - schrecklicher aber noch ist die Hoffnungs- und Glaubenslosigkeit. Amen.

634. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Haben sie eigentlich schon ihren Urlaub geplant? Und - wo geht es dieses Jahr hin?
Ein Wunsch der meisten Menschen ist es, wenigstens für eine gewisse Zeit alles hinter sich zu lassen. Einfach weg, an nichts mehr denken, was mit Alltag zu tun hat. Raus aus dem alten Leben, vielleicht nur auf dem eigenen Balkon oder im Wintergarten, vielleicht nach Mallorca, am besten aber in die Südsee, weißer Strand und nicht mehr an Halverde denken. Das Paradies.

Sie werden sich vielleicht fragen, was dieser Wunsch mit unserer Osterfeier zu tun hat. Nun, die meisten Menschen stellen sich so - oder so ähnlich - das Leben nach dem Tode vor. Alles hinter sich lassen - an nichts mehr denken, was früher war, alles vergessen - vor allem auch die eigenen Unzulänglichkeiten. Aber auch die Unzulänglichkeiten anderer, die Unzulänglichkeiten unseres alltäglichen Lebens. Alles ist weg. Das Paradies.

In der alten Mythologie - vor allem der Ägypter - mussten dementsprechend die Verstorbenen über den Fluss des Vergessens schreiten. Was sie auf der anderen Seite erwartete, hatte nichts mehr mit ihrem eigenen Leben zu tun. Den Fluss des Vergessens überschreiten - auf unseren Flug in die Südsee vielleicht mit der Zollschranke zu vergleichen - und ein neues Leben beginnen. Das Paradies.

Da macht aber das Ostereignis, die Auferstehung Jesu also, einen dicken Strich durch die Rechnung. Christus verlässt nämlich nicht diese Welt, froh, endlich alles hinter sich zu haben und in der Hoffnung, alles zu vergessen, was ihm hier passiert ist. Sondern in Christi Auferstehung wird eine ganz besondere, christliche Sicht des Lebens und des Lebens nach dem Tode deutlich: Er kennt seine Jünger wieder, er begrüßt Maria Magdalena, er zeigt Thomas seine Wunden, er ißt mit den Aposteln und sogar mit Petrus, der ihn verleugnet hatte.

Die Vorstellung, klar trennen zu können zwischen dem hier und jetzt und dem dereinst, hat sich zerschlagen mit dem Ereignis der Weltgeschichte: Mit der Auferstehung Jesu. Denn mit dem neuen Leben, das er in der Osternacht begonnen hat, knüpft er an sein früheres Leben an. Er hat keinen vollkommen neuen Leib, sondern einen gewandelten. Die Wunden sind noch vorhanden, man kann ihn noch erkennen.

Und somit hat auch für uns das neue Leben, das ewige Leben seine scharfe Grenze verloren. Für uns hat schon die Zukunft begonnen. Wir sitzen auf dieser Erde eben nicht mehr wie in einer riesigen Wartehalle und drehen Däumchen, bis endlich unser Flug aufgerufen wird. Für die, die an Christus glauben und die Auferstehung ernst nehmen, hat - sozusagen - der Urlaub - die Südseeinsel - schon begonnen, aber das, ohne Vergessen und radikaler Neubeginn, sondern mitten in unserem jetzigen Leben. Das ewige Leben gewinnen wir nicht erst im Tode, sondern in dem Augenblick, in dem wir uns zum Leben mit Christus entschließen.

Christi Auferstehung, in der die Brücke geschlagen wird von unserem Leben zum ewigen Leben, sodass die Zukunft schon heute beginnt, ist ein erlösendes, freudiges Geschehen - trotz des Ernstes, der damit unserem Tun verliehen wird. Die Tatsache der Auferstehung wertet nämlich unser ganzes irdischen Leben enorm auf. Alles, was wir hier sind, was wir hier tun und was wir haben, hat seinen Platz bei uns und bei Gott. Nicht nur hier, sondern auch nach unserem Tode. Nichts ist umsonst, nichts vergeblich: Unser jetziges Leben ist nicht nur das Vorspiel, sondern der Beginn der Ewigkeit.

Bei Gott werden wir uns erinnern, wir werden uns erkennen. Wir werden verstehen, was wir hier füreinander getan haben, wir werden entdecken, was wir für andere gewesen sind und was andere für uns waren. Die Schleier, die jetzt noch vor unseren Augen liegen und die es uns oft schwer machen, zu entdecken, wie viel Güte und Liebe in einer Handlung oder in einer anderen Person uns tatsächlich entgegengebracht wird, werden dann verschwunden sein.

Es mag für einige Menschen eine Enttäuschung sein - dass es diesen Fluss des Vergessens nicht gibt. Und auch keine Zollschranke, hinter der alles zurückbleibt. Das, was wir hier in unserem Leben tun, ist von Bedeutung, hat Bestand und Dauer.

Für einige mag das erschreckend sein, denn unser Leben, unser Tun und Lassen hier gewinnt dadurch einen größeren Ernst, einen sehr viel größeren Ernst. Es ist nun nicht mehr egal, was wir tun, weil eben nicht alles am Ende unseres irdischen Lebens einfach zurückgelassen wird.

Die christliche Botschaft von der Auferstehung verleiht unserem Leben einen Ernst, der einigen unbequem erscheinen mag. Denn wir tragen eine Verantwortung für das, was wir sein werden. Und so schreibt Paulus auch die heute wenig angenehmen Worte: «Müht Euch mit Furcht und Zittern um Euer Heil!»

Ganz schön heavy, dieser Paulus. Das Ganze klingt dann aber schon weniger hart, wenn wir Paulus auch im Ganzen zu Wort kommen lassen. Denn dort heißt es im Zusammenhang: «Müht Euch mit Furcht und Zittern um Euer Heil! Denn Gott ist es, der in Euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, noch über euren guten Willen hinaus!»

Das ist die eigentliche Botschaft der Osternacht: Nicht wir sind die Bezwinger und Überwinder des Bösen und Schlechten in unserem Leben, nicht wir sind die, die gegen den Tod und alles Tödliche in unseren Handlungen ankämpfen müssen, sondern Christus ist es, der für uns überwunden hat, was uns bedroht. Wir sind seine Mitarbeiter, wir sind eben nicht auf uns allein gestellt.

Im späteren Leben wird alles das aufleuchten, was wir an guten Werken, Gedanken und an Gefühlen für andere investiert haben - aber Gott ist es, der uns dabei führt, stärkt und leitet.

Wenn sie Urlaub machen, denken sie daran: Das Schöne ist nicht, dass wir alles vergessen und hinter uns lassen. Das Schöne ist, dass wir das Gute und Wertvolle mitnehmen.

Amen.

635. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, in unserer Kirche gibt es viel zu sehen. Überall stehen Figuren herum, hängen Bilder oder werden Gegenstände aufbewahrt, die wir für unsere Gottesdienste gebrauchen. Und zu jeder Figur und zu jedem Gegenstand könnte man Geschichten erzählen.

Da vorne, zum Beispiel, die heilige Apollonia. Die hat deswegen eine Zange in der Hand, weil sie die Patronin der Zahnärzte ist. Wissen sie warum? Nein? Das erzähle ich Ihnen ein andermal.

Alles will uns an etwas erinnern, hat eine Bedeutung und einen Sinn. So ist es auch mit den Gottesdiensten: gerade in der Osternacht quillt der Gottesdienst nur so über von Zeichen und Symbolen und Symbolhandlung. Am Gründonnerstag, am Karfreitag und an vielen anderen Festen finden sich Gottesdienstelemente, die einen uralten Sinn enthalten. Oder wissen Sie, warum wir an Fronleichnam gerade vier Segensaltäre haben? Nein? Das erzähle ich Ihnen dann ein andermal.

Das ist typisch katholisch: Wir schwimmen in Zeichen und wissen manchmal gar nicht mehr, wofür sie gut sind und was sie bedeuten. Aber wir spüren etwas von einem tieferen Sinn; wir ahnen, dass sich hinter allem etwas von einem großen Geheimnis verbirgt. Sehen tun wir allerdings immer nur das äußere Zeichen.

Das kann manchmal hinderlich sein. Dann sind wir so sehr mit den Zeichen beschäftigt, dass wir gar nicht mehr dazu kommen, darüber nachzudenken, was sie bedeuten. Ines wird sich zum Beispiel bei Ausgießen des Weihwassers auf den Schulhof eher gefragt haben, wann es soweit ist; und weniger, wofür das gut ist. Wofür das gut ist, erzähle ich Ihnen ein andermal.

Aber auch wenn Zeichen manchmal den Blick versperren können, gilt doch: Ohne diese Bilder und Figuren, den Zeichen und Symbolen könnten wir gar nicht vermitteln, was wir glauben. Dass Jesus auferstanden ist, ist eine Wahrheit. Aber erfahrbar, lebendig wird sie erst, wenn wir es mit Leib und Seele erfahren.
Jesus ist schon seit mindesten 1968 Jahren auferstanden, und dass er auferstanden ist, gilt am kommenden Freitag genauso wie am Samstag vor Weihnachten. Aber erfahrbar wird das erst, wenn wir uns einen Zeitpunkt setzen. Wir können nicht das ganze Jahr an den Tod, die Auferstehung, die Geburt und die Himmelfahrt gleichzeitig denken. Wir brauchen Tage, heilige Zeiten und Riten, damit wir alles das begreifen.

Wir Menschen sind beschränkt! Wir sind so beschränkt, dass wir auf Dinge in Zeit und Raum angewiesen sind, um Erfahrungen zu machen und um uns auszudrücken. Ja, wenn wir nicht mehr in der Lage sind, einem anderen Menschen unsere Liebe auszudrücken und sie ihm mitzuteilen (und sei es nur mit Blicken oder Seufzen), dann stellt sich die Frage, ob wir uns dann überhaupt noch lieben können. Aber darüber erzähle ich Ihnen ein anderes Mal mehr.

Was hat das nun alles mit Ostern zu tun? An Ostern, liebe Schwestern und Brüder, geschieht etwas ganz Seltsames. Jesus ist Mensch geworden, damit wir ihn erfahren und unsere Liebe zu ihm ausdrücken können. Er hat sich klein gemacht und sich mit unserer Beschränktheit begnügt. Er ist, uns zuliebe, Mensch geworden, weil wir ihm - ohne seine Anwesenheit in Raum und Zeit - nicht mit Liebe hätten antworten können. Aber dann, nach seinem tiefsten Punkt, in der er die ganze Beschränktheit unseres Lebens durchgemacht hat bis zum Tod am Kreuz, fährt er nicht strahlend und jauchzend in seiner Göttlichkeit aus seiner irdischen Hülle und freut sich daran wieder Gott sein zu dürfen. Nein, er behält seinen Körper. Er behält seine Beschränktheit. Er behält die Angewiesenheit auf Zeichen, Zeit und Raum. Können sie das verstehen?

Jesus, Gottes Sohn und dem Vater gleich in Allmacht und Göttlichkeit, behält unseren irdischen Leib, mit all den vielen Gelenken und Knochen und Organen. Er behält das menschliche Gesicht, ja, er behält sogar die Wunden, die ihm zugefügt sind. Er freut sich darüber, auch weiterhin in Zeichen und Symbolen anwesend zu sein. Er kann sich zeigen und sich verbergen. Er kann erscheinen und reden, lächeln und sagen: "Ich liebe dich".

Jeder Platoniker (das sind die Anhänger der Philosophie Platons) würde die Hände über den Kopf zusammenschlagen: Für sie ist der Leib das Grab der Seele. Es gibt nichts schöneres, als den Tod, wenn die Seele endlich den Leib verlassen kann und zur vollkommenen Freiheit aufsteigt. Gott und ein Leib? Lächerlich. Deshalb hat auch Sokrates einen Hahn opfern lassen, als er starb. Das war das Opfer, das der Sklave darbrachte, wenn man ihm die Freiheit schenkte. Davon erzähle ich ein andermal noch mehr.

Aber bei Jesus ist das anders. Er freut sich an unserer Ausdrucksfähigkeit; er freut sich an seinem Leib - über seinen Tod hinaus. Nur ein wenig hat sich der Leib verändert: Er ist jetzt vollkommener Ausdruck der Seele. Er begrenzt die Seele nicht mehr, sondern dient ihr.

Liebe Schwestern und Brüder: Das ist Ostern, das ist Auferstehung: Ganz und gar zum Ausdruck der Liebe zu werden. Unseren Körper nicht um des Körpers willen pflegen, keine Schönheitskult um der Schönheit willen pflegen, keinen Jugendkult um der Jugend willen. Auferstehung heißt: Ab jetzt dient alles der Liebe. Alles ist Ausdruck und Mitteilung, alles, sogar die Wunden und das Leid, sind Zeichen der Liebe.

Wenn wir das versuchen zu leben, beginnt Ostern heute schon, bei Ihnen zu Hause oder hier in der Kirche; um 5.00 Uhr morgens oder um 3.00 Uhr nachmittags. Auferstehung ist möglich. Amen.

636. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wenn ich in der Schule oder bei anderen Gelegenheiten davon spreche, dass Ostern das höchste Fest der Kirche ist, dann ernte ich oft nur Erstaunen oder Kopfschütteln. Für die allermeisten ist nicht Ostern, sondern Weihnachten das Fest aller Feste.

Das mag vielleicht mit Nebensächlichkeiten und Zufälligkeiten zu tun haben: Weihnachten ist ein Familienfest - schon allein deshalb, weil es früher keine Zentralheizung gab und die Menschen sich in der kalten Weihnachtsnacht eng um den heimischen Kamin versammelten.
Weihnachten ist überhaupt viel romantischer - mit dem ganzen Kerzenschein und Lebkuchengeruch zuhause. Und anstatt mühevoll Ostereier zu suchen, wissen wir genau, wo die Geschenke liegen. Wir brauchen sie nur auspacken.
Vielleicht ist es auch das, was den Kindern Weihnachten so toll erscheinen lässt: Dass es Geschenke gibt. Auf Ostern gibt es allerhöchstens einen Osterhasen aus Schokolade und ein paar Überraschungseier.

Aber es gibt noch tiefer Gründe, warum uns das Weihnachtsfest sehr viel näher erscheint als Ostern. An Weihnachten wird Gott Mensch; ein Kind ist uns geschenkt - das können wir uns gut vorstellen. Allein schon unsere Krippendarstellungen zeigen, das wir das Weihnachtsgeheimnis gut ausschmücken können.
An Ostern wird ein Mensch zum Gott - das können wir uns nur schwer vorstellen. Es gibt wohl deshalb auch keine Osterkrippen. Allerhöchstens das leere Grab können wir darstellen - beim Auferstandenen fällt es uns schon schwer.

"Machs wie Gott: Werde Mensch!" - das können wir uns vorstellen. Da können wir auch begreifen, was das mit unserem Alltag zu tun hat: So werden, wir Jesus als Mensch es uns vorgelebt hat.
Aber was sollen wir mit dem Ostergedanken anfangen? Gut - die Hoffnung auf die Auferstehung irgendwann einmal, das ist nicht unwichtig. Aber jetzt - in meinem Alltag? Ich kann nicht wie Jesus durch Türe und Wände gehen. Was soll ich mir also den Auferstandenen als Vorbild nehmen?

Insgesamt ist uns das Weihnachtsfest lieber; die Geburt ist ein schönes Fest für die ganze Familie. Zu Ostern gehört ja auch der Karfreitag - und das erinnert uns keineswegs an schöne Momente in unserem Leben.

Liebe Schwestern und Brüder, es ist eindeutig: Was die Nähe des Festes zu unserem Leben und unseren Lebenserfahrungen angeht, siegt Weihnachten um Längen vor Ostern. Ostern ist einfach zu weit weg: In der fernen Zukunft, im Jenseits, in einem anderen Leben.

Liebe Schwestern und Brüder: Wenn die Kirche trotzdem Wert darauf legt, das Ostern mit Abstand der Vorrang vor allen anderen Festen des Jahres erhält, dann vermutlich deshalb, weil unser Glaube nicht nur unserem Alltag einen neuen Anstrich geben möchte - sondern uns in einen anderen Alltag hineinruft.

Gott ist ein Gott, der uns herausruft. Er will nicht nur ein Zusatz zu unserem Leben sein - so ähnlich wie eine Zusatz-Diät, die man zusätzlich zwischen den üblichen Mahlzeiten ißt. Er ist kein Geschmacksverstärker, sondern jemand, der uns auffordert, unsere bisherigen Erfahrungen hinter sich zu lassen und herauszukommen aus unseren engen Lebensgrenzen.

"Komm heraus, Lazarus!" - Das ruft er uns zu.

"Folge mir nach!" fordert er uns auf.

"Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!" sagt er und erwartet, dass wir bereit sind, ganz neue Erfahrungen zu machen.

Neue Erfahrungen, österliche Erfahrungen. Die Erfahrung, das Jesus lebt und mir zur Seite steht, kann ich nur machen, wenn ich mich auf neues Territorium wage: Anderen verzeihe, wo keiner mehr damit gerechnet hat. Zugebe, dass ich verbohrt gewesen bin. Öffentlich im engsten Freundeskreis von meiner Liebe zu Gott spreche. Auf Menschen zugehe, die in ihren eigenen Sorgen zu ertrinken drohen. Und dabei darauf vertraue: Jesus lebt! Er steht mir zur Seite!

Liebe Schwestern und Brüder: Weihnachten knüpft an den Erfahrungen an, die ich und jedermann schon gemacht hat. Gott wird ein Teil der Welt, die mir vertraut ist.

Ostern knüpft nicht an alten Erfahrungen an. Ostern ermöglicht mir neue: Die Erfahrungen einer neuen Welt; die Erfahrung, das Gott Wunder wirken wird - in meinem Leben. Die Erfahrung, dass ich zu mehr berufen bin, als nur "Mensch zu werden".

Seit Ostern heißt es eben nicht mehr: "Mach's wie Gott, werde Mensch!"

Seit Ostern heißt es: "Komm heraus, Lazarus!"

«Komm heraus, alter Mensch, und lass Dich verwandeln. Gott hat Göttliches mit Dir vor - nicht nur Menschliches. Dafür bist Du ihm viel zu lieb.»

Amen.

637. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

zuerst waren die Jünger begeistert mit Jesus unterwegs, schmiedeten Pläne für die Zukunft, wollten die Welt verändern; doch mit dem Tod Jesu schien alles aus zu sein. Dieser Schock ging wohl tiefer, als man meint. Denn selbst, nachdem sie dem auferstandenen Jesus getroffen haben, kehren zurück zu ihrer Arbeit. Alle Predigt des Herrn der letzten drei Jahre waren vergessen und alles Vertrauen zerbrochen.
Das zeigt auch die Schilderung der vergeblichen Fischzugs: Genau die gleiche Situation hat schon drei Jahre zuvor stattgefunden, als Jesus seine Apostel berufen hat. Dort wird in beinahe denselben Worten erzählt, wie diese Fischer auf das Wort Jesu hin nochmals hinausfahren und mit berstend vollen Netzen heimkehren. - Jetzt, drei Jahre später, scheint Jesus wieder von vorne anfangen zu müssen. War alles umsonst?

Diese Frage "War alles umsonst?" stellt sich öfter in unserem Leben. Es kommt wohl keiner ohne die Erfahrung des Scheiterns davon: Pläne, die sich nicht verwirklichen lassen; Freundschaften, Beziehungen, Ehen, die in die Brüche gehen; Eltern, die ihre Kinder nicht mehr verstehen ... und irgendwie denken wir: könnten wir doch nochmals von vorne anfangen; warum habe ich mich darauf überhaupt eingelassen!

An diesem steht Jesus auch. Alles hätte aus sein können. Die Mission Jesu wäre gescheitert; die Apostel hätten ihre alten Berufe wieder ausgeübt – und uns Christen hätte es nie gegeben.

Doch Jesus beginnt nicht von vorne. Er kennt seine Apostel, und er weiß, was sich tief in ihren Herzen herangebildet hat, was verschüttet liegt und vielleicht zerbrochen ist. Und er kennt das Mittel, dass ihnen wieder neuem Atem gibt, neuen Lebensmut, Kraft, sich aufzumachen und wider besseres Wissen oder wider allen Augenschein aufzubrechen.

Es sind ganz einfache Bewegungen Jesu, die das zustande bringen. Dort im Garten, beim leeren Grab begegnet er der Maria Magdalena, und er spricht nur ein Wort: Maria! Dieses eine Wort rührt alles in ihr an und bringt in ihr alles wieder zum klingen, was stumm geworden war.
Den Aposteln, die sie sich vor Furcht eingeschlossen hatten, den zwei Jüngern, die aus Jerusalem weggehen, nach Emmaus, den fischenden Aposteln, deren Netze leer sind: Alle diesen Verzweifelten schenkt er den zweiten Atem mit ganz kleinen Gesten und Zeichen.

Am schönsten wird deutlich, wie Jesus die zerstörten Menschen wiederherstellt, als er mit Petrus spricht. Er fragt den Petrus nicht dreimal: «Warum hast Du mich verleugnet?». Nein, was gewesen ist, ist vorbei. Nicht das Scheitern, das Versagen spricht Jesus an. Jesus wendet den Blick nach vorne und fragt seinen Petrus: "Liebst Du mich?" - Die Liebe ist es schließlich, die uns den zweiten Atem schenkt. Nichts anderes hat er Maria Magdalena geschenkt, als er sie nur mit ihrem Namen angesprochen hat: Maria!
Nichts anderes hat er den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus geschenkt, als er mit ihnen die Eucharistie feierte.
Nichts anderes meinte er, als er den Frieden wünschte: Meine Liebe sei mit Euch! Sie wirke in Euch! Sie mache alles vergessen, schenke Euch neues Leben, neue Hoffnung und Kraft, sich wieder aufzuraffen, den Weg weiterzugehen.

Christliche Botschaft ist die Zusage dieser Begegnung mit dem Auferstandenen - gerade dort, wo wir selber nicht weiterwissen; wo alles aus scheint.

Der Auferstehungsglaube ist den Frauen und den Jüngern nicht in den Schoß gefallen; sie mussten zuerst viele Zweifel und Vorbehalte überwinden. Geholfen hat ihnen dabei Jesus selbst. Nicht, indem er von vorne angefangen ist, sondern indem er die Wunden mit Zuneigung geheilt hat. Das brauchte Zeit, das kann nicht von heute auf morgen geschehen. Das weiß Jesus, und deshalb wird er auch uns am Ende unseres Lebens nicht fragen, wieviel wir getan haben und wie schnell wir wieder auf die Beine gekommen sind, sondern nur: "Liebst Du mich?"

Amen.

638. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

haben Sie schon einmal von der Pädagogik Gottes gehört? Im Gegensatz zu anderen Gottesbildern, wo die Götter oft herrschende Despoten sind, die die Menschen nur erschaffen haben, damit sie ihnen dienen, haben wir nämlich einen Gott, der sich über und an uns freuen will. Darum ist er auch kein Diktator, sondern er ist auf sehr pädagogische Art und Weise - oder, um im gewohnten religiösen Sprachgebrauch zu bleiben, auf sehr liebevolle Weise um uns bemüht. Daher auch die angemessene Anrede als Vater.
Das Ziel seiner Pädagogik, die Erlösung des Menschen, bedeutet nichts anderes, als den Menschen dorthin zurückzuführen, wo er seine Erfüllung findet: Nämlich darin, dass wir uns an Gott schlichtweg freuen, an Seiner Größe, Güte und Schönheit, und zusammen mit Ihm an den Menschen, die Er zur Freude aller erschaffen hat und liebt.

Eigentlich ein Ziel, dass jeder für sich erstrebenswert finden sollte, ja, dass meiner Meinung nach sogar jeder Mensch insgeheim sucht. Leider aber bedarf es trotzdem immer wieder gewisser erzieherischer Maßnahmen, um uns Menschen dorthin zu führen.
Da sind wir auch nicht besser als viele Kinder - oder auch Jugendliche: Obwohl wir genau wissen, dass etwas schlecht für uns ist, tun wir es trotzdem - und reden uns dann noch heraus, dass es doch eigentlich so auch ganz gut geht.

Nun, während viele von uns in solchen Situationen auch schon einmal die Geduld verlieren, zeigt sich Gottes Größe gerade eben in seiner geduldsvollen Pädagogik: Er zeigt den Menschen den Weg, der zum Heil führt - vor allem, indem er ihn selber geht. Er zwingt keinen, er macht keine Vorschriften oder stellt Strafen auf. Er lädt ein, er stellt fest, so, wie im heutigen Evangelium:
«Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus - und ihr werdet etwas fangen.» Das ist kein Befehl. Das ist eine Verheißung, so ähnlich wie: «Wenn Ihr meine Gebote haltet, so bleibt Ihr in mir und ich in Euch.» Jedem ist frei gestellt, ob er sich dieser Lebensweise anschließen will oder nicht. Keiner wird gezwungen. Wer seine Netze nicht auswerfen will, der braucht es nicht zu tun. Allerdings wird er dann auch nicht den großen Fang machen.

Viele sehen heute in der Kirche einen Verrat an dieser liebevollen, zurückhaltenden Pädagogik Gottes, und den Papst, der große Moralapostel, als den Oberverräter. «Wie kann der Papst das - oder das - verbieten?»

Entschuldigen Sie - der Papst kann Ihnen überhaupt nichts verbieten. Er tut es auch nicht. Wer nur einmal einen Blick in die Reden und Dokumente des Papstes geworfen hat, der weiß, dass ihm nichts ferner liegt, als den Menschen zu versklaven. Er macht keine Vorschriften. Nennen sie mir nur ein Dokument, wo er von irgendjemanden etwas verlangt!

Seine Aufgabe, wie die Aufgabe aller Christen, ist Zeugnis abzulegen für den Weg, der zum Ziel führt. Dazu gehört natürlich selbstverständlich, dass wir Irrwege markieren, davor warnen, wenn Gefahren lauern. Das ist die Aufgabe des Papstes, der Bischöfe und Priester - und vor allem auch Ihre Aufgabe! Aber wir können niemanden etwas verbieten. Wir können keinen davon abhalten, die schlechten Wege zu gehen.

Alle Menschen sind frei, der Lebensweise zu folgen, die sie für die Richtige halten. Jeder Mensch ist frei, sich der katholischen Kirche anzuschließen, wenn er in ihr den Weg zum Heil entdeckt. Keiner von ihnen ist gezwungenermaßen hier, keiner, bei dem «römisch-katholisch» im Pass steht, wird dazu gezwungen, es zu bleiben. Wer seine Netze nicht auswerfen will, braucht es nicht zu tun. Aber Hinweise darauf, dass wir dann auch den großen Fang nicht machen werden, sind nicht nur erlaubt, sondern sogar unsere Pflicht. Wer den Weg zum Leben kennt, ihn aber verschweigt, ist nicht besser als der, der in der Wüste die Oase kennt, es aber dem Verdurstenden vorenthält.

Moraltheologie und Glaube sind immer etwas Positives, sie weisen immer nur auf den Weg hin, der zum Ziel führt - auch, wenn darin andere Wege verworfen werden. Zur göttlichen Pädagogik gehört allerdings dazu, dass wir selber diesen Weg gehen - und selbst, wenn es ein nicht immer einfacher Weg sein sollte. Amen.

639. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

am heutigen Sonntag feiert die Kirche den Tag der geistlichen Berufe. Unter anderem bittet sie um Nachwuchs in den Berufen, die das Leben der Kirche bereichern: Den Priesterberuf, die Berufung zum Ordensmann oder Ordensfrau.

Der Rückgang der Berufungen in unserer westlichen Welt hat verschiedene Gründe; mehrfach habe ich bereits darauf hingewiesen, dass die Anzahl der Berufungen in einem konstanten Verhältnis zur Anzahl der Gottesdienstbesucher steht. Das eigentliche Problem bleibt der Rückgang der christlichen Lebensweise insgesamt; die Anzahl der Berufungen ist nur ein Symptom, die Ursache liegt woanders.

Der Bischof von Roermond, Bischof Gijsen, jetzt Bischof von Reykjavik auf Island, hatte in seinem Bistum keinen Priesternachwuchs mehr. So begann er in den 80-er Jahren, von Gemeinde zu Gemeinde zu ziehen und dort Gebetsabende zu halten. Zehn Jahre später war das Priesterseminar in Rolduc zu klein, um die Zahl der Priesteramtskandidaten aufzunehmen.

Das liegt daran, liebe Schwestern und Brüder, dass Priester zunächst keine Sozialarbeiter sind, von ihrer Berufung her auch keine Gemeindeleiter oder Psychologen, sondern Menschen mit einem besonderen Verhältnis zu Gott. Sie lassen sich in Dienst nehmen, um Gottes Botschaft weiterzusagen. Wie ich im Beichtunterricht den Kommunionkindern sage: Ich bin wie ein Telefonhörer: Was ihr mir sagt, kommt bei Gott an, und ich darf Euch dann im Auftrag Gottes etwas ausrichten. Das ist priesterliches Wirken: Im Auftrag handeln, selbst transparent zu werden und sich nicht zu wichtig zu nehmen; ganz für Gott und die Menschen da sein; Mittelsmann zwischen Gott und den Menschen. Wir sind wie Unterhändler der Liebe: Wir überbringen Botschaften, deren Inhalt wir nicht selbst bestimmen.

Dazu gehört, das wir uns selbst nicht zu wichtig nehmen. Demut und Bereitschaft, Gottes Willen zu tun, sind priesterliche Eigenschaften. Und diese Wachsen im Gebet; nirgends sonst. Sich aktiv für die Kirche einzusetzen, bedeutet, für und mit der Jugend zu beten. - Sich aktiv für die Kirche einzusetzen, bedeutet, für und mit der Jugend zu beten, so wie Bischof Gijsen es getan hat.

Und dazu gehört auch, dass die Gemeinden ihre Priester nicht zu wichtig nehmen. Das klingt vielleicht etwas seltsam, aber es ist doch richtig: Nicht der Priester bestimmt, wie lebendig ihre Gemeinde ist, wie tief ihr Glaube und wie groß ihre Liebe. Nicht der Priester sagt ihnen, wie sie zu leben haben; nicht der Priester ist verantwortlich dafür, wieviel sie beten. Nicht der Priester ist verantwortlich für die Kranken, Sterbenden und Notleidenden, die Kinder und Jugendlichen, die Familien und Älteren. Alles das sind Aufgaben der ganzen Gemeinde, eines jeden Einzelnen von ihnen. Was eine Gemeinde nicht selbst tut, kann der Priester nicht ersetzen.

Und auch wir Priester können etwas dafür tun, um deutlich zu machen, wie schön es ist, einen geistlichen Beruf auszuüben: Wir sollten weniger klagen und stöhnen, weniger davon sprechen, wieviel wir zu tun haben, sondern viel mehr davon, wie herrlich es ist, Gott dienen zu dürfen. Nicht die Rückschläge, die es leider immer wieder gibt, sollten Gegenstand unserer Erzählungen sein, sondern die schönen Erfahrungen mit Gott, dem Gebet und den Menschen. Wer wird schon gerne Elektriker, wenn der Meister nur von den Stromschlägen erzählt, die er alle schon einstecken musste.

Am wichtigsten aber ist die Erkenntnis, dass jede Berufung von Gott kommt. Wir können Berufungen nicht organisieren; es nutzen dazu auch keine Strukturdebatten und Positionspapiere. Wer sich Sorgen macht um die Arbeit im Weinberg, sollte den Herrn des Weinbergs bitten, Arbeiter in seinen Weinberg zu bitten. Unter Umständen stundenlang. Amen.

640. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Gerade am heutigen Tag der geistlichen Berufe wird immer wieder erwähnt, wie sehr der Kirche doch der Rückgang der Berufungen schadet, wie sehr dem Leben in der Kirche gerade diese Berufungen mangeln.

Dass die Zahl der Ordensleute, pastoralen Mitarbeiter, Seelsorger und Priester zurückgeht, ist kein Geheimnis, ist in jedermanns Munde. Und immer wieder fällt das Schlagwort: «Priestermangel».

Ich darf an dieser Stelle einmal darauf hinweisen, dass wir keinen Priestermangel haben. Vergleicht man die Anzahl der Priester - heute, und sagen wir von vor 50 Jahren - mit der Anzahl der Gottesdienstbesucher, der aktiven Gemeindemitglieder, so stellt man sehr schnell fest, dass das Verhältnis beider zueinander sich wenig geändert hat. Prozentual zu den Gottesdienstbesuchern hat sogar die Zahl der Priester zugenommen.

Es ist also falsch, vom Priestermangel zu sprechen. Besser wäre es, vom «Christenmangel» zu sprechen. Denn diese Zahl ist es, die Besorgnis erregend abnimmt. Die Zahl der geistlichen Berufe ist voll und ganz abhängig von der Zahl der engagierten, glaubensfrohen Christen insgesamt. Aber dort mangelt es.

Aber was nutzt es, immer wieder diesen Mangel - ob es nun ein Priestermangel oder ein Christenmangel ist - zu beklagen. Ob wir nun viele sind - oder nur ein paar: Unsere Strahlenkraft hängt weiß Gott nicht von unserer Anzahl ab. Auch Paulus war nur ein Einzelner - und hat doch eine ganze Menge erreicht. Lassen wir also die Rechnerei und das Jammern über die kirchlichen Statistiken. Gerade die Statistiken erzählen uns nämlich nichts über die Lebendigkeit unseres Glaubens.

Viele, die sich von einer scheinbar sterbenden Kirche entfernt haben, würden staunen, wenn sie mitbekämen, was in dem weiten Rahmen der Kirche geleistet wird.

Die kirchlichen Sozialdienste - zum großen Teil ehrenamtlich, die Besuchsdienste, Krankendienst, die Beratungsstellen. Die freiwilligen Helfer der Gemeindecaritas, das Engagement in den Kindergärten und Schulen - oft weit über das geforderte Maß hinaus, die Jugendlichen, die sich aus einem großen Idealismus heraus in der Kinder- und Jugendarbeit engagieren. Die vielen Gottesdienstvorbereitungsgruppen, Gesprächskreise, die Frauengemeinschaft, Kolping, KAB, die Seniorenarbeit - ich hör hier lieber auf, bevor ich noch jemand vergesse, der unbedingt erwähnt werden müsste.

Nicht die Zahl der Priester, auch nicht die Zahl der Christen ist entscheidend. Entscheidend ist, wofür und wie diejenigen Zeugnis ablegen, die sich im Namen Gottes für die Menschen einsetzen und oft sogar aufopfern.

Eine Gruppe möchte ich heute aber besonders erwähnen, die in unserem Pfarrheim still und oft unbemerkt einen treuen Dienst tut, der nicht immer genügend Anerkennung findet: Die Kreuzbundgruppe.

Wir beginnen heute die Woche für das Leben, die dieses Jahr unter dem Motto: «Sinn statt Sucht» steht. Dass wir die hohe Einsatzbereitschaft vieler Menschen in- und außerhalb der Kirche nicht mehr bemerken, liegt wahrscheinlich daran, dass wir vielfach auch kein Auge mehr haben für Nöte und Probleme sehr vieler Menschen, die mitten unter uns leben. Vor vielen Problemen schließen wir die Augen, weil wir sie nicht wahrhaben wollen.

Um so wichtiger ist, dass Betroffene - aber auch vor allem nicht Betroffene - sich, wie zum Beispiel der Kreuzbund, für diese Menschen einsetzen, Hilfe leisten, da sind. Menschen, die für andere da sind: nicht nur mit medizinischer, psychologischer oder sozialer Arbeit, sondern vor allem mit dem Herzen. Wer Sucht bekämpfen, bewältigen will, kann das nur, wenn er den Menschen, so wie er ist, als liebenswürdig begreift. Wer ein Auge und ein Ohr für die Nöte der Menschen haben will, kann das nur, wenn er ein Herz für die Menschen hat.

«Sinn statt Sucht» heißt: Nicht zählen, nicht klagen, nicht jammern, sondern Dasein, für einander Dasein. Den Menschen nicht erzählen, sondern vorleben: Gott kennt Dich mit Namen. Er liebt uns. Jeden.

641. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

gerne schwelgen wir in den Bildern der Liebe und des Friedens. Gerade in den Zeiten des Krieges oder der Not ist es so tröstlich, die Worte der heutigen Offenbarung zu lesen und zu inhalieren - es wird so schön werden im Himmel!

Seht, ich mache alles neu - heißt es am Schluss der Lesung. Genau dieser Satz der Hoffnung und der Zuversicht kommt auch an entscheidender Stelle in dem Film "Die Passion Christi" vor. Jesus fällt erneut unter dem Kreuz und begegnet dort am Boden, ganz unten, seine Mutter. Und er sagt zu ihr: "Siehe, ich mache alles neu!"

Ganz unten erhebt Jesus den Blick in die friedliche Zukunft. Nicht nur deshalb, weil er und wir Menschen die Hoffnung gerade dann brauchen, wenn es uns ganz schlecht. Sondern deshalb, weil es das Paradies nicht gibt ohne das Opfer Christi.

Wir glauben gerne, dass all den Luxus, in dem wir leben, selbst verdient haben, durch unserer Hände Arbeit und unseren eigenen Fleiß. Wir reden uns ein, dass wir niemanden etwas schuldig bleiben; und wenn, dann sehen wir zu, dass wir unsere Schulden bald begleichen.
Aber dem ist nicht so. Wir leben immer auf Kosten anderer. Das gilt sogar für die Weltwirtschaft; das Weltklima oder die Umweltverschmutzung. Wir leben aber auch von dem, was unsere Vorfahren geschaffen haben; wir sind Nutznießer der Arbeit und der Mühen der Menschen, die vor uns gelebt haben und unsere Freiheit, unsere Rechte und vieles mehr oft genug mit dem Leben bezahlt haben.

Aber noch viel mehr als davon leben wir von dem, was Jesus Christus für uns getan hat. Wir sind Nutznießer der Früchte seines Leidens. Im Evangelium heißt es: "Liebt einander!" nachdem es zuvor hieß: "Als Judas hinausgegangen war." Seine Liebe zu uns war eine Liebe, die bereit war zum Leiden. Eine, die bereit gewesen ist, das eigene Leben zu geben. Zu wissen, dass da jemand ist, der mich liebt, ist schön. Vielleicht das schönste, was wir auf dieser Welt erfahren könne. Vermutlich ist das sogar im buchstäblichen Sinne der Himmel auf Erden.
Aber jede Liebesversicherung ist menschlich - brüchig - vielleicht nicht von Dauer. Zu welchem Opfer ist der bereit, der mich liebt? Wieviel wir er von mir ertragen? Welcher Fehler wird er mir nicht verzeihen? Liebt er mich auch noch, wenn ich alt bin? Schwach? Krank? Hilfsbedürftig?

Jesus Christus hat seine Liebe eben nicht nur gezeigt, indem er ein riesiges rosa Herz an den Himmel gemalt hat. Sondern er hat seine Liebe gezeigt, indem er für uns gestorben ist. Die Botschaft ist klar: Meine Liebe erträgt alles, hält alles aus, hält allem stand.

Der Blick in das Paradies ist damit nicht erst etwas Jenseitiges geworden. Wir haben das Paradies schon hier auf Erden: Gott ist bei uns, er liebt uns, ohne jedes wenn und aber.

Und somit ist unsere Hoffnung nicht nur eine vage Hoffnung. Sondern Gewissheit. "Seht, ich mache alles neu!" Hat Christus eben dann gesagt, als er wirklich alles ertragen hat, was wir einem anderen Menschen antun konnten. Und er hat es immer noch aus Liebe gesagt.

Nehmen wir seine Zusage ernst, glauben wir wirklich daran, dann ist es auch für uns ein leichtes, uns gegenseitig Liebe zu schenken. Denn jetzt kann uns nichts mehr passieren: Was auch geschieht, Gott steht auf unserer Seite.

Amen.

642. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, in der Offenbarung des Johannes ist viel vom Gericht und Untergang der Welt zu lesen. Ein Buch voller Rätsel und Andeutungen, dass zu einem Lieblingsbuch christlicher Sekten geworden ist; weil man in dieses Buch alles mögliche hinein- oder herauslesen kann.

Nach all diesen Untergangs- und Gerichtsvisionen hebt sich aber zum Schluss die Stimmung, und es folgt die Vision, die wir vorhin als Lesung gehört haben: Einen neuen Himmel und eine neue Erde wird es geben, keine Tränen und keine Trauer; Gott wird in unserer Mitte wohnen und wir werden sein Volk sein.

Ein herrliche Vision, die allerdings auch seine Kritiker hat: Einige Philosophen, vor allem Karl Marx und die Kommunisten, haben dem Christentum vorgeworfen, mit einer solch schönen Vision vom Jenseits die Verwandlung dieser Welt zu vernachlässigen. Sie glaubten, Christen, die sich auf den Himmel freuen, würden diese Welt zur Hölle werden lassen.

Viele Menschen, darunter auch eine Schwester Maria Euthymia haben den Gegenbeweis angetreten. Sie haben diese Welt menschlicher gemacht, wenn auch manchmal ein ein klein wenig; nicht etwa, weil sie nichts vom Jenseits erwartet haben. Nein, sie habe diese Welt verändert, gerade weil sie ein Bild in ihren Herzen getragen haben, wie diese Welt sein könnte. Hoffnung nennen wir das.

Wir brauchen Visionen, um Hoffnung zu haben. Wir brauchen eine Vision von einer besseren Welt; damit wir überhaupt beginnen, diese Welt umzugestalten. Wir brauchen eine Vision von unserem eigenen Leben, wie es sein könnte, wenn Gott es leitet; und wie es sein wird, wenn wir es in Gott vollendet sehen. Wir brauchen eine Vision von jedem Menschen, dem wir begegnen: was noch in ihm steckt, zu was er sich noch entwickeln kann.
Dabei, liebe Schwestern und Brüder, verwechseln sie nicht Visionen mit Träumereien. Träumereien sind Utopien, die so hoch und so weit weg sind, dass wir nur frustriert sind, wenn wir die Wirklichkeit betrachten.

Vergleichen sie, liebe Schwestern, nur einmal das Bild vom "Traummann" mit ihrem tatsächlichen Ehemann. (Und umgekehrt).
Vollkommenheitsträume können lähmen. Sie bereiten zwar Freude, so lange der Traum anhält, erweisen sich aber im Alltag als wenig hilfreich. Das gleiche gilt z.B. auch für Besinnungstage, die sich mit dem «Traum von Kirche» beschäftigen, «Wir träumen unsere Pfarrgemeinde», usw.

Träume von Visionen zu unterscheiden, ist nicht immer ganz so einfach. Manchmal vermischen sich beide. Aber es gibt ein paar Hinweise:

Visionen kommen von Gott, Träume sind nur Phantasie.
Visionen werden uns in Augenblicken des Glücks geschenkt, Träume machen wir uns meisten dann, wenn wir unzufrieden sind.
Visionen kommen aus dem Gebet oder ermuntern dazu. Träume werden dadurch nur gestört.
Visionen wecken Hoffnung auf eine bessere Zeit, sie verkennen aber nicht, dass es bis dahin noch ein mühseliger Weg sein kann. Träume kennen keinen Weg.

Der wichtigste Unterschied aber ist im Evangelium genannt worden: Visionen ermuntern zur Liebe, lassen Quellen der Liebe und Freude in uns wach werden und sprudeln.

Gott hat eine Vision, was aus dieser Welt werden kann. Gott hat eine Vision, was aus ihrem Leben werden kann. Gott hat eine Vision, was aus dem Menschen werden kann, den sie lieben. Fragen sie Gott danach. Sie brauchen diese Visionen zum Leben!

Amen.

643. Predigtvorschlag

"Der Heilige Geist und wir haben beschlossen" (Apg 15,28)

Eine Kirche, die in sich gespalten ist, ist kraftlos und unglaubwürdig. Darum war die Eintracht in der Kirche ein Anliegen, um das von Anfang an gebetet und gerungen wurde. Es galt nicht das Motto des Alten Fritz: "Jeder soll nach seiner Facon selig werden" oder "Ist ja doch egal, was einer glaubt", sondern es wurde gefragt nach der Treue zur Sendung, wie Jesus selbst sie verstanden hatte. Die Apostelgeschichte berichtet davon.

Sie berichtet von der Christengemeinde in Antiochien in Syrien. Antiochia war nach Rom und Alexandrien die drittgrößte Stadt im damaligen Römischen Weltreich. Unter den etwa 500.000 Einwohnern gab es eine große jüdische Gemeinde. Nach der Steinigung des Diakons Stephanus kamen in der dann einsetzenden Verfolgung die Christen auch nach Antiochia und verkündeten dort den Glauben (Apg 11,19), und zwar - anscheinend erstmals - nicht nur an die Glaubensgeschwister, die Juden, sondern auch an die Heiden. Zum erstenmal hat man die Jünger Jesu hier "Christen" genannt (Apg 11,26).

Aber auch in Antiochia passierte bald, was sich in der Zeit darauf in der Kirche immer aufs neue wiederholen sollte: Aus einem "Seht, wie sie einander lieben" wird ein "Seht, wie sie miteinander streiten!" Aber im Unterschied zu manchen Anlässen, woraus bei uns zuweilen Streit entsteht, gab es hier, in der Urgemeinde in Antiochia, einen ganz wichtigen und wesentlichen Grund: nämlich die Frage, ob einer, um Christ werden und die Taufe empfangen zu können, nicht zuerst Jude werden müsse, um dann, als Jude, den Weg zu Christus zu finden? So dachten die frommen Juden, die Christen geworden waren. Sie warfen ein gewichtiges Argument in die Waagschale: Gott habe doch das jüdische Volk auserwählt und ihm und keinem anderen Volk seine Verheißungen gegeben. So sei der Weg zum Heil doch klar vorgegeben: über das Volk Israel.

Aber dagegen stand die andere Meinung, die Paulus und Barnabas vertreten. Sie sagen: Nicht die Beschneidung und die Befolgung der jüdischen Gesetzesvorschriften ist notwendig, sondern der Glaube an Christus. Nicht nur den Juden hat Gott das Heil zugesagt, sondern allen Menschen, die sich für Christus und seine Botschaft öffnen. Alle sind, unabhängig von ihrer Herkunft, berufen und eingeladen, in der Taufe neues und ewiges Leben und die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott zu empfangen.

Wo diese beiden Meinungen aufeinandertrafen, war klar, daß eine Entscheidung und eine Klärung bald erfolgen mußte. Denn beides zugleich ging nicht, das eine schloß das andere aus. Wer aber hat recht? Was ist zu tun? Wie finden wir die Wahrheit?

Die Gemeinde macht nun keine Umfrage in dieser Sache und läßt auch nicht einfach eine Mehrheit entscheiden. Was sie tun, gibt den Weg der Kirche in den späteren Jahrhunderten vor: Man geht nach Jerusalem, wo Petrus ist. Bei Petrus sind auch noch andere Apostel. Diesen wird die Streitfrage vorgetragen. Es ist das erste Konzil der Kirche: Das Apostelkonzil. Die Apostel hören, prüfen und schließlich entscheiden sie. Sie geben Paulus und Barnabas recht: Der Glaube an Christus genügt zur Taufe und zum Heil. Der Geist wirkt überall, auch bei denen, die nicht zum jüdischen Volk gehören.

So begründet das Konzil seine Entscheidung: "Der Heilige Geist und wir haben beschlossen". Der Heilige Geist kommt also zuerst. In ihm lebt Christus. In ihm lehrt Christus. Jesus hatte versprochen: "Der Beistand aber, der Heilige Geist, (...) der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe" (Joh 14,26). Darauf können die Apostel sich berufen. Sie glauben, was die Kirche seitdem immer glaubte und auch in Zukunft immer glauben wird: Der Heilige Geist läßt die Kirche nicht im Stich. In den notwendigen Entscheidungen hilft er, den richtigen Weg zu finden. Aber es muß Vertrauen da sein. Und es muß gebetet werden. Der Heilige Geist will erbetet, erfleht werden. Die Apostel in Jerusalem, die Jünger in Antiochia und die vielen, vielen Christen, die auf den Heiligen Geist gehofft haben, sie haben gehorcht mit den Ohren und sie haben gebetet mit dem Mund und sie haben geglaubt mit dem Herzen. Sie werden in der Kunst darum auch gezeichnet mit einem Lichtschein, dem "Heiligenschein", um das Haupt herum. - Ein Pastor, bei dem ich früher als Kaplan tätig war, hatte als regelmäßiges Bonmot, das er immer wieder zum Besten gab: Bei den vielen Sitzungen, die es heute in der Kirche gibt und bei denen mehr geredet als gebetet wird, haben wir demnächst die Heiligenbilder nicht mehr mit dem Heiligenschein am Kopf, sondern um den Hintern. - (Sitzungskatholizismus nennt man das auch.)

Das Gebet ist entscheidend, um mit dem Heiligen Geist in Kontakt zu kommen. Und ein Zweites kommt hinzu, was Barnabas und Paulus und die übrigen Christen auszeichnete: Sie haben gehört. Nachdem die Entscheidung gefallen war, die das Lehramt in Form des Apostelkollegiums getroffen hatte, hatten sie gehört, die Entscheidung weitergegeben und sind selber der Entscheidung gefolgt. Das Hören und Hörenkönnen ist in unserer Zeit wieder bitter nötig. Ich bin immer wieder erstaunt, mit welch letzter Sicherheit bestimmte, ja sogar von der Kirche bezahlte Leute Dokumente und Stellungnahmen, die aus Rom kommen, kommentieren, kritisieren, bagatellisieren und was weiß ich noch können - die das besagte Papier noch nicht einmal in der eigenen Hand, geschweige denn gelesen haben. Glauben sie denn nicht mehr, daß Petrus in Rom ist? Daß er auch heute zu uns spricht? Daß er auch uns Wichtiges, Wesentliches zu sagen hat, was wir uns nicht durch kirchenfeindliche Medien vermiesen lassen sollten? Der kleine Piepvogel, den manche bei sich haben und gerne hören, ist noch längst nicht die Taube des Heiligen Geistes - glücklicherweise.

Und schließlich, als drittes: Der Dienst. Die Apostel und die Jünger setzten ihre Mission fort. Sie legten nicht die Hände in den Schoß. Auch das muß uns als Beispiel vor Augen stehen: Wo können, ja wo müssen wir als Kirche dienen und vom Glauben Zeugnis geben? Wo können wir zum Beispiel Neuzugezogene einladen: Zum Gottesdienst, zu einem Abend oder zu einer Feier in der Gemeinde? Das Zeugnis gelebten Glaubens: ein wichtiger Dienst. Und das Zeugnis der Eintracht in der Kirche, aber auch in der konkreten Gemeinde.

644. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Einheit der Jünger ist das große Anliegen in dem Gebet, das wir soeben als Evangelium gehört haben.

Wenn wir an die Einheit der Kirche denken, sind wir schnell bei den anderen christlichen Konfessionen. Die Einheit der Kirche steht aber genauso auf dem Spiel, wenn wir uns die Richtungskämpfe innerhalb der Kirche ansehen. Links gegen rechts, konservativ gegen progressiv, alt gegen neu, Feministinnen gegen Pfarrherren - usw. Ich bezweifle, dass wir zu einer echten ökumenischen Initiative fähig sind, solange wir in unseren eigenen Reihen die Einheit nicht leben.

Das Vorbild für die Einheit ist Gott selbst, der Dreifaltige. So, wie sie eins sind, sollen wir eins sein. In Gott aber gibt es Freiheit und Verschiedenheit (Vater-Sohn-Geist), verbunden in der Liebe und der Ausrichtung.

Uns gemeinsam ist die Ausrichtung auf Gott, der Glaube. Hilfe: Der Satz, den vor allem Johannes XXIII. geprägt hat: Einheit im Notwendigen, Freiheit im Zweifel, in allem aber die Liebe.

Einheit im Notwendigen: Das, was wesentlich zum Glauben und der Kirche gehört, das, was nicht zur Diskussion stehen darf, das verbindet uns und soll auch von allen Teilen der Kirche anerkannt werden.

Das jedoch, was veränderbar ist, was dem Wandel oder dem persönlichen Geschmack unterliegt, was in seiner Verbindlichkeit zweifelhaft ist, das soll jedem freigestellt bleiben: Freiheit im Zweifel.

In allem aber die Liebe: Wenn wir - gegen unsere Neigung - anerkennen müssen, dass etwas nicht verfügbar ist, sondern zum gemeinsamen Glauben zählt, dann sollen wir es in Liebe tun! Nicht mürrisch und zähneknirschend - oder gar in der Haltung des Unterdrückten. Und umgekehrt: Wenn wir anderen die Freiheit in den übrigen Dingen lassen, dann nicht mit einem herablassenden Blick, sondern eben auch in der Liebe.
Nun, ich gebe zu, das klingt einleuchtend. Aber es hilft dann nicht viel, wenn wir uns nicht darüber einigen können, was nun zum notwendigen Bestand des Glaubens gehört, und was zum «zweifelhaften».

Deshalb ein paar Vorschläge, wie wir der Einheit innerhalb der Kirche - in aller Freiheit und Liebe - näher kommen können:

  • Wir kommen der Einheit und der Freiheit nicht näher ohne die Bischöfe und den Papst. Wenn wir fragen, ob etwas zur Diskussion steht - oder ob es eine Glaubensverpflichtung für die ganze Kirche ist, dann ist ein Gebot unseres Glaubens, die Entscheidungen Roms und der Bischöfe als erstes Kriterium anzunehmen.

  • Mit wieviel Liebe begegnen wir der anderen Position? Hören wir noch zu? Sind wir bereit, anzuerkennen, dass der andere (der erzkonservative oder der rücksichtslos progressive) eventuell recht haben könnte? Suchen wir das Gespräch? Nur, um recht zu behalten? Oder auch, um den anderen zu verstehen? (Stephanus: ...hielten sich die Ohren zu)

  • Oder gehen wir jeder Diskussion mit billigen Ausflüchten und bequemen Vorurteilen aus dem Wege: Mit dem kann man nicht reden - Der ändert seine Meinung sowieso nicht - Die sind verbohrt. Kein Mensch ist so schlecht, dass er nicht das Recht auf ein aufrichtiges Gespräch hätte. Das billigste wäre, sich auf Fernsehen und Zeitung zu verlassen.

  • Lassen wir uns nicht von Äußerlichkeiten und Kleinigkeiten ablenken. Weder die Kleidung, noch die Auswahl der Gebete oder Tonfall in der Kirche lassen definitive Schlüsse über den Charakter eines Menschen oder einer Meinung zu. Hüten wir uns vor billigen Feindbildern.

In der Kirche ist Platz genug für jeden von uns. Keiner muss seine Identität an der Kirchentür abgeben. Nur eines bleibt ein Gebot: Liebet einander. Wichtiger als unsere Meinungsverschiedenheiten ist die Bereitschaft uns dort zu ändern, wo wir lieblos und unaufrichtig sind.

Denn wenn die Liebe fehlt, ist die Einheit nur noch Zwang. Amen.

645. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn wir noch einmal einen Augenblick an die Predigt von gestern denken - das Neujahr mit Gedanken an Tod und Katastrophen zu beginnen, das war vermutlich nicht ganz das, was wir erwarteten. Eine Predigt, die uns auffordert, unerschrocken dem Leid und Tod entgegenzusehen, weil wir einen Glauben haben, der all das überwindet - das würden wir uns wohl nicht als weihnachtliche Abrundung wünschen.

Es gibt vieles, das uns am Glauben irritiert, am Gottesdienst oder an der Kirche. Einiges verstehen wir nur nicht, aber anderes entspricht nicht unserer Art des Glaubens. Wir stellen uns Gott anders vor. Immer wieder werde ich angefragt, ob das mit Gott, mit dem Leben nach dem Tod, mit den Sakramenten nicht auch anders sein könnte. Die, die mich fragen, haben da oft ganz konkrete Vorstellungen.

Genau auf eine solche Situation ist das heutige Evangelium geschrieben worden. Das Wort Gottes kam in die Welt - aber die Welt hatte anderes erwartet. Sie hatten sich andere Vorstellungen gemacht. Sie haben mit Größerem gerechnet, mit Gewaltigerem, mit Philosophischen Implikationen - aber doch nicht mit einem Kind in der Krippe...

Das Wort, das in die Welt kommt, ist uns fremd. Es bleibt uns auch fremd. Nur, weil wir Christen heißen, sind wir nicht Besitzer des Wortes und können daraus das auswählen, was wir für angemessen, erträglich halten. Das erfahren wir immer wieder, wenn sich die Weihnachtszeit paart mit Nachrichten von Tod und Leid - ob im Großen oder Kleinen. Gott lässt uns nicht einfach in Ruhe feiern. Er will immer wieder, dass wir aufschauen und nach ihm fragen; auch wenn es leidvolle Fragen sind.

Gottes Wort ist fremd, unbequem, unerbittlich und irritierend. Es stört. Wenn uns Gott also anredet, dann erkennen wir das nicht unbedingt an einem unsagbaren Glücksgefühl. Es kann genau das Gegenteil der Fall sein.

Aber es gibt auch den anderen Zug Gottes: Der Kern der Weihnachtsbotschaft ist ja »das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.« Gott hat sich in seinem Wort - uns fremd und unbegreiflich - erfahrbar gemacht. Gott ist Mensch geworden, ja, Kind in der Krippe.
Es gibt also auch diesen Weg: Der Weg über das süße Christkind, der Kleine in der Krippe. Gott bietet uns beide Wege an: Den Weg über das Vertraute und den Weg über das Erschrecken.

Beides führt für den zu Gott, der sich leiten lässt. Das Vertraute lädt uns ein, uns auf den Weg zu machen und macht uns Mut. Das Fremde lässt uns aufbrechen, weil es neugierig macht, interessant ist, Widersprüche hervorruft und nach Antwort verlangt.

Aber beides kann uns auch im Dunkeln sitzen lassen - für den, der sich selbst genügt: Das Kind in der Krippe? Nix Neues, kennen wir schon, wird wohl sein wie jedes andere Kind. Gott, der Fremde, der ganz anders ist als ich? Ich bleibe bei dem, was ich kenne. Meine vertraute Welt reicht mir.

Liebe Schwestern und Brüder, Gott ist das ewige Wort und Gott ist das Kind in der Krippe. Gott ist der Mann, der gesagt hat: "Liebe Deine Feinde" und der gerufen hat: "Wehe Euch Ihr Heuchler!". Gott lässt uns nicht in Ruhe - und das ist gut so. Amen.

646. Predigtvorschlag

"Das Wort ist Fleisch geworden" - es will wohnen unter uns

Wird die christliche Frohbotschaft auch noch in Zukunft von den Menschen verstanden und geglaubt werden? Meine Patentante, mit der ich mich von Zeit zu Zeit über dieses Thema unterhalte, ist da sehr pessimistisch. Sie sagt: Die jungen Leute glauben einfach nicht mehr. Darum geht es auch mit der Kirche bergab. Wenn der Glaube fehlt, fehlt das Entscheidende.

Darin hat meine Patentante sicher recht: entscheidend ist erst einmal der Glaube. Wer Christ sein will, glaubt. Aber was sich so einfach anhört, ist in Wirklichkeit etwas komplizierter. Glaubt nicht jeder Mensch irgendetwas? Ist hier in dieser Kirche jemand zum Beispiel schon einmal in der Antarktis gewesen? Hat jemand diesen sechsten Kontinent unserer Erde mit eigenen Augen gesehen? Und doch sind wir sicher, dass es ihn gibt. Wir schenken den glaubwürdigen Berichten, die es darüber gibt, unser Vertrauen.

Oder setzt sich jemand erst dann in ein Auto, nachdem er genau studiert hat, wie die Elektronik und der Motor, wie die Bremsen und die elektrischen Anlagen konstruiert sind und wie sie funktionieren? Dann würden wohl nur noch die wenigsten Autos auf unseren Straßen unterwegs sein. Wir vertrauen den Ingenieuren und den Monteuren, und wir vertrauen sogar Leib und Leben der tadellosen Funktion unseres Fahrzeugs an.

Je vielfältiger und je komplizierter das Leben wird, desto mehr sind wir angewiesen auf Vertrauen und Zustimmung. Wir sind nicht in der Lage, alles selber zu überprüfen. In früheren Jahrhunderten gab es noch sogenannte Universalgelehrte. Die konnten von sich behaupten, alle wesentlichen Erfahrungen und Informationen, die es von allen bekannten Phänomenen dieser Welt gab, zu kennen. Heute gibt es niemand mehr, der solches auch nur annähernd von sich behaupten könnte.

Man sollte nun annehmen können, dass eine solche Entwicklung auch dem Glauben, dem Glauben an Gott, gut tut. Denn in dem Moment, wo die Wissenschaft eine Antwort gefunden hat, tun sich mindestens zehn neue Fragen und Geheimnisse auf. Was sich in unserer Zeit seit einigen Jahrzehnten abspielt, ist nichts anderes als eine ungeheure Erweiterung der Dimension des Wissens, aber diese ungeheure Ausweitung vervielfältigt in weit größerem Ausmaß unser Nichtwissen, als das mit dem tatsächlichen Wissen geschieht.

Man kann zum Beispiel mit recht großer Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass am Beginn des Universum, in der Sekunde Null, ein ungeheurer sogenannter Urknall die Materie in Bewegung gesetzt und in den Raum geschleudert hat (wenn man sich das überhaupt vorstellen kann). Aber mit dieser einen Antwort gibt es viele neue Fragen: Warum ist dieser Prozeß in Gang gekommen? Und was war eigentlich vor dieser Sekunde Null da? Gab es da auch schon etwas?

Wie gesagt: Alles das, alle diese neuen Fragen, die da auftauchen, könnten uns Menschen in die Knie gehen und ausrufen lassen: O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege! (Röm 11,33). So könnten wir, so müßten wir im Glauben ausrufen.

Doch jetzt geschieht etwas Seltsames: Statt dass mit dieser Entwicklung in unserer Zeit auch das Staunen, die Neugier und das Fragen zunimmt, und statt dass damit auch der Glaube zunimmt, dass es einen Sinn geben muss, der hinter all dem steht, gibt es eine andere Bewegung, und da hat meine Patentante vermutlich mit ihrer Meinung recht: Junge Leute, Kinder sogar, sind in unserer Kultur schon sehr schnell "fertig" mit dieser Welt. Schon nach 15, 20 Jahren haben sie alles gesehen, alles erlebt, alles gehabt. Sie sind fertig, manchmal auch schon fix und fertig. Wer aber meint, schon alles gesehen und erfahren zu haben, der ist zu. Wer aber zu ist, kann im Grunde seines Herzens nicht mehr glauben. Denn glauben bedeutet, sich zu öffnen. Glauben bedeutet, etwas zu empfangen. Glauben heißt: Ich anerkenne, dass ich jetzt nicht schon alles haben kann. Denn ich verdanke mich nicht mir selbst. Ich erwarte, dass die Augen, mit denen ich sehe, die aber jetzt noch nicht alles sehen können, das wahre Licht schauen dürfen, das Gottes Herrlichkeit mir schenken will.

Wir haben unseren Mitmenschen eine Botschaft anzubieten, die wunderbar ist. Diese Botschaft drückt Johannes, der Evangelist, in seinem Prolog, im Vorwort zu seinem Evangelium aus. Wir haben gerade diesen Prolog vom Wort, das Fleisch wird und Wohnung genommen hat unter uns Menschen, gehört.

Johannes schrieb in einer Zeit, die der unsrigen gar nicht unähnlich ist. Es war die Zeit, als sich im jungen Christentum eine ungeheure Spannung auftat und eine starke Strömung sich entwickelte, die sagte: Gott ist doch der Ferne und der Unsichtbare. Alles, was sichtbar ist, ist nicht Gott, kann nicht Gott sein. Alles Sichtbare ist schlecht oder doch völlig gleichgültig für uns. Was entscheidend ist, ist die innere Erleuchtung. Wer erleuchtet ist, der ist gerettet, der ist o.k. Für ihn ist die Welt und das irdische Leben nur ein Fetzen, ein Kleid, das man jetzt trägt, aber bald wegwirft. Wie du lebst, ist egal. Hauptsache, du hast die Erleuchtung. Mit anderen Worten: Hauptsache, du lebst, wie du es für richtig hältst.

Dem hält Johannes die ungeheuren Worte entgegen: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit" (Joh 1,14). Was wir gesehen haben, ist wahr. Es ist das Licht, das von oben kommt. Es ist keine Täuschung, es ist wirklich der Messias, der in diese Welt gekommen ist. Dieser Heiland, der Sohn Gottes, macht es uns möglich, zu glauben. Die wahre Erleuchtung ist die, an den Sohn Gottes zu glauben. Er ist ein Mensch geworden in unserer Mitte.

Seit Christus unser Bruder geworden ist, haben wir die Gewissheit, dass unser Glaube nicht ins Leere geht. Er nimmt uns an der Hand. Er führt uns die unbekannten Wege. Wenn wir ihn aufnehmen - in unseren Glauben, in unser Leben, in unsere Dunkelheiten - dann macht er uns zu seinen Freunden und zu Kindern Gottes. Und da, finde ich, können wir etwas optimistischer sein als meine Patentante: Das ist eine Botschaft, die von allen, von Jungen wie Alten, verstanden und gelebt werden kann.

647. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Im Anfang war das Wort - dieser bekannte Anfang des Johannesevangelium trifft einen zentralen Punkt unseres Glaubens. Denn das Christentum gründet in einem «Mitteilungsgeschehen». Der Glaube ist nicht das Ergebnis menschlicher Denkbemühungen, sondern er ist die Antwort auf den Ruf Gottes. Gott redet uns an! Auch hier, in diesem Gottesdienst.

Zum Beispiel heißt es nach jeder Lesung «Wort des lebendigen Gottes» - mit diesen Worten fordert der Lektor uns zur Danksagung auf. Und nach dem Wortgottesdienst antworten wir auf das, was wir gehört haben, mit dem Glaubensbekenntnis.

Der Glaube, liebe Schwestern und Brüder, ist eben nicht das Ergebnis eigener Denkbemühungen. Wir machen uns nicht unseren Glauben, wir haben ihn uns nicht selbstgestrickt. Der Glaube liegt außerhalb unserer Verfügung - wir können da nicht hinzufügen oder weglassen. Wir selbst sitzen, wenn wir uns auf unser eigenes Denken verlassen, im Dunkeln. Aber Gott spricht uns den Glauben zu - er bringt Licht in die Finsternis. Und jeder, der sein Wort annimmt, wird zu einem Kind des Lichtes. (Joh 1, 5.9.12)

Aber - wie kann das möglich sein: Gottes Wort in dem, was wir in der Kirche hören? Ist das denn nicht nur Menschenwort? Von Lukas, Markus, Matthäus oder Johannes verfasste Texte? Haben nicht alle biblischen Texte einen menschlichen Verfasser? Und sind nicht alle Menschen Kinder ihrer eigenen Gedanken? Sogar der, der jetzt hier gerade diese Predigt hält?

Der Zusammenhang des Evangeliums lässt allerdings eindeutig erkennen: Mit dem Wort Gottes ist hier zuallererst das fleischgewordene Wort Gottes, Jesus Christus gemeint. In einem Johannesbrief heißt es: «Wir verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns erschien. Was wir gesehen und gehört haben, künden wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.» (1 Joh 1, 2.3) Gott offenbart nicht irgendwelche Informationen über sich. Das könnte tatsächlich missverständlich werden. Nein, Gott offenbart sich selbst, er wird Mensch.

Jesus Christus ist das Wort, das Evangelium und das Neue Testament. Die ersten Märtyrer der Kirche starben für ihren Glauben an Jesus Christus, ohne je ein Neues Testament in Händen gehalten zu haben.
Und so bezeichnet Paulus auch sein eigenes Wort als Gotteswort: «Wir danken Gott unablässig dafür, dass ihr das Wort Gottes, das ihr durch meine Verkündigung empfangen habt, nicht als Menschenwort, sondern - was es in Wahrheit ist - als Gottes Wort angenommen habt; und jetzt ist es in Euch, den Gläubigen, wirksam» (1 Thess 2,13).

Liebe Schwestern und Brüder, ich bin mir meines Glaubens sicher - anders könnte ich gar nicht leben. Oft werde ich gefragt, wieso ich denn mit einem solchen Anspruch auftreten könnte: Gottes Wort zu verkündigen. Ist das denn nicht vollkommen überheblich?
In dem, was ich verkünde, bin ich auch nur ein Mensch und auch nicht viel sicherer als andere. Ob das nun Geschichtsfragen sind, Kommentare zu politischen Ereignissen oder Aussagen des kirchlichen Rechts - da habe ich selbstverständlich nur einen begrenzten Horizont. Aber in dem, den ich verkünde, nämlich Jesus Christus, darf ich mir sicher sein. Er hat Platz in menschlichen Worten. Auch in ihren Worten, wenn sie von ihm erzählen und ihn verkünden. Kein Wort ist zu klein für ihn. Immerhin hat er ja sogar in die Krippe von Bethlehem hineingepasst.

Wenn aber das göttliche Wort Jesus Christus selbst ist, dann ist die Predigt mit Sicherheit nicht das wichtigste in diesem Gottesdienst. Denn sie erzählt ja nur von dem, was Gott uns sagt. Viel wichtiger ist das, was nach der Predigt kommt: Die Begegnung mit dem Wort, mit Jesus Christus höchstpersönlich, im zweiten Teil des Gottesdienstes.

Amen.

648. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Als Kind habe ich mit Begeisterung Karl May gelesen. Daran habe ich mich auch vor kurzem erinnert, als bekannt wurde, daß wieder ein neuer Winnetou-Film gedreht wurde. An Karl May's Romanen gibt es viel Faszinierendes; vor allem aber waren die zahlreichen Personen, die dort auftraten - Winnetou, Old Shatterhand und Santer, Tangua und Old Firehand und wie sie alle heißen - immer eindeutig gut oder eindeutig böse. Das machte die Erzählungen für mich als Kind sehr viel übersichtlicher und einfacher: Ich wußte genau, zu wem ich halten sollte.

Schwarz und Weiß - das sind zwei eindeutige Farben, zwei Extreme. Dazwischen lassen sich zwar alle andere Farben einordnen. Aber es ist einfacher, wenn wir nur in Schwarz und Weiß denken. Gut oder Böse, Freund oder Feind - entweder oder. So wie bei Karl May.

Das Johannesevangelium, das wir gerade gehört haben, denkt auch in zwei eindeutigen Gegensätzen: Das Licht und die Finsternis.
Mit der Geburt Jesu kam das Licht in die Welt, um allen Menschen zu leuchten. Aber die Menschen haben dieses Licht nicht alle aufgenommen, einige wollten lieber im Dunkeln bleiben. Die anderen aber sind die Kinder Gottes geworden, weil sie das Licht der Welt nicht abgewiesen haben.

Seit der Geburt Jesu teilt sich also die Menschheit in Schwarz und Weiß - in die Guten und die Bösen - in die Christen und die Nicht-Christen. Eben genauso wie bei Karl May. Und deshalb war es auch ganz wichtig, daß Winnetou, bevor er starb, noch bekannte: «Charly, ich bin ein Christ». Weil sonst hätten sich ja die Gegensätze verwischt.

Aber - das Leben ist nicht schwarz-weiß. Es ist bunt. Und die Welt ist nicht nur gut oder böse, sie ist von beiden etwas, und deshalb oft so verwirrend. Die Menschen sind nicht alle entweder Freund oder Feind - denn die Menschen ändern sich mit der Zeit, und so bleiben uns Enttäuschungen und angenehme Überraschungen nicht erspart.

Wer alles nur in zwei Gruppen einteilt, kommt letztlich doch nicht besser zurecht, weil er der Wirklichkeit nicht gerecht wird. Die Welt ist nicht nur Licht oder Finsternis. Sie ist oft genug grau in grau.

Das weiß auch der Evangelist Johannes. Aber er bleibt dabei: Mit der Geburt Jesu hat sich die Welt geändert. Denn jetzt ist sie dazu aufgerufen, das Licht der Welt anzunehmen - oder im Dunkeln zu bleiben. Jeder Mensch ist seit der Geburt Jesu dazu eingeladen, Kind Gottes zu werden.

Nur: Kein einziger Mensch ist endgültig in seiner Entscheidung, solange er lebt. Kein einziger Mensch ist vollkommen in seiner Wahl, solange er noch atmet. Kein einziger Mensch ist nicht doch fasziniert vom Licht Gottes - und trotzdem immer wieder versucht, sich im Dunkeln zu verstecken. Und solange unser Leben währt, gibt es keine schwarz-weiße Menschen, sondern nur bunte Menschen, in allen Graustufen, die immer wieder ihre Richtung ändern können.

Zweierlei gilt also: Für andere sollten wir mehr als nur ein schwarz-weiß-Raster zur Verfügung haben. Denn genauso wenig wie wir selbst ganz entschieden sind, können wir das von anderen verlangen. Die Menschen sind verwirrend bunt und liebenswert.

Aber es gilt auch: Wir selbst sollten uns schon entscheiden, zu welcher Seite wir gehören wollen. Gott verlangt Entschiedenheit von uns. Wollen wir als Kinder des Lichtes leben? Oder gehören wir zu denen, die Jesus nicht aufnehmen? Stellen wir uns ganz auf die Seite Gottes, weil Gott sich auch ganz auf unsere Seite gestellt hat? - Unentschiedenheit ist keine Tugend. Das steht auch schon bei Karl May. Amen.

649. Predigtvorschlag

„Hauptsache gesund!“?

Wer ist ein glücklicher Mensch? Die Werbung und die Medien geben darauf eine eindeutige Antwort: Glücklich ist, wer gesund ist. „Hauptsache gesund!“ – so sagen mir immer wieder, vor allem ältere, Menschen. Sich gut zu fühlen, frei zu sein von großen oder auch kleinen körperlichen Beschwerden – wer möchte das nicht? Und ich gestehe: ich selbst möchte das natürlich auch. Morgens aufzustehen, ohne daß einem die Knochen weh tun – das ist schon etwas Wunderbares.

Heute feiern wir das Hochfest Allerheiligen. Dieses Fest führt uns eine unzählbar große Zahl von Menschen vor Augen, die alle eine Gemeinsamkeit haben: von ihnen allen sagen wir, daß sie glücklich sind. Doch wir müssen achtgeben. Denn hier meint „glücklich“ nicht einfach: sich gut fühlen. Oder rundum fit sein. Denn wenn „glücklich“ bedeutet: kerngesund und kraftstrotzend durchs Leben gehen, dann müßte Arnold Schwarzenegger, der Muskelprotz aus der Steiermark, einer der glücklichsten Menschen der Welt sein. Fragen können wir ihn im Moment leider nicht, aber wir dürfen vermuten, daß er als neugewählter Gouverneur von Kalifornien auch seine Probleme haben wird.

Und unsere Heiligen, an die wir heute denken? Da gibt es auch eine Menge supergesunder Gestalten, wie zum Beispiel der heilige Bonifatius, der noch mit 82 Jahren eine Missionsreise nach Friesland unternahm unternahm, oder der heilige Niklaus von Flüe, der 20 Jahre lang ohne Nahrung lebte und in seiner Klause auf einem Brett schlief. Diese Heiligen gibt es auch: Heilige, die unverwüstlich sind in ihrer Gesundheit.

Doch wenn wir genauer hinschauen, stellen wir etwas anderes fest. Wir stellen fest, daß viele, sehr viele Heilige über lange Zeit krank oder sogar schwerkrank gewesen sind. Schon Paulus spricht in seinem zweiten Korintherbrief von einem „Stachel“, der in seinem „Fleisch“ stecke (2 Kor 12,7), ein Hinweis wahrscheinlich auf eine schmerzhafte Krankheit, die ihn lange quälte. – Oder denken wir an eine Frau aus unserer Gegend, die demnächst seliggesprochen werden wird: Anna Katharina Emmerick. Viele Jahre ihres Lebens mußte sie im Bett liegend zubringen. Von ihr ist auch bekannt, daß sie die Wundmale des Herrn trug. Oder die heilige Therese von Lisieux, die schon mit 24 Jahren unter schlimmen Qualen starb. Oder ein heiliger Maximilian Kolbe, der nur noch mit einer Viertellunge atmete und dennoch ein gewaltiges Missionswerk aufbauen konnte, bevor er als Märtyrer im Konzentrationslager starb. Auch er war, medizinisch gesehen, ein sehr kranker Mann und alles andere als gesund. Und trotzdem gelten sie in unserem Glauben als „glücklich“. Ist das nicht seltsam?

Es ist seltsam. Es ist seltsam in einer Welt, in der uns die Werbung Menschen zeigt, die keine Falten im Gesicht haben, die mit fünfzig noch aussehen wie dreißig und die uns immer nur die eine Botschaft zurufen: Gesundheit, heute „wellness“ genannt, und Spaß sind Ziele, für die es sich lohnt zu leben und alles zu geben. Hast du wellness, hast du fun, bist du immer glücklich dran.

Wir durchschauen natürlich diese Botschaften als Werbetricks, weil wir eben auch die Wirklichkeit kennen, aber ein bißchen infiziert sind wir vermutlich doch von der Idee, die dahinter steckt. Und eine Angst ist dann da, die kaum laut ausgesprochen wird: die Angst davor, daß unser menschliches Leben einmal ein Ende haben wird.

Die Heiligen zeigen uns, wie wir dennoch oder gerade deswegen glücklich sein können. Denn auf die Heiligen trifft zu, was in den Seligpreisungen gesagt wird: „Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein“ (Mt 5,12). Die Seligpreisungen nennen all die Menschen glücklich, denen es nach unseren Maßstäben ganz und gar nicht gut geht: die Traurigen, die Hungrigen, die Verfolgten ... aber eines alle diese Menschen, etwas, was allein auf Dauer glücklich machen kann: sie alle wußten sich von Gott geliebt. Und das ist mehr als Gesundheit, mehr als Reichtum, mehr als Ansehen und Erfolg. Von Gott geliebt sein: das ist die beste und die eigentliche Definition von einem Heiligen.

650. Predigtvorschlag

Deutschland steckt in der Krise. Hohe Arbeitslosigkeit, unsichere Renten, Finanznot, ein kollabierendes Gesundheitswesen.

Reformenvorschläge werden heute vorgetragen und morgen verworfen, weil dies dem einen, jenes dem anderen nicht passt. Nichts kommt voran. Eine Partie blockiert die andere. Stillstand. Depression.

Woran mag das liegen? Viele weise Menschen analisieren die Fakten, beleuchten die Hintergründe, stellen Zusammenhänge her, diskutieren, schreiben, interviewen.
Dabei wird viel richtiges gesagt über die Gründe der Krise in Deutschland.

Ich möchte heute eine Analyse in den Raum stellen, die Sie wahrscheinlich noch nicht so vernommen haben in den Zeitungen, den Radiosendungen und Fernsehprogrammen der letzten Tage.
Eine Analyse, die mit dem heutigen Hochfest der Kirche zu tun hat, mit Allerheiligen.
Eine Analyse die von einem Priester stammt, der 1975 verstorben ist und im letzten Jahr heiliggesprochen wurde.

Ich mache mir ein Wort des Heiligen Josefmaria Escriva zu eigen, der einmal in seinem geistlichen Klassiker "Der Weg" schrieb:
Ein Geheimnis. - Ein offenes Geheimnis: Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen mangelt.

Das soll der Grund sein für die Krise in Deutschland: Dass es hierzulande an Heiligen mangelt.

Auch mir kam dieser Ausspruch anfangs erst einmal etwas gewagt, ja kühn vor. Aber im nachhinein, im Nachdenken darüber, wurde er mir immer plausibler.

Was sind denn Heilige?

Um uns dieser Frage zu nähern, sollten wir zu Beginn vielleicht klären, was Heilige auf jeden Fall nicht sind.

Heilige sind keine Übermenschen, die von Anfang an ein makelloses und gottesfürchtiges Leben führten. Leider gibt es solche Vorstellungen von unerreichbar abgehobenen Seligen und Heiligen. Von meinem Namenspatron dem Hl. Nikolaus, gibt es z. B. die - wie ich finde - schreckliche Legende, dass er schon als Baby freitags der Mutterbrust entsagte, um das Fastengebot zu erfüllen.

Nein, so sind Heilige nicht. Sie fallen nicht vom Himmel, sie reifen auf der Erde.

Heilige sind Menschen, wie Du und ich. Auch sie hatten Fehler. Ja, es gibt sogar große Sünder unter ihnen. Es gibt keine Heiligen, die nicht der Vergebung bedurften. Alle kämpften mit ihren Leidenschaften, Schwächen und Fehlern. So wie wir.

Was die Heiligen zu Heiligen macht, ist, dass sie mit beiden Beinen auf der Erde standen, gleichzeitig aber ihre Herzen zum Himmel erhoben.

Ihr Leben lebten sie in dieser Welt. Wie wir.
Ihr Leben lebten sie vereint mit Gott und für IHN. Wie wir?

Ein Geheimnis. - Ein offenes Geheimnis: Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen mangelt.

Die Heiligen vertrauten auf Gottes Hilfe, weil sie wussten, dass sie Unterstützung brauchten, dass sie nicht alles allein schaffen konnten.
Das steht im krassen Gegensatz zu einer Gesellschaft, die meint alles selbst schaffen zu können. "Macher" haben keine Hilfe nötig. Wer Hilfe braucht, ist in den Augen vieler heute ein Schwächling, ja, ein Schmarotzer.

Die Heiligen waren sich aber auch im Klaren, dass sie selbst ihr Leben in die Hand nehmen mussten.
Jeder und jede hat auf je eigene Weise dem Ruf Gottes im eigenen Leben entsprochen, als Einsiedler, Prediger, Missionar, Krankenpfleger, Ehefrau, Staatsmann. Die Facetten sind zahlreich, so bunt wie das Leben selber ist.

Die Heiligen wussten, dass Gott der Ursprung des Lebens ist. Des eigenen Lebens, aber auch des Lebens der anderen, der ganzen Schöpfung .
So wussten sie sich vor Gott verantwortlich, dass Leben als Geschenk anzunehmen und zu pflegen. Nie kam es ihnen in den Sinn, Menschen als "lebensunwert" abzustempeln. Oder gar Grenzen festzulegen, ab wann ein Mensch Leben darf oder wie lange.
Heilige werden diejenigen nicht werden, die der befruchteten menschlichen Eizelle oder dem Embryo die Menschenwürde absprechen oder unter dem Schleierwort der Euthanasie, der Tötung Alter und Kranker das Wort reden.

Die Heiligen wussten, dass sie nicht allein auf dieser Welt lebten. Das Wort Jesu "Liebe deinen Nächsten" war für sie keine fromme Worthülse.
Sie haben auf ihre Art versucht dieses Gebot in die Tat umzusetzen. Sei es indem sie Arme gespeist, Kranke gepflegt, Kinder unterrichtet oder sonst etwas getan haben. Im Nächsten erblickten sie immer wieder das Antlitz des Herrn. IHN suchten und fanden sie im Gegenüber.
Große gestalten unserer Geschichte waren auch gleichzeitig Heilige der Nächstenliebe. Das jüngste Beispiel ist Mutter Teresa.
All die caritativen Einrichtungen, die wir heutzutage hier in Europa kennen, gehen im Grunde auf das göttliche Gebot der Nächstenliebe zurück. Bei den Heiden gab es das in diesem Maße nicht.

Die Heiligen wussten auch immer, dass diese Welt nicht alles ist. Sie liebten diese Welt und gestalteten Sie nach Gottes Willen. Aber sie freuten sich auch auf das ewige Leben, auf die Erfüllung aller ihrer Sehnsüchte und Wünsche, auf die ewige Freude bei und mit dem barmherzigen Gott.
Heute so scheint es vergöttern die einen diese Welt und suchen immer und immer wieder den neuen Nervenkitzel, sind süchtig nach Fun und Action. Das Wort von der Spaßgesellschaft macht die Runde. Nach mir die Sintflut, Hauptsache ich habe meinen Spaß!
Andere, weil sie nur diese Welt sehen, wirken verängstlicht, suchen nach Orientierung und Sinn. Vielleicht ist es diese innere Verzweiflung am Sein, dass es nur noch wenige Eltern gibt, die in unserem Land Kindern das Leben schenken und diese erziehen wollen.

Ein Geheimnis. - Ein offenes Geheimnis: Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen mangelt.
Unsere Gesellschaft ist krank. Das stimmt.
Vielleicht liegt es daran, dass sie gottlos geworden ist. Nicht einmal unbedingt aus böser Absicht. Viele sind Gott wirklich einfach los geworden, kennen ihn nicht mehr, wissen nicht mehr wer der Ursprung von allem ist.

Die Heiligen waren so etwas wie Fenster, die durchlässig waren für Gott. Durch ihr Leben traf immer wieder der Schein des Allmächtigen auf diese Erde. Und häufig hatten große Reformen in der Kirche und in der Welt ihren Ausgangspunkt im Wirken eines Heiligen oder einer Heiligen.

Ein Geheimnis. - Ein offenes Geheimnis: Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen mangelt.
Die Diagnose des Hl. Josefmaria scheint zu stimmen.
Was aber ist dann die Therapie?
Schlicht und einfach das, was uns die Hl. Schrift und auch das 2. Vatikanische Konzil immer wieder ans Herz legt:
"WERDET HEILIGE"
"Lebt und sucht die Heiligkeit, dass heißt lebt euren Alltag mit Gott. Steht mit beiden Beinen auf der Erde, aber macht Euer Herz im Himmel fest!"

Nachhaltigkeit ist ein weiteres Wort, das in diesen Tag oft von Politikern gebraucht wird. Es soll besagen, dass das Tun von Heute auch vor dem Morgen Bestand haben kann.
Auch darin sind uns die Heiligen ein Vorbild.
So ist zum Beispiel das Leben und Lehren des Heiligen Vinzenz von Paul für uns hier im Prosperhospital von großer Bedeutung.
Ohne diesen Heiligen gäbe es unsere Clemensschwestern nicht, denn ihr Stifter - Clemens August Droste zu Vischering - war vom caritativen Engagement des Heilgen so sehr angetan, dass er nach dessen Vorbild im Jahre 1808 - also vor 195 Jahren - eine Gemeinschaft von Schwestern ins Leben rief, die sich der Krankenpflege widmen sollte. Der Gründungstag war das Fest Allerheiligen.
Aus dieser Kongregation ist selber eine Selige hervorgegangen: Maria Euthymia. Wenn das kein Beweis für Nachhaltigkeit ist.
Wir alle hier im Haus - ob als Patienten oder Mitarbeiter - sind froh, dass wir sie haben. Danke für Ihre Arbeit und Ihr Gebet.

Ich möchte nun diese kleine Statue von Sr. Euthymia segnen. Sie soll uns an ein Ansporn sein, die Heiligkeit zu suchen. Wenn alle so lebten wie sie, gäbe es weniger Krisen...

651. Predigtvorschlag

Wie gehen wir Menschen nur miteinander um?

Menschen verschiedener Nationen können nicht in Frieden miteinander leben. Sie arbeiten gegeneinander, bekämpfen sich, führen Kriege. Der Nahe Osten ist so ein Beispiel...

Wie gehen wir Menschen nur miteinander um?

Menschen werden blind für den Wert des anderen Menschen, suchen nur ihren Vorteil, bleiben kleben an ihren dumpfen Vorurteilen. Der Rechtsextremismus ist so ein Beispiel...

Wie gehen wir Menschen nur miteinander um?

Menschen werden in unserer Gesellschaft hochgejubelt, geraten unter Druck und Erfolgszwang, der krank macht. Doch dann werden sie fallen gelassen. Hilfe und Solidarität bleiben nur Lippenbekenntnisse. Der Fall Christoph Daum scheint so ein Beispiel zu werden...

So gehen wir Menschen miteinander um.

Auch bei allen Gegenbeispielen, wo menschliches Miteinander gelingt:
Es bleibt ein dunkler Schatten auf der Menschheit.

Und es bleibt eine große Sehnsucht in den Herzen der Menschen: Eine Sehnsucht nach Frieden, nach Solidarität, nach Gemeinschaft über alle Grenzen hinweg.

Ein Traum, ein Luftschloss, ein Hirngespinst?

Auch die Kirche träumt diesen Traum einer Verbundenheit aller Menschen in Liebe und Friede.
Die Vision aus der Offenbarung des Johannes gerade eben in der Lesung ist ein Zeugnis dafür:
Danach sah ich eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen...

Nur eine Vision, nur ein schöner Gedanke?

Nein. Es mag für viele anmaßend klingen, aber in der Kirche ist eine solche Gemeinschaft schon anfanghaft verwirklicht.
Denn es gibt etwas, dass alle Glieder der Kirche untrennbar miteinander verbindet.
Die Verbundenheit mit Christus - von daher kommt die Verbundenheit auch untereinander.
Das ist Kirche. Das ist die Gemeinschaft der Heiligen.

Die Kirche versteht sich als lebendiger Organismus, dessen lebenspendendes Haupt Christus ist und dessen Glieder in gegenseitiger Abhängigkeit stehen: verschieden zwar in ihren Funktionen, doch Teil des einen Leibes.

Keine einzelne, kein einzelner steht isoliert da. Jeder und jede ist Kirche, aber niemals allein und für sich allein. Alle leben aus der Kirche und tragen zum Leben der Kirche bei.

Die Gemeinschaft der Heiligen übersteigt Raum und Zeit.

Die Kirche lebt hier in Epe und in den entlegensten Winkeln der Welt.
Wenn wir hier Eucharistie feiern, dann wissen wir uns auch verbunden mit unseren Partnern in Brasilien und Uganda. Aber das ist nicht nur eine Verbundenheit in den Gedanken.
Nein, sie ist viel größer. Egal ob in Deutschland, Brasilien oder Uganda - in der Kommunion empfangen wir alle den Leib des Herrn. Und so werden wir zu einem Leib, werden wir zu einem Christus.

Auch die Gemeinschaft des Gebetes ist ein starkes Band untereinander. Im Gebet können wir solidarisch eintreten für andere. Und dieses Gebet hat Kraft:

Der Hl. Augustinus wäre nicht der große Kirchenlehrer und Seelenhirte geworden, wenn nicht seine Mutter um seine Bekehrung gebetet hätte.

Und die Kirche hätte keinen Paulus hervorgebracht, hätte Stephanus nicht für diesen Saulus aus Tarsus gebetet, der ihn steinigen ließ.

Und wenn wir hier in den Gottesdiensten für Kranke, Sterbende oder für andere Menschen und Anliegen beten, dann kommt dieses Gebet den anderen wirklich zugute, als Stärkung, als Trost, als Hilfe. Hoffentlich glauben wir das auch.

Die Gemeinschaft der Kirche überwindet sogar die Grenze des Todes. Es gibt die Kirche auf der Erde, uns. Die sogenannte streitende Kirche.
Und es gibt die Kirche im Himmel, die Heiligen, alle die bei Gott sind. Die sogenannte triumphierende Kirche.

Während wir für unsere Verstorbenen mit Gebet eintreten können - z. B. durch Messintentionen, treten die Glieder der himmlischen Kirche für uns ein. Ja, wir sind aufgerufen ihre Fürsprache in Anspruch zu nehmen.

Die Vision einer großen Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen ist nicht nur unerreichbare Zukunftsmusik. Sie ist auch Realität.

Wie gehen wir Menschen nur miteinander um?

Die Welt sähe anders aus, wenn alle sich in Christus miteinander verbunden fühlten.
Dem ist aber nicht so.
Um so größer und schöner ist unsere Verantwortung als Gemeinschaft der Kirche für die Gemeinschaft der Welt.

Die Aufgabe der Kirche ist, Zeichen und Werkzeug zu sein für die Einheit der Menschen mit Gott und untereinander.

Ein alter christlicher Schriftsteller hat das so ausgedrückt:
Was die Seele für den Leib, das sind die Christen für die Welt.

Ohne die Kirche -trotz all ihrer Fehler- ohne die Gemeinschaft der Heiligen wäre diese Welt seelenlos.

Wie gehen wir Menschen nur miteinander um?

Wir würden anders miteinander umgehen, wenn wir uns wirklich mit Christus verbänden und so die Gemeinschaft der Heiligen ernstnähmen.

So wie es die Heiligen der Kirche getan haben. Sie haben sich an Gott gebunden und den Nächsten mit Gebet und Tat zur Seite gestanden.
Das Beispiel der Heiligen kann uns lehren, wie wir miteinander umgehen sollten, gerade die Heiligen der Nächstenliebe.

Das Beispiel der Heiligen kann uns ermahnen, umzukehren, wo wir uns von Christus und der Kirche getrennt haben -gerade in diesem Heiligen Jahr.

Die Fürsprache der Heiligen wird uns helfen, wenn wir sie in Anspruch nehmen.

652. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

als ich Student in Augsburg war, starb der Gründer des Opus Dei, José Maria Escriva de Balaguer. Wenig später baten die Mitglieder des Opus Dei, Wunderberichte und Gebetserhörungen zu melden - damit ein Selig- oder Heiligsprechungsverfahren eingeleitet werden könne. Ein Studienfreund von mir, Otto-Michael Schneider, schrieb auch sofort. Er berichtete dort, dass er jedes mal, wenn er von Augsburg nach München fuhr, den Verstorbenen Spanier um seine Mithilfe bei der Suche nach einem Parkplatz angerufen hätte - und immer auf Anhieb einen freien Platz gefunden hätte. "Wer die Parkplatzsituation in München kennt", so schloss sein Bericht, der auch tatsächlich abgedruckt wurde, "kann nicht umhin, darin ein echtes Wunder zu sehen."

Seitdem ist der Heilige José-Maria (denn inzwischen ist er tatsächlich schon heilig gesprochen worden - aber nicht aufgrund des Parkplatz-Wunders) mein ständiger Wegbegleiter in fremden Städten, wenn es darum geht, mein Auto zu parken. Vor allem in italienischen Städten ist er wunderbar effektiv: Sowohl mitten in der Innenstadt von Turin, von Bologna oder Mailand habe ich - nach einem kurzen Gebet zu ihm - sofort einen freien Platz gefunden - und das in Turin sogar während einer Demonstration zur Hauptverkehrszeit - direkt vor einem Hotel.

Vielleicht liegt es daran, dass dieser Heilige einen solch langen Namen hat, den sich kaum jemand merken kann (ich wiederhole zum Mitschreiben: "José-Maria Escriva-de-Balaguer"), dass nicht schon längst jeder bei der Suche nach einem Parkplatz ihn um seine Fürsprache bittet.

Vielleicht liegt es aber auch an unserer verlorengegangenen Beziehung zu den Heiligen und unserm mangelnden Vertrauen in ihre Wirksamkeit. Wir leben nur noch sehr unbewusst in der "Gemeinschaft der Heiligen", wie wir sie gleich im Glaubensbekenntnis wieder bekennen. Unsere Kinder kennen kaum noch ihre Namenspatrone, feiern ihren Namenstag nicht mehr (vermutlich, weil sie den Termin nicht kennen) und verzichten gerne auf deren Hilfe und Fürsprache. Während unsere Vorfahren noch genau wussten, welcher Heilige bei welcher Gelegenheit die besten Beziehungen hat, kennen wir vielleicht noch den Heiligen Antonius, der uns beim Suchen von Schlüsseln hilft, und den Heiligen Florian, der für die Feuerwehr zuständig ist.

Die vielen Nothelfer (es sind weitaus mehr als 14) sind heute arbeitslos. Der Himmel wird nicht mehr eingespannt, wenn wir Sorgen haben, und wenn wir beten, dann beten wir allein - ohne die heiligen Fürsprecher. Unser Alltag wird zunehmend gottferner.

Natürlich steckt in der Anrufung der Heiligen auch ein ganzes Stück Volksglauben - manchmal nahe am Heidentum. Aber wir haben die Heiligen ja nicht entfernt, weil unsere Gottesbeziehung enger geworden ist. Vielmehr sind wir sosehr belastet mit allem Möglichen, dass wir kaum noch Zeit finden - kaum noch für Gott, schon gar nicht mehr für die Heiligen. Dabei wäre eine gesunde Heiligenverehrung keine Zeitverschwendung, sondern ein Zeitgewinn: Wieviel Zeit verbringen im Beten ungeübte Menschen mit der Parkplatzsuche, während ich in der Zeit in Ruhe einen Rosenkranz beten kann? Wieviel Zeit verbringen Menschen mit der Suche nach einem Schlüssel oder den Fahrzeugpapieren, während glaubende Menschen schon längst das Te Deum singen - und trotzdem noch Zeit übrig haben.

Liebe Schwestern und Brüder: Testen Sie die Heiligen; leben Sie mit den Heiligen und ihren Fähigkeiten. Die wollen beschäftigt sein! Und uns bleibt viel Stress erspart, wenn wir einiges von dem, was uns so beschäftigt, an diese großartige Gemeinschaft abgeben.

Und wenn Sie dann jemand fragt, woher sie all diese Ruhe und die viele Zeit nehmen, dann lächeln Sie weise und sagen: "Tja, man muss eben Beziehungen haben."

Amen.

653. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

So wie es auf Soldaten-Friedhöfen manchmal eine Gedenkstätte für den "unbekannten Soldaten" gibt, so gab es im Pantheon in Rom, in dem alle Götter der von Rom unterworfenen Völker einen Opferaltar hatten, einen Altar für den "unbekannten" Gott. Vielleicht gab es ja noch Götter, die keiner kennt - auch ihrer wollte man gedenken.

So gedenken wir am Fest Allerheiligen vor allem an die Heiligen, die wir im Jahresverlauf nicht ausdrücklich feiern, an die vielleicht niemand in dieser Welt noch denkt.

Die Frage ist nur - warum tun wir das? Dem unbekannten Soldaten wollen wir mit unseren Gebeten den Weg in den Himmel ebnen; während für andere Soldaten vielleicht ganze Generationen noch Gebete gen Himmel schicken, haben andere vielleicht keine Angehörigen. So können wir denen noch Gutes zuteil werden lassen, der im Krieg alles andere verloren hat.

Dem unbekannten Gott wird geopfert, weil man sich von den Göttern Hilfe und Unterstützung erhoffte, von benachteiligten Göttern aber auch Racheakte befürchtete. Der Altar für den unbekannten Gott war so eine Art Versicherung - kein Gott konnte wirklich sauer sein, er hatte ja seinen eigenen Altar.

Warum aber gedenken wir an die Heiligen, die bei Gott sind, aber hier auf Erden von niemanden mehr gekannt werden? Sie sind nicht auf unsere Verehrung angewiesen. Sie sind bei Gott und brauchen unsere Hilfe nicht mehr. Und vor allem: Sie werden auch nicht sauer, wenn man sie vergisst. Gott allein genügt ihnen.

Warum also das Fest Allerheiligen? Nun, weil wir noch Hilfe brauchen. Im Gegensatz zu den Friedhöfen dieser Welt und auch den Götterbildern der Antike sind wir nicht die gebenden, sondern die empfangenden. Die Heiligen haben ein Leben lang versucht, durch ihr Leben Menschen zu Gott zu führen, sie mit ihm zu versöhnen und für sich und andere Gnade zu finden. Warum sollten sie jetzt, da sie bei Gott sind, damit aufhören? Es ist ja gerade die Seligkeit, nicht für sich zu leben, sondern sein Leben hinzugeben.

Das haben alle Heiligen schon auf Erden als Seligkeit erfahren. Das hat sie glücklich gemacht - nicht erst im Himmel, sondern schon hier. Und dieses Glück wird ihnen von Gott nicht genommen, sondern in erhöhtem Maße geschenkt: Die Heiligen sind weiterhin Menschen, die versöhnen, heilen und helfen wollen.

Es wäre schade, eine solche Hilfe auszuschlagen. Bitten sie die Heiligen, ihr Namenspatrone zu allererst, die 14 Nothelfer und unsere liebe Seligen. Erzählen sie den Tagesheiligen ihre Hoffnungen und Ängste, und vergessen sie zwischendurch nicht die Engel und Schutzgeister. Und - nicht nur am Fest Allerheiligen - rufen sie alle, die sonst nicht ausdrücklich genannt werden, um ihren Beistand an. Es gibt genug Heilige, die darauf brennen, Gutes zu tun.

Am Fest Allerheiligen sind wir die Empfangenden. Wir gedenken nicht nur an eine unbekannte Menge von Menschen, die wir auch nie kennenlernen werden. Sondern wir rufen die an, die sich vielleicht ein Leben lang zu uns gesellen werden. Wer Allerheiligen feiert, ist nie allein.

Beschäftigen sie den ganzen himmlischen Hofstaat mit Aufträgen und Angeboten, mit Bitten und Dank. Es ist allen Heiligen ein Vergnügen, für Sie da zu sein.

Amen.

654. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, «Wie kommen wir in den Himmel?» Das ist eine Frage, die schon seit Jahrhunderten katholisch und evangelisch trennt. Wodurch wird der Mensch so gerechtfertigt vor Gott, dass er in den Himmel darf?

Am Reformationstag 1999 wurde ein Dokument unterschrieben, dass diesen alten Streit beilegen soll. Ein Vertreter der ökumenischen Kongregation des Vatikans und ein Vertreter des lutherischen Weltbundes haben ihre Unterschrift unter diese gemeinsame Feststellung gesetzt.

Martin Luther, den diese Frage nach der Eintrittskarte in den Himmel über Jahre hinweg schwer belastet hat, kam eines Tages auf die genial einfache Antwort: «Allein dadurch, dass der Mensch glaubt, wird er gerecht vor Gott.» Dieser Glaube ist nach Luther nicht etwas, das der Mensch tut. Er ist ein unverdientes Geschenk Gottes. Nach Luther ist der Mensch nicht in der Lage ist, irgendetwas wirklich Gutes zu tun.
Luther grenzte sich damit gegen die katholische Lehre ab, die davon ausgeht, dass der Mensch durch die Gnade Gottes befähigt wird, mit Gott zusammenzuwirken, also aktiv zu werden. Diese Zusammenarbeit mit Gottes Gnade ist in der katholischen Kirche von höchster Bedeutung:

Wir alle gehören allein schon durch unseren Glauben zu den Heiligen Gottes. Ganz ohne Vorleistungen. Paulus bezeichnet alle Christen als «die Heiligen, die zu Gott gehören.» Allerdings ist diese Gabe mit einer Aufgabe verbunden: Wir können diese Heiligkeit bewahren und darin wachsen, indem wir mit Gott aktiv werden.
Die Armen, die im heutigen Evangelium genannt werden, sind nicht deshalb schon selig, weil sie arm sind; die Verfolgten nicht schon deshalb, weil sie verfolgt sind. Selig ist, wer zu Armut und Verfolgung ja sagen kann - und sich darüber sogar freuen kann, weil er so Christus ähnlicher wird. Selig sind wir, wenn wir uns in der Demut üben, in der Einfachheit, in der Freude am Guten.
Das aber setzt höchste Aktivität voraus! Das ist nicht einfach; das kostet innere Überwindung und geistliche Arbeit. Aber wir können das, weil Gott uns dazu seinen Hilfe zugesichert hat. Genau das ist Mitwirkung mit der Gnade.

Luther aber lehnt jede Form dieser Mitwirkung ab. Der Mensch kann zu seinem Heil nichts dazutun; dafür ist er zu schlecht und unfähig. Vermutlich ist Luther zu dieser seltsamen Ansicht gekommen, weil er nur die äußeren Formen der Mitwirkung kennengelernt hat: Wallfahrten, Ablässe, Prozessionen, Andachten, Gottesdienste und so weiter.
Alles das sind aber nur Dinge an der Oberfläche. Diese Dinge zu tun, heißt noch nicht, ein aktiver Christ zu sein! Ich werde erst dann zum aktiven Heiligen im eigentlichen Sinne, wenn ich das alles Füllen kann: Mit Gebet, mit Freude und mit Hingabe. Vielleicht sind die oberflächlichen Christen zur Zeit Luthers mit schuld daran, dass Luther alle diese hohl gewordenen Formen verwirft - und darüber hinaus sogar jeglicher Form christlichen Tuns die Heilsbedeutung nimmt.

Liebe Schwestern und Brüder, wir werden erst dann zu einer echten Einheit der Kirchen kommen, wenn wir den Anlass für dieses Missverständnis beseitigen: Den leeren, oberflächlich gelebten Glauben. Erst, wenn wir deutlich machen, dass auch für uns aktiver Glaube vor allem inneres Tun meint, können die Vorurteile abgebaut werden.

243 evangelische Theologie-Professoren haben der gemeinsamen Feststellung, die damals unterzeichnet worden ist, ihre Zustimmung verweigert und einen Verzicht der Unterschrift gefordert haben. 243 evangelische Theologie-Professoren in Deutschland - das sind so gut wie alle. Bis zur Einheit der christlichen Kirche ist es noch ein langer Weg.
Der Beginn ist aber gemacht. Und das Hochfest Allerheiligen sollte eigentlich verdeutlichen, was immer schon unser gemeinsamer Glaube gewesen ist: Wir werden nicht heilig, indem wir uns unseren Gott verdienen. Wir sind schon heilig, weil Gott uns angenommen hat als seine Kinder.

Amen.

655. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Allerheiligen, das ist so etwas wie die Vollversammlung der Christen: Alle, die wir zu Christus gehören, sind zum Fest geladen: ob große Heilige oder kleine Selige, ob in den irdischen Büchern verzeichnet oder längst vergessen: Wir alle sind gemeint mit dem Fest aller Heiligen; denn auch wir sind berufen, Heilige zu sein. Wir haben etwas gemeinsam, und das feiern wir.

Wir haben gemeinsam, dass wir, wie es in der Lesung heißt, reingewaschen sind durch das Blut des Lammes - also dadurch, das Jesus für uns am Kreuz gestorben sind. Johannes, der gerne wissen möchte, wer denn die Erlösten, die Heiligen in den weißen Gewändern sind, bekommt nicht als Antwort deren Lebensgeschichte - denn die ist so verschieden, wie die Zeiten, in denen sie gelebt habe. Was für unsere Heiligkeit zählt, ist nicht das Weltbewegende unseres Lebens - sondern unser Bad im Blut das Lammes - in der Taufe. Wir sind auf Jesu Tod und Auferstehung getauft - und damit gehören wir zu den Heiligen.
Sie alle bekennen: Die Rettung kommt von unserem Gott! Sie berufen sich eben nicht auf ihr vorbildhaftes Leben - sondern allein auf Gott. Er hat in ihnen gewirkt, er hat sich in ihrem Leben gezeigt.

Allerdings gibt es schon einen Unterschiede zwischen den Heiligen, die uns vorausgegangen sind, und uns. Die Heiligkeit ist zwar immer nur ein Geschenk, ein Tun Gottes - aber wir können dieses Geschenk verlieren. Das verehren wir an den Heiligen: Das sie in der Bedrängnis standhaft geblieben sind. Und darum bitten wir sie für unser Leben: Das auch wir nicht verlieren, was Gott uns schenkt.

In den Seligpreisungen des Evangeliums nennt Jesus uns Prüfsteine, in denen auch wir unsere Heiligkeit verlieren können - oder auch festigen und bewahren:
Selig die arm sind - ein Prüfstein: Denn Armut kann zur Bitterkeit führen, zu Neid und Habgier. Gott schenkt uns aber Freude am Guten, so dass wir auf jeden Besitz verzichten können.
Selig die Trauernden - ein Prüfstein: Denn wer trauert, kann sich selbst bemitleiden, in Resignation oder Verzweiflung abdriften. Gott hat uns aber eine Hoffnung gegeben, dass nichts verloren geht, was auch Gott lieb und teuer ist.
Selig die keine Gewalt anwenden - auch ein Prüfstein: die Friedfertigen können zum willenlosen Opfer werden, zum Spottobjekt und zum Feigling gestempelt werden. Gott hat uns aber gezeigt, dass er allein Herr des Gerichtes ist; uns hat er verziehen, unser ist es also, Verzeihung zu schenken.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit - ein letzter Prüfstein: sie sind nämlich versucht, sich selbst zum Maßstab der Dinge zu machen, mit falschen Mitteln Gutes zu bewirken und darin unterzugehen. Gott hat uns versprochen, dass er derjenige ist, der Böse straft und Gute belohnt.

In den Heiligen, so glauben wir, haben wir Fürsprecher bei Gott, die uns helfen, ebenfalls selig zu werden: Uns die Barmherzigkeit zu bewahren, weil Gott zu uns barmherzig war; uns ein reines Herz zu bewahren, weil Gott uns reingewaschen hat; uns als Friedensstifter zu bewahren, denn auch Gott hat mit uns Frieden geschlossen; und zuletzt: Uns in jeder Bedrängnis zu bewahren - denn auch Gott ist für uns durch Kreuz und Leid gegangen.

Freut Euch und jubelt: Wir sind beschenkt durch Gott und dazu berufen, mit allen Heiligen um Gottes Thron zu stehen. Wir werden nicht Heilige zweiter Klasse, nicht Selige auf den billigen Plätzen sein. Wenn wir Gottes Einladung bewahren, sein Geschenk an uns lebendig erhalten, dann haben wir mit allen Heiligen gemeinsam, dass wir ein Fest feiern können ohne Ende.

Amen.

656. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

In vielen anderen Gemeinden ist es etwas sehr Theoretisches, über Heilige zu predigen. Manche Heilige muss man lang und breit vorstellen, damit die Gemeinde ein Bild von dieser Person bekommt.
Hier in Halverde ist das etwas einfacher. Da reicht eigentlich ein Verweis auf Schwester Maria Euthymia aus - und jeder weiß sofort Bescheid: Ja, das war eine heiligmäßige Person.

Aber - und diese Frage müssen Sie mir zugestehen: Was war nun wirklich so besonders an Ihr? - Gut: Sie hatte eine natürlich Begabung, es allen recht zu machen. Das war Ihr Wesen, aber das hat sie sich nicht ausgesucht. Das war auch eigentlich kein Verdienst, also etwas, das Grund gewesen wäre, sie zu verehren.

Wir alle haben solche natürliche Begabungen. Geduld, Durchsetzungskraft, Humor, Intelligenz - vielleicht auch ein gutes Aussehen. Ganz unterschiedliche Eigenschaften, und von den meisten unserer Charakterzüge kann man eigentlich nicht sagen, ob sie gut oder schlecht sind. Sie sind so, wie sie sind und sie machen mich aus.

Nehmen wir zum Beispiel die Intelligenz. Von einem Albertus Magnus, der vor 500 Jahren lebte, konnte man sagen, dass er das ganze Wissen seiner Zeit im Kopf hatte. Damit kann man bei Günter Jauch Millionär werden, man kann Heiliger werden (so, wie Albertus Magnus es dann auch geworden ist) - oder ein gerissene Politiker, Top-Terrorist oder Sektenführer. Die sind auch nicht dumm. Um Terrorist zu werden, muss man schon einiges auf dem Kasten haben.
Intelligenz sagt also noch gar nichts. Das gleiche gilt auch für das Gegenteil: Die Heilige Bernadette Soubirou sagt von sich, dass sie das dümmste Mädchen in ganz Lourdes gewesen ist. Hätte Maria nur eine andere Person gefunden, die noch dümmer gewesen wäre, so wäre sie diesem anderen erschienen. Mit mangelnder Intelligenz kann ich eine Heilige werden oder ein Neonazi.
Noch ein Beispiel? Ein Heiliger Ignatius war durch seine strenge Disziplin der ideale Ordensgründer - er hätte aber genauso gut auch einen General und Kriegsherren erster Wahl abgegeben. Strenge Disziplin kann ein Weg zum Himmel sein oder die Hölle auf Erden entfachen.
Ein Mensch, der sich sehr schnell begeistert, kann zum Choleriker werden, der mit seinen Wutausbrüchen seine Umwelt schikaniert - oder zu einem Prediger, der die Massen bekehrt.

Liebe Schwestern und Brüder, es kommt nicht darauf an, wie Gott mich geschaffen hat und wer ich bin. Sie alle sind aus dem Holz, aus dem man Heilige schnitzt. Die Frage ist allein, von wem Sie sich bearbeiten lassen. Wem Sie mit ihren Gaben, die Sie ohne Zweifel haben, dienen wollen. Gott, Ihrem Schöpfer, oder sich selbst? Ihrer Eitelkeit? Ihrer Ichsucht?

Schwester Maria Euthymia hatte eine besondere Eigenschaft, die sie auszeichnete. Genauso wie Sie alle eine Eigenschaft haben, die Sie auszeichnet. Was wir an Emma Üffing aber verehren, ist, dass sie ihre Begabung, ganz im Dasein für andere aufzugehen, allein in Dienst Gottes gestellt hat.

Das macht Sie aus - und, mit Verlaub, das kann jeder. Aber es tut nicht jeder.

Keiner von Ihnen muss eine einmalige Finesse entwickeln. Bleiben Sie, wie Sie sind. Ändern sie nicht ihren Katalog an Charaktereigenschaften. Der ist schon in Ordnung, sonst hätte Gott sie nicht so geschaffen. Nur: Richten Sie sich mit jeder Faser Ihres Seins auf Gott aus. Wenn Sie alles, was Sie sind, in den Dienst Gottes stellen, sind Sie ein Heiliger - eine Heilige. Das ist nicht ganz einfach, manchmal sogar so frustrierend, dass wir aufgeben und Gott kritisieren: «Also, bei mir musst Du etwas falsch gemacht haben. Ich bin nicht zum Heiligen geboren».

Damit können Sie Gott nicht kommen. Auf eine solche unqualifizierte Bemerkung lässt der sich gar nicht ein. Er weiß: Sie sind zum Heiligen geboren. Lassen Sie etwas aus sich machen. Wir sehen uns im Himmel.

Amen.

657. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Vor einiger Zeit habe ich bei Theissen (unserem Dorf-Gasthof) mit einem älteren Herrn gesprochen, der nicht aus unserem Dorf kam. Und im Laufe des Gesprächs fragte er mich, ob das denn in unserer Gemeinde auch so sei, dass die jüngeren Generationen kaum noch zur Kirche kommen. Und er beklagte sich darüber, wie sehr doch das Bewusstsein schwindet, dass unser Glaube lebenswichtig sei.

Ich habe ihn gefragt, wann er denn das letzte Mal beichten gewesen ist. Mit dieser Frage hat er nicht gerechnet, und er fragte sich - wahrscheinlich genauso wie Sie - was denn das eine mit dem anderen zu tun hat.

Nun - warum sollen wir denn zur Kirche gehen? Und warum soll unser Glaube denn lebenswichtig sein? Wir können doch genauso gut und genauso bequem ohne Gott leben.

Naja - genauso bequem können wir sicher ohne Gott leben - vielleicht sogar noch etwas bequemer. Aber auf keinen Fall können wir genauso gut ohne Gott leben.

Es ist die Erfahrung eines jeden Menschen, der sich ganz unbefangen wahrnimmt, dass wir zum Schlechten neigen. Dass wir immer wieder der Versuchung zum Bösen erliegen. Eine der Grundbefindlichkeiten das Menschen ist seine Erlösungsbedürftigkeit. Wir können gesund werden durch die Medizin, geistig gesund durch Psychologie, reich durch Wirtschaft, und klug durch die Geisteswissenschaften, technisch versiert durch die Naturwissenschaften.
Aber zu guten Menschen, zu Menschen, die fähig sind, für andere zum Geschenk zu werden, werden wir allein durch Gott. Allein durch Gott! Wir brauchen Gott, um mit unserer Schuld leben zu können, wir sind auf Gott angewiesen, um uns aus den Verstrickungen des Bösen zu lösen. Wir haben nicht die Kraft, das Gute, das wir manchmal sehr wohl erkennen, auch zu tun. Wir bekommen diese Kraft allein von Gott.

Deshalb ist der Glaube, ist Gott für uns so dringend notwendig. Ohne Gott kann weder ich noch die ganze Menschheit die Schuld, unsere Fehlerhaftigkeit hinter sich lassen. Ohne Gott wird der Mensch dem Mensch zum Wolf.

Deshalb die Beichte: Ohne Vergebung komme ich mit meinem Leben nicht mehr klar. Schuld führt zu neuer Schuld und zum Versagen.
Deshalb der wöchentliche Gottesdienst: Ich brauche die Gemeinschaft mit Gott, seine Nähe, die Kommunion - der Verbindung mit Gott. Sonst fehlt mir die Kraft zum Guten. Ich brauch die Vergebung und ich brauche die Stärkung.

Unser Glaube hängt wesentlich von glaubwürdigen Vermittlern ab. Vermitteln Sie den Grund, weshalb wir Glauben: Unsere Erlösungsbedürftigkeit? Gestehen Sie Ihren Kindern und Mitchristen ein, dass sie immer wieder Gottes Vergebung brauchen, um zu leben?

Wir leben unseren Kindern nur noch den Glauben vor - aber verschweigen Ihnen den Grund, weshalb wir glauben. Und dann wundern wir uns, dass sie uns durchschauen. Wir können wir uns über die schwindende Religiösität der jüngeren Generation beklagen, wenn wir unsere Kinder zu Erstbeichte gehen, sie vielleicht sogar noch über Jahren immer wieder zum Beichten schicken, aber selber gar nicht mehr wissen, wann unsere letzte Beichte war? Nennen Sie das glaubwürdig?

Der Vorwurf der Jugend, wir würden in vielen Punkten nur aus Tradition noch glauben, ist gar nicht so verfehlt. Denn den wahren Grund unseres Glaubens, unsere Erlösungsbedürftigkeit, nehmen wir ja selbst nicht mehr ernst. Alles andere ist dann nur noch reine Konservierung und bloßes Brauchtum.

Vielleicht erinnern Sie sich, dass ich im letzten Jahr häufig von der Beichte gesprochen habe, Sie gebeten habe, doch den Weg zum Bußsakrament zurückzufinden. Ich bilde mir nicht ein, dass wenn alle wieder beichten gehen, unsere Glaubenskrise beendet wäre.

Aber wer vor sich selbst und vor anderen nicht eingestehen kann, dass er ein Sünder ist und Gott braucht, sich nach seiner Vergebung sehnt - wer den Grund unseres Glaubens nicht lebt, der darf sich nicht beklagen. Und es ist auch nicht damit getan, dass man auf einen Pastor wartet, der sich um die Jugend kümmert.

An Allerheiligen denken wir nicht an die perfekten Heiligen. Die gibt es nicht. Sondern wir denken an die, die «ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht haben.», also an die, die genauso wie wir den täglich Dreck am Stecken hatten, aber bei Gott die reinigenden Verzeihung erhalten haben.

Die Heiligen, unsere Vorbilder im Glauben, sind Menschen mit Fehlern, die allein auf die Gnade Gottes gebaut haben.

Und die Vorbilder, die die Kirche von Morgen braucht, sind wir: Heilige, mit vielen Fehlern, die aber von der Verzeihung Gottes leben. Gestehen wir das vor unseren Kindern ein?

Amen.

658. Predigtvorschlag

«Ausgespannt zwischen Trauer und Hoffnung»

Abschied - das ist immer eine traurige Angelegenheit. Ein Mensch ist von uns gegangen - er wird nicht mehr da sein, wo er all die Jahre seinen Platz hatte. Eine Lücke bleibt, die sich nicht schließen lässt. Gegenstände, die uns verloren gehen, können wir ersetzen. Ein Mensch, der von uns geht, ist niemals ersetzbar. Selten verspüren wir eine größere Trauer und Hilflosigkeit, als beim Abschied, dem letzten Abschied.

Aber nicht nur Trauer berührt uns - wir haben auch Hoffnung. Es gibt wenige Gelegenheiten, wo unsere christliche Hoffnung, unser Glaube an die Auferstehung so konkret und so bedeutsam wird, wie hier, wie in diesem Augenblick an diesem Ort. Denn auch der letzte Abschied ist kein endgültiger Abschied. Wir hoffen mit der ganzen Kraft unseres Herzens, dass es auch nach diesem Abschied ein Wiedersehen gibt. Dann aber ein endgültiges Wiedersehen.

Aber bis dahin bleiben wir zwischen diesen beiden Punkten wir förmlich ausgespannt - Trauern, weil wir jemanden verloren haben - und Hoffen, weil wir glauben, an ein Leben nach dem Tod glauben.

Eine Spannung, die manchmal nicht mehr auszuhalten ist.

Vielleicht gehen ihre Gedanken zurück, vielleicht denken sie an das, was unsere Toten ihnen gegeben haben, was sie vielen von ihnen bedeutet haben.
Bewahren sie diese Erinnerungen, halten sie für sich fest, was ihnen geschenkt wurde, machen sie sich und ihr Herz ruhig fest in dem, was unsere Verstorbenen zu geben hatte.

Vielleicht gehen ihre Gedanken aber auch in die andere Richtung: Wie mag es ihnen jetzt gehen? Sind sie an Ihr sein Ziel gelangt? Sind sie jetzt bei Gott?

Auch mit unserer Erinnerung und unserem Glauben sind und bleiben wir ausgespannt:
Zwischen Trauer - und Hoffnung.
Zwischen der Erinnerung - und der Erwartung.

Doch eines zieht sich durch alles durch, eines verbindet unsere Trauer, unsere Hoffnung, die Erinnerung und die Erwartung: Das ist die Liebe. Wir Trauern, weil wir geliebt haben; wir hoffen, weil wir immer noch lieben. Wir erinnern uns aus Liebe - und wir sind hier, weil wir die Liebe erwarten.

Diese Liebe schließt den Bogen, hält die Spannung zwischen Trauer und Hoffnung zusammen. Unsere Verstorbenen sind zwar nicht mehr unter uns - aber sie bleiben uns nah: In der Erinnerung, und in der Erwartung, die wir haben.

Gott lässt uns nicht allein, und weil wir einen Gott haben, der uns liebt, wird er auch an unseren Wünschen nicht vorbeigehen: Wir haben allen Grund zu der Hoffnung, dass wir uns - alle - einmal wiedersehen.

«Vater, ich will, dass alle, die Du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin,» - «damit die Liebe, mit der Du mich geliebt hast, in ihnen ist.»

Unser Leben vergeht, und unsere Erinnerung verblasst, alles ist dem Wandel und dem Schwinden unterworfen.

Aber das, was wir hier - im Herzen - tragen, das, was wir lieben, das, was wir Hoffen, und das, was wir Glauben, - das bleibt, das nimmt uns keiner - und das nehmen wir mit, wenn wir diese Erde einmal verlassen. Amen.

659. Predigtvorschlag

«Trennung ist wohl Tod zu nennen...»

Im Leben heißt es oft, Abschied nehmen. Abschied für kurze Zeit, für die Zeit, in der jemand zur Arbeit geht, auf Reisen geht oder nur kurz auf einen Besuch da war und uns nun wieder verlässt.

Abschied aber auch für längere Zeit: Wenn die Kinder aus dem Haus gehen und ihren eigenen Lebensweg beginnen, Abschied von Freunden, die in einen anderen Ort ziehen, Abschied von Bekannten, die uns verlassen.

Jeder dieser Abschiede birgt die große Unsicherheit in sich, ob und wann man sich wiedersieht. Die Wege in dieser Welt sind nicht vorherzusehen, und oft wird aus einem kleinen Abschied für ein paar Tage ein Abschied für Jahre oder sogar für immer. Wer weiß denn schon, wohin ihn die Wege führen? Wer kann denn schon mit Sicherheit sagen, wann sich die Wege wieder kreuzen? So sehr wir es uns auch wünschen, es liegt nur zum Teil in unserer Hand, wann wir uns hier in dieser Welt nach einem Abschied wiedersehn. So ist jeder Abschied ein Trennen auf unbestimmte Zeit, jeder Weg ein Wagnis.

Auch der Tod ist ein Abschied. Aber anders als hier auf Erden geht der Verstorbene nicht ins Ungewisse. Wir wissen ihn nun ganz in Gottes Hand. Nicht mehr der Zufall bestimmt, wie seine Wege aussehen, nicht mehr er selbst hat es in der Hand, wie es nun weitergeht. Sondern er ist ganz hineingenommen in Gottes Willen.

Wir sprechen oft vom »lieben« Gott und benutzen dieses Wort oft im Sinne von »unbedarft« oder »harmlos«. Aber Gott ist deswegen der »liebe Gott«, weil er uns liebt und nun, wenn wir nicht mehr den Zwängen dieser Welt ausgeliefert sind, ganz mit seiner Liebe führt. Der Ausgang unserer Wege ist nicht länger ungewiss: Wir haben einen »lieben Gott«, wir können darauf vertrauen, dass er uns aufgrund dieser uns zugewandten Liebe an ein glückliches Ende führt, zu einem »Wiedersehen«. Erst in diesem letzten Abschied, dem Tod, liegt die Gewissheit, dass es ein Wiedersehen gibt.

Abschied bleibt Abschied, Abschied bleibt schmerzhaft, trennen tut weh. Aber mit diesem Abschied von unseren Verstorbenen ist uns zum ersten Mal die Gewissheit gegeben, dass es ein Wiedersehen gibt.

»Auf Wiedersehn« am Sterbebett zu sagen, dass ist kein Selbstbetrug, sondern die Gewissheit unseres Glaubens.

In einem Gedicht heißt es:

»Trennung ist wohl Tod zu nennen,
denn wer weiß, wohin wir gehn.
Tod ist nur ein kurzes Trennen
auf ein baldig Wiedersehn.«

Das ist unser Glaube, und das ist unser Trost. Amen.

660. Predigtvorschlag

«Das Weizenkorn muss sterben»

«Das Weizenkorn muss sterben, sonst bleibt es ja allein.» So haben wir vorhin gesungen, und so haben wir im Evangelium gehört.

Leben und Tod gehören zusammen: Jedes Leben hat ein Ende. Der Blick in die Natur, auf alles, was lebt, zeigt uns: Nichts währt ewig. Alles hat ein Ende. Und oft finden wir uns - mehr oder weniger gedankenlos - mit dieser Tatsache ab. Altes Leben vergeht, neues Leben entsteht. So ist der Gang der Welt.

Wir werden aber jäh aus dieser Haltung, dass es eben so ist, wie es ist, herausgerissen, wenn in unserer Nähe ein Mensch, ein lieber Mensch stirbt. Mit dem Tod eines nahestehenden Menschen oder sogar eines Familienmitgliedes erscheint uns plötzlich Leben und Tod nicht mehr als etwas zwangsläufiges, dass wir nun einmal hinnehmen müssen. Den Verstorbenen vor Augen, sind wir plötzlich vom Tod selbst betroffen und spüren, dass es weh tut.

Leben und Sterben sind nicht mehr nur irgendwelche Naturgesetzlichkeiten, sondern der Tod hat uns jemanden genommen, der uns lieb und teuer gewesen ist. Naturgesetze sind gefühllos. Das aber ein Mensch nicht mehr unter uns ist, schmerzt.

«Das Weizenkorn muss sterben, sonst bleibt es ja allein» heißt es im Evangelium. Und direkt im Anschluss sagt Jesus - seinen eigenen Tod vor Augen: «Ich habe Angst. Was soll ich tun? Soll ich sagen: Vater, lass diese Stunde an mir vorübergehen?»
Auch Jesus, der sich mit dem Weizenkorn vergleicht und weiß, dass sein Sterben einen Sinn hat, dass er für uns stirbt; auch er spürt die Not und Trauer, die der Tod mit sich bringt.

Mit dem Tod eines jeden Menschen hat dessen Leben ein Ende gefunden. Mit dem Weggang hat alles, was der Mensch in seinem Leben getan hat, etwas endgültiges gewonnen. Die Worte, die er gesprochen hat, kann er nicht mehr zurücknehmen, die Freuden, die er empfunden hat, können nicht mehr getrübt werden. Die Hoffnungen, die Bemühungen, alles, was sein Leben ausgemacht hat, haben nun ein Ende gefunden, und sind damit auch end-gültig.

Mit dem Ende ihres Lebens sind sie aber nicht verloren, ausgewischt oder vergessen. Ganz im Gegenteil: Sie haben ihren festen Platz im Leben dieses Menschen und in unserem Leben. Uns kann sie keiner mehr nehmen, und ihm auch nicht. Der Tod hat seinem Leben und seinem Wirken eine Endgültigkeit verliehen, die sein Leben bewahrt für das, was nach dem Ende kommt.

Das Weizenkorn ist gestorben. Aber alles, was es tief in sich getragen hat, kommt jetzt zur Blüte. In die fruchtbare Erde gelegt, entfaltet es sich und bringt alles das, was verborgen war, zur Entfaltung.

Unsere lieben Verstorbenen sind tot. Aber alles, was in ihrem Leben an Endgültigem gewesen ist, all das, was sie tief in sich getragen haben, was in ihrem Leben zutiefst grundgelegt war, wird sich nun entfalten. Die Liebe, die sie verschenkt hat, die Fröhlichkeit, Genügsamkeit, der Glaube, der sie getragen hat - all das, was in ihnen und in uns tief verborgen ist, kann zur Entfaltung kommen, wenn wir nicht mehr nur uns selbst leben.
Das Leben ist ein Einüben auf den Tod: Loslassen und verschenken, was uns beseelt. Liebe und Hoffnung und Glauben zur Blüte zu bringen. Wenn das das Anliegen unserer Toten gewesen ist - und wenn das auch unser Anliegen, unser Leben ist - dann werden nicht nur sie, sondern auch wir in Gemeinschaft mit ihnen und unserem Gott, nach dem Tod aufblühen in unaussprechlicher Herrlichkeit.

Dennoch: Der Tod schmerzt, und ein Leben, das sich verschenkt, schmerzt, weil wir so viel aufgeben und zurücklassen, weil wir soviel zu verlieren scheinen. Aber das Wichtigste, das, was wir hier - im Herzen - tragen, das nehmen wir mit.

Amen.

661. Predigtvorschlag

«Alles hat seine Zeit»

Alles hat seine Zeit, seine Stunde, so heißt es beim Prediger Kohelet, eine Zeit der Freude und eine Zeit der Trauer. Eine Zeit der Trauer - haben wir denn noch wirklich die Zeit, mit ganzem Herzen zu trauern?

Wir sind hier, weil wir um einen lieben Verstorbenen trauern. Der Gedanke an den Tod nimmt uns fast den Atem. Es ist die Trauer und der Schmerz, der uns - oft im wahrsten Sinne des Wortes - die Kehle zuschnürt, der uns wie ein Kloß im Hals steckt. Es gibt so vieles, dass unser Herz anfüllt, das wir aber nicht mehr herauslassen können oder wollen.

In uns liegt tief eingesenkt all das, was unsere Verstorbenen uns alles geschenkt hat. Nicht nur die Blicke, die Worte, die Gesten und die Zuneigung. Nein, vor allem wie sie selbst gewesen sind, hat sich uns eingeprägt.

In unseren Herzen aber pocht auch die Frage nach dem Warum. Warum gerade er, warum sie? Warum jetzt schon? Warum auf diese Weise? Ich weiß es nicht. Diese Frage schmerzt uns. Wir tragen sie hier - im Herzen - und wissen nicht wohin damit.

Nicht nur das ist es, was uns wie ein Kloß im Halse steckt, sondern auch die bange Frage: Was ist jetzt mit unseren Toten? Sind sie uns für immer genommen? Oder sind sie noch bei uns? Sind sie schon Gott?

Trauern - befreiend Trauern -, das heißt, das herauslassen, was uns so erfüllt. Von dem zu reden, was in uns ist. Den Kloß im Hals überwinden und erzählen, wie unsere Lieben gewesen ist. Die Erinnerung wach halten, die Liebe und Dankbarkeit wach halten. Erzählen sie von denen, die uns vorangegangen sind, erzählen sie den Kindern, was sie für einen Vater, was für eine Mutter, was für Großeltern sie hatten. Immer noch haben!

Stellen sie die Fragen, die sie bedrängen. Auch das ist Trauer: Suchen sie die Antworten, die Gott ihnen jetzt noch nicht gibt. Geben sie sich nicht mit vorläufigem zufrieden. Fragen, die aus dem Herzen kommen, führen immer zum Herzen dessen, der unsere Antwort ist.

Trauern bedeutet aber auch, Hoffnung zu haben. Ohne Hoffnung könnten wir nicht trauern, sondern müssten verzweifeln. Die Verstorbenen sind uns nicht fern. Die Trennung, die der Tod bedeutet, ist nicht endgültig. Wir haben unsere christliche Hoffnung: Wenn es einen Gott gibt, der uns liebt, dann kann diese Liebe nicht mit dem Tod einfach zu Ende sein. Wenn wir einen Gott haben, der mit uns trauern kann - so, wie wir im Evangelium gehört haben - dann haben wir auch einen Gott, der mit für uns die Liebe weiterleben lässt, der unsere Lieben weiter am Leben erhält.

Trauern sie. Halten sie die Erinnerung, die Fragen und die Hoffnung wach. Erinnern sie sich, weil sie geliebt haben und geliebt worden sind. Fragen Sie, weil die Liebe sich nie mit dem zufrieden gibt, was einfach so ist. Hoffen Sie, weil sie immer noch lieben und - weil Gott es ist, der unsere Liebe nicht sterben lässt.

Wer trauert, der kann wieder atmen. Dem löst sich der Kloß im Hals, der gewinnt den Blick für die Wirklichkeit: Dass weder das Leben unserer Toten, noch ihr Lieben mit dem Tod ein Ende gefunden hat. Amen.

662. Predigtvorschlag

«Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen»

Wenn wir einen lieben Menschen zu Grabe getragen haben, über und für ihn gebetet haben, für ihn Gottesdienst feiern, und wenn wir schließlich auf seinem Grab das Kreuz aufrichten - dann bringen wir damit unseren christlichen Glauben und unsere Hoffnung auf die Auferstehung zum Ausdruck. Wir wissen, dass wir unseren lieben Verstorbenen nicht verloren haben, sondern dass wir ihn nur dem zurückgeben mussten, der ihn uns geschenkt hat. Unsere Toten sind jetzt wieder vollkommen in Gottes Händen, und so, wie Gott sie einst uns geschenkt hat, so glauben wir, dass Gott uns auch erneut einmal zusammenführen wird.

Trotz dieses Glaubens aber erfüllt uns jeder Tod mit Trauer und Abschiedsschmerz. Nicht deshalb, weil wir uns in unserem Glauben unsicher wären, weil wir uns nicht freuen würden auf das, was Gott uns verheißen hat. Sondern deshalb, weil die Zeit, die wir mit unseren lieben Toten haben durften, in uns nachklingt und uns nicht so schnell loslassen wird. Und das nicht nur, weil sie so viele Spuren hinterlassen haben. Sie, die diejenigen gekannt haben, die uns vorangegangen sind, wissen, was Sie an ihnen hatten und was sie Ihnen bedeutet haben.

Ganz unabhängig von ihrem Wirken und von den Spuren, die sie hinterlassen haben, gilt: Worauf es Gott ankommt, ist das Herz, das hinter allem Tun geschlagen hat; wieviel Liebe, Aufrichtigkeit und Frömmigkeit sie im Leben verschenken konnten.

Und die Liebe, die wir von ihnen empfangen haben, weil sie selbst von Gott geliebt waren, die will sich nicht einfach abstellen lassen. Die können wir nicht einfach abhaken und dann zur Tagesordnung übergehen. Das bedeutet Trauer: Weiterhin auch den Menschen zu lieben, der nicht mehr unter uns ist.

Ein herausragendes Ereignis - eine Hochzeitsfeier oder ein Jubiläum - kann noch Jahre in uns nachklingen, schöne Erinnerung wachrufen und unser Leben prägen.
Dass unsere lieben Verstorbenen nicht mehr unter uns ist, können wir nicht ändern. Aber sie werden auch noch weiterhin in uns nachklingen, mehr als nur schöne Erinnerungen in uns wachrufen und unser Leben prägen.

Die Zeit der Trauer ist auch eine Zeit, in der wir uns auf ein Wiedersehen mit denen vorbereiten, um die wir trauern. Indem wir auf Gottes Wort vertrauen, auf das auch unsere Verstorbenen ihr Leben lang vertraut haben: «Euer sse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich. Im Hause meines Vater gibt es viele Wohnungen.»

Amen.

663. Predigtvorschlag

«Emmaus»

Die Jünger, die auf den Weg nach Emmaus waren, haben viel mit uns, die wir um unsere Verstorbenen trauern, gemeinsam. Denn der Grundzug, der sie beherrscht, ist die Trauer.

Sie wissen, dass Jesus, an den sie ihr Herz gehangen haben, gestorben ist, sie verlassen hat. Er ist nicht mehr unter ihnen. Und sie reden über das, was sich ereignet hat.

Wahrscheinlich gehen auch Ihre Gedanken zurück. Wir trauern, und in unserer Trauer gehen unsere Gedanken zurück, zu dem, was unsere Toten für uns gewesen sind, was sie uns bedeutet haben, was sie uns gegeben, geschenkt haben. Vielleicht haben sie bestimmte, konkrete Ereignisse vor Augen, Gedanken, Begebenheiten. Sätze, die zu Ihnen gesprochen worden sind; Trost, den sie gespendet haben; Hilfen, die sie gegeben haben. Vielleicht halten sie sich aber auch einfach nur das Wesen derjenigen vor Augen, die uns so lieb gewesen sind. Und während wir sie in unseren Gedanken lebendig werden lassen, wird uns um so schmerzlicher bewusst, dass sie nicht mehr unter uns sind, dass sie uns fehlen.

Bei den Emmausjüngern, die sich ihren Jesus im Gespräch vor Augen führen, ist mitten unter ihnen bereits der anwesend, um den sie trauern. Aber in ihrem Schmerz erkennen sie ihn nicht, können sie ihn nicht erkennen. Sie waren wie mit Blindheit geschlagen, denn der Schmerz, jemanden zu verlieren, der einem soviel gegeben hat, umschließt das Herz wie mit einer festen Faust.

Aber in ihrem Schmerz spüren sie doch, dass sie nicht allein sind. Sie finden Trost in ihrem Begleiter, und so bitten sie ihn: «Bleibe doch bei uns; denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt.»

Das Herz in ihrer Brust hat gebrannt - nicht nur vor Trauer und Schmerz, sondern auch voll Hoffnung. Eine Hoffnung, die sie nicht begreifen konnten, die sie aber dennoch gespürt haben. Und in dem Augenblick, in dem sie mit dem Auferstandenen Mahl gehalten haben, gingen ihnen die Augen auf. Sie erkannten ihn.

Unsere Verbindung mit unseren Toten ist nicht abgebrochen. Wir können sie nicht mehr sehen, sie nicht mehr berühren. Sie können uns nicht mehr in ihre Arme schließen. Aber sie sind uns nicht vollkommen entschwunden. Im Glauben wissen wir, dass wir mit ihnen verbunden bleiben. Wir leben noch immer in Beziehung mit ihnen, denn das, was sie uns gegeben haben, was wir ihnen geben durften, verbindet uns. Die Dankbarkeit, die Zuneigung und die Liebe, die uns im Leben mit ihnen verbunden hat, hört mit dem Tod nicht auf.

Auch, wenn wir es nicht immer erfahren, wenn unser Verstand uns anderes erzählen will: Wir wissen, dass sie noch immer unter uns sind. Unser Herz brennt, nicht nur von Schmerz und Trauer, sondern auch in der Hoffnung, ja, in der Gewissheit, dass sie nicht verloren gegangen sind, nicht abhanden gekommen sind, sondern dass sie in Gottes Hand erhalten bleiben, und damit auch für uns erhalten bleiben.

Es bedarf keiner gedanklichen Anstrengung, sondern nur der Einfachheit unserer Herzen, um das zu erkennen: Wir bleiben mit unseren Toten in Verbindung, solange Gott die Verbindung zu uns hält und solange wir in unserem Gott bleiben. Sie sind unter uns, weil Gott unter uns ist. In Gott und durch ihn und mit ihm geht uns nichts verloren, was wichtig war.

Und so, wie die Emmausjünger ihren Herrn im Brotbrechen erkannt haben, weil es das Zeichen seiner Liebe gewesen ist, so erkennen wir in Gottes Liebe die Verheißung, dass wir nicht getrennt leben müssen, von denen, die wir lieben. Gottes Liebe ist die Verheißung an uns, dass alles gut werden wird. Alles. Amen.

664. Predigtvorschlag

«Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh, mit mancherlei Beschwerden, der ewigen Heimat zu.» (Gotteslob Nr. 656)

Wenn wir - aus welchem Grunde auch immer - fern der Heimat sind, dann werden wir alles daran setzen, bald wieder heimatlichen Boden unter die Füße zu bekommen.

Dass wir Menschen in die Fremde verschlagen werden, kann die unterschiedlichsten Gründe haben: Die Suche nach einem Arbeitsplatz, Krieg, Abenteuerlust. Manche heiraten in einen anderen Ort, und manche sind einfach nur auf Urlaub in ein anderes Land gereist.

Die Menschen allerdings, die nicht freiwillig ihre Heimat verlassen haben, sehnen sich nach ihrem Zuhause und unternehmen oft alles mögliche, um dorthin zurückzugelangen. Heimat, so hat mal einer gesagt, ist dort, wo jemand auf mich wartet. Heimat ist dort, wo jemand ist, an dem unser Herz hängt.

Nicht zu Unrecht sagen wir also, dass wir Christen hier auf Erden auf der Wanderschaft sind. Mag sich Frau Rawert auch hier in Rhede heimisch gefühlt haben - Ihr und uns ist der Himmel als ewige Heimat verheißen. Und wem eine solche Heimat versprochen ist, der kann sich auf Erden nicht wirklich heimisch fühlen.

Jesus braucht dafür das Bild des Vaterhauses Gottes, in dem viele Wohnungen sind. In diesem Bild finden wir die Geborgenheit bei. Unsere Heimat ist dort, weil dort Gott auf uns wartet. Dort hat Gott in aller Geduld und Liebe auch auf Paula Rawert gewartet, und sie jetzt zu sich geholt.

Nun wissen wir, dass ein Mensch, der ein lohnendes Ziel vor Augen hat, bereit ist, einige Strapazen dafür in kauf zu nehmen. Mit dem Ziel der ewigen Heimat vor Augen, können wir mit dem Leid, das uns in unserem Leben begegnet, anders umgehen. Selbst das Leid, das uns jetzt trifft, wenn ein Angehöriger stirbt, erscheint in einem anderen Licht, wenn wir uns vorstellen, dass unsere Verstorbenen bereits vor uns ihre Heimat erreicht.

In dem gleichen Glauben, mit der gleichen Hoffnung können wir Christen dem Tod unserer Lieben begegnen. Im Glauben daran, dass sie uns lediglich ein kleines Stück des Wegs vorangegangen ist.

Unser Leid, unsere Nöte aber auch der alltägliche Ärger ist gelassener zu ertragen, mit diesem Ziel vor Augen. Aber wieviele Menschen gibt es heute, die zwar genauso unterwegs sind, die jedoch das Ziel nicht mehr wahrhaben wollen, nicht mehr glauben können!

So gibt es viele Reisende in dieser Welt, aber nur wenige, die wissen, wohin sie unterwegs sind. Viele spüren noch, dass sie hier auf der Erde keine wirkliche Heimat haben, glauben aber nicht mehr an die Heimat bei Gott, die auf sie wartet. Möglicherweise hatte sie einmal ein Ziel vor Augen, haben es aber jetzt aus den Augen verloren. So haben sie sich an das Laufen gewöhnt und halten es inzwischen für das Eigentliche.

Wir aber haben eine andere Berufung: Wir sollen im Haus des Vaters zur Ruhe kommen. Deshalb müssen auch wir zielgerichtet unseren Weg gehen. Viele können uns darin Vorbild und Wegweiser sein. Einer aber hat gesagt: «Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, außer durch mich.»

Um uns heimzuholen, ist Gottes Sohn Mensch geworden, er zeigt uns nicht nur den Weg, er geht ihn auch mit uns. Wenn wir uns an ihn halten, können wir den Heimweg nicht verlieren, wird er immer an unserer Seite sein.

Und mit ihm als Wegbegleiter dürfen wir voll Vertrauen darauf hoffen, dass wir dort, im Hause des Vaters, die wahre Heimat finden, weil dort die Menschen, die wir lieben und die uns geliebt haben, auf uns warten. Amen.

665. Predigtvorschlag

«Das Gericht ist unsere Entscheidung, zu Gott JA zu sagen»

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir in der Hl. Schrift vom Gericht über die Verstorbenen hören und uns darüber Gedanken machen, so geraten wir sehr schnell in ein Dilemma: Auf der einen Seite spielt es auch für Gott eine entscheidende Rolle, wie wir hier auf Erden leben. Auf der anderen Seite scheint uns aber der Gedanke eines richtenden Gottes, der uns unsere guten und schlechten Taten vorhält, als ein sehr kümmerliches Bild von Gott.

Aber das Bild des Gerichtes nach unserem Tod ist ein so klarer Bestandteil der Frohen Botschaft, dass wir ihn wohl nicht wegdiskutieren können. Der Gedanke, dass es vollkommen egal ist, was wir hier tun und wie wir leben, wir kommen sowieso in den Himmel - der Gedanke entspräche ja auch nicht dem guten Gott, an den wir glauben.
Denn das würde bedeuten, dass Gott uns nicht ernst nehmen würde. Dass die Entscheidungen, die wir hier auf Erde treffen - manchmal sehr mühsam und verbunden mit großen Opfern - ohne jeden Belang sind.
Jeder, der sich entschließt, mit diesem Gott nichts zu tun haben zu wollen, würde am Ende seines Lebens seiner Freiheit beraubt und zur Liebe gezwungen. Seine Entscheidung gegen Gott wäre dann vollkommen belanglos.

Aber das wirft - gerade am heutigen Tag - die Frage auf, was denn mit unseren Verstorbenen ist. Und - mindestens genauso drängend - was wird mit uns einmal sein? Denn das ist ja wohl auch klar: Wir haben keinen Buchhalter-Gott, der alles, was wir tun, schön aufschreibt und nachher zusammenrechnet, ob wir uns wohl den Himmel verdient haben - oder nicht.

Vielleicht hilft uns dabei ein Gedanke weiter, der bei den alten Mönchsvätern, vor allem beim Heiligen Benedikt, ein entscheidende Bedeutung gehabt hat: Das Leben ist ein großes Einüben. Hier auf Erden üben wir uns, dereinst zu unserem Gott das große «JA» zu sprechen. So wie Jesus, nachdem Petrus ihn dreimal verleugnet hat, ihn dreimal fragt: Liebst Du mich? - so wird er auch uns fragen, ob wir ihn lieben. Und das was zählt, ist nur, ob wir dann aus ganzem Herzen das JA zu Gott, so wie er ist, auch wirklich sprechen können.

Dieses endgültige JA beginnt mit dem JA, dass wir in der Taufe sprechen. Aber es muss sich in unserem Leben immer wieder neu bewähren.
Können wir zu einem Gott, der unserem ärgsten Feind schon längst verziehen hat, während wir immer noch auf Rache sinnen, von ganzem Herzen JA sagen?
Können wir zu Gott denn JA sagen, wenn wir hier auf Erden all den Menschen, die uns nicht in den Kram passen, ein NEIN entgegenhalten?
Können wir aus ganzem Herzen JA zu Gott sagen, wenn wir hier auf Erden mit seiner Kirche nichts tun haben wollen? Wenn uns jeder Gottesdienst, der ja nichts anderes ist als eine gefeierte Zustimmung zu ihm, schon zu viel und zu lästig ist?
Können wir aus ganzem Herzen zu Gott JA sagen, so, wie er ist, wenn wir hier auf Erden schon unseren eigenen Glauben zurechtzimmern, uns Gott so basteln, wie wir ihn gerne hätten - egal was uns die Bibel oder die Kirche sagt?

Liebe Schwestern und Brüder, glauben Sie mir: Gott hat uns all unsere Halbheiten längst verziehen. Er trägt uns nichts nach, er hält uns keinen Sündenkatalog vor. Vor ihm brauchen wir keine Angst zu haben, er will nichts weniger, als ein strafender Gott zu sein. Deshalb können wir Allerseelen, dass Gedenken an alle unsere Verstorbenen auch feiern: Weil wir wissen, dass uns ein liebender Gott erwartet, wo der, der nicht glaubt, nur ein dunkles Nichts sieht.
Der, der an diesen liebenden Gott glaubt und das Leben nach dem Tode ernst nimmt, der wird auch sein Leben hier ernst nehmen - und mit der Liebe ernst machen. Wer von diesem JA Gottes zu uns beseelt ist, den kann nichts mehr trennen von der Liebe Gottes. Wer sich darum bemüht, sein eigenes JA zu Gott in diesem Leben einzuüben, den wird Gott vollenden. Der lebt ein erfüllt Leben, egal, wieviel er darin erreicht. Das ist unser Glaube, und das ist unsere großartige Hoffnung - für uns und für unsere Verstorbenen. Amen.

666. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,
wenn wir in der Hl. Schrift vom Gericht über die Verstorbenen hören und uns darüber Gedanken machen, so geraten wir sehr schnell in ein Dilemma:
Auf der einen Seite spielt es auch für Gott eine entscheidende Rolle, wie wir hier auf Erden leben.
Auf der anderen Seite scheint uns aber der Gedanke eines richtenden Gottes, der uns unsere guten und schlechten Taten vorhält, als ein sehr kümmerliches Bild von Gott.
Aber das Bild des Gerichtes nach unserem Tod ist ein so klarer Bestandteil der Frohen Botschaft, dass wir ihn wohl nicht wegdiskutieren können.
Der Gedanke, dass es vollkommen egal ist, was wir hier tun und wie wir leben, - dieser Gedanke entspräche ja auch nicht dem guten Gott, an den wir glauben.
Denn das würde bedeuten, dass Gott uns nicht ernst nehmen würde. Dass die Entscheidungen, die wir hier auf Erde treffen - manchmal sehr mühsam und verbunden mit großen Opfern - ohne jeden Belang sind.
Jeder, der sich entschließt, mit diesem Gott nichts zu tun haben zu wollen, würde am Ende seines Lebens seiner Freiheit beraubt und zur Liebe gezwungen. Seine Entscheidung gegen Gott wäre dann vollkommen belanglos. Wir alle wären nur Marionetten ohne freien Willen.
Und nach dem Motto des berühmten Karnevalsschlagers "Wir kommen alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind." zu leben, hieße den barmherzigen Vatergott zu einem treudoofen Opa verkommen zu lassen
Aber das wirft - gerade am heutigen Tag - die Frage auf, was denn mit unseren Verstorbenen ist. Und - mindestens genauso drängend - was wird mit uns einmal sein?
Denn das ist ja wohl auch klar: Wir haben keinen Buchhalter-Gott, der alles, was wir tun, schön aufschreibt und nachher zusammenrechnet, ob wir uns wohl den Himmel verdient haben - oder nicht.
Vielleicht hilft uns dabei ein Gedanke weiter, der bei den alten Mönchsvätern, vor allem beim Heiligen Benedikt, ein entscheidende Bedeutung gehabt hat:
Das Leben ist ein großes Einüben.
Hier auf Erden üben wir uns, dereinst zu unserem Gott das große "JA" zu sprechen. So wie Jesus, nachdem Petrus ihn dreimal verleugnet hat, ihn dreimal fragt: Liebst Du mich? - so wird er auch uns fragen, ob wir ihn lieben. Und das was zählt, ist nur, ob wir dann aus ganzem Herzen das JA zu Gott, so wie er ist, auch wirklich sprechen können.
Dieses endgültige JA beginnt mit dem JA, dass wir in der Taufe sprechen. Aber es muss sich in unserem Leben immer wieder neu bewähren.
Können wir zu einem Gott, der unserem ärgsten Feind schon längst verziehen hat, während wir immer noch auf Rache sinnen, von ganzem Herzen JA sagen?
Können wir zu Gott denn JA sagen, wenn wir hier auf Erden all den Menschen, die uns nicht in den Kram passen, ein NEIN entgegenhalten?
Können wir aus ganzem Herzen JA zu Gott sagen, wenn wir hier auf Erden mit seiner Kirche nichts tun haben wollen? Wenn uns jeder Gottesdienst, der ja nichts anderes ist als eine gefeierte Zustimmung zu ihm, schon zu viel und zu lästig ist?

Können wir aus ganzem Herzen zu Gott JA sagen, so, wie er ist, wenn wir hier auf Erden schon unseren eigenen Glauben zurechtzimmern, uns Gott so basteln, wie wir ihn gerne hätten - egal was uns die Bibel oder die Kirche sagt?
Liebe Schwestern und Brüder, glauben Sie mir:
Gott hat uns all unsere Halbheiten längst verziehen. Er trägt uns nichts nach, er hält uns keinen Sündenkatalog vor. Vor ihm brauchen wir keine Angst zu haben, er will nichts weniger, als ein strafender Gott zu sein.
Deshalb können wir Allerseelen, dass Gedenken an alle unsere Verstorbenen auch feiern: Weil wir wissen, dass uns ein liebender Gott erwartet, wo der, der nicht glaubt, nur ein dunkles Nichts sieht.
Das ist nämlich die Hölle: Auf ewig allein sein zu wollen, im Dunkeln kauern zu wollen, weil man meint, sich allein zu genügen. Die Hölle ist sozusagen immer von innen verschlossen. Sie ist das endgültige, egoistische NEIN des hochmütigen Menschen.
Der Himmel hingegen ist die ewige Gemeinschaft mit Gott und allen die JA gesagt haben zu Gott und zu denen Gott JA gesagt hat. Eine Gemeinschaft in der es keine Trauer, keine Feindschaft, kein Leid und keine Tränen mehr gibt, sondern nur noch Friede und Freudeim Hl. Geist. Eine Gemeinschaft in der wir uns alle bejaht wissen, wirklich geliebt.
Am Ende unseres Lebens wird Gott auf uns zu kommen. Mit ausgebreiteten Armen und einem Blick voll Liebe will er uns empfangen. Und wenn wir diese Liebe sehen, spüren wir, wie wenig wir dieser Liebe entsprochen haben, wie sehr wir diesen Gott enttäuscht haben, wie sehr wir uns etwas vorgemacht haben. Und dieser Schmerz angesichts der Unerwiderten Liebe, dieser Schmerz ist das, was wir das Fegefeuer nennen. Dieser Schmerz läutert uns. Es ist der Schmerz den der verlorene Sohn in seinem Herzen empfand als er seinem barmherzigen Vater entgegenging.
Der, der an diesen liebenden Gott glaubt und das Leben nach dem Tode ernst nimmt, der wird auch sein Leben hier ernst nehmen - und mit der Liebe ernst machen.
Wer von diesem JA Gottes zu uns beseelt ist, den kann nichts mehr trennen von der Liebe Gottes. Wer sich darum bemüht, sein eigenes JA zu Gott in diesem Leben einzuüben, den wird Gott vollenden. Der lebt ein erfüllt Leben, egal, wieviel er darin erreicht. Das ist unser Glaube, und das ist unsere großartige Hoffnung - für uns und für unsere Verstorbenen.
Amen.

667. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

In der Allerseelenandacht, die wir hier und jetzt miteinander feiern, wollen wir der Verstorbenen gedenken. An die verstorbenen nahen Angehörigen, Verwandte, Bekannte und Freunde. Aber auch an die, an die niemand mehr denkt. Wir sind hier versammelt, um für sie zu beten, daß Gott ihnen das ewige Leben schenken möge.
Viele von ihnen werden sicherlich für bestimmte Verstorbene beten, die ihnen mehr oder weniger nahe gestanden sind. Dabei werden so manche Erinnerungen hochkommen. Sowohl Gute, als auch nicht so Angenehme. Bei allen diesen Reminiszenzen kommt einem vielleicht immer wieder die Frage:
„Werde ich den Verstorbenen oder die Verstorbene einmal wiedersehen?" Oft wird diese Frage auch mit der Hoffnung eines Wiedersehens verbunden. Und oft genug möchte man dann wissen: „Was passiert eigentlich nach dem Tod? Wohin gehen wir?"
Diese Fragen haben die Menschheit durch die Jahrhunderte bis ins heutige Jahrhundert begleitet.
Viele haben versucht, auf diese Fragen eine Antwort zu geben.
So gibt es die verschiedensten Denkmodelle, wie ein Leben nach dem Tod aussieht. Auch für die Beschreibung des Lebens nach dem Tode, gibt es viele Bilder und Beschreibungen.
In den letzten Jahren ist besonders eine Vorstellung auf dem Vormarsch. Nämlich die Lehre von der Reinkarnation, der Wiedergeburt.
Viele Menschen meinen, sie würden nach ihrem Tod in einem neuen Körper wiedergeboren. Diese Ansicht will bewiesen sein durch parapsychische Phänomene. Das sind unter anderem Phänomene, wo eine Person angeblich aus ihrem früherem Leben berichtet, welches Jahrzehnte zurückliegt.
Und die Vorstellung, noch einmal die Errungenschaften unserer westlichen Gesellschaft zu genießen, ist ja allzu verlockend.
Aber was ist eigentlich unter dieser Lehre zu verstehen?
Der Ursprung der Reinkarnationslehre liegt im Buddhismus und Hinduismus. Sie besagt, daß die Seele sich in einem Karussell des ständigen Wiedergeboren-Werdens befindet.
Sie kann nur durch Yoga diesem Karussell entkommen. Über acht Stufen des Yoga gelangt sie dann ins Nirwana. Das ist ein Aufgehen in die Allseele, Atman genannt. Dort hat man keine Begierden, Gefühle und Wünsche mehr.
Im Westen ist diese Art Selbsterlösungkarussell zu einer Spirale gemacht worden. Diese Art Selbsterlösungsstrategie führt allemal nach oben. Deswegen scheint sie auf dem ersten Blick sehr attraktiv.
Doch bei näherem hinsehen, wird deutlich, wie unbarmherzig diese Lehre im Grunde ist. Denn dieser Lehre liegt das Gesetz des Karma zugrunde. Karma ist ein Gesetz von Tat und Wirkung.
Wenn man im jetzigen Leben Böses tut, dann wird man im nächsten Leben viel Leid ertragen müssen. Es wird am Ende meines Lebens genau abgewogen, wieviel Böses und wieviel Gutes man getan hat. Und je nachdem wie man gelebt hat, muß man die Folgen tragen.
Leid und Not sind dann so eine Art Bestrafung, deren Grundlage die harte Konsequenz des entsprechenden früheren Lebens ist. Worte wie Gnade und Vergebung haben da nichts zu suchen. Es gibt nur Gesetze und gnadenlose Automatismen, aus denen man sich selbst befreien muß.
Für Barmherzigkeit ist hier kein Platz.
Ganz anders die Botschaft Jesu. In der Lesung gerade haben wir gehört, wie Jesus zu seinen Jüngern, und damit auch zu uns, spricht: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich!" Jesus weiß, daß wir in mancherlei Versuchung des Glaubens fallen. Daher bittet er uns hier, treu zu bleiben. Sich nicht verwirren zu lassen.
Wir sollen nicht auf die falschen Propheten hereinfallen, die alles versprechen und doch selbst blind sind.
Und weiter sagt er: „Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen." Ein paar Verse weiter: „Und ich werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin."
Jesus spricht hier nicht davon, daß er ins Nirwana eingeht, in die Allseele. Er sagt, daß er im Hause seines Vaters ist. Einer konkreten Person. Nämlich Gott Vater. Nicht bei einem göttlichen Fluidum.
Und für jeden von uns hat er eine Wohnung bereitet. Er möchte uns bei sich haben. Als Person. So wie Gott uns geschaffen hat.
Als ein Individuum, daß es im Verlauf der Geschichte nur ein einziges Mal gibt. Und nicht als etwas, was in ein Alles oder Nichts zerflossen ist.
Jesus hat uns das Tor zum Vater aufgeschlossen. Durch seinen Tod und seine Auferstehung sind wir erlöst. Durch Jesu Erlösungstat ist uns die Möglichkeit geschenkt worden, in das Haus des Vaters zu gelangen.
Aber wie gelangt man jetzt zum Vater? Welchen weg muß man gehen?
Diese Frage stellte auch Thomas Jesus: „Wie sollen wir dann den Weg kennen?"
Und die Antwort Jesu: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich."
Welche Stellung Jesus hier einnimmt, kann vielleicht ein Vergleich aus der Computerwelt verdeutlichen. Vergleiche sind mit Vorsicht zu genießen. So auch dieser.
Wer im Internet surfen möchte, braucht einen Provider, der den Zugang zum Internet ermöglicht. Es gibt verschiedene Provider, die ich nicht nennen möchte. Das Wort Provider kommt aus dem lateinischen und setzt sich aus zwei Wörtern zusammen:
pro und videre.
Wörtlich übersetzt: fürsehen. Das Wort providere wird auch mit „Sorge tragen" übersetzt. Ein Provider ist also jemand, der für etwas Sorge trägt. Beim Internet sind es die Anbieter, die Sorge tragen, daß man im Internet surfen kann. Diese Sorge lassen sie sich gut bezahlen.
Jesus trägt die Sorge, daß wir zum Vater gelangen.
Den Fürsprecherdienst Jesu können wir uns jedoch nicht mit Geld erkaufen. Ebensowenig können wir sagen: Ich habe das und das getan, also erhalte ich dafür das ewige Leben. Dieses Wenn-Dann-Denken wird Jesu Botschaft nicht gerecht.
Jesus möchte, daß wir daß Leben in Fülle haben. Und dieses Leben will er uns schenken. Aus Liebe zu uns. Wir müssen ihn darum bitten und es annehmen.
Denn er ist der Weg und die Wahrheit, die zum Leben führt. Ein Leben in Fülle, welches uns in der Ewigkeit geschenkt wird und an dem wir jetzt schon Anteil nehmen können.

668. Predigtvorschlag

"Sich verbrauchen lassen für Gott"

Allerseelen feiern wir nicht im Hochsommer. Allerseelen feiern wir jetzt, wenn wir den Übergang vom Licht zum Dunkel am stärksten wahrnehmen, wenn wir dankbar sind für jede Stunde des Tages, die Licht bringt – und für das Licht einer Kerze.

Die Osterkerze, die zum erstenmal in einer Nacht entzündet wurde, in der Osternacht, steht während des Jahres in der Taufkapelle. Sie begleitet dort den Beginn eines neuen Lebens: Wenn ein Mensch getauft wird, wird ihm das Licht der Osterkerze anvertraut. Dieses Licht soll zeigen, daß einer sich von diesem Licht entzünden läßt und es hineinträgt in die Welt als ein Zeichen der Hoffnung.

Heute steht die Osterkerze neben dem Altar. Gleich werden wir die Lichter, die daneben stehen, auch entzünden. Jedes Licht steht für einen Verstorbenen, der in den vergangenen zwölf Monaten diese unsere Welt verlassen hat.

Daß wir für jeden Verstorbenen ein Licht anzünden und dieses Licht von der Osterkerze nehmen, hat auch seinen tiefen Sinn. Nicht nur der Beginn, auch das Ende des irdischen Lebens ist im Symbol der Osterkerze verdichtet dargestellt.

Von vielen Verstorbenen sagen wir: Wie schade, daß er schon so früh sterben mußte! Manchmal denken wir auch so, obwohl der Tote eigentlich schon ein hohes Alter erreicht hatte. Vor ein paar Monaten las ich eine Todesanzeige, in der es hieß: „Wir hatten noch so viel miteinander vor!“ Der Verstorbene war immerhin 84 Jahre alt. In früheren Zeiten wäre das schon als biblisches Alter angesehen worden.

Im Blick auf die Osterkerze können wir versuchen, einen anderen, gläubigeren Maßstab zu finden: Die Osterkerze zeigt das Zeichen des Kreuzes, das für Christus steht. Christus selbst hat nicht lange auf dieser Erde gelebt. Wir dürfen annehmen, daß er ungefähr dreißig oder vielleicht dreiunddreißig Jahre alt war, als er am Kreuz starb. Und nur drei Jahre davon lebte und lehrte er öffentlich. Jesus hatte als Mensch auf dieser Erde kein langes Leben. Aber sein Leben, das er lebte, war Hingabe. Jesus hatte keine Angst, für uns Menschen gebraucht und verbraucht zu werden.

Das gleiche zeigt uns die Kerze und besonders die Osterkerze: wenn sie neu ist, ist sie wunderbar anzusehen, wie sie gerade und geschmückt da steht. Aber so erfüllt sie noch nicht ihre Bestimmung. Ihre Bestimmung besteht gerade darin, daß sie ihre Schönheit verliert. Ihre Bestimmung besteht darin, sich verzehren zu lassen und durch ihr langsames Niederbrennen ihrer Umgebung etwas Kostbares zu schenken: das lebendige Licht und die Wärme einer Flamme.

Unsere Vorfahren, die noch tiefer als wir mit den Elementen und ihrer Wirkung verbunden waren, für die ein Licht, eine Flamme, ein Stein oder ein Weg noch eine viel wesentlichere Bedeutung hatte als für uns, sie haben dann auch der Kerze eine weitere Bedeutung zugeschrieben. Sie haben gesagt: Die Kerze, sie steht für Seele und Leib des Menschen. Der Leib, den finden wir im Wachskörper der Kerze dargestellt. Das Wachs schmilzt und wandelt sich in Wärme und Licht. So ist auch der Leib eines Menschen nicht dazu da, sich selbst zu genügen. Er muß zur Hingabe werden, zum Opfer, das das Gute bewirkt.

Innen im Wachskörper der Kerze steckt der Docht. Er läßt sich entflammen und ist darum ein Sinnbild für die Seele des Menschen. Nur wenn die Seele sich entzünden läßt vom Licht der Gnade Gottes, kann der Mensch zu seiner wahren und eigentlichen Bestimmung finden. Er kann zum Licht und zum Segen werden für andere Menschen.

Alles an der Kerze ist dazu da, entflammt zu werden und Licht in der Dunkelheit zu spenden. Unsere Kirchen sind erbaut nach Osten hin, zur aufgehenden Sonne. Solange wir in dieser Welt leben, leben wir im Dunkel und Zwielicht. Da ist jedes Licht wichtig, das den Weg ausleuchtet. Doch irgendwann kommt der Tag, an dem die Sonne aufgeht für alle Zeiten. Für uns ist Christus die neue Sonne, die aufgeht und immer scheint. Wenn Christus kommt, am Ende der Zeiten, wenn er die Lebenden und die Toten richten wird, ist er die neue Sonne eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Dann wird unser Glaube zum Schauen, unsere Sehnsucht zur Erfüllung, unser Fragen zur Gewißheit. Dann werden wir mit denen, die vor uns geglaubt und gehofft haben, das Ziel erreicht haben, auf das hin wir jetzt noch unterwegs sind.

669. Predigtvorschlag

Als einen der größten Komponisten, der je gelebt hat, dürfen wir Georg Friedrich Händel ansehen. Als der 55 Jahre alt war, im Jahr 1741, erlebte er eine Zeit tiefster Depression und Erschöpfung. Nichts ging mehr. Händel war ein verzweifelter Mann, unfähig, irgendetwas Neues zu beginnen. Er hatte den Glauben an sich selbst verloren.

Da erreicht ihn eines Tages ein Paket mit dem Brief eines Dichters Charles Jennens. Dieser hatte schon früher die Texte zu „Saul“ und „Israel in Ägypten“ geschrieben. Nun sandte er ihm einen neuen Text in der Hoffnung, Händel würde ihn vertonen. Das Oratorium trug die Überschrift „Der Messias“. Und als Händel die ersten Worte las, die ihm der Dichter da zugeschickt hatte, lösten sich in ihm aller Schmerz, alle Verzweiflung und alles Dunkel. Die ersten Worte lauteten: „Comfort ye – Sei getrost!“ Es ist ein Zitat aus dem Buch des Propheten Jesaja (Jes 40,1). Darin kündigt der Prophet dem geschundenen und erschöpften Volk an, nun werde etwas Neues beginnen, das Heil und neues Leben ist nahe. Die Zeit des Elends hat ein Ende, denn Gott selbst kommt mit Macht.
So wie Händel diese Worte vertont, spürt man förmlich den Trost und das Entgegenkommen des lebendigen Gottes und seine erbarmende Nähe zu den Menschen. Viermal erklingt der Ruf „Comfort ye – Sei getrost!“ Nicht dreimal, sondern viermal wird diese Zusage ausgesprochen. Viermal – das ist schon ein Symbol für die Menschwerdung des Sohnes Gottes, der unsere sterbliche Natur annimmt. Vier Kerzen trägt der Adventskranz, das Zeichen gläubiger Erwartung. Vier Enden hat auch das Kreuz, an dem wir Jesus sehen, wie er alle Krankheiten und Leiden der Menschen auf sich nimmt. Die Vier kehrt auch wieder in den vierzig Tagen der Fastenzeit, in denen wir den Ruf Gottes von neuem hören, wie er uns mit Erbarmen und Gnade reich beschenken will.

Heute, am Tag des Gebetes für unsere verstorbenen Schwestern und Brüder im Glauben, suchen wir nach Trost. Trost, dieses Wort hat in unserer Sprache leider eine Abwertung erfahren. Trost, das klingt irgendwie nach Vertröstung, nach Ablenkung vom Wirklichen, vom eigentlichen Leid. – Das Wort „Trost“ hat damit das gleiche Schicksal ereilt wie manche anderen Worte, die ursprünglich authentisch und gültig ausdrücken konnten, was wir uns selbst nicht machen und geben können. Aber dann sind diese Worte eingeebnet worden, verflacht zu einer Allerweltsformel. Das Wort „Trost“ gehört dazu, aber auch das Wort „Liebe“ oder auch „Heil“ und übrigens auch „Glaube“.

In der Sprache der Bibel bedeutet „Trost“ weit mehr als unsere gebräuchliche Wertung. Diese tiefere Bedeutung erkennen wir mit Blick auf bestimmte Stellen der Bibel. Von Simeon, der auf den Erlöser wartete, heißt es im Lukasevangelium, er wartete auf die Rettung Israels (Lk 2,25). Wörtlich steht an dieser Stelle: „Trost“. Das heißt: Trost und Rettung sind identisch. Die Worte bezeichnen ein und dasselbe Handeln Gottes. Wen Gott tröstet, den rettet er auch. Und wen er rettet, dem schenkt er das, worauf er wartet und hofft und woran er glaubt. Deswegen betont Lukas in seinem Evangelium so sehr immer wieder den Glauben: weil der Glaube das Tor zur Rettung ist.

So ist Trost nicht Vetröstung, sondern Heil und Leben. So ist der Trost, den Gott schenkt, etwas Wunderbares und Großes, das man gar nicht genug erwarten und erhoffen kann.

Und noch mehr können wir in diesem Wort Trost wiederfinden: Der Trost, den Gott schenkt, hat einen Namen: Jesus Christus. Er ist der fleischgewordene, der menschgewordene Trost des lebendigen Gottes in den Dunkelheiten und Leiden unseres Lebens. Er spricht nicht nur vom Trost, sondern er tröstet, indem er den Weg des Leidens mitgeht, indem er unser Leiden auf sich nimmt. Das ist das tiefste Geheimnis unseres Glaubens, das wir nicht nur heute, sondern auch in jeder heiligen Messe feiern: Der erhöhte, der am Kreuz sterbende Sohn Gottes verwandelt die Dunkelheit in Licht, die Angst in Freude, den Tod in neues Leben.

Als Georg Friedrich Händel daranging, das Geheimnis des neuen Lebens in eine Melodie zu bringen, konnte er nichts Besseres tun, als das Halleluja, den Jubelruf der erlösten Kirche zu nehmen und in seiner Melodie diesen Ruf immer höher zu setzen, gleichsam als Einheit von irdischer und himmlischer Musik, als Danklied der Engel und der Menschen.
Lassen wir uns heute einen Trost schenken, der stärker ist als jedes Leid und der vom Leben spricht, das stärker ist als der Tod.

670. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

In der Allerseelenandacht, die wir hier und jetzt miteinander feiern, wollen wir der Verstorbenen gedenken. An die verstorbenen nahen Angehörigen, Verwandte, Bekannte und Freunde. Aber auch an die, an die niemand mehr denkt. Wir sind hier versammelt, um für sie zu beten, daß Gott ihnen das ewige Leben schenken möge.
Viele von ihnen werden sicherlich für bestimmte Verstorbene beten, die ihnen mehr oder weniger nahe gestanden sind. Dabei werden so manche Erinnerungen hochkommen. Sowohl Gute, als auch nicht so Angenehme. Bei allen diesen Reminiszenzen kommt einem vielleicht  immer wieder die Frage:
„Werde ich den Verstorbenen oder die Verstorbene einmal wiedersehen?“ Oft wird diese Frage auch mit der Hoffnung eines Wiedersehens verbunden. Und oft genug möchte man dann wissen: „Was passiert eigentlich nach dem Tod? Wohin gehen wir?
“ Diese Fragen haben die Menschheit durch die Jahrhunderte bis ins heutige Jahrhundert begleitet.
Viele haben versucht, auf diese Fragen eine Antwort zu geben.
So gibt es die verschiedensten Denkmodelle, wie ein Leben nach dem Tod aussieht.  Auch für die Beschreibung des Lebens nach dem Tode, gibt es viele Bilder und Beschreibungen.
In den letzten Jahren ist besonders eine Vorstellung auf dem Vormarsch. Nämlich die Lehre von der Reinkarnation, der Wiedergeburt.
Viele Menschen meinen, sie würden nach ihrem Tod in einem neuen Körper wiedergeboren. Diese Ansicht will bewiesen sein durch parapsychische Phänomene. Das sind unter anderem Phänomene, wo eine Person angeblich aus ihrem früherem Leben berichtet, welches Jahrzehnte zurückliegt.
Und die Vorstellung, noch einmal die Errungenschaften unserer westlichen Gesellschaft zu genießen, ist ja allzu verlockend.
Aber was ist eigentlich unter dieser Lehre zu verstehen?
Der Ursprung der Reinkarnationslehre liegt im Buddhismus und Hinduismus. Sie besagt, daß die Seele sich in einem Karussell des ständigen Wiedergeboren-Werdens befindet.
Sie kann nur durch Yoga diesem Karussell entkommen. Über acht Stufen des Yoga gelangt sie dann ins Nirwana. Das ist ein Aufgehen in die Allseele, Atman genannt. Dort hat man keine Begierden, Gefühle und Wünsche mehr.
Im Westen ist diese Art Selbsterlösungkarussell zu einer Spirale gemacht worden. Diese Art Selbsterlösungsstrategie führt allemal nach oben. Deswegen scheint sie auf dem ersten Blick sehr attraktiv.
Doch bei näherem hinsehen, wird deutlich, wie unbarmherzig diese Lehre im Grunde ist. Denn dieser Lehre liegt das Gesetz des Karma zugrunde. Karma ist ein Gesetz von Tat und Wirkung.
Wenn man im jetzigen Leben Böses tut, dann wird man im nächsten Leben viel Leid ertragen müssen. Es wird am Ende meines Lebens genau abgewogen, wieviel Böses und wieviel Gutes man getan hat. Und je nachdem wie man gelebt hat, muß man die Folgen tragen.
Leid und Not sind dann so eine Art Bestrafung, deren Grundlage die harte Konsequenz des entsprechenden früheren Lebens ist. Worte wie Gnade und Vergebung haben da nichts zu suchen. Es gibt nur Gesetze und gnadenlose Automatismen, aus denen man sich selbst befreien muß.
Für Barmherzigkeit ist hier kein Platz.
Ganz anders die Botschaft Jesu. In der Lesung gerade haben wir gehört, wie Jesus zu seinen Jüngern, und damit auch zu uns, spricht: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich!“ Jesus weiß, daß wir in mancherlei Versuchung des Glaubens fallen. Daher bittet er uns hier, treu zu bleiben. Sich nicht verwirren zu lassen.
Wir sollen nicht auf die falschen Propheten hereinfallen, die alles versprechen und doch selbst blind sind.
Und weiter sagt er: „Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen.“ Ein paar Verse weiter: „Und ich werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.“
Jesus spricht hier nicht davon, daß er ins Nirwana eingeht, in die Allseele. Er sagt, daß er im Hause seines Vaters ist. Einer konkreten Person. Nämlich Gott Vater. Nicht bei einem göttlichen Fluidum.
Und für jeden von uns hat er eine Wohnung bereitet. Er möchte uns bei sich haben. Als Person. So wie Gott uns geschaffen hat.
Als ein Individuum, daß es im Verlauf der Geschichte nur ein einziges Mal gibt. Und nicht als etwas, was in ein Alles oder Nichts zerflossen ist.
Jesus hat uns das Tor zum Vater aufgeschlossen. Durch seinen Tod und seine Auferstehung sind wir erlöst. Durch Jesu Erlösungstat ist uns die Möglichkeit geschenkt worden, in das Haus des Vaters zu gelangen.
Aber wie gelangt man jetzt zum Vater? Welchen Weg muß man gehen?
Diese Frage stellte auch Thomas Jesus: „Wie sollen wir dann den Weg kennen?“
Und die Antwort Jesu: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“
Welche Stellung Jesus hier einnimmt, kann vielleicht ein Vergleich aus der Computerwelt verdeutlichen. Vergleiche sind mit Vorsicht zu genießen. So auch dieser.
Wer im Internet surfen möchte, braucht einen Provider, der den Zugang zum Internet ermöglicht. Es gibt verschiedene Provider, die ich nicht nennen möchte. Das Wort Provider kommt aus dem lateinischen und setzt sich aus zwei Wörtern zusammen:
pro und videre.
Wörtlich übersetzt:  fürsehen.   Das Wort providere wird auch mit „Sorge tragen“ übersetzt. Ein Provider ist also jemand, der für etwas Sorge trägt. Beim Internet sind es die Anbieter, die Sorge tragen, daß man im Internet surfen kann. Diese Sorge lassen sie sich gut bezahlen.
Jesus trägt die Sorge, daß wir zum Vater gelangen.
Den Fürsprecherdienst Jesu können wir uns jedoch nicht mit Geld erkaufen. Ebensowenig können wir sagen: Ich habe das und das getan, also erhalte ich dafür das ewige Leben. Dieses Wenn-Dann-Denken wird Jesu Botschaft nicht gerecht.
Jesus möchte, daß wir daß Leben in Fülle haben. Und dieses Leben will er uns schenken. Aus Liebe zu uns. Wir müssen ihn darum bitten und es annehmen.

Denn er ist der Weg und die Wahrheit, die zum Leben führt. Ein Leben in Fülle, welches uns in der Ewigkeit geschenkt wird und an dem wir jetzt schon Anteil nehmen können.

671. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Wenn wir an Christus-König denken und heute ihm zu Ehren ein Fest feiern, dann haben wir manchmal ein etwas ungutes Gefühl: So, als wäre Christus der König, der hoch auf Seinem Thron sitzt und darauf wartet, dass wir ihm huldigen.

Nun: So ganz unzutreffend ist das Bild ja auch nicht. Denken Sie an das Altarbild in Thuine - der thronende Christus. Oder bei der Anbetung heute nachmittag, bei der wir den Christus, der in der Monstranz auf dem Altar thront, mit der doppelten Kniebeuge ehren. Oder an das Lied, das wir vorhin gesungen haben: "Christus Sieger, Christus König - wir huldigen dir!" - Und auch in der Kommunion bilden wir mit den Händen einen Thron oder lassen uns - in der Mundkommunion - den Leib Christi direkt in den Mund legen.

Christus ist tatsächlich wie ein König, er wird von uns als König geehrt und gefeiert. Aber - die ganze Sache ist nicht so einfach, etwas komplizierter und viel, viel schöner:

Denn Christus ist eben nicht als König in diese Welt gekommen, sondern eher als Bettler. In ärmsten Verhältnissen. Und er hat sein Leben in ständiger Armut gelebt und ist den schmählichsten Tod gestorben. Er hat sich erniedrigt und wurde zu unserem Diener.

Die Welt hat nicht erkannt, dass er in Wahrheit der König des Universums ist. Aber wir, die wir uns Christen nennen, glauben dies: Der, der dient, ist König.

Und deshalb ist der Königs-Kult, den wir für Christus bereithalten, unser Ausdruck unseres Glaubens. Christus hat ihn nicht verlangt; wir aber glauben, dass er - und nur er - diesen Kult verdient.

Alles, was vielleicht auf den ersten Blick wie unterwürfiger Dienst und gehorsames Bückeln aussieht, ist in Wahrheit Zeichen unserer Freiheit. So, wie es die Elfe Dobby in dem letzten Harry Potter Buch einmal sagt: "Ich bin eine freie Elfe und bestimme selbst, wem ich dienen möchte und wem ich gehorsam bin!"

Liebe Schwestern und Brüder: Wir sind keine Sklaven mehr. Jesus hat uns Freunde genannt. Ein Sklave weiß nicht, warum er etwas tun muss; er führt nur befehle aus. Wir aber sind Freunde Christi. Wir erfüllen keinen sklavischen Dienst an ihm, sondern tun das, was wir für richtig halten, als angemessen erkennen: Wir ehren unseren göttlichen Freund!

Wir verneigen uns vor ihm - nicht, weil Gott nur groß ist, wenn wir uns klein machen; sondern weil wir wissen, dass auch er sich klein gemacht hat und uns dient. So werden wir in jeder Kniebeuge ihm gleich.

Wie lassen ihn in der Monstranz über uns thronen. Aber nicht, wie ein Herrscher in seiner Macht; denn Gott thront in der Form des Brotes: Er will uns Nahrung sein. Es ist seine Liebe und sein Dienst, die ihn so groß macht.

Wir huldigen ihm - aber nicht, indem wir buckeln und den Blick nicht erheben, sondern wie Sklaven, die befreit worden sind und nun dem dienen, den sie lieben.

Wir empfangen den Leib Christi mit unseren Händen, indem wir sie zu einem Thron formen; oder - vielleicht sogar noch schöner - lassen ihn uns in den Mund legen. Aber wir ehren damit den Christus, den König, der sich kleiner macht, als wir selbst es sind, um uns von innen her zu verwandeln. Ja, wir sollen uns erniedrigen, zum Diener werden. Aber nur, weil wir erkannt haben, dass das der einzige Weg ist, Gott ähnlich zu werden: Indem wir lieben, wie er uns liebt. Amen.

672. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Zum Ende des Kirchenjahres feiern wir (bevor die eigentlich ruhige Adventszeit beginnt) noch einmal ein richtiges Fest: Das Christus-König-Fest.

König – da denkt man an Hofstaat, Prunk, Thron, Krone, Garde – also an alles, was weltliche Macht symbolisiert.

Christus, der König – im Evangelium steht er aber alles andere als mächtig da. Er steht gefesselt vor Pontius Pilatus, er wird verhört und bald gekreuzigt werden. Das Evangelium des heutigen Sonntags werden wir an Karfreitag wieder hören, wenn die Passion nach Johannes verlesen wird.

Hätte man da nicht ein anderes Evangelium nehmen können? Das mit der Sturmstillung zum Beispiel: Jesus, der Herr der wilden Naturgewalten! Oder eines, wo er heilt, Wunder tut oder Brot vermehrt - das ist doch ein König! Oder ein Evangelium, wo er es den Pharisäern mal so richtig gibt - unser Held, Jesus!

Ich habe es eingangs erwähnt: Das Christkönigfest ist noch recht jung und wurde sozusagen den totalitären Regimes entgegengehalten.

Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. sagt Jesus im Evangelium. Die Logik seiner Macht ist nicht die Logik irdischer Macht.

In den Augen der Welt ist einer, der mit großer Militärmacht Völker in Schach halten, jederzeit zuschlagen und zerstören kann, ein Mächtiger. Macht und Gewalt ist in unseren Augen meist Macht, die zerstören kann.

Mein Königtum ist nicht von dieser Welt.
Jesu Macht ist eine andere. Sie zerstört nicht, sondern baut auf. Sie hat kein Vernichtungspotenzial, sondern Erlösungskraft.

Wer ist letztlich größer, stärker?
Der, der einen Porzellanteller mit einem Schlag zerdeppert, oder der, der die Scherben wieder zusammenkittet – mit viel Geduld und Liebe.
Der, der einen Streit anfängt, zuschlägt, oder der, der versöhnt und Ausgleich schafft – mit viel Geduld und Liebe.
Wer ist letztlich größer, stärker?

Die Welt – leider gerade die des Nahen Ostens – hat die Frage leider immer neu so beantwortet, dass die Zerstörungsmacht die eigentliche Stärke ist.

Die Welt ahnt aber auch insgeheim und wir spüren es angesichts der Gewalt im Großen und Kleinen, dass die wirkliche entscheidende Macht woanders liegt.

Mein Königtum ist nicht von dieser Welt.
Gott hat seine Allmacht nicht dadurch bewiesen, dass er die sündigen, bösen Menschen niedergemacht hat. Er hat seine Macht beweisen in Jesus Christus, der die Menschen mit Gott versöhnt hat, und der Vergebung und Erlösung schenkt, die aufbauen, aufrichten.

Papst Benedikt hat die eigentlichen Machtverhältnisse in seiner Predigt zu Beginn seines Pontifikates im April 2005 auf dem Petersplatz sehr schön beschrieben:
„Nicht die Gewalt erlöst, sondern die Liebe.
Der Gott, der Lamm wurde, sagt es uns:
Die Welt wird durch den Gekreuzigten und nicht durch die Kreuziger erlöst.
Die Welt wird durch die Geduld Gottes erlöst und durch die Ungeduld der Menschen verwüstet.“
Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. sagt Jesus.
Seine Macht ist deshalb auch nicht von dieser Welt, sondern ist stärker als diese Welt.
Sein Thron ist nicht golden und prächtig, sondern aus schlichtem Holz: Krippe und Kreuz.

Unser König liebt Dich, hat Geduld mit Dir. Er hat so heilende Macht über Dich, ohne Dich zu knechten.
Ihm untertan sein, ihm glauben, macht deshalb frei. Frei auch, um anderen mit Liebe und Geduld zu begegnen, damit sein Reich komme – wie wir es so oft beten.

673. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Zum Ende des Kirchenjahres feiern wir (bevor die eigentlich ruhige Adventszeit beginnt) noch einmal ein richtiges Fest: Das Christus-König-Fest. Was allein schon vom Titel her ziemlich triumphalistisch klingt, war wohl auch ursprünglich so gemeint: Wir haben keinen anderen König, was auch immer die Welt verehren möchte, als Jesus Christus.

Und dann - Schock! - so ein Evangelium: Jesus am Kreuz, verspottet und gedemütigt. Hätten man da nicht ein anderes Evangelium nehmen können? Das mit der Sturmstillung zum Beispiel: Jesus, der Herr der wilden Naturgewalten! Oder eines, wo er heilt, Wunder tut oder Brot vermehrt - das ist doch ein König! Oder ein Evangelium, wo er es den Pharisäern mal so richtig gibt - unser Held, Jesus!

Stattdessen: Jesus am Kreuz. Sterbend. Was soll das? Ist das ein Fest?

Liebe Schwestern und Brüder, ja, das ist ein Fest. Denn am Kreuz offenbart Jesus seine eigentliche Macht: Uns durch sein Leiden mit Gott zu versöhnen. "Ich sage Dir, noch heute wirst Du mit mir im Paradies sein!"

Wir haben es schon oft gehört, dass Jesus ein anderer König ist. Ein König der Herzen; ein König der anderen Welt. Aber so richtig gefallen tut es uns nicht; es will auch nicht so richtig in unser Herz hinein.

Wir müssen uns immer wieder zwingen, daran zu denken, dass die Werte dieser Welt nicht in allen mit den Werten der anderen, zukünftigen Welt übereinstimmen. Aber es gibt Gelegenheiten, bei denen wir etwas davon spüren:

  • in Momenten großen Glücks, wenn uns die Sorgen, die wir uns gestern noch gemacht haben, plötzlich vollkommen unbedeutend vorkommen.

  • in Moment der großen Not, wenn wir erkennen, dass wir mit all den Anstrengungen nur Vergängliches erreicht haben und nichts davon mehr geblieben ist.

  • Oder an der Nahtstelle zwischen dieser Welt und der kommenden Welt: Dem Sterbebett. Wenn wir zurückschauen und fragen, was uns denn wirklich wichtig gewesen ist.


Liebe Schwestern und Brüder, was glauben Sie, werden wir uns in den letzten Stunden unseres Lebens fragen? Ob wir nicht doch besser einen VW anstelle eines Opels hätten kaufen sollen? Ob ich nicht doch das Jobangebot hätte annehmen sollen? Ob ich alles richtig gemacht habe?

Ich denke, die Frage wird ein wenig anders lauten: Wie wird Gott sein? Wird er mich aufnehmen? Verzeiht er mir? Nimmt er mir übel, was ich alles gegen ihn getan habe?
Die Frage, ob ich Gott lieben kann, entscheidet sich aber nicht erst dann, wenn wir uns die Frage stellen; sie entscheidet sich schon jetzt. Wie ist Gott? Verzeiht er mir?

Nun, liebe Schwestern und Brüder, schieben Sie die Frage - vielleicht die einzige Frage, die wirklich in Ihrem Leben ein Gewicht hat - nicht weiter hinaus. Umgehen Sie sie nicht. Betäuben Sie sich nicht mit Arbeit. Verweisen sie nicht auf Pflichten, die Sie sich nur selbst auferlegt haben - die nicht Gottes Pflichten sind. Seien Sie mutig und schauen Sie in aller Ruhe Gott ins Angesicht: Lieber Gott, magst Du mich? So wie ich bin? Was muss ich ändern? Sagst Du es mir?

Trauen Sie sich. Haben Sie keine Angst vor diesen Fragen - viele Menschen fürchten sich davor. Und manche schämen sich.

Vielleicht fällt es Ihnen schwer, anderen gegenüber zu begründen, dass Sie gerne eine Stunde lang Gott diese Frage stellen möchten. Dann sagen Sie doch einfach, sie würden heute zur Betstunde kommen. Das ist ganz unverfänglich. Herzliche Einladung dazu. Amen.

674. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Christus-König-Fest ist noch keine so alte Einrichtung: Erst zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde es in den Kirchenkalender eingefügt, um angesichts der totalitären Systeme der damaligen Zeit die Antwort auf die Frage zu geben: Wer ist eigentlich der Herr dieser Welt?

Als Jesus vor Pilatus stand, hatten scheinbar die Römer und die herrschenden Juden die volle Macht über Jesus. Ganz sicher war Jesus kein König, kein Mächtiger, denn er starb ja am Kreuz. Und trotzdem sagt er von sich: Ja, ich bin ein König.

Scheinbar hatten am Anfang dieses Jahrhunderts, als das Fest Christkönig eingeführt wurde, ganz andere Kräfte die Macht in der Hand. Und doch hielten die Christen daran fest: Der eigentliche König ist und bleibt Jesus Christus.

Scheinbar haben auch heute ganz andere Kräfte die Macht auf ihrer Seite. Für viele ist es das Geld, das alle regiert. Für andere ist es die politische Macht, die Wirtschaft, die Banken oder einfach nur George Bush. Und trotzdem bleiben die Christen dabei: Jesus ist der eigentliche Herr.

Aber, und das gehört dazu: «Mein Königreich ist nicht von dieser Welt.» Er will nicht einfach sein Königreich gegen die Reiche dieser Welt setzen. Und so geht es auch beim Christkönigsfest nicht darum, allen Politikern und Staatsmännern das Vertrauen zu entziehen und nur noch Gott zu gehorchen. Es geht vielmehr darum, sich selbst zu fragen, nach welchen Maßstäben ich mich hier in dieser Welt eingerichtet habe.

  • Wer in unserer Welt als ein Großer und Mächtiger gelten möchte, der muss andere Menschen fest im Griff haben.

  • Im Königreich Jesu ist der ein Großer und Mächtiger, der muss sich selbst im Griff hat.

  • In unserer Welt zählt derjenige als ein König, der viele Menschen unter sich hat. Je mehr es sind, desto bedeutender ist er.

  • Im Glauben ist der ein König, der selber den Menschen dient. Dabei kommt es nicht darauf an, wie vielen er dient, sondern mit welcher Hingabe er es tut.

  • In der kommerziellen Welt gilt der als ein König, der sich gut verkaufen und vermarkten lässt. Ob als König der Popmusik, König der Volksmusik oder als ein Meister des Humors.

  • In der Welt unseres Königs ist selbst der wertvoll, der nichts mehr zu verkaufen hat, weil er von Gott geliebt wird; arm ist nur der, der ärmlich denkt, schlechtes tut und wenig liebt.

  • In der Welt der Politik ist der der wichtigste, der bei seiner Wahl die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte.

  • In der Welt Jesu ist der der Größte, der seine Stimme zum Lob Gottes einsetzt.

Das heißt nicht (wenn ich diese Gegenüberstellung mache), dass die Welt nur schlecht ist. Aber sie wird immer schlechter, wenn wir uns nicht darum bemühen, nach anderen Maßstäben zu denken und zu leben.

Das Königreich Jesu ist nicht von dieser Welt, weil die Maßstäbe, mit der Gott uns bemisst, vollkommen andere sind. Aber es ist letztlich das Reich, das alle anderen überdauern wird. Denn die einzige Macht, die nicht korrupt macht, ist die Macht der Liebe. Amen.

675. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, kennen Sie das Gloria? Meistens wird es bei uns im Gottesdienst nur als Lied gesungen, den jahrtausendealten Text, der den Gloria-Liedern zugrunde liegt, kennen heute nicht mehr viele; noch weniger kennen ihn auswendig. Vielleicht liegt es daran, dass im Gloria nicht von uns die Rede ist; von unseren Nöten, Bitten und Wünschen. Das Gloria handelt allein von Gott., und von seiner Anbetung. Das ist natürlich etwas langweilig.

- - - -

Adolf Hitler hatte seinen Landsitz auf dem Obersalzberg im Laufe der Jahre zu einer Art "Tempel" eingerichtet. Normalerweise war der gesamte Obersalzberg hermetisch abgeriegelt, wie ein "heiliger Bezirk," nur dem Führer und seinen Getreuen zugänglich. Aber zu bestimmten Zeiten durfte dann das gläubige Hitler-Volk in den inneren Bereich, um den Führer aus nächster Nähe zu erleben und ihm zu huldigen. Waren den Pilgern sonst nur Blicke aus größerer Entfernung auf diese kleine Heilsfigur möglich, so konnten an solchen Festtagen einige Auserwählte sogar zum Händeschütteln zugelassen werden.
Wahrscheinlich war dieser Ritus auch mit Musik, Schmuck, Fahnen und feinster Ausstattung geziert, so dass das fromme Nazi-Herze regelrecht in Verzückung geraten konnte. Der kleine Adolf ließ sich großartig zum Mythos erheben.

In der Nähe des Obersalzbergs, außerhalb dieser Kultstätte, gab es eine kleine Kapelle, an der sich jeden Sonntag die Gemeinde der Salzbergbauern versammelt und ihren Gottesdienst feierte. Der Pfarrer, der damals regelmäßig zum Gottesdienst in diese kleine Kirche kam, berichtete vor einiger Zeit, dass das Gloria, dass die Kirche seit 2000 Jahren betete, eine geradezu programmatische Aussage bekam.
"Wir loben Dich. Wir preisen Dich. Wir beten Dich an. Wir rühmen Dich und danken Dir, denn groß ist Deine Herrlichkeit. Herr und Gott, König des Himmels, Herrscher über das All... Du allein bist der Heilige, Du allein der Herr, du allein der Höchste, Jesus Christus mit dem Heiligen Geist zu Ehre Gottes des Vaters."

Liebe Schwestern und Brüder, in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts kam es in Mode, so genannte "politische Gottesdienste" abzuhalten, und auch heute fragen viele, wenn sie einen Gottesdienst vorbereiten wollen (oder sollen): "Was für ein Thema nehmen wir?" Dabei ist der Gottesdienst gerade in seiner Ausrichtung auf Gott hoch politisch, Thema genug. Wenn wir nur begreifen würden, was wir beten!

Vielleicht haben einige Christen in der frühen Hitler-Zeit nicht die Große Gefahr gemerkt, die sich da zusammenbraute. Wer aber im Angesicht der Hitler-Verehrung Gottesdienst gefeiert hat und mit Herz und Verstand für die Texte der Messe aufgeschlossen war, dem sind vielleicht die Augen früher aufgegangen als anderen.

So kann auch für uns Gottesdienst keine Weltflucht sein. Wer Gottesdienst feiert, mit Sinn und Verstand, mit Herz und Seele; wer sich Zeit nimmt für die Anbetung Gottes (kleiner Wink mit dem Zaunpfahl: Heute nachmittag ist dazu Gelegenheit), der ist wachsamer und sehender. Und vielleicht auch mutiger, an dieser Gesellschaft und ihren Kurs mitzuarbeiten.

Gottesdienst und Anbetung, liebe Schwestern und Brüder, sind unabdingbare Folgen, um diese Welt zu verändern. Das zeigt uns ein Blick in die Geschichte. Große Veränderungen gingen oft genug von großen Christen und Betern aus.

Natürlich haben auch Männer und Frauen, die weder Gottesdienst gefeiert noch gebetet haben, diese Welt verändert. Aber bei den meisten wünschen wir uns heute, sie hätten es lieber nicht getan.

Amen.

676. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder.

Der Satz: «Recht haben heißt noch lange nicht Recht bekommen» ist Ihnen sicher schon bekannt. Vielleicht ist es Ihnen auch schon passiert, dass sie bei einer bestimmten Gelegenheit übervorteilt wurden. Jemand anderes hat sich etwas genommen, dass rechtmäßig Ihnen zugestandenen hat. Wenn man dann keine Möglichkeit hat, sein eigenes Recht durchzusetzen, ist das schlimmste Gefühl das der Ohnmacht. Die Hilflosigkeit, zwar selbst korrekt gewesen zu sein, und trotzdem der Schlechtigkeit anderer ausgeliefert zu sein, ist unerträglich.

Nun leben wir gottseidank in einem Rechtsstaat. In anderen Ländern muss oft die Mehrheit der Menschen mit lebenslanger Rechtlosigkeit auskommen, vollkommen abhängig von den Launen der Machthaber, der Wirtschaftsbosse oder Großgrundbesitzer. Die Unerträglichkeit einer solchen Situation dauert dort ein Leben lang.

Wir haben bei uns fast immer die Möglichkeit, unser Recht einzuklagen. Das Amt eines Richters ist dafür eine Garantie. Je unabhängiger, sachlicher und strenger ein Richter, umso eher vertrauen wir uns ihm an, wenn wir unser gutes Recht erlangen wollen.

Gut - auch bei uns treibt das Rechtssystem manchmal seltsame Blüten, entstehen Gesetze, die gegen unser Gerechtigkeitsempfinden verstoßen. Aber im großen und Ganzen möchten wir doch lieber in unserem Land leben als im Sudan oder in Jemen.

Und obwohl Richter in unserer Gesellschaft hoch angesehene Personen sind, denen wir viel Vertrauen entgegen bringen, ist der Gedanke vom richtenden Gott aus unseren Gedanken, aus unserer Verkündigung und unserer Erziehung fast ganz verschwunden.
Ein Ausbilder im Priesterseminar Münster sagte einmal, dass das Lied: «Strenger Richter aller Sünden» das letzte unchristliche Lied im Gotteslob sei. Der Glaube an den richtenden Gott sei ketzerisch.

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus Christus ist unser Heiland, Erlöser, Bruder und Freund. Mit dem heutigen Fest - Christus König - und dem Evangelium, in dem der Menschensohn sich auf den Richterstuhl setzt und die Menschen richtet, gerät aber auch diese andere Dimension in den Blick: Jesus ist König und Richter der Menschen.

Ein sehr tröstlicher Gedanke: Den Entrechteten wird zu Recht verholfen, die ungerecht Behandelten und Verleumdeten werden rehabilitiert. Wer Recht hat, wird auch Recht bekommen. Die Gerechtigkeit wird wiederhergestellt.
Gott behandelt uns so, wie wir die Menschen behandelt haben. Das gilt für den Ausbeuter, Sklavenhändler und den Kriegsherren genauso wie für den eiskalten Firmenchef und den lieblosen Eltern.

Davor brauchen wir keine Angst zu haben: Einen strengen Richter fürchtet nur der, der Dreck am Stecken hat. Und selbst der kann noch hoffen, denn der Maßstab an dem wir gemessen werden, ist ganz einfach:

«Alles, was ihr einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!»

Amen.

677. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

So spricht Gott, der Herr: "Jetzt will ich meine Schafe selber suchen und mich selber um sie kümmern!" - So spricht Gott durch den Propheten Ezechiel, voller Unmut über die weltlichen Herrscher der damaligen Zeit. Er steht nicht länger auf Seiten der König und Regierenden. Vielmehr kündet er an, selbst das Zepter in die Hand zu nehmen. Er wird einen König senden.

Auch jetzt gibt es ziemlich viel Unmut über die momentan Regierenden - allerdings hat Gott sich damals nicht über gebrochene Wahlversprechen geärgert oder neue Steuern. Er hat den Propheten Ezechiel zu der damaligen Regierung geschickt, weil diese gott-los geworden war.

Es ging dem damaligen Volk nämlich mehr um Macht, Geld und Ansehen. Gottesdienst, Nächstenliebe und die zehn Gebote waren nicht mehr so wichtig. Und das galt nicht nur für die Regierenden der damaligen Zeit: Mit dem König und dem Hofstaat hat sich im ganzen Volk Israel eine neue Werteordnung durchgesetzt: Selig macht, was Wohlbefinden schafft. Am besten ein guter Besitz.

Und das gilt auch für die heutige Zeit. Unsere Kritik an der Regierung zeigt ja auch, worauf es uns ankommt: Dass diese Regierung sowohl in der Frage der Massen-Abtreibung (mindestens ein Viertel aller Kinder in Deutschland werden abgetrieben), als auch in der verbrauchenden Embryonenforschung, in der Frage der Bioethik und vielen anderen wesentlichen Punkten nichts tut - oft sogar das Gegenteil vorhat - stört uns nicht. Aber wehe, die gehen an unser Geld, dann kippt die Stimmung, dann sinken die Umfragewerte; dann erst werden palamentarische Untersuchungsauschüsse eingerichtet.
Mit der Kritik Gottes in der heutigen Lesung, das eigene Volk sei gott-los geworden, sind also nicht nur die Regierenden angesprochen, sondern gerade auch wir.

Es wird Zeit, dass Gott sich seines Volkes selber annimmt und uns den König schickt, der sein Volk zu regieren beginnt. - Nun, Gott hat seinen König bereits geschickt, die Frage ist nur, ob wir uns auf dessen Regierungsprogramm einlassen wollen. Das ist nämlich noch radikaler als das von Herrn Schröder. Da geht es nicht nur darum, dass Steuern auf unseren Besitz erhoben werden: Da verlangt Jesus, dass wir unseren Besitz komplett in den Dienst am Nächsten stellen.
Dass wir Besitzende sind, ist keine Sünde. Einen Glückwunsch jedem, dem es gut geht. Aber: Eigentum verpflichtet; wir haben nichts, von dem was wir haben, für uns selbst.
Dieser König verlangt nicht nur, dass wir unser Geld geben, er verlangt unsere Zeit für den Nächsten. Er verlangt unser Gebet für die Sünder. Er verlangt, dass wir bereit sind, alles aufzugeben für einen fremden, den wir nicht kennen und nicht mögen, von dem wir nur wissen: Er ist in Not.

Wer von der Regierung Schröder in die Regierung Jesu überwechselt, kann vielleicht zu dem Schluss kommen, vom Regen in die Traufe gekommen zu sein. Jesus greift uns nämlich nicht nur ordentlich in die Taschen - er greift nach unserem Ich selbst.

Aber dafür kann keine weltliche Regierung das versprechen, was er uns verspricht: "Die Gerechten aber gewinnen das ewige Leben".

Und, unter uns, das ist kein Wahlversprechen. Das gilt immer.

Amen.

678. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein Pfarrer ging eines Sonntags im Moor spazieren. Und wie es kommen musste, verlief er sich prompt und begann, langsam einzusinken. Da kam ein Taxifahrer vorbei und fragte: «Kann ich Ihnen helfen?» Worauf der Pfarrer meinte: «Nein, mir hilft schon Gott!». Wenig später, der Pfarrer war bereits bis zur Hüfte im Moor, kam erneut ein Taxifahrer vorbei. «Kann ich Ihnen helfen?» Worauf der Pfarrer wiederum antwortete: «Nein, mir hilft schon Gott!». Es dauerte nicht lange, und der Pfarrer steckte bereits bis zum Hals im Morast, als wieder ein Taxifahrer anhielt. «Kann ich Ihnen helfen?» - «Nein, mir hilft schon Gott!».
Wenig später, direkt, nachdem er starb, erschien der Pfarrer am Himmels- thron und beschwerte sich. «Lieber Gott, jetzt habe ich ganz und gar auf Deine Hilfe vertraut, und Du lässt mich im Stich!» Worauf der liebe Gott antwortete: «Ich habe Dir nicht geholfen? Ganz im Gegenteil! Ich habe Dir immerhin dreimal ein Taxi vorbei geschickt!»

Ein Missverständnis. Und zwar ein folgenschweres Missverständnis!

Christkönig - das heutige Fest - vielleicht ebenso missverständlich. Denn genauso haben die Spötter am Kreuz Jesu Königsherrschaft missverstanden. «Wenn Du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst!» Was für ein Gott ist das denn auch, der die Welt erschaffen haben soll, aber vor ein paar römischen Soldaten kapitulieren muss. Anscheinend widerlegt das Kreuz, an das unser Gott geschlagen wurde, jeden Glauben an Gottes Allmächtigkeit. Wenn sich irgendwo die Ohnmacht zeigt, dann am Kreuz.

Ich habe gerade mit ein Jugendlichen Besinnungstage hinter mir. Und im Laufe der Gespräche kam genau die gleiche Einsicht zu Tage: Wenn es soviel Leid auf der Welt gibt, dann kann es doch keinen Gott geben. Er ist doch für unseren Schutz zuständig! Wenn es also einen Gott gibt, dann ist er ein Versager. Oder es gibt ihn nicht.

Die gleiche, einleuchtende Vermutung, vor zweitausend Jahren und auch heute. Sie liegt ja auch so nahe.

Aber im gleichen Evangelium von der Ohnmacht Jesu offenbart sich seine wirkliche Macht. Dort am Kreuz zeigt er in einem Satz etwas von seiner überragenden Herrschaft, die kein Mensch für sich beanspruchen könnte: «Amen, ich sage dir, heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.»

Hier zeigt sich die Herrschaft Gottes: Nicht für unsere Wohlfahrt ist er zuständig, sondern für unseren Weg zum Himmel. Er ist der Gott, der uns Schutz verspricht. Aber nicht den Schutz vor Krieg, Not und Gewalt - denn das liegt schließlich in unserer Freiheit, die er uns nicht nehmen will. Sondern Gottes schützende Hand breitet er über unsere Seelen aus. Dort verspricht er, bei uns zu sein. In aller Not, in aller Gefahr nicht zu verzweifeln, die Liebe nicht zu verlieren, den Glauben nicht zu verlieren. Und welche Wunder geschehen da, seit Jahrhunderten, auch heute noch, hier, mitten unter uns, mitten in Halverde!

Jesus ist ein König, das sagt er selbst. Und er hätte auch durchaus die Macht, vom Kreuz herabzusteigen. Er ist nicht ohnmächtig, nur weil er sich nicht wehrt. Seine Macht ist nicht darauf gerichtet, den Menschen die Möglichkeit zur Gewalt zu nehmen, sondern in den Seelen den Willen zum Guten zu stärken.

Das Wunder, das Gott vollbringt, besteht nicht darin, dass er uns aus dem Sumpf errettet wie bei Seinem Gang über den See Genezareth. Das gilt übrigens nicht nur für Pfarrer, die im Moor spazieren gehen. Gottes Wunder besteht vielmehr darin, dass er Menschen bekehrt, sich zur liebenden Sorge um die Mitmenschen aufzuschwingen. Und das gilt nicht nur für Taxifahrer.

Amen.

679. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir heute das Christkönigfest feiern, dann bekennen wir, das wir eigentlich nur einen König, d.h. nur einen politischen Herrscher anerkennen: Nämlich unseren Gott.

Unser Kanzler mag ja in vielen Bereichen etwas zu sagen haben - und weitestgehend handeln wir auch danach, weil es sonst Bußgelder geben könnte - aber eine Zuständigkeit über unser Leben wollen wir ihm nicht zugestehen. Das mag an unserem jetzigen Kanzler liegen, aber das gilt eigentlich grundsätzlich für jeden politischen Herrscher: Wir brauchen ihn, um unser gesellschaftliches Zusammenleben zu ordnen.

Aber die eigentliche Autorität, an der sich auch der Kanzler messen lassen muss, ist Jesus.

Und diesen eigentlichen Herrscher unseres Lebens stellen wir über alles, was es sonst an Autorität in dieser Welt gibt: Über Wissenschaftler, Fernseh-und Kinostars, über Manager und Wirtschaftsbosse und über Theologen und Pfarrer. Immer fragen wirkliche Christen, ob das, was diese irdischen Autoritäten sagen und tun, übereinstimmt mit dem, was Gott will. Der eigentliche König ist und bleibt Jesus.

So ein König ist eben anders als ein Kanzler: Er hat seine Zuständigkeit nicht nur in der Politik. Jesus ist auch der oberste Chef der Wirtschaftsbosse und Unternehmer, der Ärzte und Lebensschützer. Immer und überall stellt sich die Frage, ob hier die lebensbejahende Wirklichkeit unseres Gottes anerkannt wird. Ist das, was die Machthaber dieser Gesellschaft tun, ein Gewinn für Gottes Reich?

Da gibt es natürlich Leute, die sagen, sie brauchen keine oberste Autorität. Die meinen dann, sie wären unabhängig und freier in ihren Entscheidungen. Aber ist der Fernsehchef, der sein Programm nicht nach Werten sondern nach Quoten ausrichtet, freier und unabhängiger? Irgendetwas, so lehrt die Erfahrung, rutscht immer an die Stelle Gottes, wenn wir sie nicht Gott einräumen. Und meist wird dann aus einer guten Autorität ein Diktator: Das Diktat der Wirtschaftlichkeit, der Machbarkeit, der Mehrheitsfähigkeit - usw. Wer nicht Gott den Königsthron freihält, der gerät leicht in die Sklaverei - auch wenn er sich Freiheit gewünscht hat.

Und das gilt auch für unseren Alltag: Christus ist König, noch über allen Autoritäten - auch über die kleinen Autoritäten unseres Alltags: Entscheiden ist nicht, was Karl-Otto am Stammtisch so alles weiß (und der weiß oft eine ganze Menge); entscheidend ist nicht, was ich neulich in der Zeitung gelesen haben; entscheidend ist auch nicht, was ich bei meinem letzten Gespräch an der Gartenhecker über den Nachbarn von gegenüber gehört habe. Alles das muss sich messen lassen an der Autorität Jesu. Er ist der König auch von Halverde, nicht der Buschfunk oder Kaffeekranz. Ist das, was dort geschieht, ein Gewinn für Jesu Königreich?

Und noch wichtiger ist es, Jesu Autorität anzuerkennen in dem, was ich persönlich ganz für mich tue und denke. Ja, sogar meine Gedanken, die sonst niemand mitbekommt, müssen sich messen lassen an dem, was Gott sich wünscht. Meine Schüchternheiten genauso wie meine Begeisterung. Ist das, was ich denke, ein Gewinn für SEIN Königreich?

Diese dreifache Zuständigkeit des universalen Königs: Im Großen (in der Welt), im Kleinen (bei uns im Dorf) und im Geheimen (in meinem Herzen) macht das Leben eines Christen aus. Bin ich ein Gewinn für Gott?

Wahrscheinlich fällt unsere Antwort gemischt aus: Ja, ich bin schon ein guter Christ - aber leider nicht immer. Kein Problem: Es gibt noch eine vierte Zuständigkeit Jesu: Er ist der König der Vergebung, der Heiland der Welt und meines Lebens. Alles das, was sich mit SEINEM Willen nicht vereinbaren lässt, nimmt er von uns und trägt es selbst. Deshalb ist sein Thron das Kreuz geworden. Dort ist er für unsere Fehlerhaftigkeit gestorben und macht das gut, was wir in seinem Reich verdorben haben.

Gott sei Dank.

680. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

„Liebe und tu, was Du willst!" So lautet ein Wort des heiligen Augustinus, eines großen Kirchenlehrers des 4. Jahrhunderts. Liebe nur, alle andere ist vollkommen egal. Gott liebt uns so wie wir sind, daher brauchen wir nichts weiter zu tun, als diese Liebe zu erwidern. Alles andere ergibt sich von selbst. Gott hat uns seine große Liebe am Kreuz erwiesen, hat sich für uns ganz hingegeben, und lädt uns jeden Sonntag aufs Neue ein, mit ihm diese Liebe zu feiern, hier im Gottesdienst, zu dem wir uns versammelt haben. Hier möchte er uns erneut seine Liebe, seinen Leib schenken, möchte uns nahe sein. Wir, die wir solch eine große Liebe empfangen haben, jeden Sonntag aufs Neue erwiesen bekommen, jeden Tag neu seine Liebe geschenkt bekommen, uns von seiner Liebe getragen wissen dürfen, wir können daher auch diese Liebe weiter schenken. Das, was wir empfangen haben und täglich neu empfangen weitergeben. Lieben, weiter brauche ich nichts zu tun. Ich brauche keinen Katechismus auswendig zu lernen, ich brauche nicht die 10 Gebote jeden Tag krampfhaft überprüfen, wenn ich den Grundsatz kapiert habe und umsetze. Jesus selbst hat es einmal so zusammengefaßt: „Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst."

Klingt doch viel besser und leichter als das heutige Evangelium! Nur - der Inhalt ist exakt der Gleiche! Im Gericht des Evangeliums wird nichts anderes erwartet, als genau diese Liebe. Die Liebe am Nächsten: am Hungrigen, Durstigen, Fremden, Obdachlosen, Nackten, Kranken und am Vorbestraften. Die Zuwendung an diese Menschen ist die Liebe, die Jesus von uns erwartet. Die Liebe an diesen Geringen, die uns nicht viel mehr als ein Dankeschön geben können, vielleicht auch dazu nicht in der Lage sind, und unsere Liebe nur als selbstverständlich annehmen oder gar ablehnen, diese Liebe ist gemeint. Nun wird vielleicht klar, dass der Satz zu Beginn: „Liebe und tu, was Du willst" zwar einfach klingt, aber gar nicht so einfach umzusetzen ist. Die Liebe, die Augustinus hier anspricht, ist nämlich genau die von Jesus geforderte: Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst. In unserer heutigen Zeit steht allerdings die Liebe zu sich selbst im Vordergrund. Ganz oft hört man bei der Frage nach Mittun in der Gemeinde die Gegenfrage: „Was hab ich davon? Was bringt mir das?" Die Frage ist ja durchaus berechtigt, nur läßt sich dieser vorhandene Aspekt des Engagements meist nicht so schnell und leicht erläutern. Die neuen Freundschaften, die persönliche Reifung durch die Erfahrung von Leitung ist nicht so schnell greifbar. Während der zweite Aspekt der Aufgabe deutlicher auf der Hand liegt: der Dienst am Nächsten, das Engagement für Andere. Und darin wird dann nicht so leicht die Motivation gefunden. Immer ich, die anderen sollen erst einmal was tun, .... Dieses Handeln aus Liebe am Nächsten fällt oftmals schwer. Von daher wird es beim Gericht zu dieser Unterscheidung kommen. Es wird vor Jesus Menschen geben, die die Liebe, die er ihnen geschenkt hat, nicht erwidert haben, nicht weiter geschenkt haben. Folgt nun daraus unabänderlich das Gericht?, die unbarmherzige Strafe, das ewige Feuer?

Nein, denn Christus ruft uns mit diesem Gleichnis zur Umkehr auf, er will uns eindringlich ermahnen, diese Liebe weiterzugeben. Aber er weiß genau, daß wir fehlbar sind, nur Menschen sind, und daher reicht das Weitergeben der Liebe allein nicht aus. Wenn wir nur auf die Liebe angewiesen wären, wäre das Himmelreich wohl nur einigen wenigen ermöglicht, wie z.B. der heiligen Elisabeth von Thüringen, derer wir gestern gedacht haben. Sie hat die Liebe in der Weise Christi gelebt und sich dadurch das Himmelreich verdient. Hab und Gut hat sie einfach für die Armen hingegeben und schließlich Ihnen ihr ganzes Leben geweiht. Nur die meisten von uns werden wohl nicht mit Vergleichbarem aufwarten können und sind daher auf die Gnade Gottes angewiesen.

Und das ist eben der entscheidende Punkt, der hinzukommt: wo die Liebe, die von uns erwartet wird, nicht ausreicht, da hilft der Glaube weiter. Wo nicht Gott und der andere im Mittelpunkt unseres Denkens stehen, sondern zuerst einmal wir selbst und dann lange gar nichts, da wo unsere Liebe an Gott, den Nächsten und an uns selbst nicht im richtigen Verhältnis steht, da hilft das Erbarmen Gottes weiter. Im Glauben kommen wir zur Überzeugung, dass das, was uns fehlt, durch Gottes Barmherzigkeit uns zugute kommt, so dass wir vor Gericht bestehen können. Er wird, wie wir es in der Lesung hörten, die verlorengegangenen Schafe suchen, die vertriebenen zurückbringen, die verletzten verbinden, die schwachen kräftigen. Das heißt doch für uns, dass wir da, wo wir die Liebe Gottes nicht so weitergeben können, weil wir verlorengegangen sind, vom christlichen Weg abgekommen sind, wo wir vertrieben worden sind: wo andere gesellschaftliche Zwänge uns von der reinen, vorbehaltlosen Liebe abgebracht haben, wo wir verletzt sind, wo unsere Liebe enttäuscht wurde, wo wir schwach geworden sind, keine Kraft mehr haben, Liebe zu schenken, da dürfen wir auf die Hilfe des Hirten, auf Gottes Gnade vertrauen. Dafür ist der Glaube da. Auf Gott vertrauen dürfen, auf Gott, der wie ein Hirte für uns da ist, wo wir, warum auch immer, auf Abwege geraten. Wir glauben an diese Liebe Gottes. Wir empfangen sie, und als Geliebte ist es uns dann überhaupt erst möglich sie weiterzugeben.

681. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Schauen sie sich heute einmal mit mir unser Kreuz an. Was seht ihr dort? Christus am Kreuz, tot, aber eine Krone auf dem Kopf, nicht nur eine Dornenkrone, sondern eine richtige Krone. Wer hat normalerweise sonst nur eine Krone auf? Papa, Mama? Ein König. Richtig, und genau das feiern wir hier heute, am heutigen Sonntag: Christus als unseren König. Heute ist Christkönigssonntag. Aber ist doch schon komisch, wenn der Künstler sagen wollte, daß Jesus ein König ist, was fehlt ihm hier noch alles? Ein Thron, ein Schloß, kostbare Gewänder, viel Gold und all sowas. Hat der aber gar nicht. Statt dessen hängt er tot am Kreuz. Das scheint sich ja zu widersprechen, das paßt doch gar nicht? Er ist tot und fast ganz nackt, und hat trotzdem eine richtige Krone auf, wie ein König.

Genauso einen Widerspruch finden wir ja auch darin, daß wir das Königsfest gerade heute feiern, im toten Novembermonat: Die Natur stirbt ab, die Bäume verlieren die letzten Blätter, es wird immer kälter, die Sonne versteckt sich immer mehr. Alles scheint zu sterben. Das ist doch keine schöne Zeit, um ein Königsfest zu feiern! Wir sollten es vielleicht so wie die Königin von England machen, die hat auch in dieser kalten Jahreszeit Geburtstag und feiert erst im Sommer, wenn es draußen schön warm ist, dann kann man eine Königin oder einen König auch viel besser feiern, so mit Festumzug, marschierenden Soldaten oder ganz vielen Meßdienern oder so. Wir Christen feiern unseren König statt dessen mitten im November. Sogar ganz am Ende des Kirchenjahres, in einer Zeit, wo scheinbar alles zu Ende geht, wo der Toten gedacht wird: Allerseelen, Totensonntag, Buß- und Bettag.

Die Antwort auf all diese merkwürdigen Zusammenhänge erfahren wir aus den heutigen Lesungen: Gott ist nämlich kein normaler König, so wie die Königin von England, sondern er ist "der Herrscher über die Könige der Erde", er ist also noch viel mächtiger als die. Er hat die "Macht über alle Ewigkeit". Er ist "das Alpha und das Omega", das sind die ersten und letzten Buchstaben des griechischen Alphabetes, in dem das Neue Testament geschrieben ist, Gott ist also Anfang und Ende. Unser Gott, der selber gestorben ist, hat dieses Ende, den Tod besiegt, er hat Macht über Leben und Tod hinweg. Er ist "der ist, und der war und der kommen wird." Gottes Königtum ist nicht von dieser Welt. Gott hat Macht über den so schrecklichen Tod hinaus. Deswegen das Christkönigsfest am Ende des Kirchenjahres, in diese Zeit, wo der Toten gedacht wird. Es soll uns zeigen, jetzt, wo alles scheinbar zu Ende geht, wo vieles stirbt, da läßt er uns nicht alleine, da kann er uns auch begleiten, er, der selbst den Tod durchlitten hat, und ihn besiegt hat. Da kann solch ein Kreuz Zeichen des Lebens werden, indem es wieder erblüht, kein totes Holz, wie ich ihnen ja schon bei meiner Antrittspredigt erklärte, sondern eins, das lebt. Oder auch das Zeichen der Krone, die von der Macht Gottes über den Tod hinaus zeugt.

Christus ist der Herr über Leben und Tod, der Herrscher, der König der Schöpfung, aber damit nicht genug.

Christus hat "uns zu Königen gemacht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater." Jesus Christus hat uns zur Nachfolge gerufen. Nicht nur der Pfarrer und der Kaplan, sondern jeder von Ihnen ist mit der Taufe und im besonderen nochmals mit der Firmung zum Priester, Propheten und zum König berufen. Wir brauchen für unseren Glauben nicht in den Tod gehen, aber jeder von uns ist Seelsorger, wie ein Priester, wenn er den Nachbarn oder die Mama tröstet, ein offenes Ohr für den Nächsten hat. Jeder kann Zeugnis ablegen, wie ein Prophet, wenn es in der Kneipe, im Freundeskreis oder bei der Arbeit um den Kirchgang oder dem letzten Schreiben des Papstes geht. Und jeder von uns trägt Verantwortung für die Kirche, für unsere Gemeinde, so wie ein König Verantwortung für sein Volk hat.

Christus ist der Herrscher, der König über den Tod hinaus und er hat uns zu Königen auf diese Welt bestellt. Nehmen wir diese Verantwortung war.

682. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben

Für den heutigen Festtag hat das Jahr 1925 eine große Bedeutung. Der grausame 1. Weltkrieg war gerade vorbei. Die Monarchien verlieren ihre Macht. Reichspräsident Ebert stirbt, Hindenburg wird sein Nachfolger. Deutschland leidet unter der teilweisen Besatzung und den Reparationsabgaben. Die Inflation ist gerade überwunden, doch schon tritt eine neue Wirtschaftskrise ein mit Arbeitslosigkeit und Armut im Gefolge. Die Weimarer Republik steht auf wackeligen Füßen. Nationalistische, juden- und fremdenfeindliche Tendenzen greifen um sich.

Mitten in dieser chaotischen Zeit führt Papst Pius XI das Christkönigsfest ein. In einer Phase der Geschichte, wo das Königtum politisch gerade abgeschafft bzw. entmachtet wird. Typisch Kirche?! Ewiggestrig, gegen den Strom der Zeit? Ein Zeichen gegen die aufkommende Demokratie? Wohl kaum. Nicht kirchenpolitische Aspekte spielen hier die entscheidende Rolle, sondern es ist hier wichtig, wer in unserer Kirche an oberster Stelle steht: Christus. Er ist unser König. Er braucht nicht, wie all die anderen Monarchien abgesetzt werden, weil er sich von den anderen Monarchien durch eine gerechte Königsherrschaft auszeichnet. Bei seinem Regiment gibt es keine Fehler und Defizite, wie sie unser Kanzler vergangene Woche für seine Regierung eingeräumt hat.

Das Königtum Christi ist anders als die irdischen Regierungen. Im Evangelium ist die Rede davon, daß er mit seiner Macht als König kommt. Es ist vom Jenseits, vom Paradies die Rede. Sein Königtum ist also ewig, es geht über die Erdenzeit hinaus. Deswegen auch am Ende des Kirchenjahres. Sein Königreich hat kein Ende. Das ist das Eine. Aber es ist nicht nur aufs Jenseits bezogen. Die Lesung spricht ganz deutlich davon, daß Christi Königtum schon hier auf Erden, in unserer Zeit angebrochen ist. "Vers 20" Durch diesen Tod am Kreuz hat er im Himmel und auf Erden Frieden gestiftet. Wir sind "aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes." Aufgenommen in das Königtum Gottes. Nicht erst nach unserem Tod, sondern schon jetzt. Jeder einzelne von uns ist Teil davon. "Er hat uns fähig gemacht, (bevollmächtigt,) Anteil zu haben am Los der Heiligen." Die Heiligen, die hier auf Erden vorbildhaft gelebt haben. Wir haben durch die Taufe und die Firmung die Fähigkeit, auch so zu leben. Jeder von uns kann ein Heiliger werden, hat die Fähigkeit dazu, die natürliche Veranlagung dazu, die Grundausstattung dafür mitbekommen. Wir sind diejenigen, durch die Christus heute sichtbar wird. "Er (Christus) ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche." Die Kirche ist der Leib, der uns zusammenhält, jeder einzelne von uns ist ein Glied daran, jeder ganz anders, mit seinen von Gott gegebenen Talenten. Aber unser Haupt, unser Kopf, unser König ist Christus. Damals zu Pauli Zeiten, als dieser Brief an die Kolosser geschrieben wurde, in der chaotischen Zeit von 1925, wo dieses Christkönigsfest entstand, und auch heute.

In der Präfation, dem Eingangstext zur Eucharistiefeier jetzt gleich heißt es, daß sein Königreich sich in der Wahrheit verwirklicht, in dem Leben, der Heiligkeit, der Gnade, der Gerechtigkeit, der Liebe und in dem Frieden verwirklicht. Das Reich des Christkönigs wird also da deutlich sichtbar, wo wir uns von den irdischen Herrschern und Führern frei machen, von dieser Finsternis in der Welt befreien, entreißen, wie es in der Lesung hieß, Zivilcourage beweisen und für diese christlichen Werte eintreten: Wahrheit, Leben, Gerechtigkeit, Liebe und Frieden.

683. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

„Tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der auferstandene Herr trägt dies den Jüngern als letztes im Matthäusevangelium auf. Er gibt der Kirche den Auftrag, alle Menschen, die sie zu erreichen vermag, auf das Zeichen der Dreifaltigkeit Gottes hin zu taufen. Am letzten Sonntag haben wir 7 Kinder in diesem Namen in unsere Kirche aufgenommen. Diese Kinder wurden mit diesem Siegel bezeichnet. Ein Siegel macht deutlich, wem das bezeichnete gehört. So soll der getaufte Mensch wissen, daß er diesem dreifaltigem Gott gehört und sich nach dessen Leben und Vorbild verhalten soll.

Doch gerade diese Dreifaltigkeit erscheint uns oft als ein tiefes undurchschaubares Geheimnis: wie soll man sich nach etwas ausrichten, was man kaum versteht? Dabei ist es gar nicht so schwer: Die Dreifaltigkeit ist die Art, in der Gott sich der Welt hat bekannt machen wollen: er ist unser Vater, der uns so sehr geliebt hat, daß er seinen Sohn für uns dahingab und uns überdies seinen Geist schenkte, damit wir Gott als die grenzenlose Liebe erkennen können.

Wir können Gott erkennen. Es ist, wenn man die christliche Wahrheit kennt, einfach falsch zu sagen, der Mensch sei unfähig, Gott zu erkennen. Jeder Mensch, der einsieht, daß die weltlichen Dinge sich nicht selbst gemacht haben, hat bereits eine Ahnung von der Existenz Gottes. Desweiteren hat Gott sich in seinem Sohn geoffenbart. Er hat uns sein Antlitz gezeigt, er hat uns sein Wort, sein beispielhaftes Leben gegeben. Und mehr noch: Gott gewährt uns nicht nur diesen Blick auf ihn von außen, sondern er läßt uns sogar in sein inneres Wesen hinein schauen. Paulus sagt, daß nur der Geist Gottes das innere Gottes kennt. Und dieser Geist ist uns ins Herz gegeben, damit wir erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist. Wenn wir den Geist annehmen, der uns in der Taufe und Firmung geschenkt worden ist, dann werden wir erkennen, so sagt es die heutige Lesung, daß wir Söhne Gottes des Vaters sind. Der uns geschenkte Heilige Geist läßt uns erkennen, daß wir zu Gott Abba, Vater rufen dürfen. „So bezeugt der Geist selber unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind", so schreibt Paulus. Und diesen Satz halte ich für wichtig. Wir können das Geheimnis des Dreifaltigen Gottes nicht mit unserem Geist begreifen, der ist dafür viel zu klein.

Augustinus

Augustinus hat es einmal mit folgender Geschichte deutlich gemacht: Er ging am Strand entlang und sah einen Jungen, der mit seiner Schaufel ein Loch in den Sand buddelte. Er fragte ihn, warum er das täte. Der Junge antwortete, er wolle das Meer darin fangen. Augustinus ging dabei auf, wie unmöglich es für den menschlichen Verstand ist, Gott in seiner unendlichen Größe zu begreifen. Wir vermögen Gott nicht mit unserem Geist zu fassen, aber wir haben Gottes Geist empfangen, der uns Anteil an ihm schenkt. Sein Geist bezeugt unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind.

„Sind wir aber Kinder, dann auch Erben;" Und in Christus sind, so schreibt Paulus an anderer Stelle „alle Schätze der göttlichen Weisheit und Erkenntnis verborgen." So werden wir also auch Miterben all dieser Reichtümer, die nicht irdische Schätze, sondern Schätze der ewigen Liebe sind. In Christus, in seinem Leben können wir Schätze entdecken, die nicht so vergänglich wie die irdischen verrostenden und von Motten zerfressenen Güter sind. Sondern in Christus entdecken wir Schätze, wie sie sich der Mensch ersehnt. Schätze, Werte, die von Ewigkeit sind. Uns durch den Geist, der in uns ist, offenbart. Gott enthüllt uns das Wesen Gottes als die unendliche Liebe. Und das ist weit mehr, als was die anspruchsvollste menschliche Sehnsucht sich zu wünschen vermag.

„Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes." Amen.

684. Predigtvorschlag

In den letzten beiden Wochen konnten wir in den Medien wahrnehmen, wie Menschen in Emmerich mit Kerzen Lichterketten um die Kirche bildeten, um ihre Seelsorger vor Ort zu behalten. Es gab und gibt Streit innerhalb der Gemeinde vor Ort, so dass der Pfarrer gesagt hat, ich kann die Gräben nicht mehr schließen. Die Lichterketten nun wurden als Symbol des Friedens, der Versöhung verstanden. Die Kerze spricht für sich. Ihr einfaches, kleines Licht verströmt eine Ruhe, eine Gelassenheit, die wohltuend wirkt. Kerzen stehen für den Ausgleich und für den Frieden.

Heute feiern wir Lichtmess. Simeon sagte es im Evangelium, als er das Jesuskind in den Armen hält: “Nun haben meine Augen das Licht der Welt gesehen.” Jesus ist das Licht der Welt. Das Licht, welches in der Dunkelheit für den Frieden, für die Versöhung steht. Licht verdrängt die Dunkelheit - 2. Lesung: Er ist gekommen, um die Dunkelheit: den Tod, den Teufel zu besiegen. Nachts sind alle Katzen grau - mit Licht sehe ich die unterschiedlichen Farben, sehe die Vielfalt des Lebens. Schauen wir auf die Emmaus-Jünger auf unser Osterkerze: Emmaus-Jünger sind auf einem Kreuzweg unterwegs und merken gar nicht wie schön die Landschaft um sie herum ist, auf die blühenden Landschaften muss sie erst Christus hinweisen. Sie selber sehen nur das Dunkle, was alles nicht geklappt hat. Jesus erst muss sie hinweisen auf die Prophezeihungen der Propheten, dass alles so kommen musste. Er ist das Licht, dass ihre Gedanken erleuchtet.

Dann ließen sich die Jünger anstecken und wurden selber zum Licht. Genauso auch wir - ein jeder hat seine Taufkerze beim ersten mal an der Osterkerze entzündet. Auch wir sind zum Licht der Welt geworden. Wenn wir Licht sind, dann kann uns der Teufel, alle Dunkelheit der Welt nichts mehr anhaben. “Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen” - der Heilige Don Bosco, den wir am Freitag gefeiert haben, hat das zum Lebensmotto gemacht. Das geht nur, wenn meine Flamme brennt.

Und als dritten Schritt (1. Jesus ist das Licht, 2. Wir lassen uns anstecken) müssen wir nun dieses Licht hinaus tragen. Nicht nur fröhlich sein - auch Gutes tun! Mein Licht nicht unter den Scheffel stellen, sondern es auf den Leuchter stellen, damit es allen im Haus leuchtet. Ich brauch mich nicht zu schämen für mein Licht, für mein Christsein, für meine Fröhlichkeit, sondern gerade dadurch kann ich es auch anderen heller im Leben machen.
Wo Licht ist, ist auch Schatten - jeder von uns hat seine Schattenseiten. Und je größer das Licht ist, umso deutlicher treten die Schatten hervor. Aber wenn ich mit dem Licht Jesu Christi in den Schatten eintrete, verschwindet dieser. Wenn ich meine Schatten mit Jesu Licht anschaue, löscht er diese Schatten aus.

So lasst uns nun unser Licht hinaus tragen in die Welt, Licht sein für die Welt, Christus folgen, der das Licht der Welt ist.

Amen

685. Predigtvorschlag

Die Zuwendung Gottes geschieht immer persönlich

Wie schön, daß es noch Zeichen gibt, die für sich sprechen. Ein solches Zeichen ist die Kerze. Die Kerze spricht für sich. Ihr einfaches, kleines Licht verströmt eine Ruhe, eine Gelassenheit, die wohltuend wirkt. Kerzen stehen darum auch für den Ausgleich und für den Frieden. Wenn Menschen friedlich für eine gute Sache demonstrieren wollen, gehen sie mit brennenden Kerzen auf die Straße. Die Kerze zeigt, daß es neben der Dimension des Banalen, auch des Bösen, des Gewöhnlichen eben, noch eine andere Dimension gibt, die das Irdische und Dunkle, das Bedrohliche und Gewalttätige durchbricht und endgültig besiegt. Stärke und Gewalt wird hier nicht durch noch größere Stärke und noch heftigere Gewalt überwunden, sondern durch Ohnmacht und Stille. - Das ist eine Botschaft, die auch heute noch, wie es scheint, verstanden wird.

Ein anderes Zeichen, das auch heute noch verstanden wird, weil es für sich spricht, ist der Segen. Der Segen ist das genaue Gegenteil von Beeinflussung und Manipulation. Der Agitator und Macher, der vor einer Menge steht, will etwas in seinem Sinne erreichen. Er will, daß die Menschen auf ihn aufmerksam werden, seinen Worten glauben, seinen Vorschlägen folgen. -

Anders der, der segnet: Wer das tut, wer segnet, weiß, daß jemand anders da ist, von dem der Segen kommt. Der Segnende steht da als Mittler. Er hat nicht vor, die Menschen an sich zu ziehen, sondern er will sie zu Gott führen. Der Segen, den er weitergibt, will darum die Menschen auch zu sich selbst kommen lassen. Und indem sie zur Mitte finden, erkennen sie, daß in ihrem Leben Gott wirkt, der sie ruft und führt.

Darum, weil das so ist, ist es gut, den Segen nicht nur einer mehr oder minder großen Anzahl Menschen zugleich zu geben. Sondern auch in der Weise, daß der Segen als Wunsch um Gottes Gegenwart und Heil auch dem einzelnen gegeben wird. So wird der Segen als Geschenk und Gnade noch intensiver und direkter spürbar.

Heute verbinden sich diese beiden Zeichen - das Zeichen der Kerze und das Zeichen des Segens - einer wunderbaren und tiefen Einheit: indem wir die Kerzen segnen, die während des Jahres hier in der Kirche brennen, und indem der Blasiussegen mit Hilfe einer doppelten Kerze erteilt wird. So möchte ich darum auch den Brauch beibehalten, den Blasiussegen jedem einzelnen zu erteilen. Wir stehen nicht in einem Kollektiv und sind nicht einfach ein Rädchen an einer großen Maschine, sondern jeder von uns ist persönlich gemeint, wenn etwas von der Gnade Gottes vermittelt wird. Natürlich bedeutet das dann auch umgekehrt, daß die persönliche Antwort, der persönliche Dank, die persönliche Ausrichtung auf Gott und sein Leben erfolgen muß. Sonst bleibt Gottes Zuwendung zu uns ohne Nutzen, ohne Frucht.

Diese ganz persönliche Beanspruchung wird besonders deutlich in der Buße und in der Vergebung der Schuld durch Gott. Auch hier kann die persönliche Zuwendung und die persönliche Umkehr nicht ersetzt werden durch einen kollektiven Akt, auch wenn er noch so schön liturgisch-rituell verpackt wäre. Es ist in meinen Augen eine große Verarmung, wenn das persönliche Geschehen der Umkehr und Vergebung, das sich verdichtet in der persönlichen Beichte, verflüchtigt in eine allgemeine Zusage, daß ja alles schon wieder irgendwie gut werde. Und ich bin sicher, daß in nächster Zeit der Wunsch nach persönlicher Zuwendung auch in diesem Sakrament weiter zunehmen wird.

Es würde sich einmal lohnen, alle die Bräuche und Überlieferungen aufzulisten, die wir bei uns haben und die im Laufe eines Jahres deutlich machen, daß wir Menschen aus Fleisch und Blut sind und mit Leib und Seele, also "ganzheitlich", glauben dürfen. - Manches davon ist in Gefahr, vergessen zu werden. Es wird weggespült von einer ungesunden Hektik, weil unsere Zeit schnellebig ist, so daß sie bald ihr eigenes Gedächtnis verliert. - Dagegen haben wir in unserer Kirche doch sehr schöne und wertvolle Inhalte, die wie ein Schatz sind, zu schade, vergessen zu werden und in der Rumpelkammer der Geschichte zu verstauben. -

In den früheren kommunistischen Ländern hat man oft versucht, die christlichen Feste zu kopieren und zu entleeren. Aus Weihnachten und dem Kind in der Krippe wurde "Väterchen Frost" und bei uns der "Weihnachtsmann" und aus den Boten Gottes, den Engeln, wurden "Jahresendflügelpuppen", wie sie in der untergegangenen "DDR" offiziell genannt wurden. -

Die Inhalte unserer christlichen Feste erhalten sich freilich nicht von selber. Sie lassen sich nicht konservieren wie ein Fertiggericht, das man in Folie eingeschweißt in einem Schrank stehen hat und das man dann aufmacht, wenn man es gerade braucht. - Unser Glaube lebt von anderen Gesetzmäßigkeiten. Unsere Feste und Bräuche müssen gelebt und erfahren werden, sonst werden sie innerlich hohl und leer. Sie müssen in gläubiger Gemeinschaft vollzogen werden. Sonst wird aus Glaube nur noch Anspruch und aus Religion nur noch Folklore. Und die wird dann nicht mehr ernstgenommen von Menschen, die wirklich auf der Suche sind.

In diesem Sinne dürfen wir heute auch die Lichter empfangen und uns den Segen geben lassen von Christus, der selber Licht und Segen ist und das große Geschenk Gottes an uns ist

686. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, ganz Israel wartet und hofft auf den Erlöser, den Retter des Volkes. Zur Zeit Jesu gab es gerade unter der Besetzung durch die Römer kein anderes Thema, das so die Gedanken der Gelehrten - und wahrscheinlich auch des einfachen Volkes - beschäftigte, wie die Frage: Wann kommt er, der Erlöser, der Retter?
Person geworden ist diese Hoffnung sozusagen in den beiden alten Menschen Simeon und Hanna, die im Tempel auf ihren Gott warten. Und tatsächlich: Ihre Hoffnung erfüllt sich. Ein kleines Kind wird in den Tempel getragen, vollkommen unscheinbar. Als die Eltern für dieses Kind das Opfer darbringen, wird sogar deutlich, dass sie zu den Ärmsten gehören. Denn nur, wer kein Geld für das vorgeschriebene Opfer hat, darf lediglich zwei Tauben opfern.

Und dennoch lassen sich die beiden alten Propheten nicht verwirren: In diesem armen, kleinen Kind erfüllt sich die gesamte Hoffnung der Juden. Gott kommt zu uns, um uns zu erlösen. Auch wenn die Art des Kommens dieses Messias nicht den Erwartungen der Juden entspricht: Simeon und Hanna sehen tiefer und lassen sich davon nicht beirren.

Simeon und Hanna können uns so zum Vorbild in der Hoffnung und im Glauben werden: Glaube heißt schließlich, Gott so zu nehmen, wie er ist.

Aber etwas ist in diesem Evangelium, über das wir vielleicht hinweggehört haben, das uns aber eigentlich gegen den Strich gehen müsste. Hier steckt mehr Brisanz und Sprengstoff drin. Simeon sagt nämlich in seinem Gebet: «Denn meine Augen haben das Heil gesehen, dass Du vor allen Völkern bereitet hast - ein Licht, das die Heiden erleuchtet.»

Der Evangelist Lukas sprengt hier deutlich den Rahmen. Die Vermutung, dass Jesus nur der Messias für «sein» Volk Israel ist, wird zurückgewiesen: Er ist der Erlöser der ganzen Welt. Gott hat seinen Sohn nicht gesandt, um nur um ein kleinen Teil der Menschheit zu erlösen. Die ganze Menschheit, egal, was sie glaubt und welcher Religion sie angehört, findet ihren Erlöser in Jesus Christus. «Er, Jesus, ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der aber zum Eckstein geworden ist. Denn in keinem anderen ist das Heil zu finden. Es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen.» Ob Moslems, Juden, Hindus oder Buddhisten - sie alle finden ihr Heil nur in der einen Person Jesu Christi. Das ist das Unerhörte dieser kleinen Szene im Tempel.

Wenn Simeon anschließend sagt: «Er ist ein Zeichen, dem widersprochen wird», denkt er ja vielleicht auch an unser Unbehagen. «Wie kommen wir dazu zu behaupten, nur die Christen hätten die Wahrheit gepachtet?»

Liebe Schwestern und Brüder, wir haben die Wahrheit nicht gepachtet. Wir haben sie nicht, wie man ein Gegenstand besitzt. Die Wahrheit ist Jesus Christus in seiner Person. Und die haben wir nicht, sie besitzen wir nicht. Darauf können wir uns nichts einbilden.
Gerade die Szene im Tempel von Jerusalem, an die wir heute denken, macht uns klar: Jesus Christus gehört Gott allein. Wir sind diejenigen, von den Gott Besitz ergreift. Wir gehören zu ihm, seit unserer Taufe. Nicht wir haben ihn erwählt, sondern Gott uns.

So können wir uns ein Beispiel an den beiden Alten im Tempel nehmen, die bereit sind, in dem unscheinbaren Kind den Erlöser der Welt zu erkennen. Die bereit sind, in der ganzen Schlichtheit und Ärmlichkeit des Jesuskindes hinzunehmen, dass dieser Jesus die Hoffnung der ganzen Welt ist.

Wenn wir den weltumgreifenden Anspruch Gottes, Erlöser für alle Menschen aller Religionen zu sein, ablehnen, so stutzen wir nicht etwa einen größenwahnsinnigen Glauben auf ein gesundes Maß zurück, sondern offenbaren nur unseren eigenen Kleinglauben. Wenn wir die Wahrheit unseres Glaubens leugnen, leugnen wir auch, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist. Glaube bedeutet schließlich, Gott so zu nehmen, wie er ist: Als Licht für die Völker, als Heiland für die ganze Welt. Amen.

687. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Dreifaltigkeitssonntag - der Sonntag nach Pfingsten, der besonders der Dreifaltigkeit geweiht ist. Dreifaltigkeit - nicht nur ein seltsamer, ungewohnter Begriff, sondern ein Bestandteil unseres Glaubens, der sich so gar nicht in unser Denken einfügen will. Drei Personen - Gottvater, Gottsohn, Gott Heiliger Geist, aber nur ein Gott, nur ein Wesen - das kann man nicht begreifen. Theologen und Philosophen haben sich darüber die Köpfe zerbrochen.

Aber gerade damit sollten wir nicht zuerst an unseren Glauben herangehen - mit unserem Kopf. Gerade der Glaube an die Dreifaltigkeit ist etwas fürs Herz: Er besagt ja nichts anderes, als dass unser Gott ein Gott ist, dem es nicht nur an Gemeinschaft gelegen ist, sondern der selbst, in sich, Gemeinschaft ist. Wir haben nicht nur einen Gott, der das Leben geschaffen hat, sondern einen Gott, der in sich lebendiges Geschehen ist. Und - da müsste unser Herz tatsächlich höher schlagen - der uns in seine innigste Liebesgemeinschaft hineinnehmen will. Wir sind dazu berufen, in die Dreifaltigkeit Gottes, also in das vollkommene Leben selbst, hineingenommen zu werden.

Was unser Kopf nicht durchschauen kann, das können wir im Herzen ahnen. Vor allem, wenn wir an uns und auch an anderen feststellen, wie schwer es ist, Beziehung und Gemeinschaft zu leben, ob in der Ehe, in der Familie, zwischen den Eltern und den Kindern, in den Vereinen oder Gemeinschaft schlicht mit denen, mit denen wir gerade zusammen sind.

«Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab.» Nur so kann Gemeinschaft gelingen: In dem wir geben. Indem wir nicht nur einen kleinen Teil unseres Besitzes abgeben, etwas von unserer Zeit. Sondern, indem wir es so machen wie Gott, der die Gemeinschaft mit uns sucht: Indem wir uns selbst hingeben.

Kann es sein, dass wir bei dem vielen Reden von Selbstverwirklichung und Ich-Findung eine weitere Grundbedingung des erfüllten Lebens vergessen haben: Das Glück, das im Verzicht liegt, den Mut zur Unvollkommenheit? Kann es sein, dass es uns immer schwerer wird, uns wirklich ganz zu investieren, aus Angst vor einer Pleite?

Gott hat seinen geliebten Sohn in seine Beziehung zu uns investiert, und Er hat ihn an uns verloren. Warum halten wir uns immer wieder zurück? Was haben wir denn zu verlieren - außer unseren eigenen Stolz?

Trauen sie den Menschen, denen sie begegnen! Ob es nun der Firmenchef, der Versicherungsvertreter, ihre Tante Frieda oder ein Bettler ist, der an ihrer Türe vorbeigeht. Trauen sie den Menschen, nicht, weil sie vor Enttäuschungen gefeit wären. Sondern deshalb, weil Gott selbst uns eine Gemeinschaft verheißen hat, in der das Vertrauen und Geben, das Hinhören und Lieben wesentlich dazugehört.

Dreifaltigkeit feiern, ist die eine Sache. Das, was damit gemeint ist, zu leben, ist die andere. Amen.

688. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

war Gandhi ein Christ?

Mit der Tatsache, dass immer weniger Menschen ihren Glauben kennen und leben, schwindet auch der Begriff von dem, was einen Christen ausmacht.
Eigentlich waren Christen die Menschen, die daran glaubten, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist. Und christlich war all das, was diesem Glauben diente. Demnach war Gandhi eben kein Christ, sondern ein Hinduist - und er hat demnach auch nicht christlich gehandelt.
Heute haben wir die Begriffe verbogen: "Christen" sind gute Menschen, sagt man - egal, was sie glauben. Und "christlich" ist etwas, das selbstlos und hochherzig ist, sagt man.

Damit hat man natürlich die Begriffe komplett verdreht. Jetzt ist ein edler Mensch, der sich für seine Firma, seine Familie oder seinen Verein einsetzt, ein guter Christ - auch wenn er überhaupt keine Beziehung zu Jesus Christus hat. Und es ist eine Beleidigung, den islamischen Glauben als "wahrhaft unchristlich" zu bezeichnen - auch wenn er genau das ist.

Das verwirrt natürlich. Da gibt es so seltsame Aussagen wie: "Man kann doch auch ein guter Christ sein, wenn man nicht jeden Tag betet und sonntags in die Kirche geht." Kann man das wirklich?

Der heutige Dreifaltigkeitssonntag stellt das in die Mitte, was Christsein ausmacht: Den Glauben an die Göttlichkeit Jesu; den Glauben an einen Gott, der in sich Beziehung ist und die Erkenntnis, das unser Glaube weder eine Lehre - noch eine Moral ist - sondern eine Beziehung.

Liebe Schwestern und Brüder, unser Glaube vollzieht sich zuallererst im direkten Kontakt zu Gott. Unser Gebet, unser Gespräch mit Gott und sein Ruf an uns, ist der Grund unseres Glaubens.

Augustinus sagte einmal zur Kommunion: "Empfangt, was ihr seid: Leib Christi! Damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi!" - Wir sind nur dann Kirche und somit nur dann Christen, wenn wir uns mit Christus hier im Gottesdienst vereinigen. Das ist die Quelle unseres Lebens: Die Gottesbegegnung hier. Weil wir hier dem Schöpfer, Erlöser und Vollender begegnen, können wir eine neue Wahrheit erkennen und ein neues Leben führen. Es stimmt also schon: Christen erkennt man an dem, was sie glauben und wie sie leben.

Aber Christen wissen: Was wir glauben und wie wir leben wäre sinnlos und hätte nichts mit unserem Heil zu tun, wenn wir nicht zuallererst dem begegnen, der uns das schenkt.

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht ist unser Glaube hohl geworden: Wir haben eine christliche Fassade errichtet, aber dahinter wohnt keiner mehr. Wir haben einen Glauben, aber keine Beziehung mehr zu dem, der ihn uns geschenkt hat.

Aber vielleicht können wir es auch positiv sehen: Wir haben gottseidank noch eine christliche Fassade oder sogar ein Glaubens-Gebäude, jetzt brauchen wir nur noch den einzulassen, für den es geschaffen ist. Wir haben einen Glauben geschenkt bekommen, kennen ihn und wissen, was gut und gottgefällig ist. Jetzt brauchen wir nur noch Gott in unser Leben lassen, damit der Glauben lebendig wird.

Auf nichts wartet der dreifaltige Gott mehr als darauf, dass Sie ihn Sonntag für Sonntag bei sich einlassen, hier im Gottesdienst - und im persönlichen Gebet Tag für Tag.

Amen.

689. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Es ist noch nicht so lange her, da haben wir in einigen unserer Kirchen-Liedern eine kleine, aber wichtige Sprachkorrektur vorgenommen: Die sogenannte inclusive Sprache wurde eingeführt. Denn oft genug war (auch in modernen Liedern) nur von den Brüdern die Rede; von der brüderlichen Gemeinschaft, vom brüderlichen Mahl und der brüderlichen Liebe. Die Schwestern waren zwar mitgemeint, aber nicht genannt. Inzwischen wurde dieser Umstand aber korrigiert, und die textliche Vorherrschaft der Männer beendet.

Auch wenn hier und da einem Text ein klein wenig Gewalt angetan werden musste, ist es gut, die Frauen auch wirklich mitzunennen. Immerhin sind Mädchen, Frauen und Mütter bei den Kirchenbesuchern überall in der Mehrheit; dann wäre mindestens unpassend, immer nur von der Brüdergemeinde zu reden.

Das gleiche wurde schon Jahre vorher bei der Anrede zu Beginn der Lesung bedacht. Nicht mehr nur «Liebe Brüder», sondern «liebe Brüder und Schwestern» oder «liebe Schwestern und Brüder» heißt es nun schon seit über 15 Jahren.

Ein Ausnahme bildet dabei aber die heutige Lesung: «Ihr habt einen Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht» heißt es dort. Wenig später spricht Paulus zwar wieder von den Kindern Gottes (und damit sind wir alle angesprochen, auch wenn wir schon aus dem schlimmsten Jahren heraus sind), aber an dieser Stelle steht da eindeutig "Söhne".

Das ist aber kein Relikt aus einer männerfeindlichen Tradition; dieser «Fauxpas» ist auch nicht einfach übersehen worden. Vielmehr hat dies einen tiefen Grund. Denn wir sind nicht schon von Geburt an Kinder Gottes, wir werden es auch nicht durch Adoption oder Bestätigung. Wir können allein deshalb Gott unseren Vater nennen, weil er in uns Christus wieder erkennt. Weil wir seinem Sohn ähnlich geworden sind. Weil wir durch das Wirken des Geistes und den Empfang der Eucharistie die gleiche Sohnschaft erhalten, wie Jesus Christus sie hat.

Ohne Jesus Christus wäre es uns nicht möglich, Gott unseren Vater zu nennen. Er ist unser einziger Zugang zu Gott. Denn in unserem Glauben geht es ja nicht nur darum, von Gott zu wissen. Als Glaubender bin ich kein Schüler.
Es geht nicht nur darum, unser irdisches Leben um eine unbestimmte Frist zu verlängern und dafür ein Bündel von Bedingungen zu akzeptieren. Als Glaubender bin ich kein Geschäftspartner.
Es geht auch nicht darum, sich richtig zu benehmen, damit Gott dereinst mit mir zufrieden ist und ich den versprochenen Lohn erhalte. Als Glaubender bin ich kein Angestellter.

Es geht darum, wie Christus zu werden, seine Sohnschaft zu erlangen, wie er es ist, selber Sohn zu werden. Denn uns ist mehr verheißen als Erkenntnis, Geschäft oder Lohn: Uns ist verheißen, in das innigste Liebesgeschehen der Dreifaltigkeit einzutauchen und dabei die Stelle des Sohnes einzunehmen.

Der Geist macht uns tatsächlich zu Söhnen, wie Paulus schreibt, egal, ob wir Mann und Frau sind. Und das ist kein Ausdrucksfehler, sondern eine der größten Verheißungen unseres Glaubens. Denn nur an der Stelle Christi werden wir auch zu Miterben der Verheißung. Amen.

690. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

In der Lesung steht ein seltsamer Satz aus dem Munde Gottes: «Ich spielte auf dem Erdenrund, und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.» Ein Satz aus dem Munde Gottes, der davon spricht, das Gott spielt. Ein spielender Gott?

Liebe Schwestern und Brüder, schauen sie einem kleinen Kind einmal beim Spielen zu. Vollkommen versunken, die ganze Welt vergessen, vertieft es sich in sein Spiel. Dabei will es nichts herstellen, nichts gewinnen oder erreichen. Ein solches Spiel ist vollkommen zweckfrei und selbstlos; Gegenstände werden zum Leben erweckt, bekommen eine Stimme und einen Willen.

Wie Kinder miteinander spielen, die noch keine Spiele mit Regeln gelernt haben, sondern einfach nur ihr Phantasie spielen lassen; so versteht Gott seine Beziehung zu uns:
Er hat uns geschaffen, ja; wir sind also seine Geschöpfe. Aber er hat uns nicht geschaffen, damit wir einen Zweck erfüllen; damit wir ihm die Langeweile vertreiben oder ihn unterhalten. Er will mit uns nichts erreichen oder etwas gewinnen; auch nicht den Nobelpreis für den besten Schöpfer oder den liebsten Gott. Er hat uns auch nicht geschaffen, weil er uns braucht oder weil er - im schlechten Sinne - mit uns spielen will.

Sondern er hat uns geschaffen, weil er Freude an uns hat. Vollkommene Freude einfach an unserem Dasein. Er liebt es, bei uns zu wohnen und in unserer Nähe zu sein. Er ist wie Kind, das sich in unsere Welt vertieft und Totes zum Leben erweckt; er stellt Beziehungen her, will uns Vater sein und bezeichnet uns als seine Kinder. Er verliebt sich in seine Geschöpfe.

Ja, er vertieft sich so sehr in diese seine Welt, dass er richtig schmerzlich getroffen ist, als wir, seine Schöpfung, jede Beziehung zu ihm abbrechen. Als die Menschen beschliessen, nicht mehr mitzuspielen.

Ein Kind im Sandkasten hätte dieses Spiel beendet, die Burgen zerstört und den Erdboden gleichgemacht. Aber Gott hatte uns zu sehr in sein Herz geschlossen, als dass er einfach eine neue Welt erschaffen hätte. Er erlebt Nöte und Ängste, Freuden und Feste seiner Kind mit; trauert und jubelt mit ihnen, er wählt sich ein Volk aus und begleitet es - und bereitet es auf ein riesiges Wunder vor:
Er bezieht er seinen eigenen, wirklichen Sohn in das Spiel ein und lässt ihn sich bis auf die unterste Ebene erniedrigen. Kein Kind kann sich so sehr in ein Spiel vertiefen, kein Mensch kann sich so sehr in einer Beziehung verlieren. Aber Gott kann es und hat es getan.

Damit ist seine Schöpfung, sein Spiel, ein Teil seiner eigenen, göttlichen Wirklichkeit geworden. Er hat alles in dieses Spiel investiert, sich selbst, seinen Sohn und seine ganze Liebe. Jetzt ist Seine Freude vollkommen: Allen hat er das Angebot gemacht, aus dem Sandkasten dieser Welt herauszutreten und Teil der göttlichen Wirklichkeit zu werden; zu Mitspielern. Alle, die das Wunder am Kreuz gesehen haben und von der größeren Wirklichkeit außerhalb dieses Sandkasten erfahren haben, als Jesus den Tod überwunden hat; die Gott, den Schöpfer aller Dinge in Jesus erkannt haben und daran glauben, können nun aus diesem Spiel heraustreten in eine bleibende Wirklichkeit bei Gott.

«Ich spielte auf dem Erdenrund, und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.»

Das ist Gott, der Dreifaltige: Gott der Schöpfer, der Sohn als der Erlöser und der Heilige Geist der Liebe. Amen.

691. Predigtvorschlag

Im heutigen Evangelium ist nicht mehr von der Krippe im Stall die Rede, sondern es heißt: "Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter." Offensichtlich hat sich die Botschaft der Engel, vielleicht auch verbreitet von den Hirten, herumgesprochen, dass dort im Stall nicht nur ein gewöhnliches Kind zur Welt gekommen ist. Und so haben Maria und Josef mit ihrem Kind nun Aufnahme in einem richtigen Haus gefunden - und mit ihnen hält dort auch der Sohn Gottes Einzug.

Vielleicht hat das auch eine Rolle gespielt, dass ausgerechnet am Hochfest der Drei Könige Kinder von Haus zu Haus ziehen und den Segen Gottes bringen. Mit Kreide -oder auch manchmal auf kleinen Zetteln- steht der Segen nun neben der Eingangstüre und somit über jedem, der in diesem Haus ein- und ausgeht. Ein Segen Gottes all unseren Häusern, unseren Familien und allen Menschen!

Und dennoch gibt es Häusern, in denen der Segen schief hängt - der Ehesegen oder der Familiensegen. Denn wie so oft in unserem Glauben wirkt Gott nicht einfach und allein, sondern wartet immer darauf, dass der Segen eingelassen und gelebt wird. Wenn dieser Segen eingelassen und gelebt wird, dann wir aus einem Haus mit Christen ein christliches Haus. So soll der Segen an den Hauswänden ja nicht nur bedeuten, dass hier Menschen wohnen, die irgendwann einmal getauft wurden - und auch nicht, dass hier gelegentliche Kirchgänger wohnen. Der Segen an der Haustüre meint auch nicht, dass die Menschen hier "irgendwie" christlich miteinander umgehen mögen.

Doch viele wissen oft nicht mehr, worin denn das christliche des gemeinsamen Lebens besteht. Vor vielen Jahren kannte das christliche Familienleben außerhalb der Kirche zahlreiche Bräuche, die den Tag und das Jahr prägten. Heute ist fast alles davon verloren gegangen. Gestatten Sie mir deshalb ein paar Anregungen.

Das wichtigste und erste einer christlichen Familie ist das gemeinsame Gebet. Das beginnt mit dem Tischgebet (vor und nach dem Essen), aber es umfasst noch viel mehr. Man könnte den Tag mit einem gemeinsamen Morgengebet beginnen und abends vor dem Schlafengehen gemeinsam beschließen (und nicht nur mit dem jüngsten Kind am Bett). Man kann aber auch (wie früher beim Gewitter) drohende oder tatsächliche Katastrophen aus den Nachrichten zum Anlass nehmen, ein kurzes Gebet zu sprechen.

Für viele mag die Einführung eines solchen Brauches mit dem Gefühl von Peinlichkeit verbunden sein; aber, glauben sie mir, die Kinder sind die ersten, die sie nach einer gewissen Zeit daran erinnern, dass "wir ja noch beten müssen".

Der zweite Hinweis bezieht sich auf das Lesen der Bibel. Lesen Sie sich doch regelmäßig aus der Bibel vor! Oder, noch besser: Lassen Sie sich in der Familie die Geschichten, die jeder kennt, aus der Erinnerung nacherzählen, vielleicht sogar etwas ausschmücken. Kinder erzählen gerne die immer gleiche Geschichte.

Doch wir sind nicht nur die Kirche des Wortes, sondern auch des Sakramentes; das gilt auch für die Hauskirche. Vielleicht haben Sie noch zuhause - irgendwo in der Ecke - eine Flasche mit Weihwasser. "Für alle Fälle". Wobei keiner weiß, welche Fälle das sein sollten. Warum nicht an der Eingangstür - oder zum Schlafzimmer - oder an allen Türen kleine Weihwasserbecken aufhängen, die uns an die Taufe erinnern? Einfach so, mal zwischendurch, wenn ich es gebrauchen kann. Oder im Schlafzimmer vor dem Schlafengehen und nach dem Aufstehen? Die Taufe erinnert uns daran, dass Gott das Entscheidende tut, nicht wir. Das kann sehr heilsam sein, sich daran zu erinnern.

Und, gestatten sie mir einen letzten Hinweis: Paulus schreibt: "Seid gastfreundlich! Denn so haben viele von Euch schon, ohne es zu bemerken, Engel beherbergt." Nehmen Sie das heutige Evangelium ruhig als Anlass, ihre Gastfreundschaft noch einmal zu erweitern. Laden sie nicht nur gute Bekannte ein. Seien Sie auch mal etwas risikofreudiger. Vielleicht nehmen Sie mit denen, die Sie zumindest ein Stück weit in ihre Wohnung bitten, nicht nur Engel, sondern den Herrn selber auf. So kann das Segenszeichen der Sternsinger an der Tür zum Zeichen sein: "hier sind auch Fremde willkommen. Hier wird Ihnen geholfen". Und, bedenken Sie: Indem Sie handeln, wie Christus es getan hat, werden Sie immer mehr zum Christen. Amen.

692. Predigtvorschlag

Das Dreikönigskapitell in Autun

In einem etwas verkommenen Städtchen im französischen Burgund, in Autun, steht eine der seltsamsten Kirchen des Abendlandes. Die Erbauer haben im 11. Jahrhundert Künstler damit beauftragt, das Portal und die Kapitelle zu schmücken und sie mit Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament zu versehen. Dabei ist auch ein Sandsteinkapitell entstanden, das die Weisen aus dem Morgenland als Könige darstellt.

Das Seltsame ist die Art und Weise dieser Darstellung: Wir kennen viele Bilder, die die Huldigung der Sterndeuter und die Übergabe der Geschenke vor der Krippe zeigen. Doch der Künstler der Kathedrale von Autun hat etwas anderes vor Augen gehabt. Er zeigt, wie die Drei, die er sich als Könige darstellt, unter einer Decke liegen und schlafen. Ihre Kronen tragen sie dabei auf dem Kopf. Sie sind ja unterwegs und haben keine Zeit zu verlieren. Das heißt, genauer gesagt, zwei schlafen und einer hat die Augen offen. Und dieser eine sieht, wie ein Engel über ihnen schwebt und ihm den Stern zeigt. Der Stern weist den Weg zum Ziel. Auf den Stern müssen sie achtgeben.

In Münster gibt es ein wunderbares Naturkundemuseum und ein supermodernes Planetarium, wo man viel über Naturphänomene und Himmelserscheinungen lernen kann. An einem Neujahrstag war ich dort mit einer Familie zu einer Kindervorstellung. Da ging es auch um den Weihnachtsstern und auch die Weisen aus dem Morgenland kamen einmal kurz vor. Nur waren sie da eher eine Mischung aus legendärer Gestalt und Witzfiguren aus einem mittelguten Comic. - Eine solche Charakterisierung wird aber den Gestalten aus dem Evangelium, wie sie uns vorgestellt werden, nicht gerecht. Für das Evangelium geht es nicht darum, zu beschreiben: wer sind eigentlich diese Männer aus dem Osten, die das Kind suchen und es schließlich auf wunderbare Weise auch finden, sondern dem Evangelium geht es zuallererst um eine ganz andere Frage: Wer ist dieses Kind in der Krippe, vor dem Herodes und die Großen seines Reiches so viel Angst haben? Wer ist dieser Sohn der Jungfrau Maria, der da unter solch elenden Umständen zur Welt kommt und dessen ersten Lebensjahre schon gekennzeichnet sind von Verfolgung und Flucht?

Die Antwort, die die Weisen aus dem Morgenland finden, ist im Grunde eine ganz einfache: sie ist im Grunde schon in dem seltsamen Dreikönigsbild von Autun vorgebildet: Die Weisen erkennen, dass Gott selbst in einem kleinen Kind zu den Menschen kommt. Und dass Gott sozusagen mit den Menschen unter einer Decke steckt. Mit den Menschen, die im Elend leben, die verfolgt werden und denunziert, die keine Heimat haben und die nicht wissen, wo sie morgen ihr Haupt hinlegen sollen. - Mit diesen Menschen steckt Gott von nun an unter einer Decke. Unter der Decke des Menschseins eben.
Das erkennen die Weisen aus dem Morgenland. Sie sind Menschen, die sich nicht mit einer schnellen Antwort zufriedengeben. Sondern die sich selber aufmachen, um zu sehen, was die Zeichen der Zeit bedeuten.

Wenn wir auf diese Menschen, die Weisen aus dem Morgenland schauen, erkennen wir drei Charakteristika, drei Wesenszüge, die auch uns heute not tun:

Das erste ist: Die Weisen waren wach, auch dann, wenn sie schliefen. Sie achteten auf den Stern, der ihnen in der Nacht leuchtete, sie achteten auch auf den Traum, der ihnen zeigte, was zu tun war. Demgegenüber waren Herodes und seine Anhänger zwar äußerlich höchst aktiv, als es darum ging, einen möglichen Gegner auszuschalten, aber innerlich waren sie längst eingeschlafen.

Das zweite: Die Weisen aus dem Morgenland hatten das richtige Navigationssystem: den Stern von Betlehem. Um diesen Stern zu sehen, mussten sie nach oben schauen. Uns tut es - gerade auch zu Beginn eines neuen Jahres - gut, ab und zu nach oben zu schauen, in den Himmel, um von dort aus Richtung und Sinn für unser Leben zu finden.

Und das dritte: Die Weisen aus dem Morgenland trauten ihrem Traum. Der ließ sie nicht zu Herodes zurückkehren und dort Bericht erstatten, sondern sogleich, heimlich, nach Hause zurückkehren. Darin erkenne ich eine Form der Diskretion und der klugen Zurückhaltung, die wichtig ist in einer Zeit, in der alles gleich weitererzählt, breitgetreten und ausgewalzt werden muss. Weil die Weisen weise waren, waren sie diskret. Weil sie klug waren, konnten sie schweigen.

So kann auch uns der folgende Epiphanie-Wunsch gelten, in dem es heißt:
„Ich wünsche dir, dass du in diesem Jahr gut schläfst,
dass du mit den Deinen unter einer Decke steckst,
dass du den Boten Gottes erkennst,
wenn er sich in dein Leben einmischt,
dass du bereit bist, andere aufzuwecken, wenn es notwendig ist,
dass du ja sagst, wenn du als Bote Gottes ausgesucht wirst.
Dass der Stern von Betlehem das ganze Jahr über dir leuchten möge.“

693. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, der Heilige Franz von Sales versucht in seinem Buch "Philothea" ein Weg zum tieferen Glauben aufzuzeigen, der über die Betrachtung geht. Zunächst, so schlägt er vor, sollen wir uns die eigene Unzulänglichkeit vor Augen halten. Diese wahrscheinlich nicht sehr erfreulichen Gedanken sollen wir dann mit einem Gebet abschließen, um uns dann, nach einem inneren Ruck, der Zusage Gottes zuzuwenden: Du bist mein geliebtes Kind. Gerade im Gegensatz unserer eigenen Verfassung zur liebevollen Zuwendung Gottes liegt die Größe der göttlichen Liebe.

Franz von Sales schlägt damit etwas sehr wichtiges vor: Den Blick nicht zu verschließen vor den Schlechtigkeiten dieser Welt. Erst wenn wir begreifen, dass diese Welt Erlösung braucht, und zwar dringend, können wir Erlösung feiern.

Wir haben gerade gehört, dass, kaum dass Jesus geboren ist, ihm auch schon nach dem Leben getrachtet wird. Die Idylle von Weihnachten findet Ihr jähes Ende schon am 2. Weihnachtstag, wenn wir an den Märtyrer Stephanus denken. Und noch als Kleinkind muss Jesus nach Ägypten fliehen, um dem Massenmord an den unschuldigen Kindern von Bethlehem zu entgehen.

Gedanken, die nicht so recht zu unserem weihnachtlichen Kuschelgefühl passen wollen. Ich weiß noch, wie sehr die Medien gewettert haben, als Erzbischof Dyba am Tag der unschuldigen Kinder die Totenglocken läuten ließ, um an die inzwischen jährlich 130.000 Kindstötungen zu erinnern, die in Deutschland im Mutterleib vorgenommen werden.

Diese Gegensätze finden sich immer wieder in unserem Leben. Manchmal sind die Spannen so groß, dass wir sie kaum noch zu fassen kriegen. Liebe und Leid, Freude und Trauer liegen oft unerträglich nah bei einander und bilden einen kaum zu bewältigenden Kontrast. Irgendwann, und das ist das Fatale, schließen wir unsere Augen vor dem Leid der Welt, verdrängen, was im Argen liegt. Wir können es nicht mehr hören, das Reden von der Not, der Katastrophe, den Millionen von Opfern, den abgetriebenen Kindern. Wir igeln uns ein in eine Welt, die mehr scheint, als sie ist. Und damit berauben wir uns unserer Gottesbeziehung.

Wenn wir in unserer Wahrnehmung nämlich das Schlechte ausblenden, dann begreifen wir nicht mehr die das Gute. Wenn wir uns nicht mehr nach Erlösung sehnen, dann verkommt Weihnachten zu einem Lichterfest. Wenn wir nicht mehr unter unserer eigenen Schuld leiden, dann ist die Versöhnung im Sakrament der Beichte nur noch lästige Pflicht. Wir verlieren die Freude, liebe Schwestern und Brüder!

Der Stern von Bethlehem ist uns als Zeichen unserer Erlösung erschienen, die Engel sprachen doch auch vom Retter. Das ist wahrlich ein Fest wert, denn unsere Welt braucht diesen Retter. Der Stern von Bethlehem erscheint uns als ein Stern der Zuversicht. Wir können diese Zuversicht gebrauchen!

Freude über diese Verheißung, die zum Fest führen kann, empfinden wir doch nur, wenn wir erkennen, wir dringend wir die Initiative Gottes brauchen. Haben wir einen Blick für die Welt, haben wir ein Herz für Gott.

Franz von Sales hat uns schon einen tiefen Weg gewiesen: Erst, wenn wir unsere Augen vor dem Dunkel der Welt nicht verschließen, geht uns das Licht erst wirklich zu Herzen.

Stellen Sie sich vor: Ein Israelit oder Palästinenser, ein Bewohner des vom Bürgerkrieg gezeichneten Jerusalems, ein Mensch, der im Krieg Kinder und Freunde verloren hat, der einsam und krank geworden ist, hört diese Lesung:

Auf, werde Licht, Jerusalem, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir. Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlendem Glanz.
Blick auf und schau umher: Sie alle versammeln sich und kommen zu dir. Deine Söhne kommen von fern, deine Töchter trägt man auf den Armen herbei. Du wirst es sehen, und du wirst strahlen, dein Herz bebt vor Freude und öffnet sich weit.

694. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, das heutige Evangelium hat mich ein wenig an die Heiligsprechung von Arnold Jansen erinnert. Am Ende des Gottesdienstes auf dem Petersplatz zogen die anwesenden Politiker zum Papst und knieten dort nieder, um dem Papst für die Heiligsprechung zu danken. Ein paar der deutschen Politiker hatten zwar ausgesprochene Schwierigkeiten mit der Kniebeuge, aber zumindest haben sie eine versucht.

Natürlich ist der Papst nicht mit Jesus Christus zu verwechseln, dem die Sterndeuter huldigten und ihre Gaben darbringen. Der Papst ist nur der Diener dieses Gottes, der im Stall von Bethlehem zur Welt kam, aber eben auch ein Symbol der Gegenwart Gottes im Menschen.

Die Sterndeuter, die im Laufe der Zeit als Könige angesehen wurden, erkennen durch ihre Anbetung einen größeren an, dem sie mit ihrem Regieren dienen. Und - falls es keine Könige gewesen sind, sondern nur Wissenschaftler ihrer Zeit - erkennen sie eine Autorität an, der sie mit ihrer Wissenschaft dienen. Sie beugen mit ihren Knien auch ihren Stolz. Sie sind nicht Politiker oder Wissenschaftler zu eigenen Zwecken, um Ruhm zu erlangen, sich einen Namen in der Geschichte zu machen oder um - als Politiker - wiedergewählt zu werden. Sie haben einen Auftrag, den sie sich nicht selbst gegeben haben. Und sie haben einen Richter, der am Ende ihrer Zeit ihr Lebenswerk in Empfang nehmen wird.

Mit diesem Bild vor Augen - die Mächtigen der Welt geben ihre Gaben, ihr Lebenswerk als Geschenk an Gott - habe ich mich damals bei der Heiligsprechung gefragt, ob wohl unsere Politiker dazu fähig sind. Ob die, die uns regieren und versprochen haben, unserem Land zu dienen, auch dem bereit sind zu dienen, der dieses Land und alle Länder der Welt erschaffen hat. Der den Menschen und den Regierenden gleichermaßen Herr ist.
Ich habe mich gefragt, ob wohl die Wissenschaftler, Manager und Wirtschaftsbosse noch ihre Knie beugen können, weil sie wissen, von wem sie alles, was sie haben, erhalten haben. Und ob sie als Ziel ihres Tuns genau diesen Gott vor Augen haben. Ist Gott, das Kind in der Krippe und die Anwesenheit dieses Gottes in den Kindern dieser Welt der Stern, der sie leitet?

Ich habe da so meine Zweifel, sowohl bei vielen Politkern und Wissenschaftlern, als auch bei den Managern und Bankdirektoren. Natürlich sind das nicht alles Egoisten, sie dienen der Wissenschaft, dem Volk, der Wirtschaft und dem Markt. Und viele habe durchaus das Wohlergehen der Menschen vor Augen. Nur: Die Knie beugen sollten sie weder vor den Menschen noch vor dem Geld, weder vor Macht und Ruhm noch vor dem Wissen und dem Machbaren. Die Knie beugen sollen wir allein vor dem, der über allem steht. Nur so, liebe Schwestern und Brüder, werden wir zu wirklichen Dienern.

Ohne die Anbetung Gottes wird jeder Dienst am Geschöpf zum Götzendienst, bei dem dann wieder anderes auf der Strecke bleibt.

Aber, und das hat mich bei meiner Betrachtung auf dem Petersplatz in Rom dann wieder etwas zurückgeholt in die kleine Welt, in der ich lebe - wie sieht es denn mit mir aus? Ich bin doch auch oft versucht, die mir anvertraute Aufgabe wichtiger zu nehmen als Gebet und Gottesdienst. Auch wir einfache Menschen - und auch wir einfachen Priester - sind genauso versucht, wie die Menschen da ganz oben. Letztlich sind wir aus dem gleichen Holz geschnitzt.

Ein großer Physiker, Max Thürkauf, hat einmal gesagt: Für jede Stunde Forschung muss der Forscher immer auch eine Stunde im Gebet verbringen. Sonst beginnt er, gegen Gott zu forschen, anstatt mit ihm.
Und ein weiser Kirchenvater hat einmal gesagt: Der Priester sollte jeden Tag mindesten eine halbe Stunde vor dem Allerheiligsten zubringen. Davon sind lediglich die Tage ausgenommen, an denen er besonders viel zu tun hat, denn dann ist mindestens eine ganze Stunde nötig.

Davon sind wir alle weit entfernt. Aber die Sterndeuter haben es uns vorgemacht: Nur mit einem Stern vor Augen, einem Gott, vor dem wir knien, macht Leben einen Sinn. Amen.

695. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

zur Vorbereitung der Sternsingeraktion ist mir, wie in jedem Jahr bisher, reichlich Informationsmaterial zugesandt worden. Ein Rechenschaftsbericht darüber, was im letzten Jahr mit den Geldern passiert ist, ein Ausblick auf die Projekte des kommenden Jahres, Geschichten aus den Ländern der sogenannten Dritten Welt, Info-Material über die Lebensweise dort - Plakate, Bildchen und noch vieles mehr. Allerdings - kein Wort über den Segen, den wir in die Häuser bringen; kein Wort über Anbetung, Menschwerdung oder das Geheimnis der Barmherzigkeit Gottes.

Genauso verwundert war ich, als unser Bistum in einem Informationsheftchen mit dem Titel "Unsere Seelsorge" über die Seelsorge an Behinderten berichtete. Tage religiöser Orientierung wurden dort beschrieben; anhand eines Baumes machten sich die Referenten Gedanken über "Wurzel", "Stamm" und "Krone" des Lebens. Und auf den ganzen Seiten war kein einziges mal die Rede von Gott, Gebet, Erlösung, Himmel oder sonst etwas, dass zumindest entfernt religiös zu verstehen war.

In dem Blättchen "Gute Besserung", das in unsere Kirche ausliegt, war schon vor Jahren eine kleine Geschichte abgedruckt, von der ich nicht weiß, ob sie erfunden oder wirklich passiert ist - die aber zu dem passt, was wir in der Ausbildung gelernt haben: Ein junger Kaplan kommt auf Hausbesuch zu einem schwer kranken und schwerhörigen älteren Mann. Er erkundigt sich lange und warmherzig nach den Befinden und Krankheitssymptomen des Mannes und geht nach einige Zeit mit den besten Genesungswünschen wieder. Der alte Mann, der kein Wort verstanden hat, fragt nachher seine Frau: "Und, was hat er gesagt, der Kaplan?" Seine Frau antwortet weise: "Er sagt, Du sollst Deine Schmerzen mit dem Leiden Jesu vereinen!" - Worauf ihr Mann anerkennend nickt und antwortet: "Mensch, der kann aber gut trösten, der Kaplan!"


Was ist das für eine Seelsorge, die das eigentliche Wunder der Seele, nämlich ihre Beziehung zu Gott, nicht einmal in den Blick nimmt?

Nun, im Grunde kenne ich die Unfähigkeit, von Gott zu sprechen, ja auch aus eigener Erfahrung. Ich denke, dass es keinem von uns leicht fällt, seinen Glauben an Gott in Worte zu fassen - geschweige denn, um das Gebet zu bitten oder zum Gebet anzuregen. Aber wenn selbst die Offiziellen unserer Kirche nicht merken, dass in ihrer Arbeit Gott abhanden gekommen ist?

Vielleicht brauchen wir Christen - und auch wir Offiziellen - das Beispiel und die Anregung von außen. Denn so ähnlich ist es ja auch in der Weihnachtsgeschichte gewesen: Zwar hören die Hirten die Botschaft der Engel; zwar finden sie auch das Kind und preisen Gott; aber erst die Weisen aus dem Morgenland, die heidnischen Magier aus der Ferne, tun das, was eigentlich jeder Jude als erstes hätte tun müssen: Sie beten das Kind an, in dem sie Gott erkennen.

Das, liebe Schwestern und Brüder, mag vielleicht auch ihre Berufung sein: Mit ihrem Glauben und ihrem Gebet die Herzen der Menschen bekehren, auch die Herzen unserer Priester und Amtsträger.

Die Sternsinger unserer Gemeinde gehen von Haus zu Haus, nicht in erster Linie, um Geld zu sammeln; sondern um Ihnen den Segen für's neue Jahr zu wünschen. Spenden - ob Geld für die Dritte Welt oder Süßigkeiten für die Sternsinger - sind nur die Antwort auf die Liebe Gottes, die durch die Drei Könige auch zu Ihnen nach Hause getragen wird. Nehmen Sie das als Anregung für das neue Jahr: Seien wir einander Segen, indem wir füreinander beten - vielleicht auch miteinander - und uns die Liebe Gottes gegenseitig erfahrbar machen.

Amen.

696. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

das Fronleichnamsfest ist unter den großen Festen unserer Kirche erst jüngeren Datums. Erst 1246 wird dieses Fest auf Anregung der Nonne Juliane von Lüttich in der Diözese Lüttich eingeführt, 1317 durch den Papst für die ganze Kirche.

Manche der heutigen Theologen, Priester oder auch gläubigen kritisieren dieses Fest. Sie sagen, dass es ursprünglich nicht üblich war, den Leib und das Blut Jesu nicht zu verehren. Der Leib Christi wäre zum Empfang für die Gläubigen bestimmt, nicht zur Aufbewahrung oder Anbetung. Die eucharistische Verehrung, so wie wir sie heute kennen, sei erst ein Produkt des Mittelalters.

Einmal davon abgesehen, dass allein schon das Wort "Mittelalter" einen seltsamen Klang in unseren Ohren hat (und wir immer noch das Bild vom dunklen, abergläubischen Zeitalter im Hinterkopf haben), stellt sich hier die Frage, ob es immer gut ist, zu den Ursprüngen zurückzukehren.

Es ist eine Form des Traditionalismus, alles zu Verteufeln, was erst im Laufe der Jahrhunderte entstanden ist. Der Glaube, den die Apostel empfangen und weitergegeben haben, darf selbstverständlich nicht einfach abgeändert und unserem Zeitgeschmack angepasst werden.

Aber die Tatsache, dass wir den Glauben nicht verkürzen dürfen, heißt gerade nicht, dass er sich nicht noch entfalten lässt. Im Laufe der Jahrhunderte ist zwar der Glaube nicht reicher geworden, aber das Leben der Kirche. Erst viel später ist die Mönchsbewegung entstanden, die meisten Hochfeste haben sich erst Jahrhunderte später entwickelt, Sprache, Gebete und Gesänge haben sich entwickelt und entfaltet - unsere Liturgie ist ein Produkt des Geistes, der in der Geschichte der Kirche wirkt.
Das Fronleichnamsfest ist vielleicht einmal so etwas wie die "Flursegnung" gewesen - ein Kombination aus der antiken "Besitzerneuerung durch Umschreiten" und dem christlichen Segnungsgedanken. Auch das ist bestimmt nicht biblisch, aber doch durchaus schön. Wir segnen unser Dorf und unsere Felder mit dem anwesenden Herrn - und erneuern sozusagen SEINEN Besitzanspruch auf alles, was wir haben.

Heute hat sich der Charakter der Fronleichnamsprozession wieder ein wenig geändert - angesichts der zunehmenden Entchristlichung wird die Prozession zu einem Zeugnis. Wir bekennen unseren Glauben angesichts einer verständnislosen Welt.

Vielleicht kommen Sie sich in der Prozession blöd vor, fühlen sich unwohl wie in einem Schaufenster. Manche schauen ungläubig und verschlafen zwischen den Vorhängen hervor, manche spötteln offen. Dann trotzdem zu gehen, ist ein Zeugnis.

Liebe Schwestern und Brüder, wir tragen in der Monstranz den Herrn persönlich durch die Strassen. Dadurch, dass wir mitgehen und schmücken, bekennen wir diesen Glauben vor aller Welt. Fürchten wir nicht den Spott und den Unglauben - Jesus hat zu seiner Zeit mehr darunter gelitten als wir.

Bedenken wir aber vor allem, dass wir selbst zu einer Art Monstranz werden. "Erlöster sollten sie aussehen, die Erlösten" hat Nietzsche einmal gesagt. Nun, wir, die Erlösten können nicht unbedingt am Gesichtsausdruck erkannt werden. Aber doch an dem, was wir tun.

Die Fronleichnamsprozession ist sicherlich auch zu anderen Zeit (vor allem während der NS-Zeit) eine offene, öffentliche Entscheidung gewesen: "Auf welcher Seite stehe ich?" - Aber diese Entscheidungen sind auch heute notwendig.

So wandelt sich der Glaube durch die Zeiten, so wandeln sich die Formen und Bedeutungen - und doch bleibt der Kern der gleiche: Jesus hat sich ein für alle Mal entschieden, auf welcher Seite er steht. Er hat sich in unsere Hände gegeben. Und tut es immer wieder. Amen.

697. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

In der Lesung haben wir von Mose und den Bund gehört, den er mit Gott am Sinai geschlossen hat. Und im Evangelium ist die Rede von Gottes neuem Bund mit denen, die zu Christus gehören, also den Christen. Beide Male spielt das Blut eine entscheidende Rolle: Bei Mose ist es das Blut junger Stiere, den wertvollsten Opfertieren, das den Bund besiegelt; bei Jesu ist es sein eigenes Blut; das Blut, das er am Kreuz vergossen hat.

Was soll das? Warum wird da sooft vom Blut gesprochen? Warum können wir mit Gott nicht einfach einen Vertrag schließen und mit Tinte unterschreiben? Ist das nicht friedlicher?

Nun, wenn wir vom Blut in diesem Zusammenhand hören, dann denken wir vielleicht zunächst an Krieg und Verbrechen, an Blutvergießen. Damit kommen wir der tieferen Bedeutung des Wortes schon näher: Blut ist das Symbol des eigentlichen Lebens. Wenn wir von «Blutsbrüderschaft» bei Winnetou und Old Shatterhand hören, dann denken wir daran, dass sie ihr Leben für einander einsetzen. Genauso meint «Blutsverwandtschaft» mehr als nur ein Abstammungsverhältnis, es meint, dass wir zutiefst zusammengehören. Und - wir sprechen davon, dass wir bereit sind, für einen anderen Menschen unser Blut zu geben, dem wir mehr verbunden sind als anderen.

Gott schließt also seinen Bund mit uns in seinem Fleisch und seinem Blut. Mit anderen Worten: Er gibt nicht nur sein Ehrenwort, er gibt sich uns selbst. Er bindet sich an uns; eben nicht nur mit bloßen Worten oder mit einem einfachen Vertrag (den man wieder zerreißen könnte), sondern mit seinem eigenen Leben.

Also steht im neuen Bund anstelle des Opferlamms, das beim Paschamahl Gott dargebracht wird, nun Christus selbst. Er fordert eben nicht unser Blut oder das Blut irgendwelcher Tiere, sondern Jesus vollbringt selbst alles Entscheidende: Er bindet sich an uns, er schließt den Bund. Er ist es schließlich, der mit uns die Eucharistie feiert.

Als die Jünger das Paschamahl feiern wollten, finden sie alles schon geregelt: Jesus hat bereits Ort und Zeitpunkt festgelegt, das Festgemach ist bereitet.
Warum wird so ausdrücklich erwähnt, dass die Jünger alles so vorfinden, ohne selbst alles zu organisieren? Weil es seine Feier ist. Nicht die Apostel sind diejenigen, die den neuen, alles versöhnenden Bund mit Gott schließen, sondern Jesus tut es. Er ist der Handelnde im Gottesdienst, im Abendmahlssaal - und auch heute.

Und wir sind die Beschenkten. Wir sind diejenigen, denen der Friedensschluss gilt: All das hat er für uns getan. Unser Teil ist das Danken und das Loben, das Staunen über dieses Geschenk und die innere Bereitschaft, uns ebenfalls mit Gott versöhnen zu lassen, uns ebenfalls mit Fleisch und Blut diesem Gott zu weihen. Deshalb heißt die Messfeier auch Eucharistie - auf deutsch: Danksagung -, weil wir nicht die Macher einer Messe sind, sondern die Beschenkten.

Dieser Gedanke kann manchmal etwas zurückgedrängt werden, wenn wir zum Gottesdienst kommen, mit unseren eigenen Problemen beladen, mit Sorgen und Nöten - manchmal übermüdet oder zerstreut. Und dann bilden wir uns ein, es hänge von uns ab, ob der Gottesdienst etwas bringt oder nicht. Aber gerade davon sind wir befreit: «Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid», sagt Jesus. Wir sind befreit von dem Druck, etwas bieten zu müssen, auf Biegen und Brechen unterhaltsam sein zu müssen. Wir können uns einfach nur beschenken lassen. Dazu lädt er uns ein. Amen.

698. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder.

die Eucharistiefeier, das Zentrum unseres Glaubens, ist auch das Zentrum unserer Gemeinde. Hier treffen wir uns alle - ob jung oder alt, ob engagiert oder distanziert, ob modern oder eher altmodisch.

Hier kommen wir zusammen, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern und Mahl zu halten. Wir sind geladen an den Tisch des Herrn.

Nun ist es aber kein Geheimnis, dass das gemeinsame Essen nur ein sehr dürftiges Zeichen ist: Allzuviel zu essen gibt es im Gottesdienst nicht, vom trinken ganz zu schweigen. Und gemeinsam tun wir es auch nicht: Alles geht hier schön nach der Reihe. Wir stehen eher wie im Supermarkt Schlange.

Das stört vielleicht. Viele, die einen Gottesdienst vorbereiten, sind bemüht, den Gedanken des gemeinsamen Essens, des Mahl-Halten, deutlicher herauszuheben. Aber das stößt an seine Grenzen: Was wir hier im Gottesdienst feiern, kann nicht an eine wirklich gemütliches Essen (beispielsweise nebenan) herankommen. Und ein Schnitzel mit Pommes macht allemal eher satt als ein kleines Stückchen Brot, dem sogar noch die Hefe fehlt.

Um dem abzuhelfen, werden hier und da Tischmessen angeboten; in kleineren Gruppen wird manchmal zur Eucharistiefeier richtige, selbstgebackene Brote genommen; der Tisch wird festlich gedeckt - man tut alles, um den Mahlcharakter in den Vordergrund zu stellen und ihm gerecht zu werden.

So gutgemeint, wie diese Versuche allerdings sind: Der Mahlcharakter steht absichtlich nicht im Vordergrund; ganz bewusst hat dieser Gottesdienst nur nebenbei Ähnlichkeit mit einem Mahl.
Der Ursprung unseres Gottesdienstes geht ja auf das Paschamahl zurück, kurz vor dem Auszug aus Ägypten. Da ist keine Rede von einem gemütlichem Beisammensein: Stehend soll gegessen werden, den Mantel und Gürtel bereits angelegt. Hastig soll gegessen werden, dann der Aufbruch ins gelobte Land steht kurz bevor. Man sitzt nicht im Kreis: Alle sollen zur Tür hin stehen, hintereinander, nebeneinander: Denn es ist der Vorübergang des Herrn. Was verzehrt wird, ist ungesäuertes Brot: Denn es war keine Zeit, die Hefe gehen zu lassen; man ist schon unterwegs.

All dieses zerstört den Mahlcharakter, ist aber wesentliches Element unserer Eucharistiefeier: Wir sind unterwegs, unser Gottesdienst dient der Stärkung auf unserer Lebensreise. Das wirklich gemütliche Mahl mit reich gedecktem Tisch erwartet uns im Himmel - hier müssen wir uns mit dem dürftigen Brot zufrieden gegeben. Wir sind kein in sich abgeschlossener Kreis, der sich um den Tisch versammelt; wir sind ein Pilgerzug auf dem Weg ins gelobte Land - wie die Israeliten. Wir sind eben noch nicht angekommen.

Das wir zu Kommunion gehen, einer nach dem anderen, dass das Essen selber nur einen kurzen Augenblick dauert; dass dabei von Gemütlichkeit gar nicht die Rede sein kann; dass der Brot, dass uns gereicht wird, nur den Geist und die Seele stärkt, den Körper aber kaum satt macht - all das ist viel wichtiger und ursprünglicher als die Form des Festmahles mit reich gedecktem Tisch.

Und dass die Gemeinschaft, die wir erfahren, nicht in erster Linie in der Tischgemeinschaft, sondern in der Weggemeinschaft zum Ausdruck kommt, ist ebenso richtig, für die heutige Zeit vielleicht sogar noch wichtiger: Denn noch sind wir nicht am Ziel unseres Lebens. Wir müssen uns immer wieder daran erinnern und auch erinnern lassen, dass wir uns hier nicht zu dauerhaft einrichten. Unsere Heimat ist im Himmel.

Deswegen hat Jesus nicht die Agapefeier, das gemütlich Ritual der Tischgemeinschaft (mit den Sündern und Zöllnern), sondern das hastige und ungemütliche Paschamahl als Form für sein Andenken gewählt. Und ganz besonders deutlich wird unser Auf-dem-Weg-sein mit dem Herrn im Zeichen der Fronleichnamsprozession. Amen.

699. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

als Geschöpfe Gottes sind wir restlos auf ihn angewiesen. Jedes Leben, das in uns wirkt, haben wir nur deshalb, weil es Gott gibt. Wir sind voll und ganz von ihm abhängig - keine Sekunde könnten wir ohne ihn existieren. Eigentlich müsste jeder Mensch, der sich von Gott trennt, augenblicklich aus dem Dasein schwinden.

Aber als Gott uns erschaffen hat, da hat er uns eine gewissen Selbstständigkeit gegeben, eine Art Lebensvorschuss. Er hat uns auf dem Weg unseres Lebens eine gehörige Portion Leben in den Rucksack gepackt - und uns damit die Freiheit gegeben, auch gegen Gott zu sein und trotzdem noch zu leben. Nur aus diesem Grunde können wir, die wir uns von Gott immer wieder lossagen, trotzdem noch atmen, uns bewegen und weiterleben.

Aber dieser Lebensvorrat ist begrenzt. Ohne Gott geht er rasch zur Neige; das Leben wird flacher und oberflächlicher ohne Gott - egoistischer und aggressiver.

Es sei denn, wir kehren zu Gott zurück, zur Quelle unseres Lebens, zum Brot unseres Lebens. Wir Katholiken glauben, dass wir unser Leben in den Sakramenten empfangen - Lebensvorrat; Lebensfreude und Tiefgang; Kraft Verzeihung zu gewähren und Kraft, um Verzeihung zu bitten.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir Gottesdienst feiern, dann nicht aus einem sentimentalen Gefühl des Gedenkens heraus. Wir gedenken zwar dem Tod und der Auferstehung Jesu, gleichzeitig empfangen wir aber die Frucht des österlichen Geschehens: Leben!

Deshalb ist es kein Gleichnis, das Jesus benutzt, wenn er davon spricht, dass dieses Brot ewiges Leben schenkt. Gemeint ist auch nicht, das wir befreit sind vom irdischen Tod - der genau genommen nicht das schlimmste ist, was uns passieren kann. Nein, wir sind vielmehr befreit vom ewigen Tod, der Begrenztheit unserer Lebensreserve.

Dieses Brot ist wirklich eine Speise: So wie uns jede Kilokalorie am Leben erhält, das wir auf dieser Welt leben, so erhält uns jede einzelne Hostie am Leben, das wie hier und vor Gott leben.

700. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

schon seit langem gibt es eine immer wiederkehrende Diskussion über die Zulassung zum Abendmahl, zur Eucharistiefeier. Da geht es zum einen um die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten - eine Diskussion, die heute nicht mehr ganz so laut geführt wird, aber vor Jahren noch die Medien beherrschte - und zum anderen um die Frage, ob wir nichtkatholische Christen zu unserer Kommunion einladen dürfen. Der erste gemeinsame Kirchentag in Berlin war zumindest im Vorfeld von dieser Frage geprägt; während des Kirchentages selber spielte diese Diskussion nur eine untergeordnete Rolle.
Auch an meiner Schule in Recke gibt es immer wieder Diskussionen, ob die evangelischen Schüler nicht zur Messfeier der Schule eingeladen werden sollen oder dürfen. Eine ablehnende Haltung stößt oft auf Unverständnis.

Nun ist die offizielle Linie der katholischen Kirche mehr als eindeutig; der Papst hat noch vor wenigen Wochen in einer sehr persönlichen und schon fast lyrischen Enzyklika von der Schönheit und Heiligkeit der Messe geschrieben und dabei die Zulassungsbedingungen zur Eucharistiefeier bestätigt. Ein katholischer Professor, der während des ÖKT zu einer katholischen Messe ausdrücklich die evangelischen Christen eingeladen hat, wurde ebenso ermahnt wie ein katholischer Pfarrer, der an einem evangelischen Abendmahlsgottesdienst teilgenommen hat.

Zunächst ist es allerdings weniger eine Frage des Rechtes und der Sanktionen, sondern eine Frage der gegenseitigen Achtung. Ich muss nicht unbedingt verstehen, warum man in einer Moschee die Schuhe auszieht, in der Synagoge (zumindest als Mann) eine Kopfbedeckung aufsetzt und sie in der katholischen Kirche wieder absetzen soll: Ich respektiere die Vorstellungen anderer Religionen und Konfessionen nicht nur dann, wenn ich sie mit meinem eigenen Glauben vereinbaren kann. Das ist ziemlich hochmütig. Vielmehr respektiere ich andere Religionen und Konfessionen aus Hochachtung vor deren eigenen Traditionen. Genauso respektieren wir Katholiken den Wunsch der orthodoxen, nicht an deren Messfeiern teilzunehmen: Theologisch wäre das möglich, aber aus Respekt vor den Gefühlen der anderen Konfessionen sollte ich deren Wunsch nicht einfach missachten.

Es ist schade, wenn das Sakrament und die Feier unseres Glaubens zum Gegenstand von Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten wird. Wir Katholiken sehen in der Kommunion, der Vereinigung mit Gott, nicht nur ein "Hilfsmittel", sondern auch ein Sinnbild der Einheit.

In früher Zeit gab es drei Sakramente, die in die Kirche hineinführten: Die Taufe als erstes und grundlegendes Sakrament, danach die Firmung und zuletzt die Zulassung zur Eucharistie und Kommunion (in dieser Reihenfolge!). Wer zur Kommunion hinzutreten durfte, war volles und akzeptiertes Mitglied der Gemeinde. Die Feier der Messe war die Feier der Einheit mit Gott und untereinander.
Die Eucharistiegemeinschaft war also keineswegs ein erster Schritt auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft, sie ist das Ziel und der Höhepunkt des kirchlichen Lebens. So war es ja auch in den ersten Jahrhunderten üblich, bei schwere Sünde gegen Gott oder die Einheit der Gemeinde, der Eucharistiefeier fernzubleiben, bis eine angemessene Zeit der Buße geleistet wurde. Die Teilnahme an der Kommunion, der Vereinigung mit Christus, gibt Kraft für den weiteren Lebensweg - Kraft zum Glauben und Kraft zum Leben. Aber sie ist nicht der Ausgangspunkt, um auf Christus und seine Kirche zuzugehen, sondern sie ist Ziel für denjenigen, der sich auf den Weg zu Christus macht.

Liebe Schwestern und Brüder, dass gerade das Sakrament der Einheit zum Zankapfel wird, ist schade und unangemessen. Aber wenn die Abendmahlgemeinschaft wirklich Bild der Einheit ist, dann müssen wir zuvor an der Einheit der Christen arbeiten und dürfen die Einheit nicht feiern, wenn sie noch nicht geschaffen wurde. Nehmen wir das Wort des Papstes ernst: Wirklich alles gemeinsam tun, was wir nicht getrennt tun müssen - und wir haben alles Hände voll zu tun. Es gibt viel zu tun - packen wir es (in der richtigen Reihenfolge) an! - Amen.

701. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Stellen sie sich vor, sie müssten für lange Zeit Abschied nehmen von einem geliebten Freund. Irgendeine Pflicht ruft sie weg. Sie müssen gehen und sich trennen. Was können Sie da tun, um über den räumlichen Abstand hinweg verbunden zu bleiben?
Wir Menschen sind da sehr erfinderisch geworden, weil solche Trennungen schmerzlich sind. Wir schreiben zum Beispiel Briefe, seit längerem gibt es ja auch schon das Telefon; wir tauschen Andenken aus, vor allem Photos, die uns an den guten Freund erinnern.
Vielleicht vereinbaren wir auch einen besonderen Tag in der Woche, wo wir besonders viel an den anderen denken und für ihn beten.

Aber das alles ersetzt noch nicht die wirkliche Gegenwart das fernen Freundes. Er bleibt von uns getrennt - und das Photo von ihm verblasst auf die Dauer, vielleicht genauso, wie die Erinnerung.

Was wir nicht können, das vermag Jesus Christus, unser göttlicher Freund. Als er seine Jünger bei seiner Himmelfahrt verlassen musste, hat er ihnen und uns nicht nur ein reines Andenken hinterlassen - irgendein Symbol für seine bleibende Liebe, ein Gedenktag oder eine reine Gedächtnisfeier, sondern er ist selbst bei uns geblieben - unter den Gestalten von Brot und Wein.

Im allerheiligsten Sakrament des Altares ist Jesus Christus wahrhaft, wirklich und real gegenwärtig.
Wahrhaft gegenwärtig: Es ist keine Übertreibung, kein frommer Überschwang, keine Irreführung oder Selbsttäuschung.
Wirklich gegenwärtig: Nicht bloß in Gedanken, im Zeichen oder nur als Symbol, nicht nur als Erinnerung.
Real gegenwärtig: Christus selbst in seiner Person, mit seiner ganzen menschlichen und göttlichen Natur. Er sieht uns und er hört uns dort vom Tabernakel aus, er ist wirklich da. Wir können mit ihm reden nicht nur, als wäre er da, sondern wir können mit ihm reden, weil er da ist.

Das klingt unglaublich, nicht wahr?

Letztens habe ich mit einer jungen Frau gesprochen, die mir ganz klar sagte, dass für sie die Hostie Brot bleibt; dass das Stückchen Brot nur ein Zeichen sei, genauso, wie auch das Kreuz nur ein Zeichen ist. Das sei doch so viel einfacher und nicht so kompliziert, vor allem auch für die Kinder. Sie sagte mir allerdings auch, dass heute sowieso kaum noch ein Katholik an die wirkliche Gegenwart Christi im Altarssakrament glauben würde.

Was ist denn der Grund, weshalb die Christen seit 2000 Jahren daran glauben? Etwa irgendeine vernünftige Überlegung, die heute durch eine noch vernünftigere ersetzt werden muss?

Oder - liegt es vielleicht an der Gelehrsamkeit der Theologen und Prediger, dass so viele Christen diesen Glauben angenommen haben? Die ersten Jünger Jesu waren jedenfalls keine gelehrten Leute, sondern einfache Fischer. Sie haben auch keine tollen Beweisgründe für ihren Glauben angeführt, sondern schlicht das weitergesagt, was sie von Jesus gehört haben - nicht mehr und nicht weniger.

Unser christlicher Glaube beruht eben nicht auf Erfahrung oder eigener Einsicht, denn auf diesem Feld sind wir sehr irrtumsfähig. Augen, Mund und Hände täuschen sich oft, gerade auch vor der Hostie, die wir in der Kommunion empfangen.

Glauben bedeutet vielmehr, das, was Jesus uns geoffenbart hat, anzunehmen. Denn unseren Glauben machen wir nicht, wir beschließen ihn auch nicht - und wir können auch nicht darüber abstimmen. Glaube kommt von «Hören» - und das Gehörte leben und weitersagen. Und das ist auch meine Aufgabe hier - und auch sonst -: nichts anderes zu sagen als das, was Christus geoffenbart hat. Nicht, weil ich dafür bezahlt werde oder weil ich sonst Druck bekommen würde, sondern weil es niemand anderes in der Welt gibt, der so sicher die Wahrheit sagt wie Jesus Christus.
Das Fronleichnamsfest ist das Fest der Gegenwart Gottes in unserer Welt. Und in der Monstranz tragen wir nicht nur ein Stückchen Brot, sondern Gott selbst durch unsere Straßen. Dass der Glaube daran schwer fällt, ist natürlich, weil wir normalerweise das, was wir sehen, für wirklicher halten, als das, was wir glauben.

Aber das ist kein Problem, solange wir wissen, damit umzugehen: Gott nämlich zu bitten, unseren Glauben zu stärken und unsere Liebe zu entzünden, wie zum Beispiel in dem Lied, das Thomas von Aquin im Mittelalter getextet hat:

«Kann ich nicht wie Thomas schaun die Wunden rot,
bet ich dennoch gläubig, Du mein Herr und Gott.
Tief und tiefer werde dieser Glaube mein,
fester lass die Hoffnung, treu die Liebe sein.»

Amen.

702. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

An meine früheste Begegnung mit dem Fronleichnamsfest kann ich mich noch gut erinnern. Unser Haus stand an einer kleinen Straße, über die auch die Fronleichnamsprozession führte. Meine Mutter stellte mir einen kleinen Stuhl auf dem Rasen, damit ich dort auf das Vorbeiziehen der Prozession warten könnte. Ich war anscheinend noch zu klein, um mitgehen zu können, aber meine Mutter fand wohl auch, dass es zur religiösen Erziehung dazugehörte, dass ich mich irgendwie doch beteiligte. - Darum der Stuhl, auf dem ich nun allein wartete, darum auch die Anweisung: Wenn all die Leute kommen, und wenn der Pastor kommt - das Wort "Monstranz" und alles, was dahintersteckt, kannte ich sicher noch nicht - dann ist es Zeit, hinzuknien auf dem Rasen. Und du musst warten, bis alle vorbeigezogen sind.

Als Kind waren mir solche Anweisungen sehr wichtig; schließlich war mir klar geworden, dass es sich um eine wichtige Angelegenheit handelte. Und so befolgte ich dann auch die Anweisungen meiner Mutter genau: Die Prozession, von mir spannend erwartet, näherte sich. Ich sah Fahnen und festlich gekleidete Menschen, ich sah den Priester und höre die Schellen, und ich ging auf die Knie. - Das ist meine erste Erinnerung an Fronleichnam.

Ich habe noch des öfteren darüber nachgedacht. Es ist ja so, dass man nur recht wenige Punkte aus der eigenen frühen Kindheit in Erinnerung behält; vieles geht ins Unterbewusste oder auch verloren. Was habe ich aus diesem Erlebnis für mich gewonnen?

Zwei Dinge finde ich wichtig. Zuerst einmal: Das, was ich als Kind getan und erlebt habe, bleibt. - Nichts ist dümmer und verkehrter, als zu sagen: "Das soll mein Sohn, meine Tochter, selbst entscheiden." - Man kann nur das lieben, was man auch kennt. Und wie soll man etwas kennen, mit dem man nicht vertraut geworden ist? Darum sind Feste und Feiern und äußere Zeichen wie die Prozession an Fronleichnam so wichtig: Sie machen uns vertraut mit dem, was wir glauben. Jesus will, dass wir mit ihm vertrauten Umgang haben. Er hat darum auch die größtmögliche Weise des vertrauten Umgangs mit uns gewählt: In den Zeichen von Brot und Wein kommuniziert er mit uns und wir kommunizieren mit ihm, ja wir kommunizieren ihn, wir nehmen ihn selbst auf.

Fast jede Gemeinde noch feiert jährlich einen Erstkommunionsonntag. Die Kinder sollen vertraut werden mit der Liebe und der Freundschaft Christi. Aber ohne die Regelmäßigkeit, die die Vertrautheit erst ermöglicht, kann nichts wachsen. Ohne die sonntägliche Versammlung, die Feier des Herrentages, können wir als Gemeinde noch so viele Aktivitäten und Einfälle und Ideen und Programme entwickeln - es bleibt fruchtlos, wenn die Mitte fehlt.

Ein zweites finde ich ebenso wichtig: Ich habe gelernt, dass es recht ist, vor diesem Sakrament hinzuknien. Hinknien, sich verneigen, das bedeutet: Ich anerkenne, dass ich nicht selber das Maß aller Dinge bin. Es gibt etwas, das den Anspruch hat, größer zu sein als ich. Es gibt etwas - richtiger wäre zu sagen: Es gibt jemanden. Denn die Eucharistie, die wir feiern und die wir verehren, ist keine Sache. Die heilige Hostie, die wir in der Monstranz sehen und die wir empfangen, ist nicht einfach "heiliges Brot". Ich mag diesen Ausdruck nicht, auch wenn er gut gemeint ist. Heiliges Brot wäre wiederum nur eine, wenn auch sehr bedeutsame, Sache. Der Leib Christi ist keine Sache, er ist Fronleichnam - hingeopferter, aber als Geopferter lebendiger, auferstandener, mit Geist und Leben ganz erfüllter Leib, mit dem sich Christus selbst uns mitteilt. - In der Eucharistie ist die Begegnung mit Gott so verdichtet, dass wir niederknien dürfen. Alle knien nieder, auch die Großen, die etwas zu sagen haben, die ein wichtiges Amt haben, auf die man hört - auch das hat auf mich als Kind Eindruck hinterlassen.

Amen.

703. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Erinnern sie sich noch an das getrennte Deutschland, als Ost und West noch scheinbar unüberwindbar gegenüber standen? Oder erinnern sie sich noch an die Qualen und Nöte des letzten Krieges? An die Angst ob und wie man überlebt? Erinnern sie sich noch daran, wie es ihnen das letzte mal so richtig dreckig ging? Erinnern sie sich noch, als Gott sie bis an die Grenzen ihrer Kräfte gefordert hat, bevor er sie nun dahin geführt hat, wo sie heute stehen?

das Volk Israel wird in der heutigen Lesung von Mose dazu aufgefordert, sich zu erinnern, an den ganzen Weg zu erinnern, nicht nur an die schönen Stunden, die sie momentan durchleben, sondern auch an die Stunden in der Wüste, wo sie durch Feuernattern und Skorpione, durch ausgedörrtes Land gehen mußten, wo es kein Wasser gab. Dieses Beschreibung der Not des Volkes Israels gilt auch für uns. Auch wir sollen uns an unsere schweren Stunden erinnern: als wir uns so am Ende fühlten, als wenn wir in der Wüste unter Feuernattern und Skorpionen wären, die uns nach dem leben trachten. Sich so von Gott verlassen fühlen, daß wir Angst um unser Überleben haben, wo wir uns nach Wasser lechzen, weil wir am verdursten sind, weil wir am ende sind, keinen Sinn mehr im Leben sehen, bzw. vor Schwierigkeiten nicht mehr weiter wissen. erinnern sie sich n solche Zeiten?

Das Volk Israel soll sich auch an diese schweren Stunden erinnern, weil Gott es da heraus geführt hat. Da, wo es kein Wasser gab, hat Gott Wasser aus dem Felsen hervor sprudeln lassen, er hat das Volk Israel mit Manna gespeist. genauso hat er auch sie aus ihrer not befreit und dorthin geführt, wo sie heute sind. Er hat und wird sie aus ihrem persönlichen not befreien, er hat uns aus der Knechtschaft Hitlers befreit. und er hat die friedliche Revolution im Osten Deutschland ermöglicht. "Mit meinem Gott überspringe ich Mauern" hieß der Psalm am 9. November 1989. Die Kirchen, der Papst, das Gebet, Gott haben wesentlich zur friedlichen Revolution und zur deutschen Einheit beigetragen.

"Nimm dich in acht," heißt es in der Lesung zum Volk Israel, "daß dein Herz nicht hochmütig wird und den Herrn, deinen Gott vergißt" in seinem Wohlstand, den Israel in der damaligen zeit erlebt hat, soll es nicht vergessen, wem sie dieses leben verdanken. Sie sollen nicht hochmütig werden, nicht glauben, daß man selbst alles schafft. Das gleiche gilt für uns heute. Auch wir sollen nicht vergessen, daß Gott uns das Leben schenkt, wir sollen nicht hochmütig werden, und glauben, selber alles zu können. Gott schenkt das leben.

im Evangelium verdeutlicht Jesus diesen Aspekt nochmals, wenn er sagt: "wenn ihr mein Fleisch nicht eßt und mein Blut nicht trinkt, habt ihr nicht das Leben in euch." Gott schenkt uns das Leben: er gibt uns Nahrung in der Wüste, wenn wir an die grenze unserer kraft gekommen sind, wenn wir leid erfahren, er gab dem Volk Israel das Manna in der Wüste, und er gibt uns das Leben durch die Hingabe seines Sohnes am kreuz, der uns seinen Leib opfert.

Dieser Leib ist mehr als das Manna in der Wüste, sagt Jesus selbst. Sein Leib gibt uns das ewige Leben. Er gibt es hin für das Leben der Welt, für unser Leben. Er will uns nicht nur ein bißchen stärken, sondern er sagt, dieser sein Leib ist wirklich eine Speise und sein Blut ist wirklich ein Trank. Sein Leib und sein Blut sind also wirklich Lebenshilfen, die auch dauerhaft halten, nicht nur für den Augenblick einer Zigarette. Und er sagt auch, daß diese Zigarette, beispielhaft für alle anderen sinngebenden Dinge im Leben, nichts nützt. Alle Esoterik, jeder Glaube an irgendweine übersinnliche Kraft nützt nichts. Jesus sagt: "Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht eßt und sein Blut nicht trinkt, habt ihr nicht das Leben in euch." Gott schenkt uns durch seinen Leib und Blut das wahre Leben, hier auf Erden und in Ewigkeit. Und das gilt es zu verkünden, daran gilt es sich zu erinnern, daher feiern wir Fronleichnam, um uns zu erinnern, daß Gott uns aus der Not befreit hat und den Menschen unsere Quelle, die Quelle des Lebens zu zeigen. Amen.

704. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Der Priester lebt von der Eucharistie - Gedanken zur hl. Eucharistie und zur Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia" von Georg Eder, Alterzbischof von Salzburg


Wer die letzte Enzyklika von Johannes Paul II. Ecclesia de Eucharistia liest, wird von großer Freude erfüllt. Der Papst hat in seinen vielen Weltrundschreiben, angefangen von „Redemptor Hominis", fast alle für Kirche, Menschen und Gesellschaft relevanten Themen aufgegriffen; die letzte Enzyklika zielt in die Mitte, in das Herz der Kirche, die Eucharistie. Sie ist der Lebensgrund der Kirche, davon lebt sie und ohne dieses heiligste der Sakramente kann sie nicht leben. „Ecclesia de Eucharistia vivit." Die Kirche lebt von der Eucharistie.
Weit holt der Papst schon am Anfang aus. „Die Eucharistie hat kosmischen Charakter. Denn auch dann, wenn man sie auf dem kleinen Altar einer Dorfkirche feiert, wird die Eucharistie immer, in einem gewissen Sinn, auf dem Altar der Welt zelebriert" (Einleitung 8). Wenn es wahr ist, dass Jesus Christus „durch sein Kreuz und Leiden die ganze Welt erlöst hat" – und das bekennen wir im Hochgebet mit den Worten: „Mein Blut das für euch alle vergossen wird" – dann ist jede heilige Messe ein Missa Mundi. „Die Eucharistie baut die Kirche auf", schreibt Johannes Paul II. Aber sie muss wie das Priestertum, die Apostolizität haben und sie muss an jener Kette hängen, die Sukzession genannt wird, die uns mit den Aposteln verbindet, Und nur „jene Eucharistie wird als sicher erachtet, die unter dem oder dem, den er damit betraut hat, verwirklicht wird" (Ignatius v. Antiochien, Brief an die Smyrnäer). Die Eucharistie ist das „inaestimable donum" das unschätzbare Geschenk des scheidenden Herrn, sein wahres Testament.
I. Teil: „Der eine lebt vom anderen: Priester und Eucharistie – eine untrennbare Lebensgemeinschaft
1. Der Priester feiert die Eucharistie – ohne ihn gibt es keine Eucharistie.
Der Zelebrant hält die weiße Hostie in den Händen und spricht: „Das ist mein Leib." Natürlich weiß ich, dass damit der Leib Christi gemeint ist. Aber jetzt kommt mir bei der heiligen Wandlung immer öfter der Gedanke, dass dies auch mein Leib und mein Blut ist. „Was ist denn das Brot wirklich? Es ist der Leib Christi. Was werden die, welche ihn empfangen? Sie werden Leib Christi; aber nicht viele Leiber, sondern ein einziger Leib" (Joh. Chrysostomus; Kommentar zum 1. Korintherbrief). Die Gebete der Kirche weisen in die selbe Richtung. „Sooft wir das Gedächtnis dieses Opfers begehen, vollzieht sich an uns das Werk der Erlösung" (Gabengebet der Votivmesse von Jesus Christus, dem Hohenpriester). Und was soll es bedeuten, wenn wir im 3. Hochgebet sprechen: „Er mache uns auf immer zu einer Gabe, die dir wohlgefällt" (im lateinischen Text genauer: Ipse nos tibi perficiat munus aeternum")? Es soll also wohl zu einer Verschmelzung der göttlichen mit der menschlichen Opfergabe und damit des Opfers kommen: die wahre Eucharistie.
2. Der Priester teilt den Leib des Herrn aus und lässt ihn austeilen.
Bei der wunderbaren Speisung der Fünftausend nimmt Jesus die fünf Brote und die zwei Fische, segnet sie , bricht sie; dann gibt er sie seinen Jüngern, damit sie diese an die Leute austeilten (vgl. Lk 9,16). Alles kommt aus seiner Hand. Analog geschieht es in der Eucharistie, Der Priester teilt aus und lässt austeilen. Alle empfangen die heilige Speise einzig aus den Händen des Priesters: die Diakone, die Kommunionhelfer, ... Und von ihnen alle die anderen. Niemand kann sich das eucharistische Brot selber holen, Wo andere „Gewohnheiten" bestehen, beruhen sie auf einem grundsätzlichen Missverständnis der Eucharistie und der Liturgie: In ihr ist alles Gnade, alles Geschenk. Wer es sich nehmen will, wird bald draufkommen, dass er nichts mehr in den Händen hat.
3. Der Priester lebt als erster von der Eucharistie
Wovon sollte er sonst leben? Natürlich wissen wir, dass wir „von jedem Wort leben, das aus dem Munde Gottes kommt" (vgl. Mt 4,4). Aber der katholische Priester bracht für seine Existenz auch die heilige Eucharistie. Man kann als Priester einfach nicht bestehen ohne dieses Opfer Christi. So versteht man, dass die Priester in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern wie im kommunistischen Untergrund alles daransetzten, um ein wenig Weizenbrot und Wein zu erhalten. Sie setzten oft dafür ihr Leben aufs Spiel. In den Zeiten der ersten Christenverfolgungen war es unter Todesstrafe verboten, an diesen „Versammlungen" am ersten Tag der Woche (Sonntagsmesse) teilzunehmen. Die angeklagten Christen antworteten auf die diesbezügliche Frage des Richters: „Wir können ohne diese nicht leben." Wenn ein Priester nach und nach die Zelebration aufgab, hat er bald darauf auch sein Priestertum aufgegeben. Der Priester lebt von der Eucharistie, wenn nicht sein Priestertum absterben soll.
4. Die Eucharistie wird selten – weil die Priester fehlen
Wir gehen einer beispiellosen Not an Priestern entgegen. Ich spreche nicht von einer „Hungersnot" bei uns; denn viele unserer Gläubigen hungern längst nicht mehr nach dem Brot des Lebens (siehe Sonntagsmesse!). Aber die Eucharistiefeiern werden seltener und seltener werden. Für viele, die „von der Eucharistie leben" wird es hart werden. Niemals aber darf der Priester ein Abstinent werden. Je geringer die Zahl der Gläubigen wird, umso größer muss die Hirtenliebe der Priester werden. „Diese erwächst am stärksten aus dem eucharistischen Opfer. Dieses bildet daher die Mitte und Wurzel des ganzen priesterlichen Lebens." Man versteht so, wie wichtig es für das geistliche Leben des Priesters und darüber hinaus für das Wohl der Kirche wie auch der Welt ist, dass er die konziliare Empfehlung verwirklicht, täglich die Eucharistie zu feiern;" ... sie ist auch dann, wenn keine Gläubigen dabei sein können, ein Akt Christi und der Kirche" (Eccl. De Eucharistia, III). (N.B. :Ich gehe hier ganz bewusst nicht auf die „Lösung des Priesterproblems durch Öffnung der „Zulassungsbedingungen" ein, denn das ist nicht das Grund-, sondern ein Folgeproblem.)
II. Teil: Der Eucharistieglaube in unserer Zeit
Dieser zweite Teil könnte eigentlich wie ein Zusatz, eine Ergänzung erscheinen, ist aber leider die Hauptsache.
1.Was glaubt die Kirche über die Eucharistie?
Was sie immer und überall geglaubt hat. Jeder kann es jederzeit im Katechismus der Katholischen Kirche lesen (Nr. 1322-1419). Nur ein paar Sätze daraus. „Die Eucharistie ist die Gedächtnisfeier des Pascha Christi, d.h. des Heilswerkes, das durch das Leben, den Tod und die Auferstehung Christi gewirkt worden ist ... Christus selbst, der ewige Hohepriester des Neuen Bundes, bringt durch den Dienst der Priester das eucharistische Opfer dar. Ebenso ist es Christus selbst, der bei eucharistischen Opfer die Opfergabe ist. Er selbst ist unter den Gestalten von Brot und Wein wirklich gegenwärtig. Nur gültig geweihte Priester können der Eucharistiefeier vorstehen und Brot und Wein konsekrieren, damit diese Leib und Blut des Herrn werden." Das ist unser Glaube.
2.Eine zweite Frage steht auf: Wie steht es um den Eucharistieglauben unseres katholischen Volkes? Was glaubt der durchschnittliche Katholik? Wir Priester getrauen uns kaum noch nachzufragen. Denn wir könnten uns vielleicht bei der Kommunionsspendung am nächsten Sonntag schwer tun ... (Übrigens würde es uns bei Begräbnissen mit der Frage: Wer glaubt an die Auferstehung der Toten? ähnlich ergehen.) Diese Fragen müssten uns Priestern und besonders die Bischöfe zutiefst erschrecken und nicht mehr schlafen lassen. Die Fluten des Unglaubens lecken bereits am Kern der Brückenpfeiler. Fast möchte ich das berühmte Wort von F. W. Nietzsche hier anwenden: „Das Eis, das uns noch trägt, ist dünn geworden. Wir fühlen alle den unheimlichen Atem des Tauwindes. Wo wir gehen, da wird bald niemand mehr gehen können." <P< üNiemals maßen ich mir an, über den Glauben eines Menschen zu urteilen. Den Glauben kann man nicht messen. Und gerade bei sogenannten „Ungläubigen„ habe ich oft einen großen Glauben entdeckt, ein ernsthaftes Ringen und Suchen. Siehe den Zweifel des Apostels Thomas, der nichts anderes war als ein glühendes Gebet: „Herr, ich möchte glauben. Vertreibe meine Zweifel mit deinen heiligen Wunden!"
Aber wenn heute ein Priester zu mir kommt und gesteht, dass er nicht mehr an die Eucharistie glauben kann, so werde ich ihn auf den Knien bitten: „Zelebriere morgen nicht mehr! Du fügst deiner Seele und der Kirche den größten Schaden zu. Erbitte dir von deinem Bischof Sabbatzeit, in der du reflektieren und zurückgehen kannst bis zu der Stelle, wo du noch den Glauben hattest. Und dann bete, bete, bete!" Der Glaube ist eine reine Gnade, das höchste Geschenk Gottes.
Ecclesia de Eucharistia vivit. Die Kirche lebt von der Eucharistie. Und der Priester ist der Erste, der davon lebt. Dieser Schatz ist unermesslich groß, ein unschätzbares Geschenk – inaestimabile donum.

Plagas, sicut Thomas, non intueor,
Deum tamen meum te confiteor:
Fac me tibi havere, te diligere.
In te spem habere, te diligere.
Kann ich nicht wie Thomas schaun die Wunden rot,
bet ich dennoch gläubig: „Du mein Herr und Gott!"
Tief und tiefer werde dieser Glaube mein,
fester lass die Hoffnung, treu die Liebe sein.
Georg Eder, Alterzbischof von Salzburg

Amen.

705. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

In der Lesung haben wir von Mose und den Bund gehört, den er mit Gott am Sinai geschlossen hat. Und im Evangelium ist die Rede von Gottes neuem Bund mit denen, die zu Christus gehören, also den Christen. Beide Male spielt das Blut eine entscheidende Rolle: Bei Mose ist es das Blut junger Stiere, den wertvollsten Opfertieren, das den Bund besiegelt; bei Jesu ist es sein eigenes Blut; das Blut, das er am Kreuz vergossen hat.

Was soll das? Warum wird da sooft vom Blut gesprochen? Warum können wir mit Gott nicht einfach einen Vertrag schließen und mit Tinte unterschreiben? Ist das nicht friedlicher?

Nun, wenn wir vom Blut in diesem Zusammenhang hören, dann denken wir vielleicht zunächst an Krieg und Verbrechen, an Blutvergießen. Damit kommen wir der tieferen Bedeutung des Wortes schon näher: Blut ist das Symbol des eigentlichen Lebens. Wenn wir von «Blutsbrüderschaft» bei Winnetou und Old Shatterhand hören, dann denken wir daran, dass sie ihr Leben für einander einsetzen. Genauso meint «Blutsverwandtschaft» mehr als nur ein Abstammungs-verhältnis, es meint, dass wir zutiefst zusammengehören. Und - wir sprechen davon, dass wir bereit sind, für einen anderen Menschen unser Blut zu geben, dem wir mehr verbunden sind als anderen.

Gott schließt also seinen Bund mit uns in seinem Fleisch und seinem Blut. Mit anderen Worten: Er gibt nicht nur sein Ehrenwort, er gibt sich uns selbst. Er bindet sich an uns; eben nicht nur mit bloßen Worten oder mit einem einfachen Vertrag (den man wieder zerreißen könnte), sondern mit seinem eigenen Leben.

Also steht im neuen Bund anstelle des Opferlamms, das beim Paschamahl Gott dargebracht wird, nun Christus selbst. Er fordert eben nicht unser Blut oder das Blut irgendwelcher Tiere, sondern Jesus vollbringt selbst alles Entscheidende: Er bindet sich an uns, er schließt den Bund. Er ist es schließlich, der mit uns die Eucharistie feiert.

Als die Jünger das Paschamahl feiern wollten, finden sie alles schon geregelt: Jesus hat bereits Ort und Zeitpunkt festgelegt, das Festgemach ist bereitet.

Warum wird so ausdrücklich erwähnt, dass die Jünger alles so vorfinden, ohne selbst alles zu organisieren? Weil es seine Feier ist. Nicht die Apostel sind diejenigen, die den neuen, alles versöhnenden Bund mit Gott schließen, sondern Jesus tut es. Er ist der Handelnde im Gottesdienst, im Abendmahlssaal - und auch heute.

Und wir sind die Beschenkten. Wir sind diejenigen, denen der Friedensschluss gilt: All das hat er für uns getan. Unser Teil ist das Danken und das Loben, das Staunen über dieses Geschenk und die innere Bereitschaft, uns ebenfalls mit Gott versöhnen zu lassen, uns ebenfalls mit Fleisch und Blut diesem Gott zu weihen. Deshalb heißt die Messfeier auch Eucharistie - auf deutsch: Danksagung -, weil wir nicht die Macher einer Messe sind, sondern die Beschenkten.

Dieser Gedanke kann manchmal etwas zurückgedrängt werden, wenn wir zum Gottesdienst kommen, mit unseren eigenen Problemen beladen, mit Sorgen und Nöten - manchmal übermüdet oder zerstreut. Und dann bilden wir uns ein, es hänge von uns ab, ob der Gottesdienst etwas bringt oder nicht. Aber gerade davon sind wir befreit: «Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid», sagt Jesus. Wir sind befreit von dem Druck, etwas bieten zu müssen, auf Biegen und Brechen unterhaltsam sein zu müssen. Wir können uns einfach nur beschenken lassen. Dazu lädt er uns ein. Amen.

706. Predigtvorschlag

Die Jugendlichen in Beverbruch haben heute (gestern) Abend eine Jugendmesse vorbereitet, die sich an den heutigen Lesungstexten orientiert. Es geht um unsere Talente, die Gott uns von Mutterleib an gegeben hat, damit wir sie für ihn und seine Kirche einsetzen.

Ich möchte ihnen zunächst einmal einen Ausschnitt aus den Textdialogen, die die Jugendlichen erstellt haben, vorlesen. Es geht dabei um ein sogenanntes Casting, einem Auswahlverfahren von Bewerbern, die auf eine Anstellung in der Kirche hoffen. Dabei erscheinen diesen die Anforderungen ziemlich hoch.

"Einen Moment mal! Ich kann zwar gut mit Computern umgehen, aber ich kann mir nicht den ganzen Tag Zeit nehmen für dieses Talent, mich können sie nur auf Teilzeitbasis bekommen."

"Ok, aber was glauben Sie, wozu Sie ihr Talent haben? Nur um einmal am Samstag eine Stunde Christ zu sein? Oder um einmal im Monat im Pfarrgemeinderat und deren Ausschüssen zu sitzen?"

"Ich schaffe das aber nicht, was hier alles so verlangt wird: beten, vergeben, verzeihen und vergessen."

"Aber versuchen Sie es doch wenigstens mal und geben Sie nicht schon von vornherein auf."

"Habe ich denn noch eine Chance?"

"Klar!"

ein zweiter Bewerber:

"Die Zeit ist nicht das Problem."

"Sondern?"

"Mir fehlt manchmal einfach die Motivation hier mitzumachen. Zu Hause vorm Fernseher sitzen, Füße hochlegen, einfach Spaß haben ist einfach unbeschwerter, halt - einfacher"

"Spaß und Freude können Sie durchaus auch bei uns haben."

"Ja - aber - (Stöhn) das ist so mühsam, die Freude muss man sich so hart erarbeiten."

"Wenn Sie sich für etwas engagieren: Arbeit, Zeit, ihre Talente einsetzen, dann werden Sie merken, dass gerade durch den mühsamen Einsatz etwas entsteht, was ihnen wirklich Freude bereitet - nicht nur für die Länge einer Zigarette."

"Das wäre schon nicht schlecht."

"Sie haben eine weitere Chance."

"Ok, ich versuch's."

Ein dritter und letzter Einwand eines Bewerbers:

"Warum soll ich meine Talente für andere nutzen? Die tun es für mich ja auch nicht!"

"Wenn jeder so denkt, ist es kein Wunder, dass sich keiner meldet. Gemeinde, Kirche, unsere Firma lebt davon, dass Leute wie Sie immer wieder den 1. Schritt machen. Es genügt nicht, wenn Sie ihre Talente nur für sich nutzen. Sie haben ihre Fähigkeiten auch für die ganze Gemeinde geschenkt bekommen und einzusetzen."

"Und was habe ich davon?"

"In unserem Team werden sie merken, dass sich viele für andere einsetzen und dass auch Sie von den Talenten Anderer profitieren."

"Ist nicht schlecht, wenn das so wäre - ganz schön übel, wenn alle so egoistisch denken, wie ich es getan habe."

Soweit die Ideen der Jugendlichen. Sie haben sich dabei hauptsächlich an der heutigen Lesung orientiert. Der Prophet Jeremias wehrt sich, dass er von Gott als Prophet eingesetzt werden soll, dass er von Ihm in den Dienst gestellt wird, dass er für Gottes Volk tätig werden soll. "Ach mein Gott und Herr, ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung" murrt er hier in der Lesung herum - ähnlich wie Christen heute oft reagieren, wenn man sie nach ihrem Engagement für die Kirche Gottes fragt - ach ich kann das doch gar nicht. Und Gott sagt dem Jeremias, und so auch uns: Maul hier nicht rum, "wohin ich dich sende, dahin sollst du gehen, was ich dir auftrage, das sollst du verkünden" So nach dem Motto: du kannst das schon, ich bin bei dir, ich helfe dir, dass dein Engagement Frucht bringt. Und die Aufgabe, die er Jeremias überträgt ist groß: er soll "ausreißen und niederreißen, vernichten und einreißen." Was Jeremias damals dem Volk zu sagen hatte, und ähnlich Johannes der Täufer, und heute ebenso wir, das muss so manches Verhalten in der Gesellschaft korrigieren. Als Christ habe ich die Verpflichtung darauf hinzuweisen, dass in der Genforschung falsche Wege beschritten werden, sobald unschuldige Menschen für die Forschung sterben müssen, denn so hieß es in den Lesungstesxten mehrfach: "noch ehe Du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich Dich geheiligt". Wenn behinderten Embryonen das Recht auf Leben abgesprochen wird, habe ich dagegen Stellung zu beziehen. Ein jeder von uns ist mit der Taufe berufen zum Prophetentum, heißt es in der Taufliturgie. Gott hat uns von Mutterleib an unsere Talente mitgegeben, damit wir sie für ihn und seine Kirche nutzen, um das Volk für den Herrn bereit zu machen. Und so dürfen wir dann nicht nur einreißen, sondern mit unseren Talenten auch aufbauen und einpflanzen. Fangen wir an, Gott ist mir uns.

707. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Schon vor der Geburt von Johannes dem Täufer kündigt sich an, dass dieser Mann etwas besonderes sein wird. Er ist auserwählt, schon von Mutterleib an. So macht es das Evangelium deutlich und auch die erste Lesung aus dem Prophetenbuch sagt, dass Gott uns schon vom Mutterleib an begleitet und uns kennt. Das gilt genauso auch für uns! Gott kennt uns, er hat uns erschaffen, er hat uns Talente mitgegeben, die wir für unseren Lebensweg mit Ihm nutzen sollen.

Wir sagen oft, wie die Propheten in der 1. Lesung: Ach, ich kann das doch nicht, diese Aufgabe ist nichts für mich, zu unbequem, zu anspruchsvoll. Doch Gott sagt diesen Propheten und genauso auch uns: doch, trau Dich nur, fürchte Dich nicht, ich mache Dich zum Licht für die Völker. Du brauchst es nicht aus eigener Kraft tun, sondern ich gebe Dir die Worte ein, ich sende Dich.

Entsprechend hat Johannes nicht sich selbst gelehrt, sondern auf Jesus verwiesen: "Seht das Lamm Gottes". Die Propheten haben nicht ihre eigenen Worte gepredigt, sondern Gottes Wort geweissagt. Ich erzähle hier im Gottesdienst nicht ein paar nette Geschichten aus meinem Leben sondern Gottes Wort. Gott will durch uns verkündet werden. Durch die Taufe ist jeder von uns zum Prophetentum berufen worden.

Und ein letzter Gedanke aus dem Leben dieses heiligen Mannes: es wurde vorhergesagt, dass er vor Gott groß sein wird, die Hand des Herrn wird mit ihm sein. Das ist nicht gleichzusetzen mit Reichtum, Ehre und Macht in unserer Welt. Johannes der Täufer lebte in der Wüste, ernährte sich von Heuschrecken und trug ein Gewand aus Kamelhaar - das kratzt ganz gut. Auf die üblichen Statussymbole eines anerkannten Lebens wie Haus, Auto und fernen Urlaubszielen muss ich eventuell verzichten. Vor den Menschen bin ich eventuell nichts wert, aber vor Gott soll mein Leben groß sein, Ihm zu gefallen kommt es an, nicht dem Nachbarn.

So hat Johannes auf Jesus verwiesen, durch sein Leben deutlich gemacht, da kommt noch jemand, auf sein Kommen bereitet euch vor. Und so soll auch unser Leben auf Jesus verweisen. Wir sollen durch unser Verhalten deutlich machen, dass da nach diesem Leben noch was kommt, dass wir Christus begegnen werden.

708. Predigtvorschlag

Schwestern und Brüder!

Als vor ungefähr einem Jahr klar war, dass ich zusammen mit Pastor Stücker Pfarrer in einer Gemeinde werden würde, die das Patronat des Täufers Johannes trägt, habe ich mich ehrlich gefreut.

Seine Person hat mich immer beeindruckt. Sie erschien mir immer wieder wie ein fleischgewordenes Programm für das Leben in der Gemeinde.

Keine Angst: Ich will Sie nicht davon überzeugen, sich in Gewänder aus Kamelhaaren zu hüllen und von Heuschrecken und wildem Honig zu leben.

Dennoch ist das Leben des Täufers in seinen Grundzügen Vorbild für uns als Christen im einzelnen und als Gemeinde im Ganzen.

Sein ganzes Leben war auf Christus hin ausgerichtet.
Vor seiner Geburt schon hat er auf IHN hingewiesen. Er hüpfte im Leib von Elisabeth, um auf den Messias im Leib der Gottesmutter aufmerksam zu machen.

Seine Predigt bereitete die Ankunft Christi vor. Er war der Rufer in der Wüste: „Bereitet den Weg des Herrn, machet eben seine Pfade. Deshalb kehrt um!"

Johannes der Täufer als Programm für uns Christen, als Programm für die Gemeinden.

Ich möchte es an zwei Worten seiner Verkündigung etwas tiefer erläutern. Sie finden sich im Evangelium nach Johannes.
Das erste: „Ich bin nicht der Messias, sondern nur ein Gesandter, der IHM vorausgeht...ER muß wachsen, ich aber kleiner werden." (Joh 3, 28+30)
Dem Täufer geht es nicht um sich selbst oder um seine Sache. Er nimmt sich und seine Sache zurück, damit Christus deutlich wird, hervortritt, nicht verdeckt wird.

Für uns persönlich heißt das: Christus soll in uns wachsen und reifen, damit wir seinen Namen, den Namen Christ oder Christin auch wirklich verdienen. Christsein, Christwerden hat nichts mit einer oberflächlichen Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu tun. Christentum ist deshalb nicht nach außen getragene Folklore. Auch wenn es des Brauchtums und der Volksfrömmigkeit als Ausdrucksform bedarf.
Christsein ist vielmehr ein sich Umgestalten lassen. Ein Klassiker der geistlichen Literatur beschreibt das treffend in seinem Titel: „Umgestaltung in Christus". - ER muß wachsen, ich aber kleiner werden.
Umgestaltet werden können wir aber nur, wenn wir offen für die Botschaft Jesu sind und sie auch kennen. Das heißt konkret sich mit der Hl. Schrift und der Tradition der Kirche vertraut machen.
Umgestaltet werden können wir aber nur, wenn wir bereit sind uns umgestalten zu lassen, sozusagen Jesus an uns heranzulassen, in uns hineinzulassen. Ohne Gebet, regelmäßig, persönlich oder in Gemeinschaft, geht das nicht.

ER muß wachsen, ich aber kleiner werden.
Dieses Wort ist auch wichtig für die Gemeinden. Gerade jetzt in einer Zeit, in denen Gemeinden, auch unsere, zusammengelegt werden. Bei all den Beratungen, Verhandlungen und Neuorganisationen geht es nicht um unsere Besitzstände.
Es geht nicht um Vorteile oder Nachteile für Kirchhellen, für Grafenwald oder für Feldhausen.

Es geht einzig und allein darum zu gewährleisten, dass Christus und sein Evangelium verkündet wird, dass die Sakramente gespendet werden, dass die Einheit mit dem Papst und den Bischöfen vor Ort gelebt wird. Das ist unser „Kerngeschäft". Nichts anderes. Dass die Gemeinden unter Existenzdruck stehen, hat vielleicht auch damit zu tun, dass wir als Kirche dieses „Kerngeschäft" vernachlässigt haben, dass wir uns um unsere Strukturen gesorgt haben, damit wir bleiben, nicht aber Christus wächst. Vielleicht war die Kirche in den letzten Jahrzehnten zu selbstverliebt und deshalb zu wenig missionarisch, erst recht nicht attraktiv für Menschen, die suchen.

Liebe Schwestern und Brüder!
In eine ähnliche Richtung weist uns das andere Wort des Täufers, unseres Pfarrpatrons:
Am Tag darauf stand Johannes wieder dort, und zwei seiner Jünger standen bei ihm. Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes! Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus.

Wieder ist der Täufer ganz auf den Herrn ausgerichtet. Es geht ihm nicht um sich und seine Sache.
Ja, er lässt sogar seine Anhänger hinter Jesus herziehen. Er lässt sie los. Auch das ist ein deutliches Bild dafür, dass es bei der Zusammenlegung nicht um Bestandserhaltung in Grafenwald, Kirchhellen und Feldhausen gehen kann, sondern um Nachfolge hinter Jesus. Das heißt auch gewohnte Pfade und Menschen zu verlassen, Altes aufgeben, um dem immer wieder neuen Christus zu folgen.

Seht, das Lamm Gottes!
Das ist die Initialzündung für die ersten Jünger, Jesus zu folgen. Für uns klingt sofort die Feier der Hl. Eucharistie in diesen Worten mit.
Seht, das Lamm Gottes! Das werden wir gleich wieder hören. Werden wir uns – wie die Jünger damals – nach diesem Ruf in seine Nachfolge begeben? Macht uns seine Gegenwart unter uns kribbelig, ermuntert sie uns, stärkt sie unseren Glauben?

Die Jünger damals haben sich von diesem Wort treffen lassen und sind in der Begegnung mit Jesus geformt worden. Ein neues Leben begann für sie.
Die Feier der Eucharistie, das Sein beim Lamm Gottes, ist das Zentrum unseres Glaubens. Der Altar ist das Pfarrzentrum, nicht der Sitzungstisch. So wichtig alle Gremienarbeit, alle Vereine und Verbände für das Gemeindeleben sein mögen, sie sind null und nichtig, wenn die Eucharistie fehlt. Von ihr her lebt die Kirche, lebt der einzelne Katholik.

Seht, das Lamm Gottes!
Die Jünger des Johannes sind zu Jesus gegangen. Sie sind zu ihm hinzugetreten und haben sich von ihm prägen lassen.
Vielleicht überlegen Sie, überlegst Du einmal, ob es in den Ferien nicht möglich wäre, auch einmal am Werktag die Hl. Messe zu besuchen. Die Feier der Messe und die Kommunion können unserem Leben ein neues Gepräge verleihen, es tiefer werden lassen.

Zur Messe gehen, heißt für jeden einzelnen, jede einzelne und für die Gemeinde insgesamt, sich Christus aussetzen, ihm nahe sein, ihn anbeten, ihn empfangen, sich mit ihm vereinen.
Zur Messe gehen, heißt nicht, die Messe zu gestalten, sondern sich von der Messe und von Christus gestalten, umgestalten zu lassen. „Umgestaltung in Christus eben" – jeder Katholik kann so ein anderer Christus werden. Die ganze Gemeinde Leib Christi.

Liebe Schwestern und Brüder,
Johannes der Täufer ist unser Pfarrpatron. Seine Worte sind uns deshalb besonders kostbar. Seine Worte dürfen wir deshalb als kostbare Hinweise annehmen, als Leitworte für unser Leben als Christ und als Gläubige:

ER muß wachsen, ich aber kleiner werden.
Seht, das Lamm Gottes!

709. Predigtvorschlag

Barmherzigkeit (Erste von drei Predigten zu Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern):

Die Basis der Barmherzigkeit: Barmherzigkeit, die verwandelt

Wer es mit Christus zu tun bekommt, der wird verwandelt. Das ist die Erfahrung und der Glaube aller Menschen, die mitvollziehen, was Jesus für uns getan hat, und die seinen Spuren folgen.

Heute, am Gründonnerstag, feiern und bekennen wir die unendliche, unfaßbare Liebe, die Jesus dazu bringt, seinen Jüngern die Füße zu waschen, die ihn dazu bringt, das Gedächtnis seines Leidens und seiner Auferstehung zu stiften im Geheimnis der Eucharistie, und die ihn dazu bringt, sich vollkommen dem Willen des Vaters auszuliefern und sein Leben für das Heil der Menschen hinzugeben.

Dieses Geschehen können wir wirklich treffend mit dem Wort „Barmherzigkeit“ beschreiben und zusammenfassen, und mit dem heutigen Gründonnerstag haben wir nicht weniger als die Basis für die Barmherzigkeit, mit der uns Gott beschenkt.

Morgen, am Karfreitag, tragen wir mit Jesus das Kreuz und erleben den Gipfel der Barmherzigkeit: seinen Tod, der die Macht des Todes aufsprengt, seinen Tod, der allen Haß, alle Unfreiheit, alles Leid der Menschen sozusagen in sich aufsammelt und so heilt, was Menschen in Bosheit und Verblendung zerstört haben.

Und an Ostern dürfen wir den Triumph der Barmherzigkeit feiern: Das Leben, das Gott selbst schenkt, siegt über die Mächte der Finsternis und des Todes. Seine Liebe triumphiert über Kälte, Angst und Haß.

Diese drei Tage – Gründonnerstag, Karfreitag und Osternacht – bilden ein Einziges. Sie bilden eine innere Einheit, und diese Einheit wird mit dem Wort „Barmherzigkeit“ in einer Dichte dargestellt, die zeigt, was uns da geschenkt wird, und auch, welche Gnade und welche Liebe, aber auch welche Anstrengung von seiten Gottes dahintersteht, uns die Erlösung zu schenken.

Liebe Schwestern und Brüder, Gottes Barmherzigkeit verwandelt: Haß und Unfriede werden verwandelt in Freundschaft und Versöhnung. Kränkung und Leid werden verwandelt in Heil und neues Leben. Dieses Geheimnis der Verwandlung wird wirksam dargestellt und vergegenwärtigt im Geheimnis der Wandlung der Gaben von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi.

Dieses Wort „Wandlung“ bezeichnet das, was für uns katholische Christen das Wesen der Meßfeier ausmacht. Meßfeier ist eine Feier mit Wandlung. Das ist eine kurze, eine präzise Benennung, doch man muß achtgeben. Man muß auch sagen, worin das innerste Wesen, das innerste Geheimnis der Wandlung besteht. Denn mit den Gestalten von Brot und Wein wird auch unser Leben verwandelt. Wir werden zu neuen Menschen, wenn wir im Glauben und in der Gemeinschaft der Kirche Christus empfangen, das Brot des Lebens. Wir werden verwandelt und zu neuen Menschen. Und das nicht erst später, irgendwann, sondern jetzt. – Verstehen wir, was das bedeutet? Es bedeutet, daß die Barmherzigkeit Gottes nicht vernichtet, nicht zerstört, sondern das, was da ist – weil Gott in seiner Liebe will, daß es ist – das, was da ist, annimmt, reinigt und neu macht. Deswegen ist auch das Wort vom „Neuen Bund“ so wichtig. Darin steckt ein wichtiges Bekenntnis: Im Alten, im Leidvollen, im Schmerz, ja selbst im Tod steckt der Keim des Lebens, durch die Liebe Gottes, durch seine Barmherzigkeit.

Was bedeutet das nun für uns, für unseren Glauben in unserer Kirche in einer Zeit, in der so vieles so unsicher geworden ist, wo selbst die Verantwortlichen nicht zu wissen scheinen, wie die Entwicklung weitergeht und was wir tun können, um ein Zeugnis des Glaubens zu geben, das überzeugt und wirkt?

Wir können da drei Punkte ausmachen, drei innere Geheimnisse, die wir in diese Nacht und in die Feier der Österlichen Tage mitnehmen können:

Das erste ist das Leben in der Gegenwart. Daß Jesus sein Leben für uns Menschen hingibt, ist Gegenwart. Es geschieht jetzt. – Wir Menschen leben aber häufig in einer Weise, die die Gegenwart und ihre Chance nicht wahrnimmt. Wir wollen für die Zukunft planen und machen uns viele Sorgen, auch in der Kirche, wie es weitergeht. Doch darüber vergessen wir den Anspruch, den der heutige Tag an uns richtet. Wir beten ja auch nicht im Vaterunser: „Unser Brot für morgen und übermorgen gib uns bitte“, sondern wir sagen: „Unser tägliches“, das will sagen: „unser Brot für diesen Tag“ gib uns heute. Das gilt für das Brot, das unseren Leib nährt, aber auch für das Brot, das Jesus unserer Seele schenkt und das er selber ist.

Das zweite ist die Wachsamkeit. „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallt“. Die Wachsamkeit, die Aufmerksamkeit, die Bereitschaft, die Zeichen der Zeit zu erkennen und danach zu handeln – diese Wachsamkeit wird wirksam durch das Gebet. Wer betet, bleibt wachsam im Guten. Manchmal denke ich, statt immer neuer Überlegungen und Planungen, statt Sitzungen und Besprechungen, so wichtig sie immer wieder sein mögen, täte uns ein Gebet ganz gut. Wo hingegen das Gebet fehlt, fehlt die Mitte. Ohne das Gebet, ohne den Gottesdienst, ohne die Feier der heiligen Messe am Sonntag bricht auseinander, was wir mühevoll gebaut und erdacht haben.

Und das dritte ist mit dem Wort „Pascha“ - „Übergang“ angezeigt. Wir feiern nicht nur das Pascha des Herrn, wir leben auch im Übergang. Unser Dasein ist nicht von Dauer. Nicht unser irdisches Leben, auch nicht die Existenz einer Gemeinde, einer Pfarrei. Daran werden wir heute abend von neuem erinnert. Wenn wir uns als Menschen im Pascha begreifen, dann bleiben wir nicht stehen, sondern gehen mit dem Herrn den Weg mit. Und dieser Weg ist der Weg durch das Leiden und durch das Kreuz zur Herrlichkeit. Dieser Weg ist der Weg der Verwandlung.

710. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Mit Haut und Haaren verschreiben sich viele Menschen ihren Aufgaben, beruflich oder ehrenamtlich. Mit Herz und Hand sind sie dann dabei, geben sich ganz der Sache oder einer Person hin, stecken viel Herzblut hinein, in das, was sie bewegt.

Bei Jesus ist es an diesem Abend nicht anders, aber doch tiefer, noch eindringlicher. Heute deutet er es beim Abendmahl seinen Jüngern geheimnisvoll an. Morgen sehen sie, sehen wir es in unaussprechlicher Weise. Am Kreuz.

Ganz gibt er sich für uns und zu unserem Heil hin. Mit seinem Leib und mit seinem Blut.

Für uns alle:
Mein Leib für euch! Mein Blut für euch!

Für jeden einzelnen und jede einzelne von uns persönlich:
Mein Leib für Dich! Mein Blut für Dich!

Liebe Schwestern und Brüder!
Wir können kaum ermessen, was das im Tiefsten bedeutet. Wir wissen aber, wie schwer es uns immer wieder fallen kann, auch nur einen Finger für jemanden zu rühren oder einen Schritt auf ihn zuzugehen.

Mein Leib für euch! Mein Leib für Dich!
Das ist das Maß, mit dem wir unsere Liebe zu den anderen messen lassen müssen.
Unsere Liebe, unsere Nächstenliebe kann nicht eine abstrakte Idee sein. Sie muss sich in Werken zeigen. Sie muss sozusagen unseren Leib in Bewegung setzten.

 

Jede Hinwendung zum Anderen drückt sich mit unserem Leib aus:
Ich muss mich auf den Weg machen, meine Beine also in Gang bringen, um einen Kranken zu besuchen.
Mit meinen Händen kann ich den anderen tröstend streicheln, in meinen Armen ihn bergen.
Meine Lippen und meine Zunge muss ich bewegen, um dem anderen Mut zuzusprechen, um ihn zu verteidigen, um ihn zu loben oder brüderlich zurechtzuweisen.
Vieles ließe sich aufführen. Ohne unseren Leib können wir unsere Zuneigung, unsere Liebe zum Nächsten nicht ausdrücken.
Das gilt gerade auch im hohen Maße für die Ehepaare, wenn sie sich einander schenken.

Aber diese leibliche Ausdrucksweise muss mit der rechten Haltung erfüllt sein, sonst kann die gleiche Geste statt Gutem etwas Böses bezeigen.
Denken wir an den Kuss des Judas, der Jesus verraten hat.
Und wie oft wird das Zeichen menschlicher Liebe, der menschliche Leib vergewaltigt in pornographischen und sexistischen Produkten der Medienwelt.

Mein Leib für euch! Mein Leib für Dich!
Jesus hat sich, seinen Leib uns aus reiner Liebe hingegeben, damit wir das Leben haben. Er hat nicht andere geopfert, um uns zu retten, sondern sich selbst.

Auch daran müssen wir Christen unsere Moral ausrichten. Wir können nicht von anderen Opfer verlangen, ohne sie selbst zu tun. Erst recht dürfen wir nicht unschuldige Menschen opfern, um dem Gemeinwohl oder dem Einzelnen scheinbar dienstbar zu sein.
Weder alte, noch behinderte, noch kranke, noch ungeborene Menschen dürfen wir opfern. Gerade hier sind wir als Christen gefragt, Gewissen in unserer Gesellschaft zu sein.

 

Mein Blut für euch! Mein Blut für Dich!
Liebe Schwestern und Brüder, weil Jesus sein Blut für uns vergossen hat – für Sie, für Dich und mich – sind wir sozusagen „Blutsverwandte“.
Blut ist dicker als Wasser, sagt man. Das will heißen, dass die Blutsbande die Glieder einer Familie stark aneinander bindet.
Jeder und jede von uns ist das ganze Blut Christi wert. Sowohl Sie, wie auch ihr Nachbar in der Bank oder der weit entfernt lebende Australier. Sowohl Sie, wie auch der, den sie mögen, als auch die, die Sie einfach nicht ausstehen können.

Mein Blut für euch! Mein Blut für Dich!
Jeder und jede ist das ganze Blut Christi wert. Sich das immer wieder vor Augen zu führen und daran in der Wertschätzung des eigenen Ichs als auch in der Wertschätzung des Nächsten zu wachsen, ist keine leichte Übung. Aber sie tut Not und tut gut!

Sie bewahrt mich so vor Minderwertigkeitskomplexen – ich bin Gott ein Herzensanliegen!
Sie bewahrt mich vor Missachtung der anderen – auch für diesen, für jene ist er gestorben, hat er sich hingegeben.

Einander so zu begegnen, kann bei allen Auseinandersetzungen, die es gibt und geben muss, helfen den rechten Weg zu finden, ohne über Leichen zu gehen oder das Gegenüber ungebührlich zu verletzen.

Mein Leib für euch! Mein Blut für euch!
Das sagt Jesus an diesem Abend und zeigt uns damit unsere Würde auf. Wir sind ihm alles wert, er mag uns im wahrsten Sinne des Wortes leiden - bis es weh tut und darüber hinaus.

711. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Das, was Jesus im Abendmahlsaal tut und sagt, beschreibt ihn und seine Sendung sehr genau.

Er beugt sich herunter und wäscht seinen Jüngern die Füße. Er zeigt sich ihnen als ihr Diener. Er ist also FÜR sie da. Wie einer, der dient.

Über Brot und Wein sagt er: Das ist mein Leib FÜR euch. Das ist mein Blut FÜR euch. Sein ganzes Leben gibt er FÜR seine Jünger hin. Morgen am Karfreitag werden wir uns diese Wirklichkeit in Erinnerung rufen. Er opfert sich FÜR uns am Kreuz.

Das FÜR ANDERE, das FÜR UNS ist das große Kennzeichen, das tiefste Wesen der Existenz Jesu.
Vor allem der Theologe Heinz Schürmann hat dies immer wieder betont: Jesus war die PROEXISTENZ zueigen, er ist die Verkörperung der PROEXISTENZ, also des SEINS FÜR DIE ANDEREN.

Nach dem er den Jüngern die Füße gewaschen hat spricht der Herr: Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.

Nach den Worten über das Brot und den Wein, nach „Mein Leib, mein Blut für euch“ nimmt er die Jünger in die Pflicht: Tut dies zu meinem Gedächtnis.

Jesu Wesen war es, für andere da zu sein, sich für die anderen hinzugeben, ihnen zu dienen.

Jesu Hingabe für uns ist die große GABE, die wir von ihm empfangen haben: Die Erlösung aus Sünde und Tod.
Sünde und Tod sind aber Folgen des auf Sich-Fixiert-Sein, von Egoismus. Da wo der Mensch meint, er genüge sich selbst, er habe Gott nicht nötig und mit den anderen Menschen nichts am Hut – da kann das Böse Siege feiern und Leben zerstören. Die gottlosen Diktaturen aller Zeiten und jeder politischer Couleur sind uns warnende Zeichen dafür.

Jesu Hingabe für uns ist gleichzeitig die große AUFGABE, die wir von ihm empfangen haben: auch wir sind von Christus gerufen, FÜR andere da zu sein. Das gilt für uns als Kirche und für jeden einzelnen, jede einzelne von uns.

Als Kirche sind wir gerufen FÜR andere da zu sein. Die Gabe, die wir empfangen haben – die Botschaft nämlich, dass Gott für uns da ist – dürfen wir nicht für uns allein behalten. Die Menschen warten auf diese Botschaft, die lebendig macht, weil sie erlöst aus Sünde und Tod, weil sie öffnet für ein neues Leben.

Die Kirche ist nie Selbstzweck. Die Kirche ist nicht für sich da, sondern für die Welt.
Vielleicht bekommt die Welt das aber manchmal gar nicht mehr mit, vielleicht haben wir das auch aus den Augen verloren. Kann es sein, dass wir als Kirche – ich spreche von der in Europa, besonders von der im deutschsprachigen Raum - zu sehr mit uns beschäftigt sind: mit Strukturfragen, mit Zulassungsbedingungen für die Priesterweihe, mit Zuständigkeiten für Gremien, mit Haushaltskonsolidierung? Diese Frage stellt sich auch der von den Bischöfen angeregte Dialogprozess.

Die Kirche in anderen Regionen der Welt kennt die Fragen, die bei uns so virulent sind, weniger oder gar nicht. Und obwohl sie dort keinen staatlich geförderten Religionsunterricht, keine wohlorganisierte Bistumsverwaltung, geschweige denn prächtig erhaltene Kirchen hat, wächst die Kirche dort – sogar unter Verfolgung.
Wenn man so will, hat die Kirche dort vielfach nichts anderes zu bieten als die Botschaft Jesu, das Evangelium, die Sakramente und gelebte Caritas.
Kann es sein, dass man der Kirche hierzulande nicht mehr anmerkt, dass sie an den glaubt, der sich für uns hingegeben hat? Kann es sein, dass die Kirche hierzulande Besitzstände wahren möchte, statt loszulassen oder neu aufzubrechen; mit weltlich-politischen Maßnahmen nach Lösungen aus der Krise sucht, statt auf Gott zu vertrauen und ihn zu fragen; von Macht spricht, statt zu dienen?

In der letzten Zeit stelle ich mir diese Fragen häufiger. Leicht zu beantworten sind sie nicht. Aber eine Antwort finden wir als Kirche sicher nicht ohne Gebet, Anbetung und auch Geduld füreinander. Je nach der aktuellen Stimmungslage zu handeln und Dinge zu ändern – so wie es uns die Politik z. Zt. vormacht - ist und war nicht der Weg der Kirche.

Liebe Schwestern und Brüder!
Jesu Hingabe für uns ist gleichzeitig die große AUFGABE, die wir von ihm empfangen haben: auch wir sind von Christus gerufen, FÜR andere da zu sein.

Das Beispiel Jesu stellt jeden einzelnen, jede einzelne von uns vor die Frage: FÜR wen bin ich da? FÜR wen könnte ich da sein, wer hätte meine Hilfe, meinen Zuspruch, ein kleines Zeichen der Nähe nötig oder würde sich darüber freuen?
Diese Fragen sich immer wieder zu stellen, könnte heilsam für uns selber und für die Menschen um uns sein. Wer für andere da ist, der löst sich von der Fixiertheit auf die eigene Person und die eigenen Befindlichkeiten und wird so innerlich freier und offener.
Sich diese Fragen zu stellen, hilft auch gegen eine Krankheit unserer Gesellschaft, die ich meine feststellen zu können, die schlechte Angewohnheit nämlich, zu überlegen: Wo ist der Konkurrent am Arbeitsplatz angreifbar, wo kann ich dem politischen Gegner eins auswischen, wo kann ich als der Macher und Könner auftrumpfen?

Für andere da sein, können wir auch im Gebet.
Es ist gut, wenn wir für andere beten. Es ist auch wirksam, wenn wir für andere beten. Das Gebet hilft.
Manchmal ist das fürbittende Gebet auch die einzige Form, über die wir verfügen, um anderen nahe zu sein, weil uns die Hände gebunden sind, weil der andere so weit weg ist, weil ich keinen persönlichen Zugang zum anderen habe.

Erschütternd für mich ist immer auch neu die Erkenntnis, dass Jesus auch Judas die Füße gewaschen, auch für ihn Leib und Blut gegeben hat. Auch wir haben immer wieder mit Menschen zu tun, die uns abstoßen, die uns Böses getan haben, mit denen wir einfach nicht auskommen. Sei es in der weitläufigen Familie, am Arbeitsplatz, im Verein, in der Gemeinde. Christi Auftrag seinem Beispiel zu folgen schließt auch das ein: FÜR diese Menschen da zu sein. Es fällt schwer – das weiß ich aus eigener Erfahrung. Und dennoch steht das Wort des Herrn an Sie, an Dich und mich. Vielleicht könnten wir uns gemeinsam vornehmen, an keinem Tag zu Bett zu gehen, ohne gerade für die Menschen, die uns feind sind oder schwer fallen, zu beten.

Das FÜR ANDERE, das FÜR UNS ist das große Kennzeichen, das tiefste Wesen der Existenz Jesu.
Das, Schwestern und Brüder, ist auch die große Freude und der Grund zum Vertrauen in diesen Jesus.
FÜR ANDERE aber auch FÜREINANDER da zu sein, ist sein Auftrag an uns.

Wenn wir uns nur bemühen, diesem Auftrag zu entsprechen, werden wir seine befreiende, beglückende und heilsame Wirkung erfahren – an den anderen und an uns.

712. Predigtvorschlag

Vielleicht kennst Du das Gefühl, vollkommen neben Dir zu stehen...? Menschen, die Schreckliches erlebt haben, berichten davon, dass es einen Augenblick gibt, in dem sie "aussteigen" und sich selbst wie einen anderen Menschen sehen. Sie spüren die Schmerzen und das Leid, aber es ist nicht mehr ihr Leid. Sie sind ausgestiegen, weil es unerträglich wurde, sie wären sonst innerlich zerbrochen. Menschen, die schreckliche Folter erlebt, misshandelt und missbraucht wurden, haben oft nur diese eine Möglichkeit, weiterzuleben - sie identifizieren sich nicht mehr mit dem, der da gelitten hat.

Jesus beginnt sein Leiden schon am Gründonnerstag - indem er einsteigt. Indem er, bevor das Leid von außen auf ihn einstürzt, es innerlich annimmt. Er wusste genau, was es bedeutet, zum Brot "Das ist mein Leib" zu sagen und es dann zu zerbrechen und zu verteilen. Und bevor er am Karfreitag an die Grenzen seiner Menschheit kam, wo alle anderen ausgestiegen wären, hat er das Leid vorweggenommen und sich hineinbegeben.

Aber wie konnte Jesus das? Wie konnten die Märtyrer das Leid ertragen? Wie konnten sie dort bleiben, wo andere aussteigen; dort einsteigen, wo andere fassungslos neben sich stehen? Ist der Glaube oder die Gnade so etwas wie eine Schutzschicht? Wie Schaumstoff, der die Schläge dämpft und das Leid abfedert?

Von einem Märtyrer, dessen Name ich vergessen habe und der öffentlich verbrannt wurde, sagte die Kirche: "In ihm brannte das Feuer der Liebe so stark, dass das Feuer, das seinen Leib zerstörte, sein Herz nicht erreichen konnte." Das ist das Geheimnis des Leidens und auch der Gnade: Der Schmerz bleibt; das Leid wird nicht reduziert; aber im Inneren brennt eine Liebe, die das Leid ertragen will.

Vielleicht kennst Du das: Eine Unanehmlichkeit, der man gerne ausgewichen wäre, trägt man ganz vergnügt, wenn man es für jemanden tut, den man liebt. (Zum Beispiel im Regen auf den Geliebten warten...) Sogar Lebenssituationen, die man niemals freiwillig ertragen hätte, werden wie leichte Hürden genommen, wenn man weiß, dass man dem das Leben rettet, den man liebt. "In ihm brannte das Feuer der Liebe so stark, dass das Feuer, das seinen Leib zerstörte, sein Herz nicht erreichen konnte." Nein, die Gnade ist kein Schaumstoff, keine Schutzschicht; sondern ein Feuer, das erfüllt; die Gnade ist die Liebe, die weiß, warum es sich lohnt zu bleiben und nicht auszusteigen.

Deshalb rettet uns auch nicht die Fußwaschung - sie ist nur ein Zeichen - sondern nur die Kommunion, die Herzens-Gemeinschaft mit der Liebe schlechthin: Mit Jesus. Deshalb ist die Eucharistie nicht nur der bewusste Einstieg Jesu in das Leid des Karfreitags, sondern auch unser bewusster Einstieg in die Gnade. Oder, besser: Jesu bewusster Einstieg in unser Leben, in unser Herz.

Und so kann für die, die ausgestiegen sind aus ihrem leidvollen Leben und immer noch in der Verdrängung leben, weil der Wieder-Einstieg zu schmerzlich und überfordernd wäre, Heilung aussehen: Indem sie sich erfüllen lassen von einer Liebe, die so stark ist, dass sie das Leid annehmen kann, ohne daran zu zerbrechen. Indem sie sich erfüllen lassen von der Gnade, die weiß, warum es sich lohnt, nicht auszusteigen: Aus Liebe zu dem, mit dem uns jedes Leid verbindet. Aus Liebe zu Jesus, der den Menschen liebt - auch den Sünder.

713. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink

Liebe Schwestern und Brüder!

Nachfolge Christi – so lautet ein Klassiker der Geistlichen Literatur.
Nachfolge Christi – so bezeichnen wir unseren Weg als Christen. Jesus auf seinen Spuren folgen.

Ihm nachzufolgen ist auch der konkrete Auftrag Jesu an seine Jünger:
Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.
Jesus nachfolgen heißt, einander zu dienen. Das wird ganz deutlich in der Geste der Fußwaschung.

Aber auch in den Worten über Brot und Wein wird der Anspruch an uns Christen – erschütternd, ja erschreckend deutlich:

Jesus sagt beim Letzten Abendmahl: „Nehmt, eßt: das ist mein Leib. Nehmt, trinkt: das ist mein Blut.“
Wenn wir ihm nachfolgen, ihn nachahmen sollen und wollen, dann können auch wir nicht umhin zu den anderen zu sagen: „Nehmt, das ist mein Leib. Nehmt, das ist mein Blut.“

Was aber bedeutet es, wenn Jesus „Leib und Blut“ sagt. Was bedeuten diese beiden Begriffe in der Sprache der Bibel.

Mit dem Leib meint Jesus nicht einen Teil des Menschen, den organischen Körper, der erst mit Seele und Geist den ganzen Menschen bildet. Das entspringt eher dem griechischen Denken.
Wenn Jesus vom Leib spricht, meint er den ganzen Menschen, insofern er sein Leben in einem Leib lebt, in all der körperlichen und sterblichen Bedingtheit. Der Evangelist Johannes spricht noch drastischer vom Fleisch, statt vom Leib. Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt heißt dann: Gott ist Mensch geworden und hat unser Leben als Mensch gelebt.

Leib meint daher in der Sprache der Bibel das ganze Leben.
„Nehmt, das ist mein Leib“ heißt dann: „Ich schenke euch mein ganzes Leben.“ Sein Leben vom ersten bis zum letzten Augenblick“, mit allem, was dieses Leben ganz konkret erfüllt: Schweigen, Plagen, Mühen, Freude, Feier, Gebet. Er schenkt uns sein Leben.

Und dann sagt Jesus noch „mein Blut“. Kann er überhaupt noch mehr geben als das ganze Leben? Auch hier müssen wir schauen, was das Wort Blut in der biblischen Sprache ausdrückt. Blut ist für uns eigentlich nur ein Teil des Leibes, ein Teil eines Teiles des Menschen also. Für das damalige Verständnis war das Blut der Sitz des Lebens. Das „Vergießen“ von Blut war dann in den Augen der Menschen ein Bild für den Tod. „Nehmt, das ist mein Blut“ klang dann in den Ohren der Jünger im Abendmahlsaal so wie: Ich gebe euch meinen Tod. Da er die Seinen, die in der Welt waren liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zu Ende. heißt es beim Evangelisten Johannes.

Jesus gibt seinen Leib und sein Blut, seine Leben und seinen Tod zum Geschenk. Uns. Er schenkt alles, was ihn ausmacht.
Er lebt nicht nur für uns. Er stirbt auch für uns.

Die Eucharistiefeier ist deshalb immer Feier des Geheimnisses von Leib und Blut Christi, von des Herren Leben und Tod.

In der Lesung aus dem ersten Brief an die Korinther haben wir gehört, dass die Christen von Anfang an dieses Geheimnis der Eucharistie gefeiert haben, gemäß dem Wort Jesu: Tut dies zu meinem Gedächtnis.

Paulus hält fest: Sooft ihr von diesem Brot esst und aus diesem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. Den Herrn, der für uns Menschgeworden ist, der uns sein Leben und seinen Tod geschenkt hat, damit wir ewiges Leben haben.

Die Feier der Eucharistie ist Verkündigung unserer Hoffnung auf Leben, das Christus uns über den Tod hinaus erworben hat.
Die Feier der Eucharistie ist aber auch Maß und Stärkung für das Leben in der Nachfolge Christi.

Nachfolge Christi – Imitatio Christi – ist auch Nachahmung Christi. Wenn wir ihm nachfolgen, ihn nachahmen sollen und wollen, dann können auch wir nicht umhin zu den anderen zu sagen: „Nehmt, das ist mein Leib. Nehmt, das ist mein Blut.“ Das ist schon angeklungen.

Wie mag das aussehen? Wie soll das gehen?
Rainiero Cantalmessa, der päpstliche Hausprediger schreibt dazu:
„Auch wir opfern, was Jesus opferte: das Leben und den Tod.

Mit dem Wort Leib geben wir ganz konkret all das, woraus unser Leben besteht, das wir in diesem Leibe führen: Zeit, Gesundheit, Tatkraft, Fähigkeiten, Zuneigung, vielleicht auch nur ein Lächeln, das einzig der in einem Körper lebende Geist hervorzubringen vermag und das etwas so Kostbares sein kann.

Mit dem Wort Blut bringen wir das Opfer unseres Todes zum Ausdruck; doch nicht zwangsläufig den endgültigen Tod, das Martyrium für Christus oder für die Brüder. Tod ist all das, was in uns schon jetzt den Tod vorbereitet oder vorwegnimmt: Demütigungen, Mißerfolge, Krankheiten, die uns lähmen, Einschränkungen aufgrund des Alters oder des Gesundheitszustandes, alles, was etwas in uns abtötet.“

Liebe Schwestern und Brüder!
Jesus hat gesagt: „Das ist mein Leib und mein Blut für euch.“
Und er hat sein Versprechen kurz darauf eingelöst: Am Kreuz gibt er seinen Leib hin, wird sein Blut vergossen.

So wie jetzt der Karfreitag schon in diese Feier hineinleuchtet, wie der Tod Jesu am Kreuz die Atmosphäre im Abendmahlsaal einfärbt, so ist die Hl. Messe vor allem und zuerst Vergegenwärtigung dieses Opfers, wenn auch in der Gestalt eines rituellen Mahles.
Jesus hat sein Versprechen eingelöst. Wie steht es mit uns?
Wenn wir die Messe verlassen, merkt man unserem Leben das an, dass wir an Jesu Leben und Tod maßnehmen, an seiner Hingabe?

Diese Frage stelle ich mir immer wieder. Seit zig Jahren gehe ich täglich zur Messe, seit nun fast 11 Jahren zelebriere ich eigentlich täglich die Messe... Aber merkt man mir das an? Bin ich wirklich bereit, mit Leib und Blut Christus nachzufolgen, das, was mein Leben und die Begrenzung meines Lebens ausmacht, den anderen zu schenken?
Sicherlich nicht immer so, wie ich will und soll. Dennoch möchte ich nicht resignieren, sondern ich finde Trost in einem Aphorismus des Hl. Josefmaria. In seinem Buch „Der Weg“ steht:

So viele Jahre täglich kommuniziert! - Ein anderer wäre heilig, hast du mir gesagt, und ich bin noch immer derselbe!
Sohn, habe ich dir geantwortet, fahre fort mit der täglichen Kommunion und denke: was wäre aus mir geworden, wenn ich nicht täglich kommuniziert hätte?

Liebe Schwestern und Brüder!
Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.
Wir sind gerufen, Jesus Christus nachzufolgen. Das ist unser Dienst an der Welt, für die Welt.
Er hat sich für uns hingegeben, seinen Leib und sein Blut. Deshalb sollen wir auch einander dienen, uns verschenken.

Damit wir dies nicht vergessen und immer wieder neu Maß nehmen an Jesus, lassen wir uns im Hl. Messopfer von ihm stärken, von seinem Leib und Blut nähren.
Suchen wir auch immer seine leibhaftige Gegenwart auf, im Tabernakel oder in der Anbetung wie gleich nach dieser Liturgie. Dort dürfen wir ihm alles sagen, ihm alles geben, alles Gelungene, alles Bruchstückhafte. Er wird es mit Freude ansehen und annehmen als unser Geschenk an ihn.

714. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

„Begreift ihr, was ich an euch getan habe?“, so fragt der Herr seine Jünger nach der Fußwaschung, so fragt er während des letzten Abendmahles. Wir haben es gerade im Evangelium gehört.

„Begreift ihr, was ich an euch getan habe?“
Die Geschehnisse des Letzten Abendmahles - die Fußwaschung und die Worte über Brot und Wein „Das ist mein Leib und mein Blut für euch“ - sie sind uns vertraut. Wir haben beides oft schon gehört. Eigentlich nichts neues. Irgendwie geht einem das fast schon glatt runter. Jedenfalls mir geht das so.

„Begreift ihr, was ich an euch getan habe?“
Manchmal bedarf es äußerer Anstöße, irgendwelcher Erlebnisse, die das Gewohnte neu begreifen lassen, die tiefer in das einführen, was man schon immer meinte zu kennen.

So ein Erlebnis möchte ich Ihnen schildern. Es hat mir geholfen, einen Aspekt dessen, was Jesus im Abendmahlssaal für uns getan hat, neu zu entdecken.

Vor ein paar Jahren verbrachte ich zusammen mit einigen Priestern und Seminaristen meinen Urlaub in Österreich. Dabei machten wir auch einen kurzen Abstecher in das berühmte Barockstift Melk.

Unserer Gewohnheit folgend wollten wir ein kurzes Gebet vor dem Tabernakel verrichten. Da wir nicht an einer Führung durch das gesamte Kloster teilnehmen wollten, bezahlten wir auch keinen Eintritt, sondern wir gingen direkt zur Kirche. Ein Schild wies uns den Weg dorthin. Wir betraten das Gotteshaus durch einen Seiteneingang. Kaum waren wir hineingelangt, kamen wir auch nicht weiter:
Wir standen in einem vielleicht 3 mal 3 Meter großen Glaskäfig im Seitenschiff. Die Sicht, geschweige denn der Zutritt zum Tabernakel war uns versperrt.
Im Hauptschiff der Kirche selbst wimmelte es nur so von Touristen, die für die Führung ihr Eintrittsgeld entrichtet hatten. Einige von diesen - z.T. arg luftig bekleidet und ein Eis schleckend - schlenderten mehr oder weniger gelangweilt durch den Raum, an Altar und Tabernakel vorbei., als gäbe es beides nicht.

Eine verrückte Situation: Auf der einen Seite Beter, die den Herrn im Tabernakel grüßen wollen, aber nicht können. Auf der anderen Seite Touristen, die sich zwar alles anschauen, letztlich am Wesentlichen achtlos vorbeilaufen, keine Notiz vom eigentlich Wertvollsten nehmen.

Was hat diese Urlaubsepisode aber nun mit dem heutigen Hochfest zu tun? Wie konnte mir dieses traurige Erlebnis eine Hilfe werden, das Geheimnis von Gründonnerstag unter einem neuen Blickwinkel zu sehen?

Anhand dieser Urlaubsgeschichte habe ich für mich wieder neu entdeckt: Die Erniedrigung und Hingabe des Herrn reicht über sein irdisches Leben hinaus und reicht hinein bis in das Heute.

Im Abendmahlssaal wusch er, der Meister seinen Jüngern die Füße. Normalerweise ein Sklavendienst an den Herren.
Christus beugte sich buchstäblich nach unten und erhöhte damit seine Jünger. Noch tiefer hat sich der Herr zu uns Menschen herabgebeugt, noch tiefer ist der Sohn Gottes in den Augen der Menschen gefallen am Kreuz.
Tiefer konnte damals niemand fallen, als wenn er als Verbrecher am Kreuz gehenkt wurde.

Aber wie Jesus durch sein Sich-Hinabbeugen bei der Fußwaschung seine Jünger aufwertete, so erhöhte er uns zum ewigen Leben, als er gering und verachtet sein Leben für uns hingab, weggab am Kreuz.
Und als dieser Geringe, als dieser, der sich zu den Menschen hinabbeugt, als dieser, der sein Leben für uns opfert, wollte er unter uns bleiben.
Wenn zwei Menschen, die sich lieben, sich aus irgendeinem Grund trennen müssen., dann stößt die menschliche Liebe auf ihre Grenzen. Auch wenn die Liebe noch so groß ist, sie muß sich mit Zeichen behelfen. Z. B. mit einem Foto, das vielleicht sogar mit einer glühenden Widmung versehen ist. Das Foto des Geliebten kann in der Geliebten die Erinnerung an ihn lebendig halten, die Sehnsucht nach ihm aufrecht erhalten. Das Foto bleibt aber Foto. Es ist nicht der Geliebte selbst, leibhaftig.

Im Abendmahlssaal hat der Herr diese Grenze menschlicher Liebe übersprungen, weil er vollkommen Mensch war, aber eben auch vollkommen Gott. Die Zeichen, die er seinen Jüngern, uns hinterläßt, sie sind mehr als Erinnerungszeichen.
Indem er sagte „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ stiftet er die Hl. Messe.
Indem er damals sagte: “Das ist mein Fleisch. Das ist mein Blut“ wurde aus Brot und Wein wirklich Fleisch und Blut Jesu.

Wenn heute die geweihten Priester über Brot und Wein die Wandlungsworte sprechen, dann sind wirklich Leib und Blut Jesu auf dem Altar, dann ist der Herr selbst anwesend, leibhaftig unter uns.

Die gewandelten Gaben von Brot und Wein sind mehr als Symbole, sind mehr als Zeichen der Erinnerung, sie sind er selbst. Das unterscheidet das Foto des Geliebten von den eucharistischen Gestalten Brot und Wein.

Das ist der Glaube der Kirche. Unbegreiflich, aber doch wahr.

Gottes Sohn ist wirklich, leibhaftig unter uns. Aber er ist eben nicht in großen gewaltigen Erscheinungen unter uns geblieben, nicht in Wolkensäule oder Feuer. Nein, er ist unter uns geblieben gering und unscheinbar, ja, sozusagen verletzlich in Brot und Wein.

Er wollte in diesen niedrigen Gestalten unter uns weilen, in Gestalten, die man mißbrauchen kann, die man stehlen kann, die man schänden kann.
Aber nicht nur der Mißbrauch, die Schändung von Leib und Blut Christi zeigen, wie sehr sich der Herr erniedrigt, heute, für uns.

Auch das Ignorieren, das Nicht-Beachten seiner leibhaftigen Anwesenheit in der Welt, seiner Gegenwart mit Fleisch und Blut, zeigen wie er, der Herrscher aller Herren, der Schöpfer alles Lebendigen, sich erniedrigt hat, heute für uns.

Und das ist mir erst richtig aufgegangen nach dieser Begebenheit im Stift Melk. Wie viele Menschen sind nicht achtlos, interesselos, pietätlos an ihm vorbeigegangen. Ohne Notiz von ihm zu nehmen, ohne eine Art Gruß, ohne ein Zeichen der Verehrung für den, der uns erlöst hat, Jesus Christus. Aber das passiert nicht nur im Kloster Melk, das geschieht an hunderten von Tabernakeln in Europa, an tausenden von Tabernakeln in der Welt.

Die Urlaubsgeschichte geht noch weiter: Eingesperrt in diesen kleinen Glaskäfig, weit vom Tabernakel entfernt, fingen meine Mitbrüder und ich an, dennoch zu beten. Sogar - oder erst recht? - laut.
Eine Touristenführerin kam sofort auf uns zu. Sie schien peinlich berührt zu sein. Jedenfalls machte sie viele Worte: „Entschuldigen Sie. Natürlich dürfen sie hier beten. Aber damit kann man ja nicht rechnen... Kommen Sie, ich lasse Sie hinein.“ Und tatsächlich wenig später knieten wir vor dem Tabernakel. Als ein recht junger Besucher der Kirche das sah, kniete auch er sich hin und betete leise für sich. Immerhin: einer.
Seit dieser Begebenheit bemühe ich mich, die Kniebeuge vor dem Tabernakel so bewußt wie möglich zu machen.
Es soll ein kleines Zeugnis sein für andere. Ein Hinweis darauf, daß Jesus Christus im Tabernakel auf uns wartet, unter uns ist.

„Begreift ihr, was ich an euch getan habe?“

Christus hat sich zu uns hinabgebeugt. In den geringen Gestalten von Brot und Wein ist er unter uns gegenwärtig mit Fleisch und Blut, um unseren Hunger nach Leben, unseren Durst nach Sinn zu stillen.

Wenn die Messdiener nun die Gaben zum Altar bringen, kann jeder von uns ganz persönlich, - im Stillen -, seine Bitten, seinen Dank vortragen. Und das Sehnen, das tief in jedem von uns wohnt.

715. Predigtvorschlag

Auch der Mann kniet

Am heutigen Tag erwarten wir einen Bericht über das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Von der Einsetzung der heiligsten Eucharistie redet jedoch nur die Lesung aus dem ersten Korintherbrief des heiligen Paulus. Der vierte Evangelist, Johannes, erwähnt nur kurz: „Es fand ein Mahl statt ...“ (Joh 13,2). Damit ist der Rahmen angegeben, den er seinem Bericht gibt. Die ersten drei Evangelisten bieten die Einsetzung der Eucharistie, bei Johannes gibt es die große eucharistische Rede Jesu im Anschluß an die wunderbare Speisung der 5000. Wir kennen seine Verheißung: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch. Ich gebe es hin für das Leben der Welt“ (Joh 6,51). -
Im Abendmahlssaal selbst geht es Johannes noch um etwas anderes. Er beschreibt die Fußwaschung als ein wesentliches Geschehen. Es zeigt an, wer Jesus ist und was er für uns Menschen tut. In dieser Fußwaschung ist das Wesen seiner Sendung wie in einem Brennpunkt zusammengefaßt. Die Fußwaschung ist nicht ein einzelnes, isoliertes Ereignis - nein, Jesu ganzes Leben steht von Anfang an unter diesem Zeichen: Wie er geboren wurde in einem Stall. Wie er das Los der Flüchtlinge teilte. Wie er die Nähe der Verworfenen und Ausgestoßenen suchte. Wie er schließlich stirbt, als Verfluchter vor den Mauern der Stadt. Immer ist es der letzte Platz, den Jesus wählt. Immer kommt er uns entgegen in der Weise der selbstlos dienenden, sich überreich verströmenden Liebe.

Jesus legt im Abendmahlssaal das Obergewand seiner Herrlichkeit ab. Nicht als Gott thront er vor seinen Jüngern, nicht als Herrscher richtet er die Welt - soweit ist es jetzt noch nicht. Der Sohn Gottes kniet im groben Untergewand seiner Menschlichkeit vor seinen Geschöpfen. Mit seinen eigenen Händen wäscht er ihnen die Füße. Er wäscht von ihnen den Schmutz der Selbstsucht. Er befreit sie vom Gestank ihres Hochmuts. So macht er sie, so macht er uns tischfähig. So werden wir gemeinschaftsfähig für das neue Festmahl, das Gott uns bereithält. So gibt er uns ein Beispiel. So hinterläßt er uns den Maßstab für uns als Kirche, als seine Jünger.
Jesus ist nicht nur ein bloßes Vorbild im sozialen, im moralischen, im mitmenschlichen Sinne. Dann wäre er nichts weiter als ein Modell zu unserer Nachahmung, und wir würden versuchen, mit allerlei Kniffen und Kompromissen dieses sein Beispiel umzumünzen auf unser Leben hin. -- Nein, was Jesus tut, will Verwandlung bewirken. Was er uns schenkt, ist ein Tor, durch das wir hindurchtreten müssen, damit auch wir als neue Menschen tischfähig, gemeinschaftsfähig werden, bereit für das Große, das für uns bereitliegt.
Man kann dieses Geheimnis, das sich in dieser schlichten Handlung der Fußwaschung verbirgt, verständlich machen mit dem einen Wort „Demut“. Jesus ist demütig. Er läßt sich herab. Er entäußert sich. Er gibt alles her - bis hin am Kreuz, wo ihm auch das Letzte und Allerletzte genommen sein wird. –

„Demut“ hat für uns nicht den besten Klang. Wir denken dabei vielleicht an ein bißchen Verklemmtheit, an ein bißchen Kleinlichkeit und ängstliche Vorsicht. - Aber das alles hat mit dieser Demut, die wir am Herrn ablesen können, nichts zu tun.
Drei Dinge können wir finden, um zu beschreiben, was diese christliche Demut, die uns im Abendmahlssaal begegnet, ausmacht:
- Das erste gibt der heilige Benedikt in seiner zeitlos gültigen Mönchsregel so wieder: Er sagt: Demut heißt, die Vergeßlichkeit überwinden. Wir denken dabei sofort an den Auftrag Jesu: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Eucharistie feiern heißt, sich gegen die Schwerkraft des Vergessens aufzurichten. Der Sinn des Sonntagsgebotes geht weit tiefer als viele meinen, die dabei nur an einen Appell denken, den Gemeinschaftsgeist der Kirche zu pflegen. Nein, die Mitfeier der Eucharistie vor allem am Sonntag ist deswegen zentral, weil wir nur dadurch davor bewahrt werden, das Danken zu verlernen. Wir sind Menschen, von Gott beschenkt, und nicht selber ein Gott. In jeder Messe bitten wir darum, daß wir davor bewahrt werden, das gläubige Sich-Anvertrauen zu verlernen, das uns zu Gott „Vater“ sprechen läßt und das uns auch untereinander wieder in der Weise der Versöhnung zusammenführt.

Wenn wir die Sonntagsmesse mitfeiern, dann eignen wir uns die Demut Jesu für unser eigenes Leben an. Daß es ein Sonntagsgebot überhaupt gibt, ist für die Kirche eigentlich mehr als beschämend, wenn wir bedenken, was wir da feiern dürfen, und daß die Kirche es für nötig halten mußte, ihre Christen auch an diese Pflicht nachhaltig zu erinnern.
- Das zweite, was die Demut Jesu schenkt, ist die Fähigkeit, die Wirklichkeit zu erkennen und den falschen Schein zu durchschauen. Was wird uns alles in Bildern und Geräuschen vorgespielt als Realität, aber was zählt, ist nicht der Wirklichkeitsgehalt, sondern der Erfolg in den Medien. Jesus war demütig: Er hat nicht nach Erfolgen und Beifallserlebnissen gesucht. Was er suchte, was der Mensch. Zu ihm wollte er sich hinabneigen. Ihm wollte er dienen. Die Wirklichkeit, das zeigt uns das Beispiel der Demut Jesu, ist nicht zu finden, indem wir die eigene Ehre suchen, die eigene Zufriedenheit und die Selbstbestätigung, sondern indem wir aus uns selber herausgehen und das Obergewand unserer liebgewordenen Bequemlichkeiten und Ausreden ablegen.
Auf ein drittes weist uns die Demut Jesu hin, und das ist: knien, staunen und anbeten. Der große Bibelwissenschaftler Heinrich Schlier, der über die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift den Weg in die katholische Kirche gefunden hat, schreibt dazu: Eines der Wegzeichen zu seiner Konversion sei dies gewesen, daß die Katholiken irgendwie demütig seien. „Auch der Mann kniet“, schreibt er. Diese Demut macht in Wahrheit frei. Sie schottet sich nicht ab von der Not der Welt, sondern sie ist die Bedingung, sich der Not anzunehmen.

Die von Mutter Teresa von Kalkutta gegründeten Missionarinnen der Nächstenliebe feiern jeden Tag die heilige Messe, haben jeden Tag ihre Betrachtung, halten jeden Tag eine Stunde der Anbetung des Allerheiligsten. Trotz aller Beanspruchung durch ihre Arbeit.
Vertrauen wir uns der Kraft des Sakramentes an. Halten wir in uns die Demut, die Dankbarkeit, die Treue wach, und wachen wir mit dem Herrn - zum Segen und zum Heil für die Welt.

716. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

"Nehmt Abschied, Brüder, schließt den Kreis, das Leben ist ein Spiel! Nur wer es Recht zu Spielen weiß, gelangt an große Ziel." - Zu meiner Jugendzeit war dieses Lied im Ferienlager immer der Abschluss des Tages.

"Nehmt Abschied" - das ist auch die Überschrift des heutigen Abends. Jesus nimmt Abschied von seinen liebsten Freunden. Noch einmal isst und trinkt er mit ihnen; und er gibt ihnen sein Vermächtnis: "Ich habe Euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an Euch gehandelt habe." Und damit meint er nicht nur sein letztes Zeichen - die Fußwaschung, sondern sein ganzes Leben: "Ahmt mich nach! Dann darin liegt Euer Heil: Durch Euer Tun so zu werden wie ich: Gott, der dient."

"Nehmt Abschied, Brüder, schließt den Kreis." - So schließt sich der Kreis des Lebens Jesu: In Kleinheit und Armut ist er zur Welt gekommen - ausgeschlossen von den Herbergen dieser Welt. Und in Armut und Kleinheit, ausgestoßen, zumindest verlassen von seinen eigenen Freunden geht er wieder. Aber bei Seinem Gehen wird deutlich: Ich tue es freiwillig. Ja, ich tue es sogar gern. Weil ich es für Euch tue. Das ist mein Leib - den ich für Euch hingeben."

"Nehmt Abschied, Brüder: Das Leben ist ein Spiel." - Da würde ich widersprechen. Was Sonntag für Sonntag auf dem Fussballplatz stattfindet - das ist ein Spiel. Was hier geschieht, ist Wirklichkeit. Ernste, aber gleichzeitig frohmachende Wirklichkeit. So haben wir in unserer Jugend das Lied ein wenig verändert: "Nehmt Abschied, Brüder, schließt den Kreis, das Leben ist kein Spiel. Nur wer es recht zu leben weiß, gelangt ans große Ziel."

Das Leben ist kein Spiel: Denn im Spiel geht es darum, zu gewinnen; den Gegner zu besiegen; Stärke zu zeigen und Schwächen des Gegners auszunutzen. Im Leben gewinnt jedoch nur der, der verliert; der auf das Ausspielen Seiner Stärken auf Kosten des Gegner verzichtet; im Leben in Christus zeigt der währe Größe, der sich hinknien kann. Das Leben ist kein Spiel, das Leben ist dem genau entgegengesetzt: Es hat einen größeren Ernst, schenkt aber auch größere Freude - und es gelten genau die entgegengesetzten Regeln. "Wer sein Leben verliert, der wird es gewinnen." Sagen sie das einmal dem FC St. Pauli - oder Klinsmann.

Es ist schwer für uns Menschen, so zu leben. Jeder glaubt, er würde geliebt, wenn er Wundertaten vollbringt, Reichtum anhäuft und Stärke zeigt. Jesus dagegen dreht unser ganzes Denken um: Geliebt - von Gott geliebt - ist der, der Liebe schenkt.

Und weil es uns so schwer fällt, das alte Leben zu lassen und ein neues, komplett verändertes Leben zu beginnen, haben Gott und Menschen sich etwas einfallen lassen: Gott die Eucharistie und der Mensch den Fußball.

In der "Prisma" wurde letzte Woche von den Anfängen des Fußballs berichtet: Schon im 16. Jahrhundert wurde in Italien "Calcio" gespielt, jeden Sonntag nach dem Hochamt. Nachdem der Ball vom Pfarrer gesegnet wurde, begann das Spiel. Erst Gottesdienst, dann Spiel.

Eine sinnvolle Sache: Das alte Leben, der Kampf um den Sieg auf Kosten anderer, wird zum Spiel. Zum Fußballspiel meinetwegen. Das neue, wirklich Leben im Gottesdienst zuvor dagegen ist kein Spiel, sondern Realität: Gott macht sich klein, um uns Mut zur Kleinheit zu geben. Nicht nur heute, jeden Sonntag, in jeder Eucharistie. Das wirkliche Leben - im Gottesdienst - ist kein Spiel. Aber es macht glücklich.

Nehmt Abschied Brüder, schließt den Kreis. Das Leben ist kein Spiel. Nur wer es recht zu leben weiß, gelangt ans große Ziel. Überlassen wir unsere alten Eitelkeiten dem Spiel. Beginnen das Dienen. Jetzt.

Amen.

717. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, das letzte Abendmahl, an das wir uns heute erinnern lassen, ist der Beginn der christlichen Messfeier. An diesem letzten Abend vor seinem Leiden und seiner Kreuzigung hat Jesus Brot und Wein genommen und sie zu seinem Leib und Blut werden lassen: «Dies gebe ich hin für Euch.» Natürlich konnten die Apostel in diesem Augenblick noch nicht begreifen, was das heißen würde: Ich gebe meinen Leib hin für Euch - ich gebe mein Blut für Euch. Aber im Nachhinein - nach dem morgigen Karfreitag und den schrecklichen Ereignissen an diesem Tag - haben sie verstanden: Er hat von seinem Tod gesprochen.

Im Johannes-Evangelium wird von diesen Worten der Wandlung nichts gesagt. Dort gibt Jesus nicht seinen Leib und sein Blut hin - dort wäscht er seinen Jüngern die Füße, den Dienst der niedrigsten Sklaven. Aber ein Wort am Ende dieses Rituals ist beide Male das gleiche: Während er - wir hören es in jeder Eucharistiefeier am Ende der Wandlungsworte - sagte: «Tut dies zu meinem Gedächtnis», sagt er nach der Fußwaschung: «Ich habe Euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe».

Ein Auftrag wird uns an diesem Abend gegeben: Die Eucharistie zu feiern - und einander den niedrigsten Dienst zu leisten. Beide Aufträge sind im Grunde ein einziger.

Wir sehen darin allerdings einen Gegensatz: Gottesdienst zu feiern oder aneinander den Liebesdienst zu erweisen. Was hat die Welt davon, wenn ich mich in die Kirche verziehe und dort bete? Ist das nicht eine Vernachlässigung der Seelsorge?

Seelsorge - darunter verstehen wir die Sorge um die geistige Gesundheit der Menschen: Trauernde trösten, Verzweifelten Hoffnung machen, Ratlosen einen Weg aufzeigen und schuldig Gewordenen Vergebung zusprechen. Das geschieht, so glauben wir, in der persönlichen Zuwendung - und eben nicht im Gottesdienst, in einer ziemlich unpersönlichen Liturgie. So nahe und so persönlich wird der Priester im Gottesdienst gar nicht werden, auch nicht in einer noch so guten Predigt.
Gut - manche Gottesdienste scheinen wirklich unpersönlich und gefühlskalt. Aber trotzdem gilt: Alle Sorge um die Seele der Menschen hat ihren Grund hier - in dem Dienst, den Jesus im Abendmahlssaal für uns geleistet hat. In jeder Messfeier überwindet Jesus den Grund für jede Trauer, Verzweiflung, Ratlosigkeit und Schuld: Die Gottesferne.

Denn Jesus ist Gott; und Jesus kommt uns nahe. Er beugt sich vor mir und nimmt jede Distanz. Er dient mir, indem er sich selbst hingibt und opfert. Er nimmt meine Schuld, meine Trauer und Gottesferne. Die Fusswaschung ist mir vielleicht peinlich, weil dabei eine Distanz überwunden wird, die wir Intimsphäre nennen. In der Eucharistiefeier, wie wir sie kennen, wird Gott noch intimer: Er kommt und lässt sich essen. Er wird mir innerlicher als ich es mir selber bin.

Das ist Seelsorge. Wir könnten nicht trösten, wenn wir nicht wüssten: Gott kennt Dein Leid und trägt es bereits mit. Wir könnten nicht Hoffnung machen, wenn wir nicht feiern, dass Jesus in meiner Verzweiflung bereits alles neu macht. Wir könnten nicht jemanden Rat geben, wenn wir nicht in Jesus den Wegbegleiter schlechthin erkannt haben. Wir könnten nicht von Vergebung sprechen, wenn wir nicht davon reden, dass Jesus auch Judas die Füsse gewaschen hat.

Dort liegt die Wurzel allen seelischen Übels: Das Leiden an der eigenen Person. Immer wieder begegnen mir Menschen (meistens im Internet, denn es gehört Mut dazu, so offen zu sein), die es aussprechen, woran wir eigentlich leiden: «Ich kann nicht glauben, das Gott so etwas wie mich wirklich liebt. Ich kann nicht glauben, dass er für mich gestorben ist. Dafür bin ich viel zu unbedeutend, zu schlecht und zu weit weg.»

Deshalb ist Eucharistiefeier Seelsorge; deshalb ist der Auftrag: «Tut dies zu meinem Gedächtnis» ein Auftrag zu Gottesdienst - und Nächstendienst.
Wenn wir wirkliche Seelsorger sein wollen, dann nehmen wir die Menschen, die an ihrer Seele krank sind, mit in die Messfeier: Entweder leiblich und wirklich, in dem wir sie einladen; oder geistig und seelisch, indem wir ihre Sorgen mitnehmen, wenn wir das nächste Mal den Dienst Jesu geschenkt bekommen. Amen.

718. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus hat seinen Jüngern die Füße gewaschen, weil er ihnen damit einen letzten Liebesdienst erweisen wollte. Es ist schon dramatisch genug, dass Er, der Herr und Meister seiner Jünger, sich zu diesem niedrigsten Sklavendienst herablässt.
Noch dramatischer ist es allerdings, dass zum Zeitpunkt der Fußwaschung Judas, der Verräter, noch unter den Jüngern war. Erst kurz darauf verlässt er den Abendmahlssaal, um Jesus zu verraten.

Warum tut Jesus das? Hätte er nicht noch ein wenig warten können, um dann seine Liebe nur den zu erweisen, die auch würdig dafür sind? Das war doch bei Judas vollkommen vergebliche Liebesmüh! Uns wäre das nicht passiert.

Liebe Schwestern und Brüder, schreiben Sie sich das in Ihr Stammbuch: Ein Mensch ist nur dann verloren, wenn wirklich alles versucht worden ist. Wenn ich wirklich bis zum Äußersten alles versucht habe. Und genau das tut Jesus: Er geht wirklich bis zum äußersten. Jesus zeigt seine Liebe, um Judas und uns zu bekehren. Er lässt seine Liebe so handgreiflich und spürbar werden, dass eigentlich jeder sich dadurch anrühren lassen müsste. Er gibt nicht auf, auch die letzte, die allerletzte Seele noch zu rühren. Dass ist die eigentliche Größe der Erlösung: Er tut alles, wirklich alles, um uns den Weg zum Vater zu ebnen, und lockt und zieht uns, trägt für uns das Kreuz, und fragt dann, wer ihm nachfolgt.

Da sieht es bei uns ganz anders aus. Wir fragen zuerst, wer denn wohl noch zu retten ist. Risikoabschätzung nennt man das. Ob sich denn Freundlichkeit lohnt. Ob denn unser Tun nicht von vornherein vergebene Liebesmüh ist. Und wenn wir den Eindruck haben, dass es einfach nichts bringt, dann sehen wir auch keinen Sinn darin, uns zum Idioten zu machen. «Das bringt doch nichts!» - «Der Typ ist fertig, den kriegste wirklich nicht mehr hin.» - «Aus den Kindern kann ja nichts werden.» - «Da kann ich doch nicht helfen. Der braucht ganz andere Hilfe.» - «Ich habe jetzt schon dreimal meine Dienste angeboten, wenn der nicht will, ist er doch selber schuld. Ich mach mich doch nicht zum Bettler!»

Merken Sie, wie ganz anders Jesus gehandelt hat? Sogar der, von dem er wusste, dass er sich nicht ändern würde, hat er noch seine Liebe gezeigt und ihm die Füße gewaschen. Wenn wir so handeln, wie wir es nunmal gewohnt sind, dann ist keine anderes Wort dafür passend als «unchristlich».

Liebe Schwestern und Brüder, natürlich ist es auch menschlich, jemanden, von dem man enttäuscht wurde, links liegen zu lassen. Oder auf eine Entschuldigung zu warten. Zeichen der Besserung und der Reue zu verlangen. Jemanden mit vorübergehender Nichtachtung zu strafen. Es gibt Verletzungen, die gehen einfach zu tief, um sie zu vergessen. Das ist menschlich, ja richtig. Ich denke ja auch immer wieder so.
Aber wir sollen eben nicht bloß menschlich sein! Das genügt einfach nicht, um Jesus nachzufolgen. Mit bloßer Menschlichkeit, und das lassen sie sich ausdrücklich gesagt sein, sind sie meilenweit vom Reich Gottes entfernt. Gestehen wir es uns doch ein: Mit dem Wort «ich bin ja auch nur ein Mensch» soll nichts anderes entschuldigt werden, als unsere Verweigerung, es Jesus gleichzutun.

Liebe Schwestern und Brüder, wir sind aufgerufen, christlich zu handeln: «Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.» Die Fußwaschung vor allem an Judas sollte uns aufrütteln, uns Beschämen. Wie vielen haben wir die Tür gewiesen, weil wir keine Aussicht auf Erfolg gesehen haben. Nicht die Tür verschließen hätten wir tun sollen, sondern ihnen die Füße waschen! Das wäre unsere Christenpflicht gewesen!

Und obwohl wir so schwach sind und so ganz und gar unwürdig, uns Christen zu nennen, kommt Jesus doch immer wieder zu uns, um an uns den Dienst der Liebe zu vollziehen. Ich brauche es nicht zu sagen, wie sehr Fußwaschung und Eucharistie zusammenhängt. Alle sind Sie eingeladen zum Mahl mit Jesus. Keiner von uns wird vor die Tür gesetzt, wie wir es selbst mit anderen tun. Uns allen wäscht Gott in jeder Eucharistiefeier unsere Füße und unsere Herzen, unseren Geist und unsere Seele. Immer wieder, auch wenn manchmal keine Hoffnung besteht. Gott gibt nicht auf. Gott gibt niemals Einen von uns auf. Er liebt Sie und erlöst Sie gegen alle Berechnung. Bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.

Das, liebe Schwestern und Brüder, feiern wir heute. Amen.

719. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Ist Ihnen die Fußwaschung nicht auch peinlich?

In vielen Gemeinden ist es üblich, dass die Fußwaschung am Gründonnerstag nicht nur erzählt, sondern auch nachgespielt wird. Was glauben sie, wie schwierig es ist, dafür Freiwillige zu bekommen. Es ist peinlich, sich die Füße waschen zu lassen. Würden sie sich von mir die Füße waschen lassen?

Woher kommt das? Woher kommt dieses Unbehagen, einen solchen Dienst über sich ergehen lassen zu müssen?

Wir empfinden grundsätzlich kaum eine größeres Unbehagen, als dann, wenn wir zugeben müssen, dass wir einen solchen Dienstes brauchen. Wie schwer fällt es z.B. nicht nur älteren Menschen zu akzeptieren, dass sie auf die Hilfe anderer angewiesen sind! Wie viel innere Not verspürt jemand, der selbst zum Pflegefall geworden ist und sich somit nicht mehr revanchieren kann. Der sich jetzt wirklich die Füße waschen lassen muss.
Jemand, der in der Hospizbewegung tätig ist, hat vielen Sterbenden genau diese Unfähigkeit bescheinigt: Dass sie ganz von vorne lernen müssen, sich einzugestehen, dass sie Hilfe brauchen; dass sie oft die einfachsten Dinge nicht mehr selbst schaffen.

Und das ist uns peinlich. Hilfe annehmen müssen ist nicht mehr in. Wer die Hilfe anderer braucht, ist abhängig. Der gibt öffentlich zu verstehen, dass er nicht alles alleine kann. Er hat seine Unabhängigkeit verloren. Das ist peinlich.
Wo sich doch in unserer Werbung die Unabhängigkeitserklärungen überschlagen! Wo sich doch inzwischen jeder und jede ein eigenes Handy leisten kann, das Symbol der Unabhängigkeit schlechthin. Wie groß wird in Amerika die Unabhängigkeit gefeiert! Fast jedes Land feiert die Unabhängigkeit als eigenen Staatsfeiertag. Und wie wichtig ist es für jeden Jugendlichen, mit seinem 18. Geburtstag seinen ganz persönlichen Independence Day zu feiern! Wie peinlich dagegen ist der Gang zum Sozialamt, offenkundig abhängig zu sein von der Zuwendung durch den Staat. Und so weiter...

Es ist absolut out, begrenzt zu sein. Seine eigenen Grenzen offen zuzugeben, ist peinlich.

Während oft betont wird, wie peinlich es eigentlich für Jesus sein müsste, diesen Sklavendienst der Fußwaschung zu verrichten, spricht Petrus dagegen das aus, was wir auch heute empfinden: Nämlich nicht die Peinlichkeit, andern die Füße zu waschen, sondern sich selbst die Füße waschen zu lassen. Sich einzugestehen, bedürftig zu sein.

Wie schön wäre es für unser Unabhängigkeitsdenken, wenn wir sagen könnten: «Du, lieber Gott, das ist zwar alles ganz großartig, was du da getan hast. Dass du unsere Schuld an unserer Stelle trägst. Aber das wäre doch nicht nötig gewesen. Ich bin doch schon auf dem Weg der Besserung. Ich bin doch schon unterwegs zu dir. Warum hast du nicht einfach nur gewartet?» Wie schön wäre es, wenn wir uns selbst auf den Weg zu Gott machen könnten; unseren Glauben selbst bestimmen; die Wahrheit selbst, ganz unabhängig, entdecken könnten. Wie schön wäre es, auch im Glauben unabhängig zu sein!

Aber dem ist nicht so. Wir sind nicht in der Lage, uns selbst zu Gott aufzuschwingen. Wir sind zu schwach und zu begrenzt, um das ungezwungene, natürliche Verhältnis zu Gott von uns aus aufzubauen. Wir sind darauf angewiesen, das Gott uns holt. Das ganz Passionsgeschehen ist nichts anderes, als dass Gott sich auf den Weg macht, uns in aller Kleinheit zu begegnen. Er wird Mensch, lässt sich zum niedrigsten der Sklavendienste herab, lässt sich beschimpfen, verurteilen, schlagen und verspotten. Er wird zum hässlichsten aller Menschen, er stirbt den unrühmlichsten aller Tode. Und wir haben keine andere Möglichkeit, als diesen Dienst Gottes an unserer Versöhnung mit ihm anzunehmen.

Das trifft uns moderne Menschen hart. Während Gott seinen Dienst an uns verrichtet, sehen wir unserer Unabhängigkeit schwinden. Den Dienst Gottes annehmen, hieße, sich einzugestehen, dass wir von seinem Tun abhängig sind. Dass wir nicht sagen können: «Gott, ich komme schon zu Dir!» Wenn wir Gott begegnen wollen, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als unsere Abhängigkeit zu feiern.

Liebe Schwestern und Brüder! Im Johannesevangelium wird nichts von der Einsetzung der Eucharistie beim letzten Abendmahl erzählt. Stattdessen wird dort das Zeichen der Fußwaschung berichtet. Das zeigt, dass beides in die gleiche Richtung weist: Gott verrichtet einen Dienst an uns, weil wir auf Gott angewiesen sind. Die Feier der Eucharistie ist dieser Dienst Gottes an uns. Er macht sich klein, er verbirgt sich hinter dem Zeichen des Brotes, damit wir ihm begegnen können. Und nur diese Begegnung in der heiligen Kommunion gibt uns Anteil an ihm. «Wenn ich diesen Dienst nicht an dir verrichte, hast Du keinen Anteil an mir.»

Nur wenn wir jeden Gang zur Kirche, jeden Gang zur Kommunion als unsere ganz ehrlich gemeinte Abhängigkeitserklärung verstehen, öffnet sich unser Weg zu Gott. Erst wenn wir uns selber eingestehen, dass wir auf den Dienst der Kirche angewiesen sind, erschließt sich uns die Quelle der Sakramente. Wenn ich zugebe, dass mein Glaube nicht denkbar wäre ohne den Glauben der Kirche, erst dann glaube ich!

Das sind zwar allesamt peinliche Sätze. Abhängigkeitserklärungen. Aber nur darin liegt unser Glück.

Erst wenn ich mich angewiesen sehe auf den Dienst, den Gott an mir verrichtet, durch den Karfreitag hindurch, kann ich überhaupt erst zur Auferstehung gelangen. Erst dann kann ich hoffen und glauben. Und erst dann kann ich lieben. Amen.

720. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, in diesem Jahr werden sich sieben Paare aus unserer Gemeinde das Ja-Wort geben. Während in den letzten Jahren die Zahl der kirchlichen Hochzeiten deutlich zurückgegangen ist, ist das eine beachtliche Zahl. Viele andere Gemeinden, die drei- oder viermal soviel Gemeindemitglieder zählen, wären froh, wenn sie auch nur annähernd so oft das Fest einer grünen Hochzeit feiern dürften.

Für die notwendigen Vorbereitungsgespräche heißt es in den Anweisungen für uns Priester: "Die Brautleute sind auf den Zusammenhang zwischen dem Sakrament der Ehe, der Eucharistie und der Buße hinzuweisen."

Naja, das bedeutet aber auch umgekehrt: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem, was wir heute Abend feiern - der Einsetzung der Eucharistie - und der Ehe. Sehen Sie selbst:

Einheit, das meint die ganz persönliche Zuwendung genau einer einzigen Person gegenüber. Nicht viele Frauen und viele Männer schließen ein Bund (das würde man dann "Verein" nennen), sondern ganz genau ein Mann und eine Frau. Ich liebe nicht das, was Euch als "Halverder" ausmacht, oder als "Deutsche" oder als "Christen"; ich liebe immer den einen, konkreten Menschen, dem ich in die Augen schauen. Mit all seinen Eigenschaften, mit allen Fehlern und Schwächen.

Auch die Eucharistie ist ein ganz persönliches Geschehen. So wichtig wie es ist, Gottesdienst in einer Gemeinschaft zu feiern - das Wesentliche spielt sich auf einer einmaligen persönlichen Ebene zwischen jedem, der anwesend ist, und Gott ab. Gott wendet sich Dir zu. Er freut sich nicht über eine große oder kleine Anzahl von Leuten, er freut sich über Dich. Und in der Kommunion stehst Du ganz allein Jesus in der Hostie gegenüber und sagst das Ja-Wort: Amen. Und er kommt zu Dir, weil er Dich liebt, mit all Deinen Schwächen und Fehlern.

Unauflöslichkeit - Und diese Begegnung ist ein Bund, der geschlossen wird, ohne Verfallsdatum, ohne Mindesthaltbarkeitsdatum. Jede Liebe will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit. Das Ja-Wort der Eheleute ist das größte, dass die beiden sich geben können: Ohne jede Bedingung, ohne jede Einschränkung für den anderen dazu sein. Das setzt ein Vertrauen in die Güte des anderen und in die Kraft der eigenen Liebe voraus, das wir nur haben können, weil wir Gott im Rücken haben.
Gott bestätigt den Ehebund und sagt: Ich habe Euch für einander erschaffen. Ihr habt Euch vielleicht zufällig kennengelernt, habt lange...

Genau das gleiche geschieht in der Eucharistie: "Ich habe Dich erschaffen, damit Du mein Sohn bist, meine Tochter. Dafür bist Du gemacht. Nirgendwo wirst Du die Erfüllung Deiner Sehnsüchte finden - außer in meinen Armen."

Und diese Zusage gilt, auch wenn wir zwischendurch andere Wege gehen, Gott beiseitelegen...

Beiderseitiges Wohl - Und das größte Geschenk ist der gegenseitige Dienst. Keiner, der wirklich liebt, heiratet zu seinem eigenen Wohl. Das Glück des Anderen ist nun das Wichtigste in meinem Leben. Ja, auch mein Ehepartner verspricht mir das Gleiche, aber dass wird niemals Voraussetzung meiner Liebe sein. Liebe ist immer unbedingt. Liebe rechnet nicht, verhandelt nicht, schließt keinen Vertrag: 50-50...

Ich feiere nicht Gottesdienst, weil es mir etwas bringt. Ich will Gott dienen, weil ich darin mein Glück finde.

Das Unfassbare ist dann allerdings, dass auch Gott mich so liebt, dass er mir Diener sein möchte. Er trägt mich auf Händen, er wäscht mir die Füße, er gibt sich mir...

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht können wir Gott noch nicht so lieben, wie er uns - vielleicht lieben wir ihn nur so wie einen netten alten Herrn, wie eine Idee oder wie ein vertrautes Möbelstück. Das ist nicht so schlimm - hauptsache ist, Du erkennst, dass Gott in seiner Liebe zu Dir ohne Einschränkung ist. Deshalb gibt er sich immer wieder, nicht nur jeden Sonntag, sondern Tag für Tag in der Eucharistiefeier hin - für Dich. Jede Messe ist eine Hochzeitsfeier; und jede Hochzeit, die wir feiern, eine Antwort auf das, was Jesus für uns tut. Amen.

721. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Was wir gerade im Evangelium gehört haben, was wir mit dem Gründonnerstag verbinden, ist das letzte Abendmahl.

Das letzte Abendmahl - eigentlich eine unzutreffende Bezeichnung. Denn was Jesus dort mit seinen Aposteln gefeiert hat, war nicht das Ende, sondern der Beginn, der Beginn der Kirche. Im Abendmahlssaal war sozusagen die erste Gottesdienstgemeinde zusammengekommen. Dort, vor ungefähr 2000 Jahren, begann das, was wir christliche Liturgie nennen. Es war nicht das letzte Abendmahl, sondern das erste, der Beginn der christlichen Eucharistiefeiern.

Haben sie sich einmal überlegt, was da für Menschen zum ersten christlichen Gottesdienst versammelt waren? Natürlich: Es waren die zwölf Apostel. Aber - warum haben gerade diese Zwölf an diesem ersten Gottesdienst teilgenommen? Was waren das eigentlich für Christen? Wodurch haben sie sich eigentlich ausgezeichnet, dass Jesus gerade sie zu seinem letzten Abendmahl geladen hatte?

Eingeladen war zum Beispiel Judas Iskariot, der noch am gleichen Abend seinen Gastgeber verrät. Trotz der Fußwaschung, in der Jesus seine dienende Haltung, seine Liebe zu den Aposteln beweisen wollte, verrät er Jesus.
Eingeladen war auch Petrus, der sich noch während der Feier vollmundig zu Jesus bekennt und wenig später nichts mehr von ihm wissen will.
Eingeladen waren auch Johannes und Jakobus, die wenige Stunden später schlechtweg einschliefen, als Jesus gerade ihr Gebet am dringendsten benötigte.
Und auch die restlichen Aposteln lassen sich durch diese Geste der Fußwaschung, der Zuneigung ihres Meisters, nicht davon abbringen, ihn allein am Kreuz sterben zu lassen. Keiner von ihnen - mit einer einzigen Ausnahme - ist dabei, als Jesus gekreuzigt wird. Keiner hat den Mut oder die Liebe, Jesus bis zu seinem Tod zu begleiten.

Alles in allem keine sonderlich berauschende Zusammensetzung der ersten Gottesdienstgemeinde. Am damaligen Gründonnerstag schien alles mögliche im Abendmahlssaal versammelt zu sein, aber wohl nicht das, was wir unter treue Christen verstehen.

In meiner letzten Gemeinde sagte ein Arzt zu mir, dass jetzt - in der Zeit um Ostern, aber auch zu Weihnachten - die Zeit der U-Boote gekommen ist. In dieser Zeit würden nämlich all die Christen in der Kirche wieder auftauchen, die sonst, während der größten Zeit des Jahres, abgetaucht sind. Und manchmal ertappe auch mich dabei, wie ich schlecht über die denke, die nur zwei oder dreimal im Jahr in der Kirche auftauchen.

Aber mit welchem Recht eigentlich? Etwa, indem ich mich auf die ersten Jünger berufe? Auf die erste Gottesdienstgemeinde, die schon wenige Stunden später nichts mehr von diesem Jesus wissen wollte, die ihn verraten, verleugnet und verlassen hat? Von denen sich fast keiner mehr beim Kreuz einfand, obwohl gerade dort ihr Platz gewesen wäre?

U-Boote sind nicht die Christen, die nur ab und zu in der Kirche auftauchen. U-Boote sind die Christen, die im Leben, im Alltag abtauchen, wenn ihr Christsein gefragt wird. Sind Sie ein U-Boot? Bin ich vielleicht ein U-Boot?

Noch eine andere Frage möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang stellen. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Petrus und Judas? Ist der Unterschied zwischen Verrat und Verleugnung wirklich so groß? Beide gehören sie zum Kreis der Auserwählten, und beide enttäuschen sie die Erwartungen ihres Meisters. Beide stellen sie sich gegen ihn. Sowohl Petrus als auch Judas bereuen schließlich ihre Tat.

Vielleicht ist der Unterschied, dass Petrus trotz seiner Tat auf Vergebung hofft. Obwohl er der Ungeheuerlichkeit seiner Verleugnung bewusst ist, vertraut er darauf, dass Jesus ihm verzeiht. Judas jedoch hat jede Hoffnung verloren. Gerade, weil er bereut, und gerade, weil er nicht mehr glaubt, dass ihm diese Tat verziehen wird, sucht er sein Heil im Selbstmord.

Der Unterschied liegt nicht in der Schwere der Tat, er liegt auch nicht in der Reue. Sondern Petrus vertraut auf die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes, Judas aber hat das Vertrauen auf die Barmherzigkeit verloren. Er glaubt, dass ihm nicht mehr verziehen werden kann.

Sind wir eigentlich ein Gemeinde, die die Barmherzigkeit lebt? Vermitteln wir eigentlich - jeder einzelne von uns - die grenzenlose Bereitschaft zur Verzeihung? Oder zeigen wir mit den Fingern auf die, die sich von uns oder von Gott abgewandt haben, die sich gegen Jesus stellen?

«Es ist ein großes und furchterregendes Geheimnis, dass von uns das Heil und das Unheil andere abhängen kann», so sagt die Kirche. Wem nehmen wir vielleicht die Hoffnung auf Vergebung und machen so aus einem Petrus einen Judas?

Das letzte Abendmahl - oder besser: Das erste Abendmahl - war nicht besser besetzt als es der Gottesdienst hier heute Abend ist. Aber es liegt an uns, ob wir das Zeichen der Fußwaschung verstehen und umsetzen, indem wir deutlich machen, dass wir alle nur von der Hoffnung auf Barmherzigkeit leben. Dass wir einen dienenden Gott haben, einen liebenden Gott und einen verzeihenden Gott, der niemanden die Verzeihung verweigert. So lange wir ihm nicht die Hoffnung nehmen.

In der heutigen Messe heißt es genauso wie beim ersten Abendmahl: «Zur Vergebung der Sünden, für Euch, und für alle.»

Und: «Tut dies zu meinem Gedächtnis.» Tun Sie sein Gedächtnis: Leben Sie Verzeihung und Versöhnung.

Amen.

722. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, in unserem Glauben gibt es viele «Geheimnisse». Damit sind keine Wahrheiten gemeint, die wir für uns behalten und nicht weitergeben dürfen. «Geheimnis» meint nicht ein Wissen, das irgendjemand zurückbehält, sondern eine Wahrheit, die zu groß ist für unseren kleinen Verstand. «Mysterium» ist das lateinische Wort dafür.

Das bekannteste «Geheimnis» in unserem Glauben ist die Eucharistiefeier. Wir sagen es ja jedes Mal: «Geheimnis des Glaubens». Dieses Geschehen ist so tief und groß, dass wir es niemals ganz begreifen können, eben ein «Mysterium». Immer wieder entdecken wir neue Aspekte - und einen solchen weiteren Aspekt möchte ich ihnen heute nahe legen.

In der Bibel finden wir das Geschehen im Abendmahlssaal in allen vier Evangelien beschrieben. Nur Johannes berichtet nicht vom Brot und vom Wein und den Worten Jesu; Johannes berichtet von der Fußwaschung. Aber er beschreibt damit das gleiche Geschehen: Jesus erniedrigt sich, bis zum Tode. Er gibt sich hin, im Sklavendienst, genauso wie im gebrochenen Brot.

Die Eucharistiefeier ist also zunächst der Dienst Jesu an uns. Nicht wir sind es, die zum Gottesdienst zusammenkommen, um Jesus und Gott zu dienen; nein, er lädt uns ein, um an uns den heiligen Dienst zu vollziehen.
Im Abendmahlssaal sitzen die Apostel ziemlich untätig herum. Ihre Aktion beschränkt sich darauf, zu fragen und verblüfft zu sein. Verblüfft über das, was Jesus tut, als er ihnen die Füße wäscht. Wofür soll das gut sein? Und ebenso verblüfft sind sie darüber, das Jesus über seinen Tod spricht. Ist er nicht Gottes Sohn, der Messias? Und dann sagt er auch noch voraus, dass sie alle ihn verlassen, einer ihn verleugnet und einer ihn verrät. Hat Jesus sie denn nicht auserwählt? Alles, was ihm Abendmahlssaal geschieht, geht von Jesus aus. Kaum einer von den Aposteln wird aktiv, außer Judas, der schließlich geht.

Jesus macht sich nun daran, einen jeden von den Aposteln auf das vorzubereiten, was da kommt. Er beginnt damit, dass er sie reinigt. Es hat sich ziemlich viel Humbug in ihren Köpfen angesammelt über das, was der Messias ist, was Glauben heißt und Gottesherrschaft. Herrschen wollen sie, miterleben, wie Jesus seine Herrlichkeit zeigt und die Römer verjagt. Jesus zerstört dieses falsche Denken, indem er sie wäscht. Er reinigt sie durch diese Geste.
Er reinigt sie, indem er zeigt, worauf es demnächst ankommen wird; nach seinem Tod und nach seiner Himmelfahrt. Das Leben eines Christen besteht darin, zu geben, zu schenken und zu lieben. Ganz unten fängt das Leben an, ganz unten der Dienst. Ohne Dienst kein Leben.
Jesus musste erst ganz unten sein, damit die Apostel das begreifen. Und auch die Apostel mussten tief fallen, bis sie erkennen, dass nur derjenige, der alles gibt, alles empfangen kann.

Die Apostel glaubten, mit Jesus an ihrer Seite zu ihrer wahren Größe emporzuwachsen. Doch kaum war Jesus gefangen, fielen sie zu ihrer wahren Größe zusammen: Ein kleines und verschrecktes Häufchen waren sie, mehr nicht. Aber erst jetzt waren sie reif für das große Werk: Jesus ist alles, von ihm kommt alle Kraft, alles Denken und alles Tun. Leben heißt Glauben, und Glauben ist Vertrauen; nicht auf die eigene Kraft, sondern auf Gott.

Liebe Schwestern und Brüder, feiern sie Eucharistie! Lassen sie sich reinigen von der Vorstellung, als Christen gut dazustehen. Christsein fängt ganz unten an.
Lassen sie sich reinigen von der Idee, der Glaube muss zu ihrem Leben passen. Wenn ihr Leben nicht zu unserem Glauben passt, dann haben sie nicht verstanden, was Leben ist.
Lassen sie sich reinigen von dem Gerücht, dass der Glaube ihr Leben bereichert. Dabei denken wir doch nur an Reichtum dieser Welt, an Unterhaltung, Abwechslung und Gemeinschaft. Nein, der gelebte Glaube macht sie ärmer, vielleicht sogar einsamer, weil er ihnen die falsche Gesellschaft raubt oder sie zumindest auf eine harte Probe stellt.

Wenn wir alles das, was wir so dringend erledigen müssen, getan haben und feststellen, dass nichts davon bleibt, dann kommen wir vielleicht ganz klein zurück zur Eucharistie, zur Messe und erkennen: Jesus ist alles, von ihm kommt alle Kraft, alles Denken und alles Tun. Leben heißt Glauben, und Glauben heißt Vertrauen; nicht auf die eigene Kraft, sondern auf Gott. Amen.

723. Predigtvorschlag

Gott spricht unsere Sprache

Gerne stelle ich bei Tauffeiern den anwesenden Kindern eine schwierige und zugleich doch ganz einfache Frage. Und in den allermeisten Fällen wissen einige Kinder immer auch schon die richtige Antwort. Und wenn es ihnen einmal schwerfällt, dann dürfen auch die Erwachsenen helfen und die tun es auch.

Diese schwierige und zugleich einfache Frage lautet:

Was sind wohl die ersten Worte, die ein Kind spricht, wenn es anfängt zu reden?

Nun, was meint Ihr, was meinen Sie? – Sind es vielleicht die Worte: „Meine Hosen sind voll, bitte Windeln wechseln!“? – (Das wäre vielleicht ganz praktisch) – oder vielleicht: „Jetzt den Fernseher einschalten, gleich kommt die Sendung mit der Maus!“? – Oder etwa: „Ich will auch ein neues Handy!“?

Nein, das alles ist es nicht. Und jetzt haben die ersten oder vielleicht viele hier in der Kirche schon erraten, was denn die ersten Worte sind, die ein Kind in seinem Leben spricht.

Es sind die Worte: Mama und Papa.

Und diese Worte, die sind erstaunlicherweise überall auf der Welt ziemlich ähnlich. Die Franzosen zum Beispiel sagen maman und papa, und bei den Engländern hört es sich ein bißchen anders an, aber die Laute sind die gleichen. Und die Sprachforscher belehren uns: Das sind Lall-Laute, die Laute eben, die ein kleines Menschenkind am ehesten aussprechen kann - aber damit ist das Phänomen noch nicht restlos geklärt. Es ist doch erstaunlich, daß es überall dieselben Worte sind, ob in Demokratien oder Diktaturen, ob im Kapitalismus oder im Kommunismus, ob damals oder heute. Die Mutter und der Vater werden zuerst genannt, zuerst ausgesprochen vom Kind.

Jesus hat uns seine Anrede des Vaters im Himmel hinterlassen. Er hat Gott „Abba“ genannt. Wir übersetzen meist anständig mit „Vater“. Aber dieses Wort ist nicht die Übersetzung, die ganz richtig ist. Man müßte richtiger übersetzen mit: „Papa“ oder „Väterchen“. Also eine ganz vertraute Anrede, ein ganz vertrauter Umgang mit Gott. Jesus wählt das gleiche Wort, das ein kleines Kind brabbelt, wenn es das Gesicht des Vaters sieht und anfängt, Laute zu formen.

Das war für jüdische Ohren und eigentlich ja auch für uns wirklich ungewöhnlich: daß einer Gott so anspricht.

Heute, am Sonntag nach Weihnachten, feiern wir das Fest der Heiligen Familie. Heilige Familie – da denken wir an Jesus, Maria und Josef. Ihr Bild ist uns vertraut. Aber durch dieses Bild hindurch müßte ein anderes Bild durchscheinen, ein Bild, das Jesus uns durch seine Vater-Anrede eröffnet: die Wahrheit, daß Gott mit uns Menschen eine neue Familie bilden will. Eine Familie, in der wir wie Jesus ihn als Vater anrufen. Eine Familie, in der wir Christus als unseren Bruder und Herrn zugleich aufnehmen. Eine Familie, in der wir miteinander als Kinder Gottes leben.

Daß Jesus Gott, den Schöpfer, den Gott Israels, den Gott der Verheißungen, mit „Abba“ anredet, war, wie gesagt, für die frommen jüdischen Ohren ungewöhnlich, ja unerhört. Der Name Gottes und das Wort „Gott“ durften nicht einmal ausgesprochen werden. Das war ein Gebot der Ehrfurcht und der Überzeugung, daß Gott der unendlich Größere ist, der absolut Erhabene. Zwischen ihm und den Menschen ist ein unendlicher Abstand. In den Anrufungen des Islam ist davon noch viel zu spüren.

Als es zum Prozeß gegen Jesus kommt, fragen die Hohenpriester Jesus nicht, ob er der Sohn Gottes sei, sondern, ob er der Messias sei, der „Sohn des Hochgelobten“ (Mk 14,61). – So sehr sind sie selbst in diesem Moment erfüllt von der Scheu, das Wort „Gott“ auszusprechen. Und wenige Stunden vorher, auf dem Ölberg, betet Jesus: „Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht, was ich will, sondern was du willst, soll geschehen“ (Mk 14,36).

Und jetzt können wir vielleicht besser verstehen, was da von der Wallfahrt des zwölfjährigen Jesus nach Jerusalem erzählt wird. Dort trennt Jesus sich von seinen Eltern und bleibt im Tempel. Erst nach drei Tagen finden Maria und Josef ihn wieder (vgl. Lk 2,41-52). – Das ist mehr als nur eine Geschichte, mehr als nur eine Anekdote über die Kindheit Jesu. In Wirklichkeit ist hier ein zentrales Geheimnis angedeutet: das Geheimnis der drei Tage. Nach drei Tagen finden die Eltern Jesus im Tempel wieder; und drei Tage werden es seit dem Tod Jesu am Kreuz sein, daß die Frauen und dann die Apostel dem Auferstandenen begegnen werden. - Drei Tage glaubten Maria und Josef Jesus verloren; drei Tage lang nach seiner Kreuzigung glaubten seine Jünger, alles wäre vorbei.

Maria und Josef, die um ihres Kindes willen so viel Schweres durchmachen mußten und so viele Schmerzen erlitten haben, bekamen von Gott den Glauben geschenkt: Nichts von alledem ist umsonst. Die Angst und die Schmerzen der Eltern sind nicht vergeblich. In Wirklichkeit ist die Liebe Gottes am stärksten, die Liebe, die den zwölfjährigen Jesus im Tempel festhielt, und die gleiche Liebe, die ihn machtvoll aus dem Grab hat auferstehen lassen. Wenn auch wir dieser Liebe Gottes glauben und ihr fest vertrauen, dann haben wir verstanden, worum es an diesem Sonntag, dem Fest der Heiligen Familie, für uns geht.

724. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, die Idylle von Weihnachten zerbrach schon am 2. Weihnachtstag, als wir den Sterbetag von Stephanus feierten, der als erste für den Glauben an Jesus den Christus getötet wurde. Wenig später, am 28.12., gedachten wir der unschuldigen Kinder von Bethlehem, die ebenfalls für diesen Jesus sterben mussten.
Und schließlich wird Jesus für seine Menschwerdung bitter leiden müssen: Er wird von den Menschen, für die er Mensch geworden ist, gekreuzigt und getötet.

Und doch ist Weihnachten ein Fest der Liebe. Denn gerade darin zeigt sich doch die wirkliche Liebe, dass sie zu jedem Opfer bereit ist. Das sie nichts unversucht lässt, um den Geliebten zu retten. Ja, dass Gott sogar bereit ist, sich selbst zu opfern, nur um nichts unversucht zu lassen.

Dabei ist das Opfer Jesu keineswegs bei jedem Menschen auf guten Boden gefallen. Bei vielen - wer weiß, wieviele es sind - hat Jesu Menschwerdung, Leiden und Auferstehung nichts bewirkt. Sie bleiben, wie sie sind: Kinder dieser Welt und nur am Irdischen interessiert.

Aber Liebe, wirkliche Liebe fragt nicht danach, ob die Liebe zum Erfolg führt. Sie ist Liebe, weil sie alles gibt, ohne nach dem Gewinn zu fragen

Liebe Schwestern und Brüder, wir feiern heute das Fest der Heiligen Familie. Damit bekommen wir unsere eigenen Familien in den Blick: Wir sind alle aufgerufen, in unserer Familie heilig zu werden; ja, sogar als Familie heilig zu werden.

Schock - meine Familie, heilig? Wahrscheinlich, so denken wir, sind wir weit davon entfernt. Da wird gestritten, an sich gedacht und um Spüldienste und Fernsehzeiten gefeilscht. Die Idylle von Weihnachten zerbricht schnell, wenn wir daraus ein Fest der um den Weihnachtsbaum versammelten Familie machen wollen. Manchmal kommt es sogar noch härter: Viele Ehe gehen auseinander und einige Familien zerbrechen, sobald die Kinder auf eigenen Beinen stehen.

Und doch ist eine solch gebeutelte Familie oft eine heilige Familie. Denn gerade darin zeigt sich doch die wirklich Liebe, dass sie zu jedem Opfer bereit ist. Dass sie die Launen der Schwester, die Bequemlichkeiten des Vaters erträgt, die Empfindlichkeiten der Mutter und die Eskapaden des Bruders. Wirkliche Liebe leidet, aber wächst auch dadurch, das Opfer nötig sind.

Dabei sind solche Opfer keineswegs immer erfolgreich. Bei vielen Menschen, ob Kinder oder Ehepartner, scheint manchmal die größte Geduld und Liebe nichts zu bewirken.

Aber wirkliche Liebe fragt nicht danach, ob sie zum Erfolg führt. Amen.

725. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

«Als seine Eltern alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazareth zurück.» Das ist das letzte Ereignis in der Kindheit Jesu, das berichtet wird. Nur von dem Bericht über den Verlust des zwölfjährigen Jesus unterbrochen, schweigt sich die Hl. Schrift ab nun über fast dreißig Jahre des Lebens Jesu aus.

Wer das Leben Jesu betend hört oder liest - und nicht nur neugierig wie einen Zeitungsbericht - dem kann gerade das Schweigen der Evangelisten so einiges sagen.

  • Zum Beispiel wird deutlich, wie wichtig es ist, dass sich vieles zunächst einmal im Verborgenen abspielt. Wie alles in der Natur braucht auch alles in unserem Leben Raum und Ruhe, um heranzureifen.

  • Vor allem das Gebet muss in alle Ruhe gelernt werden. Nicht sofort in aller Öffentlichkeit, in der Hochform der Liturgie, des Gottesdienstes hier in der Kirche. Nein, zunächst brauchen wir den geschützten Raum der Familie, um beten zu lernen. Wer zuhause nicht betet, der kann es auch nicht in der Kirche. Wie soll jemand, der sich schämt, mit seinem Ehepartner zu beten, in der Kirche mit wildfremden Leuten beten?

  • Das Schweigen über das Leben der Heiligen Familie in Nazareth lehrt uns weiter, wie wichtig das erfüllte Schweigen in der Familie ist. Gerade Menschen, die sich nichts mehr zu sagen haben, beginnen damit, pausenlos zu reden, die Stille mit Fernsehen oder Musik zu übertönen. Wir verlieren schnell den Blick für das Schöne in uns, das liebenswerte in den Anderen. Wir verlieren uns selbst aus den Augen. Wenn wir irgendwo lernen können, wie wichtig die Ruhe ist zur persönlichen Vorbereitung, zum Gebet, zur Ordnung meines eigenen geistlichen Lebens, dann nur in der Familie.

  • Wie tief das Wesen der Liebe ist, lernen wir weiterhin vor allem in der eigenen Familie: Wir sind nicht eine Familie, weil wir gut zu einander passen. Wir haben uns unsere Eltern nicht ausgesucht, wir haben uns unsere Kinder nicht aus dem Katalog gewählt. Wir haben uns als Familie nicht zusammengefunden, weil wir uns innerlich so nahe stehen. Sondern umgekehrt: Weil wir eine Familie sind, deshalb gehören wir zusammen. Sympathie oder ein zärtliches Gefühl machen es uns leichter, einander zu lieben. Aber tiefer geht das, was Gott uns wissen lässt: Ich habe Euch als Familie so gewollt. Bleibt in meiner Liebe.

  • Ein Letztes zeigt uns die Heilige Familie, besonders in der Person des Josefs. Es ist nicht sein Kind, das er heranzieht, für das er arbeitet und lebt. Aber er hat es angenommen. So haben auch heute einige Eltern Kinder angenommen, die nicht ihre eigenen sind. Und scheinbar liegt die Betonung dann auf den letzten Satzteil: «Die nicht ihre eigenen sind.» Aber worauf es vor Gott ankommt, ist der erste Teil: Sie haben es angenommen. Denn nur das macht eine Familie zur Familie: Dass sie sich annehmen.

Auch das ist die deutliche Botschaft der dreißig verborgenen Jahre: Dass Gott uns und unser Leben angenommen hat, dass er uns als seine Kinder angenommen hat. Weil er uns, meine lieben Schwestern und Brüder, liebt wie seinen eigenen Sohn.

Damit wir einander sagen können: Meine lieben Schwestern und Brüder. Amen.

726. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, die anglikanische Kirche - und ich meine auch, dass andere christliche Kirchen dem gefolgt sind - haben alle frauenfeindliche Stellen der Bibel aus den offiziellen Lesungen gestrichen. Das ist an für sich ja auch sehr löblich. So wurden schon im letzten Jahrhundert alle brutalen Stellen der Psalmen aus den Gesängen der Kirche gestrichen. Es muss nicht alles, was in der Bibel steht, auch im Gottesdienst vorgelesen werden. Die Bibel ist zudem ja auch nicht immer so ganz jugendfrei...

Es ist kein Problem, bestimmte Stellen der Bibel für den Gottesdienst zu meiden. Ein Problem liegt allerdings in der Frage, wann eine Stelle frauenfeindlich ist. Wann eine Stelle zu brutal ist, ist wenig strittig. Wann aber ist eine Aussage frauenfeindlich?

Wir haben gerade in der Lesung gehört: «Ihr Frauen, ordnet Euch Euren Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt.» Paulus, der diesen Brief geschrieben hat, wird in Bezug auf diese Stelle von heutigen Christen bezichtigt, Christus nicht richtig verstanden zu haben. Da sind vor Gott doch alle gleich und keiner braucht sich unterzuordnen.

Liebe Schwestern und Brüder, eine Beziehung, in der sich der eine dem anderen nicht mehr unterordnen kann, ist allerdings keine Liebesbeziehung mehr, höchstens noch eine Partnerschaft. Jesus hat sich seinen Eltern auch untergeordnet. Und trotzdem war er die Liebe in Person.
Wir haben nämlich einen etwas «anarchischen» Begriff von Liebe. So, als wenn es reicht, dass wir uns nur «lieb haben», und alles wird gut. Das ist sehr trügerisch und blauäugig. Denn jemanden «zu lieben», und gleichzeitig sich selbst zu verwirklichen, indem ich von meinen eigenen Wünschen keine Abstriche mache - das ist keine Liebe.

Jede Liebe braucht Ordnung, und jede Ordnung braucht Liebe.

Eine Ordnung ohne Liebe ist grausam: Wenn wir uns nur noch an Vorschriften halten, Gesetze befolgen, ohne darauf zu achten, ob Menschen dabei auf der Strecke bleiben; wenn die oberste Pflicht des Bürgers die Ordnung ist, ohne nach der Güte zu fragen - dann herrscht keine Ordnung, sondern Diktatur.
Aber die Liebe braucht auch die Ordnung und Unterordnung. Wenn wir jede Ordnung über den Haufen werfen, weil unsere Liebe jetzt in eine andere Richtung geht, wenn wir jede Vorliebe als oberstes Gesetz ausgeben, dann fehlt uns nicht nur die Ordnung, sondern auch die Liebe.

Es ist ein Fehler, Ordnung und Liebe als Gegensätze zu sehen. Sie sind eher wie zwei Pole, zwischen denen unser Leben ausgespannt ist wie ein Faden. Wenn einer der beiden fehlt, dann geht auch das Leben zugrunde.

Paulus geht es genau darum: Die Liebe nicht zu verlieren, indem wir im Chaos versinken. Die ersten Christen hatten, das zeigen die Briefe des Paulus, oftmals gedacht, sie wären nicht nur von den jüdischen Gesetzen befreit, sondern überhaupt von allen religiösen und staatlichen Ordnungen. Allein die Liebe zählt, dachten einige, und begannen, sich gegenseitig zu zerfleischen. Paulus hat sie immer wieder zur Unterordnung gemahnt, um der Liebe willen.
Und das tut er hier auch: Er ruft die Familien zur Ordnung und ermahnt die frühen Christen vor allem in den Punkten, die ihnen offensichtlich schwer gefallen waren. Wenn er die Frauen zur Ordnung und die Männer zur Liebe ermahnt, dann heißt das nicht, dass die Männer sich nicht unterordnen und die Frauen nicht lieben bräuchten. Beide sind dazu aufgerufen, zu lieben indem sie sich dem anderen unterzuordnen. Sich unterzuordnen ist weder frauenfeindlich - noch männerfeindlich. Sich einander unterzuordnen, heißt sich zu lieben.

Gerade das meint ja «lieben»: Den anderen hochschätzen, ihn zu achten und zu ehren; sich selbst mit den eigenen Vorlieben dem anderen unterzuordnen. Eine Familie braucht eine solche Ordnung und Unterordnung, um der Liebe willen. Natürlich hat sich das Rollenverständnis in den letzten Jahrzehnten verändert. Vor allem die Rolle der Frau ist eine andere geworden. Das ist gut so. Wenn wir - Männer und Frauen - aber verlernen, uns unterzuordnen, dann verlernen wir auch das Lieben. Dann bleiben vielleicht noch Partnerschaften. Aber dann ist kein Platz mehr für Liebesbeziehungen.
Amen.

727. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!
Himmelfahrtskommando, das ist ein halsbrecherischer, lebensgefährlicher Auftrag.
Himmelfahrtskommando, da wird Menschen befohlen, an die Grenze des Machbaren zu gehen.
Himmelfahrtskommando, das ist Sache von Fanatikern oder von Helden.

Wir feiern heute Christi Himmelfahrt. Und das heutige Evangelium enthält einen eindeutigen Auftrag an die Jünger, sozusagen ein Christi-Himmelfahrt-Kommando.
Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern! So ruft Jesus heute im Evangelium. Er ruft zur Mission auf, zur Verkündigung des Evangeliums.

Universaler, absoluter, fordernder konnte der Auftrag Jesu kaum ausfallen: Die Jünger sollen zu allen Völkern gehen, nicht nur in bestimmte Gebiete. Und alle Menschen sollen seine Jünger werden, nicht nur ein heiliger Rest. Auch sagt er nicht: "Es wäre schön, wenn ihr die Frohbotschaft verkünden würdet.", sondern er befiehlt Geht!

Dieser Missionsauftrag richtet sich an eine kleine Schar Jünger, an die Elf, an Menschen aus dem letzten Winkel des Römischen Reiches, an Menschen, die alles andere als angesehen oder hochqualifiziert waren.

Und dieses "Häufchen Elend" soll die Welt missionieren, diese paar Fischer? Und das ganze ohne den direkten Beistand ihres Meisters Jesus, der nach dem Auftrag in den Himmel auffährt?

Rein menschlich betrachtet mußten sich die Jünger damals total überfordert fühlen. In den Augen der damaligen Welt waren sie eine Sekte mehr, eine kleine Schar - wenn auch sympathischer - Verrückter, die die Welt verändern wollen.

Der Auftrag Jesu - ein Himmelfahrtskommando?!

Mittlerweile, fast 2000 Jahre später ist das Evangelium auf allen Kontinenten bekannt, das Christentum ist eine Weltreligion geworden, Milliarden von Menschen haben die Botschaft Jesu vernommen.
Ohne den Einsatz der ersten Jünger, ohne den Einsatz der elf Apostel wäre das unmöglich gewesen. Weil sie sich damals auf das Himmelfahrtskommando eingelassen haben, haben wir hier im Münsterland, hier in Epe das Evangelium gehört. Ohne ihren Einsatz, hätten wir den Glauben nicht.
Der Missionsbefehl Jesu - er hat Erfolg gehabt, trotz der schlechten Ausgangsposition.
Die Evangelisierung der Welt - sie hat stattgefunden.
Der Missionsbefehl Jesu - er gilt auch noch heute.
Die Evangelisierung der Welt - sie soll auch weiterhin stattfinden.

Aber gerade das scheint heute vielen ein echtes Himmelfahrtskommando zu sein. Unmöglich, viel zu schwer. Man spürt allgemein wenig missionarische Aufbruchsstimmung in der Kirche in unserem Land, auf unserem Kontinent. Jedenfalls geht es mir so.

Ich denke da z. B. an die Reaktionen nach der Öffnung der Mauer, nach der Wiedervereinigung: Statt der Freude darüber, daß nun in den neuen Bundesländern die Kirche frei den Glauben leben konnte, hörte man vielerorts die Klage: "Was machen wir nur mit diesen vielen Ungetauften."

"Herr Kaplan, wir haben ja auch kaum noch christliche Familien!" höre ich oft als Begründung für die Misere. Die Familie ist und bleibt die Keimzelle des christlichen Lebens. Das stimmt. Und daß die christliche Familie in ihrem Bestand heute in unserem Land gefährdet ist, auch das stimmt. Nur: Als die Apostel aufbrachen, das Evangelium zu verkünden, gab es wahrscheinlich in ganz Israel weniger christliche Familien als heute im Landkreis Vechta.

Das sollen nur zwei Beispiele sein. Beispiele dafür, daß irgendwie der Wurm drin ist. Beispiele dafür, daß viele, manchmal auch ich, resignierend den Kopf schütteln, wenn sie das Wort "Evangelisierung" oder besser: "Neu-Evangelisierung" hören.
Die Hände in den Schoß legen angesichts der schwierigen Lage, der Probleme mit christlicher Verkündigung in dieser Zeit, die Hände einfach in den Schoß legen, nein das geht nicht, das gilt nicht.

Der Auftrag Jesu Geht zu allen Völkern!, dieses Himmelfahrts-kommando hat immer noch Bestand. Was aber tun?

Firmen, die ein Produkt an den Mann oder an die Frau bringen wollen, machen Werbung. Werbung ist allgegenwärtig in unserer Gesellschaft, an Wänden, im Radio, auf der Mattscheibe. Und wäre sie nicht gewinnbringend, gäbe es sie wohl nicht mehr, die Werbung.
Geworben wird für so ziemlich alles. In der Werbung wird aber auch übertrieben, schöngefärbt, ja gelogen. Überreden zu statt überzeugen von lautet da häufig die Devise. Gewinn um jeden Preis.

Das kann nicht der Weg der Kirche sein. Wir müssen überzeugen. Im Interesse der Menschen müssen wir die Wahrheit über den Menschen und über Gott verkünden. Kirchliche Verkündigung darf keine Mogelpackung werden.

Aber bei der Kirche geht es ja auch nicht um irgendein Produkt, um einen Konsumartikel. Es geht ja vielmehr um eine Lebensform, einen Lebensentwurf. Also müssen wir direkt auf die Menschen zugehen, dort wo sich das Leben abspielt. Also her mit den katholischen Kindergärten, mit den katholischen Schulen, mit den katholischen Krankenhäusern,... Ein katholisches Bildungsmonopol, eine rein katholische Sozialversorgung ... das wär's doch! Oder?

Aber woher die Katholiken nehmen, die in diesen Einrichtungen arbeiten sollen. Schon jetzt haben wir Häuser, die zwar "katholisch" heißen, aber deren Mitarbeiter innerlich zum Teil weit weg von Glauben und Kirche sind. Mit Sicherheit wird dort gute Arbeit geleistet. Aber können solche Einrichtungen missionarisch wirken, wird da überzeugt?

Überzeugen. Das Wort macht deutlich, worum es im letzten eigentlich geht: Nur Zeugen überzeugen. Das persönliche Zeugnis der Christen ist das beste Zeugnis für Christus. Aber dann ist eben keine peppige Werbestrategie gefragt, keine gut organisierte Institution, sondern dann bin ich persönlich, sind Sie persönlich gefragt.

Ich, Sie sind dann genau so persönlich gefragt, genauso in die Pflicht genommen wie damals jeder einzelne Apostel. Sie haben damals von dem erzählt, was sie gehört, gesehen, erlebt hatten. Sie haben Zeugnis abgelegt von dem, was sie verstanden hatten - von Jesus, von Gott, vom Glauben.
Auch wir sind aufgefordert, das weiterzugeben, was wir verstanden haben - von Jesus, von Gott, vom Glauben.

Das erfordert natürlich, daß man sich mit dem Glauben beschäftigt, daß man sich um eine Beziehung zu Gott und zu Christus bemüht. Wovon will man sonst auch Zeugnis ablegen...?
Das erfordert gewiß auch ein gewisses Maß an Mut, an Tapferkeit. Auch wenn in den Talkshows mittlerweile das Intimste ausgeplaudert wird vor einem Millionenpublikum - über den Glauben zu sprechen ist weitgehend tabu.

Die Apostel damals brachten den Mut zum Zeugnis auf, weil sie sich der Nähe dessen bewußt waren, für den sie Zeugnis ablegten. Sie hatten keine großartige Strategie, keine funktionierende Behörde in ihrem Rücken. Aber sie hofften auf die Hilfe des Herrn. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle tage bis zum Ende der Welt.

Ihnen und mir wünsche ich, daß wir uns etwas zutrauen. Trauen wir vor allem aber Gott etwas zu. Trauen wir uns dem Rat des Heiligen Geistes an, dem Geist des Pfingstfestes, auf das wir zugehen.
Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern!
Wenn wir auf die Hilfe des Himmels bauen, dann ist dieser Auftrag kein Himmelfahrtskommando mehr.

728. Predigtvorschlag

Jerusalem. Die Anhänger des so genannten „Neuen Weges", die dem Galiläer Jesus aus Nazareth gefolgt sind, haben in diesen Tagen wieder für Aufsehen gesorgt. In den letzten Wochen hatten sie behauptet, der zum Paschafest vor den Toren der Tempelstadt gekreuzigte selbsternannte Messias sei von den Toten auferstanden und erscheine ihnen regelmäßig, um sie bei gemeinsamen Mahlzeiten zu unterweisen. Aus gut informierten Kreisen wurde jetzt bekannt, dass der engere, aus 11 Männern bestehende Jüngerkreis, Apostel genannt – einer von ihnen hatte sich nach der Verhaftung des Jesus das Leben genommen – die Geschichte einer Entrückung ihres Meisters in den Himmel verbreiteten. Vor seinem endgültigen Verschwinden soll er seinen Anhängern befohlen haben, in Jerusalem auf ein Zeichen vom Himmel zu warten. Auf Anfrage erklärte ein Mitglied des Hohen Rates, dass solange kein Eingreifen seitens des Tempels notwendig sei, wie die Mitglieder der Sekte sich ruhig verhalten würden. Die Angelegenheit werde jedoch von zuständiger Stelle aufmerksam verfolgt.

So ähnlich hätte sie aussehen können, eine Zeitungsnotiz damals in Jerusalem. Klingt alles schon ein bisschen „abgehoben" – so aus der journalistischen Distanz besehen. Immerhin – das sind die harten Fakten zum Beginn des Christentums, die Anfänge des Glaubens, zu dem wir „Ja" gesagt haben und deshalb heute hier versammelt sind.

Lukas, der von sich selbst behauptet, die Fakten gesammelt, Gespräche geführt und allem genau nach gegangen zu sein, fasst die Geschehnisse jener Tage am Beginn seines zweiten Buches, der Apostelgeschichte, zusammen: Jesus habe den Jüngern durch viele Beweise gezeigt, dass er lebe, er habe mit ihnen zusammen gegessen und getrunken, sie unterrichtet, ihnen das Kommen des Geistes vorausgesagt und sei dann vor ihren Augen emporgehoben worden, während eine Wolke ihn aufnahm und ihren Blicken entzog.

Und da standen sie nun, die Verlassenen, die es kaum glauben konnten, was da eben geschehen war. Sie müssen schon ein recht seltsames Bild abgegeben haben, wie sie da standen, die Köpfe nach oben gerichtet, als wenn sie mit ihren Blicken den zurückholen könnten, der da gerade von ihnen gegangen war.

Die Geschichte der Unglaublichkeiten aber geht noch weiter und es sind ausgerechnet zwei Engel, die die Jünger wieder auf den Boden und in diese Welt zurückholen, um ihnen das Wiederkommen des Herrn anzukündigen.

Im Glaubensbekenntnis sind die Grundaussagen unseres Glaubens zusammengefasst. Und dazu gehören diese eben beschriebenen Geschehnisse: Gekreuzigt, gestorben und begraben, hinab gestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes, des Vaters, von dort wird er wiederkommen zu Richten die Lebenden und die Toten.

Muss man schon etwas verrückt sein, um solche Dinge zu glauben? Die Überlieferung der Apostel und die Heiligen Schriften geben uns ja keine Erklärung, sie versuchen nicht zu sagen, wie das alles vonstatten gegangen ist oder möglich war. Die Jünger und Evangelisten sagen uns nur, was sie erlebt und mit eigenen Augen gesehen haben.

Dabei ist die sich durchziehende Aussage klar: Wir sind Jesus begegnet als einem Menschen aus Fleisch und Blut. Er war sicher verändert, er konnte erscheinen und verschwinden, war nicht an Raum und Zeit gebunden, schon wie einer anderen Welt zugehörig, aber wir konnten ihm begegnen und sein Menschsein wieder finden, er war uns ähnlich, ein verklärter Mensch. Und als solcher ist er in den Himmel, das heißt in das Reich seines Vaters aufgenommen worden.

Hinter diesem Geschehen steht eine große Aussage: Auferstehung am Ende der Zeiten ist kein rein geistiges Geschehen. Wir sind nicht dazu berufen, von Menschen zu Engeln zu werden. Auferstehung hat etwas mit unserem Leib zu tun.
Mensch sein bedeutet aus Seele und Leib zu bestehen. Und das ist unsere Berufung auch in der Ewigkeit.

Wie das sein wird? Keine Ahnung. Das müssen wir auch jetzt noch nicht wissen, wenn wir dem vertrauen, der uns dieses Leben versprochen hat.

Aber Konsequenzen hat dieser Glaube schon für diese Welt. Es ist nicht egal, wie wir mit unserem Leib umgehen und dem Leib des anderen. Tempel Gottes nennt Paulus unsere sterbliche Hülle. Im Leib des anderen kann mir Gott begegnen.

Mit wie viel Ehrfurcht müssen wir einander begegnen, wenn wir das wirklich glauben? Das gilt für Eheleute ebenso wie für Eltern und Erzieher wie für jeden Menschen.

Die Himmelfahrt Jesu Christi, im letzten Jahrhundert bestätigt und erweitert durch die Lehre von der Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel, beinhaltet eine wichtige Aussage über unser eigenes Menschenbild. Für die Ewigkeit sind wir geschaffen als ganze Menschen, mit Leib und Seele.

Das fällt uns schwer zu glauben? Kein Wunder – unser Körper scheint ja geradezu ein Musterbeispiel von Vergänglichkeit und Verfall zu sein. Aber für Gott ist nichts unmöglich – und wenn er uns etwas verspricht, hat er auch die Mittel, sein Versprechen zu halten.

Christi Himmelfahrt – eine unglaubliche Geschichte. Aber wenn sie stimmt – und ich glaube daran, eine großartige Botschaft. Gehen wir den Weg der Jünger, gehen wir den Weg des Gebetes, besonders in den nächsten Tagen vor Pfingsten – damit wir das Geschenk des Heiligen Geistes empfangen können und gestärkt durch diesen Geist hinausgehen können in unsere Welt, um zu rufen: Christus, den ihr vergessen habt, er lebt und möchte, dass auch ihr lebt, in Ewigkeit, mit Leib und Seele! Amen.

729. Predigtvorschlag

Liebe Schwester und Brüder, manchmal redet die Kirche wirklich in rätselhaften Bildern. Zum Beispiel bezeichnet sie sich gelegentlich selbst als den "mystischen Leib Christi".

Gut - darauf ist nicht irgendein Theologe oder Papst gekommen, sondern Paulus. Er wollte damals mit diesem Bild sagen, dass jeder in der Kirche seine eigene Aufgabe hat - und es nicht deshalb, weil der eine meint, seine Aufgabe oder sein Amt sei mehr oder weniger wert als das eines anderen, zum Streit kommt. Eben wie in einem menschlichen Körper.

Die Kirche hat dieses Bild aber aufgegriffen und noch in einem anderen Sinne verstanden: Jetzt, wo Christus seine Jünger leiblich verlassen hat (wir sagen dazu "Himmelfahrt"), lebt er trotzdem weiter unter uns. Und das nicht nur in einem symbolischen oder übertragenen Sinn - sondern wieder leiblich, real, zum Anfassen: In seiner Kirche.

Gut - solange wir damit das Gebäude "Kirche" meinen, und Jesus dort als gegenwärtig in Tabernakel begreifen, haben wir nicht so viele Schwierigkeiten. Dort wird der Leib Christi aufbewahrt. Schwer zu verstehen, aber man hat sich an dieses Geheimnis "gewöhnt".

Aber - wenn die Kirche sich selbst als "mystischen Leib Christi" bezeichnet, die Gemeinschaft der Christen, die Institution mit Papst, Bischöfen und Priestern, mit Räten und Verwaltungen, mit Instruktionen und Enzykliken - dann sträuben sich uns doch die Haare: Das soll der Leib Christi sein? Dieser Verein?

Ja, genau. So versteht sich die Kirche. "Wer Euch sieht, der sieht mich. Wer Euch hört, der hört mich. Was Ihr bindet, das ist auch für Gott verbunden. Wem Ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben." Das Tun der Kirche wird nicht nur von Jesus als sein eigenes Tun verstanden. Auch die Kirche meint genau dies, wenn sie vom "mystischen Leib Christi" spricht: In uns lebt Christus weiter. Was wir tun, das ist das Tun Christi.
Wie gesagt - da sträubt sich einiges in uns. Ist die Kirche denn nicht voller Fehler? Schlagartig fallen einem da die ganzen Sünden der Geschichte ein - von Kreuzzügen bis zur Hexen- und Ketzerverbrennung. Das soll das Wirken Jesu sein?

Liebe Schwestern und Brüder, es ist tatsächlich so, dass die Kirche von sich selbst glaubt, dass sie Leib Christi ist. Das Missionswerk Jesu setzt sich fort durch uns alle - Sie genauso eingeschlossen wie die ganze Hierarchie bis hin zu den Bischöfen und dem Papst.
Jesus Christus wusste, dass wir Menschen als sein neuer Leib immer wieder Schuld auf uns laden. Er hätte das verhindern können, indem er nur Heilige in seinen neuen Leib beruft. Aber er ist gekommen, um die zu retten, die verloren waren; er hat mit Sündern und Zöllnern gegessen; und er wollte, dass genau diese - die Sünder - zu den Boten seiner Vergebung werden. Wer kann besser Verzeihen, als der, der selbst Verzeihung erfahren hat?

Jesus wusste, wie seine Kirche sein wird: Eine Kirche der Sünder. Und er hat genau diese gewollt.

Die Haare sträuben sich genau genommen nur bei denen, die vergessen, dass sie selbst diese Kirche sind. Ja - einige glauben hier und da, die Kirche solle doch froh sein, dass sie noch nicht ausgetreten sind - sie erinnern uns daran, dass die Kirche schon viele Fehler gemacht hat, mit dem Hintergedanken: Noch einen, und ich komm nie wieder.

Dabei ist es ein Geschenk, zur Kirche zu gehören, weil nämlich jeder von uns auch ein Sünder ist. Ich bin froh, dass Jesus auch die Sünder in seine Kirche beruft - denn sonst dürfte ich nicht hier sein.
Ich bin aber auch froh, dass Jesus uns seinen Geist gesandt hat, der die meisten meiner Fehler überwinden hilft - denn sonst könnte ich nicht hier sein.
Und ich bin mir bewusst, dass der Auftrag, Jesus leiblich erfahrbar zu machen, immer neu an mich gestellt wird - weil er mich trotz meiner Fehler liebt. Denn sonst wollte ich nicht hier sein. Amen.

730. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Sowohl in der Lesung - als auch im Evangelium - wird heute von der Aufnahme Christi in die himmlische Herrlichkeit berichtet. Doch bevor Jesus seine Freunde verlässt, hält er noch ein kleine Abschiedsrede.

Abschiedsreden sind wie Testamente: Sie enthalten ein Vermächtnis, Anweisungen, was noch zu tun übrig bleibt. Und so ist auch die Abschiedsrede Jesu gemeint:
«Geht hinaus in alle Welt, verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!» - «Ihr werdet meine Zeugen sein bis an die Grenzen der Erde!»

Jesu Zeit seiner ruhelosen Verkündigung, in der er von Ort zu Ort geeilt ist, um allen das Reich Gottes nahezubringen, ist nun vorbei. Wir sollen nun an seine Stelle treten. Denn: Wenn wir nicht verkündigen - wer soll es dann tun? Wenn wir den Menschen nicht des Heil nahe bringen - wer denn sonst?

Die Himmelfahrt Jesu lockt seine Jünger also aus der Reserve. Jetzt sind sie an der Reihe, seine Mission fortzusetzen. Sie können sich nicht mehr auf die Gegenwart des Meisters berufen: Lass ihn doch machen! Damit ist jetzt Schluss.

Viele von uns kennen das Kreuz, das in der Ludgeri-Kirche in Münster hängt: Jesus ohne Arme und Füße, die im Krieg abgerissen worden sind. Dort steht: Ich habe keine anderen Hände - keine anderen Füße - als die Euren. Das ist Jesu Vermächtnis, seine Anweisung für uns.

Wenn ich mir das so recht überlege, ist das eigentlich gar keine sonderlich frohe Botschaft. Das bedeutet eher Arbeit. Das scheint mir so ähnlich zu sein, wie wenn ein Firmenbesitzer seinem Sohn sagt: Jetzt bist Du an der Reihe. Mache bitte meine Firma weltberühmt. - Schluck.

Bis an die Grenzen der Erde, seid meine Zeugen. Dämonen austreiben, in neuen Sprachen reden, Schlangen anfassen (igitt!) und tödliches Gift trinken. Nettes Testament Jesu!

So haben es wohl auch die Jünger, die Apostel gesehen: Der überfordert uns restlos! Der geht jetzt, lässt uns hier allein zurück und verlangt, dass wir alles genauso perfekt machen wir ER.

Da war nicht eitel Freude im Jüngerkreis: «Jetzt ist der Juniorchef weg, jetzt wollen wir mal zeigen was wir können» - im Gegenteil: Eingeschlossen haben die sich und ins stille Kämmerlein zurückgezogen. Von wegen frohe Botschaft.

Das hat sich natürlich geändert - wie wir heute wissen - aber erst zehn Tage später. Zu Pfingsten. Und deshalb dürfen wir niemals den Auftrag Jesu, den moralischen Appell, die Verantwortung, die wir als Christen tragen, von der entscheidenden Zusage Jesu loslösen: Ich sende euch den Beistand, der all dies durch Euch vollbringen wird.

Gott verlangt niemals etwas, zu dem er nicht auch die Kraft gibt. Erheben wir niemals den moralischen Zeigefinger, ohne die frohe Botschaft zu verkünden, dass Gott uns Gnade, Begeisterung und Ausdauer schenkt.

Oft genug scheint mir der Kernsatz eines Jugendgottesdienstes, eines Schul- oder Familiengottesdienstes zu sein: Ihr müsst das tun, das - und das. Und das müsst ihr auch noch tun.
Vergessen wir nie, dazu auch noch die frohe Botschaft zu verkünden: Und Gott gibt Euch die Kraft dazu! Er überfordert Euch nicht, weil er euch seinen Geist sendet! Ihr seid meine Hände und Füße, aber ich bin Eure Kraft!

Das Testament Jesu ist nur im Zusammenhang mit der Geistsendung eine frohe Botschaft.

Nehmen wir Christi Himmelfahrt als Anlass, uns auf Pfingsten zu freuen. Es sind ja nur noch zehn Tage. Amen.

731. Predigtvorschlag

Liebe Schwester und Brüder, «Christus in den Himmel versetzen heißt, Ihn gleichsam beerdigen.» Christi Himmelfahrt als Sein Weggang von dieser Erde bedeutet, Ihn zu verlieren: Eigentlich müssten wir betrübt sein und um Ihn trauern. Und eben kein Fest feiern.
Jesus hat nun seine Arbeit zu Ende gebracht hat und lässt uns nun hier auf Erden allein. Er setzt sich zur Rechten des Vaters und thront dort oben, während wir uns hier unten auf Erden weiter plagen können.

Vielleicht haben das auch die Jünger gedacht, als sie - wie wir in der Lesung gehört haben - nach der Himmelfahrt Jesu ihm noch nachschauen. Doch gottseidank sind dann die beiden Engel gekommen, und haben das Missverständnis aufgeklärt: «Was steht Ihr da und schaut zum Himmel empor?« Fahrt fort, Sein Reich hier auf Erden auszubreiten, denn der Herr ist immer noch mit Euch und in Euch.

Es gibt allerdings eine ganze Menge Menschen, die dem Herrn weder in seinem Wort (an dem sie nichts interessantes mehr finden), noch in der Vergebung (die sie gar nicht benötigen), noch im Glauben finden (der viel zu übermenschlich ist), auch nicht im Nächsten (der viel zu menschlich ist), die dem Herrn eben überhaupt noch nicht in ihrem Leben begegnet sind - und die sich daher noch eine letzte Hoffnung bewahren, Ihm zu begegnen: Im Himmel!

Es ist notwendigerweise unsere Aufgabe, ihnen diese Hoffnung zu zerstören, dieses Verschieben der Begegnung mit Gott «auf ewig» zu verhindern, da genau diese Menschen sonst Gefahr laufen, Gott auch noch in der Ewigkeit zu verfehlen.
Wo ist der Vater? In Seinem Himmel, dort oben? Bei Johannes heißt es: «Wenn einer mich liebt, wird ihn mein Vater lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei Ihm nehmen.»
Wo ist der Heilige Geist? «Er bleibt bei euch und wird in euch sein.»

Wo sind unsere Toten? Wo sollen sie den sein, wenn nicht mit Christus? Was sollten sie denn tun, wenn nicht das gleiche wie Christus? Wenn wir in diesem Bewusstsein am Werke Christi arbeiten, dann sind sie unsere Arbeitsgefährten - dann sind sie mit uns und nicht weit weg.

Wenn wir Gott nicht auf Erden begegnet sind, dann werden wir Ihn auch im Himmel nicht treffen. Der Himmel ist nicht eine andere Welt, in die man entweichen kann. Das Himmelreich ist schon in uns, um uns, hier gegenwärtig. Wir dürfen daran mitbauen.

Gott will nämlich Mitarbeiter haben - und keine Abwartende. Wenn wir uns begnügen, auf das Reich Gottes zu warten, wird es - zumindest zu uns - niemals kommen. Die Erde ist der Ort, wo der Himmel gebaut wird. Und Gott ist nicht in den Himmel aufgefahren, weil er genug von dieser Welt hatte. Er ist für uns unsichtbar geworden, um auf eine ganz andere und ganz neue Art mit uns zu arbeiten und in uns zu wirken - hier auf Erden, in unserem Tun.

Allzu viele Christen sind allerdings Spiritualisten. Sie glauben an die Unsterblichkeit der Seele und nicht an die Auferstehung des Fleisches. Sie versuchen, den Misslichkeiten dieser Welt zu entfliehen. Mehr als 28 % der katholischen Gottesdienstbesucher glauben an die Wiedergeburt - und eben nicht an die Auferstehung.

Aber Gott thront nicht in einer anderen Welt. Gott ist in diese Welt gekommen und hat sie nicht mehr verlassen. Er bleibt bei uns alle Tage. Er ist hier gegenwärtig und will uns begegnen: Im Wort, das wir hören. In der Vergebung, die wir empfangen. Im Nächsten, den wir lieben dürfen. Im Glauben, der uns geschenkt ist. Und - vor allem - in der Eucharistie, in der Messe, hier auf dem Altar. Kommunion ist Gottesbegegnung. Bei der Himmelfahrt ist er nicht weggegangen, sondern «entschwunden». Weggehen verursacht eine Abwesenheit. Entschwinden leitet eine verborgene Gegenwart ein.

Und das ist, tatsächlich, Grund genug, deshalb ein Fest zu feiern.

732. Predigtvorschlag

Josef - ein Mann im Hintergrund

Zu vielen Anlässen komme ich als Pastor in die Häuser unserer Gemeinde: zu einem Taufgespräch - zu einer Krankenkommunion - zu einer Haussegnung - oder auch einfach aufgrund einer Einladung.
Für mich ist immer wieder interessant zu sehen, welche Bilder die Leute an den Wänden haben. Bilder prägen; Bilder drücken Erinnerungen, Wünsche, Lebensauffassungen aus. Bilder haben auch etwas mit dem Glauben zu tun. Deshalb freue ich mich, wenn in den Wohnungen auch Bilder des Glaubens zu finden sind: ein Kreuz, ein Heiligenbild, eine Ikone, eine Statue der Gottesmutter.
Aber nur selten habe ich ein Bild oder eine Statue jenes Mannes gesehen, der im Geschehen des Glaubens und der Erlösung eine ganz besondere Rolle spielt: vom heiligen Josef.
Mag das vielleicht daran liegen, daß Josef ein Mann war, der sich nicht in den Vordergrund schob? Daß er nicht jemand war, der große und viele Worte machte? Dennoch spielt er im Geheimnis der Erlösung, im Plan Gottes, eine wesentliche Rolle.

Jetzt, am Hochfest des heiligen Josef, können wir uns von ihm gewissermaßen an die Hand nehmen lassen und uns von ihm selbst erzählen lassen, was in ihm vorging und wie wir am ehesten zum Geheimnis des Lebens und der Liebe Gottes, des Vaters, hinfinden.

Wir wissen zwar vom heiligen Josef keinen einzigen Ausspruch, aber er begegnet uns doch in einer dreifachen Weise: als schlafender Josef, als ehrfürchtiger Josef und als nachdenklicher und gehorsamer Josef.

Josef schläft, aber sein Schlaf ist kein Ausdruck der Trägheit, sondern im Gegenteil Zeichen seiner Wachheit und Offenheit für Gottes Wort und Anruf. Wir können tagsüber hellwach sein, und doch fällt es uns in der Flut von Geräuschen, Bildern und sinnlichen Eindrücken unheimlich schwer, das Wichtige aus dem Wust des Unwichtigen herauszufiltern. –

Und noch schwerer fällt es uns, mit dem Ohr des Herzens die leise Stimme Gottes zu vernehmen, der in der Tiefe unserer Seele zu uns spricht. Der schlafende Josef ist ein Bild für innere Wachheit und Gesammeltheit. In dieser Bereitschaft, das Geschrei des Tages hinter sich zu lassen und in der Nacht das Flüstern des Schöpfers zu vernehmen, ist uns Josef ein großes Vorbild. Er empfängt im Traum die Weisung, die ihn zum Begleiter und Beschützer der Gottesmutter und ihres Kindes werden läßt.

In dieser Aufgabe, das Kind und seine Mutter zu schützen und zu bergen, ist Josef ein Mann der Ehrfurcht. Er nimmt nicht in Besitz, sondern er bewahrt und trägt. –

Diese Haltung der Ehrfurcht und der Selbstlosigkeit war in ihm schon vorher angelegt. Matthäus berichtet, wenn auch nur in wenigen Worten, wie es Josef erging, als er erfuhr, daß Maria, seine Verlobte, ein Kind erwartete. Aber diese wenigen Worte des Evangeliums genügen schon, um sich ein klares Bild von seiner Haltung zu machen. Josef wußte, daß dieses Kind nicht von ihm kam. Und er wußte auch, was das für eine Frau in damaliger Zeit bedeutete, ein uneheliches Kind zu bekommen. Deshalb beschloß er, „sich in aller Stille von ihr zu trennen“ (Mt 1,19). - Damit wollte er Maria nicht im Stich lassen und sich aus dem Staube machen. So würden wir es vielleicht interpretieren. In Wirklichkeit wollte er etwas anderes: In seinem tiefen Zweifel über die wirkliche Herkunft des Kindes entschließt er sich dazu, den Makel der unehelichen Zeugung auf sich zu nehmen und Maria die Schmach zu ersparen. Denn alle würden jetzt denken, er sei der Vater des Kindes, wenn er nun weggeht. Damit hätte er zwar sich selbst geschadet, Maria aber auf jeden Fall geschützt. Darum wird er auch „gerecht“ genannt (Mt 1,19). Josef - ein Mann der Ehrfurcht und der Treue.

Und schließlich sehen wir, wie Josef ein Mensch ist, der nachdenkt und im Gehorsam lebt. Wir würden vielleicht beides gegeneinander stellen und sagen: Wer nachdenkt, will doch gerade nicht Gehorsam um jeden Preis, sondern er will selbst entscheiden. –

Bei Josef war Gehorsam nicht eine Sache, die auf Kosten des Nachdenkens ging, sondern sein Gehorsam ist Bereitschaft, sich führen zu lassen. Josef ist ein Geführter von Gott. Diese Führung setzt das Denken nicht aus, sondern bringt es zu höchster Aktivität. Der Mensch, der sich wirklich von Gott führen läßt, muß darüber nachdenken, was Gott mit ihm vorhat, und dieses Denken und Nachdenken führt hinein in das Danken, in das Gebet und in den Glauben. So ist für uns der heilige Josef in seiner Offenheit, in seiner Ehrfurcht und in seinem nachdenklichen Gehorsam ein Mann des Glaubens, ein Mann Gottes.

Der heilige Josef ist einer, der sicher darüber hinwegkommt, daß sein Bild nur selten in unseren Wohnungen zu finden ist. Aber uns tut es gut, wenn wir sein Bild und seinen Glauben in uns tragen und uns davon auch prägen lassen.

733. Predigtvorschlag

1. Predigtvorschlag (Zweite von drei Predigten zu Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern):

Karfreitag: der Gipfel der Barmherzigkeit

Jesus sagt: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“

Damit erinnert Jesus an ein innerstes Gesetz unseres Mensch-seins: Wir werden glücklich, indem wir glücklich machen. Eltern geben ihr Leben, ihre Zeit, ihren Wohlstand, ihre Wünsche dahin, um alles für ihre Kinder zu tun.

Ehepartner opfern all ihre Energie, ihr bisheriges Leben, ihre Ansprüche und Wünsche, um ganz für ihren kranken Partner da zu sein.

Immer wieder geben Menschen ihr Leben dahin. Sie tun es, weil sie darin einen Sinn sehen. Den Sinn erkennen sie in einem Menschen, den sie lieben.

Jesus aber ist weiter gegangen. Er hat sein ganzes Leben hingegeben für Menschen, die ihn gehaßt haben. Sein Tod war ein grauenvoller Tod, voller Qualen und Schmerzen, die wir uns schon deswegen nicht vorstellen können, weil Jesus nicht nur als wahrer Mensch gelitten hat, sondern auch als Gottes Sohn. Als Gottes Sohn war sein Leben und Sterben und so auch sein Leiden von einer ganz besonderen Tiefe, von einer ganz besonderen Intensität. So wie Jesus gelitten hat, hat vor ihm und nach ihm kein anderer Mensch gelitten. – Damit soll nicht das furchtbare Leiden Unschuldiger irgendwie klein geredet werden. Das Gegenteil ist der Fall. In Bezug auf Jesus, in Verbindung mit ihm, hat jedes Leiden, das einer erleidet, jeder Tod, den einer stirbt, ein besonderes Gewicht, einen besonderen Wert. Denn in jedem Menschen, der leidet und stirbt, will Jesus selbst mitleiden und mitsterben.

Das ist das innerste Geheimnis des heutigen Karfreitags, der uns den Gipfel der Barmherzigkeit Gottes vor Augen führt und gegenwärtig macht. Gott ist barmherzig, und was das bedeutet, zeigt uns Jesus, der Sohn Gottes, in seinem Leben, in seiner Verkündigung, in seinen Wundern, besonders aber auch in seinem Leiden und Sterben.

Ist ein solches Sterben nicht sinnlos? Von der Hand von Menschen zu sterben, die ganz von Haß erfüllt sind? Für die sogar noch zu beten? Ihnen zu verzeihen? Und – was noch schwerer wiegt – zu glauben, daß das eigene Sterben ihnen zugute kommt, daß der Menschensohn, Jesus, wirklich für diese Menschen, die wir ja als böse bezeichnen können, leidet und stirbt? Wie kann man das verstehen?

Alle, die es verstehen wollten, das heißt mit ihrem eigenen Verstand erfassen und ergreifen, sind enttäuscht worden. Man kann es nicht verstehen, nicht mit dem Verstand ergreifen. Denn unser geistiges Vermögen, das in vielfacher Hinsicht so genial sein kann, so daß es Erfindungen, Entdeckungen, Wege der Heilung und vieles mehr erreichen kann, es kommt hier an seine Grenze. Der Tod, das Leiden, das Böse: da gibt es kluge Denker zu allen Zeiten, die manches erklären und beweisen wollen. Doch am Ende müssen sie alle zugeben, daß ihr Nichtwissen unendlich größer ist als ihr Wissen und ihre Erkenntnis.

Was wir heute tun, ist etwas anderes. Wir hören nicht nur die Botschaft der Passion Jesu, wir folgen ihm nach. Diesen Weg des Glaubens gehen heute die Christen überall auf der Welt, die den Karfreitag als den Todestag des Erlösers feiern. Besonders gehen diesen Weg die verfolgten Christen, deren Schicksal uns gerade heute nicht gleichgültig lassen kann. Für den Besitz einer Bibel in ein Konzentrationslager zu kommen, um dort einen langsamen, qualvollen Tod zu sterben – siehe Nordkorea; wegen angeblicher Schmähung des Korans zu unmenschlicher Haft verurteilt zu werden – siehe Asia Bibi, fünffache Mutter in Pakistan – diese und viele andere Beispiele zeigen, wie gerade in unserer Zeit aus der Qual der Verfolgung und scheinbar sinnlosem Leid eine neue Kirche ersteht, die von dem Zeugnis lebt, daß Jesus, der Schmerzensmann, mit uns geht.

Es steht uns gut an, wenn wir heute am Karfreitag den Blickwinkel dieser Menschen einnehmen, für diese Menschen beten und in den Fußspuren Christi nachfolgen, der uns geliebt hat bis in den Tod. Das ist der Gipfel der Barmherzigkeit.

734. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

„Weg mit ihm, kreuzige ihn!“ haben die Menschen in Jerusalem vor dem Prätorium geschrien. Nur wenige Tage zuvor war noch das „Hosianna“ zu hören. Auch in Jerusalem.
Beide Rufe galten Jesus. Beide Rufe kamen möglicherweise aus den gleichen Kehlen. Binnen kurzer Zeit schlug die Stimmung um.

Das ist nicht nur eine vergangene Erscheinung.
Ich entsinne mich noch, wie gewisse Zeitungen gejubelt haben, dass mit dem geschiedenen und wiederverheirateten Herrn Wulff endlich „die Lebenswirklichkeit Deutschlands“ im Präsidentenpalast eingezogen sei. Und wie süß: die First Lady hat sogar ein Tatoo.
Keine zwei Jahre hat es gedauert, dass Reporter eben der gleichen Blätter nach allem gesucht haben, den Präsidenten als unehrlichen Schmarotzer und bestechlichen Freund der Reichen zu stürzen. Mit Erfolg. Der Hochgejubelte wurde aus dem Amt geworfen.

Ich möchte hier kein politisches Statement zur Bedeutung der Amtszeit oder möglichen Fehlverhalten von Herrn Wulff geben. Ich beschreibe nur ein Phänomen, dass die Stimmung schnell kippen kann unter uns Menschen.
Ja, wir sind beeinflussbar. Keiner und keine ist ausgenommen.

Immer wieder frage ich mich angesichts der Passionsbeschreibungen im Evangelium: Wo waren all die, die Jesus gefolgt waren, die seine Jüngern waren, die seine Predigt froh aufgenommen haben, die von ihm geheilt worden sind? Wo bleibt deren Stimme, deren Rufen vor dem Prätorium? Am Kreuzweg?

Es scheint, als ob sie mundtot gemacht worden sind. Vielleicht waren sie nicht einmal die Minderheit.
Vielleicht aber war das öffentliche Auftreten der Mitglieder des Hohen Rates zu stark, ihre Anstachelung des Volkes gegen Jesus so wirksam, das die andere Seite schwieg.
Aus Angst, selbst verfolgt, selbst angeklagt zu werden. Aus Sorge aus der scheinbar großen, schützenden Masse herauszufallen, ausgegrenzt zu werden. Ein Beispiel dafür war Petrus, der Jesus verleugnet hat, aus Angst, obwohl er für ihn war.

Und ich frage mich selber: Klaus, wärest Du für Jesus eingetreten? Hättest Du damals Deine Stimme in Jerusalem für Jesus erhoben? Und angesichts dieser Frage werde ich sehr nachdenklich.

Es gibt dies Phänomen, dass viele mit ihrer Meinung stumm bleiben, weil wenige die öffentliche Meinung effizient beherrschen. Sie schweigen, um nicht isoliert zu werden. Und weil sie schweigen, wird die andere Meinung immer stärker wahrgenommen und auch übernommen. Die verstorbene Grand Dame der Demoskopie, Elisabeth Noelle-Neumann, hat dieses Phänomen entdeckt, beschrieben und treffend „Schweigespirale“ genannt.

Liebe Schwestern und Brüder,
auch in unseren Tagen wirkt diese Schweigespirale. Wir sehen, lesen, hören immer und immer wieder z. B. wie die klassische Ehe zwischen Mann und Frau, die auf Treue aufgebaut ist, als Auslaufmodell dargestellt wird. Wer diese Ehe aber verteidigen möchte, wird nicht selten als ewiggestrig und als intolerant gegenüber anderen Lebensentwürfen abgestempelt.
Auch die Familie, wo die Eltern das Kind nicht schon mit einem Jahr in eine Krippe geben, scheint doch eigentlich gar nicht mehr up to date zu sein. Wer so leben will, ist doch hoffnungslos altmodisch und meistens frauenfeindlich.
Und wer möchte schon als ewiggestrig, intolerant, altmodisch und frauenfeindlich gelten. Da ist die Angst von den anderen geschnitten zu werden. Also schweige ich lieber.

In der Großzahl der Medien werden alle Lebensformen mittlerweile gleichgestellt, das Wort Familie umgedeutet. Und viele singen in diesem Chor öffentlich mit.
Gleichzeitig zeigen aber immer wieder auch anonyme Umfragen, dass gerade unter jungen Menschen die Sehnsucht nach ehelicher Treue, nach einer Familie mit Vater, Mutter, Kindern groß ist. Das aber spiegelt sich nicht wirklich wieder, wenn man das Fernsehen einschaltet, das Internet anklickt oder die Zeitung aufschlägt.

Liebe Schwestern und Brüder!
Machen wir uns nichts vor. Die Atmosphäre damals in Jerusalem gibt es auch heute noch.
Eine Atmosphäre, die uns manchmal lieber schweigen, denn reden lässt.
Gerade wer sich als gläubiger Christ, dazu noch Katholik und engagiertes Gemeindemitglied bekennt, hat es nicht leicht. Ich weiß, dass z. B. Kinder, die sich als Messdiener outen, von Mitschülern schief angesehen werden. Der Glaube, die christlichen Werte und auch die Kirche sind nicht die Lieblingskinder der veröffentlichten Meinung.
Uns geht es manchmal wie Petrus, der mit sich ringt, als er gefragt wird: Bist nicht auch Du einer von den Jüngern dieses Menschen?
Und manchmal werden wir wie er versagen oder schweigen oder uns verleugnen.

Nach der Auferstehung hat er aber bekannt bis in den Tod. Weil er dann gesehen hatte, wie sehr der Herr uns Menschen geliebt hat, wie groß das Geschenk der Auferstehung ist. All das hat ihn Jesus noch vor seiner Himmelfahrt erklärt und der Hl. Geist ihn an Pfingsten in das Wissen über Jesus tiefer eingeführt. So konnte er bekennen, gegen den Strom. So wurde er der erste Papst und ein Märtyrer.

Diejenige, die das Phänomen der Schweigespirale entdeckt hat, eben Elisabeth Noelle-Neumann, hat auf die Frage, wer denn wohl diese Spirale durchbrechen könne, u. a. geantwortet: „Heilige“.

Also Menschen, die ganz für ihren Glauben einstehen, die ihn auch kennen. Gerade die Unwissenheit im Glauben macht es ja vielen schwer, dem Isolationsdruck standzuhalten. Deshalb wird auch das Jahr des Glaubens von Papst Benedikt ausgerufen, damit wir uns wieder dessen vergewissern, was wir glauben. So wie Petrus es gemacht und durch den Hl. Geist erfahren hat.

Wenn wir jetzt gleich auf den Gekreuzigten schauen, erhalten wir neue Kraft, uns zu ihm zu bekennen,
weil wir sehen, dass seine Liebe zu uns keine Grenzen kennt.
Weil wir dann spüren, dass es gut ist zu glauben.
Weil wir merken, dass wer glaubt nie allein ist.

Weil wir merken, dass unsere Welt gerade diese Botschaft braucht: Gott liebt Dich bis es wehtut und darüber hinaus. Du bist das ganze Blut Jesu wert. Dein Leben hat Sinn, weil es das ewige Leben gibt.

735. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Soeben sind wir den Leidensweg Jesu nachgegangen, so wie ihn der Evangelist Johannes aufgeschrieben hat.

Auf diesem Kreuzweg Jesu - den wir in dieser Fastenzeit an jedem Freitag in der Kirche oder heute morgen früh betrachtet haben - begegnen wir unaussprechlichem Leid. Dem Leid eines Unschuldigen, des Unschuldigen schlechthin: dem Leid des Gottessohnes.

Gerade in den letzten Wochen ist uns immer wieder Leid von Unschuldigen vor Augen geführt worden. Ich denke da vor allem an das eine Bild in der Zeitung: Eine junge, dunkelrothaarige Japanerin kauert mit ausgeweinten Augen vor einem riesigen Trümmerfeld aus Holz, Stein und Schlamm nach dem Tsunami.

Aber wir brauchen nicht weit zu gehen. Auch in unserer Pfarrei finden wir zig Beispiele von Leid, das wir nicht verstehen wollen und können. Wie viele leben unter uns – egal welchen Alters -, denen Krankheiten zu schaffen machen, die das Leben bedrohen oder den Alltag absolut durchkreuzen. Wie viele betrauern unter uns nicht früh oder qualvoll Verstorbene.
Angesichts des Leides kann man zu verzweifeln drohen.
Angesichts des Kreuzes kann man zu verzweifeln drohen.

Und doch ist die Botschaft des heutigen Tages: Ja, das Leid ist schrecklich. Aber durch Kreuz und Leiden sind wir gerettet, erlöst worden. Durch seine Wunden sind wir geheilt.

Und wir sehen auch: Da wo das Kreuz aufragt, wo das Leid nicht mehr zu umgehen ist, entspringt oft viel Gutes.

So viele Menschen in unserer Pfarrei, in unserem Dorf pflegen oder besuchen aufopferungsvoll ihre Angehörigen. Zum Teil seit Jahren.
So viele Menschen werden angerührt durch das Leid in der Nachbarschaft, im Bekanntenkreis und bieten Hilfe an, zeigen in kleinen Gesten menschliche Nähe.
Und so viele Kerzen brennen in unserer Kirche oder in den Wohnungen für Kranke, vom Leid Geprüfte, Trauernde, Verstorbene.

Ich weiß, dass es in unserer Gesellschaft auch viel Gleichgültigkeit dem Leid der anderen gegenüber gibt, dass man die Leidenden gerne an den Rand und aus dem Blickfeld abschöbe. Für die vielen Zeichen echter Liebe, Nächstenliebe in unserer Pfarrei dürfen wir deshalb umso dankbarer sein.

Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, Dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, Deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

Liebe Schwestern und Brüder!
Das, was unter dem Kreuz Jesu geschah, geschieht immer wieder auch hier in Kirchhellen oder anderswo. Das Kreuz verbindet zu einer neuen Gemeinschaft, ja zu einer neuen Familie. Das gemeinsame Stehen unter dem Kreuz – es ist oft so schrecklich nichts tun zu können, hilflos dabei zu stehen, wie Maria und Johannes – das gemeinsame Stehen unter dem Kreuz bringt Menschen oft näher zusammen, lässt zusammenrücken, einander den Rücken stärken.

Wenn wir gleich nach den großen Fürbitten das Kreuz enthüllen, werden wir alle gleichsam wie Maria und Johannes unter dem Kreuz stehen und auf Jesus schauen.
Und er wird uns dann einander anvertrauen, damit wir einander stärken, füreinander einstehen – gerade auch im Leid.

Wenn wir auf den Gekreuzigten blicken, sehen wir den, der FÜR uns gelitten hat, der FÜR uns gestorben ist, der FÜR uns auferstand und der FÜR uns Speise zum Leben geworden ist in der Eucharistie.
Papst Benedikt hat einmal gesagt: "Wer den Herrn im Tabernakel kennt, der erkennt Ihn in den Leidenden und Bedürftigen."

So ist diese Feier heute und jede Eucharistie eine Sehhilfe, eine Reinigung der Augen des Herzens.
So werden, so bleiben wir sensibel für die anderen, die unserer Hilfe bedürfen.

So werden wir zu einer tieferen Gemeinschaft in Christus vereint. Für das Heil der Welt.

736. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. So sagt man. Und es stimmt.

Wir gewöhnen uns tatsächlich an vieles.
Vieles gibt es, dass wir wie selbstverständlich hinnehmen:
dass die Sonne aufgeht, dass wir zu essen haben, dass wir ein Dach über dem Kopf haben, dass wir Urlaub machen können...

Wir gewöhnen uns tatsächlich an vieles.
Sogar an das Kreuz gewöhnen wir uns, haben wir uns gewöhnt.
Wir tragen es als Halsschmuck, wir sehen es am Wegesrand, wir betrachten es in der Kirche, wir hängen es in unsere Wohnzimmer...

Die Darstellung des Kreuzes ist für viele von uns ganz normal, gewöhnlich geworden. Wir gehen daran vorbei. Wir empfinden es wie Möbelstück, das zu uns gehört.

Das Kreuz – normal? Gewöhnlich?
Das Kreuz Jesu – normal? Gewöhnlich?

Damit wir uns an das Kreuz nicht gewöhnen, damit wir das Kreuz nicht als normal hinnehmen, darum sind wir hier.

Die Kirche stellt es uns vor Augen: Das Kreuz Jesu ist keine Selbstverständlichkeit.

Die Worte der Passion lassen nur erahnen, welche Grausamkeit mit dem Kreuzestod verbunden war, welche Entehrung, welches Leiden.

Der Kreuzestod war die Hölle auf Erden.
Auch für unseren Herrn Jesus Christus.

Er, der Heilige, der Sohn des himmlischen Vaters hat diese Hölle durchleben müssen. Zwei Welten prallen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein können.

Wenn eine kalte Wetterfront auf eine heiße Wetterfront stößt, denn bricht ein Unwetter los: Blitz, Donner, Hagel, Regen. Unsagbar groß sind die Gewalten, die dann entfesselt werden.

Wie unbeschreiblich gewaltig müssen dann erst die Kräfte gewesen sein, die sich entfesselten, als am Kreuz Himmel und Hölle zusammentrafen:

Der letzte Aufschrei Jesu am Kreuz vor seinem Tod wird weit über die Stadt Jerusalem hinaus zu hören gewesen sein. Und niemanden wird dieser Schrei nicht bis ins Mark erschüttert haben.
Einige Evangelisten berichten von Naturgewalten beim Tod Jesu, von Dunkelheit, Erdbeben, geöffneten Gräbern...

Vor einem Gewitter ist die Luft schwül, drückend. Man kann schlecht atmen, kaum arbeiten.
Nach einem Gewitter ist die Luft wieder klar, frisch. Alles lebt auf. Die Natur, die kurz zuvor noch schwieg, meldet sich wieder zurück. Der Regenbogen strahlt weithin sichtbar über das Land.

Vor dem Kreuzestod Jesu drückte die Sünde, drückte der Tod die Menschen nieder. Die Angst vor dem endgültigen Scheitern, vor dem Unheil schnürte die Seelen zu.
Nach dem Kreuzestod Jesu sind Sünde und Tod zwar noch in der Welt. Doch sie sind besiegt. Ein für alle mal.
Tod, wo ist Dein Sieg? Du hast verloren am Kreuz.
Denn der, der das Leben ist, ist zwar gestorben, wie auch wir einmal sterben müssen.
Er ist aber gestorben, damit er lebt, damit wir leben.

Als Himmel und Hölle am Kreuz miteinander rangen, ist der niederdrückende Schleier der Angst vor dem endgültigen Scheitern zerrissen worden.
Das Heil brach herein in diese Welt. Es richtet uns auf und lässt uns neu aufleben.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wir gewöhnen uns tatsächlich an vieles.
Aber an das Kreuz dürfen wir uns nicht gewöhnen.
Denn am Kreuz hängt unser Heil.
Das Kreuz ist die sichre Leiter, darauf man steigt zum Leben.
Das Kreuz ist unsere einzige Hoffnung.

Damit wir uns nicht an das Kreuz zu sehr gewöhnen und daran, dass der Herr für Dich und mich gelitten hat – jeder Mensch ist das ganze Blut Jesu wert - , darum hilft uns die Kirche gleich bei der Kreuzverehrung das Kreuz mit neuen Augen zu sehen: das Verhüllte wir enthüllt.

Liebe Schwestern und Brüder!
Wir dürfen uns nicht an das Kreuz gewöhnen.
Deshalb wollen wir es grüßen, wenn wir eines sehen.
Deshalb wollen wir dem Herrn danken, wenn ein Kruzifix in unser Blickfeld gerät.

Wir wollen das Kreuz und den Gekreuzigten ehren. Nicht nur heute in der Liturgie. Sondern immer mehr...

737. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Soeben haben wir die Leidensgeschichte Jesu gehört. Gleich werden wir den Herrn, der für uns am Kreuz gelitten hat, verehren.

Das Leiden – für Außenstehende wirkt dieser Umgang der Christen mit dem Leid fremdartig.
Es gibt Menschen, die die Kreuze aus den Schulklassen und öffentlichen Gebäuden verbannt wissen möchten, weil sie den Anblick eines Leidenden nicht mit ansehen können.
Manche werfen den Christen sogar eine leibfeindliche, ja sadomasochistische Ideologie vor, weil der Gekreuzigte für uns eine so hohe Bedeutung hat.

Was können wir darauf entgegnen?
Nun zuallererst: Wir Christen freuen uns nicht über das Leid. Wir suchen nicht das Leid. Vielmehr versuchen Christen in aller Welt durch ihren caritativen und politischen Einsatz unnötiges Leid in der Welt zu verhindern und zu lindern.

Aber wir Christen wissen auch: Das Leid gehört unweigerlich zum Leben dazu. Eine leidlose Welt ist ein Hirngespinst.
Ein Hirngespinst einer Gesellschaft, die realitätsfremd geworden ist.
Einer Gesellschaft, die das Leid nicht wahrhaben will.
Einer Gesellschaft, in der Wellness, Fitness und Gesundheitswahn zum Götzen erhoben werden.
Alles tut sie um das Leid auszumerzen.
Aber das Leid lässt sich nicht endgültig ausmerzen. Das Leid wird bleiben.
Wenn aber das Leid nicht weggeschafft werden kann, dann müssen eben die Leidenden weg.
Am besten verhindert man schon vor der Geburt, dass Leid zutage trete. Abtreibung von kranken Kindern gibt es auch in unserem Land. Zigfach.
Tritt das Leid im Alter auf, dann ist für viele die Euthanasie die Lösung. Wehe uns, wenn in Deutschland schweizer oder höllandische Verhältnisse erlaubt werden.

Viele in der Gesellschaft rufen:
„Leiden – das kann man uns doch nicht zumuten.
Leiden – das ist doch viel zu kostspielig für unser Gesundheitswesen.
Leiden – das ist doch kein Leben mehr.“
Wir Christen fragen: „Wann ist Leben kein Leben mehr? Wer bestimmt denn, wann das Leben noch lebenswert ist und ab wann lebensunwert?“
Wenn wir Menschen uns als Richter aufspielen in diesen Fragen, dann gnade uns Gott.
Das Spiel mit den Begriffen „lebenswert – lebensunwert“ hat in unserem Land schon einmal verhängnisvoll geendet. Zwischen 1933 und 1945. Soll das wiederkommen? Soll Hitlers Wahn fröhliche Urständ feiern?

Wir verehren gleich das Kreuz und den Gekreuzigten.
Wir sehen nicht weg, wo das Leid in unsere Welt bricht. Wir schauen es an.
Wir schaffen die Leidenden nicht fort. Wir stellen DEN Leidenden in unsere Mitte.

Wir Christen haben das Kreuz zu unserem Erkennungszeichen gemacht, weil wir wissen,
dass das Leid zu unserem Leben gehört,
dass uns in den Leidenden Christus begegnet,
dass wir durch das Leiden des Gottessohnes erlöst worden sind,
dass in seiner Auferstehung das Leid nicht das letzte Wort hat.

738. Predigtvorschlag

Das Bild des Königs ist das Bild

Pilatus, der römische Statthalter in Jerusalem, hat am Kreuz ein Schild mit der Aufschrift anfertigen lassen: Jesus von Nazareth, der König der Juden (vgl. Joh 19,19). Jesus ist der König. So hat er es auch vor Pilatus bezeugt: „Ich bin ein König“ (Joh 18,38). Für Christus, den König der Menschen, steht aber als Sinnbild oder Symbol nicht ein Löwe oder ein Adler oder ein anderes Tier, das Stärke und Überlegenheit ausdrückt. Christus rufen wir an als das Lamm Gottes. Das Sinnbild für Jesus ist das geopferte Lamm. Ein Lamm wehrt sich nicht, wenn es zum Schlachten geführt wird. Das Lamm vergießt sein Blut, das für Israel zum Bundesblut wird (vgl. Ex 12,7.13). Das Lamm, das Christus ist, wird geopfert, ja opfert sich selbst, damit die Sünde der Welt hinweggenommen wird (vgl. Joh 1,29.36).
Wie können wir in heutiger Zeit diese zentrale Botschaft vermitteln? Was kann uns helfen, tiefer zu verstehen, was uns das sagen will: Christus ist König – und Christus ist das Lamm Gottes? Ist das nicht ein Widerspruch, der sich selbst aufhebt? Ist das nicht vielleicht ein mythisches oder sogar romantisches Bild, das man besser hinter sich lassen sollte? Was kann man dazu sagen?

Da ist es gut, wenn es eine Hilfe gibt, sich dieser Wahrheit des Glaubens neu zu nähern. Eine solche Möglichkeit gab es im Heiligen Jahr 2000. In diesem Jahr gab es in Turin in Italien eine eigenartige und äußerst seltene Ausstellung: ausgestellt wurde das sogenannte Leichentuch Jesu. Der Stoff, in den der Überlieferung zufolge der Leichnam Jesu nach seiner Kreuzigung hineingelegt wurde. Auf bisher unerklärliche Weise hat sich das Bild eines gekreuzigten Mannes auf diesem Tuch abgebildet.
Weil mich diese Ausstellung interessierte, bin ich damals nach Turin gefahren. Was ich da erleben konnte, war anders, als ich es mir vorgestellt hatte.
Von einem Leichentuch Jesu hat man über die ersten Jahrhunderte der Kirchengeschichte nichts gehört. Doch der Grund dafür ist ziemlich einfach: Man hat zunächst große Scheu gehabt, dieses Bild, so wie es ist, den Menschen zu zeigen. Es ist zu direkt, zu offen, zu grausam. Darum hat man das Tuch so gefaltet, daß nur noch das Haupt zu sehen ist. In einem kunstvollen Rahmen hat man das Antlitz Christi zur Verehrung ausgestellt.
Als im Heiligen Jahr in Turin die Ausstellung war, durfte ich, wie auch die anderen, nicht sofort in den Dom hinein, um mir das Tuch anzuschauen, so wie ich zunächst vermutet hatte. Erst einmal mußte man sich anmelden und dann nach der Anmeldung zu einem längeren Weg aufbrechen. Am Anfang dieses Weges war ein großes weißes Zelt. In diesem Zelt war Gelegenheit zur eucharistischen Anbetung und zur Beichte.

Das war schon ein wichtiges Zeichen: um die Botschaft, die in diesem Bild enthalten ist, wirklich annehmen zu können, muß man sich innerlich darauf einstellen, muß ich mich vorbereiten. Gott zwingt niemanden; er setzt meinen freien Willen und meine menschlichen Möglichkeiten, die ich habe, nicht außer Kraft. Sondern er traut mir zu, mich zu ändern, meinen Sinn neu zu ordnen. Er mutet mir die Umkehr zu.
Danach wurde man in kleinen Gruppen auf einen Weg geschickt. Dort konnte man sich auf die Botschaft vom Leben Jesu und seiner Botschaft einlassen. Wie viele Menschen haben wohl auf diesem Weg zum ersten Mal oder seit langem wieder von Jesus gehört? Dann war etwas über die Geschichte des Grabtuches zu erfahren, und am Schluß wurde man in einer Diaschau mit den Besonderheiten des Grabtuches vertraut gemacht. –
Alles das diente der Vorbereitung auf die Begegnung mit diesem einzigartigen Bild. Man wurde also wirklich gut vorbereitet, so daß die Ausstellung kein Spektakel war, keine Sensation, sondern ein geistlich-geistiges Ereignis.
Und dann stand ich im Halbdunkel des Domes vor diesem Bild, und da kamen mir die Worte in den Sinn, die Pilatus sprach, als er Christus, als Spott-König mit Dornenkrone und Purpurgewand ausstaffiert, der haßerfüllten Masse präsentierte: „Seht da, den Menschen!“ (Joh 19,5). Und ich dachte mir: Genau das ist es. Das Bild des mißhandelten, getretenen und am Kreuz gestorbenen Christus ist das Bild des Menschen heute.

Nie zuvor wie in den vergangenen 100 Jahren wurde der Mensch ja so sehr getreten, mißhandelt und seine Würde in den Schmutz getreten. Und darum, glaube ich, gibt es kein tieferes und wahreres Bild vom König als dieses Bild auf dem Leichentuch Christi. Weil es nicht nur ein Bild vom Leiden Jesu vor 2000 Jahren ist, sondern auch ein Bild vom Leiden und von der Entehrung des Menschen heute.
Dieser Gedanke kann schon bedrücken und den, der darüber nachdenkt, mutlos machen. Doch eine Sache ist da, die auch wichtig ist im Blick auf diese wertvollste Ikone, die die Christenheit heute besitzt: der Gedanke nämlich, daß ja im Laufe der Jahrhunderte all die großen Städte und steinernen Gebäude, all die wertvollen Gefäße, in denen das Grabtuch aufbewahrt wurde, inzwischen zerstört und nicht mehr da sind.
Bis dahin, daß vor acht Jahren ein verheerender Brand in der Grabtuchkapelle wütete und daß dieses Leinentuch erst in allerletzter Minute durch den Einsatz eines Feuerwehrmannes gerettet werden konnte. Mitten im Rauch und in den Flammen schlug er mit übermenschlicher Kraft mit seinem Vorschlaghammer immer und immer wieder auf das fünffache Panzerglas ein, bis er es zerborsten hatte und das Tuch in letzter Minute vor den Flammen retten konnte. Alle Gebäude sind dahin, aber dieses dünne Stück Stoff hat alle Zeiten überdauert. - Könnte das nicht ein Zeichen sein, das Gott uns gibt und in dem er uns zeigen will, daß nur die Gemeinschaft mit dem leidenden und auferstandenen Christus uns rettet?

Heute feiern wir den Karfreitag und schauen auf das Bild des getretenen, geschlagenen und gekreuzigten Christus. Christus, der für uns leidet und stirbt, läßt uns in jedem leidenden, kranken, gedemütigten und hilfsbedürften Menschen Sein Antlitz erkennen. Christus, dessen Tod wir heute feiern, öffnet aber auch unseren Glauben an Gott, der nicht zuläßt, daß Leiden und Tod das letzte Wort haben. Nicht der Tod hat das letzte Wort, sondern die Liebe Gottes. In dieser Liebe geborgen, gehen wir auf Ostern zu, auf das Ostern der Auferstehung Jesu und auf das Ostern unserer eigenen Auferstehung, der Auferstehung der Menschen aus Leid, Schmerz und Tod.

739. Predigtvorschlag

"Ist Gott die Liebe - oder?"

Liebe Schwestern und Brüder!

Bei dem Lied "Strenger Richter aller Sünde" habe ich immer noch ein schlechtes Gefühl. Zu sehr haben wir uns an das Bild des gütigen Vaters gewohnt, das uns Christen ja auch von allen anderen Religionen unterscheidet.

Das Wesen Gottes ist die Liebe. Das hat Papst Benedikt in seiner ersten Enzyklika ausdrücklich betont - und dabei auch einen kurzen Blick auf die anderen Religionen, vor allem den Islam, geworfen. Ihnen ist dieses Bild des liebenden Gottes fremd, ja, sogar unangenehm. Denn ein liebender Gott ist in ihren Augen auch ein schwacher Gott.

Ja, Gott ist in bestimmter Hinsicht schwach. Er verzichtet auf seine große Macht und wird Mensch; und auch als Mensch verzichtet er auf das bisschen Gewalt, das er noch hat, und lässt sich willig wie ein Lamm zur Schlachtbank führen. Gott erscheint nicht mehr als Gott, ja, noch nicht einmal mehr als Mensch, sondern als Lamm. Wehrlos.

Gott ist wehrlos in seiner Liebe. Denn Liebe bedeutet, den anderen nicht zu etwas zu zwingen. Auch nicht zum Guten zu zwingen, nicht zur Einhaltung der Gebote zu zwingen, vor allem nicht zur Liebe zu zwingen. Wer lieben will, der kann nur werben, nur hoffen und selbst - immer wieder - lieben. Keine Liebe wirbt mehr, zeigt mehr von ihrer Ernsthaftigkeit, als wenn sie bereit ist zu leiden. Wer seinem Geliebten oder seiner Geliebten zuliebe bereit ist, zu verzichten. Ob es das frühe Aufstehen ist, Frühstück ans Bett zu bringen oder sogar auf eine berufliche Karriere zu verzichten: Liebe beweist ihre Größe darin, auch das Leid in kauf zu nehmen.

So ist Gott derjenige, der die größte Liebe hat und zeigt: Er umwirbt uns Menschen und ist bereit, für seine Liebe zu uns zu sterben. So sehr hat Gott den Menschen geliebt, dass er seinen eigenen Sohn hingibt, damit wir das Leben haben.

Aber wir dürfen uns nicht täuschen und glauben, dass es nun egal ist, wie wir sind - Gott liebt uns doch sowieso. "Lach doch, Gott liebt dich. Bleib ruhig, wie Du bist." ist nicht nur lieblos - sondern auch gefährlich.

Es ist gefährlich, weil Gottes Liebe ja eine werbende Liebe ist - ein Liebe, die uns zur Gegenliebe bewegen will. Gott will uns selbst liebesfähig machen. Er will unseren Blick erheischen, uns erwärmen und sich ähnlich machen. Wer diesem werben widersteht, so heißt es, "ist schon gerichtet".

Gott ist in seiner Liebe auch der Richter. Aber wir selber sprechen uns das Urteil, indem wir antworten oder uns abwenden. Diejenigen, die sich nicht anrühren lassen, "haben ihren Lohn bereits erhalten", "sprechen sich selbst das Urteil". Gott in seiner bedingungslosen Liebe ist so wehrlos und liebevoll, dass es keine Rettung mehr gibt für den, der dieser Liebe entsagt. Wer sich von diesem Gott nicht anrühren lässt, ist tot.

Weil Gottes liebe so groß ist, ist auch seiner Gericht endgültig. Es gibt keine Rettung für den, der sich Gottes Werben gegenüber auch noch den geringsten Anflug von Sympathie verbietet.

Wer sich davon anrühren lassen kann, dass ein Mensch ihn liebt, kann gerettet werden. Wer sich erst dann erwärmt, wenn dieser Mensch seine Liebe beweist - und sei es durch Verzicht, Opfer, oder Leiden - auch der kann noch zu Leben erweckt werden. Wer aber selbst dann, wenn Gott selbst liebt, leidet und für ihn stirbt, nur noch Spott und Verachtung übrig hat, der verfehlt das Leben - für immer. Gott ist der "strenge Richter", ja, weil er die größte Liebe ist, die es gibt.

Gott ist die Liebe - er will nicht unser Gehorsam, nicht unseren Dienst und nicht unser Leben. Er will, dass wir werden wir er: Liebende Wesen. Amen.

740. Predigtvorschlag

Zum Film "Die Passion Christi"

Liebe Schwestern und Brüder, in letzter Zeit hat der Film "Die Passion Christi" für viel Aufsehen gesorgt. Neben vielen, die den Film in den höchsten Tönen loben, gibt es zahlreiche Stimmen, die sich gegen diesen Film wenden - zum Beispiel in unserer Kirchenzeitung, «Kirche und Leben».

Dabei werden hauptsächlich drei Vorwürfe laut:

  • Zunächst der Vorwurf, der Film sei Anti-Semitisch (oder besser: Anti-Judaistisch), - oder zumindest, so Kardinal Lehmann, leicht für den Antisemitismus zu instrumentalisieren,

  • dann der Vorwurf, der Film sei unnötig brutal und deshalb eher abstoßend, er schaffe Distanz anstatt Mitleid,

  • und zuletzt der Vorwurf, der Film verkürze die Botschaft des Glaubens auf das Leiden und Sterben Jesu und blende das Leben und die Predigt Jesu vollkommen aus.

Nun, die Vorwürfe sind eigentlich schnell entkräftet:

  • Wer einmal in unser Glaubensbekenntnis aufmerksam geschaut hat, wird feststellen, dass dort anscheinend das Leben Jesu ebenfalls ausgeblendet wird: Nach dem Glaubenssatz "Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria" folgt unmittelbar "gelitten unter Pontius Pilatus". Die Kritiker, die dem Film eine Verkürzung der Botschaft unseres Glaubens vorwerfen, müssten dann auch unser Glaubensbekenntnis ablehnen. Tatsächlich ist es aber so, dass jede Predigt und jedes Wunder Jesu erst durch sein Leiden, Sterben und Auferstehen gefüllt wird.

  • Der Vorwurf, der Film sei zu brutal, ist natürlich zunächst Ansichtssache; tatsächlich sind einige Szenen, vor allem die der Geißelung, fast unerträglich. Aber Fakt ist auch, dass der Regisseur die Misshandlungen, die durch die Evangelien oder durch das Grabtuch von Turin belegt sind, deutlich abgemildert hat. Die Wirklichkeit war noch härter als das, was wir im Film zu sehen bekommen.

  • Der dritte Vorwurf wird inzwischen kaum noch erhoben: Dass der Film antijudaistisch sei. An mehreren Stellen hat der Regisseur Szenen hinzugefügt, die deutlich machen, dass es viele Juden (auch Mitglieder des Hohen Rates) gab, die sich dem Diktat des Kaiaphas widersetzten.

 

Trotzdem bleibt beim Betrachten des Filmes ein seltsames Gefühl. Daher rühren vermutlich die immer wieder vorgebrachten, eigentlich unpassenden Vorwürfe. Irgendetwas stimmt mit uns nicht, wenn wir diesen Film anschauen. Eine Jugendliche hat es mit der Frage auf den Punkt gebracht: "Warum dreht jemand so einen Film?"

Warum dreht jemand so einen Film? Vielleicht meinte Markus Nolte, der Schreiber in unserer Kirchenzeitung, diese Frage, als er seinen Artikel titelte: "Viele wichtige Fragen - und keine Antworten".

Dabei ist das, was der Film zeigt, ur-katholisch. Auch wir treffen uns zu Kreuzwegandachten und Passionsspielen, um die Leiden Christi zu betrachten. "Betrachten", das heißt anschauen, hinschauen, vor Augen halten, wie es war. Und es war eben kein Picknick. Aber was antworten wir, wenn wir gefragt werden, warum wir das tun? Das Leiden Christi betrachten?

Ich habe einmal in den Vorlagen zu den Jugendkreuzwegen oder den Vorschlägen zu den Kreuzwegandacht von Misereor geblättert und festgestellt, dass wir genau das nicht mehr tun: Das Leiden Christi betrachten. Vielmehr wird unsere Aufmerksamkeit immer sofort vom Leiden des Herrn weitergelenkt - auf die Leiden in dieser Welt, die Ungerechtigkeiten, die Ausbeutungen, unsere eigenen Verfehlungen und Kreuzwege. Wir haben, angeleitet durch verfehlte Vorlagen, verlernt, den Sinn im Leiden Jesu zu sehen. Und deshalb sehen wir auch keinen Sinn darin, wenn Mel Gibson die Leiden Jesu nun verfilmt hat.

Warum beten wir den Kreuzweg? Und warum ist es - entgegen der Empfehlung unserer Kirchenzeitung - hilfreich, durch diesen Film das Leiden Jesu an sich heranzulassen?

Weil Jesus für mich gelitten hat. Alles, was er ertragen musste, hat er für mich getan. Wäre ich der einzige Mensch auf der Welt - Jesus hätte alles das dennoch erlitten, um meine Schuld abzubüßen. Und deshalb, weil es nicht irgendein Leiden ist, sondern mein Leiden, Leiden für mich, darf ich die Augen nicht verschließen. Um meine Dankbarkeit zu diesem Jesus nicht erlahmen zu lassen, um die Größe seiner Tat zu begreifen, um seine Liebe zu erkennen, muss ich sehen, was er erlitten hat.

Das ist es, was wir verlernt haben, was wir nicht mehr begreifen, was unsere Kreuzwegandachten nicht mehr hergeben und was in unserer Kirche nicht mehr gepredigt wird: Ich habe verschuldet, was Jesus gelitten. Und obwohl ich es verdient hatte, so zu leiden, hat Jesus es an meiner Stelle getragen - aus Liebe zu mir, freiwillig.

Und weil wir davor die Augen verschließen, erscheint der Film uns so unerträglich.

"Viele wichtige Fragen - und keine Antworten": So sollte man sinnvollerweise nicht den Film betiteln, sondern unsere Verkündigung.

Liebe Schwestern und Brüder, wir glauben immer noch mehrheitlich, Gott würde uns verzeihen, indem er einmal kurz seufzt und dann sagt: "Na, Kinder, ist schon gut. Ich werde Euch halt noch einmal vergeben." Und er fügt nicht hinzu: "Aber das ist das letzte Mal!" weil er eben nicht anders kann - glauben wir.
Aber dass Gott diese Vergebung etwas kostet, nämlich das entsetzliche Leiden seines Sohnes, das wollen wir nicht wahrhaben.

Kennen Sie den Schmerz, der Sie trifft, wenn jemand, den Sie lieben, Sie schamlos ausnutzt, Ihre aufrichtige Liebe lächerlich macht und verachtet? Nun, Gott empfindet viel tiefer, denn seine Liebe ist tiefer - und wir nutzen sie trotzdem aus, verachten sie, verhöhnen sie und nehmen seine Angebote zur Versöhnung und Umkehr nicht wirklich wahr.

Könnten wir nur annähernd begreifen, was es für Gott bedeutet, unsere Lieblosigkeiten zu ertragen und seinen Schmerz immer neu in Liebe zu wandeln, wir würden eher sterben wollen, als noch einmal zu sündigen.

«... wir würden eher sterben wollen, als noch einmal zu sündigen.» Das ist die Antwort, die Markus Nolte im Film nicht gefunden hat: Gott hat lieber sterben wollen, als uns in der Sünde zu belassen.

Ich empfehle allen, die sich dieser Herausforderung stellen wollen, sich den Film "Die Passion Christi" anzuschauen. Vielleicht sprechen Zeitgründe, organisatorische oder familiäre Gründe dagegen. Aber auf keinen Fall sollten wir den Film deshalb meiden, weil wir uns weigern, das anzuschauen, was wir verschuldet haben.

Amen.

741. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Wie sehr Jesus Christus wirklich gelitten hat, können wir kaum nachvollziehen. Überhaupt fällt es uns bei einem anderen Menschen schwer, dessen Leid zu ermessen.
Trotzdem möchte ich einmal ganz vorsichtig die ungewohnte Frage stellen, ob nicht andere Menschen, zu anderen Zeiten der Geschichte, mehr gelitten haben als Jesus Christus.
Wer heute in die Weltgeschichte schaut, die Leidensgeschichten von Kriegsflüchtlingen betrachtet, auf die Opfer von Hungersnöten und Epidemien schaut, der sieht oft nicht-enden-wollendes Leid. Und trotz unserer modernen Medizin leiden Menschen heute immer noch, oft jahrelang, auch in unserer westlichen Welt, an den neuen Geißeln der Menschheit: Krebs, Unfälle und andere heimtückische Krankheiten. Wir brauchen uns von diesen Schicksalen gar nicht einmal die schlimmsten herausnehmen, um zu dem Schluss zu kommen, dass diese Menschen oft weitaus größeres Leid zu tragen haben, als der Tod am Kreuz es gewesen ist.

Liebe Schwestern und Brüder, unser Leben ist kein gleichmäßiger, ruhiger Fluss, der sich stetig von den Höhen der Jugend bis zu den Niederungen des Alters bewegt. Unser Leben hat, egal wie lange es dauert, immer wieder Höhen und Tiefen. Den glücklichen, erfüllten Momenten, voller Freude und Zuversicht, stehen Zeiten der Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit gegenüber. Besonders bedrückend ist es, wenn solche Momente sich sehr abrupt abwechseln; wenn Geburt und Tod nahe bei einander liegen. Wer kann schon solche Höhenunterschiede in kurzer Zeit verkraften?

Von Gott allerdings, so glauben wir, gibt es keine Veränderung. Er ist heute, gestern und in Ewigkeit derselbe. Der «unbewegte Beweger» so sagen die Philosophen. Der Schöpfer der Welt und allen Menschen gleich liebevoll gesonnen.

Größer könnte der Unterschied zwischen Gott und Mensch kaum gedacht werden. Aber unser Gott ist nicht so ferne geblieben. Er thront nicht auf den höchsten Höhen und blickt mit Mitleid und Unverständnis auf unsere Sorgen. Gott liebt uns so, dass er seinen eigenen Sohn gesandt. Und Jesus Christus, Gott an Herrlichkeit gleich, hielt an dieser Herrlichkeit nicht fest, sondern hat sich zu uns herabgelassen. Ja, er wurde uns nicht nur gleich, sondern sogar noch viel niedriger als wir Menschen üblicherweise sind: Er wurde zu den Verbrechern gezählt und hingerichtet.

Die Größe des Leids, liebe Schwestern und Brüder, liegt nicht in der Tiefe und in der Dauer des Leides. Auch die Schmerzen können wir nicht messen. Die Größe des Leides liegt im Höhenunterschied, den das Leben von uns abverlangt. Der eigentliche Schmerz liegt in der Talfahrt von den Höhen des Lebens hinab. Ja, das eigentliche Leid liegt genau darin: Dass Hoffnungen sich zerschlagen; dass Freude so abrupt enden kann; dass wir uns sagen: Es hätte doch so schön kommen können, und jetzt das.

In diesem Sinne hat Jesus Christus wirklich mehr gelitten als jeder andere von uns, ist tiefer gesunken und hat mehr verloren, unendlich viel mehr.

Was heißt dann aber Trost? Worin besteht Trost? Wie geht es, solches Leid auszuhalten, nicht zu verzweifeln oder zu resignieren?

Das kann nur der, der alles umfangen hält. Der in den Niederungen des Lebens noch einen Blick für die Höhen hat. Der aufschauen kann, woher er gekommen ist und wohin es wieder geht. Der sich vorstellen kann, die nächsten Höhen wieder zu erreichen. Oder der zumindest die Hoffnung auf die endgültigen Höhen des Himmels nicht verliert.

Wenn wir Leid so sehen und zu begreifen versuchen, dann können wir wirklich auf diesen Schmerzensmann schauen und darin Trost finden. Jesus ist von den Höchsten Höhen, von der himmlischen Herrlichkeit herab in die größte Not, von Gott und den Menschen verlassen zu sein, gesunken. Er hat mehr verloren und mehr Leid ertragen, als je ein Mensch dies konnte. Aber er hat alles dies getan, weil er in jedem Augenblick wusste, wofür er es tut: Für uns. Für jeden Einzelnen von uns. In jedem Augenblick seines Hinabsteigen wusste er, dass er uns damit den Weg nach ganz oben eröffnet. Er hat nie den Blick verloren für die endgültige Höhe Himmels, in die Gott ihn und auch uns erhöhen wird. Deshalb finden wir Trost in seinem Leiden, auch wenn wir manchmal meinen, unseres sei größer. Amen.

742. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Es ist noch nicht lange her, als durch unser Land die Diskussion um das Kreuz in den Schulen ging. Ausgelöst wurde diese Diskussion durch einige Eltern, die ihren Kindern das Kreuz als täglichen Anblick nicht zumuten wollten; weil das Kreuz als religiöses Abzeichen die Freiheit der Weltanschauung gefährde.

Nun, die Diskussion will ich hier nicht wieder aufrollen. Viele Argumente wurden damals genannt und ausgetauscht. Im Nachhinein hat mich allerdings überrascht, dass der eigentliche Anstoß des Kreuzes überhaupt nicht wahrgenommen wurde. Denn das Kreuz sollte ja nicht entfernt werden, weil es zu grausam wäre, zu brutal, für Kinder ungeeignet. Oder weil der Glaube, der dahintersteht, zu abstrus und zu veraltet ist. Oder weil die Eltern mit diesem Jesus nichts zu tun haben wollten.

Nein, das Kreuz sollte entfernt werden, weil in ihm ein Symbol für die christlichen Kirchen gesehen wurde. Mehr nicht. So, wie ein Firmenlogo für ein Produkt steht. Und mit dieser Firma will man nichts zu tun haben. In der Schule darf ja keine Firma irgendeine Art von Werbung anbringen. Und gleiches Recht für alle: Dann darf das die Kirche auch nicht.

Das Kreuz - ein eingetragenen Warenzeichen der Firma Jesus & Co.! Wenn das auf den ersten Blick etwas seltsam klingt, dann wollen wir einmal einen zweiten Blick darauf werfen.

Mit Kreuz und Glauben verbinden viele vor allem die Kirche mit ihrem Bodenpersonal - und nicht den, der daran hängt: Jesus Christus.

Die Kirche als menschliche, fehlerbehaftete Einrichtung ist in aller Munde, garantiert hohe Einschaltquoten bei heißen Talkrunden und bietet immer genügend Gesprächsstoff.

Der eigentliche Inhalt unseres Glaubens aber geht verloren. Es nimmt so gut wie keiner Ärgernis an der Tatsache, dass wir überhaupt an einen gekreuzigten Gott glauben. Es stößt sich keiner an unseren Glauben an einen so menschlichen Gott, obwohl das doch eigentlich gar nicht geht - Gott und Mensch in einer Person.
Nur die wenigsten stören sich an den seltsamen Glauben, dass wir den Leib und das Blut Jesu zu uns nehmen. Und kaum einer erklärt den Glauben an den einen - aber dreifaltigen Gott für widersinnig... und so weiter.

Und weil uns keiner solche Fragen stellt, brauchen wir auf diese Fragen nicht zu antworten - und wissen dann nach einiger Zeit auch gar nicht, wie die Antwort denn lauten würde.

Aber gerade in diesen Fragen offenbart sich der Kern unseres Glaubens. Das Kreuz ist keine Erkennungsmarke eines religiösen Vereins. Das Kreuz als solches ist wertlos! Wir verehren es, weil Jesus daran gehangen hat. Er ist wichtig, er ist die Mitte. Auf ihn sollte sich eigentlich das ganze Interesse richten. Die Kirche ist dagegen ziemlich unwichtig.

Ob die Kirchensteuer abgeschafft werden soll oder Priester heiraten dürfen ist absolut uninteressant für den, der zum Glauben finden will. Aber davon reden viele Christen am liebsten. Was macht das für einen Eindruck auf wirklich suchende Menschen?

Eigentlich ist die Kirche unwichtig. Aber die Leute schauen nunmal auf die uns, die Christen - und eben nicht in die Bibel. Wir, in dem, was wir reden, sind die Bibel der fast 70 % Nichtkatholiken in Deutschland.

Reden wir also bitte weniger von dem Verein, dem wir mit der Taufe beigetreten sind. Reden wir doch bitte mehr von der Person, mit der wir uns - hoffentlich - verbunden fühlen. Von Jesu Leben, von seinem Tod, seiner Auferstehung. Vom Kreuz, das die Brücke zum Leben ist. Vom guten Vater, der seinen eigenen Sohn für uns hingegeben hat. Von der Großartigkeit, Jesus in der Messe leibhaftig (!) zu begegnen. Von meiner eigenen Erlösung. Amen.

743. Predigtvorschlag

Ein zwanzigjähriger junger Mann hat folgenden Traum gehabt:

»Ich befand mich in einem Zimmer, in dem nichts war außer einem Regal voller Kästen mit Karteikarten. Sie ähneln den Karten, die man in Büchereien findet, auf denen Titel, Autor und Sachgebiet alphabetisch aufgelistet sind. Aber die Kästen hier, die vom Fußboden bis zur Decke reichten und zu rechten und linken kein Ende nahmen, waren in ganz unterschiedliche Rubriken eingeteilt. Als ich mich dem Regal näherte, erregte eine Box mit der Aufschrift "Mädchen, in die ich verliebt war" meine Aufmerksamkeit. Ich öffnete den Kasten und begann ein bisschen herumzublättern. Schnell schlug ich ihn wieder zu. Erschrocken stellte ich fest, dass mir all die Namen bekannt vorkamen.

Ohne, dass es mir jemand sagen musste, wusste ich genau, wo ich war. Dieser düstere Raum mit seinen Akten beinhaltete ein Katalogsystem über mein Leben. Hier war alles aufgeschrieben, Wichtiges und Unwichtiges, mit allen Details, an die ich mich gar nicht mehr erinnern konnte.

Verwunderung und Neugier überkamen mich gleichzeitig, als ich mit Schaudern anfing, planlos die Kästchen zu öffnen, um ihren Inhalt zu inspizieren. Einige brachten Freude und schöne Erinnerungen, bei anderen schämte ich mich so sehr, dass ich mich vorsichtig umdrehte, um zu sehen, ob mich jemand beobachtete. Der Kasten "Freunde" stand neben dem Kasten "Freunde, die ich enttäuscht habe". Die Aufschriften waren zum Teil ganz normal, zum Teil ziemlich absurd. "Bücher, die ich gelesen habe"; "Lügen, die ich erzählt habe"; "Ermutigungen für andere"; "Witze, über die ich gelacht habe".
Einige waren in ihrer Exaktheit schon fast witzig: "Worte, die ich meinem Bruder an den Kopf warf". Über andere konnte ich gar nicht lachen: "Dinge, die ich aus Wut getan habe"; "Beleidigungen, die ich im stillen meinen Eltern gegenüber aussprach". Immer wieder war ich über die Inhalte überrascht. Häufig fand ich viel mehr Karten vor, als ich erwartete, manchmal weniger, als ich erhoffte.
Die unglaublich Menge der Kästen überwältigte mich. Konnte es möglich sein, dass ich mit meinen 20 Jahren all diese Karten, bestimmt Tausende, wenn nicht sogar Millionen, ausgefüllt hatte? Jede Karte bestätigte diese Annahme. Sie wiesen alle meine Handschrift, sogar meine Unterschrift auf.

Der Kasten "Lieder, die ich angehört habe" war viel größer als alle anderen, fast drei Meter breit. Die Karten waren eng hintereinander angeordnet. Ich schloss ihn beschämt, nicht so sehr wegen der Qualität der Musik, sondern weil ich mir der immensen Zeitverschwendung bewusst wurde, die diese Rubrik deutlich machte.

Als ich die Aufschrift "erotische Gedanken" entdeckte, lief mir ein Schauder über den Rücken. Ich zog den Kasten nur ein Stück heraus, denn ich wollte die Größe gar nicht erst sehen, und nahm schnell eine Karte heraus. Innerlich zuckte ich zusammen bei den genauen Angaben darauf. Mir wurde schlecht, als ich daran dachte, dass auch solche Momente festgehalten waren.

Die Aufschrift eines anderen Kasten lautete: "Personen, denen ich von Gott erzählt habe". Die Griff dieses Kästchens war sauberer als die anderen drumherum, neuer, fast unbenutzt. Ich zog, und ein Kasten nicht länger als sein paar Zentimeter kam zum Vorschein. Ich konnte die Karten darin an einer Hand abzählen.

Mir kamen die Tränen. Ich fiel auf die Knie und weinte laut. Niemand, wirklich niemand darf jemals von diesem Raum erfahren! Ich muss ihn abschließen und den Schlüssel verstecken.

Dann, als die Tränen versiegt waren, sah ich ihn. Oh nein, bitte nicht er! Nicht hier. Nein, alles, aber bitte nicht Jesus!

Hilflos nahm ich war, dass er die Kästen öffnete und die Karteikarten durchlas. Als ich mich überwand und ihm ins Gesicht schaute, bemerkte ich, dass es ihn noch viel mehr schmerzte als mich. Intuitiv schien er die peinlichsten Kästen herauszunehmen. Warum musste er jede einzelne Karte lesen?

Schließlich drehte er sich um und sah zu mir herüber. Mitleid spiegelte sich in seinen Augen. Ich senkte meinen Kopf, hielt mir die Hände vors Gesicht und fing wieder an zu heulen. Er kam zu mir und legte den Arm um mich. Er hätte soviel sagen können - aber er schwieg. Er weinte mit mir.

Dann stand er auf und ging zurück zu dem Regal. Er begann an einer Seite des Zimmers, nahm jeden Kasten raus und fing an, meinen Namen durchzustreichen und ihn mit seinem eigenen zu überschreiben - auf jeder Karteikarte.

"Nein", schrie ich und rannte zu ihm herüber. Das einzige, was ich sagen konnte, war "nein, nein", als ich ihm die Karte aus der Hand zog. Sein Name sollte nicht auf dieser Karte stehen. Aber da stand er schon, mit blutroter Farbe. Nur sein Name war zu lesen, Jesus, nicht mehr meiner. Er hatte mit seinem Blut unterschrieben.

Schweigend nahm er die Karte zurück. Er lächelte traurig, während er weiter die Karten unterzeichnete. Ich weiß nicht, wie er das so schnell gemacht hatte, dann schon im nächsten Augenblick hörte ich den letzten Kasten zuklappen. Er legte seine Hand auf meine Schulter und sagte: "Es ist vollbracht".

(diese "Predigt" ist eine Kurzfassung der Geschichte "Die Lebensdaten-Kartei" von Joshua Harris)

744. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Was ist es, nach dem wir, nach dem sich alle Menschen im Grunde ihres Herzens zutiefst sehnen? Was ist eigentlich unser tiefster, eigener Wunsch? Wenn wir in uns selber einmal tief graben und all die oberflächlichen, vorübergehenden Antworten beiseite lassen, was finden wir dann? Das ganze Sehnen der Menschen dürfte darauf hinauslaufen, dass sie leben wollen. Zutiefst leben, erfüllt leben.

Alle Menschen sind, ob gläubig oder nicht, auf der Suche nach der Quelle des Lebens. Dort, wo sie dem in Reinform begegnen, unverdorben und lebendig.

Die Antwort, die wir Christen den Menschen geben, ist das Bild des Gekreuzigten. Ist ein Evangelium, in dem die Hauptperson qualvoll am Kreuz stirbt. Für die, die das Leben schlechthin suchen, eine unsinnige Antwort. Der moderne, aber sehnsuchtsvolle Mensch kann damit nichts mehr anfangen.

Klar zum Ausdruck gebracht hat das Hermann von Veen in einer kleinen Geschichte, in der Gott in ein Dorf kommt und dort das Gebäude einer Kirche entdeckt. Er besucht sie kurz, kann aber mit dem unerträglichen Bild des Gekreuzigten nichts anfangen, verwirft Kirche, Bücher und Kreuze und setzt sich lieber zu den Nicht-Christen auf die Parkbank in die Sonne. Eine Geschichte, die sich inzwischen in vielen Büchern und Heften findet. So denkt der moderne Mensch, so muss Gott sein. Voller Lebensfreude, abgewandt von allem Leid, das reine Vergnügen. Am liebsten würden wir uns auch in die Sonne auf eine Parkbank setzen, nicht in die dunklen, kalten Kirchen, und darauf warten, dass Gott sich zu uns setzt.

Gerade der unbändige Willen zum Leben, die rastlose Suche nach dem, was uns erfüllt, macht uns blind für die eine Wahrheit: Die einzige Brücke in den Himmel, der einzige Weg zum Leben, zur Erfüllung, zur Lebensfülle ist das Kreuz.

Der Mensch, der sich selbst von Gott, dem Spender allen Lebens entfernt hat um sich an andere, selbstgemachte Götter zu klammern, wird immer den Weg zurück zu Gott als schmerzlich erfahren. Es gibt keinen anderen Weg zur Freude: Wir müssen unsere Umklammerung von den trügerischen Wirklichkeiten lösen, so schmerzlich und wenig lebenserfrischend uns das scheint. Wie schwer das ist, die bloß vergänglichen Werte loszulassen, und wie viel Leid das kostet, sehen wir Tag für Tag in den Nachrichten: Krieg, Raub, Eifersucht, Mord und so weiter. Seit wir Gott aus den Augen verloren haben, klammern wir uns mit einer Brutalität an die kleinsten Nebensächlichkeiten, dass wir uns gegenseitig erdrücken.

Und hier geschieht, was Erlösung meint: Gott selbst ergreift die Initiative, nimmt uns das Leiden ab, erträgt es selbst. Wir sind es, die sich lösen müssen, um für Gott frei zu werden, aber Er ist es, der das Leid, das damit verbunden ist, und die Not und die Angst auf sich nimmt. Er zerreißt, wie auf dem Hungertuch zu sehen ist, den Vorhang zu Gott. Sichtbar ist der Gekreuzigte, der Gestorbene, der Gequälte, der unsere Qualen trug. In Ihm aber könne wir uns von unserer Vorliebe für das Vordergründige befreien lassen, in Ihm finden wir plötzlich das Leben in seiner bisher unerfahrenen Fülle. So seltsam es klingen mag: Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben.

Für die lebensdurstige, aber oberflächlichen Menschen ist dieses Bild des Gekreuzigten vielleicht Grund genug, um sich abzuwenden. Für uns ist es Bild der Erlösung. Es gibt keinen anderen Weg zum Leben, als den, den Jesus für uns gegangen ist. Und für uns ist es zum leichten Weg geworden, weil unser Gott ihn schon mit seinem Kreuz geebnet hat. Wer sich durch das Kreuz befreien lässt, der findet hier schon einen Vorgeschmack auf das Leben schlechthin, der all unsere Hoffnungen übersteigt.

Wer wirklich Ostern finden will, Ostern, das Fest der Auferstehung und des Lebens, findet es nur über Karfreitag. Und wer im Bild das Gekreuzigten bereits den Auferstandenen sieht, der ist bereits befreit mit Blick durch die Oberfläche hindurch auf die Fülle des Lebens.

745. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, die Liturgie vom Karfreitag stellt ein ganz besonderes Merkmal des Christlichen heraus: Die Aufnahme des Leides in die Feier der Liturgie.

Leid, so sollte man eigentlich meinen, kann man nicht feiern. Wenn Feiern etwas mit Freude zu tun hat, dann passen Feier und Leid nicht zusammen, denn das Leid ist doch das Gegenteil von Freude.

Leid und Krankheit meinen, dass etwas nicht mehr in Ordnung ist. Wenn unser Körper nicht mehr so ist, wie er sein sollte, dann sprechen wir von Krankheit. Die Ordnung, die das Leben ermöglicht, ist gestört; wir suchen den Arzt auf, damit er uns wieder in Ordnung bringt. Leider ist das nicht immer möglich.
Aber das gilt nicht nur für unseren Körper, sondern auch für unser ganzes Leben: Wenn Freunde sich nicht wie Freunde verhalten, wenn Familien zerbrechen, wenn Beruf oder Geld verloren gehen, dann wird dem Leben die Grundlage verwehrt. Die Ordnung geht verloren, wir sprechen vom Leid.

Leid und Krankheit haben gemeinsam, dass Ihnen der Sinn fehlt. Leben - das macht Sinn. Wir können Gutes tun, Freude empfinden, sind tatkräftig und frohgestimmt. Leid dagegen macht keinen Sinn: Wir sind zum Nichtstun verdammt, verlieren die Freude und die Tatkraft.

Leid macht keinen Sinn, und bis heute weiß kein Mensch, warum es Leid gibt in dieser Welt. Unordnung ist sinnlos, beeinträchtigtes Leben ist geschmälerter Sinn. Daraus gibt es kein Entrinnen.

Und tatsächlich ist dieser Gottesdienst von einer ganz eigenartigen Atmosphäre: Festlich, aber nicht freudig. Still, fast traurig, aber doch nicht trostlos.

Gerade darin liegt die Kraft des christlichen Leidens: Es ist getröstetes Leiden. Kein sinnloses Leiden mehr, das uns überfällt und lähmt. Christus nimmt das Leid an und trägt es.
Das Kreuz ist seit Jesus Christus kein Kreuz mehr, das unsere Pläne und Hoffnungen durchkreuzt, das Leben vernichtet und verhindert. Das Kreuz hat jetzt eine andere Bedeutung:

Es ist zur Brücke geworden, die uns mit Jesus verbindet.

746. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 0)

Liebe Schwestern und Brüder!

Folgende Szene. Sie fand vor ca. 12 Jahren in Vechta statt.
Ich sitze hinten im Klassenraum einer vierten Klasse. Erste Stunde. Die Lehrerin ruft die Kinder auf, sich andächtig zum Morgengebet hinzustellen. Alle suchen mit ihren Augen das Kreuz. Ein Kind betet vor. Das Gebet ist gerade mit dem Amen beendet, als es aus einem der Jungen herausplatzt:
„ Das Kreuz hängt viel zu tief. Und außerdem verdeckt das Rechtschreibhaus das Kreuz. Wir können das Kreuz gar nicht richtig sehen. Aber wenn wir das Kreuz sehen, können wir viel besser beten.“
Allgemeine Zustimmung der Klasse. Die Kinder drängen, das Kreuz umzuhängen. Ein paar Tage später hängt das Kreuz vorne, gut sichtbar neben der Tafel.

Der Ruf der Kinder „Wir wollen das Kreuz sehen!“ - Dieser Ruf löste damals in mir ein Gefühl der Freude, aber auch eine Art der Genugtuung aus. Das „Wir wollen das Kreuz sehen“ der Kinder erscholl schließlich relativ kurz nach dem sogenannten Kruzifixurteil.

Der Ruf der Kinder „Wir wollen das Kreuz sehen!“ - Dieser Ruf kommt mir wieder in den Sinn, wenn ich an das heutige Fest denke:
Kreuzerhöhung.

Möglicherweise haben die Menschen damals in Jerusalem auch so geschrien: „Wir wollen das Kreuz sehen.“ Damals am 14. September 355 nach Christus. Am Tag zuvor hatte man die Basilika über dem Heiligen Grab in Jerusalem eingeweiht.
Und in dieser Basilika wurde den Gläubigen zum ersten Mal das Heilige Kreuz gezeigt, erhöht, um es zu verehren.
Die Gläubigen damals in Jerusalem wollten das Kreuz sehen, weil sie fest davon überzeugt waren, daß dieses eine Kreuz, DAS Kreuz war, das Kreuz an dem der Herr zu ihrem Heil gestorben war.

Die Frage, ob es sich wirklich um das Kreuz Jesu handelte, ist müßig, und für mich auch nicht so entscheidend.

Wenn Kinder heute noch rufen: „Wir wollen das Kreuz sehen!“, dann geht es nicht vornehmlich darum, die echte Reliquie zu sehen. Denn das Kreuz im Klassenzimmer ist wirklich nicht das echte Heilige Kreuz. Es war und ist nicht einmal besonders künstlerisch wertvoll, dieses Kruzifix.

„Wir wollen das Kreuz sehen!“ - Die Menschen in Jerusalem damals, die Kinder in der Schule, sie rufen nach dem Kreuz, weil sie in diesem Zeichen etwas sehen, oder zumindest etwas erahnen, was für ihr Leben von besonderer Bedeutung ist.

Der Anblick des Kreuzes ist etwas, aus dem man Kraft schöpfen kann.
Der Anblick des Kreuzes ist etwas, was Leben verspricht, trotz und in einer lebensfeindlichen Welt.
Der Anblick des Kreuzes ist etwas, das im ganzen Un-heil der Welt Heil zuspricht, das bleibt.

Wie die Israeliten in der Wüste, erschöpft von der Wanderung und lebensgefährlich geplagt von Giftschlangen, im Anblick der kupfernen Schlange am Fahnenmast Rettung fanden, so kann uns der Blick auf das Kreuz Stärkung sein.

747. Predigtvorschlag

Die Kirche als Schiff und Arche des Heils

Menschen früherer Generationen kamen zeit ihres Lebens kaum über die Grenzen ihres Geburtsortes hinaus. Noch für unsere Eltern und Großeltern war eine Reise, vor allem eine, die über mehrere Tage oder gar Wochen ging, etwas Außergewöhnliches. Es mußte schon ein ganz wichtiger Anlaß vorliegen, seine Sachen zu packen und loszugehen - Reisen bedeutete ja meistens, sich zu Fuß aufzumachen.
Wie großartig mußte es dann einem antiken Menschen vorkommen, wenn er einmal in einem Hafen stand und zusah, wie ein großes Handelsschiff majestätisch heranfuhr, wie der Wind die Segel blähte und die Mannschaft überglücklich war, nach gefährlicher Fahrt den sicheren Hafen erreicht zu haben?
So nimmt es denn nicht wunder, wenn das Bild des Schiffes, das über dem Meer dahinfährt, seit alters her als Sinnbild und Symbol für die Kirche genommen wurde. Aber dieses Bild war nicht in erster Linie Ausdruck einer Reisesehnsucht oder eines Fernwehs. Sondern dieses Bild nahm wohl zunächst Maß an einem biblischen Vorbild, und zwar aus dem Alten Testament: an der Arche Noah, die in der zerstörerischen Flut die Menschen und Tiere rettet, die Gott für das Heil auserwählt hat. In dieser Arche aus Holz, die nach Gottes Anweisung und Plan vom gottesfürchtigen Noah zusammengebaut wurde, erkannten die Christen schon der frühen Kirche einen ganz starken und deutlichen Hinweis auf die eigene Situation: Ja, auch wir sind in dieser Welt dem Untergang geweiht, wenn wir nicht Zuflucht suchen zu diesem Boot, das aus einem besonderen Holz erbaut wurde.
Und dieses Holz, das das Material bietet für die rettenden Planken, war nichts anderes als das Kreuz Jesu Christi.
Wir sehen also, wie zentral wiederum das Geheimnis des Kreuzes auch für dieses Glaubenssymbol ist und wie prägend es das Bild der Kirche ausformt. Die Arche des Heils, in der wir Zuflucht finden, ist die Kirche. Sie allein kann uns in dieser Zeit Rettung und Geborgenheit bieten. Und die Kirche kann nicht sein ohne das Kreuz Christi. Sie wäre nicht wahre Kirche, würde sie das Kreuz mißachten. – In dem Bild der Arche und des Schiffes ist somit auch eine deutliche Kritik gegen alle Abwertung des Kreuzes und des Sühneleidens Christi, wie es immer wieder die Gnosis, eine gewaltige und gefährliche Strömung bis heute, und wie es verschiedene Irrlehrer versucht haben. Eine Irrlehre zum Beispiel behauptete, Jesus, der Sohn Gottes, habe zwar einen Leib angenommen, doch nur zum Schein, sonst wäre er doch nicht wirklich Gott geblieben, und folglich hätte er auch nur zum Schein gelitten.
Gegen diese Abwertung der Wirklichkeit in der Erlösung wendet sich auch die Rede von der Kirche als Schiff auf dem Meer dieser Zeit.
Und noch einen anderen Überlieferungsstrang gibt es, neben dem biblischen Vorbild der Arche, die das Bild des Schiffes in der antiken Welt so populär gemacht hat: die alte Sage von Odysseus, der auf seiner fantastischen Reise eine abgründige Gefahr meistern muß. Er muß nämlich dem verlockenden Gesang der Sirenen widerstehen, sonst zieht es ihn in den absolut sicheren Untergang.

Die Sirenen sind todbringende Geister, die einen überaus betörenden Gesang anstimmen. Für den sterblichen Menschen ist dieser Gesang so faszinierend, daß kein Lebender jemals diesen Gesang hören konnte, ohne seiner Verlockung zu widerstehen – und schon war es um ihn geschehen.
Odysseus, so erzählt nun die Sage, hat den Wunsch, die Sirenen mit eigenen Ohren zu hören, aber er weiß auch um die tödliche Gefahr. Und so ersinnt er eine List: er läßt sich bei der Fahrt vorbei an den Sirenen an den Mastbaum des Schiffes festbinden und befiehlt den Seeleuten, ihn auf gar keinen Fall loszubinden, auch wenn er sie noch so sehr anflehen sollte. – Die Seeleute selbst hatten sich die Ohren zugestopft, um ja nichts zu hören.
Dieses Bild – Odysseus festgebunden am Mastbaum des Schiffes – haben nun die Christen auf ihre eigene Situation übertragen. Sie haben gesagt: Ja, genauso ist es mit uns. Auch wir sind dem verführerischen Gesang der Sirenen ausgesetzt. Die Sirenen – das sind die Klänge dieser Welt, die vielen Stimmen und Geräusche, die uns weglocken von der einen wahren Stimme, vom einen wahren Wort, das allein uns retten kann. Nur wer sich festmacht an Christus, nur wer sich festmacht an sein Kreuz, der kann der Macht der falschen und todbringenden Klänge widerstehen und findet das Heil.
Manchmal müssen wir uns einfach wie die Matrosen in der Sage die Ohren zu verstopfen und die Stille suchen. Die Stille, das Schweigen: das ist eine unersetzliche Voraussetzung, um den verborgenen Gott zu finden und ihn zu hören.

Und das Verstopfen der Ohren bedeutet auch, sich nicht faszinieren zu lassen von manchen reizvollen Klängen, die unsere Zeit bereithält. Ich muß nicht unbedingt jeden neuesten Roman gelesen haben. Ich muß nicht unbedingt den neuesten Film gesehen und jede neueste Meinung gehört haben. Nicht alles, was uns in den Medien geboten wird, ist gut und moralisch unbedenklich. Und für die meisten Menschen stellt es auch eine Überforderung dar, sich mit allen möglichen Meinungen, Strömungen und Ansichten auseinanderzusetzen. Manches ist besser einfach zu ignorieren.
Es ist ähnlich wie im Internet und wie mit der elektronischen Post: wenn ich zehn neue Nachrichten auf meinem Rechner habe, dann kann ich davon ausgehen, daß acht davon Müll sind. Es ist Werbung, unerwünschte Angebote, und vieles davon ist mit Computerviren verseucht. Fachleute raten dringend: Auf jeden Fall weg damit, auch nicht mal eben aus Neugier da reinschauen. Dann kann es schon zu spät sein. – Was für den Computerbenutzer gilt, das gilt auch für jeden, der seinen gesunden Menschenverstand benutzt: Vieles gibt es da, was die Festplatte unseres Gehirns und unserer Gedanken verseuchen und dauerhaft beschädigen kann.
Das alles wußten schon die Menschen in der Antike, die im Mythos von Odysseus von den Sirenen sprachen, und diese Warnung haben auch die Christen verstanden. Wir stehen mitten in der Welt. Wir leben nicht in einem Kloster oder auf einer Insel der Seligen. Oft müssen wir uns auseinandersetzen mit Bildern und Worten, die uns angreifen. Aber einer, der sich dieser Auseinandersetzung stellt, kann nur siegreich aus ihr hervorgehen, wenn er sich ganz fest an das Kreuz Christi bindet. Das Kreuz ist die einzige Sicherheit, die uns gegeben ist.

748. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,
der August dieses Jahres hat und zu Beginn sehr viel Sonnenschein und Hitze gebracht. Dem einen oder anderen war es schon zu viel Sonne.

Vielleicht können Sie sich noch an den August 1999 erinnern. Damals gab es für wenige Minuten gar keine Sonne mehr. Anfang August 1999 ereignete sich die letzte totale Sonnenfinsternis, die wir in unseren Gefilden mitansehen konnten.

Was wurde ein Rummel um diese totale Sonnenfinsternis gemacht. Was hat dieses Naturschauspiel in den Menschen nicht alles ausgelöst.
Die Gefühle pendelten zwischen Weltuntergangs- und Jahrmarktstimmung, zwischen Panik und Party hin und her. Ich kann mich noch gut daran erinnern, was damals in den Schulen, in denen ich unterrichtete los war.

Der Mond versperrte für ein paar Minuten unseren Ausblick auf die Sonne.
Dieses Zeichen am Himmel hat - allen Unkenrufen zum Trotz - an unserem Leben nichts geändert. Weder ging die Welt unter, noch ist eine Zeitenwende eingetreten.
Das einzige was sich verändert hatte, waren die Kontostände der Solarbrillenhersteller, die in rauen Mengen abgesetzt wurden.

Von einem großen Zeichen am Himmel war auch in der Lesung aus der Offenbarung des Johannes die Rede.
Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.

Seit jeher sieht die Kirche in dieser Beschreibung eine Anspielung auf Maria, die Gottesmutter.
Am heutigen Hochfest, der Aufnahme Mariens in den Himmel, schauen wir auf dieses Bild.
Maria, der Welt entrückt, uns entzogen, fern von den Menschen.
Maria als Himmelskönigin, als mächtige Herrscherin, mit göttlichem Glanz.

Eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.
Hat dieses Zeichen am Himmel Bedeutung für unser Leben, für unseren Glauben? Oder ist es auch nur eine effektvolle, interessante aber eben vorübergehende Erscheinung wie die Sonnenfinsternis in 1999?
Was will uns dieses Bild, was will uns das heutige Hochfest eigentlich sagen?

Zwei Aspekte möchte ich aufgreifen. Aspekte, die mir wichtig sind.

Da wäre zum einen, die Aussage, daß es sich lohnt, auf Gott zu vertrauen.

Als junge Frau empfängt Maria die Botschaft, daß sie vom Hl. Geist überschattet den Messias gebären soll.
Sie antwortet "Mir geschehe, wie Du es gesagt hast."
Das ist der wichtigste Satz, den ein Mensch auf dieser Erde je gesprochen hat. Er ist der Beginn unserer Erlösung in Jesus Christus.

"Mir geschehe" antwortet sie, und nicht etwa: "Ich werde das tun. Ich kann das. Das vermag ich zu leisten."
"Mir geschehe." Darin liegt eine große Demut.
"Mir geschehe." Es ist, als ob sie sagen will: "Ich kenne deinen Willen nicht. Ich weiß nicht, was du von mir in Zukunft verlangst. Aber ich vertaue dir. Deshalb traue ich dir mein Leben an."
Und dieses Leben hat seine Vollendung gefunden.
Ihr Vertauen auf Gott, ihre Hingabe an den Willen Gottes auf Erden ist belohnt worden: Mit dem ewigen Leben im Himmel.
Auch wir sind aufgerufen, unser "Mir geschehe wie Du es gesagt hast!" zu sprechen. Auch uns ist dann himmlischer Lohn verheißen.

Mit ihrer Seele und mit ihrem Leib ist Maria in den Himmel aufgenommen worden. Das ist der Glauben der Kirche seit alters her. Das Fest ihrer Himmelfahrt wird schon seit dem frühen fünften Jahrhundert gefeiert.

Papst Pius XII. erhebt diese Lehre zum Dogma, zur von Gott offenbarten Glaubenswahrheit.

Und hier liegt der zweite Aspekt des heutigen Festes, der mir am Herzen liegt.

Die Dogmatisierung der leiblich Aufnahme Mariens in den Himmel erfolgt am 1. November 1950.
5 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.
5 Jahre nach einem beispiellosen Gemetzel unter den Menschen.
5 Jahre nachdem Abermillionen Menschen ihr Leben lassen mußten. Sinnlos.

Der Wert des Menschen, seine Würde waren angesichts des grausamen Krieges in Frage gestellt.
Die Kirche damals hörte diese Frage. Ja, sie stellte sich selber dieser Frage.
Und sie findet in der Aufnahme Mariens in den Himmel eine Antwort:
Die Würde des Menschen ist unbeschreiblich groß. Jeder Mensch ist vor Gott unendlich kostbar.
Maria, die Schwester aller Menschen, ist mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden.
Sie ist beredtes Zeichen dafür, daß der ganze Mensch, mit Leib und Seele, in seiner Würde unantastbar ist.

Die Opfer von Krieg, Terror und Gewalt sind nicht verloren. Auch wenn wir sie nicht zählen können, auch wenn wir nicht alle ihre Namen kennen, Gott kennt ihre Zahl und ihre Namen. Bei ihm sind sie geborgen.
Auch alle, die in diesem Hause leiden müssen, vergisst er nicht.

Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.
Es lohnt sich, auf Gott zu vertrauen.
Für Gott ist jeder Mensch unendlich kostbar.
Das sagt mit dieses Zeichen am Himmel. Das sagt mir dieses Fest.

Wenn das meine Sicht der Dinge ist, wenn ich sozusagen mit dieser Brille auf Maria schaue, dann kann sich etwas in meinem Leben ändern, indem ich mein "Mir geschehe, wie Du, Gott, es gesagt hast!" spreche, indem ich jeden Menschen als Kind Gottes behandle.

Die Sonnenfinsternis 1999 war ein Jahrhundertereignis ohne Folgen.
Auf Maria, das Zeichen am Himmel, zu schauen und davon zu lernen, das hätte Folgen für unser Jahrhundert und darüber hinaus.

749. Predigtvorschlag

Das Kraut gegen den Tod

Weil in Christi Auferstehung das Kraut gegen den Tod gefunden ist, und weil Maria von ihrem Sohn als erste der Menschen mit Leib und Seele erlöst und in den Himmel aufgenommen wurde, verbinden vielerorts die Menschen das Hochfest ihrer Aufnahme in den Himmel mit der Weihe von Pflanzen und Heilkräutern.

Der Garten mit Blumen, Heilpflanzen und Bäumen gilt als Bild für das Paradies. Paradies: dieses Wort stammt ursprünglich aus dem Altiranischen und bedeutet den Garten, genauer den umfriedeten Garten. – Von da aus ist dieses Wort auch ins Hebräische und Griechische und auch zu uns gekommen. Das erste Menschenpaar wurde aus dem Paradies vertrieben (Gen 2,4b – 3,24) und damit hatten die paradiesischen Zustände ein Ende. Die Menschen waren von Gott getrennt, sie lebten in der Finsternis und in der Macht des Todes.

Durch Maria ist uns das Paradies wieder zugänglich geworden. Sie hat Ja gesagt und war bereit, der Welt den Erlöser zu schenken. Wie kein anderer Mensch ist sie ihm nahe gewesen. Die Kirche geht sogar noch weiter: sie sagt, daß Jesus, der Sohn Gottes, „Fleisch angenommen“ habe aus Maria, der Jungfrau. Dabei bedeutet dieses Wort „Fleisch“ exakt dies: die sterbliche Natur, den Leib, der vergänglich ist, der aber durch die Auferstehung Christi von den Toten neues, unvergängliches Leben empfängt von Gott. Darum, so hat die Kirche daraus die Schlußfolgerung gezogen, ist es nur logisch, daß Christus seine Mutter auch leiblich in den Himmel aufnimmt, denn von ihr hat er ja seinen Leib empfangen, und durch sie ist ja der Leib eines jeden Menschen dazu bestimmt, auferweckt zu werden und zu einer neuen, wunderbaren Einheit mit der Geistseele zu finden.

Auch wenn bei uns eine Kräutersegnung nicht mehr überall üblich ist, so kann uns dieser Brauch doch eines zeigen: Unser Glaube ist immer auch ein Glaube, der den Leib und die leiblichen Bedürfnisse, besonders auch den Wunsch nach Gesundheit und Abwendung von Übel, mit einschließt. Denken wir nur an den Blasiussegen, wo wir ja Gott bitten, er möge heilen, woran wir schwer zu schlucken haben. - Die Heiligen werden angerufen in ganz konkreten Sorgen und Nöten. Das ist beileibe kein Aberglaube. Es zeugt vielmehr von dem Bewußtsein, daß wir eben Menschen sind mit Leib und Seele - und Leib und Seele sind nicht irgendwie Komponenten, die einfach so zusammengefügt sind, sondern der Mensch ist eine Einheit, in der die Seele den Leib durchwirkt, prägt und formt.

In diesen Wochen und Monaten sind viele Menschen vielerorts ganz konkret und leibhaft von starken Dürre und ihren Folgen betroffen. Der ersehnte Regen bleibt an vielen Orten einfach aus. Warum sollten wir nicht an einem Fest wie dem Hochfest Mariä Himmelfahrt auch darum bitten: daß die Trockenheit ein Ende nimmt, daß keine Menschen mehr gefährdet sind durch Brände und daß die Ernten so ausfallen, daß alle ihr Auskommen haben. – Im Alten Testament gibt es, was diese Bitte angeht, eine spannende Geschichte um den Propheten Elija. Der lebte in einer Zeit, in der fast alle vom Glauben an den wahren Gott abgefallen waren und den Baalen, den Fruchtbarkeitsgötzen, dienten. Darum betete Elija daraum, daß lange Zeit kein Regen mehr fiel. Eine große Hungersnot war die Folge (1 Kön 17). Kein Wunder, daß die damals Mächtigen, vor allem der König Ahab und seine Frau Isebel, über Elija und seine rätselhafte Macht wenig begeistert waren. Sie wollen ihn loswerden. Sie wollen ihn töten. Aber Elijas Auftrag ist noch nocht zu Ende. In einem Gottesurteil auf dem Berg Karmel zeigt er, daß allein der Gott Israels die wahre Macht hat, und nicht die Götzen, die das Königshaus und das Volk anbeten.

Und dann folgt die Szene, die der jüdische Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy so unvergleichlich in Musik umgesetzt hat: Nach der entsetzlich langen Dürre schickt Elija einen Diener ans Meer, ob er nicht endlich eine Wetteränderung melden könnte. Aber erst beim siebtenmal meldet der Diener: „Eine Wolke, klein wie eine Menschenhand, steigt aus dem Meer herauf“ (1 Kön 18,44). Kurz darauf wird der ganze Himmel dunkel, und es fällt der rettende Regen. –

Später werden sich Mönche auf diesem Berg Karmel niederlassen, wo Elija gelebt und gewirkt hat, und sie werden diese kleine Wolke, die den Regen bringt, als ein Bild deuten, das auf die Gottesmutter Maria hinweist: Maria bringt der Menschheit den Retter, den Messias, der im Wasser der Taufe und in seinem Blut uns reinwäscht und Leben schenkt. Der Gedenktag, der daran erinnert, ist der 16. Juli, also heute vor einem Monat.

Nehmen wir das heutige Hochfest und die Sorgen vieler Menschen zum Anlaß, Gott immer wieder in den konkreten Nöten anzurufen und dabei auf die Fürbitte der Frau zu vertrauen, die ganz bestimmt einen ganz besonderen Platz bei Ihm hat.

750. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

„Einen guten Rutsch“ wünschen sich die Leute heute (gestern), d.h. einen guten Anfang, denn das meint das hebräische Wort „rosch“, das wir zu „Rutsch“ verballhornt haben.

Jedes neue Jahr ist in der Tat ein Anfang, und den ersten Tagen wohnt ein besonderer Zauber inne, der Zauber des Unberührten und Neuen, der Reiz des Unbekannten und Verlockenden.
Aber auch vieles kommt uns bedrohlich, beängstigend vor: Ist die Finanz- und Eurokrise nun wirklich vorbei? Übersteht mein Arbeitsplatz dieses Jahr? Was wird aus der Kirche, unserer Gemeinde in all dem Auf und Ab dieses Zeitalters, angesichts von Schuld und Schwäche? Wie geht es weiter mit den Krankheiten in der Familie, bleibe ich gesund?

All die Hoffnungen und Befürchtungen, die wir im Herzen tragen, bringen wir vor Gott, der die Zeiten kennt. Was immer da vor uns steht – der entscheidende Anfang ist bereits gemacht, das erfahren wir heute in den Lesung aus dem Galaterbrief. Denn Gott ist auf die Erde gekommen und hat die Zeit zur Heilszeit gemacht, hat einen Neuanfang gesetzt, den niemand mehr rückgängig machen kann. „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, damit wir die Sohnschaft erlangen.“

All unsere menschlichen Anfänge ruhen auf diesem göttlichen Anfang. Darum ist es angemessen, den ersten Tag im Jahr der Muttergottes zu weihen, weil wir ihr den neuen Anfang, den Gott mit der Menschheit gemacht hat, verdanken. Weil sie Ja gesagt hat zu Gottes Plänen, konnten diese Wirklichkeit werden. Durch ihren Glauben ist das Tor zum Himmel wieder geöffnet worden. Darum wird sie Mutter der Glaubenden und Mutter der Kirche genannt.

Über ihre Glaubenshaltung wird im heutigen Evangelium eine kurze Bemerkung gemacht, die wir nicht achtlos übergehen sollten:
„Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“

Sie begriff nicht alles, was da geschehen war, aber sie versuchte es zu verstehen, indem sie es in ihrem Herzen bewahrte. Nicht nur in ihrem Gedächtnis, nicht nur mit ihrem Verstand! Das Herz ist der Sitz der Gefühle und Affekte, das Vermögen des Willens und der Liebe.

Maria setzte ihre ganze geistige Kraft ein, um das Geschehen, das Gott gewirkt hatte, in rechter Weise würdigen zu können. So wie sie ihren Sohn neun Monate unter ihrem Herzen getragen hatte und mit ihm schwanger ging – mit ihrer ganzen Liebeskraft und Zuneigung –, so trug sie nun das Gehörte und Gesehene in ihrem Herzen, um davon ganz erfüllt und durchdrungen zu werden. Dieses Nachdenken und Meditieren hat nicht nur neun Monate gedauert, sondern ihr ganzes Leben; und auf diese Weise hat Maria eine Weisheit erlangt, die selbst Salomo nicht besaß, ist sie zum „Sitz der Weisheit“ geworden.

Wie kann das Jahr 2011 zu einem guten Jahr werden? Die meisten meinen, dazu müßten wir mehr Geld haben, eine bessere Wirtschaft, eine funktionierende Gesundheitsversorgung usw.

Doch dies alles kommt erst an zweiter Stelle, wenn es überhaupt kommt. Zuerst ist Weisheit vonnöten, ein Urteilsvermögen, das die Dinge ins rechte Licht zu stellen vermag und das die Rangfolge der Werte beachtet. Solche Weisheit fällt nicht vom Himmel und läßt sich auch nicht in einem Volkshochschulkurs mal eben so nebenbei erwerben. Sie ist die Frucht langen Nachdenkens und Meditierens, und zwar über die zentralen Geschehnisse der Geschichte, über das, was Paulus die „Fülle der Zeit“ nennt.

Der Dichter Friedrich Spee beschreibt dieses Nachdenken in einfachen Worten: „In seine Lieb versenken will ich mich ganz hinab.“ – Das kann jeder, dazu braucht man kein Studium, dazu braucht man nur eine Geisteshaltung, wie Maria sie uns exemplarisch vorgelebt hat. Und Zeit, sie einzuüben.
Der Barockdichter Paul Gerhardt hat sie in dem folgenden Vers zusammengefaßt:

„Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen;

und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen.

O daß mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer,

daß ich dich möchte fassen.“

Ihr inniger Glaube hat Maria zu einem tiefsinnigen und weisen Menschen gemacht. Am Neujahrstag sollen wir sie uns zum Vorbild nehmen, damit auch wir an Tiefe und Weisheit gewinnen. Dann rutschen wir nicht einfach ins nächste Jahr hinein, sondern fangen es auch gut an und dürfen die Hoffnung haben, daß Gott alles, was er mit uns zusammen anfängt, auch zu einem guten Ende führt.

Nehmen wir an Maria Maß und rufen wir ihre Fürbitte an. Sie ist der „Sitz der Weisheit und unsere Hoffnung“, wie die Kirche sie auch nennt. Und mit Hoffnung läßt sich ein neuer Anfang in Angriff nehmen. Auch ein neues Jahr.

751. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wer die Weihnachtsgeschichte unvoreingenommen liest, noch nicht weiß, wie es weitergeht, der könnte nach dem heutigen Evangelium denken: «Puh - es ist noch einmal gut gegangen«! Trotz der abenteuerlichen Umstände hat Maria ihr Kind glücklich zur Welt gebracht. Auch wenn vieles der dramatischen Bedingungen in der heiligen Nacht vermeidbar gewesen wäre - es ist nicht zum Schlimmsten gekommen. Es ist noch einmal gut gegangen. Bei der Ankunft der Weisen heißt es sogar schon, dass sie Maria und das Kind im Haus aufgesucht haben - offensichtlich sind Josef und Maria doch fündig geworden. Acht Tage nach der Geburt wird Jesus beschnitten, und damit scheint dann endlich alles wieder in Ordnung zu sein.

Liebe Schwestern und Brüder, so wie Maria mit ihrem Sohn im Arm sich damals wohl gefragt hat, was die Zukunft wohl bringen wird, fragen wir uns zu Beginn des Neuen Jahres ebenfalls: Was bringt uns das neue Jahr? Wie wird es werden? Was hält es für uns bereit?

Was würden wir, an der Stelle Mariens, von der Zukunft erhoffen? Was erhoffen wir uns selbst vom kommenden Jahr? Ein glückliches Leben, möglichst lange und gut gesichert?

Wir wünschen uns nur das allerbeste - und dass wir vom Schlimmsten verschont bleiben. Aber die viel interessantere Frage ist: Was ist denn wirklich das Schlimmste? Und was das Beste?

Blicken wir noch einmal auf Maria. Wir wissen, wie ihr Leben weitergegangen ist. Haben sich ihre Hoffnungen erfüllt? Wenig später wird ihr im Tempel prophezeit, dass ihr das Schwert des Leidens durch die Seele gehen wird. Herodes beginnt zu wüten und begeht den schrecklichen Kindermord. Und schließlich, nach Ablehnung, Enttäuschung, Qualen und Spott stirbt ihr Sohn am Kreuz. Sind die Hoffnungen Mariens gescheitert? Ist das, was Maria passierte, das Schlimmste?

Wer auf das letzte Jahr zurückschaut - und vor allem unter dem Eindruck der Flutkatastrophe am Ende des Jahres rund um den indischen Ozean - weiß, wie zerbrechlich diese Welt weiterhin ist. Nicht nur, dass wir durch rücksichtslosen Raubbau an der Natur viele Unglücksfälle selbst verschulden. Es gibt auch immer noch die Katastrophen, die aus heiteren Himmel zuschlagen und die von keinem Menschen verschuldet sind.

Wir können hoffen, davon verschont zu bleiben. Aber realistisch ist das nicht. Wir müssen akzeptieren, dass keiner von uns vom Leid verschont bleiben wird. Wir leben nicht ewig, und es ist keineswegs ein unchristlicher Gedanken - auch nicht trübsinnig oder morbide - wenn wir ins Auge fassen, dass das kommende Jahr vielleicht unser letztes Jahr sein könnte. Das Leben ist endlich, und es gehört zum Glauben dazu, dass wir jederzeit bereit sind, vor Gott zu treten.

Das größte Unglück ist und bleibt nicht der Tod, nicht die Katastrophe, nicht der Verlust von Gesundheit oder Wohlstand. Das größte Unglück ist die Frage, die heute morgen in der Bildzeitung stand: «Lieber Gott: Wo bist Du?»

Das größte Unglück ist es, den Glauben zu verlieren. Gott zu verlieren. Dem Leid, das unausweichlich kommen wird, nicht mit Hoffnung begegnen zu können.

Liebe Schwestern und Brüder, in diesem Sinne war Maria Optimist: Sie wusste, nichts wird sie von der Liebe ihres Sohnes trennen können. In diesem Sinne sind wir Christen Optimisten: Wir wissen, dass Vieles auf uns zukommt; viel Gutes, aber auch viel Schweres. Aber was auch immer da kommen mag: Wir vertrauen auf Gott. Er ist mein Helfer. Er mein Retter.

Ich habe (vor-)gestern noch einen Mann in Kevelaer getroffen, der mir sein Leid geklagt hatte: Es hätte so fest an Gott geglaubt; aber jetzt sei seine Frau schwer erkrankt - was hätte der Glauben ihm also genützt? - Gott bewahrt uns nicht vor dem Leid - er hat ja nicht einmal seinen einzigen Sohn davor bewahrt. Er bewahrt uns vor einem viel schlimmeren Schicksal: Vor dem Verlust SEINER Liebe.

Wir wissen, was Paulus erkannt hat: Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.

Amen.

752. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wieder ist ein Jahr vergangen. Wie oft sagt oder hört man in den letzten Tagen: "Wie schnell die Zeit vergeht!" - "Wo ist das Jahr nur geblieben?" - "Ich hatte mir soviel vorgenommen...!"

Die Zeit flieht und das, was hinter uns liegt, kommt niemals mehr zurück. Das ist ziemlich endgültig so - und das passt uns gar nicht. Wir leben in einer Gesellschaft, die immer versucht, sich alle Möglichkeiten offen zu halten und sich ja nicht endgültig festzulegen: Weder im Ehrenamt für Gruppen oder Vereine will man sich zulange binden; noch in der Entscheidung für einen Lebenspartner - wer weiß, ob man sich in 10 Jahren noch liebt? Wer will noch Priester werden oder in einen Orden eintreten - eine Entscheidung für sein ganzes Leben treffen?
Sogar die Frage, welcher Religion ich angehöre, wird immer öfter offen gehalten: Vielleicht lerne ich oder meine Kinder ja noch einmal etwas Besseres kennen.

Immer frei bleiben, immer noch andere Wege einschlagen können, sich immer die ganze Welt offen halten. Ewig jung bleiben, immer fit, immer jugendlich schön - immer die Idealfigur haben - danach strebt die Welt, die Medizin, die Forschung und unsere Gesellschaft.

Aber es hilft alles nichts: Wieder ist ein Jahr vorbei, wieder sind wir älter geworden und wieder müssen wir von den guten Vorsätzen Abschied nehmen, die im vergangenen Jahr nicht verwirklicht wurden. Einem modernen Menschen kann angst und bange werden, was er alles verpasst hat - und welche Chancen sich ihm wohl nie wieder auftun werden.

Liebe Schwestern und Brüder, uns ist am Beginn unseres Lebens viel Zeit geschenkt worden - die Welt lag offen vor uns. Aber nicht, damit wir sie unversehrt bewahren, hegen und pflegen und dereinst in Hochglanzfolie verpackt immer noch unser eigen nennen. Die Zeit, die uns geschenkt wurde, können wir nicht festhalten. Die Möglichkeiten, die wir hatten, können wir uns nicht ewig offen halten. Die Zeit zerrinnt uns zwischen den Fingern, die sie festhalten wollen.

Gott gab uns die Zeit, nicht dass wir sie vermehren, sondern dass wir sie investieren. Wer die Zeit wirklich füllen will, der darf sie nicht sparen oder totschlagen, sondern sollte sie einsetzen.
Das bedeutet, sich beschneiden zu lassen; geben - nicht festhalten. Entscheiden - nicht offen halten.

Am achten Tag nach Weihnachten gingen Maria und Josef zum Tempel und ließen ihren Sohn beschneiden. Sie gaben ihn Gott zu eigen.
Alle Zeit, die sie hatten, gaben sie ihrem Sohn. Sie investierten ihre Zeit in Gott - dreißig lange Jahre - aus Liebe zu den Menschen, die sie miterlösen wollten. Kaum eine Ereignis in diesen Jahren war berichtenswert - und doch war es keine vertane Zeit, sondern eine erfüllte Zeit; es war Zeit für Gott.

Liebe Schwestern und Brüder, wer am Ende seines Lebens zurückschaut, wird feststellen, dass nur die Zeit nicht verloren war, die ich für Gott und für seine geliebten Kinder weggegeben habe. Alles Ersparte und Freigehaltene ist dann genauso wertlos wie meine abgespeckten Pfunde und erhaltene Fitness - was ich aber gegeben habe, das bleibt.

Investieren sie ihre Zeit nicht in nutzlose Vorsätze wie Idealgewicht, Schönheitskuren oder Fitnessprogramme.

Vielleicht steht am Eingang zum Himmel eine Waage, auf der sie gewogen werden. Zumindest Johannes berichtet in seiner Offenbarung davon. Glauben sie aber nicht, dass sie mit dem Idealgewicht und einem Body-Mass-Index von unter 21 dort automatisch Zugang erhalten. Gewogen wird nicht ihr Körpergewicht, sondern das Gewicht Ihrer Zeit-Investitionen, der guten Taten und Ihrer Gebete. Vergessen sie ihre Abmagerungskuren - sonst werden sie nachher noch für zu leicht befunden.

Amen.

753. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein neues Jahr hat begonnen; Gelegenheit, kurz inne zu halten. Aus dem, was gewesen ist, erwächst dann entweder Dankbarkeit und Zufriedenheit, als auch der Wille, sich in Zukunft zu bessern. Beides sollte sich in der Waage halten.

Neben den berüchtigten guten Vorsätzen fürs neue Jahr ist es auch üblich, einander Glück zu wünschen. Denn wer weiß, was die Zukunft bringt; was im Jahre 2003 so alles auf uns zukommt.

Auch ich möchte Ihnen meine Glück- und Segenswünsche mit auf den Weg durch die kommende Zeit geben, ausgehend vom Evangelium, dass wir gerade gehört haben.

Ich wünsche Ihnen Energie und Kraft, nicht durch das kommende Jahr zu schleichen oder es gar einfach auf sich zukommen zu lassen. So wie die Hirten von den Herden eilen, um zur Krippe zu gelangen, so wünsche ich ihnen Lebendigkeit, Frische und tatkräftige Zuversicht. Das Leben will gelebt werden. Sie sollten nicht nur leben lassen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie, so wie die Hirten das Kind in der Krippe, dass die den Weg auch zu Gott finden. Nicht immer fällt der Bezug zu Gott leicht. Aber ich wünsche Ihnen, dass sie Gott nicht aus den Augen verlieren, und, noch viel mehr, dass sie ihn nicht aus dem Herzen verlieren. Und dass sie, so wie die Hirten beim Kind Maria und Josef kennen lernten, durch ihre Beziehung zu Gott den Menschen näher kommen. Neue, gute Bekanntschaften machen, die bereichern und helfen.

Und ich wünsche ihnen die Zeit und die Ruhe, so wie Maria Worte, Ereignisse und Begegnungen im Herzen zu bewahren und darüber nachdenken zu können. So vieles fließt an uns vorbei, so viel Gutes geht verloren, weil wir die Kontrolle über unsere eigene Zeit verloren haben. Ich wünsche Ihnen nicht nur Stunden, sondern sogar Tage der Ruhe, der Erholung und der Wiederbelebung, nicht nur zur Urlaubszeit, sondern immer dann, wenn ihnen viel Gutes geschieht.

Ich wünsche Ihnen Tage der Freude und des überschwänglichen Jubels. «Die Hirten kehrten zurück und rühmten Gott, sie priesen ihn für all das, was geschehen ist.» Viele haben vergessen, was aufrichtige Begeisterung ist. Von den Kindern könne wir lernen, wie schön es ist, vor Freude zu singen und zu tanzen. Ich wünsche ihnen diese Freude und genügend Grund zur Freude. Und ich wünsche Ihnen, dass sie in Ihren Jubel auch den einbeziehen können, der der wahre Grund aller Freude ist.

Und ich wünsche ihnen, so wie das Kind in der Krippe schließlich den Namen «Jesus» bekommen hat, denn der Engel verheißen hatte, dass auch sie den Sinn in ihrem Leben darin finden, vor Gott einen Namen zu haben. Er kennt uns, er ist uns nahe. Er liebt uns, und seine Augen sind liebevoll auf uns gerichtet. Es sind seine Augen, die uns die vielen Augenblicke unseres Lebens geschenkt haben. Und so wünsche ich Ihnen noch viele Augenblicke, ein ganzes Jahr voll, ein ganzes Leben voll. Nichts anders meint der Segen des Mose:

Der Herr lasse sein Angesicht über Euch leuchten. Er wende Euch Sein Angesicht zu und halte Euch fest in Seinem Blick. Amen.

754. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Zum Ende des Jahres gibt es die berühmten Jahresrückblicke, im Fernsehen, in den Zeitungen und manchmal auch in unseren eigenen Köpfen.
Was hat das letzte Jahr bestimmt? Was hat uns dabei bestimmt? Was war gut und was war schlecht?

... (ein paar wesentliche Ereignisse des letzten Jahres nennen) ...

Allerding sind es eigentlich nicht die großen Ereignisse des letzten Jahres, die uns wirklich bestimmen; bestimmt werden wir von unserem alltäglichen Tun und dem, was uns jeden Tag, jede Woche oder jede Stunde geschenkt wird.

Sagen wir Gott Danke für unser Augenlicht, dass uns in die Gesichter anderer Menschen sehen läßt; dass offen ist für die Schönheiten dieser Welt. Bitten wir um Verzeihung, wenn wir weggeschaut haben, wo wir hinsehen sollten; und wo wir geglotzt haben, obwohl es nicht gut für uns war.

Sagen wir Gott Danke für die unsere Hände, die geben und nehmen konnten, trösten und aufrichten. Bitten wir um Verzeihung für die Momente, in denen wir untätig waren, obwohl unsere Hilfe gebraucht wurde, und wo wir voreilig tätig geworden sind, anstatt unsere Hände erst einmal zu falten.

Danken wir Gott für unseren Ehepartner, unsere Kinder und unsere Eltern. Sie sind so sehr Geschenk, dass unser Dank zum Jubel werden sollte. Danken wir für jeden Augenblick, in denen wir sie in der Nähe spüren durften. Bitten wir um Verzeihung, wenn wir sie nicht geschätzt haben und ihnen überdrüssig geworden sind.

Danken wir Gott für jeden Funken Vertrauen, den wir in Seine Liebe gesetzt haben. So viele Menschen sind glaubenslos verzweifelt; wir aber haben Gottes Kraft und Wärme erfahren dürfen. Danken wir Gott für die kleinen Momente, in denen wir die Existenz Gottes so deutlich gespürt haben, dass wir keiner Worte mehr bedurften. Bitten wir um Verzeihung, wo uns dieses Vertrauen nicht genug gewesen ist und peinlich und dürftig erschien.

Liebe Schwestern und Brüder, ihnen fällt vielleicht noch viel mehr ein, eine Aufzählung all dessen, was uns nur an einem Tag gegeben wurde, könnte nie vollständig sein. Es sind die kleinen Dinge, die uns wirklich verändern.

So ist es nur natürlich, dass wir dadurch unsere Augen auf Maria lenken lassen. Sie hat keine Wunder vollbracht und ist nicht für uns gekreuzigt worden. Aber sie war im Kleinen die Treuste, sie war im Dank die vollkommenste und uns in allem ein Vorbild. Noch wichtiger aber ist, dass sie uns auch im kommenden Jahr Wegbegleiterin sein will. Nehmen wir ihre Hand an und ergreifen damit die Größe, die im Kleinen liegt. Werden wir ihr, unserer Schwester Maria Euthymia und unseren Gott gerecht - und allen anderen zum Segen.

Amen.

755. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, der Prediger - so heißt es im Handbuch der Predigtausbildung - soll belehren, ermahnen, ermutigen, trösten und zum Dank bewegen. Das sind so genannte Appelle, heißt es weiter.
Appelle, wenn sie schlecht und zu häufig benutzt werden (von Predigern, Eltern oder Freunden), können allerdings allergische Reaktionen hervorrufen: «Der hat mir überhaupt nichts zu sagen!» oder «Jetzt erst recht nicht!». Das gilt auch, wenn gutgemeinte Appelle genau das einfordern, worauf man schon vorher selbst gekommen ist. Vor allem Jugendliche reagieren allergisch, wenn ihnen als gut vorgeschrieben wird, was sie selbst als gut entdeckt haben.
Ratschläge sind zudem oft die härtesten Schläge, die einen treffen können.

Deshalb möchte ich Ihnen für das neue Jahr keine Ratschläge mit auf den Weg geben, sondern eine kleine Sammlung von sogenannten Weisheitssprüchen. Um eventuellen Allergien vorzubeugen, betone ich, das keiner davon von mir stammt.

  • Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.

  • Kein Mensch bei Verstand möchte jünger sein, als er ist.

  • Arm ist nicht der, der wenig hat, sondern der, der nicht genug bekommen kann.

  • Im Leben muss man wählen: Geld zu verdienen oder es auszugeben. Es bleibt nicht genug Zeit, beides zu tun.

  • Soviel ein Mensch vor Gott ist, soviel ist er wirklich. Und mehr nicht.

  • Denke daran, das es nur eine allerwichtigste Zeit gibt, nämlich: Sofort.

  • Glück ist wie ein Maßanzug. Unglücklich sind meistens die, die den Maßanzug eines anderen tragen möchten.

  • Wenn du weinen kannst, so danke Gott!

  • Viele suchen ihr Glück wie einen Hut, den sie auf dem Kopf tragen.

  • Die Menschen sind heutzutage nicht schlechter als sie früher waren. Nur die Berichterstattung über ihre Taten ist gründlicher geworden.

  • Der Mensch kann viele Male hinfallen. Ein Versager ist er erst dann, wenn er behauptet, man habe in umgestoßen.

  • Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen.

  • Wer sich über Kritik ärgert, gibt zu, dass sie verdient war.

  • Ob eine schwarze Katze Glück bringt oder nicht, hängt allein davon ab, ob man ein Mensch ist oder eine Maus.

  • In Dir muss es brennen, wenn du andere entzünden willst.

  • Mit einem Menschen, der nur Trümpfe hat, kann man nicht Karten spielen.

  • Was auch immer geschieht, nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken!

  • Der Vorteil der Klugheit ist, das man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.

  • Eine Stelle der Welt, ein winziges Teilchen wenigstens, können wir verändern: Das ist das eigene Herz.

  • Du kannst mit deinem Leben ein besseres Zeugnis abgeben als mit deinen Lippen.

  • Einer der Vorteile der Unordnung liegt darin, dass man dauernd tolle Entdeckungen macht.

  • Das Ärgerlichste am Ärger ist, das man sich schadet, ohne anderen zu nützen.

  • Die echte Bindung wird durch Belastung stärker.

  • Manche Leute glauben jedem. Vorausgesetzt, er flüstert.

  • Gott liebt uns nicht, weil wir gut sind. Sondern weil er gut ist.

  • Man kann mit dem Hirtenstab in der Hand heilig werden. Aber ebenso gut auch mit dem Besen.

Für das kommende Jahr wünsche ich ihnen Gottes Schutz an ihrer Seite. Amen.

756. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Hochfest der Gottesmutter Maria steht - ähnlich wie andere Marienfeste - nicht sonderlich hoch im Kurs bei den Christen. Immer mehr wird die Person und die Stellung Mariens in unserer Kirche angefragt. Rosenkranzgebet, Marienfrömmigkeit und Marienlieder - alles das sind für einen «modernen» Christen Zeichen von Rückständigkeit, etwas für die Gestrigen.

«Wie gut, dass es Maria gibt» gilt leider nicht mehr. Und da viele unsere Zeitgenossen mit der Verehrung Mariens nichts mehr anfangen können, gehört schon eine Menge Mut dazu, sich - auch im katholischen Glauben - noch zu ihr zu bekennen.

Maria ist nicht mehr aktuell. Und in dem Maße, in dem sie ihren festen Platz in unserem Glauben verliert, in dem Maße gehen auch die Glaubenshaltungen verloren, die Maria in ihrem Leben angenommen hat.

Wer will - gerade jetzt, zu Beginn eines neuen Jahres - so wie Maria ein uneingeschränktes «Ja» zu den Dingen sprechen, die da kommen werden? Vieles, von dem, was im Neuen Jahr geschehen wird, liegt in unseren eigenen Händen. Aber den größeren Teil können wir nicht beeinflussen, er liegt außerhalb unserer Möglichkeiten. Maria hat das «Ja» gesprochen, ohne dass sie von Gott verlangt hätte, ihr die Dinge zu zeigen, auf die sie sich einlassen würde. Sie hat den Erlöser geboren, auch wenn sie wusste, dass der Erlöser viel erleiden muss. Dass sie es als Miterlöserin sehr schwer haben wird, das hat sie gewusst - und doch hat sie ihr «es geschehe nach deinem Wort» gesprochen.

Oder wer will sich schon - so wie Maria - dezent im Hintergrund halten? So vieles geschieht in der Heiligen Schrift, wo wir wissen, dass Maria dabei gewesen ist - Weihnachten, Karfreitag, Ostern, Pfingsten - und doch drängt sie sich nicht in die Mitte des Geschehens. Sie lässt Ihrem Sohn den Vortritt. «Zur größeren Ehre Gottes» - Wer will sich heute noch so ein bescheidenes Vorbild nehmen? Für wen ist es denn ein Ideal, Gott den Vortritt zu lassen und sich selbst zurückzunehmen?

Oder wer kann noch - so wie Maria - die Dinge in sich aufnehmen, in sich aufsaugen? «Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.»
Bewahren wir die Dinge, die im vergangenen Jahr geschehen sind, in unserem Herzen? Halten wir die Menschen, die wir kennengelernt haben und von denen wir Abschied genommen haben, in unserer Erinnerung? Auch die kleinen, unbedeutenden aber herzlichen Begegnungen?
Nehmen wir uns dann noch die Zeit, nachzudenken? Lassen wir uns die Ruhe, die Dinge - wie es im griechischen Original heißt - in unseren Herzen zu bewegen? Von allen Seiten zu betrachten?

Angeblich - so habe ich gehört - hat die Marienverehrung etwas Kindisches an sich. Maria sei nichts für mündige Christen, sondern allerhöchsten etwas für die Naiven unter uns.
Stimmt. Die Haltung Mariens - die man übrigens nur lernt, wenn man sie liebt - setzt ein kindliches Vertrauen voraus. Die Bereitschaft eines Kindes, aus Gottes Hand anzunehmen, besonders, was wir nicht ändern können, können wir vor allem von ihr lernen. Und wenn ihr nicht werdet wie die Kinder...

Deshalb ist es vielleicht doch kein schlechter Brauch, das neue Jahr mit dem Gedanken an Maria zu beginnen. Schön wäre allerdings, wenn es nicht nur bei einem «Beginn» bleiben würde, sondern wenn wir auch während des kommenden Jahres öfters dankbar sind, dass es Maria gibt.

Schaden kann es jedenfalls nicht, sie öfters mal um ihren Beistand zu bitten. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes, gesegnetes neues Jahr. Amen.

757. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, darf ich mich mit Blick auf das vergangene Jahr bei Ihnen bedanken? Bedanken dafür, dass sie hier sind?

Ich weiß, dass es in der heutigen Zeit manchmal einer großen Willensstärke bedarf, sich noch auf den Weg zur Kirche zu machen. Gerade an solchen inzwischen weltlichen Feiertagen wir Sylvester und Neujahr bereitet der Kirchenbesuch besondere Mühen. Deshalb möchte ich mich bei Ihnen bedanken: Dass sie sich nicht einfach nach der Mehrheit richten. Und ich möchte Ihnen auch ein bisschen Mut machen.

Es gibt nämlich viele Gerüchte über Kirchenbesucher. Zwei Zeugen Jehovas sprachen vor einigen Jahren zu mir davon, dass bei man uns Katholiken nur zur Kirche gehen würde, um seine neueste Mode vorzuführen. Junge Leute lehnten den Kirchenbesuch ab, weil «die anderen da ja nur aus Gewohnheit hingehen». Ich habe einmal eine Predigt gehört, in der es sinngemäß hieß, dass die Leute, die nicht zur Kirche gingen, die besseren Christen seien. Manchmal heißt es, dass die, die zur Kirche gehen, nur ihr Gewissen beruhigen. Sie würden in der Kirche fromm tun, und zuhause dann wieder ihre scheinheilige Maske ablegen.

Liebe Schwestern und Brüder, lassen sie sich nicht beirren. Sie wissen selbst besser, warum sie hier sind. Sie wissen, wie viel Kraft es kostet, trotz dieser Gerüchte dem sonntäglichen Kirchenbesuch die Treue zu halten. Und sie wissen selbst, was Ihnen der Gottesdienst schenkt.

Besonders bedanken möchte ich mich bei den Jugendlichen, die noch zur Kirche kommen. Ich bekomme nur am Rande mit, wie viel Spott und dumme Bemerkungen der ertragen muss, der sich heute noch freiwillig zur Kirche bekennt. Ich habe aber Hochachtung vor jedem, der trotzdem noch mit uns feiert. Ich freue mich über Euch.

Ich möchte mich bedanken bei den Eltern, die Ihre Kinder mit zur Kirche bringen. Auch Sie haben es nicht einfach, denn gerade mit mehreren Kindern kann ein Kirchenbesuch zur Geduldsprobe werden. Danke, dass sie diese Geduld aus Liebe zu Ihren Kindern und aus Liebe zu Gott immer wieder aufbringen.

Danke auch an die Älteren, denen der Kirchgang schon allein aus körperlichen und gesundheitlichen Gründen nicht immer leicht fällt. Danke Ihnen allen, dass Sie hier sind. Jeder von Ihnen, der hier sitzt (oder steht), ist ein Geschenk Gottes an unsere Gemeinde. Dass Sie hier sind, zeigt allen anderen - und auch mir - , dass wir mit unserem Glauben nicht allein stehen. Dass wir zumindest in unserem Gott etwas haben, dass uns verbindet. Dass Gott auch heute noch immer eine Bedeutung für unser Leben haben kann. Dass wir hier eine gemeinsame Quelle haben, die uns wichtig ist: Unseren Gott, dessen Liebe wir glauben und hier feiern. Und vor allem: Denken wir nicht schlecht über die, die nicht kommen.

Liebe Schwestern und Brüder, wir Christen sind keine Optimisten. Ein Optimist sieht in allem das Gute, und will das Schlechte nicht so recht wahrhaben. Wir Christen sind Realisten: Das, was nicht gut ist, legen wir schuldbewusst in Gottes Hände. Für alles andere aber haben wir Grund und Glauben genug, Gott zu danken. Das gilt auch für den Blick auf unser persönliches Jahr 2003 und auch auf die Situation unserer Kirche. Legen wir die Nöte und unser Versagen in die Hände Gottes. Bringen wir aber auch die Freude und den Dank darüber zum Ausdruck bringen, dass uns noch so viel Gutes widerfahren ist - dass zum Beispiel so viele uns mit ihrer Anwesenheit, ihrem Glauben und ihr Gebet beschenken.

Blicken wir zum Jahreswechsel auf Maria: Sagen wir Ja zu Gott, ohne zu fragen, was andere tun, denken oder reden. Sagen wir Ja zu dieser Welt, weil Gott selbst die Hoffnung nicht aufgegeben hat. Dankt Gott mit Tränen in den Augen für Jesus, Seinen Sohn, und für jeden Menschen, der mit uns auf dem Weg ist.

Amen.

758. Predigtvorschlag

Liebe Gemeinde!

„Einen guten Rutsch“ wünschen sich die Leute heute (gestern), d.h. einen guten Anfang, denn das meint das hebräische Wort „rosch“, das wir zu „Rutsch“ verballhornt haben. Jedes neue Jahr ist in der Tat ein Anfang, und den ersten Tagen wohnt ein besonderer Zauber inne, der Zauber des Unberührten und Neuen, der Reiz des Unbekannten und Verlockenden.

All die Hoffnungen und Befürchtungen, die wir im Herzen tragen, bringen wir vor Gott, der die Zeiten kennt. Was immer da vor uns steht – der entscheidende Anfang ist bereits gemacht, das erfahren wir heute in der Lesung. Denn Gott ist auf die Erde gekommen und hat die Zeit zur Heilszeit gemacht, hat einen Neuanfang gesetzt, den niemand mehr rückgängig machen kann. „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, damit wir die Sohnschaft erlangen.“ (Gal 4,4f)

All unsere menschlichen Anfänge ruhen auf diesem göttlichen Anfang. Darum ist es angemessen, den ersten Tag im Jahr der Muttergottes zu weihen, weil wir ihr den neuen Anfang, den Gott mit der Menschheit gemacht hat, verdanken. Weil sie Ja gesagt hat zu Gottes Plänen, konnten diese Wirklichkeit werden. Durch ihren Glauben ist das Tor zum Himmel wieder geöffnet worden. Darum wird sie Mutter der Glaubenden und Mutter der Kirche genannt.

Über ihre Glaubenshaltung wird im heutigen Evangelium eine kurze Bemerkung gemacht, die wir nicht achtlos übergehen sollten: „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“ (Lk 2,19) Sie begriff nicht alles, was da geschehen war, aber sie versuchte es zu verstehen, indem sie es in ihrem Herzen bewahrte. Nicht nur in ihrem Gedächtnis, nicht nur mit ihrem Verstand! Das Herz ist der Sitz der Gefühle und Affekte, das Vermögen des Willens und der Liebe. Maria setzte ihre ganze geistige Kraft ein, um das Geschehen, das Gott gewirkt hatte, in rechter Weise würdigen zu können. So wie sie ihren Sohn neun Monate unter ihrem Herzen getragen hatte und mit ihm schwanger ging – mit ihrer ganzen Liebeskraft und Zuneigung –, so trug sie nun das Gehörte und Gesehene in ihrem Herzen, um davon ganz erfüllt und durchdrungen zu werden. Dieses Nachdenken und Meditieren hat nicht nur neun Monate gedauert, sondern ihr ganzes Leben; und auf diese Weise hat Maria eine Weisheit erlangt, die selbst Salomo nicht besaß, ist sie zum „Sitz der Weisheit“ geworden.

Wie kann das Jahr 2007 zu einem guten Jahr werden? Die meisten meinen, dazu müßten wir mehr Geld haben, eine bessere Wirtschaft, eine funktionierende Gesundheitsversorgung usw. Doch dies alles kommt erst an zweiter Stelle, wenn es überhaupt kommt. Zuerst ist Weisheit vonnöten, ein Urteilsvermögen, das die Dinge ins rechte Licht zu stellen vermag und das die Rangfolge der Werte beachtet. Solche Weisheit fällt nicht vom Himmel und läßt sich auch nicht in einem Volkshochschulkurs mal eben so nebenbei erwerben. Sie ist die Frucht langen Nachdenkens und Meditierens, und zwar über die zentralen Geschehnisse der Geschichte, über das, was Paulus die „Fülle der Zeit“ nennt.

Der Dichter Friedrich Spee beschreibt dieses Nachdenken in einfachen Worten: „In seine Lieb versenken will ich mich ganz hinab.“ – Das kann jeder, dazu braucht man kein Studium, dazu braucht man nur eine Geisteshaltung, wie Maria sie uns exemplarisch vorgelebt hat. Der Barockdichter Paul Gerhardt hat sie in dem folgenden Vers zusammengefaßt:

„Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen;

und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen.

O daß mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer,

daß ich dich möchte fassen.“

Ihr inniger Glaube hat Maria zu einem tiefsinnigen und weisen Menschen gemacht. Am Neujahrstag sollen wir sie uns zum Vorbild nehmen, damit auch wir an Tiefe und Weisheit gewinnen. Dann rutschen wir nicht einfach ins nächste Jahr hinein, sondern fangen es auch gut an und dürfen die Hoffnung haben, daß Gott alles, was er mit uns zusammen anfängt, auch zu einem guten Ende führt.

759. Predigtvorschlag

Ostern - der Triumph der Barmherzigkeit

Beim Kreuzweg mit Kommunionkindern, da wurde die Frage gestellt. Von einem kleinen Jungen, der selber noch nicht in der Schule war. Er hatte genau verfolgt, was gesagt und gezeigt wurde. Und dann fragte er: „Und ich, wenn ich an Jesus glaube, werde ich dann auch gekreuzigt?“

Liebe Schwestern und Brüder, ist diese Frage naiv? Ist sie die Frage eines kleinen Kindes? Sie ist naiv und kindlich in dem Sinne, wie ein Kind denkt und fühlt, ganz konkret und ganz von Person zu Person. – Doch will Gott nicht genau das von uns? Das Wort Jesu: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder …“ (Mt 18,3), können wir es hier nicht wiederfinden? Was will Jesus denn anderes, als daß wir ihm nachfolgen auf seinem Weg? Und was steht am Ende dieses Weges? Nur das Sterben am Kreuz? Oder noch mehr? – Heute, in dieser Osternacht (an diesem Ostersonntag), können wir selbst, jeder von uns ganz persönlich, diese Frage an uns heranlassen und nach einer Antwort suchen.

Und wir könnten die Antwort finden in diesem besonderen Jahr, das unser Papst ausgerufen hat, und wir könnten sagen: Ja, das Kreuz sehen wir, aber wir sehen es mit anderen, mit neuen Augen! Wir sehen im Kreuz die Liebe. Wir sehen das Leben. Und das ist der Triumph der Barmherzigkeit.

Und so könnten wir weiter sagen: Wir feiern ja Ostern, und Ostern ist der Triumph der Barmherzigkeit Gottes, der Sieg über Haß, Unfreiheit und Tod! Wir feiern und bekennen: Die Barmherzigkeit Gottes ist seine Antwort auf den Kreislauf der Gewalt, auf die Spirale von Vergeltung und Rache. Gott selbst ist in seinem Sohn in diesen Kreislauf hineingegangen, um von innen her die Übermacht des Bösen zu besiegen. – Doch würde das der kleine Junge verstehen? Und würden Sie und du und ich, würden wir es verstehen?

Der kleine Junge hat das eine verstanden: Jesus ist wirklich gekreuzigt worden, und wir, wenn wir ihm glauben, folgen ihm nach, bis hin zum Kreuz. – Da hat der Junge, der so gefragt hat, schon eine ganze Menge verstanden!

Lassen wir uns, wenn wir nach einer Antwort suchen, heute, in dieser Osternacht (an diesem Osterfest), einfach leiten und führen von dem Evangelisten, der wohl am deutlichsten die Barmherzigkeit Gottes in Jesus, seinem Sohn, bezeugt. Es ist der Evangelist Lukas, der uns in diesem Kirchenjahr seit dem Advent immer schon begleitet – haben wir es wirklich gemerkt, haben wir seine Botschaft wirklich gehört? Es ist natürlich nicht seine Botschaft, er hat sie nicht erfunden, sondern er ist der getreue Überbringer und Interpret der Ereignisse des Heils.

Wer war dieser Lukas? Von Paulus wird dreimal ein Lukas erwähnt, und einmal wird sein Beruf genannt: Er ist Arzt (Kol 4,14). Diese Erwähnung bei Paulus hat die kirchliche Tradition dann auf den dritten Evangelisten übertragen: Lukas, der Arzt.

Kann uns das nicht heute ein Hinweis sein? Was erwarten, was erhoffen wir von einem guten Arzt? Eben, daß er uns versteht, daß er uns zuhört, daß er uns als Mensch, nicht als Krankheitsprotokoll, wahrnimmt und ernstnimmt.

Genau diese Hoffnung ist für Lukas, den Arzt, in Jesus erfüllt. Jesus ist der große Arzt, der die Krankheiten unserer Seele kennt. Und er weiß auch den Weg und die Mittel, wie wir wieder heil und gesund werden. Das beschreibt Lukas, der Arzt, in seinem Evangelium, dem Evangelium von der Barmherzigkeit Gottes.

Von Lukas, und nur von ihm, erfahren wir in den Gleichnissen vom verlorenen Sohn, vom barmherzigen Samariter und vom reichen Kornbauern von der unendlichen Güte Gottes, aber zugleich auch von dem Auftrag, der an uns ergeht, Gottes Barmherzigkeit in unserer Welt ein Gesicht zu geben.

Von Lukas, und nur von ihm, erfahren wir in der Passion von den Begegnungen Jesu mit den trauernden Müttern, mit den beiden Schächern, die mit Jesus gekreuzigt werden, und mit den beiden Jüngern, die nach Emmaus unterwegs sind, traurig und mutlos. – Wenn wir diese Botschaften zusammensehen, erkennen wir: Es sind nicht nur einzelne Episoden, die da zusammengetragen werden, es ist eine einzige heilende Botschaft, die uns da geschenkt wird, eine Botschaft, die den Menschen wieder heil und gut macht, die ihn wieder mit Gott versöhnt.

Kann man das glauben? Kann man das wirklich annehmen? Und was ist nun mit unserer Frage, mit der Frage des kleinen Jungen, der gefragt hat: „Und ich, wenn ich an Jesus glaube, werde ich dann auch gekreuzigt?“ – Dürfen wir, sollen wir auf diese einfache Frage nun auch eine einfache Antwort geben?

Ich finde ja! Die Antwort kann sehr einfach gegeben werden: Ja, wir werden sterben! Du und ich. Und Sterben bedeutet tatsächlich: Das Kreuz annehmen. Aber Kreuz bedeutet hier genau: Gemeinschaft mit Christus zu haben, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Christus läßt mich nicht allein! Er ist immer bei mir, im Leben und im Sterben.

Für dich wird es Ostern, wenn du am Wegesrand liegst, ausgeplündert und blutend, und Jesus kommt als der barmherzige Samariter, der dich aufrichtet und verbindet.

Für dich wird Ostern, wenn du allein und am Ende bist, wie der Schächer am Kreuz, und du sprichst Jesus einfach an, und er verspricht dir mehr, als du dir vorstellen kannst.

Für dich wird Ostern, wenn du ratlos und mutlos nach Emmaus läufst, weg vom Ort des Grauens, und da ist einer, der dir einen Sinn des Ganzen aufschließt.

Mit Christus zu gehen, mit ihm zu sterben, bedeutet auferstehen und leben! Weil Gott es so will. Weil Er barmherzig und gut ist.

760. Predigtvorschlag

Wenn Ostern wirklich DAS Hochfest unseres Glaubens ist - warum finden sich dann kaum Darstellung der Auferstehung in unseren Kirchen? Wir sehen dort den Gekreuzigten, viele Heilige, die mitten im Martyrium sind (in unserer Kirche ist es vor allem die Heilige Apollonia mit einem Backenzahn in der Zange, weil ihr sämtliche Zähne gezogen wurden - kein sehr frohmachender Gedanke), zusätzlich noch mindestens 14 Bilder des Kreuzweges - aber ein Bild des Auferstandenen? Selten.

Hermann von Veen hat diesen Eindruck in einer kleinen Erzählung wiedergegeben, in der Gott nach vielen Jahren mal wieder bei den Menschen vorbeischaut und ein riesiges Gebäude mitten im Dorf entdeckt. Er geht hinein - drinnen mufft es und es ist dunkel - und sieht in dieser unguten Atmosphäre des Bild eines qualvoll gemarteten Menschen im Mittelpunkt. Auf die Frage, was denn dieses Gebäude für ein Haus sei, antwortet ihm ein Mönch: "Das Haus Gottes", woraufhin Gott sich angewidert schüttelt, die Kirche verläßt und sich auf die Parkbank in die Sonne setzt und die Beine baumeln lässt.

Nun - zumindest auf den ersten Blick hat Hermann van Veen recht: Sonderlich frohmachend sind unsere Darstellungen (auf den ersten Blick) wirklich nicht. Und auch wenn wir auf die Überbleibsel des Lebens Jesu schauen, blicken wir auch nur auf die Geißelsäule, die Dornenkronen, das Grabtuch von Turin, die Nägel Jesu und Partikel vom Kreuz. Warum kein Stein, der vom "Auferstehungsblitz" geschwärzt?

Die Antwort ist relativ einfach und deshalb vielleicht enttäuschend: Weil die Auferstehung ein geistiges Geschehen ist. Alle die martialischen Bilder sind die leidvolle Seite der gleichen Medaille, deren andere Seite "Auferstehung" heißt. Diese aber spielt - leider - in einer für uns unsichtbaren Liga.

Hm... (so könnte der Kritiker einwenden) - warum habt ihr Christen soviel Konkretes, Anfassbares, Materielles aus der leidvollen Wirklichkeit, behauptet aber ausgerechnet, dass das entscheidend Christliche eine unsichtbare-geistige Wirklichkeit ist?

Nun, (so könnte der Christ antworten) das ist doch nicht ungewöhnlich. Auch in unserer Welt ist alles, was wirklich entscheidend ist im Leben, geistig und unsichtbar. Freunschaft, Hoffnung, Liebe und Freude - alles ist unsichtbar. Nicht umsonst ähneln sich Liebe zwischen und Menschen und Glauben zu Gott: Sie sind beide geistig, aber vollkommen real.

Naja, (so würden viele Kritiker einwerfen) während ich einen Menschen, den ich liebe, sehen, anfassen und sogar riechen kann, ist die Liebe zu Gott doch sehr theoretisch. Das kann man doch nicht vergleichen!

Doch, (könnte der Christ antworten) denn Du liebst einen Menschen ja nicht aufgrund seiner einmaligen und genialen DNA-Struktur, oder wegen seiner wunderbar ausgewogenen biochemischen Zusammensetzung. Du würdest ja auch nicht auf die Idee kommen, einen Menschen auszustopfen und in Deiner Wohnung aufzustellen, damit Du nicht mehr alleine bist. Nein - das, was Du liebt, ist nicht der Körper, den Du siehst, sondern die Seele des Geliebten - und die ist nsichtbar, geistig, aber real. Und das, was Dich erregt und erhebt, ist wiederum nicht zunächst dessen körperliche Zärtlichkeit, sondern die Seele, die sich Deiner Seele zuneigt.

Dabei ist das Materielle zwar nur Ausdruck des Geistigen - denn die Materie selbst ist weder liebesfähig noch sinnerfüllt. Allerdings hat die Materie die unangenehme Eigenschaft, sich in den Vordergrund zu drängen, und - obwohl sie Ausdruck des Geistigen ist - leicht für das einzig Wirkliche genommen werden kann. Wenn wir so in einer Liebe das Feuer verlieren (oder in unserem Leben das Staunen über die gotteingeschaffene Schönheit der Welt - oder als Christ das tiefe Gespür für die Liebe Gottes) - wie können wir uns wieder erheben und aufschwingen zu geistigen Höhen?

Nun, wir könnten es mit Yoga probieren und unseren Körper mit Ecstasy abfüllen, oder bei Scientology eintreten, uns an kleine elektrische Maschinen anschließen, ganz oft in die Sauna gehen und dann glauben, wir hätten unseren Geist befreit und könnten uns nun zur Herrschaft über die Welt erheben. Christlich ist das alles nicht.

Christlich ist es, uns nicht vom Materiellen zu befreien, sondern uns mit Leib und Seele erheben zu lassen. Denn tatsächlich können wir uns die verlorene geistigen Wirklichkeit nicht durch Technik oder Praxis zurückerobern. Ein Vogel, der seine Flügel verloren hat, kann nicht mehr fliegen - da helfen auch keine Pseudo-Flügel aus Pappmaché. Wir brauchen jemanden, der uns erhebt. Christus.

Er ist der Auferstandene. Wir glauben nicht an "die Auferstehung" - sondern an Christus, den Auferstandenen. Wir glauben nicht an das "ewige Leben", sondern an Christus, der uns ewiges Leben schenkt. Davon müssen wir viel mehr reden, denken, beten und verkündigen: Christus.

Um so schlimmer ist es, wenn Christen - vor allem Priester -, die Zeugen einer vergeistigten Wirklichkeit sein sollen, die Seele im anderen leugnen und ihn zum Objekt degradieren. Missbrauch, Vergewaltigung und Folter sind deshalb verabscheuungswürdig, weil sie einen Menschen, der Subjekt ist und eine Seele hat, auf das rein Materielle reduzieren, die Seele leugnen (und somit schwer verwunden) und das Subjekt zum Gegenstand machen. Etwas Un-österlicheres kann es kaum noch geben; etwas stärker dem Christlichen entgegen Gesetztes ist kaum denkbar.

Die Kirche, so heißt es, macht zur Zeit eine nahezu beispiellose Krise durch. Krisen können heilsam sein, wenn wir Weichen neu stellen und aus Fehlern lernen. Eine Lehre muss mit Sicherheit lauten: Wir sollten nicht mehr so viel von uns reden, sondern mehr von Christus! - In meiner Priesterausbildung hieß es noch, wir Priester hätten kein anderes Werkezug der Seelsorge als nur uns selbst. Und unsere Aufgabe sei es, uns als Identifikationsfigur anzubieten, um "integrativ" tätig werden zu können.
Damit haben wir uns selbst überfordert und der Kirche großen Schaden zugefügt. Denn an diesem Anspruch können wir nur scheitern. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, Christus verkünden - Ihn, den Gekreuzigten und Auferstandenen. Nicht uns selbst.

In einem Kommentar hieß es zu den Missbrauchsfällen: "Die Kirche hat keine andere Legitimation als die moralische. Diese aber hat sie nun verloren." - Falscher kann man nicht liegen: Unsere Legitimation ist nicht die Moral - sondern Christus. Wir sind nicht Priester, Eheleute oder Christen, weil wir so perfekt sind - sondern weil wir Gesandte sind, Beauftragte. Nur auf SEIN Wort hin sind wir, was wir sind. Und diese Legitimation kann niemals verloren gehen.

In unserem Kirchenräumen gibt es nicht nur Bilder des Leides - sondern ein ganz zentrales Zeichen der Auferstehung: Die Osterkerze. Mag diese Kirche muffig sein, zu dunkel oder mit zuviel Leidvollem vollgepackt: In ihr brennt doch das Feuer des Auferstandenen. Mag ich selbst als Teil der Kirche sündig sein, muffig, verdunkelnd und Leid verursachend: In mir hat Christus dennoch sein Feuer eingesenkt. Mag die Kirche als Gemeinschaft von Bischöfen, Priester, Diakonen und Gläubigen ebenfalls voller Makel sein - muffig, verstaubt und mit Leid und Schuld behaftet. In ihr lebt das Feuer, das am allerersten Ostern entzündet wurde, bis auf den heutigen Tag.

Stellen wir dieses Licht wieder auf den Leuchter, wo es hingehört (und nicht unter den Scheffel unserer eigenen Bedürftigkeit), dann leuchtet es allen, die die Wahrheit suchen.

761. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,
Auferstehung - das ist ein Wort, das bei uns eine vielfältige Bedeutung hat. Jemand, der vollkommen am Boden gewesen ist - und nun wieder neuen Mut erfährt; jemand, der schwer krank, vielleicht sogar todkrank war - und dann doch wieder neue Kraft gewinnt und gesund wird; jemand, der durch einen Unfall nur haarscharf am Tode vorbei gekommen ist - der sein Leben als noch einmal geschenkt begreift - all diese Menschen können von einer «Auferstehungserfahrung» reden.
Noch vielmehr Beispiele lassen sich finden, Erfahrungen, die Menschen in Not, im Krieg oder in psychischen Extremsituationen gemacht haben; und die in eine «Auferstehung» münden.
Es tut gut, von solchen Erlebnissen zu erzählen. Es ist wichtig, da auch in Ruhe hinzuhören. Aber solcher Vorgeschmack, ein solches Bild für die Auferstehung - ist noch nicht die Auferstehung selbst.
Alle unsere Erfahrungen von neugewonnenen Mut oder neu geschenktem Leben sind eher vergleichbar mit der Erweckung des Lazarus. Ihm wird noch einmal sein irdisches Leben zurückgegeben. Aber die Auferstehung Jesu - und damit auch unser eigenes Schicksal - ist anders: Wir erstehen nicht mehr zu diesem Leben. Wir bekommen keine zweite Chance, denn das würde bedeuten, dass wir die dann auch wieder vermasseln können.
Nein, unser Ostern wird anders sein. Größer, herrlicher - aber vor allem anders.
Liebe Schwestern und Brüder, damit sag ich Ihnen nichts Neues. In meiner Jugendzeit habe ich viele Predigten gehört, die genau diese zum Thema hatten: Wie anders doch unsere Auferstehung sein wird. Wie unbegreiflich das Leben ist, das uns nach unserem Tod geschenkt wird. Sooft habe ich das gehört, dass dieses zukünftige Leben nichts mehr mit meinem jetzigen Alltag zu tun hatte. Und irgendwie habe ich mich auf dieses ganz Andere nicht so richtig freuen können.
Als Kinder haben wir uns manches vielleicht zu einfach, zu plastisch vorgestellt.. Der Himmel als ein großer Thronsaal, der liebe Gott als alter Mann mit weißem Bart, der Heilige Geist als weiße Taube und so weiter. Und wenn wir glauben, innerlich erwachsen zu werden, dann machen wir uns frei von diesen Bildern. Wir wissen, dass das alles gar nicht so ist - und rücken dann alles so weit weg, dass nichts mehr bleibt, was wir kennen. Gott - der ganz andere. Der Himmel - unvorstellbar. Der Heilige Geist - ein unbekanntes Wesen außerhalb jeder Dimension. Nichts mehr für meinen Alltag. Nichts mehr für mein Beten und Glauben. Und trotzdem sind wir überzeugt, so Gott eher gerecht zu werden.
Da ist es ganz erstaunlich, dass die Kirche in ihrem Glauben an ganz konkreten Überzeugungen festhält, einen schon fast kindlichen Glauben bewahrt: Wir werden auferstehen - mit unserem Leib. Nichts anderes beten wir regelmäßig im Glaubensbekenntnis, Sonntag für Sonntag: Ich glaube an «die Auferstehung des Fleisches» - so heißt es zumindest im Original. Wir werden uns im Himmel wieder erkennen! Wir werden unser Leben hier auf Erden nicht vergessen, und die Spuren unseres jetzigen Lebens werden nicht ausgelöscht sein!
Der auferstandene Jesus wurde an seinen Wundmalen wiedererkannt. Die Wunden, die ihm das Leben schlug, sie sind nicht vergessen. Aber sie sind verklärt, geheilt. Auch wir Menschen werden mit unseren Wunden – seien es die des Leibes oder die des Herzens - vor Gott nicht vergessen sein. Er liebt uns und nimmt uns und unsere persönliche Geschichte deshalb ernst. Dein Leben und mein Leben vergehen nicht im Nichts, sondern alles, was ich auf Erden hier tue und erleide – all das hat Ewigkeitswert. Das Gute strahlt dann um so mehr, das Wunde wird geheilt, das Böse vergeben.
Wir müssen uns nur von ihm verwandeln lassen wollen. Und das heißt, auf Erden schon für ihn offen zu werden. Wenn ich meinte, ich genüge mir selbst, ich bräuchte keinen Gott und keine anderen Menschen, dann setzte ich mich selbst in die Hölle. Den die Hölle ist von innen verschlossen, sie ist gewollte Einsamkeit.
Wir werden auferstehen in unserem Leib. Das hat was mit meinem Leben zu tun! Nicht irgendwelche Astralkörper, Energieblitze oder Geister werden wir sein, sondern erlöste Menschen mit Leib und mit Seele. Das unterscheidet uns von den ostasiatischen Religionen, die die Erlösung darin sehen, den Leib zu verlassen und in einem unpersönlichem Nichts aufzugehen. Der christliche Glaube ist alles andere als leibfeindlich.

Die Evangelien legen viel Wert darauf, dass Jesus nach seiner Auferstehung mit den Jüngern gegessen hat. Dass Thomas seine Wunden sehen und berühren konnte. Jesus war sogar so menschlich, dass die Jünger oder auch Maria von Magdala ihn zunächst für einen ganz normalen Menschen, zum Beispiel für einen Gärtner gehalten hatten.
Der Himmel wird nicht nur einfach anders sein. Er wird sehr viel mit unserem Leben hier zu tun haben. Dafür gibt es in unserem Leben einfach zu viel Himmlisches. Gerade in der Begegnung zwischen den Menschen.
Gott hat diese Welt als sehr gute Welt geschaffen, nicht als Einweg-Erde und Wegwerf-Welt, als Transitland zum Himmel. Alles Gute unseres Lebens hat Bestand. Und wenn wir als Menschen mit unserer Leiblichkeit nicht gut sind, wenn unsere Körper nicht erhaltenswert sind, dann weiß ich nicht, was gut noch bedeuten soll.
Wieviel Liebe, Zärtlichkeit, Aufmerksamkeit und Zuwendung können wir vor allem durch unseren Körper ausdrücken! Wie begrenzt ist doch unsere rein geistige Beschreibung von Zuneigung - verglichen mit einem einzigen, liebevollen Blick! Und so etwas Geniales wie unser Körper soll einfach vergehen? Das ist nicht unser Glaube!
Das bedeutet natürlich auch, dass wir mit unserem Leib sorgsam umgehen sollten. Das wir uns selbst nicht missbrauchen dürfen; dass es gilt, unserem Körper viel Ehrfurcht gegenüber zu haben. Aber auch mit dem, was unser Körper auszudrücken vermag, ehrlich umgehen. Unser Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes, für den Himmel geschaffen - und keine Spielbude oder Lustobjekt.
Aber vor allem hat ein solcher Osterglaube positive Auswirkungen auf mein Leben: Gott und die Menschen zu genießen - sich an ihnen zu erfreuen - das wird der Himmel sein. Und das können wir auch jetzt schon, das ist jetzt schon der Himmel auf Erden.
Das wird sich nach unserem Tode wahrscheinlich noch steigern. Aber es wird nicht alles anders sein. Warum auch?
Ich kann mich nicht nur jetzt schon auf den Himmel freuen, ich kann ich auch jetzt schon erfahren! Mein Leben hat eine himmlische Dimension, was ich tue und fühle sind oft echte Vorboten.
Es wird vieles anders sein im Himmel. Aber mehr, als wir denken, wird es dem ähnlich sein, was wir jetzt schon Glück nennen. Dann meinen wir nämlich, dass sich Himmel und Erde berühren. in uns. Und das müsste ewig so bleiben. Und es wird so bleiben.
Amen.

762. Predigtvorschlag

Dann ging Petrus nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war.

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein eigenartiger Schluss des Osterevangeliums. Jedenfalls empfinde ich das so.
Wäre nicht ein Petrus, der voll Freude ausruft: „Christus ist erstanden!“ angebrachter.
Statt eines überschwänglich jubelnden Petrus begegnet uns ein nachdenklicher, sich wundernder Petrus.
Das Ende dieses Evangeliums hat nichts von der Freude, von dem Halleluja, von der Feierlichkeit unserer Osterliturgie, die wir gerade feiern.

Das leere Grab war für ihn erst einmal schwer zu verkraften.
Das leere Grab wirft für ihn erst einmal alles über den Haufen.
Das leere Grab lässt in ihm Fragen aufsteigen:
Was bedeutet die Botschaft der Engel: Er ist nicht hier, er ist auferstanden?
Wer ist dieser Jesus, dem ich gefolgt bin, der mein Leben verändert hat, den ich verraten habe, der hier beerdigt lag? Wer ist er wirklich?

Später ist Petrus das alles klar geworden. Spätestens seit der Sendung des Hl. Geistes weiß er, was Auferstehung bedeutet, wer Jesus Christus wirklich ist.
Nach Pfingsten nämlich wird er zum ersten großen Prediger der Frohen Botschaft von der Auferstehung der Toten. Als erster Papst bekennt er vor der Welt, dass Jesus Christus, der Herr der Welt, der Herr über Leben und Tod ist.

Anlässlich dieses Osterfestes, anlässlich der Botschaft vom leeren Grab stellen auch wir uns mit Petrus die Fragen:
Was ist Auferstehung? Und wer ist dieser Jesus?

Was ist die Auferstehung?
Bei Umfragen unter Christen wurde vor kurzem deutlich, dass weiß Gott nicht der Großteil an eine Auferstehung Jesu und der Toten glaubt. Bei vielen ist auch ein falsches oder zu kurzes Verständnis über dieses Glaubensgeheimnis anzutreffen.

Es gibt Menschen, Christen, die die Auferstehung mit der Wiedergeburtslehre, der Reinkarnation ostasiatischer Religionen verwechseln oder vermengen.
Die Reinkarnation setzt voraus, dass wir mehrere Leben auf Erden haben. Je nach dem vorherigen Leben werde ich als Mensch oder Tier oder sonst etwas wiedergeboren.
Diese Wiedergeburt ist aber eine Bestrafung. Ziel ist es, nicht mehr an die Erde gebunden zu sein, sondern in das Nichts, in das Nirwana einzugehen.

Wir Christen glauben hingegen, dass wir nur ein Leben auf dieser Erde haben, in dem wir uns auf den Himmel vorbereiten. Und dieser Himmel ist kein Nichts, sondern wir werden darin als ganze Menschen, mit verklärten Leib und geläuterter Seele auf ewig leben. Außerdem ist uns die Erde als Gabe von Gott geschenkt worden: Auf ihr zu leben ist trotz aller Mühsal eine Gnade und keine Bestrafung. Nein, mit Reinkarnation hat das leere Grab nichts zu tun.

Was ist die Auferstehung?
Jesus lebt in seiner Botschaft weiter, sagen viele. Das, was er gelehrt hat, ist lebendig in der Kirche. Die Sache Jesu geht weiter.

Sicherlich, die Lehre Jesu wird weitergetragen von Generation zu Generation. Ähnlich wie die Erinnerung an liebe Verstorbene in uns weiterlebt. „In unseren Herzen lebst du weiter“ heißt es dann oft auf Totenzetteln. Das Gedächtnis der Toten zu pflegen, ist gut und wertvoll.

Aber das ist nicht die ganze Wahrheit, an die wir glauben.
Jesus Christus lebt nicht weiter, weil die Kirche ihn verkündet.
Vielmehr gilt: Die Kirche verkündet Jesus Christus, weil er wirklich lebt.

Der Herr lebt in der Herrlichkeit des Vaters, als der Auferstandene, auch wenn die Kirche ihn nicht mehr auf Erden verkünden sollte.
Unsere lieben Verstorbenen leben in der Ewigkeit, auch dann wenn sich keiner mehr an sie erinnert.
Es wäre schrecklich, wenn wir nur in den Herzen der anderen weiterleben würden. Was, wenn Menschen einsam gelebt haben und keiner sich ihrer erinnert? Was, wenn die Menschen, die sich eines Verstorbenen erinnern, selber sterben?

Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden!
In diesen Worten der Engel ist kurz zusammengefasst, was wir Christen glauben:
Jesus, der Gekreuzigte, lebt als der Auferstandene nicht hier in dieser Welt oder nur in unserer Erinnerung, sondern er lebt wirklich beim Vater. Deshalb ist das Grab auch leer.

Wer ist dann dieser Jesus?
Er ist nicht nur ein Prediger der Liebe Gottes. Er ist nicht nur ein guter Mensch. Er ist nicht nur einer, der sich der Armen und Kranken annahm. Er ist nicht nur ein Wunderheiler. Er ist nicht nur unser Bruder.
Dieser Jesus ist all das, aber er ist noch viel mehr:
Er ist der Sohn Gottes, er ist der menschgewordene Gott. Er ist der Herr über Leben und Tod. Er ist das Leben.

Unser Herr spricht:
Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben.

Gott hat sich mit uns Menschen in seinem Sohn Jesus Christus sosehr verbunden, dass er in ihm unseren Tod gestorben ist. Und er hat sich in ihm sosehr mit uns Menschen verbunden, dass wir an seinem ewigen Leben Anteil erhalten, an seiner Auferstehung.

Wer sich an Christus festmacht wird wirklich auferstehen. Wie er. Auf ewig.
Wer sich von ihm lossagt, wird sterben, tot sein. Auf ewig.

Wer ist dieser Jesus?
Er ist der Herr. Herr über Leben und Tod.

Wenn wir wirklich leben wollen, wenn wir wirklich auferstehen wollen, dann kommen wir an ihm nicht vorbei.

Wir müssen uns entscheiden, wenn wir auf sein leeres Grab schauen.
Für oder gegen ihn.

Dann ging Petrus nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war.
Liebe Schwestern und Brüder!
Petrus hat sich den Fragen gestellt: Was ist Auferstehung? Wer ist dieser Jesus?
Er glaubte und verkündete: Auferstehung heißt wirklich als ganzer Mensch auf ewig zu leben. Jesus ist der Herr über Leben und Tod.
Petrus hat sich entschieden. Für ihn.
Und er wird dann mit all den anderen gejubelt haben: Halleluja!
Und er wird dann mit all den anderen den Glauben an die Auferstehung und an Christus, den Sohn Gottes vor der Welt bekannt haben.

Folgen wir dem Aufruf des verstorbenen Papstes Johannes Paul II. In der Osternacht 2005 konnte er nicht mehr selber predigen. Seine Worte verlas Kardinal Ratzinger. Worte, die ein Vermächtnis sind an uns, an Sie, an Dich, an mich:
„Lasst uns aufwachen aus unserem müden, schwunglosen Christentum! Erheben wir uns und folgen wir Christus, dem wahren Licht, dem wahren Leben. Amen!“

763. Predigtvorschlag

Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder!

Merken Sie es auch: Die Angst geht um in unseren Tagen.

Die Angst um das persönliche Schicksal.
Angst angesichts von Krankheit,
angesichts drohender oder tatsächlicher Arbeitslosigkeit, angesichts des Todes.

Die Angst geht um!
Die Angst um unsere Gesellschaft.
Angst angesichts der Vielzahl von sozialen und wirtschaftlichen Problemen,
angesichts der Bedrohung der Familie,
angesichts eines stetigen Werteverfalls,
angesichts der demographischen Falle, in die sich die Deutschen selbst hineinmanövriert haben.

Die Angst geht um!
Die Angst um die Zukunft der Menschheit.
Die Angst angesichts einer Natur, die zurückschlägt, die sich unsere rücksichtslose Ausbeutung nicht mehr gefallen läßt, wie bei den nun fast alljährlichen Flutkatastrophen an der Oder.

Die Angst angesichts des Terrors vor allem mit islamistischem Hintergrund.
Die Angst vor Anschlägen hier bei uns,
die Angst vor fehlender Integration und latenter Gewaltbereitschaft ausländischer Mitbürger.

Wir merken es: Die Angst geht um in unseren Tagen!

Alles, was uns wichtig ist, scheint gefährdet zu sein.
Alles, worauf wir vertrauen, scheint unterzugehen.
Alles, worauf wir Hoffnung setzen, droht zu scheitern.

Alles sinnlos, umsonst? Auf wen, auf was kann man sich denn noch verlassen? Gibt es denn gar keinen Halt mehr?
Müssen wir all das zu Grabe tragen?

Mit diesen Gedanken im Kopf gehen viele unserer Zeitgenossen, gehen manche von uns durch diese Welt.

Liebe Schwestern und Brüder,
mit ähnlichen Gedanken im Kopf gingen die Frauen damals zum Grab Jesu.
Auch für sie war alles unsicher geworden.
Auch sie hatten Angst, daß ihr Leben sinnlos geworden sei, nachdem Jesus vor ihren Augen brutal getötet wurde.
Dieser Jesus, der sie angerührt und geheilt hatte,
dieser Jesus, der ihre Hoffnung war, ihr Halt, auf dessen Liebe sie sich verlassen konnten.

Nun war er tot. Und mit ihm war alles, was Leben versprach, begraben worden.

Und dennoch die Frauen machen sich auf zum Grab Jesu.
Es ist, als wollten sie ihrer Angst, ihrer Hoffnungslosigkeit noch einmal ins Gesicht sehen. Irgendetwas zieht sie ans Grab.

Und da geschieht es: Vor dem Grab begegnen sie einem Engel, einem Boten Gottes.
Und Gott läßt ihnen sagen:
Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat.

„Wir brauchen uns nicht mehr zu fürchten. Es ist nicht alles sinnlos. Er lebt.
Auf ihn können wir uns also doch verlassen. Er hat sein Wort gehalten. Sein Wort von der Auferstehung und dem neuen Leben. Es gibt also doch Halt und Hoffnung für uns.“
So oder ähnlich lauten nun die Gedanken und Empfindungen der Frauen.

Und tatsächlich: Er lebt. Er begegnet ihnen. Und auch Jesus ruft den Frauen zu: Fürchtet euch nicht!

Liebe Schwestern und Brüder,
was den Frauen am Grab damals passiert ist, das geschieht nun auch auf andere Weise mit uns, hier und jetzt.

Auch wir scheinen vieles begraben zu haben.
Auch für uns scheint vieles hoffnungslos geworden zu sein. Auch wir stehen vor dem Grab unserer Hoffnungslosigkeiten.
Wie gesagt: Die Angst geht um.

Mit unserer Angst sind wir hierher gekommen. Vielleicht hat eine ganz konkrete Angst den einen oder die andere hierher geführt.

Und hier in der Feier der Osterliturgie hören wir die Botschaft Gottes, wie wenn ein Engel sie uns verkündet:
Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat.
In dieser Feier der Osterliturgie ruft uns Jesus selbst wie damals den Frauen zu:
Fürchtet euch nicht!

„Fürchtet euch nicht!
Ich weiß, es gibt genügend Dinge in dieser Welt, die euch ängstigen. Ich kenne eure Angst. Ich war Mensch wie ihr. Und ich hatte Angst, wie ihr. Im Garten Gethsemani. Am Kreuz.
Aber ich habe die Welt besiegt. Und damit habe ich die Angst besiegt.

Fürchtet euch nicht!
Die Dinge dieser Welt, die euch ängstigen, kann ich euch Menschen nicht immer nehmen. Auch mein Vater konnte mir das Kreuz nicht nehmen.
Er hat mich diese Angst durchleben lassen, damit ich diese Angst bezwinge.

Und nun lebe ich, vom Toten auferstanden.
Ich habe die Angst, diese Welt, die so ängstigen kann, den Tod besiegt.
Aber nicht nur für mich, auch für euch habe ich diesen Sieg errungen.
An mir erkennt ihr:
Die Angst, diese Welt, der Tod haben nicht das letzte Wort. Mein und euer himmlischer Vater hat das letzte Wort.
Und dieses Wort heißt: Leben!
Deshalb sage ich euch noch einmal: Fürchtet euch nicht!“

Liebe Schwestern und Brüder!
Die Angst geht um in unseren Tagen.
Vielen Menschen ist ihre Angst um sich selbst, um die Gesellschaft, um die Welt zu einen Grab geworden.
Gelähmt von Angst wagen sie nicht mehr zu leben.

Auch als Christen haben wir Ängste und Sorgen.
Aber wir lassen uns davon nicht begraben, weil wir berufen sind, aufzuerstehen aus den Gräbern unserer Angst.
Christus hat uns aus unseren Gräbern geholt, weil er gezeigt hat, daß das Grab nicht der Endpunkt unseres Lebens ist.
Nicht der Tod steht am Ende, sondern das Leben.

Es stimmt: Die Angst geht um in unseren Tagen.
Es stimmt auch: Unsere Tage sehnen sich danach, die Botschaft von Ostern, von heute zu hören:
Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat.
Rufen wir es hinein in unsere Tage: „Alleluja, Jesus lebt!“

764. Predigtvorschlag

„Das ist wie Feuer und Wasser“: das sagen wir schon einmal, wenn wir meinen, daß etwas ganz und gar nicht zusammenpaßt. Feuer und Wasser: zwei Symbole, die gegensätzlicher nicht sein können. Und doch kommen sie heute, in der Osterfeier, zusammen. Ostern ist das Fest von Feuer und Wasser.
Jesus sagt einmal: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (Lk 12,49). Dafür ist das Osterfeuer ein Sinnbild: es zeigt, daß jetzt ein Licht in die Welt kommt, das die Finsternis überwältigt. Es zeigt, daß da ein Feuer brennt, das ein Signal ist: der Tod ist tot, das Leben lebt.
Auch ein anderes Symbol ist da, das Wasser. Ohne die Weihe des Taufwassers gibt es keine Feier der Osternacht. Ohne das neue Osterwasser, mit dem wir uns besprengen lassen, wäre das Fest nicht vollständig. - Alles Leben kommt aus dem Wasser, sagen uns die Biologen. Bevor ein Mensch das Licht der Welt erblickt, schwimmt er neun Monate lang im Fruchtwasser seiner Mutter. Dieses Fruchtwasser hat eine Zusammensetzung, die ganz ähnlich ist dem Wasser der Weltmeere. So konzentriert sich in jedem einzelnen Menschen, der vor seiner Geburt im Wasser schwimmt, das ganze Wunder der Entstehung des Lebens aus dem Wasser.

Doch damit der kleine Mensch wirklich eintreten kann in die große, für ihn noch unbekannte Welt, muß er seinen ersten Lebensabschnitt in der Geborgenheit des Fruchtwassers beenden. Er muß die dunkle, warme Welt, die ihm seine Mutter geschenkt hat, verlassen und sich hineinwerfen lassen in eine grelle, kalte Umgebung, die ihm Angst macht. Dieser Übergang geschieht nicht ohne Schmerz. Aber das kleine Menschenkind hat keine Wahl: wenn es leben und weiterleben will, muß es das an sich geschehen lassen

Diese Geburt zum neuen Leben wiederholt sich in anderer Weise in der Taufe. In dem österlichen Wasser wird der Täufling neu geboren: er wird herausgenommen aus dem Bereich des Todes und darf in das Leben eintreten, in die Gegenwart und Gnade Gottes. Er ist nun eins mit Christus, dem für uns Gekreuzigten und Auferstandenen.

Jedes Osterfest bedeutet für uns die Erneuerung der Taufe. Wir erneuern unsere Taufe, indem wir uns von neuem für Christus entscheiden. Wir erneuern unsere Taufe, indem wir uns von neuem entscheiden, als neue Menschen zu leben.

Als neue Menschen leben, wie geht das? Ich nenne nur zwei Punkte. Der erste Punkt: Das geht nicht allein. Jeder braucht Weggenossen. Die elementaren Glaubenserfahrungen, ven denen die Bibel berichtet, sind Wegerfahrungen. Angefangen von Abraham über das Volk Israel in der Wüste und die Emmaus-Jünger bis zu den Reisen des Apostels Paulus.
Diese Weg-Erfahrungen sind auch für uns heute wichtig und werden immer wichtiger: weil sie uns helfen, einander zu begegnen und Christus zu begegnen. Wir verschicken heutzutage massenweise e-mails und sms-Nachrichten, aber was das wirklich heißt: sich gemeinsam auf einen Weg machen – das geht in einer virtuellen Welt immer mehr verloren.
Deswegen ist es für eine Gemeinde, wie wir es sind, immer wichtiger, den Taufglauben zu erneuern, indem wir buchstäblich gemeinsam aufbrechen und nicht stehenbleiben: das heißt, die Herausforderungen, die sich uns in einer veränderten Zeit stellen, annehmen. Bereit sein, nicht nur Veränderungen im Leben der Gemeinde anzugehen und anzunehmen, sondern alles unter der Frage zu sehen: Was vertieft unseren Glauben? Was führt uns näher zu Christus? Was hilft den Menschen auf ihrem Glaubensweg?
Dann ein Zweites, um als neuer Mensch zu leben aus der Gnade der Taufe: Die Ostergeschenke des Auferstandenen annehmen. Annehmen heißt nicht nur: artig Dankeschön sagen, sondern die Geschenke auch auspacken. Niemand würde ein Geschenk, das er bekommt, in der Verpackung einfach stehenlassen. Sondern jeder wäre neugierig, was da wohl drin ist. – Manchmal sind wir Christen seltsame Menschen. Wir bekommen von Christus das Geschenk der Vergebung und das Geschenk seiner Gegenwart in der Eucharistie. Aber wir lassen die Geschenke in der Verpackung. Würden wir sie auspacken und mit ihnen leben, hätten wir Kraft, als neue Menschen zu leben.

Heute, in dieser Feier, können wir damit beginnen. Christus schenkt sich uns in seiner gekreuzigten und auferstandenen Existenz. Er ist durch das Feuer des Leidens und Sterbens gegangen. Darum hat seine Gegenwart in unserer Mitte die Gestalt des in der Gluthitze gebackenen Brotes. Damit wir nicht vergessen, um welchen Preis uns Christus dieses Geschenk gemacht hat. Keine Osterfest kann gefeiert werden, das nicht gleichzeitig auch innigster Dank ist für dieses große Geheimnis, das uns da anvertraut wird.

Heute feiern wir Ostern. Christus ist wirklich auferstanden von den Toten. Wir sind mit ihm neu geboren aus dem Wasser der Taufe und wir empfangen im Glauben seinen Leib, der durch das Feuer des Leidens gegangen ist. Feuer und Wasser: das sind seit Ostern keine Gegensätze mehr. Sondern Zeichen für das neue und unvergängliche Leben, das allein Christus uns geben kann.

765. Predigtvorschlag

Gottes Wort muß in uns zum Klingen gebracht werden

Stellen Sie sich vor, Sie betreten zum ersten Mal ein altes Haus, das Sie vor kurzem geerbt haben. Sie schauen durch die Fenster und in die Räume. Sie öffnen Türen und treten ein. Sie öffnen Luken und erkennen verborgene Ecken. Und plötzlich, in einem ganz entlegenen, dunklen Raum, fänden Sie es: ein altes, vergilbtes Papier. Ein Schriftstück aus alter Zeit. Darauf sehen wir Linien, Noten, Zusätze, Zeichen. Und darunter steht auch ein Name: W.A. Mozart. -

Dieser Name - Ihnen und mir wohlbekannt - läßt Sie innehalten. Sie gehen mit dem Blatt zu einem Musikkenner, zu einem Fachmann, der es untersucht. Er schaut sich das an und nach einer Zeit der Prüfung erklärt er: Diese Noten - sie sind ein bisher unbekanntes Musikstück des Komponisten, ein wiederentdecktes Werk. Das Papier ist eine Kostbarkeit. Das Werk eines großen Meisters. Was würde nun wohl mit einem solchen Blatt geschehen? Man würde sicher in aller Welt über diesen bedeutenden Fund berichten. Fachzeitschriften würden Fotos und Kommentare bringen. Das Interesse wäre groß.

Aber eines fehlte jetzt noch. Die Noten auf dem Papier sind nicht bloß dazu da, daß sie angeschaut, mit den Augen gelesen und vielleicht dazu noch untersucht werden. Nach dem Willen des Komponisten erfüllen sie ihren Zweck erst dann und genau dann, wenn Menschen die passenden Instrumente nehmen und die Noten auf dem Papier in Musik umgesetzt werden; wenn das Geschriebene in Gehörtes verwandelt und die Komposition so zur Freude und zum Trost der Menschen zum Klingen gebracht wird.

Genauso verhält es sich auch mit der Abschiedsrede Jesu, von der wir gerade einen Teil als Evangelium gehört haben. Das Evangelium ist zunächst nur Buchstaben auf Papier, aber das soll es nicht bleiben. Zunächst soll es von uns angenommen und als wertvoll angesehen werden. Viel wertvoller als jede noch so große Werk eines noch so berühmten Musikers.

Und dann soll das Wort Christi wie eine wunderbare Komposition zum Klingen gebracht werden: es soll nach dem Willen des Stifters seinen Sinn erfüllen, indem es im Lied und im Spiel des Lebens zum Klingen gebracht wird: einmal dadurch, daß wir es im Gottesdienst hören; daß der Buchstabe und die Wörter in den Raum kommen, an unser Ohr und an unser Herz. So kann es zu einem Lied werden, dessen Urheber Gott selber ist. Aber die Instrumente, auf denen dieses Lied erklingt, sind wir selbst. Wir selbst sind das Werkzeug und das Medium, durch das Gottes Trost und Treue, seine Güte und Liebe zu den Menschen kommen.

Jesus möchte, daß seine Melodie, die er in die Welt gebracht hat, nie vergessen wird. Er möchte, daß sie immer wieder entdeckt und gespielt wird - in unseren persönlichen Gebeten, im Gottesdienst, im Alltag. Der Heilige Geist, um den wir in diesen Tagen vor dem Pfingstfest beten, er wird dafür Sorge tragen, daß diese Melodie harmonisch und voll erklingt und daß keine Mißtöne entstehen. Er wird dafür sorgen, daß diese Melodie das bewirkt, wozu Jesus in diese Welt gekommen ist: daß wir erkennen, wie sehr Gott an uns gelegen ist und daß er wirklich Vater ist, der nicht aufhört, uns zu rufen.

766. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wenn ich in der Schule oder bei anderen Gelegenheiten davon spreche, dass Ostern das höchste Fest der Kirche ist, dann ernte ich oft nur Erstaunen oder Kopfschütteln. Für die allermeisten ist nicht Ostern, sondern Weihnachten das Fest aller Feste.

Das mag vielleicht mit Nebensächlichkeiten und Zufälligkeiten zu tun haben: Weihnachten ist ein Familienfest - schon allein deshalb, weil es früher keine Zentralheizung gab und die Menschen sich in der kalten Weihnachtsnacht eng um den heimischen Kamin versammelten.
Weihnachten ist überhaupt viel romantischer - mit dem ganzen Kerzenschein und Lebkuchengeruch zuhause. Und anstatt mühevoll Ostereier zu suchen, wissen wir genau, wo die Geschenke liegen. Wir brauchen sie nur auspacken.
Vielleicht ist es auch das, was den Kindern Weihnachten so toll erscheinen lässt: Dass es Geschenke gibt. Auf Ostern gibt es allerhöchstens einen Osterhasen aus Schokolade und ein paar Überraschungseier.

Aber es gibt noch tiefer Gründe, warum uns das Weihnachtsfest sehr viel näher erscheint als Ostern. An Weihnachten wird Gott Mensch; ein Kind ist uns geschenkt - das können wir uns gut vorstellen. Allein schon unsere Krippendarstellungen zeigen, das wir das Weihnachtsgeheimnis gut ausschmücken können.
An Ostern wird ein Mensch zum Gott - das können wir uns nur schwer vorstellen. Es gibt wohl deshalb auch keine Osterkrippen. Allerhöchstens das leere Grab können wir darstellen - beim Auferstandenen fällt es uns schon schwer.

"Machs wie Gott: Werde Mensch!" - das können wir uns vorstellen. Da können wir auch begreifen, was das mit unserem Alltag zu tun hat: So werden, wir Jesus als Mensch es uns vorgelebt hat.
Aber was sollen wir mit dem Ostergedanken anfangen? Gut - die Hoffnung auf die Auferstehung irgendwann einmal, das ist nicht unwichtig. Aber jetzt - in meinem Alltag? Ich kann nicht wie Jesus durch Türe und Wände gehen. Was soll ich mir also den Auferstandenen als Vorbild nehmen?

Insgesamt ist uns das Weihnachtsfest lieber; die Geburt ist ein schönes Fest für die ganze Familie. Zu Ostern gehört ja auch der Karfreitag - und das erinnert uns keineswegs an schöne Momente in unserem Leben.

Liebe Schwestern und Brüder, es ist eindeutig: Was die Nähe des Festes zu unserem Leben und unseren Lebenserfahrungen angeht, siegt Weihnachten um Längen vor Ostern. Ostern ist einfach zu weit weg: In der fernen Zukunft, im Jenseits, in einem anderen Leben.

Liebe Schwestern und Brüder: Wenn die Kirche trotzdem Wert darauf legt, das Ostern mit Abstand der Vorrang vor allen anderen Festen des Jahres erhält, dann vermutlich deshalb, weil unser Glaube nicht nur unserem Alltag einen neuen Anstrich geben möchte - sondern uns in einen anderen Alltag hineinruft.

Gott ist ein Gott, der uns herausruft. Er will nicht nur ein Zusatz zu unserem Leben sein - so ähnlich wie eine Zusatz-Diät, die man zusätzlich zwischen den üblichen Mahlzeiten ißt. Er ist kein Geschmacksverstärker, sondern jemand, der uns auffordert, unsere bisherigen Erfahrungen hinter sich zu lassen und herauszukommen aus unseren engen Lebensgrenzen.

"Komm heraus, Lazarus!" - Das ruft er uns zu.

"Folge mir nach!" fordert er uns auf.

"Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!" sagt er und erwartet, dass wir bereit sind, ganz neue Erfahrungen zu machen.

Neue Erfahrungen, österliche Erfahrungen. Die Erfahrung, das Jesus lebt und mir zur Seite steht, kann ich nur machen, wenn ich mich auf neues Territorium wage: Anderen verzeihe, wo keiner mehr damit gerechnet hat. Zugebe, dass ich verbohrt gewesen bin. Öffentlich im engsten Freundeskreis von meiner Liebe zu Gott spreche. Auf Menschen zugehe, die in ihren eigenen Sorgen zu ertrinken drohen. Und dabei darauf vertraue: Jesus lebt! Er steht mir zur Seite!

Liebe Schwestern und Brüder: Weihnachten knüpft an den Erfahrungen an, die ich und jedermann schon gemacht hat. Gott wird ein Teil der Welt, die mir vertraut ist.

Ostern knüpft nicht an alten Erfahrungen an. Ostern ermöglicht mir neue: Die Erfahrungen einer neuen Welt; die Erfahrung, das Gott Wunder wirken wird - in meinem Leben. Die Erfahrung, dass ich zu mehr berufen bin, als nur "Mensch zu werden".

Seit Ostern heißt es eben nicht mehr: "Mach's wie Gott, werde Mensch!"

Seit Ostern heißt es: "Komm heraus, Lazarus!"

«Komm heraus, alter Mensch, und lass Dich verwandeln. Gott hat Göttliches mit Dir vor - nicht nur Menschliches. Dafür bist Du ihm viel zu lieb.»

Amen.

767. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

vielleicht haben Sie es in der Zeitung gelesen, dass ich jetzt sogar schon im Internet Seelsorge mache. Das hat nichts damit zu tun, dass ich mich hier nicht ausgelastet fühle. Nein, es ist wirklich interessant, sich auf diese Art und Weise mal offen und ehrlich von den Jugendlichen sagen zu lassen, was sie so bewegt. Viele Jugendliche haben kleine und mittlere Probleme, und trauen sich nicht, darüber zu sprechen. Das fängt beim heimlichen Rauchen an und hört bei Beziehungskrisen und Selbstmordgedanken auf.

Vor einiger Zeit habe ich mit einem jungen Mann ein Gespräch geführt. Er hat eine Freundin gefunden, die er wirklich liebt, die etwas dicker ist als andere (so schreibt er), und die ihn auch liebt. Und trotzdem, so meint er, ist er immer wieder eifersüchtig. Was kann man dagegen tun?

Als ich versucht habe, die Antwort zu formulieren, bin ich selbst ein wenig ins Grübeln gekommen. Liebe heißt Vertrauen, so habe ich geschrieben. Das Begeisternde einer Beziehung ist, dass da einer ist, der mir vertraut, der mich für voll nimmt, der an mich glaubt. Da ist einer, der mag mich nicht nur, sondern er traut mir auch; mehr als anderen. Vielleicht, so habe ich mir gedacht, ist Liebe und Vertrauen genau das Gleiche, nur dass es zwei verschiedene Worte sind. Man vertraut sich Geheimnisse an, man erzählt sich Dinge, die man keinem anderen erzählen würde, und vertraut so Stück für Stück sich selbst dem anderen an. Ich glaube schon, dass das Liebe ist.

Eifersucht ist demnach keine übertriebene Liebe, sondern ein Mangel. Ein Mangel an Vertrauen und damit ein Mangel an Liebe. Je mehr Vertrauen man in den anderen setzt, umso größer ist die Liebe. Und ein solches Vertrauen kann im Laufe der Zeit wachsen. Ein über Jahre eingespieltes Ehe-Team hat vielleicht etwas von der Glut der Liebe verloren, dafür aber wahrscheinlich das Vertrauen zueinander vertieft. Letztlich ist die Liebe gewachsen. Wirklich zu lieben heißt, an die Liebe des anderen zu glauben. Ein schöner Gedanke für eine Silberhochzeit, habe ich mir gedacht.
Aber meine Gedanken, die schon längst nicht mehr alle zu Papier gebracht hatte, gingen noch weiter. Wenn wir erst lieben, wenn wir unsere Liebe einander bewiesen haben, dann hätten wir eine Geschäftsbeziehung - keine Liebesbeziehung. Die Liebe zwischen zwei Partnern ist spätestens dann nicht mehr vorhanden, wenn der eine vom anderen Liebesbeweise einfordert. Wirklich zu lieben heißt, an die Liebesfähigkeit des anderen zu glauben.

Und in dem Augenblick ging mir auf, dass es sich genauso auch mit unserem Glauben verhält.
Gott liebt uns. Er vertraut uns. Sein Vertrauen zu mir ist so absolut, dass er mich niemals aufgeben würde. Und vor allem: Er glaubt an meine Fähigkeit, ihn zu lieben. Er traut mir unbedingt zu, an ihn zu glauben.

Selbstverständlich könnte er sich zeigen und beweisen, dass er existiert. Das tut er ja auch. Aber eben nicht auf Bestellung, denn sonst ist die Gefahr zu groß, dass wir über eine Geschäftsbeziehung nicht hinauskommen. Vielleicht haben Sie schon einmal gedacht: So langsam müsste der da oben mir aber auch einmal zeigen, dass es ihn gibt. Kann der nicht mal ein kleines Wunder vollbringen? Nur ein kleines, damit ich meinen Glauben nicht verliere? Und wenn Gott sein Zeichen nicht glaubhaft rüberbringt, dann ist er selber schuld, wenn mein Glaube flöten geht.
Keine Frage, da versuchen wir ein Geschäft abzuschließen. Wieviel unser Beziehung zu Gott ist so primitiv geschäftlich-kaufmännisch!

Dass Gott uns das Zeichen nicht gibt, dass unseren Glauben retten könnte, liegt daran, dass er den Glauben an unsere Liebesfähigkeit noch nicht verloren hat. Dass er trotz allem Geschäftsgebaren noch den Funken Liebe in unseren Herzen sieht und anfacht. Seine Antwort ist, ganz schlicht: Du kannst es! Auch ohne Extra-Wunder, ohne Beweise. Ich glaube an Dich!

Es ist, liebe Schwestern und Brüder, ganz einfach: Wer verliebt ist, der findet genügend Hinweise auf die Liebe des anderen. Wer wirklich vertraut, sieht darin sogar handfest Beweise. Aber ein solcher Beweis kann die Liebe nicht erzeugen; wenn die Liebe nicht mehr da ist, wirkt jeder Liebesbeweis lächerlich.

Wer Gott vertraut, der findet allerdings genügend Hinweise, auch in seinem alltäglichen Leben, die Gottes Liebe bezeugen, vielleicht sogar beweisen. Wer Gott vertraut, dem passiert hin und wieder auch schon einmal ein Wunder. Ein kleines vielleicht, aber vielleicht auch mal ein großes. Aber mit all diesen Beweisen kann ich keinen Glauben erzeugen bei dem, der nicht glauben will. Keine Chance.

Liebe Schwestern und Brüder, sehr viele glauben nicht an die Auferstehung Jesu. Und vielleicht haben Sie ja auch so ein paar Bedenken. Da nutzt es nicht viel, wenn ich von der Auferstehung Jesu als Beweis unseres christlichen Glaubens spreche. Was wirklich Ostern heißt - die tiefe Freude eines erlösten Christen - die Freiheit der Kinder Gottes - werden sie erst begreifen, wenn Sie sich verlieben. In Gott. Amen.

768. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Auferstehung - das ist ein Wort, das bei uns eine vielfältige Bedeutung hat. Jemand, der vollkommen am Boden gewesen ist - und nun wieder neuen Mut erfährt; jemand, der schwer krank, vielleicht sogar todkrank war - und dann doch wieder neue Kraft gewinnt und gesund wird; jemand, der durch einen Unfall nur haarscharf am Tode vorbei gekommen ist - der sein Leben als noch einmal geschenkt begreift - all diese Menschen können von einer «Auferstehungserfahrung» reden.
Noch vielmehr Beispiele lassen sich finden, Erfahrungen, die Menschen in Not, im Krieg oder in psychischen Extremsituationen gemacht haben; und die in eine «Auferstehung» münden.

Es tut gut, von solchen Erlebnissen zu erzählen. Es ist wichtig, da auch in Ruhe hinzuhören. Aber solcher Vorgeschmack, ein solches Bild für die Auferstehung - ist noch nicht die Auferstehung selbst.

Alle unsere Erfahrungen von neugewonnenen Mut oder neu geschenktem Leben sind eher vergleichbar mit der Erweckung des Lazarus. Ihm wird noch einmal sein irdisches Leben zurückgegeben. Aber die Auferstehung Jesu - und damit auch unser eigenes Schicksal - ist anders: Wir erstehen nicht mehr zu diesem Leben. Wir bekommen keine zweite Chance, denn das würde bedeuten, dass wir die dann auch wieder vermasseln können.

Nein, unser Ostern wird anders sein. Größer, herrlicher - aber vor allem anders.

Liebe Schwestern und Brüder, damit sag ich Ihnen nichts Neues. In meiner Jugendzeit habe ich viele Predigten gehört, die genau diese zum Thema hatten: Wie anders doch unsere Auferstehung sein wird. Wie unbegreiflich das Leben ist, das uns nach unserem Tod geschenkt wird. Sooft habe ich das gehört, dass dieses zukünftige Leben nichts mehr mit meinem jetzigen Alltag zu tun hatte. Und irgendwie habe ich mich auf dieses ganz Andere nicht so richtig freuen können.

Wir erliegen oft der Gefahr, uns alles viel zu plastisch und zu einfach vorzustellen. Der Himmel als ein großer Thronsaal, der liebe Gott als alter Mann mit weißem Bart, der Heilige Geist als weiße Taube und so weiter. Und wenn wir glauben, innerlich erwachsen zu werden, dann machen wir uns frei von diesen Bildern. Wir wissen, dass das alles gar nicht so ist - und rücken dann alles so weit weg, dass nichts mehr bleibt, was wir kennen. Gott - der ganz andere. Der Himmel - unvorstellbar. Der Heilige Geist - ein unbekanntes Wesen außerhalb jeder Dimension. Nichts mehr für meinen Alltag. Nichts mehr für mein Beten und Glauben. Und trotzdem sind wir überzeugt, so Gott eher gerecht zu werden.

Da ist es ganz erstaunlich, dass die Kirche in ihrem Glauben an ganz konkreten Überzeugungen festhält, einen schon fast kindlichen Glauben bewahrt: Wir werden auferstehen - mit unserem Leib. Nichts anderes beten wir regelmäßig im Glaubensbekenntnis, Sonntag für Sonntag: Ich glaube an «die Auferstehung des Fleisches» - so heißt es zumindest im Original. Wir werden uns im Himmel wieder erkennen!. Wir werden unser Leben hier auf Erden nicht vergessen, und die Spuren unseres jetzigen Lebens werden nicht ausgelöscht sein!

Wir werden auferstehen in unserem Leib. Das hat was mit meinem Leben zu tun! Nicht irgendwelche Astralkörper, Energieblitze oder Geister werden wir sein, sondern erlöste Menschen mit Leib und mit Seele.
Die Evangelien legen viel Wert darauf, dass Jesus nach seiner Auferstehung mit den Jüngern gegessen hat. Dass Thomas seine Wunden sehen und berühren konnte. Jesus war sogar so menschlich, dass die Jünger oder auch Maria von Magdala ihn zunächst für einen ganz normalen Menschen, zum Beispiel für einen Gärtner gehalten hatten.

Der Himmel wird nicht nur einfach anders sein. Er wird sehr viel mit unserem Leben hier zu tun haben. Dafür gibt es in unserem Leben einfach zu viel Himmlisches. Gott hat diese Welt als sehr gute Welt geschaffen, nicht als Einweg-Erde und Wegwerf-Welt, als Transitland zum Himmel. Alles Gute unseres Lebens hat Bestand. Und wenn wir als Menschen mit unserer Leiblichkeit nicht gut sind, wenn unsere Körper nicht erhaltenswert sind, dann weiß ich nicht, was gut noch bedeuten soll.

Wieviel Liebe, Zärtlichkeit, Aufmerksamkeit und Zuwendung können wir vor allem durch unseren Körper ausdrücken! Wie begrenzt ist doch unsere rein geistige Beschreibung von Zuneigung - verglichen mit einem einzigen, liebevollen Blick! Und so etwas Geniales wie unser Körper soll einfach vergehen? Das ist nicht unser Glaube!

Das bedeutet natürlich auch, dass wir mit unserem Leib sorgsam umgehen sollten. Das wir uns selbst nicht missbrauchen dürfen; dass es gilt, unserem Körper viel Ehrfurcht gegenüber zu haben. Aber auch mit dem, was unser Körper auszudrücken vermag, ehrlich umgehen. Unser Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes, für den Himmel geschaffen - und keine Spielbude oder Lustobjekt.

Aber vor allem hat ein solcher Osterglaube positive Auswirkungen auf mein Leben: Gott und die Menschen zu genießen - sich an ihnen zu erfreuen - das wird der Himmel sein. Und das können wir auch jetzt schon, das ist jetzt schon der Himmel auf Erden.
Das wird sich nach unserem Tode wahrscheinlich noch steigern. Aber es wird nicht alles anders sein. Warum auch?

Ich kann mich nicht nur jetzt schon auf den Himmel freuen, ich kann ich auch jetzt schon erfahren! Mein Leben hat eine himmlische Dimension, was ich tue und fühle sind echte Vorboten.

Es wird vieles anders sein im Himmel. Aber mehr, als wir denken, wird es dem ähnlich sein, was wir jetzt schon Glück nennen.

Amen.

769. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

eine radikal biblische Gruppe, schon fast eine Sekte, in Amerika, hat vor einigen Jahren eine Million Dollar als Preisgeld ausgesetzt für den, der beweisen kann, dass wir den Sonntag als heiligen Tag feiern sollen - und nicht den Sabbat, wie es noch in den 10 Geboten heißt.

Das Preisgeld steht immer noch aus, denn der Beweis sollte aufgrund der biblischen Texte geschehen - und das ist nicht möglich. Denn der Sonntag als Tag des Herrn hat sich erst in den späteren Jahrhunderten entfaltet.

Die ersten Christen haben noch den Sabbat gehalten, den letzten Tag der Woche, zu Ehren der Schöpfung und zu Ehren des Schöpfers, der an diesem Tag ruhte. Immer mehr wurde auch der darauf folgende Tag, der erste Tag der Woche, zu einem Gedenktag. Weil an diesem Tag die Auferstehung durch die Frauen am Grab entdeckt wurde, feierten die Christen der nächsten Jahrhunderte den ersten Tag der Woche als Tag des Herrn.

Bei uns heißt dieser Tag zwar "Sonntag" - zu Ehren des heidnischen Sonnengottes - aber in den romanischen Sprachen ist der Sinn des Tages auch noch im Namen enthalten: «Domenica» (im italienischen) oder «Dimanche» (im französischen): «Tag des Herrn».

Bis zum Anfang der siebziger Jahre begann auch im weltlichen Kalender die Woche mit dem Sonntag. Erst 1972 wurde - per Gesetz - der Sonntag zum letzten Tag der Woche und damit zum Bestandteil des Wochenendes. Aber das ist nicht wirklich christlich.

Denn mit dem siebten und letzten Tag der Woche findet die Schöpfung ihren Abschluss. Gott ruht. Dann, am 8. Tag geschieht etwas, das einen neuen Anfang setzt: Eine neue Schöpfung wird aus der Taufe gehoben. Mit der Auferstehung Jesu entsteht eine neue Welt! Auferstehung ist nicht das «Happy End», Abspann und dann Schluss. Auferstehung ist der Paukenschlag, wie eine Overtüre zu einem neuen Akt.

Mit der Auferstehung Jesu wurde eine neue Welt, die himmlische Welt, in unserer eher düsteren, vielleicht sogar höllischen Erde aufgetan. So, wie der Vorhang im Tempel mitten entzwei riss, so war jetzt ein Tür geöffnet. Wir waren nicht mehr in einer in sich abgeschlossenen Welt, getrennt von Gott und seiner Gnade, sondern uns wurde ein neues Leben geschenkt. In der Taufe, in der wir alle auf den Tod und die Auferstehung Jesu getauft wurden, wurden wir Bürger einer ganz anderen Welt.
Dort gibt es Wunder, Heilungen, Auferstehung. Verzeihung und Vergebung; übermenschliche Kraft und Selbstlosigkeit; Liebe, die nicht endete, auch nicht, wenn sie enttäuscht wurde. In dieser neuen Welt gibt es Gnade, die wir nicht kaufen oder erarbeiten können, sondern die uns geschenkt wird; einfach so. Eine andere Welt hat sich aufgetan, und deren Eröffnung war die Auferstehung am ersten Tag der Woche.

Liebe Schwestern und Brüder, das mag zunächst nur eine Nebensächlichkeit sein. Aber wenn 1972 schon der bürokratische Aufwand getrieben wurde, sämtliche Abrechnungen und Kalender umzustellen, dann war das schon ein enormer Aufwand. Warum?
Weil diese Welt sich zunehmend in sich abgeschlossen erfahren hat. Uns ist der Himmel abhanden gekommen, wir rechnen nicht mehr mit Wundern, Heilungen, übermenschlichen Kräften und Selbstlosigkeiten. Bei uns hört die Welt hier (oberhalb des Kopfes) auf. Wir vertrauen nicht mehr auf die Fürsprache der Heiligen, kennen unsere Namenspatrone nicht mehr, beten nicht mehr zu unseren Schutzengeln. Wir vertrauen nicht mehr darauf, dass uns lebenswichtige Gnade in den Sakramenten zuteil wird; wir vertrauen überhaupt nicht mehr auf Gottes Wirken - es sei denn, wir können sowieso nichts mehr anderes als beten.

Liebe Schwestern und Brüder, seit wir den Sonntag zum letzten Tag der Woche gemacht haben, haben wir die Tür zur neuen Welt, die uns eröffnet wurde, sofort wieder geschlossen. Der Sonntag schließt die Woche ab. Schluss ist, Feierabend. Dahinter kommt nichts mehr; und wenn wir Gottesdienst feiern, dann nur, um zu all unserem Tun auch noch Gott um seinen nachträglich Segen zu bitten. Damit die Woche auch wirklich einen Deckel bekommt.
Eine solche Welt ist klein, eng und spießig. Alles ist überschaubar und beruhigend, Gott ist nur ein Störfaktor, der allerhöchsten am Schluss vorkommen darf.

Dagegen sieht die eigentlich christliche Sicht anders aus: Der Sonntag, der Tag des Herrn, eröffnet die Woche; denn uns ist neues Leben gegeben. Wir beginnen mit Gott, denn er ist es, der uns Leben schenkt. Und mit seinem Segen können wir erst unser Tun beginnen.
Gott hat uns neues Leben geschenkt, wir leben nicht mehr für diese Welt - wir leben nur noch in dieser Welt; über uns aber weitet sich der Raum und ragt in den Himmel. Wir sind umgeben von Engeln, die uns auf unseren Weg begleiten. Die Heiligen stehen uns zur Seite; Gott gibt Kraft zu unserem Tun.

Der Stein ist weggerollt, der Engel sitzt darauf: Die Materie ist nicht mehr maßgebend; es gilt nicht mehr, was wir haben, was wir besitzen oder wieviel wir wert sind - es gilt nur noch, wer wir sind. Die letzten sind plötzlich die ersten; die kleinsten sind jetzt die größten. Wer verachtet war, weil er nichts hermachte, ist Gottes geliebtes Kind und selig und heilig.

Liebe Schwestern und Brüder, mehr als ein Abschluss des Vergangenen ist der Sonntag eine Öffnung für die Zukunft. Es wird Morgen, ein neuer Tag, eine neue Woche und ein neues Leben beginnt. Lassen Sie sich anstecken und ergreifen von österlichen Geschehen: Eine neue Welt tut sich auf, der Himmel ist mitten unter uns!

Amen.

770. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Haben sie eigentlich schon ihren Urlaub geplant? Und - wo geht es dieses Jahr hin?
Ein Wunsch der meisten Menschen ist es, wenigstens für eine gewisse Zeit alles hinter sich zu lassen. Einfach weg, an nichts mehr denken, was mit Alltag zu tun hat. Raus aus dem alten Leben, vielleicht nur auf dem eigenen Balkon oder im Wintergarten, vielleicht nach Mallorca, am besten aber in die Südsee, weißer Strand und nicht mehr an Halverde denken. Das Paradies.

Sie werden sich vielleicht fragen, was dieser Wunsch mit unserer Osterfeier zu tun hat. Nun, die meisten Menschen stellen sich so - oder so ähnlich - das Leben nach dem Tode vor. Alles hinter sich lassen - an nichts mehr denken, was früher war, alles vergessen - vor allem auch die eigenen Unzulänglichkeiten. Aber auch die Unzulänglichkeiten anderer, die Unzulänglichkeiten unseres alltäglichen Lebens. Alles ist weg. Das Paradies.

In der alten Mythologie - vor allem der Ägypter - mussten dementsprechend die Verstorbenen über den Fluss des Vergessens schreiten. Was sie auf der anderen Seite erwartete, hatte nichts mehr mit ihrem eigenen Leben zu tun. Den Fluss des Vergessens überschreiten - auf unseren Flug in die Südsee vielleicht mit der Zollschranke zu vergleichen - und ein neues Leben beginnen. Das Paradies.

Da macht aber das Ostereignis, die Auferstehung Jesu also, einen dicken Strich durch die Rechnung. Christus verlässt nämlich nicht diese Welt, froh, endlich alles hinter sich zu haben und in der Hoffnung, alles zu vergessen, was ihm hier passiert ist. Sondern in Christi Auferstehung wird eine ganz besondere, christliche Sicht des Lebens und des Lebens nach dem Tode deutlich: Er kennt seine Jünger wieder, er begrüßt Maria Magdalena, er zeigt Thomas seine Wunden, er ißt mit den Aposteln und sogar mit Petrus, der ihn verleugnet hatte.

Die Vorstellung, klar trennen zu können zwischen dem hier und jetzt und dem dereinst, hat sich zerschlagen mit dem Ereignis der Weltgeschichte: Mit der Auferstehung Jesu. Denn mit dem neuen Leben, das er in der Osternacht begonnen hat, knüpft er an sein früheres Leben an. Er hat keinen vollkommen neuen Leib, sondern einen gewandelten. Die Wunden sind noch vorhanden, man kann ihn noch erkennen.

Und somit hat auch für uns das neue Leben, das ewige Leben seine scharfe Grenze verloren. Für uns hat schon die Zukunft begonnen. Wir sitzen auf dieser Erde eben nicht mehr wie in einer riesigen Wartehalle und drehen Däumchen, bis endlich unser Flug aufgerufen wird. Für die, die an Christus glauben und die Auferstehung ernst nehmen, hat - sozusagen - der Urlaub - die Südseeinsel - schon begonnen, aber das, ohne Vergessen und radikaler Neubeginn, sondern mitten in unserem jetzigen Leben. Das ewige Leben gewinnen wir nicht erst im Tode, sondern in dem Augenblick, in dem wir uns zum Leben mit Christus entschließen.

Christi Auferstehung, in der die Brücke geschlagen wird von unserem Leben zum ewigen Leben, sodass die Zukunft schon heute beginnt, ist ein erlösendes, freudiges Geschehen - trotz des Ernstes, der damit unserem Tun verliehen wird. Die Tatsache der Auferstehung wertet nämlich unser ganzes irdischen Leben enorm auf. Alles, was wir hier sind, was wir hier tun und was wir haben, hat seinen Platz bei uns und bei Gott. Nicht nur hier, sondern auch nach unserem Tode. Nichts ist umsonst, nichts vergeblich: Unser jetziges Leben ist nicht nur das Vorspiel, sondern der Beginn der Ewigkeit.

Bei Gott werden wir uns erinnern, wir werden uns erkennen. Wir werden verstehen, was wir hier füreinander getan haben, wir werden entdecken, was wir für andere gewesen sind und was andere für uns waren. Die Schleier, die jetzt noch vor unseren Augen liegen und die es uns oft schwer machen, zu entdecken, wie viel Güte und Liebe in einer Handlung oder in einer anderen Person uns tatsächlich entgegengebracht wird, werden dann verschwunden sein.

Es mag für einige Menschen eine Enttäuschung sein - dass es diesen Fluss des Vergessens nicht gibt. Und auch keine Zollschranke, hinter der alles zurückbleibt. Das, was wir hier in unserem Leben tun, ist von Bedeutung, hat Bestand und Dauer.

Für einige mag das erschreckend sein, denn unser Leben, unser Tun und Lassen hier gewinnt dadurch einen größeren Ernst, einen sehr viel größeren Ernst. Es ist nun nicht mehr egal, was wir tun, weil eben nicht alles am Ende unseres irdischen Lebens einfach zurückgelassen wird.

Die christliche Botschaft von der Auferstehung verleiht unserem Leben einen Ernst, der einigen unbequem erscheinen mag. Denn wir tragen eine Verantwortung für das, was wir sein werden. Und so schreibt Paulus auch die heute wenig angenehmen Worte: «Müht Euch mit Furcht und Zittern um Euer Heil!»

Ganz schön heavy, dieser Paulus. Das Ganze klingt dann aber schon weniger hart, wenn wir Paulus auch im Ganzen zu Wort kommen lassen. Denn dort heißt es im Zusammenhang: «Müht Euch mit Furcht und Zittern um Euer Heil! Denn Gott ist es, der in Euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, noch über euren guten Willen hinaus!»

Das ist die eigentliche Botschaft der Osternacht: Nicht wir sind die Bezwinger und Überwinder des Bösen und Schlechten in unserem Leben, nicht wir sind die, die gegen den Tod und alles Tödliche in unseren Handlungen ankämpfen müssen, sondern Christus ist es, der für uns überwunden hat, was uns bedroht. Wir sind seine Mitarbeiter, wir sind eben nicht auf uns allein gestellt.

Im späteren Leben wird alles das aufleuchten, was wir an guten Werken, Gedanken und an Gefühlen für andere investiert haben - aber Gott ist es, der uns dabei führt, stärkt und leitet.

Wenn sie Urlaub machen, denken sie daran: Das Schöne ist nicht, dass wir alles vergessen und hinter uns lassen. Das Schöne ist, dass wir das Gute und Wertvolle mitnehmen.

Amen.

771. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, in unserer Kirche gibt es viel zu sehen. Überall stehen Figuren herum, hängen Bilder oder werden Gegenstände aufbewahrt, die wir für unsere Gottesdienste gebrauchen. Und zu jeder Figur und zu jedem Gegenstand könnte man Geschichten erzählen.

Da vorne, zum Beispiel, die heilige Apollonia. Die hat deswegen eine Zange in der Hand, weil sie die Patronin der Zahnärzte ist. Wissen sie warum? Nein? Das erzähle ich Ihnen ein andermal.

Alles will uns an etwas erinnern, hat eine Bedeutung und einen Sinn. So ist es auch mit den Gottesdiensten: gerade in der Osternacht quillt der Gottesdienst nur so über von Zeichen und Symbolen und Symbolhandlung. Am Gründonnerstag, am Karfreitag und an vielen anderen Festen finden sich Gottesdienstelemente, die einen uralten Sinn enthalten. Oder wissen Sie, warum wir an Fronleichnam gerade vier Segensaltäre haben? Nein? Das erzähle ich Ihnen dann ein andermal.

Das ist typisch katholisch: Wir schwimmen in Zeichen und wissen manchmal gar nicht mehr, wofür sie gut sind und was sie bedeuten. Aber wir spüren etwas von einem tieferen Sinn; wir ahnen, dass sich hinter allem etwas von einem großen Geheimnis verbirgt. Sehen tun wir allerdings immer nur das äußere Zeichen.

Das kann manchmal hinderlich sein. Dann sind wir so sehr mit den Zeichen beschäftigt, dass wir gar nicht mehr dazu kommen, darüber nachzudenken, was sie bedeuten. Ines wird sich zum Beispiel bei Ausgießen des Weihwassers auf den Schulhof eher gefragt haben, wann es soweit ist; und weniger, wofür das gut ist. Wofür das gut ist, erzähle ich Ihnen ein andermal.

Aber auch wenn Zeichen manchmal den Blick versperren können, gilt doch: Ohne diese Bilder und Figuren, den Zeichen und Symbolen könnten wir gar nicht vermitteln, was wir glauben. Dass Jesus auferstanden ist, ist eine Wahrheit. Aber erfahrbar, lebendig wird sie erst, wenn wir es mit Leib und Seele erfahren.
Jesus ist schon seit mindesten 1968 Jahren auferstanden, und dass er auferstanden ist, gilt am kommenden Freitag genauso wie am Samstag vor Weihnachten. Aber erfahrbar wird das erst, wenn wir uns einen Zeitpunkt setzen. Wir können nicht das ganze Jahr an den Tod, die Auferstehung, die Geburt und die Himmelfahrt gleichzeitig denken. Wir brauchen Tage, heilige Zeiten und Riten, damit wir alles das begreifen.

Wir Menschen sind beschränkt! Wir sind so beschränkt, dass wir auf Dinge in Zeit und Raum angewiesen sind, um Erfahrungen zu machen und um uns auszudrücken. Ja, wenn wir nicht mehr in der Lage sind, einem anderen Menschen unsere Liebe auszudrücken und sie ihm mitzuteilen (und sei es nur mit Blicken oder Seufzen), dann stellt sich die Frage, ob wir uns dann überhaupt noch lieben können. Aber darüber erzähle ich Ihnen ein anderes Mal mehr.

Was hat das nun alles mit Ostern zu tun? An Ostern, liebe Schwestern und Brüder, geschieht etwas ganz Seltsames. Jesus ist Mensch geworden, damit wir ihn erfahren und unsere Liebe zu ihm ausdrücken können. Er hat sich klein gemacht und sich mit unserer Beschränktheit begnügt. Er ist, uns zuliebe, Mensch geworden, weil wir ihm - ohne seine Anwesenheit in Raum und Zeit - nicht mit Liebe hätten antworten können. Aber dann, nach seinem tiefsten Punkt, in der er die ganze Beschränktheit unseres Lebens durchgemacht hat bis zum Tod am Kreuz, fährt er nicht strahlend und jauchzend in seiner Göttlichkeit aus seiner irdischen Hülle und freut sich daran wieder Gott sein zu dürfen. Nein, er behält seinen Körper. Er behält seine Beschränktheit. Er behält die Angewiesenheit auf Zeichen, Zeit und Raum. Können sie das verstehen?

Jesus, Gottes Sohn und dem Vater gleich in Allmacht und Göttlichkeit, behält unseren irdischen Leib, mit all den vielen Gelenken und Knochen und Organen. Er behält das menschliche Gesicht, ja, er behält sogar die Wunden, die ihm zugefügt sind. Er freut sich darüber, auch weiterhin in Zeichen und Symbolen anwesend zu sein. Er kann sich zeigen und sich verbergen. Er kann erscheinen und reden, lächeln und sagen: "Ich liebe dich".

Jeder Platoniker (das sind die Anhänger der Philosophie Platons) würde die Hände über den Kopf zusammenschlagen: Für sie ist der Leib das Grab der Seele. Es gibt nichts schöneres, als den Tod, wenn die Seele endlich den Leib verlassen kann und zur vollkommenen Freiheit aufsteigt. Gott und ein Leib? Lächerlich. Deshalb hat auch Sokrates einen Hahn opfern lassen, als er starb. Das war das Opfer, das der Sklave darbrachte, wenn man ihm die Freiheit schenkte. Davon erzähle ich ein andermal noch mehr.

Aber bei Jesus ist das anders. Er freut sich an unserer Ausdrucksfähigkeit; er freut sich an seinem Leib - über seinen Tod hinaus. Nur ein wenig hat sich der Leib verändert: Er ist jetzt vollkommener Ausdruck der Seele. Er begrenzt die Seele nicht mehr, sondern dient ihr.

Liebe Schwestern und Brüder: Das ist Ostern, das ist Auferstehung: Ganz und gar zum Ausdruck der Liebe zu werden. Unseren Körper nicht um des Körpers willen pflegen, keine Schönheitskult um der Schönheit willen pflegen, keinen Jugendkult um der Jugend willen. Auferstehung heißt: Ab jetzt dient alles der Liebe. Alles ist Ausdruck und Mitteilung, alles, sogar die Wunden und das Leid, sind Zeichen der Liebe.

Wenn wir das versuchen zu leben, beginnt Ostern heute schon, bei Ihnen zu Hause oder hier in der Kirche; um 5.00 Uhr morgens oder um 3.00 Uhr nachmittags. Auferstehung ist möglich. Amen.

772. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Gentleman der alten Schule - der ganz alten Schule - tun es gelegentlich noch: Sie helfen einer Dame über die schlammige und unangenehme Stellen auf der Straße, indem sie ihre Kleider ausbreiten. Sie geben - wenn auch nicht buchstäblich - ihr letztes Hemd. Sie geben das, was sie selbst zum Leben brauchen - nicht, um der Dame das Leben zu retten, sondern nur, um es ihr angenehmer zu machen; sie vor Unannehmlichkeiten zu bewahren.

«Sie legten ihre Kleider auf den Weg...»; «Sie legten ihre Kleider auf den Esel...» - Die Jünger geben ihr letztes Hemd für den Herrn. So zeigen sie ihre Liebe, ihre Zuneigung - denn sie verzichten auf wesentliches, nur damit es der Herr ein wenig angenehmer hat.

Ein Liebesbeweis, ein Zeichen der Zuneigung und der Aufopferung, das nicht lange anhält. Wir wissen, was wenige Tage später geschieht: Sie stehen fassungslos vor der Verhaftung und Kreuzigung des Herrn. Und unter dem Kreuz sind nur noch wenige der Apostel - und viele der Jünger, so können wir zurecht annehmen, haben mit das "kreuzige Ihn" geschrien - oder sind zumindest stumm geblieben.

Wahre Liebe und Zuneigung findet ihre schönsten Momente in den Momenten des Glücks. Aber die tiefste Liebe, die ehrlichsten Augenblicke sind die Augenblicke im Leid. Wenn wir noch im Dunkel zu unserer Liebe stehen; wenn wir bereit sind, auch dann noch Opfer zu bringen, wenn wir unmittelbar davon keine Glücksgefühle haben - wenn wir bereit sind, auch angesichts der Ausweglosigkeit noch unsere Liebe zu zeigen - dann ist Liebe nicht nur ein Ausdruck eines Gefühls, sondern eine Entscheidung, die sich bewährt.

Liebe Schwestern und Brüder, jedes Leid in einer Beziehung ist eine Krise. Eine Krise (das Wort ist griechisch und heißt "Entscheidung") ist allerdings noch nicht schlimm - ganz im Gegenteil. Denn dann müssen wir uns neu entscheiden - und eine neue Entscheidung heißt neue Liebe und neuen Glauben.

Das Leid ist wie eine Last, ein Gewicht: Entweder zerbricht die Beziehung - oder sie wird tiefer, gräbt ihre Wurzeln fester und reift.

Der Jubel von Palmsonntag ist nicht falsch oder unehrlich. Er ist kein Hohn, sondern aufrichtige Liebe; Begeisterung. Brechen wir nicht den Stab über diese Menschen - wir sind genauso.

Aber wir alle brauchen auch das gemeinsam getragene Leid; Gott weiß das, auch wenn wir nicht davon begeistert sind. Brechen wir auch nicht den Stab über Gott, wenn er uns leiden lässt - er hat seinen eigenen Sohn nicht geschont; er hat in seinem eigenen Sohn das Leid selbst erfahren. Brechen wir nicht den Stab über Gott und werfen wir ihm vor, er hätte uns vor allem Leid bewahren müssen.

Er ist bei uns und lässt nur das zu, was unsere Liebe tiefer werden lässt. Entscheiden wir uns neu; immer wieder, jeden Tag. Vertrauen wir darauf, dass aus dem Palmsonntagsjubel der Osterjubel werden kann.

Amen.

773. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Vor ein paar Tagen stand eine Meldung in der Zeitung, bei der ich mich regelrecht geehrt fühlt: Es wurde über die Mozart-Oper "Cosi van tutte" geschrieben - wohlgemerkt: van mit "v" - wie in meinem Namen ("van Briel").

Dabei steht das van nicht für einen Names-Zusatz, sondern "Cosi fan tutte" ist italienisch (und wird natürlich mit "f" geschrieben) und heißt: So machen es alle.

"So machen es alle" - ein Satz, der nicht nur zu Mozarts Zeiten als eine Entschuldigung gebraucht wurde. Auch wir denken und rechtfertigen uns immer wieder damit, dass es doch alle anderen auch so machen. Bereits Kinder und Jugendliche argumentieren gerne so: "Alle anderen dürfen das aber auch!"

Vermutlich haben die Jubler von Palmsonntag auch so gedacht: "Da wird gejubelt? Da mach ich mit!" - Genauso wie am Krafreitag: Mitbrüllen mit der Masse. "Kreuzigt Ihn! Das wollen alle - also auch ich!"

Sogar Petrus ist ins Wanken gekommen. Als alle Jesus verleugneten, hat er mit geleugnet. Wenn auch ein "kreuige Ihn" nicht über seine Lippen gekommen ist - er hat sich nicht getraut, entgegen der Massenstimmung bei der Wahrheit zu bleiben.

"Lügen? Jeder lügt doch."

"Jeden Sonntag zur Kirche? Tut doch keiner mehr?"

"Abtreibung? Machen doch alle."

"Bis zur Ehe warten? Wer macht das heute schon noch?"

Liebe Schwestern und Brüder, es ist gefährlich, die Masse zum Maßstab zu machen. Vor allem dann, wenn wir damit unsere Sünden rechtfertigen wollen. Es ist allerdings genauso gefährlich, nur deshalb bei der Masse nicht mitzumachen, weil man kein Mitläufer sein will. Es ist auch nicht gut, das zu tun, was alle tun - auch wenn es gut ist. Nicht nur Jugendliche sind oft aus Prinzip schon anderer Meinung als die Eltern - und ordnen gleichzeitig ihre Meinung unter, wenn es um die Clique geht.

Besser ist es, ein überzeugter Mensch zu sein. Bereit zu sein, zur Wahrheit zu stehen. Jesus sagt vor Pilatus: "Ich bin gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen". Zeugnis: Das heißt auf griechisch "martyrium" - und schließt das Missverstandenwerden, das Leidenmüssen und das Belächeltwerden ein.

Die Wahrheit, für die wir Zeugnis ablegen, ist aber nicht theoretisch, sondern ganz konkret: Wir sind hier, weil wir Gott lieben - und Gott uns liebt. Das ist die Wahrheit, und für die solten wir uns niemals schämen.

Amen.

774. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Noch heute bereitet uns der schnelle Stimmungsumschwung Nachdenken. Gerade noch heiß umjubelt, mit Palmzweigen, Hosianna und Prozession gefeiert, und nur vier Tage später von der Menge ans Kreuz geschlagen.

Wie oft betonen wir, dass unsere Zeit eine äußerst schnelllebige ist. Heute noch ein Star, morgen vergessen. Heute umjubelter Politiker, morgen ein Ausgestoßener. Heute Everybody's Darling, morgen der Sündenbock. Offensichtlich, so zeigt uns das Evangelium vom Palmsonntag, liegt das aber nicht nur an der Zeit. Offensichtlich war das schon zu Jesu Zeiten nicht anders. Offensichtlich scheint das ein Grundzug des Menschen zu sein. Mit den Wölfen heulen, mit dem Strom schwimmen, nur nicht auffallen, den Ball flach halten. Wer kein Rückgrat hat, kann sich auch nichts brechen.

Wir wissen, dass Jesus all diesen Menschen verziehen hat. Sogar dem Petrus, dessen Liebesbeteuerungen und Verleugnung vielleicht den größten Gegensatz bilden. Aber nur, weil Gott dies alles erträgt und eben nicht nachträgt, sollten wir uns trotzdem davor hüten, immer wieder in die gleiche Falle zu tappen.

Jugendliche neigen dazu, sich in einer Clique zu verstecken. Was alle tun, dafür brauch ich mich nicht zu rechtfertigen, genauso wenig für das, was die anderen ebenso unterlassen wir ich. Wie sich die Haltung in einer Clique herausbildet, ist ein höchst komplizierter Prozess; da spielt das jeweilige Gewissen, der persönliche Mut genauso eine Rolle wie die Bequemlichkeit und die Feigheit.

Erschreckend ist allerdings, wie wenig sich die Menschen ändern, wenn sie Erwachsen werden. Da gibt es andere Cliquen, die Arbeitskollegen, die Familie, der Ehepartner oder die Freundinnen. Was bleibt, ist das Gemisch aus persönlichem Gewissen, Mut, Bequemlichkeit und Feigheit.

Vielleicht stört sie das harte Wort «Feigheit». Damit ist nichts anderes gemeint als mangelnder Mut: mangelnder Mut, sich unbeliebt zu machen, belächelt zu werden, als nervend zu gelten, als Sonderling oder als frömmelnd, als rückständig oder als Betbruder, als Moralapostel oder als penetrant.

Ich lade sie herzlich ein, Ihren ganzen Mut zusammenzunehmen. Sie brauchen ihn.
Ich lade sie herzlich ein, gemeinsam mit ihrer Familie, ihren Freunden und ihrer Clique, heute Abend, zur Beichte. Den Mutigen gehört das Himmelreich.

Klar, typisch, das mit der Beichte musste ja kommen. Merkt der denn nicht, das der sich damit unbeliebt macht?

Genau.

Amen.

775. Predigtvorschlag

Palmen sind Ehrenzeichen für einen Sieger. Die Kaiser und großen Feldherren, die von ihren Kriegszügen nach Rom zurückkamen, zogen mit Palmen geschmückt in die Stadt ein - und mit ihnen die lange Kette derer, die sie sich unterworfen hatten. - In diesem Sinne passen zu Jesus keine Palmen. Der Evangelist Markus spricht auch nicht von Palmen, sondern von Grasbüscheln, die die Leute auf den Feldern abgeschnitten hatten und nun vor Jesus auf den Weg streuten.

Zu Jesus paßt auch kein Pferd. Das Pferd ist ein Statussymbol. Es steht für Macht und Reichtum. Jesus kommt nicht auf einem Pferd; er kommt auf einem Esel.

Viele Menschen fahren in diesem Heiligen Jahr nach Rom, zu den Stätten der frühchristlichen Märtyrer, zu den Basiliken und Plätzen, zu den Überresten vergangener Reiche. Dort, in Rom, entdeckte man vor ungefähr hundert Jahren eine eigenartige Kritzelei auf einer Wand. Diese Wand gehörte zu einem Raum, in dem sich die Leibwache des römischen Kaisers aufhielt. Diese Kritzelei zeigt einen Mann mit einem Eselskopf, der am Kreuz hängt. Davor kniet ein Soldat und betet den Mann am Kreuz an. Darunter steht: "Alexamenos betet seinen Gott an." - Was damit gesagt werden soll, ist klar. Dieser Alexamenos war wohl ein Mitglied der jungen Christengemeinde. Das wurde seinen Mitsoldaten bekannt, und sie machten sich darüber lustig: Was soll das denn für ein Gott sein, der sich von den Menschen ans Kreuz schlagen läßt! Das kann doch nur ein Esel sein! - Und einer, der vor einem solchen Gott auf die Knie fällt, kann ebenfalls nur ein Esel sein!

Der Esel, der heute, am Palmsonntag, dazugehört, er kann uns helfen, zu verstehen, was Jesus mit seinem Einzug in die Stadt Jerusalem bewirken will. Dieser Einzug war kein Triumphzug. Viele von den Menschen, die da "Hosanna!" gerufen haben, werden den Wunsch gehabt haben, nun bald ein neues Wunder zu sehen. In Betanien, einem Vorort von Jerusalem, hatte Jesus seinen Freund Lazarus auferweckt. Davon hatte man gehört. - Wir können uns auch vorstellen, dass viele nur aus Neugierde dabei waren und dass manche auch in der Menge waren, die von Haß und Neid erfüllt waren. - Nein, dieser Einzug war kein Triumphzug. Das zeigt uns schon der Esel. Von ihm sagt Jesus ganz einfach: "Der Herr braucht ihn" (Mk 11,3). Der Herr braucht einen Esel, ein Tier, das unser Volksmund ein dummes Tier nennt. Jesus wählt einen solchen Esel aus, weil der Esel für Armut steht, für Demut, für Arbeit und Getretenwerden. Der Esel ist das Lasttier der kleinen Leute. Die Großen sitzen auf einem hohen Roß; Jesus setzt sich auf einen Esel. Er zieht in Jerusalem ein, um sich treten zu lassen, um die letzte Erniedrigung zu erfahren. Aber gerade hierin liegt das Geheimnis unserer Erlösung.

776. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Vom Jubelgesang zur traurigen Stille, vom «Hosianna» zum «Kreuzige ihn» - die Heilige Woche, die mit dem heutigen Palmsonntag beginnt, ist ein Wechselbad der Gefühle. Jubel - Angst - Trauer - Osterjubel. Wie im richtigen Leben.

Unser eigenes Leben ist doch auch ständig hin- und hergerissen zwischen Tod - Geburt - Freude - Leid - Feierlichkeiten und Trauer. Wo ist da der rote Faden, wo ist da der Sinn?

Liebe Schwestern und Brüder, die Ereignisse, die uns hin- und herreißen, bringen uns nur dann aus dem Gleichgewicht, wenn wir keinen Stand haben. Wenn wir uns selbst nicht treu bleiben können, weil wir nicht wissen, wer wir sind.

Jesus konnte durch alle Höhen und Tiefen gehen, weil er wusste, wer er war: Nicht der König, der allen Prunk und Reichtum dieser Welt versammelt, nicht der selbstherrliche Richter, der Judas vernichtet, bevor er ihn verraten konnte, nicht der verurteilte Verbrecher, der ans Kreuz gehängt wurde und auch nicht der vernichtete Tote, der ins Grab des Vergessen gelegt wurde.

Alles dieses war er nicht.

Er war in allem Geschehen immer der Gleiche: Der geliebte Sohn des himmlischen Vaters. Darin blieb er sich treu.

Wenn auch in ihrem Leben die Mächte des Schicksals wüten: Nichts kann Sie von der Liebe Gottes trennen. Sie sind und bleiben die geliebten Kinder des Vaters. Darin können Sie sich immer treu bleiben. Amen.

777. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, der Gegensatz zwischen dem Himmelhoch-Jauchzen auf Palmsonntag und dem "Kreuzige ihn!" auf Karfreitag findet sich nicht nur im Evangelium, sondern auch in unserem Leben wieder. Wie oft stürzen wir von einem Hochgefühl in ein tiefes Loch: Gerade noch frisch verliebt und dann plötzlich im Stich gelassen; gerade noch voller Freude bei der Taufe eines neuen Erdenbürgers und dann wenig später bei der Beerdigung; gerade noch zufrieden über das Erreichte, und dann, ohne Vorwarnung, stehen wir mit leeren Händen da.
Liebe Schwestern und Brüder!

Vom Jubelgesang zur traurigen Stille, vom «Hosianna» zum «Kreuzige ihn» - die Heilige Woche, die mit dem heutigen Palmsonntag beginnt, ist ein Wechselbad der Gefühle. Jubel - Angst - Trauer - Osterjubel. Wie im richtigen Leben.

Unser eigenes Leben ist doch auch ständig hin- und hergerissen zwischen Tod - Geburt - Freude - Leid - Feierlichkeiten und Trauer. Wo ist da der rote Faden, wo ist da der Sinn?

Liebe Schwestern und Brüder, die Ereignisse, die uns hin- und herreißen, bringen uns nur dann aus dem Gleichgewicht, wenn wir keinen Stand haben. Wenn wir uns selbst nicht treu bleiben können, weil wir nicht wissen, wer wir sind.

Jesus konnte durch alle Höhen und Tiefen gehen, weil er wusste, wer er war: Nicht der König, der allen Prunk und Reichtum dieser Welt versammelt, nicht der selbstherrliche Richter, der Judas vernichtet, bevor er ihn verraten konnte, nicht der verurteilte Verbrecher, der ans Kreuz gehängt wurde und auch nicht der vernichtete Tote, der ins Grab des Vergessen gelegt wurde.

Alles dieses war er nicht.

Er war in allem Geschehen immer der Gleiche: Der geliebte Sohn des himmlischen Vaters. Darin blieb er sich treu.

Wenn auch in ihrem Leben die Mächte des Schicksals wüten: Nichts kann Sie von der Liebe Gottes trennen. Sie sind und bleiben die geliebten Kinder des Vaters. Darin können Sie sich immer treu bleiben. Amen.

Menschen, die solch ein Wechselbad der Gefühle ausgesetzt sind, verlieren manchmal den Halt, den Boden unter den Füssen. Und manche verlieren vielleicht sogar noch mehr: Den Glauben an das Gute; die Freude am Leben; die Hoffnung darauf, dass alles wieder gut wird. Wie soll man sich noch über etwas freuen, wenn jede Freude immer nur von so kurzer Dauer ist? Jedes Leben gefährdet? Jeder Erfolg nur vorübergehend?

Es tut dann gut, sich zu erheben. Mein Leben in Ruhe zu betrachten, Abstand gewinnen. Sich aus den Zwängen der nächsten Notwendigkeit zu befreien und sich eine Auszeit zu nehmen. Dann bekommen wir vielleicht wieder die größeren Zusammenhänge in den Blick.

Wer den Jubel am Palmsonntag mit dem Verflucht! des Karfreitags sieht, kann den Glauben an die Güte Gottes und an die Menschheit verlieren. Aber wenn wir den größeren Rahmen sehen, bekommen wir auch den Ostersonntag mit in den Blick: Es gibt eine Auferstehung. Jesus bleibt nicht dort, wohin ihn die Menschen verbannen wollten.

Und auch die Menschenmenge löst sich auf: Es schälen sich Freunde Jesu heraus, die erkennen, was sie getan haben. Es gibt immer mehr von denen, die sich zu dem bekennen, den sie verscharren wollten.

Auch wir müssen erst noch geschält werden; geschrubbt und gereinigt durch ein Wechselbad der Gefühle. Es muss in uns noch viel Porzellan zerschlagen werden, bevor wir den Blick frei bekommen auf das ganz große Geheimnis:

Das Jesus immer, zu jeder Stunde, der König unseres Lebens ist. Dass er mitleidet, uns mitnimmt auf seinen Weg, der von Palmsonntag nur über den Karfreitag nach Ostern führt.

Amen.

778. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Das ist so typisch menschlich: In der Masse ist es ein leichtes, dem König der Juden zuzujubeln. Da machen ja alle mit, da fall ich nicht auf und muss auch nicht mit irgendwelchen Konsequenzen rechnen. Und außerdem: Jubeln kostet ja nichts - Verfolgung allerdings tut weh.
Deswegen waren die Jubler auch schnell von den Straßen verschwunden, als das Blatt sich gewendet hat. Ihr König gefangen, die Apostel verstreut: Tja, das war's dann wohl. Keiner ging auf die Straße, kein Geschrei erhob sich vor den Häusern der Pharisäer oder dem Hohen Rat der Juden. Denn das hätte gefährlich werden können. Da kann man schnell seinen Kopf verlieren.

Liebe Schwestern und Brüder, die Menschen haben sich bis heute nicht geändert:

Wir alle wissen, dass wir auf Kosten der dritten Welt leben und dass es nicht mehr lange so weiter geht. Das sagen alle, da kann ich dann ja ruhig zustimmen. Aber wehe, es geht mir an mein eigenes Gehalt! Dann werde ich zum Wolf, das lasse ich mir nicht bieten.
Wir alle wissen, dass unser Staat über seine Verhältnisse lebt. Einschneidende Reformen müssen her. Das sagen alle, da kann ich dann ja ruhig zustimmen. Aber wehe, es geht um meine eigenen Steuervorteile!
Wir alle wissen, dass keiner von uns perfekt ist; wir kennen unsere eignen Fehler genauso wie die Fehler der anderen. Klar bin ich kein Heiliger: Das sagen alle, da kann ich dann ja ruhig zustimmen. Aber wehe, wenn es ans Beichten geht! Dann bin ich plötzlich ein guter Mensch und habe nichts schlimmes getan.

Liebe Schwestern und Brüder, «wasch mich - aber mach mich nicht nass!» könnte die Überschrift über Palmsonntag sein:
Einen König? Gerne! Aber nur, wenn es mich nichts kostet.
Gerechtigkeit? Gerne! Aber nur, wenn ich nicht weniger habe als jetzt.
Sozialstaat? Gerne! Aber nur, wenn die anderen zahlen.
Erlösung? Gerne! Aber doch bitte ohne Pflichten.

Liebe Schwestern und Brüder: Werfen sie nur einen etwas längeren Blick auf Jesus, der hier vorne als Gekreuzigter dargestellt ist. Er hat es sich etwas kosten lassen, damit WIR mit Gott versöhnt werden. Es hat ihn sein Leben gekostet. Schauen sie ruhig hin.
Und WIR? Was sind wir bereit zu geben?

Amen.

779. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein bedeutender Maler hat auf einem Krippenbild zwar einen Ochsen gemalt, aber einfach den Esel weggelassen. Den hat er nicht etwa vergessen. Vielmehr war er der Meinung, dass alle, die das Bild anschauen, an der Stelle des Esels stehen sollten, sozusagen den Esel vertreten.

Das mag für andere eine Beleidigung sein. Für uns Christen ist aber - zumindest seit Palmsonntag - der Esel ein Vorbild. Denn Jesus hat sich ganz bewusst kein Pferd herausgesucht, um in Jerusalem einzuziehen. Sondern eben den Esel.

Jesus ist ein König, ja. Aber ein anderer als die Menschen es sich manchmal vorstellen. Er ist ein König der Liebe, der dienen will. Liebe aber ist immer ganz unten. Liebe kann Karriere machen; es ist aber immer eine Karriere nach unten. Dazu gibt es für Christen keine Alternative. Liebe besteht eben nicht darin, dass wir oben sind und uns bedienen lassen. Und gerade deshalb nimmt diese Liebe die Gestalt eines Esels an: Ein Esel, der ein Lasttier ist für andere.
Wer grundsätzlich Dienst verweigert, kann den Namen Christi nicht für sich in Anspruch nehmen. Und darum wird Jesus selbst so, wie der Esel, auf dem er sitzt: Er trägt uns - und wenige Tage nach dem Jubel vom Palmsonntag ist er selbst ganz unten. Am Boden zerstört. Weil er uns liebt.

Darin liegt die Größe des Königs Jesus: Dass er sich so klein macht, dass sein Rücken noch unter die Lasten der Leute passt - unter unsere Last. Liebe Schwestern und Brüder, nichts und niemand kann so tief gesunken sein, dass er nicht doch noch vom tragenden Rücken des Herrn aufgefangen wird.

Vielleicht denken sie jetzt, dass es unpassend ist, Jesus mit einem Esel zu vergleichen. Das allererste Kreuz-Bild aber, dass uns überliefert ist, ist eine Wandkritzelei, mit der ein römischer Soldat seinen christlichen Kameraden verspotten wollte. Diese Darstellung zeigt einen Esel, der am Kreuz hängt. Davor kniet ein Mann, und darunter steht das Wort: «Alexamenos betet seinen Gott an!»

Liebe Schwestern und Brüder, das passiert uns heute doch auch noch. Jedem Christen - sogar dem Papst - und der Kirche insgesamt: Dass unser Glaube als Eselei, als Dummheit dargestellt wird.

Der Jünger steht nicht über dem Meister, sagte Jesus. Und wenn er selbst in seinem liebevollen Dienst an uns das Bild eines Esel nimmt - dann dürfen wir uns nicht davor fürchten, ebenfalls ausgelacht zu werden, weil wir dienen und lieben.

Amen.

780. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Ich habe fast fünf Jahre lang in Münster studiert. Als Priesteramtskandidat habe ich dort im Collegium Borromaeum gewohnt, dem Bischöflichen Theologenkonvikt.

Ein für mich alltäglicher Anblick im "Kasten" - wie das Haus umgangssprachlich genannt wird - ist mir bis heute noch lebendig in Erinnerung. Immer wenn ich durch das große Eingangsportal hineinging und dann die Treppe zum ersten Stock nahm, fiel mein Blick auf die Porträts der münsterschen Bischöfe. Sie hängen neben dem Kapelleneingang.
Einige Bischöfe sind noch in Öl gemalt, so z. B. auch das markante Gesicht Kardinal von Galens. Die neueren Bischöfe sind auf schwarzweiß Fotos abgelichtet. Sie haben das gleiche Format und den gleichen rot-grauen Rahmen wie die Ölporträts.
Meine Augen fielen auf den großen Bischof und späteren Kardinal Höffner, auf Bischof Tenhumberg.
Alle Bischöfe hängen in Reih und Glied, jeder Bischof ist einzeln abgebildet.

Das letzte Bild dieser Reihe aber, fällt aus dem Rahmen. Es zeigt unseren jetzigen Bischof Reinhard, aber es zeigt ihn nicht allein, sondern zusammen mit unserem Heiligen Vater Johannes Paul II. Beide reichen sich freundschaftlich die Hände. Es ist ein schönes Bild. Man spürt die Verbundenheit dieser beiden Hirten der Kirche.

Nun, warum erzähle ich ihnen das, liebe Schwestern und Brüder?

Ich erzähle Ihnen diese Erinnerung, weil sie mir spontan zum heutigen Apostelfest einfiel, zum Hochfest Peter und Paul.

Wir feiern heute zwei Apostel gleichzeitig.
Einmal den Petrus, diesen galiläischen Fischer, der so aufbrausend und temperamentvoll sein konnte, der das Herz auf der Zunge trug, der auch manchmal feige war, der Jesus verleugnet hat.
Er war aber einer der treuen Begleiter Jesu. Er war auch der erste, der Jesus als den Erlöser, als Sohn Gottes bekannt hat. Er ist auch derjenige, den Jesus zum Fels der Kirche berufen hat. Er, der aufrichtigen Herzens zu Jesus sagen konnte: Herr, du weißt alles. Du weißt auch, daß ich dich liebe.

Wir feiern heute zwei Apostel gleichzeitig.
Neben Petrus, den Paulus.
Paulus, diesen jüdischen Gelehrten aus gutem Hause. Er war ein hervorragender Kopf, ein Schüler berühmter Lehrer. Und er war ein willensstarker, konsequenter Charakter.
So zielstrebig er versucht hat, die Christen zu vernichten, so unermüdlich, sich selbst vergessend hat er nach seiner Bekehrung für Christus gekämpft. Er hat für Christus gekämpft, ohne ihm leibhaftig begegnet zu sein. Er hat die Botschaft vom Heil den Heiden verkündet. Er war der bedeutendste Theologe der jungen Gemeinde.
Er, der sich auf die Zusage Gottes verließ: Meine Gnade genügt dir.

Wir feiern heute zwei Apostel. Petrus und Paulus. Sie waren total verschieden. Total verschiedene Abstammung, total verschiedene Charaktere.
Und dennoch haben sie etwas gemeinsam, was sie ganz eng verbindet.
Ihr Leben haben sie gelebt für Christus. Und ihr Leben haben sie gegeben für Christus.
Der eine, Petrus, wurde gekreuzigt. Kopfüber, weil er sich nicht würdig genug erachtete, wie sein Herr zu sterben.
Der andere, Paulus, wurde mit dem Schwert gehenkt.
Beide wurden in Rom hingerichtet, beide wahrscheinlich im gleichen Jahr. Vermutlich 67 n. Chr.

Ich bin Ihnen immer noch die Antwort schuldig, warum ich gerade am Fest dieser beiden Apostel, an das Bild im Collegium Borromaeum denken muß. An dieses Bild, daß unseren Bischof von Münster mit dem Heiligen Vater zeigt.

Petrus - er steht für Rom, für den Petersdom, für den Papst, für die Weltkirche.
Paulus - er steht für die Diözese Münster, für den Bischof von Münster. Paulus ist der Patron unseres Domes und unseres Bistums.

Auf dem Bild im Theologenkonvikt reichen sich der Bischof von Münster und der Bischof von Rom brüderlich die Hand. Der Hirte unseres Bistums und der Hirte der ganzen Weltkirche, sie sind einander nahe.
Wie Petrus und Paulus sind sie zwar verschieden. Der eine ist Westfale und Kirchenrechtler. Der andere ist Pole und Moraltheologe.
Aber auf dem Foto in Münster spürt man, daß sie beide - wie Petrus und Paulus - verbunden sind in ihrem Zeugnis für Christus. Sie leben ihr Leben für Christus und für die Kirche.

Petrus und Paulus sie haben gemeinsam in Rom Zeugnis abgelegt für Christus. Rom, das war damals sozusagen die Welt.

Der Papst und Bischof Reinhard, auch sie legen gemeinsam Zeugnis ab für Christus, vor der Welt.
Der eine repräsentiert die Weltkirche. Er verkündet überall auf der Welt die Frohe Botschaft und bestärkt die Christen an den einzelnen Orten.

Der andere ist Hirte vor Ort. Er leitet und lehrt die Gläubigen des Bistums Münster. Er ist der Ortsbischof. Der Bischof "vor Ort" sozusagen.

Auf dem Foto und in Wirklichkeit stehen Bischof und Papst nicht bindungslos nebeneinander, erst recht nicht gegeneinander. Vielmehr gehen sie aufeinander zu, sie stehen in einem brüderlichen Miteinander.

Beide ergänzen sich. Beide sind notwendig.

Fehlte einer auf dem Bild, so würde der andere seine Hände einem Niemand zustrecken, würde seine Umarmung ins Leere gehen.

Die Kirche ist weltweit. Dafür steht der Papst. Sein Amt ist ein Garant dafür, daß überall auf der Welt der eine Glaube, der eine Christus gelehrt und geglaubt wird.
Die Kirche ist "vor Ort". Dafür steht der Bischof. Sein Amt ist ein Garant dafür, das die besonderen Nöte, Traditionen und Umstände einer Region in der Weltkirche nicht verloren gehen.

Die Weltkirche-unser Bistum, der Papst-der Bischof, sie sind eine Einheit in Christus. Sie sind eine Einheit für Christus.

Bitten wir an diesem Fest die Apostel Petrus und Paulus für unsern Papst und für unseren Bischof, für die Kirche in der Welt und für die Kirche in unserem Bistum. Bitten wir um Einheit. Amen.

781. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, ich muss Ihnen allen etwas Trauriges mitteilen:
Unserer Gemeinde ist der Beistand von oben, der Hl. Geist, und die Aussicht auf den Himmel gestohlen worden. Im ganz handgreiflichen Sinne. Es muss Freitag passiert sein. Zwischen 13 und 17 Uhr etwa.

Diebe sind in unsere Pfarrkirche gekommen und haben vom Taufbecken die silberne Heilig-Geist-Taube abgeschraubt und aus der Krypta einen antiken, musizierenden Engel aus Holz weggenommen. Beides ist nicht mehr zu finden, weder Taube noch Engel.Es ist Anzeige gegen unbekannt erhoben worden. Wir müssen abwarten. Große Hoffnung, die sakralen Gegenstände wiederzubekommen, hege ich nicht.
Das ist eine wirklich traurige Nachricht. Nicht nur der materielle und besonders der ideelle Verlust schmerzen. Nach längerer Pause müssen wir mit den Verantwortlichen in der Gemeinde wieder darüber sprechen, wie man die Kirche offen halten kann, ohne dass sie selber oder die Einrichtung Schaden nimmt.
Genau vor Pfingsten werden uns die Taube und der Engel gestohlen. Bei aller Traurigkeit und auch Wut über diese Tat, liegt darin auch eine Botschaft an uns alle, an unsere Gemeinde.
Wir sind bestürzt, dass die Taube aus Silber und der Engel aus Holz fort sind. Das ist schlimm.
Schlimmer wäre es, wenn das, wofür sie stehen, uns als Gemeinde genommen wäre. Wir wären wesentlich ärmer dran, wenn uns die Kraft des Hl. Geistes und die Aussicht auf den Himmel genommen wären.

Denn ohne beides, wären wir als Gemeinde wie tot. Uns fehlte der Antrieb und das Ziel für unser Leben.

Der Hl. Geist ist der innere Antrieb unseres Lebens als Kirche insgesamt und als einzelner Christ, als einzelne Christin.
Der Geist ist die Gabe an die Jünger, nach der Himmelfahrt:
Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll ... Er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
So hat es Jesus den Seinen verheißen.
Der Hl. Geist ist der Garant dafür, dass wir Jesus bei uns haben, seine Gegenwart spüren, ja verkosten können. Der Geist wirkt in den Sakramenten, er schlägt sich nieder in den Dokumenten der Kirche, wenn sie als ganze spricht. Der Hl. Geist ist nicht der große Revolutionär, der alles umwirft, oder gar zu Ungehorsam in der Kirche aufruft – er ist der, der Einheit schafft und nicht spaltet, der vertieft und durchdringt, der Ewigkeit atmet und eben nicht Zeitgeist.

Wie kommt der Heilige Geist? Sicherlich in den Sakramenten, die wir empfangen. Besonders in der Taufe und in der Firmung wird er uns je ganz persönlich zugesprochen. Dabei ist er kein Zaubergeist, der automatisch wirkt. Er ist aber die nie versiegende Quelle, aus der wir trinken können. Unsere Aufgabe ist es, diese Quelle anzuzapfen. Wie ein Schlauch an den Wasserhahn, müssen auch wir uns an der sprudelnden Quelle festmachen, damit die Wasser fließen können.
Wir machen uns fest am Hl. Geist, wenn wir beten. Das gilt für den einzelnen Gläubigen, wie für die Kirche als Ganze.

Davon spricht ja die Apostelgeschichte. Die Jünger mit Maria waren zusammen, blieben zusammen und beteten, als der Geist kam.
Papst Benedikt bemerkt hierzu:

„Zusammenbleiben war die Bedingung, die Jesus für den Empfang der Gabe des Heiligen Geistes stellte; Voraussetzung für die Eintracht war ihr ständiges Gebet.“ (Pfingstansprache 4. Juni 2006) 
Der Papst erkennt darin „den Entwurf einer ausgezeichneten Lehre für jede christliche Gemeinschaft. Man denkt bisweilen, dass der missionarische Erfolg hauptsächlich von einer genauen Planung abhänge, auf die dann konkretes Bemühen um ihre intelligente Umsetzung folgen müsse. Sicher, der Herr verlangt unsere Mitarbeit, aber vor jeder Antwort unsererseits bedarf es seiner Initiative:
Sein Geist ist der wahre Hauptakteur der Kirche. Die Wurzeln unseres Seins und unseres Handelns liegen im klugen, im weisen Schweigen Gottes.
Liebe Schwestern und Brüder!
Angesichts des Diebstahls in unserer Kirche wird uns auch bewusst, dass auch in unserem Dorf der Glaube sowie die Ehrfurcht vor dem Glauben und dem Eigentum anderer nicht mehr selbstverständlich sind. Wir sollten nun deshalb nicht verzagen oder wütend werden. Sondern wir wollen zusammenbleiben und beten:
aus Dankbarkeit für den Glauben, um Reue der Diebe, um Gottes Geist und Beistand für unsere Gemeinde, für unsere Lieben, für unser Gemeinwesen.

Liebe Schwestern und Brüder!
In der Taube versinnbildlicht sich der Hl. Geist, die Kraft von oben, die uns auf dieser Erde im Glauben hält und voranschreiten lässt.

Im Engel, der musiziert, sehen wir den Lohn, das Ziel unseres Glaubens auf Erden. Im Himmel nämlich geben die Engel Gott die Ehre. Dorthin sehnen wir uns, weil der Geist uns daran erinnert, dass diese Erde eben nicht alles ist, sondern dass das ewige Leben in der Anschauung Gottes auf uns wartet.
Wenn wir zusammenbleiben und miteinander im Geist und um den Geist beten, dann sind wir auch immer verbunden mit der himmlischen Liturgie, mit den Engeln und Heiligen, mit allen, die vor uns geglaubt haben.
Wenn wir beten, halten wir den Himmel offen für uns und andere. Dann ist diese Welt nicht mehr so eng und bedrückend. Auch nicht mehr der Tod.

Liebe Schwestern und Brüder! Jede Kirche lädt zum Gebet ein, hält den Menschen den Himmel offen und damit die Hoffnung auf ewiges Leben aufrecht. Deshalb wird unsere Kirche auch weiterhin geöffnet sein.      Tauben aus Silber und Engel aus Holz kann man uns stehlen. Die Kraft von oben, den Hl. Geist, und die Aussicht auf den Himmel lassen wir uns nicht nehmen und nicht rauben. Amen.

782. Predigtvorschlag

Gottes Heiliger Geist macht die Kirche jung

Papst Johannes Paul II. hinterläßt nach den Worten seines Nachfolgers Benedikt XVI. eine „eine mutigere, freiere und jüngere Kirche“. Ein anderes Wort für Mut, Freiheit und Jugend ist: Pfingsten. Heute ist Pfingsten, das Fest der Kirche, die sich immer erneuert und die immer jung ist.

Es gibt einen Jugendlichkeitswahn, der nicht gesund ist. In der Werbung begegnen uns fast nur Menschen, die kerngesund, braungebrannt und vor Vitalität strotzend durchs Leben springen. Selbst wenn Senioren abgebildet sind, kommen sie offenbar gerade von einem Schönheitschirugen. Eine solche Jugendlichkeit ist hier nicht gemeint. Der Heilige Geist ist auf jeden Fall der große Fürsprecher auch der Kranken, weswegen auch die Spitäler im Mittelalter ihm geweiht waren, aber er verspricht uns nicht, daß wir nicht älter werden, daß wir nicht Schmerzen und Behinderungen ertragen müssen, daß wir nicht einmal angewiesen sein werden auf fremde Hilfe und Betreuung. – Das alles gehört zum Leben auch dazu, wie auch das Sterben und der Tod Teil unserer menschlichen Existenz ist, ein Teil, der nicht ausgeblendet werden kann, es sei denn um den Preis der Wahrheit.

Dennoch ist der Heilige Geist einer, der jugendlich macht. Er ist der Stifter einer jugendlichen Kirche. – Wie ist das zu verstehen? Ganz einfach! Weil der Heilige Geist derjenige ist, der die Kirche in die Zukunft führt. Er ist sozusagen die Triebfeder der christlichen Hoffnung und Zukunftserwartung. Er führt die Gläubigen, also uns, in die Zukunft, das heißt in die Heimat, die uns Gott bereitet.
Wer zuversichtlich in die Zukunft schauen kann, ist jung geblieben. Denn jung sein bedeutet, die Zukunft noch vor sich zu haben. Jung oder alt zu sein, ist darum keine Frage der Lebensjahre, die man schon hat oder noch nicht hat. Sondern die Jugendlichkeit hängt davon ab, wie sehr einer bereit ist, Zukunft und Hoffnung sich selbst – und übrigens auch anderen! – zuzuschreiben.

Vor einiger Zeit kam ich mit einem jungen Mann über genau dieses Thema – die Zukunft und was sie uns bereithält - ins Gespräch, und schon nach wenigen Momenten merkte ich: dieser Mann ist zwar jung an Jahren, aber in seiner Gesinnung alt und verknöchert. Was mich erschütterte, war vor allem seine Meinung: Heute noch ein Kind zu bekommen, sei kaum noch zu verantworten, denn dieses Kind würde ja in eine schlechte, in eine kaputte Welt hineingeboren. -

Wer so spricht, ist alt, ganz alt. Er hat die Hoffnung aufgegeben. Was soll man dazu noch sagen? Gibt es nicht tatsächlich viele Probleme und Schwierigkeiten in dieser Welt? Aber bin ich nicht auch ein Teil von dieser Welt? Bin ich nicht berufen, diese Welt zu gestalten und, wenn möglich, ein bißchen besser zu machen? – Und wenn das die Einstellung der Menschen vor 60 Jahren gewesen wäre, hier bei uns in Deutschland, als alles in Trümmern lag, wenn alle damals das gleiche gesagt hätten wie dieser junge Mann – was wäre dann aus uns geworden?Wäen wir dann jetzt hier, in Sicherheit, in noch nie dagewesenem Wohlstand?

Nein: Die Welt ist so heil oder so kaputt, wie es in unserem eigenen Inneren heil und kaputt ist. Das bedeutet ja Pfingsten: Pfingsten läßt uns den Heiligen Geist feiern und bekennen, der heilt, was kaputt ist. Alle Außenprobleme unserer sind in Wirklichkeit Innenprobleme von uns Menschen, die tief in unserem Inneren ihre Wurzeln haben. Die Atombombe ist nicht gezündet worden, weil Gott es befohlen hätte, sondern weil Menschen mit ihren Innenproblemen geglaubt haben, das sei die Lösung der Probleme. Und die Umweltverschmutzung, so schlimm sie ist, steht der Innenweltverschmutzung gegenüber und hat darin ihre wahren Ursachen. Ein Mensch, der nicht mehr weiß, wem er sich und sein Leben und diese wunderbare Welt zu verdanken hat, ein Mensch, der also ein Innenweltproblem hat, der weiß auch irgendwann nicht mehr, wie er sich gegenüber der Schöpfung zu verhalten hat: statt sie zu bewahren und zu hegen, mißbraucht und vergewaltigt er sie.

Eine Gesellschaft, die nicht einmal mehr Kinder mehr haben will und darum ihre eigene Zukunft verhindert, braucht nichts nötiger als den Heiligen Geist, der die innere Vergreisung aufbricht und neuen Mut und neue Hoffnung zur Zukunft schenkt. Denn die wirkliche Zukunft machen nicht Menschen, sondern sie ist ein Geschenk Gottes. Darum ist die Antwort auf diese Zukunft nicht Sorge und Depression, sondern Dankbarkeit und Zuversicht.

Auch in der Kirche haben wir diese Haltung der Zuversicht und der dankbaren Zukunftserwartung immer wieder nötig, vor allem in unseren Breiten, auch in unserer Gemeinde. Was haben wir alles für wunderbare Gelegenheiten, uns innerlich zu verjüngen und Anteil zu nehmen an einer Kirche, die im Glauben jugendlich ist: (Beispiele nennen!) – Das alles sind pfingstliche Ereignisse, in denen der Heilige Geist uns Mut macht, den Weg weiterzugehen.

Mit diesem Mut, den der Heilige Geist in unserer Mitte erneuern will, verträgt sich ganz und gar nicht, wenn dauernd in der Gemeinde genörgelt wird, wenn plötzlich hier und da versteckte Anklagen laut werden, wenn Gerüchte ausgestreut werden und bereitwillig negative Nachrichten gehört und weiterverbreitet werden. Manchmal habe ich den Eindruck, selbst Leute, die sonst in der Gemeinde mittun, haben unbändige Lust daran, etwas, das sie vielleicht selbst überfordert, sofort schlechtzumachen und durch ihre Kritik mit ätzender Kritik zu überziehen. Damit muß jetzt Schluß sein.
Wenn wir wirklich Pfingsten feiern wollen, muß das auch bedeuten, dem Geist Raum zu geben, einem Geist, der weiterreicht als der manchmal allzukleine Horizont eigener Erwartungen oder eigener Wünsche.

Darum feiern wir Pfingsten: weil dieses Fest uns nicht wehmütig zurückblicken läßt, wie schön und wie einfach es doch früher gewesen ist, sondern weil der Heilige Geist auch heute wirken will. Wirken in einer Zeit, die oft nicht weiß, ob sie der Zukunft trauen soll. Wer den Geist hat, traut dem lebendigen Gott das Größere zu. Und daß er immer Größeres im Sinn hat, als wir uns auszudenken vermögen, das hat er bereits 2000 Jahre lang bewiesen.

783. Predigtvorschlag

Das Zeichen des Feuers

Das Feuer hat auf die Menschen aller Zeiten große Anziehungskraft ausgeübt. Als Kind zog ich mit meinen Freunden immer wieder aus, und vor allem in der kälteren Jahreszeit zündeten wir irgendwo draußen, auf dem Feld, ein wärmendes Feuer an, um das wir uns versammelten. Zu Hause wurde anfangs noch ausschließlich mit Feuer in einem Herd geheizt und auch gekocht. So lernte ich früh, worauf es ankommt, damit ein Feuer nicht nur angeht, sondern auch ordentlich Hitze entwickelt. Wenn es ein gutes Feuer war, konnten wir draußen sogar Blei darauf schmelzen und in Formen gießen, die wir in den Sand gedrückt hatten.

Pfingsten ist das Fest, an dem der Wunsch Jesu Wirklichkeit wird, der gesagt hat: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (Lk 12,49). In Gestalt feuriger Zungen kommt der Heilige Geist auf die Jünger herab, die sich im Gebet versammelt haben (Apg 2,3). Dieses Feuer, das da auf die junge Kirche herabkommt und sich ausbreitet überall auf der ganzen Welt, dieses Feuer ist kein Strohfeuer. Es ist ein Feuer, das bleibt. Strohfeuer schneller Begeisterung, die dann aber rasch wieder abebbt, die gibt es auch in unseren Tagen zu Genüge. Strohfeuer, die schnell aufflammen, dann aber schon bald wieder ausgehen – das kann es nicht sein, das kann kein Bild für das Feuer des Heiligen Geistes sein.

Der Heilige Geist ist Feuer von einer anderen Art, er ist Feuer, der wie ein richtiges, intensives Feuer durchglüht und verwandelt. Mit einem solchen richtigen Feuer ist nicht zu spaßen. So ist der Heilige Geist auch kein Spaßmacher in dieser Welt, wohl aber einer, der wirklich Freude bringt. Spaß ist oberflächlich, Freude geht in die Tiefe. Der Heilige Geist will uns in die Tiefen Gottes führen. Pfingsten ist kein „neues“ Fest neben Weihnachten und Ostern, sondern es steht ganz in der Linie von Ostern. „Pfingsten“, das heißt ja zunächst: fünfzig. Der fünfzigste Tag. Nachdem siebenmal sieben Tage lang die Auferstehung Christi von den Toten gefeiert worden ist, ist der fünfzigste Tag der Beginn der Ausbreitung der Freudenbotschaft in die ganze Welt: Christus ist auferstanden von den Toten! Diese Botschaft soll, ja muß bis in den letzten Winkel dieser Welt gelangen. Damit alle Menschen in dieser neuen Wirklichkeit leben und die neue Würde empfangen, die Gott dem Menschen geschenkt hat.

Am Beginn des Osterfestes stand das neue Feuer: Das Licht der Auferstehung Christi erhellt die Nacht der Gräber. Am Ende der fünfzigtägigen Osterzeit steht wieder ein Feuer: diesmal das Feuer, das in den Aposteln, in den Zeugen, brennt und sie zu Boten des Evangeliums werden läßt. - In einem außerbiblischen Wort, das aber gut bezeugt ist und das durchaus echt sein kann, sagt Jesus: „Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe“ (kopt. Thomasevangelium, Logion 82). - Das ist kein leichtes Wort! Keins, das man schnell dahersagt auf Sonntagsreden oder ins Poesiealbum mit Goldbuchstaben schreibt. – „Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe“!

Da ist die Hitze mit drin, da spricht Jesus von der Erprobung, vom Schmelztiegel des Leids. Im Leid bewährt sich die Nachfolge Jesu. Das ist auch der Kirche von heute gesagt: Den Jüngern wurde von Jesus nicht Erfolg und Ansehen, nicht Glanz und Gloria versprochen bei der Verkündigung der Frohen Botschaft, sondern vielmehr ein Ackern und sich abrackern, ein Tragen und Ertragen.
So muß die Kirche heute, so müssen wir - denn wir alle sind kraft unserer Taufe und Firmung Kirche - sicher ganz neu und ganz aufmerksam acht geben auf das, „was der Geist den Gemeinden sagt“ - wie es in der Offenbarung des Johannes immer wieder heißt, wenn es darum geht, das zu übermitteln, was der auferstandene und fortlebende Christus in den Gemeinden bewirken will (Offb 2,7.11.17.29; 3,6.13.22). Und das alles wird besonders aktuell – jetzt, da wir zu einer neuen Gemeinde zusammenwachsen, wo bislang drei Gemeinden waren.

Da geht es nicht darum, die Asche weiterzutragen, sondern das Feuer. Bislang waren wir in unserem Land nach dem letzten Weltkrieg einen sicheren Status der Kirche in unserer Gesellschaft gewohnt. Es gibt eine ganze Menge kirchlicher Einrichtungen, und so kann es den Anschein haben, als habe die Kirche sich in dieser Welt eingerichtet. Wenn aber der Geist fehlt, aus dem die Kirche lebt, wenn die Gläubigen, statt nach dem Heiligen Geist zu fragen, dem Zeitgeist folgen, dann kommt sicher der Moment, wo das Feuer des Geistes in den Herzen der Menschen erlischt, wo statt des Glaubenslebens nur noch Asche da ist, die nichts mehr wert ist. –

Der Essener Bischof Felix Genn sagte auf dem Katholikentag 2006 in Saarbrücken: „Kirche ist kein Heimatverein, sondern soll die Welt prägen und verwandeln!“ Dafür haben ihm die Leute sogar Beifall gespendet – auch ein Hoffnungszeichen.
Wer sich in der Nachfolge Jesu dem Feuer des Heiligen Geistes aussetzt, der macht, menschlich gesehen, eine Verlustrechnung. Denn Feuer schmilzt hinweg, was nicht wirklich von Bestand ist. - Aber zugleich auch ist Feuer ein Bild voller Schönheit und Hoffnung: Da ist Licht drin, das die Dunkelheit erhellt. Das Feuer erzählt uns von der Herrlichkeit, die Gott offenbart, wenn er in der Feuersäule dem Volk durch die Wüste vorangeht oder dem Moses erscheint in einem Dornbusch, der brennt und doch nicht verbrennt. Gottes Feuer will nicht vernichten, sondern reinigen. Es will nicht zerstören, sondern verwandeln und neu machen. Das macht uns Mut und nimmt uns die Angst. Denn das ist die Wirkung des Heiligen Geistes in der Welt: er kommt, um alles neu zu machen. Das Feuer des Heiligen Geistes - es bringt Bewegung in diese Welt, es kommt zu uns, damit wir von ihm neu durchglüht werden.
So beten wir:
„Wärme du, was kalt und hart,
löse, was in sich erstarrt,
lenke, was den Weg verfehlt.“

784. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

ich habe nicht direkt Lieblingsfilme, genauso wenig wie ich "Fan" einer bestimmten Musik bin. Aber manchmal sitzt man im Kino und schaut einen Film, der völlig zusammenhanglos Handlungen und Personen aneinanderreiht - und am Ende, vielleicht sogar erst in der letzten Schlusseinstellung, ergibt alles einen Sinn, fügen sich die Puzzleteile zu einem neuen Sinn zusammen - Filme mit echtem "Aha!"-Erlebnis liebe ich. Geniale Filme, geniale Drehbücher vor allem (warum reden eigentlich alle über die Schauspieler, aber kaum einer über die Drehbuchautoren?).

Leider gehen heute nicht mehr viele ins Kino, sondern schauen sich die Filme auf DVD an (hoffentlich nicht illegal aus dem Internet heruntergeladen..!). Das Problem liegt nicht in der schlechteren Qualität - sondern darin, dass man nun versucht ist, einen Film, den man nicht versteht, nach einer halben Stunde auszuschalten. Es gibt keine Aha-Erlebnisse mehr, weil solche Film-Konsumenten Filme nicht mehr von Anfang bis zum Schluss schauen - sondern nur bis zur ersten Gähn-Attacke. Dann wird weggezappt.

So ähnlich ist es mit dem heutigen Pfingstfest. Der eigentliche Sinn des Sprachenwunders ergibt sich nur, wer sich die Mühe macht, den großen Bogen zu entdecken. Haben Sie schon einmal versucht, die Bibel von vorne bis hinten zu lesen? Es soll ja Menschen geben, die es versuchen. Sogar einige, die es geschafft haben.

Probieren sie es mal. Schon auf den ersten Seiten wird Ihnen der Zusammenhang mit dem Pfingstfest deutlich werden: Pfingsten ist das Ende von Babylon.

Babylon ist die Stadt ohne Gott - die personifizierte (oder besser: verstaatlichte) Gottlosigkeit. Und weil sie sich (wider Gott) einen Namen machen wollten, sich selbst mit dem Turm von Babylon ein Denkmal setzten, stieg Gott herab und verwirrte ihre Sprache. Seitdem verstehen sich die Menschen nicht mehr.

An Pfingsten steigt Gott wieder herab - aber diesmal, um die Menschen aus allen Sprachen wieder zu vereinen. Während die Sprachverwirrung das Ende des einheitlichen gottlosen Staates war, ist das Pfingstfest der Beginn der Kirche: Kein Staat, sondern eine Gemeinschaft in Gott; kein Unrechtsregime - sondern der Versuch, einander in Liebe zugetan zu sein; kein Ort auf einer Landkarte dieser Welt - sondern eine Gemeinschaft aus allen Völkern der Erde; nicht mit einem Turm, der in den Himmel ragt - sondern mit einem Himmel, der bis auf die Erde reicht.

Der Grund für das Pfingstereignis ist aber nicht eine veränderte Laune Gottes; nicht Gott hat seine Meinung oder seine Haltung verändert. Sondern der Mensch ist jetzt ein anderer. Die Ermöglichung des Pfingst-ereignisses liegt in Karfreitag und Ostern begründet: Weil Gott alle Sünde der Menschen gesühnt und vergeben hat, kann Gott wieder neu Wohnung nehmen in der Welt.

Während zu Noahs Zeiten die Sünde der Menschen zum Himmel schrie, ruft nun der Himmel in die irdische Welt: "Empfangt den Heiligen Geist!"

Liebe Schwestern und Brüder, das nenne ich ein großartiges Drehbuch. Mit so langem Atem wurde bisher noch kein Film gedreht. Die Schauspieler kennt jeder - angefangen von Adam und Eva, Noah bis hin zu Petrus und den Aposteln. Vergessen wir darüber nicht den Drehbuchautor: Gott. Und den Sinn des Ganzen: Er will uns mit sich versöhnen. Um nichts anderes ging es in den letzten 3.500 Jahren.

Zappen wir nicht von einem kirchlichen Fest und von einem kleinen Ausschnitt der Kirchengeschichte zum nächsten. Bedenken wir das Ganze: Gott und Mensch werden durch Jesus versöhnt; der Heilige Geist holt uns ein und führt uns - zurück zum Vater. Amen.

785. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

heute (Samstag morgen) habe ich eine katholische Illustrierte mit der Morgenpost bekommen; "Komma" heißt diese Zeitung. Grundsätzlich ist sie sehr empfehlenswert, denn sie bietet aus katholischer Sicht viele Anregungen für alle möglichen Bereiche des Lebens.

Aber diesmal hinterlässt die Lektüre dieser Zeitung ein ungutes Gefühl. Wer sich die Artikel in aller Ruhe zu Gemüte führt, der kommt zu dem Schluss, dass es doch sehr schlecht aussieht in der Welt.

Da ist zunächst die Rede davon, dass die Deutschen aussterben - gut, da ist etwas dran. Wollten sich die Deutschen in der Bevölkerungszahl auch nur auf Dauer stabil halten, dann müssten alle Familien jetzt schon doppelt so viele Kinder bekommen, wie sie schon haben.

Dann ist die Rede von neuen Tendenzen in der Politik: von der Abtreibung, die heute schon bis zum neunten Monat erlaubt ist, wenn das Kind behindert ist, von Euthanasie und Gentechnik.
Von der Ungerechtigkeit in der Wirtschaft, in der Manager mehr Abfindung bekommen, als 10.000 Arbeitnehmer in einem Jahr verdienen.
Dann die Rede von der Verdrossenheit der Deutschen, die im Luxus leben und trotzdem über mangelnden Wohlstand klagen. Dann über die mangelnde Gleichstellung von Männern und Frauen im Beruf.
Dann über die ungerechte Bewertung des Films "Die Passion Christi".
Dann über ein Urteil der Münchner Strafkammer, des sexuelle Handlungen mit Kindern erlauben will.
Dann ein langer Artikel über die Schwierigkeiten, die die Türkei mit den Menschenrechten hat - angereichert mit vielen dramatischen Fakten über den Islam und der Blauäugigkeit der Christen... und noch mehr.

Liebe Schwestern und Brüder, hätten Petrus und die Apostel in ihren Pfingstpredigten zunächst die Missstände ihrer Zeit aufgezählt, das Christentum wäre schnell im Sand verlaufen.
Natürlich, es liegt viel im Argen, hier in Deutschland, aber auch im Leben eines jeden Menschen auf der ganzen Welt. Natürlich dürfen wir davor nicht die Augen verschließen. Aber gerade das Pfingstfest zeigt uns, dass wir uns von der Welt nicht bestimmen lassen sollen - auch nicht von den gesellschaftlichen Irrwegen dieser Welt.

Dabei geht es nicht darum, als Christ optimistischer zu sein. Was das Schicksal dieser Welt angeht, ist der Christ selbstverständlich Pessimist: Diese Welt wird ein Ende haben; aller Prunk wird vergehen, aller Glamour verblasst. Der Ruhm dieser Welt hat kein langes Haltbarkeitsdatum.
Was aber das Schicksal des Menschen angeht, ist der Christ immer Optimist: Ein jeder, mag er ein noch so verkorkstes Leben geführt haben oder immer noch drin stecken, hat in sich die Möglichkeit, ewiges Leben zu erlangen. Keiner muss so bleiben, wie er ist; jedem kann seine schuld vergeben werden. Niemals sagt ein Christ zu einem Menschen: Bei dem ist alle Hoffnung verloren; der ist nicht mehr zu retten. In dieser Hinsicht ist der Christ grenzenlos optimistisch.

Es geht also nicht um ein plumpes "optimistisch" und "pessimistisch". Denn uns Christen geht es nicht darum, die Welt zu retten oder Mitmenschen zu bekehren. Die Welt ist nicht zu retten und unser Mitmensch bekehrt sich immer nur aus freien Stücken. Uns Christen geht es allein darum, Gott die Ehre zu geben; Ihm zu gefallen; Gutes zu tun, weil das Gute als solches attraktiv ist. Gott zu lieben, weil Er liebenswert ist. Von Ihm zu reden, weil es von Ihm so viel zu erzählen gibt.

Petrus hat in seiner Pfingstpredigt nicht über die Welt gepredigt, sondern über die Erlösung durch Jesus Christus. Trotz aller sündhaften Rückstände sind auch wir erlöst: Freuen wir uns also einfach an dieser Gnade. Genießen wir doch das Wirken des Geistes. Seien wir einfach nur das, was Gott immer schon von uns wollte: Seine geliebten Kinder. Amen.

786. Predigtvorschlag

"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne."
So, liebe Schwestern und Brüder, heißt es. Und ich meine zurecht.

Wir gedenken heute eines Anfangs. Wir feiern heute Pfingsten, die Herabkunft des Hl. Geistes, den Geburtstag der Kirche.

"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne."
Welcher Zauber wohnte dem Anfang der Kirche inne?
Dieser Frage möchte ich heute nachgehen, in einer Zeit in der die Kirche auf viele entgeistert wirkt, in der sie ihren Zauber auf die Menschen verloren zu haben scheint.

Schauen wir uns also den Anfang genauer an. Vielleicht entdecken wir dann auch das Zauberhafte, das von der Kirche damals ausging. Hören wir den Anfang der Kirche nach der Apostelgeschichte:

Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Hl. Geist erfüllt und begannen in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.

Plötzlich und vom Himmel her kam der Hl. Geist auf die Jünger herab.

Plötzlich - Die Jünger haben sich den Hl. Geist nicht irgendwie selber gemacht, nicht selber geholt. Auch erfolgte die Ausgießung des Geistes nicht nach einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Gott und den Jüngern. Den Geist Gottes können wir also nicht einklagen. Er ist unverfügbar.

Auch können wir uns den Geist nicht verdienen. Wir können uns für den Geist durch Gebet offen halten, aber erzwingen können wir den Geist nicht, nach dem Motto: drei Vaterunser gleich drei Geistesgaben.
Der Hl. Geist ist Geschenk, reine Gabe, reine Gnade.

Und worin besteht diese Gabe, dieses Geschenk?
Im Johannesevangelium spricht der Schenkende, Jesus, selber über sein Geschenk an uns:
Der Beistand aber, der Hl. Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.

Der Hl. Geist also lehrt die Gläubigen.
Er lehrt der Kirche die Botschaft Jesu. Wenn man so will, ist der Geist von Pfingsten so etwas wie der Garant dafür, dass die Kirche das Evangelium in seiner ganzen Fülle erkennen und auch noch heute verstehen kann.
Der Hl. Geist ist der Lehrmeister der Kirche. Er lehrt die Kirche, damit sie weitergeben kann, was sie selbst empfangen hat: Die Botschaft vom Heil.

Vom Himmel her kam der Hl. Geist.
Die Initiative geht von oben, von Gott aus. Die Kirche hat ihren Ursprung, ihren Anfang nicht in einer verfassungsgebenden Versammlung der Jünger, sie ist nicht Produkt einer irgendwie gearteten Wahl der Anhänger Jesu, sie ist in ihrem tiefsten Wesen eben keine Demokratie.

Sie ist -auch wenn viele das heute nicht gerne hören- Hierarchie. Dieses Wort aus dem Griechischen heißt übersetzt: Heiliger Anfang, heiliger Ursprung und heilige Ordnung. Kirche war und Kirche ist immer Kirche von oben, von Gott her. Sie wächst von oben nach unten.

Das heißt nicht, dass es in ihr nicht auch demokratische Anteile gibt. Daher gibt es Kirchenvorstände, Pfarrgemeinderäte, Pastoralkonferenzen. Und sie erfüllen auch eine wichtige Aufgabe in der Begleitung und Durchführung des seelsorgerischen Auftrags der Kirche. Auch hier wirken die Gaben des Hl. Geistes.

Kirche ist in ihrem Wesen Kirche von oben, sie wächst durch die Kraft des Hl. Geistes, der am Pfingsttag auf die Jünger herabkam.

Der Hl. Geist ist der Zauber, der der Kirche von Anfang an innewohnte.

Der Hl. Geist ist es auch, der die Menschen aller Zeiten und Länder verzaubert mit der Frohen Botschaft vom Heil und alle menschenfeindlichen Ideologien und Regime entzaubert.

Ohne das Wirken des Hl. Geistes wäre die Kirche geistlos, tot.
Der Hl. Geist ist es, der die Kirche lebendig macht und lebendig hält. Und das allen Unkenrufen zum Trotz schon fast zwei Jahrtausende.

Die Kirche weiß von Anfang an, dass sie vom Pfingstgeist her lebt. Deshalb bittet sie seit Anfang an um die Kraft des Geistes.
Auch wir wollen um die Kraft des Hl. Geistes bitten in einer Zeit, die für die Kirche große Herausforderungen bereithält, gerade auch in unserem Bistum angesichts der bevorstehenden Neuordnung der Seelsorge.
Diese Bitte um den Hl. Geist soll unser heutiges Fürbittgebet sein:
Für die Welt...
Für die Kirche...
Für uns und alle die uns am Herzen liegen...
Für die Männer die an diesem Pfingstfest im Dom zu Münster zu Priestern geweiht werden...

787. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

In Deutschland wissen 61 % der Bevölkerung nicht, was wir am Pfingstfest eigentlich feiern. Die meisten verwechseln das Pfingstfest mit dem Fest der Auferstehung, also Ostern, oder - noch etwas unpassender - mit dem Gedenken an den Tod Jesu, also Karfreitag. In Berlin sieht es am schlimmsten aus: Ganze 4 % wissen noch die Bedeutung des Pfingstfestes anzugeben - in Bayern sind es immerhin noch 49 %.

Vielleicht liegt das daran, dass das Fest von der Herabkunft des Geistes als Geburtsstunde der Kirche nicht zu den Erfahrungen der Menschen passt: Sie erfahren weder sich noch die Kirche als geisterfüllt; und oft schon gar nicht als begeisternd.

Das sollte uns schon ein wenig nachdenklich stimmen. Vielleicht liegt das daran, dass wir Priester in unseren Predigten und Gottesdiensten - aber auch wir alle im alltäglichen Leben - Religion als eine Art von "besonderer Moral" präsentieren. Tatsächlich können wir Christen zu vielem, was sich in unserer Gesellschaft abspielt, nicht einfach schweigen. Wenn jetzt z.B. in Belgien ein regelrechtes Euthanasiegesetz erlassen wurde, dass gerade psychisch kranke dem leichten Tod ausliefert, müssen wir unsere Stimme erheben.

Aber es ist schon fatal, wenn wir uns nur in solchen Situationen zu Wort melden. Denn das erste unseres Glaubens ist nicht die Moral, sondern der Geist.

Die Jünger, die verängstigt und alleingelassen im Abendmahlssaal den Heiligen Geist empfangen, predigen ja auch nicht als erstes eine neue Moral: "Liebe Juden, Griechen und Sonstige, voller Freude verkünden wir Euch die neuen christlichen 613 Gebote!" Was gut und was schlecht ist, haben die Menschen - zumindest in Ansätzen - immer gewusst. Das Problem ist, dass uns immer wieder die Kraft und Ausdauer dazu fehlt. Es ist billiger, kranke Menschen zu töten, als sie Jahrzehnte zu pflegen. Es ist bequemer, Kinder zu schlagen, als sie mühevoll auf den rechten Weg zu weisen. Es ist schneller, eine Bank zu überfallen, als jahrzehntelang zu arbeiten und zu sparen - und so weiter.

Es ist leichter eine Predigt zu halten - oder ein Gottesdienst vorzubereiten - der sich gegen etwas ausspricht; als ein Gottesdienst oder eine Predigt, die von der Freude spricht; von dem, was uns gut tut. Deshalb glauben viele, Kirche bestehe nur aus Moral.

Was fehlt, ist nicht die Moral, sondern der Geist. Deshalb ist Pfingsten ein Hochfest - nicht nur eine kleine Gedenkveranstaltung für eine biblisches Ereignis.
Davon sollten wir reden: Dass wir auch keine besseren Menschen sind, aber dass wir eine Kraftquelle haben, die niemals versiegt.
Davon sollten wir reden: Dass es auch uns nicht immer leicht fällt, mit Behinderten und psychisch Kranken umzugehen - aber dass wir durch Gottes Geist in jedem von ihnen einen geliebten Bruder und eine geliebter Schwester erkennen, die uns von Gott geschenkt wurde.
Davon sollten wir reden: Dass wir als erlöste Christen auch nicht jeden Tag zu jeder Stunde vergnügt lächeln; aber dass wir eine Freude haben, die uns selbst in den dunkelsten Stunden nicht verzweifeln lässt.
Davon sollten wir reden: Dass wir dankbar sind, unseren Glauben zu haben. Das wir dankbar sind, glauben zu dürfen. Dass wir gerne zur Kirche gehören. Dass wir uns auf den Himmel freuen und das Leben hier als einen Vorgeschmack darauf genießen. Dass uns Gott allein genügt.

Liebe Schwestern und Brüder, selbstverständlich müssen wir von unserer Moralvorstellung sprechen. Aber noch mehr von dem Geist, der uns hilft, all das zu leben - und dazu noch mit Begeisterung, mit Freude und einer Leichtigkeit, die uns nur Gott schenken kann.

Amen.

788. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Tatsache, dass die heutige Lesung mit ihren vielen schwierigen Völkernamen zum Schreck aller Lektoren gehört, macht deutlich, dass das Pfingst- fest mit der Überwindung aller Sprachbarrieren keine bleibende Wirkung gehabt hat.

Die Tatsache, dass wir Menschen viele verschiedene Sprachen sprechen, macht nicht nur den Auslandsurlaub oder die Europäische Einigung so schwierig, sondern die wird uns auch oft genug im Alltag bewusst:
Wie oft stellen wir fest, dass wir uns mit anderen Menschen einfach nicht verständigen können, dass lange Gespräche und oft auch viel guter Wille Missverständnisse, Verletzungen und Streitigkeiten nicht aus der Welt schaffen können. Auch zwischen den Generationen, zwischen jung und alt, ist oft die Rede davon, dass wir verschieden Sprachen sprechen. Und sogar zwischen Männer und Frauen, so heißt es z.B. in dem Buch «Du kannst mich einfach nicht verstehen», ist eine Verständigung nicht nur schwierig, sondern manchmal auch unmöglich.

Warum tun wir uns so schwer damit, für einander Verständnis zu haben? Ist das Pfingstgeschehen, von dem wir in der Lesung gehört haben, denn heute nicht mehr wirksam?

Die Antwort darauf gibt uns Paulus in seinem Brief an die Korinther: «Ich zeige euch jetzt noch einen anderen Weg, einen, der alles übersteigt: Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.»

Die Gabe des Geistes ist nämlich nicht eine geniale Sprachbegabung. Mit dem Sakrament der Firmung wird offensichtlich weder der Englisch-Unterricht noch der Französisch-Unterricht überflüssig. Die Gabe des Geistes ist die Muttersprache der Kirche: Die Liebe.

Die Liebe, das drängende Bedürfnis, sich dem anderen voll und ganz, ohne Vorbehalte zuzuwenden, den anderen verstehen zu wollen (!), ist der Schlüssel zur Überwindung der Sprachgrenzen. Liebevolle Blicke, gemeinsames Tun und gegenseitige Achtung sind die Vokabeln, die uns der Geist lehrt.

Deshalb ist es eigentlich nicht richtig, wenn wir davon sprechen, dass wir uns oft nicht mehr verstehen können. Vielmehr wollen wir oft nicht begreifen, was in anderen vor sich geht. Die Angst, seine eigene Überzeugung zu verraten, die Befürchtung, sich selbst untreu zu werden und den Halt zu verlieren, hält uns davon ab, allzu sehr auf uns fremde Vorstellungen (der Jugend, des Alters, anderer Kulturen oder des anderen Geschlechts) einzugehen.

Hier genau hält uns der Geist Gottes. Wir verlieren nicht unsere Identität, unsere Eigenständigkeit, wenn wir lieben, weil wir ja auch so, wie wir selbst sind, von Gott geliebt sind.

Geistbeseelte Menschen sind Menschen, die ihren eigenen Stand haben und gerade deshalb so frei auf andere zugehen können. Wer sich selbst verstanden weiß, kann vielmehr Verständnis aufbringen. Und das ist unsere Gnade: Das wir von Gott ergriffen und gehalten sind.

Nehmen wir das Pfingstfest als eine Art «Sprachurlaub», in dem wir von und mit der Kirche unsere Muttersprache neu lernen. Denn die Muttersprache der Kirche ist weder Latein noch griechisch - die Muttersprache alle Christen ist die Liebe.

Amen.

789. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Vor mehr als fünfzehn Jahren erschien in Deutschland ein Buch mit dem Titel: «Von Gott zu reden ist gefährlich». In diesem Buch schildert Tatjana Goritschewa, eine russische Feministin und Intellektuelle, wie sie zum christlichen Glauben gefunden hat - trotz des damaligen Sowjet-Regimes. Nach Inhaftierung, Behandlung als psychisch Kranke und Verfolgung wegen Regimefeindlichkeit wurde sie schließlich in den Westen ausgewiesen und lebt seitdem zum großen Teil in Deutschland.

«Von Gott zu reden ist gefährlich» - ein Satz der uns eher befremdet. Für Tatjana Goritschewa war es bittere Wirklichkeit, und in vielen Ländern der Erde ist es immer noch gefährlich, von Gott zu reden. Nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im privaten führt das oft zu Verfolgung und Tod.

Pfingsten als das Fest des Heiligen Geistes, führt uns diese Gefährlichkeit wieder vor Augen. Der Geist hat die Apostel dazu gebracht, den Schutz der geschlossenen Räume zu verlassen und auf die Straßen zu gehen, um dort den Glauben zu predigen. Und auch das war nicht gerade ungefährlich.

Für uns sieht das scheinbar ganz anders aus. Wir leben hier in Sicherheit, jeder darf sagen, was er denkt und was er glaubt. Verfolgung gibt es offensichtlich nicht.

Tatjana Goritschewa beschreibt in ihrem Buch ihren Lebensweg. Und nachdem sie in den Westen ausgewiesen wurde steht dort - ich zitiere: «Im Fernsehen habe ich die erste religiöse Sendung meines Lebens gesehen. Ich danke Gott, dass es bei uns den Atheismus und keine «religiöse Bildung» gibt. Es war ein langweiliger, schlechter Akteur mit mechanischen und einstudierten Gesten. Er hatte kein Gesicht. Zum ersten Mal verstand ich, wie gefährlich es ist, von Gott zu reden!»

Liebe Schwestern und Brüder, auch bei uns ist gefährlich, von Gott zu reden. Denn was heute immer mehr in unserer Gesellschaft umgreift, ist weniger der direkte Affront oder die Empörung gegenüber dem christlichen Glauben, sondern eher das gelangweilte Wegschauen. Und daran sind wir Christen nicht ganz unschuldig.
Das Evangelium hat sich gerade bei denen, die davon erfüllt sein sollten, offensichtlich abgeschliffen. Die, die jedes Jahr die Botschaft von der Auferstehung hören, hören sie irgendwann nicht mehr, können sie irgendwann nicht mehr hören. Und können davon nichts mehr erzählen.

Liebe Schwestern und Brüder, nachdem am Pfingstfest der Geist auf die Jünger herabgekommen ist, sind die Apostel sofort auf die Straßen gegangen und haben gepredigt. Stundenlang. Liebe Schwestern und Brüder - was würden sie sagen? Was würden Sie predigen, jetzt im Anschluss an den Gottesdienst, auf den Straßen?
Von Gott zu reden ist deshalb gefährlich, weil uns der Geist abhanden gekommen ist. Weil wir eigentlich nichts mehr zu sagen hat. Bei uns erschöpft sich der Glaube in Floskeln, die wir nicht mehr verstehen. In Traditionen, die wir mitschleppen, aber nicht mehr leben.

Die wahre Begeisterung aus dem Glauben - das wirkliche Wirken des Geistes - geschieht nicht in Begeisterungsausbrüchen wie in einem Fußballstadion. Außer das die Leute dort ab und zu "Buh!" rufen oder "Tor" schreien, gibt es dort keine Botschaft. Das Wirken des Geistes aber ist das unbändige Bedürfnis, etwas mitteilen zu wollen. Die Faszination des gelebten Glaubens zu verschenken!

Der Beginn eines Lebens, das Predigt ist, das den Menschen etwas zu sagen hat, das andere nicht langweilt und den Glauben nicht erstickt, ist das Gebet um den Geist.

Der Geist unsere Herrn und Gottes Jesus Christus sei mit euch!

Amen.

790. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist gerade jetzt am Freitag gewesen, als ich in einer Imbissbude einen Kaffee getrunken habe. Da hat sich Bedienung mit zwei Gästen unterhalten und gefragt: "Was feiern wir eigentlich an Pfingsten?" Die beiden Gäste haben sich da wunderbar aus der Affäre gezogen und gesagt: "Da können wir doch gar nicht wissen, wir sind doch Heiden."
Ich habe mich dann erbarmt und gesagt: "An Pfingsten feiern die Christen die Herabkunft des Heiligen Geistes."; worauf die Bedienung meinte: "Das sagt mir genauso wenig."

Pfingsten, das unbekannte Fest. Das kommt nicht nur daher, dass viele die Bedeutung dieses Festes vergessen haben; dass zeugt vor allem davon, dass die Herabkunft des Heiligen Geistes für viele Menschen bedeutungslos geworden ist. Ja, das Wirken des Geistes ist sogar für die meisten gläubigen Katholiken eher ein Märchen, oder zumindest eine Metapher. Aber mit Sicherheit kein Glaubenssatz.

Wissen Sie, gleich im Glaubensbekenntnis bekennen wir das Wirken des Geistes, vielleicht ohne es wirklich zu glauben. Dort heißt es: Ich glaube an den Heiligen Geist, die Heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.

Der Heilige Geist leitet die Kirche; sie wird dadurch zu einer Heiligen Kirche, unfehlbar in ihrem Glauben. Der Geist wirkt durch die Päpste, Bischöfe und Priester. Er stellt die Verbindung unter allen Getauften her, auch zu denen, die uns ins ewige Leben vorangegangen sind. Der Heilige Geist wirkt durch die Sakramente, er verändert uns tatsächlich. Wir sind andere Menschen, wenn wir uns haben taufen und firmen lassen; wenn wir beichten oder zur Kommunion gehen. Das Entscheidende ist immer wieder, dass er uns die Sünden vergibt und uns jedes mal neu mit Gott versöhnt. Erst dadurch, durch unsere Verbundenheit mit Gott, können wir von den Toten auferstehen und das ewige Leben haben.
Alles das, liebe Schwestern und Brüder, bekennen wir gleich im Glaubensbekenntnis. Aber was glauben wir davon? Wir können es uns nicht mehr vorstellen, dass der Heilige Geist wirklich wirkt. Sitzt der Heilige Geist etwa dem Papst auf der Schulter und flüstert ihm die Wahrheit ins Ohr? Verbindet er uns mit den Heiligen wie eine Brieftaube?

Ein Bild für den Heiligen Geist ist "Der Finger Gottes". Es ist das vielleicht unbekannteste Bild - aber auch ein sehr einleuchtendes: Gott rührt unsere Seele immer wieder an, bringt in ihr Gefühle, Regungen und Lebendigkeit hervor. Wie wir einem unaufmerksamen Menschen mit einem Finger an die Schulter tippen oder vorsichtig wecken, so ist der Heilige Geist der Finger Gottes, der unsere Seele bewegt. Der Mut und Demut hervorruft, Reue und Schuldgefühl; der Aufmerksamkeit auf die Dinge lenkt, die wir übersehen. Der heilige Geist wirkt durch die Seele der Menschen, die empfindsam sind für Gott.

In jedem Sakrament, in jedem Gebet und in jeder Begegnung berührt uns Gott - im Heiligen Geist. Durch diese Berührungen, die immer zart sind und meisten unbeschreibbar, lenkt er die Menschen, ohne ihre Freiheit zu verletzen. Und die Menschen, die sich auf seine Führung einlassen, bewegen damit andere Menschen. Ganze Pfarrgemeinden, geistliche Gemeinschaften, ja, die ganz Kirche und das Weltgeschehen, bekommen somit neue Ausrichtungen - allerdings nur durch die Menschen, die bereit sind, ihren eigenen Vogel einzutauschen gegen die Taube des Geistes.

Der Geist ist ein Beistand, das hat Jesus selbst gesagt. Ein guter Beistand hält sich vorsichtig zurück und lässt uns selber machen; gibt aber immer wieder Fingerzeige und Anregungen. Ein guter Beistand steht niemals im Vordergrund. Deshalb ist es vielleicht auch ein Kompliment für den Geist, das Pfingsten kaum verstanden wird.

Wir katholische Christen allerdings sollten ein ganz anderes Verhältnis zu unserem Beistand haben. Letztlich entscheidet der Glaube an den Heiligen Geist darüber, ob wir uns in dieser Welt - trotz allem - geborgen fühlen dürfen; oder ob wir zur Einsamkeit verdammt sind. Amen.

791. Predigtvorschlag

Taufe des Herrn

Der Weg der Kirche kann kein anderer sein als der Weg des Herrn

Wohin geht die Kirche? Wie sieht ihre Zukunft aus? Wie geht es mit den Gemeinden weiter?
Fragen über Fragen, mit denen sich Gremien und Räte, Kreise und Foren befassen.
Wohin geht die Kirche? Die Antwort darauf - sie ist im Grunde ganz einfach. Sie ist ein-fach, weil es im Grunde nur eine Antwort geben kann:
Die Kirche geht dorthin, wohin Jesus geht.
Die Kirche kann gar nicht anders, als den Spuren Jesu zu folgen.
Denn die Kirche ist von Jesus abhängig wie - entschuldigen Sie den Vergleich - wie ein Wassereimer von seinem Brunnen.
Ohne Brunnen nützt der Eimer auch nicht mehr viel. Er kann höchstens in eine Ecke gestellt werden und sammelt den Abfall.
Ohne den lebendigen Brunnen Jesus Christus kann die Kirche höchstens noch dazu gut sein, den Abfall der Geschichte einzusammeln. Das ist aber nicht Sinn und Zweck der Kirche.

Sinn und Zweck der Kirche ist es, verbunden mit der lebendigen Quelle Jesus Christus zu sein und den Menschen aus dieser und keiner anderen Quelle lebendiges Wasser anzubieten - Wasser, das reinigt, belebt und stärkt.

Es kommt also darauf an, mit Christus verbunden zu bleiben.

Noch einmal also die Frage: Wohin geht die Kirche? Wohin führt ihr Weg, wenn sie den Weg mit Jesus geht?

Auch die Antwort darauf ist im Grunde einfach.
Sie findet sich im heutigen Fest, das wir feiern: Taufe des Herrn.
In diesem Geschehen wird uns offenbart, was der Weg ist, den Jesus gehen will.
Und damit auch, was der Weg ist, den wir als Kirche mit ihm gehen.

Wenn wir jetzt das Heilige Jahr gefeiert haben, das gestern mit der Schließung der Heiligen Pforte offiziell beendet wurde - dann machen wir uns - hoffentlich immer wieder - eines bewußt:

Der Weg, den Jesus geht, ist geführt vom Heiligen Geist.
Lukas betont das in seinem Evangelium immer wieder.

Genauso müssen auch wir als Kirche uns führen lassen vom Heiligen Geist.
Einen anderen Weg gibt es nicht.
Jeder andere Weg führt in die Irre.

Der Weg, den Jesus geht, hat drei Stationen. Er führt:

  • in die Wüste;

  • ins heidnische Galiläa;

  • nach Jerusalem.

Damit sind die entscheidenden Stationen genannt, die auch heute für die Kirche gelten.

Zuerst geht Jesus in die Wüste. Dort läßt er sich von Johannes die Bußtaufe geben. Jesus reiht sich ein in die Menge der Sünder. Er hört sich die Bußpredigt am Jordan an. Der Heilige Geist kommt auf ihn herab und bestätigt seine Sendung und seine Sohnschaft.

Dann geht Jesus in die Wüste und beginnt dort sein vierzigtägiges Fasten. So bereitet er sich auf seine Wirksamkeit in der Öffentlichkeit vor. Obwohl er schon 30 Jahre lang im Verborgenen gelebt und seine göttliche Sendung zurückgehalten hat, tut er es.

Bevor die Kirche hingeht zu den Menschen, ihnen den Glauben verkündet, ihnen die Sakramente spendet, ihnen in ihren Nöten hilft, mit ihnen Gottesdienst feiert oder irgendetwas anderes tut im Namen des Herrn, muss sie buchstäblich „in die Wüste“ gehen und Einkehr halten. Die Verantwortlichen in der Kirche, seien es Priester, Religionslehrer, Katecheten, Referenten oder Mitglieder der Gremien, können fruchtbar nur arbeiten und handeln, können überzeugend und gewinnend nur reden und argumentieren, wenn sie selber immer wieder die Stille, das Gebet, die lebendige Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott suchen. Alle Worte und Zeichen werden kraftlos, dürr und matt, wenn sie nicht immer wieder von neuem gestützt und gehalten sind durch das lebendige Beispiel derer, die dazu berufen sind.

Und die Kirche muss auch von Zeit zu Zeit erfahren, dass sie durch die „Wüste“ geht, das heißt, dass sie in der Angefochtenheit unterwegs ist, dass sie wandert ohne irdische Sicherheiten, mit nichts anderem in ihrem Gepäck als mit der Zusage Jesu: „Seht, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt“ (Mt 28,20).

  • Die Wüste: Ort, wohin der Geist Jesus (Lk 4,1) und die Kirche führt.

    Danach beginnt Jesus seine Tätigkeit in Galiläa.
    Dort ist er aufgewachsen, dort ist seine Heimat.
    Doch was war das für ein Land, dieses Galiläa? Ein Land, in dem es nicht nur fromme Menschen gab, sondern auch Unfromme und Frömmler, und Heiden ... Menschen ganz verschiedener Ausrichtung und Prägung. Es gab kein einheitliches Milieu. So war seine Sendung für Jesus beileibe kein Zuckerschlecken. Und so verwundert es auch nicht, dass nach anfänglicher Begeisterung für Jesus seine Landsleute ihn ablehnen und verwerfen (Lk 4,16-30). Er eckt bei ihnen an. Sie wollen ihn loswerden.

    Auch die Kirche heute muss den Weg ins „heidnische Galiläa“ (Mt 4,15) suchen.
    Das „heidnische Galiläa“ sind heute Städte wie Frankfurt am Main, wo im Jahre 1995 gerade noch 7 % der Kinder getauft wurden.

  • Das „heidnische Galiläa“ finden wir in unseren Schulen und Gerichtsräumen, die das Kreuz, das Zeichen unserer Erlösung und unserer christlich geprägten Kultur, abgehängt haben.

    Das „heidnische Galiläa“ finden wir in unseren eigenen Pfarrgemeinden, wenn in den Familien nicht mehr gebetet wird und wo das Fernsehen an die Stelle von Gottesdienst, Gebet und Gespräch getreten ist.

    Ins heidnische Galiläa hat sich damals Jesus nicht gescheut zu gehen; ins heidnische Galiläa zu gehen, ist auch heute Auftrag der Kirche. Wie Jesus damals findet die Kirche auch heute dort Kranke (Lk 4,40) und von der Last ihres Lebens gelähmte (vgl. Lk 5,17-26); wie Jesus damals beim Hauptmann von Kafarnaum (Lk 7,2-10) findet die Kirche auch heute Glauben und Vertrauen dort, wo man es nicht vermutet hätte. - Und wie Jesus damals Menschen berief, die ihm nachfolgten, muss es auch heute in der Kirche Menschen geben, die ihre Netze liegenlassen und dem nachfolgen, der sie ruft (vgl. Lk 5,1-11).

  • Und schließlich geht Jesus in die Stadt Jerusalem. Dort will er seine Sendung vollenden: das Haus seines Vaters wieder zu einer Stätte des Gebetes zu machen (vgl. Lk 19,45-46). Jesus weiß, dass er in Jerusalem sterben wird, um das neue Volk Gottes zu sammeln (vgl. Lk 13,34-35). Er weiß auch, dass sein Tod nicht das Ende, sondern Durchgang zur Auferstehung sein wird (vgl. Lk 23,43). Darum ist Jerusalem der Ort, wo er mit den Jüngern das Letzte Abendmahl feiert, das Vermächtnis der Liebe, das im Reich Gottes seine Erfüllung finden wird (Lk 22,16.18).

Die Kirche bleibt ihrer Sendung nicht treu, wenn sie Anerkennung und Beifall sucht. Die Kirche bleibt ihrer Sendung treu, wenn sie den Weg Jesu mitgeht. Sie bleibt ihrer Sendung treu, wenn sie bei Jesus bleibt, um mit ihm zu sterben und aufzuerstehen. So, wie wir es im Advent in dem tiefsinnigen Lied „Es kommt ein Schiff geladen“ gesungen haben:

„Und wer dies Kind mit Freuden umfangen, küssen will,
muss vorher mit ihm leiden groß Pein und Marter viel,
danach mit ihm auch sterben und geistlich auferstehn,
das ewig Leben erben, wie an ihm ist geschehn“ (GL 114, 5-6).

792. Predigtvorschlag

Maria - das Kunstwerk Gottes

Stellen Sie sich vor, Sie gehen in ein Museum, weil Sie sich für Kunst interessieren. Und Ihr Interesse wird nicht enttäuscht: In einer Ausstellung entdecken Sie ein Kunstwerk von seltener Schönheit. Was machen Sie da? Sie werden sicherlich nicht gleich weiterlaufen. Sie werden sich vielleicht hinset-zen und es anschauen. Sie werden nahe herangehen und alles genau betrachten. Vielleicht gibt es auch noch andere Besucher, mit denen Sie dann über das gelungene Werk ins Gespräch kommen.

Und jetzt stellen Sie sich vor, neben Ihnen steht auf einmal der Künstler, der das Werk geschaffen hat. Sie bemerken ihn zuerst nicht einmal. Ihr ganzes Augenmerk gilt ja dem Ergebnis der Genialität dessen, der imstande war, so etwas zu denken und zu schaffen. Und dann, im nächsten Moment, bemerken Sie doch, wer neben Ihnen steht. Was werden Sie tun? Werden Sie dem Künstler nicht gratulieren zu seiner Leistung? Er wird sich dadurch doch sicher geehrt fühlen. Und der Künstler selber? Wird er sich nicht freuen darüber, daß Sie sich für sein Werk interessieren? Oder fängt er etwa an, ärgerlich zu werden, weil Sie sich nicht zuerst ihm, sondern seinem Werk zugewandt haben? - Er wird sicher sagen: Das ist doch gerade meine Absicht, daß Sie wegen meines Kunstwerks hierher gefunden haben und Sie alles betrachten und bestaunen!

Maria, die Mutter des Erlösers, ist das Kunstwerk, das Gott am besten gelungen ist. Sie ist der Mensch, der seine Gnade am vollkommensten empfangen und gelebt hat. Sie ist das Geschöpf, an dem er am meisten seine Freude hat.

Und doch meinen einige, Gott würde sich darüber ärgern, daß manche sich an Maria aufhalten. Es würde seiner und der Ehre seines Sohnes irgendwie Abbruch tun, wenn Menschen bei der Gottesmutter stehen bleiben und aus-rufen: Was für ein wunderbarer Mensch! Maria, du bist voll der Gnade! Du bist gesegnet unter allen Frauen!

Freut sich Gott etwa nicht, so wie ein Künstler es tut, wenn jemand ihn für sein gelungenes Schaffen lobt? Sollte sich Gott nicht darum auch freuen, wenn wir ihn loben für Maria, die Mutter seines Sohnes? Ist das nicht auch etwas sehr Menschliches, zu sagen: An Maria können wir erkennen, wie wunderbar Gott selber ist, und wie wunderbar und großartig das ist, was er allen Menschen schenken will! Ein Künstler mag noch so viele Talente und Qualitäten haben: gemessen wird er an dem, was sichtbar wird von alldem. - Genauso möchte auch Gott uns auf eine menschliche Weise entgegenkommen und sichtbar machen, wie an einem wunderbaren Kunstwerk, daß er uns liebt und uns auf unvorstellbare Weise beschenken will.

Wir feiern heute das Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens, wir können es auch "Mariä Erwählung" nennen. Im Advent läßt die Kirche uns auf Maria schauen. Eigentlich bräuchten wir viel mehr Zeit, uns auf Weihnachten vorzubereiten. Wir sind oft so träge und schwer zu bewegen. Wir geben uns mit dem Schein zahlloser Lichter zufrieden und vergessen dabei schnell, nach dem einen Licht zu fragen, das allein diese Welt hell machen kann. Darum steht vor uns an diesem Hochfest und immer auch am Vierten Advent die Gestalt Marias.

Sie empfängt nicht einen eigenen Kult, der ihr allein gälte. Was über sie gesagt wird, wird über Gott gesagt, ihren Schöpfer. Wenn wir uns im Glauben ihr zuwenden, dann will uns das vorbereiten auf das Kommen des Erlösers, des Sohnes Gottes, der zugleich ihr Kind ist. Wenn wir sie gesehen haben, hilft uns das, Gott besser zu verstehen - und seine Wege, die er geht, um die verlorene Menschheit wieder mit sich zu versöhnen.

Für viele Menschen ist Weihnachten das Fest eines verlorengegangenen Glaubens. Viele Menschen möchten glauben, aber es fällt ihnen unendlich schwer. Viele sagen: Wie kann ich Gott sehen? Wie kann ich verstehen, was er tut? Was er da alles zuläßt? Es gibt aber einen Weg, Gott wieder näherzu-kommen und seine Nähe in unserem Leben zu entdecken: das ist der Weg, zu dem uns Maria einlädt. So wie im Alten Testament Gottes Bund mit dem auserwählten Volk Israel gegenwärtig war in der Bundeslade und im Offenbarungszelt, so wählt Gott im Neuen Bund Maria aus als die neue Bundeslade seiner Treue im Bund mit uns Menschen. Beide Male sucht Gott den direkten Kontakt mit den Menschen, aber beide Male geschieht das in einer diskreten, zurückhaltenden Weise. Im Alten Testament war die Herrlichkeit Gottes verhüllt in der Verhüllung der Bundeslade; im Neuen Testament ist die Gottheit Christi verhüllt durch die Mutterschaft Mariens. In beiden Fällen muß der Glaube und das Vertrauen hinzukommen. So kann der zündende Funke hervorbrechen, so daß Gott befreiend und erlösend handeln kann.

Machen wir diese Tage vor dem Weihnachtsfest zu Tagen, die wir mit der Gottesmutter Maria leben. Dann können wir mit der Ostkirche singen:
„Was sollen wir dir bringen, Christus, da du für uns als Mensch geboren wirst? Jedes der Geschöpfe, die ein Werk sind, bringt dir in der Tat ein Zeugnis der Dank-barkeit: die Engel ihre Liebe, der Himmel den Stern, die Weisen ihre Gaben; die Hirten ihr Staunen; die Erde ihre Höhle; die Wüste die Krippe. Wir Menschen aber brin-gen dir eine Jungfrau und Mutter.“

Das Geschenk, das die Menschen bringen, ist Maria. Sie ist der Mensch mit dem weiten Herzen. Sie sagt Ja zu Gott und seiner Erlösung. Öffnen auch wir uns und sagen Ja zu Gott. “

793. Predigtvorschlag

Karriere in der Kirche – immer nach unten! - Petrus, Jakobus und Johannes als Sinnbild für die Kirche

Um das nachzuempfinden, was vor zweitausend Jahren die Jünger gesehen und gehört haben, müssen wir nicht zum Tabor pilgern, obwohl es sicher auch ganz reizvoll wäre, dem nachzuspüren, was die Umgebung und ihre Geschichte uns sagt.

Um herauszufinden, was mit diesem seltsamen Geschehen – die Verklärung Jesu, die Verwandlung seiner Gestalt vor den Augen der Jünger – eigentlich gemeint ist, müssen wir keine weite Reise unternehmen. Oder doch: eine Reise nach innen, eine Reise des Glaubens.

Denn Markus, der Evangelist, will mehr als nur etwas Vergangenes berichten. Er spricht vielmehr von uns: von denen, die wir jetzt zuhören, von uns spricht er, die wir uns jetzt, an diesem Festtag, r in dieser Kirche versammelt haben.

Schauen wir einmal genauer hin: nicht alle Jünger nimmt Jesus mit, sondern nur Petrus, Jakobus und Johannes. Warum das? Warum denn nicht alle zwölf? Waren die anderen vielleicht nicht fit genug, den Aufstieg zu schaffen? Das wird wohl kaum der Grund gewesen sein.

Ich glaube, diese drei, die hier genannt werden, bilden so etwas wie den Schlüssel, der uns hilft, das Gipfeltreffen auf dem Berg Tabor besser zu verstehen. Diese drei stehen für die Kirche. Diese drei stehen für uns. Jesus will auch uns mitnehmen auf diesen Gipfel auf Tabor, damit auch wir sehen, wie Er ist. Damit auch wir erkennen, was mit Ihm geschehen wird.

Warum sind diese drei so wichtig? Weil sie von Markus noch ein weiteres Mal er-wähnt werden. Nicht nur auf den Berg Tabor nimmt Jesus Petrus, Jakobus und Johannes mit, sondern auch noch anderswohin. – Dafür müssen wir das Evangelium einige Kapitel weiterblättern, bis zu der Stelle, die in diesem Jahr am Palmsonntag vorgelesen worden ist. Da heißt es:

„Sie kamen zu einem Grundstück, das Getsemani heißt,
und er sagte zu seinen Jüngern:
Setzt euch hier und wartet hier, während ich bete.
Und er nahm Petrus, Jakobus und Johannes mit sich.
Da ergriff ihn Furcht und Angst, und er sagte zu ihnen:
Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht!“ (Mk 14,32-34)

Wenn wir diese beiden Stellen vergleichen: Da fällt uns der Kontrast auf, der so groß ist, daß er förmlich ins Auge springt! Auf dem Berg Tabor der verklärte Christus, bei ihm Moses und Elija als Repräsentanten des Alten Bundes, die Stimme aus der Wolke, die den Bund bezeichnet, die überdeutlich werden läßt, daß hier Gott gegenwärtig ist ...

... und da, in Getsemani, der ängstliche, der von allen verlassene, der verratene Mensch Jesus, vor Angst zitternd, in seiner Not und Einsamkeit betend! Es scheint so, als habe selbst Gott seinen Sohn verlassen.

Bei beiden Ereignissen sind die Zeugen Petrus, Jakobus und Johannes; sie sind Zeugen, und sie sind noch viel mehr als das! Sie sind Sinnbilder für die Kirche. Sie sind Sinnbilder somit auch für uns. Markus, der Evangelist, hat diese beiden Geschehnisse zusammengesehen. Beides gehört zusammen: der Tabor und Getsemani, der Berg der Verwandlung und der Herrlichkeit und der Garten der Angst und des Schmerzes. Die Jünger sollen beides erleben und sehen: das Wunderbare, Beglückende an der Gestalt Jesu und seine Erniedrigung, ja Angst und Not, wie sie größer ein Mensch nicht erleben kann.

Was bedeutet das für uns? Wir feiern in unseren Kirchen die Lebenshingabe Jesu und unsere Gemeinschaft mit ihm. Der gleiche Christus, der auf unseren Altären gegenwärtig ist, ist den angstvollen Weg des Leidens gegangen und ist verherrlicht worden als Sohn des Vaters im Himmel. Der gleiche Christus, der auf unseren Altären gegenwärtig ist, hat die Jünger mitgenommen und ihnen gezeigt, wer er für uns ist und auf welchem Weg er uns mitnehmen will. Die Jünger verstanden nicht sofort, was Jesus damit sagen wollte. Und genau darin sind wir den Jüngern ganz ähnlich: Wir verstehen Jesus nicht. Wenn wir ihn in seiner Herrlichkeit sehen, dann ist das noch nicht das Ganze. Wie schwer tun wir uns, anzunehmen und zu verstehen, um welchen Preis Jesus uns die Herrlichkeit des Vaters zurückschenken will, die Herrlichkeit der Kinder Gottes, die wunderbare Gemeinschaft mit unserem Schöpfer und Lebensspender.

Wie schwer tun wir uns, anzunehmen und zu verstehen, welchen Weg Jesus für uns geht: daß er die Schuld aller Menschen auf sich nimmt und daß er uns einlädt, diesen Weg mitzugehen, denn dieser Weg allein ist der Weg des Heils und des Friedens. Wie aber können wir Jesus am besten verstehen? Wir verstehen Jesus dann, wenn wir ein-fach mitgehen. Wenn sein Weg auch unser Weg wird.

Der Weg Jesu ist ein Weg nach unten, in die Tiefe, in die Abgründe unserer Existenz. Der Weg Jesu ist ein Weg der Erniedrigung, der Armut und der Selbstentäußerung. Die-ser Weg ist auch der Kirche vorgegeben, zu allen Zeiten, an allen Orten. Und nur eine Kirche, die sich einläßt auf diesen Weg, wird in ihrem Wirken in der Welt fruchtbar sein. Nur eine Kirche, deren Glieder sich wirklich einlassen auf diesen Weg Jesu, wird glaubwürdig sein vor den Menschen. –

Jetzt sprechen wir von der Kirche. Wir machen uns Gedanken über ihr Wesen, ihre Sendung, ihre Gefährdungen. Eine ihrer großen Gefährdungen ist, daß Menschen in ihr glauben, die Kirche wäre der Ort, wo Posten, Titel, Privilegien und Einfluß verteilt werden. Sie reagieren gereizt und verstimmt, wenn sie den Eindruck haben, daß da welche an den Schaltstellen sitzen, die ihnen etwas davon vorenthalten. Sie fordern mehr Rech-te, mehr Einfluß, sie fordern den Zugang zu Ämtern. Und manchmal hat man da den Eindruck, es geht da mehr um Karriere als um Dienst, mehr um Posten und Positionen, die besetzt werden sollen, als um Zeugnis, Hingabe und Vorbildfunktion.
Man muß es einfach so sagen: Wer in der Kirche Karriere machen will, der ist bei ihr am rechten Platz. Nur muß er wissen, daß seine Karriere immer eine Karriere nach un-ten ist, nicht nach oben.

Wieder sind Jakobus und Johannes die ersten, die das erfahren – aus dem Mund Jesu selbst. – Markus berichtet:

Da traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sagten: Meister, wir möchten, daß du uns eine Bitte erfüllst.
Er antwortete: Was soll ich für euch tun?
Sie sagten zu ihm: Laß in deinem Reich einen von uns rechts und den andern links ne-ben dir sitzen.
Jesus erwiderte: Ihr wißt nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?
Sie antworteten: Wir können es. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde.“ (Mk 10,35-39).

Jakobus und Johannes möchten Karriere machen. Ihre Vorstellung ist: beim Messias, der zur Rechten Gottes sitzt, soll auch mein Platz sein. Dieses „Sitzen“ zu seiner Rechten verstehen sie als Privileg, als Auszeichnung nach dem Vorbild weltlicher Ämter und Titel.

Jesus muß diese Vorstellung gehörig korrigieren. Aber nicht nur damals, auch heute muß er diese Meinung korrigieren. Wer in der Kirche, der Nachfolgegemeinschaft Jesu, eine spezifische Aufgabe, ein „Amt“ hat, der hat damit keine Auszeichnung. Sondern er übernimmt einen Dienst. Sein Amt ist keine Belohnung, sondern eine Verpflichtung, die Nachfolge Jesu vorbildlicher, vollkommener, für die Menschen fruchtbringender zu le-ben. Ein Amt in der Kirche ist von daher kein Anspruch, sondern ein Anruf, der von Ihm, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, selbst kommt. Wer glaubt, die Kirche verteilte Titel und Posten nach dem Vorbild eines mittleren Firmenmanagements, wo Proporz und Ellebogen, wo Einfluß und Beziehungen eine Rolle spielen, der irrt sich gewaltig. Das Reich Gottes wird nicht gewonnen von denen, die sich nach wohlklingenden Titeln und angesehenen Sesseln ausstrecken. Und nicht von denen, die meinen, ein Amt in der Kirche sei dafür da, Macht und Autorität auszuleben. Die wahre Autorität kommt von innen, von der gelebten Nachfolge Christi, von der Bereitschaft, auch in den Getsemanistunden bei ihm zu sein.

In der alten Kirche hat es den Grundsatz gegeben: ein Amt in der Kirche ist denen zu verweigern, die danach verlangen, und denen zu geben, die davor fliehen. – Dieser Grundsatz entstand aus dem Wissen heraus, daß das Amt in der Kirche nie etwas ist, was Menschen machen und vergeben, sondern immer eine Antwort darstellt auf Gottes Ruf. Eine Antwort aber auf Gottes Ruf ist der Glaube der Menschen. Wird darum das Amt losgelöst vom Glauben, verliert es seine Berechtigung. Es zerfällt und löst sich auf.

In der Geschichte der Kirche sind die wahren Erneuerungen und Reformen selten von den Amtsträgern ausgegangen. Das muß man leider sagen. Aber es ist ehrlich, das zu sagen. Eine Ausnahme mag Papst Johannes Paul II. gewesen sein, einer, der wichtige Reformen in der Kirche angestoßen hat. Sein Nachfolger, Benedikt XVI., bringt auch alle Voraussetzungen mit, Reformen in der Kirche zu verwirklichen, die notwendig sind.

Aber ein Antonius oder Benedikt, eine heilige Theresa von Avila oder Birgitta von Schweden waren nicht Inhaber von Ämtern und Titeln. Und der heilige Franziskus, der der ganzen Kirche des Mittelalters bis heute ein neues Gesicht und in gewisser Weise auch eine neue Gestalt gegeben hat, hat „nur“ die Weihe zum Diakon empfangen. Aber was viel wichtiger war, war etwas anderes: Es war seine Christusverbundenheit, die so innig und so intensiv war, daß er gegen Ende seines Lebens die Wundmale des Herrn empfing. Diese Stigmata, die er trug, waren ein sprechendes Zeichen dafür, daß der Herr ihn vom Tabor bis Getsemani mitnehmen wollte, daß er aber dann auch ins himmlische Jerusalem, in die glückliche Gemeinschaft der vollendeten und triumphierenden Kirche, einziehen sollte.

Bitten wir ihn und alle Heiligen, besonders auch die Gottesmutter, um ihre Fürsprache bei Gott, daß wir die Kraft und die Gnade bekommen, Christus zu folgen, wenn es von Tabor nach Getsemani geht. Bitten wir durch sie Gott und beten: „Führe uns durch Christi Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung. Durch ihn, Christus, unseren Herrn.“

794. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Wer hat Jesus zuerst gesehen? Nach Maria und Joseph natürlich waren es die Hirten. Das ist nicht ohne Bedeutung für uns.

Die Hirten waren damals keine angesehenen Menschen, sie waren eher gering geachtet. Ihr Platz war außerhalb der schützenden Stadtmauern Bethlehems. Dort lagerten sie in der Nähe ihrer Tiere bei den Stallungen, die sich in Grotten befanden.

Gerade dort kommt Gott zur Welt, außerhalb, bei den nicht angesehenen, fast schon ausgestoßenen Menschen jener Tage.
Hätte er es nicht besser verdient gehabt?

Der Evangelist Lukas weiß zu berichten, dass in der Herberge kein Platz für ihn war. Der Evangelist Johannes greift dieses in seinem Prolog auf, wenn er schreibt: Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. (Joh 1, 11)

Gott kommt nicht dort an, wo wir es vermuten würden oder wo wir es gerne hätten. Der Herrscher der Welt, kommt nicht in einem Palast zur Welt, sondern in einem ärmlichen Krippenstall. Im Königspalast von Jerusalem haben ihn die Weisen aus dem Morgenland gesucht, aber eben nicht gefunden, ja nicht finden können. Denn Gott setzt in der Geburt Jesu andere Maßstäbe, als die unsrigen.

Papst em. Benedikt XVI. bringt das einmal so zum Ausdruck:

„Von Geburt an gehört er (Jesus) nicht dem Bereich dessen zu, was weltlich wichtig und mächtig ist. Aber gerade dieser Unwichtige und Ohnmächtige erweist sich als der wahrhaft Mächtige, als der, auf den letztlich alles ankommt.

So gehört zur Christwerdung das Hinausgehen aus dem, was alle denken und wollen, aus den herrschenden Maßstäben, um ins Licht der Wahrheit unseres Seins zu finden und mit ihm auf den rechten Weg zu kommen.“ (Benedikt XVI., Jesus von Nazareth – Prolog, Freiburg 2012, S. 76)

Gott kommt zur Welt, wo er den Armen und Ausgegrenzten rein körperlich nahe ist. Er will unter ihnen, bei ihnen sein. So sind die Hirten nahe dran am wirklichen Geschehen der Erlösung.

„Natürlich kann man den Gedanken sofort weiterführen:“ – so Papst Benedikt – „Sie haben vielleicht nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich näher an dem Ereignis gelebt als die zufrieden schlafenden Bürger. Sie hatten es auch innerlich nicht weit zum Kind gewordenen Gott. Damit fügt sich zusammen, dass sie zu den Armen gehörten, zu den einfachen Seelen, die Jesus gepriesen hat, weil vor allem ihnen der Zugang zu Gottes Geheimnis gegeben ist.“ (Benedikt XVI., Jesus von Nazareth – Prolog, Freiburg 2012, S. 81.)

Wer Gott in aller Frische begegnen will, der muss innerlich arm sein vor Gott, der darf sich nicht groß dünken oder mächtig, stolz auf seine Erfolge und seinen Besitz. In einer Gesellschaft, der es vor allem um Reichtum, persönlichen Wohlstand und politische Machtausübung zu tun ist, findet Gott kaum Raum.

Wenn der Mensch viel besitzt, kann es geschehen, dass er von seinem Eigentum besessen wird: ständig denkt er daran, was er wie und wo erhalten muss, was er wie und wo verbessern und vermehren kann, was er wie und wo vor dem Zugriff der anderen verteidigen muss. Da ist das Hirn und das Herz voll von den Dingen dieser Welt...aber Jesus findet dort keinen Platz in der Herberge.

Liebe Schwestern und Brüder,
das heißt nicht, dass wir ärmlich leben sollen. Gewiss nicht. Diese Armut leben heißt nicht Armseligkeit.

Diese Armut leben heißt nicht, die Dinge, die wir haben, verkommen zu lassen, mit Löchern in den Hosen und ungewaschenen Haaren herumzulaufen.

Diese Armut leben heißt eher, nichts verkommen zu lassen, Weniges zu haben, das aber gut zu pflegen und damit letztlich zufrieden zu sein, nicht dem neuesten Schrei hinterher zu rennen. Zur Armut gehört es auch manchmal, den Ratschlag zu befolgen, dass superbillig einzukaufen oft sehr teuer kommt – abgesehen davon, dass wir ungewollt Ausbeutung in der Ferne oder hierzulande stützen.
Diese Form der Armut zu leben, ist in unserer konsumorientierten Gesellschaft umzusetzen ist oft schwer. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Jesus selbst hat aber diese Armut vorgelebt. Er lässt die übrig geblieben Brotstücke nach der Speisung der Fünftausend nicht verkommen, sondern einsammeln. Er trug ein für damalige Verhältnisse gutes, an einem Stück durchgewebtes Gewand, um das die Soldaten ja bei seiner Kreuzigung würfelten. Er wird dieses eine besessen und gut gepflegt haben.

In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.

Die Hirten wachten. Wer meint es, sich mit seinem Besitz, seinem Ansehen, mit seinen Fähigkeiten bequem machen zu können, wer nichts mehr von anderen, sondern nur von sich und dieser Welt etwas erwartet, der wird schläfrig, träge. Er genügt sich selbst.

Die Hirten hörten und sahen den Chor der Engel, die Bürger in ihren Häusern und Schlafkammern nicht. Und so verpassten sie das Große, das Gott mit den Menschen vorhat: selbst Mensch zu werden und uns zu erlösen.

Die Hirten hören die Botschaft, sie freuen sich über sie und – ganz wichtig : So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.

Die Hirten eilten – sicher auch aus menschlicher Neugier. Aber sicherlich auch in Bewegung gesetzt durch die Freude über das Gehörte und darüber, dass sie davon Zeugen sein dürfen. Sie sehen – wie es ihnen gesagt wurde – ein Kind, das in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Mit ihren wachen inneren Augen, sehen sie darin den Neuanfang den Gott für die Menschheit setzt. Sie sehen: Er ist der Messias, der Herr.

„Welche Christen eilen heute, wenn es um die Dinge Gottes geht? Wenn etwas Eile verdient – so will uns der Evangelist wohl im Stillen auch sagen – dann sind es die Dinge Gottes.“ (Benedikt XVI., Jesus von Nazareth – Prolog, Freiburg 2012, S. 87.)

Wie beschwingt sind Sie, bist Du heute zur Kirche gekommen? Weil das dazu gehört an Weihnachten? Aus Freude über die Geburt Christi? Damit der Haussegen nicht schief hängt?

Haben die Dinge Gottes – das persönliche Gebet, der Besuch der Messe, das Almosengeben – einen wirklichen Stellenwert in meinem, Deinem, Ihrem Leben? - So fragen uns die Hirten.

In mir selber und auch in unserer Kirche in Deutschland spüre ich eine gewisse Trägheit, Müdigkeit, den Dingen Gottes die nötige Eile zu schenken. Wir finden auch Entschuldigungen dafür: die viele Arbeit im Büro, der Stress in der Schule, die Sache mit dem Bischof von Limburg und sowieso – wer geht schon noch zur Kirche, was soll das Ganze überhaupt, geht doch auch ohne ganz gut, oder?

Die Hirten hätten auch Entschuldigungen gehabt: Wir können nicht los, die Tiere müssen bewacht bleiben! Es ist dunkel! Wir sind müde! Am Feuer ist es jetzt so schön warm!

Das mit den Engeln haben wir uns nur eingebildet! Wir können ja erst einmal einen anderen hinschicken und dann gucken wir weiter!

Die Hirten sind aber geeilt – und sie sind nicht enttäuscht worden.

Sie wurden mit Freude erfüllt. Übernatürlicher Freude! Sie haben das Heil der Welt gesehen!

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Hirten können uns einen Weg weisen:

Losgelöst vom Besitz, arm vor Gott aber nicht armselig zu leben. Uns nicht nur in dieser Welt einzurichten, sondern wachend das Größere zu erwarten. Den Dingen Gottes die nötige Eile zu geben.

Dieser Weg führt uns zur Krippe, führt uns dahin, wo Jesus ist:

Zu Jesus, der uns mit offenen Armen empfangen will, egal wie es um uns steht.
Zu Jesus, der uns in den Armen begegnet, die unsere Hilfe brauchen – hier in Kirchhellen oder in der Welt.
Zu Jesus, der uns in den Sakramenten der Kirche das Heil zuspricht, das wir uns nicht selber zusprechen können.

Liebe Schwestern und Brüder!

Auch wenn es nicht ausdrücklich im Evangelium beschrieben steht – ich kann mir kaum vorstellen, dass die Hirten dem Kind in der Krippe nicht ein kleines Geschenk gemacht haben. Und wenn es nur eine Kleinigkeit war, ein Ständchen auf der Flöte vielleicht nur.

Was schenken Sie, was schenkst Du ihm? Vielleicht das, was wir so gerne singen: „Mein Herz will ich ihm schenken und alles, was ich hab.“?

795. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

vielleicht sind sie schon einmal selber in die Situation geraten, dass ein lieber Mensch, der gerade noch gesund und voller Lebenskraft war, aus heiterem Himmel krank wurde, plötzlich vom Leid gezeichnet ist, vielleicht sogar sterbenskrank.

Wenn wir diesem Menschen nicht nur aufrichtig verbunden sind, sondern wir ihn wirklich lieben, aus ehrlichem Herzen, dann wollen wir ihn in seinem Leid nicht allein lassen. Nur Trost spenden, nur die Liebe in Worte fassen, ist uns dann zu wenig. Wir sind bereit, die Schmerzen mitzutragen, nicht nur Mitleid zu empfinden. Wenn wir wirklich lieben, dann wünschen wir uns, die Krankheit und das Leid auf uns zu nehmen, dann fragen wir uns: Warum nur er, warum nicht ich auch?
Vielleicht ist einigen von ihnen dieser Gedanke fremd, aber wer wirklich liebt und in eine solche Situation gekommen ist, der weiß, wovon ich rede.

Aber wir stehen ohnmächtig da. Wir können nicht tatsächlich jemanden von seiner Krankheit erlösen, und wir fragen uns: Warum denkt Gott nicht auch so? Warum nimmt er das nicht auf sich? Er hat doch die Möglichkeit! Er ist doch Gott! Wo bleibt Er?!

Liebe Schwestern und Brüder, Gott ist gekommen. Er hat genau das getan, was wir nicht können. Weil er uns liebt, so grenzenlos liebt, und unser Leid mittragen will, deshalb ist er Mensch geworden. Das ist Weihnachten!

Gott ist nicht in aller Süße und Wohligkeit Mensch geworden, nein, sein Kommen ist genauso geschehen wie auch sein Sterben: In aller Armut, in Leid und in Kälte. Bereits in seiner Geburt wird deutlich, warum er zu uns gekommen ist: Nicht, um einfach nur zusammen mit uns Menschen glücklich zu werden. Sondern, weil er uns liebt und deshalb uns erlösen will.
Die erste Weihnacht, damals in Bethlehem, hat einen rauen und unwirtlichen Charakter. Vielleicht haben die älteren unter uns das noch etwas nachempfinden können, als sie früher zu mitternächtlicher Stunde zum Gottesdienst aufstanden und in Eiseskälte zur Kirche gingen.
Vielleicht haben wir auch etwas vom ersten Kommen Jesu nachvollziehen können, als ich mit einigen Jugendlichen am Samstag um Mitternacht draußen im Wald in einer Hütte einen Gottesdienst gefeiert habe. Nass, kalt und klamm war es. Rau, unwirtlich und überhaupt nicht gemütlich. Fast wie in Bethlehem.

In unseren Geschäften, heimatlichen Krippen und Weihnachtsliedern sieht Weihnachten allerdings oft anders aus: Gemütlich, häuslich und wohlig warm. Was wir heute feiern, sind nur noch Gefühle. Wenn dieses weihnachtliche Gefühl kommt (und dazu ziehen wir alle Register, dass es kommt), dann sagen wir: Das war ein schönes Fest.

Unser Weihnachten ist nicht mehr das Fest der Liebe, auch wenn wir es uns noch so oft einreden. Auch dann nicht, wenn es tausendmal auf den Werbeprospekten von Karstadt steht. Liebe ist - entgegen weit verbreiteten Gerüchten - nämlich kein Gefühl. Liebe ist eine Art zu leben.

Vielleicht, liebe Schwestern und Brüder, zerstöre ich gerade Ihr weihnachtliches Gefühl. Aber vielleicht öffnet sich dadurch auch der Sinn für das, was wir wirklich heute feiern.

Ein Wunder nämlich, das größer ist als alle Weihnachtsgeschenke: Gott liebt uns. Er will unser Leid nicht nur uns Menschen überlassen. Er gesellt sich zu uns. Genau genommen: Unfassbar. So, wie wir - wenn überhaupt - nur ganz wenige Menschen lieben, nämlich mit der Bereitschaft zum Leid, so liebt er einen jeden von uns.

Wenn Weihnachten das Fest der Liebe ist, dann zunächst der Liebe Gottes zu uns. Keine realitätsfremde Liebe, die sich nur in Worten und Gefühlen erschöpft:
Gott scheut nicht die Kälte, die sich zwischen unseren Herzen breit macht: Er friert in seiner Krippe - mit uns.

Er vermeidet nicht die Armut, die sich in unserem Handeln offenbart: Er leidet an der Armut seiner Eltern und der ersten Freunde, die er gewinnt: Den Hirten. Er leidet für uns, die wir auch an Herz und Seele so arm sind.

Er umgeht auch nicht das Los der Ausgestoßenen: Er findet mit dem Beweis seiner Liebe in keiner Herberge Unterkunft. Er wird vor die Tür gesetzt - von uns.

Gott ist nicht Mensch geworden, um uns nur glücklich zu machen. Tatsächlich interessiert es Gott weniger, ob wir glücklich sind oder nicht. Gott wird Mensch, um uns zu lieben und uns selbst liebesfähig zu machen. Damit beginnt er in Bethlehem. All sein Trachten, sein Handeln, sein Denken und sein Fühlen richtet sich auf diese eine Botschaft an uns: Lasst euch lieben! Von mir, aus ganzem Herzen! Und: Liebt einander! Nicht mit Gefühlen oder mit Worten, sondern mit ganzem Herzen, mit eurem Leben!

Ein weihnachtlicher Mensch feiert Weihnachten nicht nur einmal im Jahr. Ein weihnachtlicher Mensch ist ein Mensch, der sein ganzes Leben um die Liebe Gottes ringt, sich von ihr leiten lässt, sie verschenkt und dabei mit der Liebe ernst macht, auch im Leid. Und dabei über allem seine Freude in Gott findet. Deshalb sagt man: Frohe Weihnachten!

Und deshalb wünsche ich auch ihnen ein frohes Weihnachtsfest. Nicht nur für die paar Tage. Sondern frohe Weihnachten für ihr ganzes Leben. Amen.

796. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir auf das vergangene Jahr zurückschauen, dann dürfte eigentlich keine so rechte Weihnachtsstimmung aufkommen: Kriege, Terror und Ängste haben dieses Jahr geprägt, und eine Ende ist noch nicht abzusehen.
"Hat denn die Friedensbotschaft der Engel nur für 2000 Jahre gereicht?" kommt und vielleicht als Frage in den Sinn. "Hat sich denn in dieser Welt überhaupt etwas geändert - seit Jesus Christus uns angeblich erlöst hat?"

Den Juden wurde eine großartige Verheißung geschenkt, die wir in der Jesaja-Lesung gehört haben: "Der Welt wird ein Licht aufstrahlen." Das, glauben wir Christen, ist mit der Geburt Jesu in Bethlehem geschehen. Aber bei Jesaja ist nicht die Rede davon, dass wir Menschen dieses Licht auch wirklich ergreifen und selber hell werden. Ganz im Gegenteil: Bei Johannes heißt es: "Und das Licht kam in die Welt, aber die Welt nahm es nicht an." Ja, es heißt dort sogar: "Die Seinen nahmen ihn nicht auf."

Wir leben also in einer Welt, in der das Licht Gottes zwar erschienen ist; aber damit die Welt hell wird, ist es notwendig, dass wir das Licht auch in uns aufnehmen. Mit der Geburt Jesu hat sich in dieser Welt noch nichts geändert - leider. Aber mit der Geburt Jesu haben die Menschen die Möglichkeit, sich zu ändern.

Durch das Licht, das in die Welt gekommen ist, erkennen wir vielleicht deutlicher als vorher, woran die Welt krankt, wo Schattenseiten sind und wie schön es doch sein könnte. Das Licht der Krippe zeigt uns Wege auf, die wir gehen können. Doch an dieser Welt ändert sich erst dann etwas, wenn wir diese Wege auch gehen.
Unser Christsein besteht nämlich nicht darin, dass ich an Gott glaube; dass ich also von seiner Existenz zutiefst überzeugt bin. Wer Augen hat und einen Kopf zum Denken, wird um diese Erkenntnis ohnehin kaum herumkommen.
Wäre Gott nur darauf aus, uns von seiner Existenz zu überzeugen, würde er ein Wunder nach dem anderen vollbringen, das seine Wirklichkeit unwiderlegbar beweist. Dafür ist diese Aktion im Stall von Bethlehem nun wirklich nicht geeignet. Zuwenig Zeugen, zu unscheinbar, zu abgelegen. Warum, Gott, bist Du nicht heute Mensch geworden? Israel hatte damals keine Massenmedien, kein Satellitenfernsehen und keine Bildzeitung.

In unserem Glauben geht es eben nicht um den Kopf, sondern um Herz und Hand. Friede wurde den Menschen verheißen, die Guten Willens sind, so verkündeten es schon die Engel in der Weihnachtsnacht. Und nun stellt sich die Frage: Wer ist willens, zu ihm zu gehen? Zu ihm an die Krippe? Nach Bethlehem, draußen, vor den Ort? In den Stall, wo es stinkt und kalt ist? Offensichtlich haben dass damals nicht allzu viele gemacht. Und auch heute und in Zukunft wird es Menschen geben, die das Dunkle mehr lieben. Kriege, so lehrt uns der Glaube, wird es immer wieder geben.

Aber, liebe Schwestern und Brüder, das ist eine klare Aufforderung an uns, hinauszuziehen! Wer Gott begegnen will, der muss sich aufmachen! Glauben, dass Gott existiert, kann ich auch im Fernsehsessel. Aber Licht werden kann ich nur, wenn ich mich vor die Tür begebe.

Dass bei der Herbergssuche Maria und Josef kein Zimmer bekommen hatten und weiter frieren mussten, weiß jeder. Dabei ist das das kleinste Problem. Viel schlimmer ist, das die Wirtsleute mit der geschlossenen Tür sich selbst verschlossen haben, sich eingeschlossen haben. Sie haben dadurch ein Wunder verpasst, das sie bis in die Zehenspitzen verändert hätte.

Es kann nicht Weihnachten werden, wenn wir uns in unsere eigenen vier Wände einschließen. Das spüren so viele - deshalb sind auch die Weihnachtsgottesdienste hier und allen anderen Kirchen die bestbesuchten. Aber Was für für Weihnachten gilt, gilt auch für unseren Glauben: Glauben kann ich nicht in meinen eigenen vier Wänden. Glauben heißt immer: Ich mache mich auf.

In unserem Predigtspiel gerade kam die Bekehrung der Familie auch erst, als sie sich auf den Weg zur Krippe gemacht haben. Wären sie zuhause geblieben, so hätte sich nichts geändert.

Liebe Schwestern und Brüder, Gott ist in dieser Welt erschienen. Ein Licht erstrahlt, bis auf den heutigen Tag. Es strahlt in so vielen Menschen, von großen Gestalten wie Mutter Theresa, Schwester Maria Euthymia oder Johannes Paul II. - bis hin zu dem, der mich pflegt, als ich krank war; getröstet hat, als ich weinen musste; Mut gemacht hat, als ich nicht mehr weiter wollte. Es gibt ein Licht, dass sich in so vielen Menschen widerspiegelt, bis auf den heutigen Tag, bis hier nach Halverde.

Unsere Welt ist tatsächlich heller geworden, trotz Krieg und Terror.

Aber mein Leben wird erst dann hell, wenn ich ausbreche aus den Kreisen der Gewohnheit. Glauben, das heißt leben vor der Tür. Amen.

797. Predigtvorschlag

(nimmt Bezug auf das Predigtspiel zu Weihnachten Nr. 1) - Auch ohne diesen Bezug möglich

Liebe Schwestern und Brüder!

In den letzten Schultagen ist mir deutlich geworden, warum der Engel den Hirten auf dem Feld und nicht den Lehrern oder Priestern erschienen ist: Die Hirten hatten nicht soviel zu tun. Die haben noch hingehört. In deren Terminkalender war nämlich noch Platz...

(In dem kleinen Spiel, das wir gerade erlebt haben, ist uns der Engel erschienen. Wir haben uns während der Vorbereitung überlegt, wer denn wohl der Einladung des Engels gefolgt wäre, wenn er heute erscheinen würde. Vermutlich nicht so viele... aus den einfachen Gründen, die wir gerade gehört haben: Wir haben uns auf etwas anderes eingestellt, unsere Festtage sind schon verplant.)

Dahinter steckt eine Grundhaltung. Es muss alles bestens und sorgsam organisiert werden. Nicht nur unsere Feierlichkeiten, sondern unser ganzes Leben. Wenn wir uns allerdings nach allen Seiten absichern wollen, kostet das viel Zeit und Organisation - und Nerven. Klappt alles, dürfen wir uns auf die Schulter klopfen. «Haben wir das nicht wieder gut hingekriegt?»
Wenn aber mal etwas schief geht - oder schief zu gehen droht - dann liegen unsere Nerven blank. Am liebsten würden wir die Schuld für das Misslingen anderen in die Schuhe schieben, und oft genug tun wir es auch. Aber letztlich müssen wir in kauf nehmen, dass wir für das, was wir selbst in die Hand nehmen, auch selbst verantwortlich sind.

Wir haben die Verantwortung für unser Leben übernommen und tragen sie jetzt selbst.

Und wir tragen so sehr daran, dass wir keinen Platz mehr für Gott haben. Keinen Platz in der Herberge, kein Luft mehr für Gottesdienste, keine Zeit mehr fürs Gebet. (Keine Chance mehr für den Engel Annika.) Wir haben auch keinen Grund mehr zu beten: Wir haben doch alles schon selbst organisiert. Wir brauchen Gottes Hilfe nicht mehr. Wenn wir beten, dann allerhöchsten noch darum, dass Gott unsere eigenen Pläne nicht durchkreuzt: «Lieber Gott, bitte, halte dich da heraus. Ich habe mir alles schon so schön zurechtgelegt, bring jetzt nicht alles durcheinander.» Wenn wir beten, dann doch meist darum, dass Gott uns nicht von unseren Plänen erlöst, sondern sie durch Abwesenheit unterstützt!

Bei den frühen Christen gab es das schon einmal. Eine starke philosophische Bewegung in den ersten Jahrhunderten, Pelagianismus genannt, behauptete nämlich, dass wir uns selbst erlösen müssten. Nicht Gott, sondern wir sind es, die für unser Heil zuständig sind. Nicht Gottvertrauen, sondern Selbstvertrauen ist wichtig. - Gottseidank hat Gott sich nicht daran gehalten, und gottseidank hat sich der Pelagianismus nicht halten können: Die Christen der ersten Jahrhunderte haben diese Auffassung als absolut unchristlich abgelehnt. Und wenig später verschwand diese Philosophie.

Aufmerksame Theologen sind allerdings inzwischen der Meinung, dass der Pelagianismus inzwischen zurückgekehrt ist. Es gibt deutliche Anzeichen dafür:
Gottesdienste werden immer weniger gefeiert, dafür immer mehr organisiert. Schließlich sind wir verantwortlich für einen guten Gottesdienst. Nicht Gott.
Wir haben kaum noch den Mut, Sonntags die Arbeit ruhen zu lassen - ob im Handel oder in der Landwirtschaft. Schließlich sind wir verantwortlich für unser Einkommen. Nicht Gott.
Wir haben selten Lust und Ruhe, zum Gebet in die Kirche zu gehen, ob während der Gottesdienste oder still für uns. Letztlich ist ja nicht Gott für meine Freizeit zuständig, sondern ich.
Wir wollen unsere Freunde und Bekannte nicht verlieren oder überfordern, indem wir unsere Kirchlichkeit betonen. Denn meine Freunde suche ich mir ja aus, nicht Gott.
Wir ertrinken in Aktivismus, in einer ständigen Beschäftigung und Berieselung, wir schnappen nach Luft, um den Terminen noch nachzukommen; erfinden Handys und Computer mit Zugang zum Internet, damit wir noch mehr zu tun haben.

Aber an Weihnachten kommt alles anders: Gott ergreift die Initiative. Er kommt zu uns Menschen. Da sind nicht Philosophen, die sich ein Erlösungsprogramm ausgedacht haben, oder Psychotherapeuten, die eine heilsame Botschaft zusammengestellt haben. Es sind Engel, die uns Gottes Initiative bekannt geben; es ist Gott, der zu uns kommt. Eine weihnachtliche Botschaft ist: «Euer Heil und Unheil hängt nicht von Euch ab! Werft die Lasten ab, die Ihr tragt! Lasst Euer ewiges Organisieren und vertraut auf Gott!» Es hängt nicht alles von uns ab; viel, viel weniger, als wir glauben. Klar, wir müssen uns dann mit etwas weniger äußerem Komfort zufrieden geben - aber dafür steigt dann unsere innere Lebensqualität. Angefangen bei den heilenden Magengeschwüren bis hin zum zurückgewonnen Familienfrieden.

An Weihnachten kann der Mensch an der Krippe nichts anderes tun als Staunen. Joseph und Maria haben nichts planen können. Keiner der Hirten hat etwas organisiert. Alles hat in Gottes Händen gelegen. Es brauchte auch nichts geplant zu werden, Gott sorgt schon für seine Kinder. Eine Luxus-Karawane oder eine 4-Sterne-Herberge waren nicht nötig. Der Ein-Stern-Stall in Bethlehem hat vollkommen gereicht.
An Weihnachten sind wir nicht die Schenkenden, sondern die Beschenkten. Was für das nächste Jahr unter unserem Weihnachtsbaum liegt, bestimmt Gott. Was der Engel uns verkündet - ob Jesus nun auf dem Langenacker oder hinterm Osterbauer ankommen wird - braucht keinen menschlichen Souffleur. Er weiß schon, was er uns zu sagen hat.

Was Not tut, ist zu delegieren. Anderen Vertrauen. Gott etwas zutrauen. (Beispiele aus der Gemeinde...). Natürlich wird es dann nicht immer ganz genauso, wie ich es mir gedacht habe. Aber oft wird es sogar besser.

Ein bisschen mehr Passivität, gottgefüllte Passivität, tut uns manchmal ganz gut, auch wenn es uns schwer fällt. Ein bisschen weniger reden, dafür hinhören. Auf den Gesang der Engel, auf die Botschaft Gottes. Ein bisschen weniger Tun, dafür etwas mehr Gebet. Etwas weniger Action, dafür mehr Humor. Weniger Medikamente gegen Magengeschwüre, dafür mehr Gelassenheit.

Liebe Schwestern und Brüder, es hängt nicht alles von uns ab. Es gibt einen Gott. Frohe Weihnachten! Amen.

798. Predigtvorschlag

(nimmt Bezug auf das Predigtspiel zur Weihnachten Nr. 4) - Auch ohne Predigtspiel möglich

Liebe Schwestern und Brüder,

(in dem Traum, den wir gerade gesehen haben, spricht der Engel die erlösenden Worte: «Es ist Euch der Retter geboren, der Heiland, der Herr!» Natürlich, es war nur ein Traum. Aber)

versetzen Sie sich nur für einen Moment in die Vorstellung, es gibt keinen Gott. Es gibt keinen Gott, keine Bibel, keine Gottesdienste, keine Kirche. Sie glauben an nichts als an das, was sie sehen.

(kurze Stille)

Auf den ersten Blick wären wir von einer ziemlichen Last befreit: Keine Sünde mehr, keine Hölle, keine Gebote und kein schlechtes Gewissen. Niemand, der uns belohnt oder straft, wir können tun und lassen, was wir wollen.

Dieser erste Blick ist attraktiv, besonders für diejenigen, die schon einmal ein wenig geglaubt haben, so ein bisschen. Die ab und zu in der Kirche sind, ein paar Gebet kennen und ein paar Sakramente empfangen haben. Der Verlust des Glaubens kann eine echte Befreiung sein.

Aber auf den zweiten Blick beginnt dann die Welt und das Leben dunkel zu werden: Keine Hoffnung für den, der unschuldig leiden muss; keine Belohnung für den, der den guten Kampf kämpft und darin umkommt. Keinen Sinn in dem Leben einer Schwester Maria Euthymia, die nichts erreicht hat: Für den, der nicht an Gott glaubt, ist an ihrem Leben nichts reizvolles.
Es macht keinen Sinn, sich für andere einzusetzen, wenn es mich selbst Opfer kostet. Es macht keinen Sinn, überhaupt anderen Gutes zu tun - es sei denn, um mir selbst ein Gutes Gefühl zu geben.

Alle Menschen verspüren eine tiefe Sehnsucht, ein unstillbares Verlangen nach Leben und Liebe. Menschen, die ihren Glauben verloren haben, versprühen diese Sehnsucht vielleicht noch mehr - und leiden darunter. Sie sehnen sich nach Sinn - und suchen ihn in Zerstreuung, Vergnügen, Gewinn und Erfolg - um jeden Preis. Solche Menschen können leicht unsympathisch werden.

Und dennoch sendet Gott seinen Engel diesen Menschen, ihnen eine große Freude zu verkünden: Es gibt Gott, mehr noch: Er ist hier, mitten unter uns. Es gibt einen Sinn, es gibt ein Leben ohne Ende und es gibt jemand, der uns liebt und der es mehr als alle und alles verdient hat, von uns geliebt zu werden.

Das ist die Botschaft des Engels.

Die Weihnacht vor zweitausend Jahren ist vergangen. Das Lied der Engel ist verklungen und der Glanz der Krippe verblasste schon im nächsten Morgengrauen.

Jetzt ist es an uns, zum Engel zu werden.

Denken sie nicht in erster Linie daran, zu teilen und zu spenden und Lebensmittel zu verteilen und Kirchensteuern zu zahlen. Die Menschen, die ihren Glauben verloren haben, können ihren Hunger damit nicht stillen. Sie versuchen es ständig - da sollten wir nicht ins gleiche Horn stoßen.
Nein, zum Engel werden wir, wenn wir das Lied der Weihnacht aufnehmen: Es gibt Gott, mehr noch: Er ist hier, mitten unter uns. Es gibt einen Sinn, es gibt ein Leben ohne Ende und es gibt jemand, der uns liebt und der es mehr als alle und alles verdient hat, von uns geliebt zu werden.

Liebe Schwestern und Brüder, werden sie ein Engel, der Erlösung bringt. Reden sie davon, nicht nur an Weihnachten. Erzählen Sie ihren Kindern von ihrem Glauben und geben Sie ihnen damit ein größeres Geschenk als alles andere, was Sie für Geld kaufen können.
Bringen Sie Licht in diese Welt, in dem sie Gott verschenken. Reden sie davon, und wenn ihnen die Worte fehlen, dann singen Sie. Beten Sie. Seien Sie ein Engel - diese Welt braucht Sie mehr als alles andere. Amen.

799. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Nachdem bei mir gestern Abend einige fachkundige Helfer meinen Weihnachtsbaum aufgestellt haben, habe ich mich heute morgen daran gemacht, meine Krippe aufzubauen. Ich habe noch nicht ganz so viele Figuren, wie die monumentale Krippe hier in der Kirche - und sie ist auch nicht sonderlich sehenswert - aber sie hat alles, was dazu gehört: Maria und Josef, Ochse und Esel, Hirten und Schafe. Nur das Jesuskind, das habe ich noch nicht in die Krippe gelegt - das war bei uns zuhause so üblich. Bis nach der Christmette wurde es erst einmal versteckt, - aus rein praktischen Gründen unter dem weiten Gewand der Maria.

Die anderen sechs Figuren der Krippe - ohne das Jesuskind - können uns etwas sagen: Etwas, das mit den Kerzen zu tun hat, die wir gerade eine nach der anderen gelöscht haben.

Maria zum Beispiel, eine Figur, die wir mit der Liebe verbinden können. Sie hält sich sehr im Hintergrund, fast das ganze Leben ihres Sohnes lang. Aber immer, wenn es darauf ankommt, ist sie zur Stelle: Vor allem unter dem Kreuz, als ihr Sohn von allen anderen verlassen ist, ist sie da.
So scheint es mir auch mit der Liebe zu sein: Sie drängt sich nicht in den Vordergrund, und manchmal kann man den Eindruck haben, es gäbe sie nicht mehr. Aber, seien wir einmal ehrlich: Wie oft haben wir erfahren, dass es sie doch gibt - oft genau denn, wenn es darauf ankam. Es gibt sie noch, die Liebe, genauso, wie meine Krippe eine Maria hat.

Oder Josef, der Schweigsame. Das einzige, was wir von ihm wissen, ist seine Treue Sorge um Maria und das Kind. Immer, wenn Gott ihm im Traum einen Hinweis gab, hat er dem ohne zu Zögern Glauben geschenkt.
Ja, es gibt noch Glauben, auch in der heutigen Welt, mehr, als wir oft vermuten. Statistiken und Messwerte geben unserem Leben keinen Sinn. Aber der Glaube gibt uns Halt: Und dass wir den brauchen, wissen wir im Grunde unseres Herzens ganz genau. Genauso, wie auch eine richtige Krippe eine Josef hat.

Oder der Ochse, im Gegensatz zum Stier ein gemütliches, friedliches Tier. Es hat - so erzählt die Legende - mit seinem Atem des Jesuskind gewärmt. So ist es auch mit dem Frieden in dieser Welt: Er ist nicht laut, nicht schreiend, der Friede. Und deshalb nur selten eine Meldung wert. Der Friede geht nicht aggressiv gegen den Krieg an, und deshalb wird er keine Siege verbuchen. Aber es gibt ihn, weil die Menschen die Wärme brauchen. Wenn die Kälte des Krieges lange genug gedauert hat, wird die Sehnsucht nach dem Frieden irgendwann größer sein als das Denken in Gewinn, Verlust oder Macht. Es gibt den Frieden in dieser Welt. Vielleicht nur etwas im Verborgenen - genauso wie der Ochse im Stall von Bethlehem im Hintergrund blieb.

Naja, meine Krippe hat auch einen Esel. Und der ist nicht durch seine Dummheit oder Dickköpfigkeit bekannt, sondern vor allem durch seine einmalige Begabung, sich zu freuen. Und dabei gibt er sich mit so wenig zufrieden. Seien wir ehrlich: Wahre Freude ist immer auch bescheiden. Es wird wohl kaum ein Mensch geben, der lieber sein Leben im Vergnügungspark verbringt als in der Nähe eines Menschen, der Freude versprüht. Wahrscheinlich hat sich der Esel im Stall wohlgefühlt: Weil er dort jemand hatte, der ihm Freude schenkte.

Und dann gibt es noch die Hirten: Das Sinnbild für die Ruhe und Ausgeglichenheit. Hirten haben Verantwortung, eine schwere Aufgabe und es nicht immer leicht. Aber sie sind ganz für ihre Aufgabe da - und machen nicht noch tausend Sachen nebenher. Und es gibt sie noch heute - die Menschen, die die Ruhe in Person sind. Bewundernswerte Menschen, weil sie sich nicht von Kleinigkeiten aus der Fassung bringen lassen.

Es gibt aber auch die Schafe, die sich vor allem durch ihr Vertrauen zu den Hirten auszeichnen. Sie wissen, dass der Hirt es gut mit ihnen meint, und deshalb vertrauen sie ihnen.
Auch wenn unsere Welt vielleicht einen anderen Anschein hat: Ohne ein solches Vertrauen könnten wir gar nicht leben. Es gibt viel mehr davon, als wir spüren: Uns fällt es erst auf, wenn jemand unser Vertrauen missbraucht.

Aber alle diese Figuren könnten nicht bestehen ohne den eigentlichen Mittelpunkt: Das Jesuskind.

Denn das ist das Zeichen der Hoffnung, das Gott der Welt gibt. Jedes Kind zeigt, dass Gott unsere Welt noch nicht aufgegeben hat. Und gerade das Kind in der Krippe zeigt, warum es noch Grund zur Hoffnung gibt: Denn dort versammeln sich Maria und Josef, der Ochse, der Esel, die Hirten und die Schafe. Dort finden wir Ruhe, Frieden, Vertrauen, Freude, Liebe und Glauben. Ohne die Hoffnung wären alle diese Werte längst aufgegeben worden. Ohne die Zusage Gottes, dass er diese Welt und damit jeden einzelnen von uns für liebenswert hält, hätte sie jede Hoffnung und damit jeden Wert verloren.

Aber dem ist eben nicht so: Und das, liebe Schwestern und Brüder, das ist Weihnachten. Das ist die Botschaft der heiligen Nacht: Wir haben allen Grund zur Hoffnung, denn Gott steht noch immer auf unserer Seite. Amen.

800. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, hat jemand von Ihnen dieses Jahr eine Barbie-Puppe geschenkt bekommen? Ich musste letztes Jahr - gegen meine Überzeugung - und auch gegen die Überzeugung meiner Schwester - meinem Patenkind Sarah eine solche Puppe schenken.

Barbie-Puppen sind seelenlose Wesen. Dass sie kein Eigenleben haben, dass sie gefühllos und leblos sind, dass macht sie gerade zum Spielzeug. Um mit ihnen zu spielen, muss man ihnen Leben einflössen - eine Aufgabe, die Kinder gerne übernehmen, wenn auch nur für kurze Zeit.

Vielleicht liegt im Erfolg dieser Barbie-Puppe ein verborgener Wunsch der Menschen: So zu sein wie diese Puppe. Seelenlos und gefühllos. Für viele östlichen Religionen und auch für viele aus unserer aufgeklärten, westlichen Welt ist das die Erlösung. Das «Nirwana», der Ort, an dem sich Freude und Leid, Schmerzen und das eigene Ich einfach in Nichts auflösen. Nirwana ist inzwischen auch für viele Christen der Begriff der Erlösung. «Erlöst von Schmerzen, vom Leiden, einfach nicht mehr sein. Dann kann ich auch nicht mehr verletzt werden.» So eine Barbie-Puppe ist zwar ziemlich hohl, aber unverletzlich schön.

Gott allerdings hält nicht viel von Barbie-Puppen, und mit dem Nirwana kann Gott auch nicht so viel anfangen. Er geht den anderen Weg: Er zieht sich nicht zurück und freut sich darüber, dass er mit unserer unheilvollen Welt nichts zu tun hat, sondern er kommt in unsere Welt, in all das Leid und Unheil, Krieg und Elend, Krankheit und Böswilligkeit. Er beginnt wie wir Menschen zu fühlen und zu leiden. Seine Liebe zu uns wird menschlich erfahrbar, aber auch verletzbar. Er ist mächtig als Gott, aber er wird wehrlos in seinem Wunsch, uns zu erlösen.

Aber warum tut Gott das? Ginge es Gott um ein «gelungenes Leben», so wäre er sicherlich im Himmel geblieben. Auf der Erde droht ihm allerlei Gefahren. Sicher ist er hier unten bei uns nicht.
In einem interessanten Buch mit dem originellen Titel «Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren» erklärt der Autor, er verstehe die Christen nicht. Warum dieser ganze Aufwand mit der Menschwerdung, dem Predigen und dem Kreuzigen und Auferstehen? Um sich mit den Menschen wieder zu versöhnen? Hätte sich dieser Gott nicht einfach selber etwas versöhnlicher geben sollen, und alles wäre wieder in Butter?

Das wäre in der Tat der einfachste Weg, wenn Gott Gesetzesgeber und Polizist wäre. «Okay, wegen Apfelklau und etwas Übermut wollen wir mal nicht so sein. Ich bin Gott und drücke einfach beide Augen zu...»

Das verkennt aber, dass es hier um Liebe geht. Wenn wir sündigen, dann verletzen wir nicht ein Gebot oder eine Regel. Wir verletzen uns und den Geliebten; manchmal so stark, dass die Liebe stirbt. Wir brechen keine Regeln, wir brechen Beziehungen ab.
Wir Menschen haben schon seit langem die Beziehung zu Gott abgebrochen. Wir empfinden doch nichts mehr, wenn wir an Gott denken. Er ist für uns eher wie ein Einrichtungsgegenstand, wie ein Stück Möbel, wie ein Bild an der Wand. Wenn Gott nicht mehr wäre, würde uns etwas fehlen. So wie wir auch ein Bild oder ein Sofa vermissen würden, weil da jetzt eine Lücke ist. Aber Liebe?

Deshalb reicht es nicht, dass Gott sich einfach nur versöhnlicher gibt, weniger nachtragend ist. Dadurch ändern wir uns nicht. Nein, er muss uns wieder neu gewinnen, um uns werben, sich zu uns herablassen, uns an sich ziehen; dabei ohne Zwang oder Druck, denn das würde jede liebevolle Beziehung wieder zerstören.

Deshalb kommt Gott als Kind von Bethlehem, deshalb ist Weihnachten ein Fest der Liebe. In der Krippe von Bethlehem liegt Jesus als Retter und Erlöser, verletzlich und wehrlos, weil er die Liebeserklärung Gottes an uns ist.

Das Geheimnis eines erfüllten Lebens liegt also nicht darin, alles Unheil zu verbannen, damit unser Leben gelingt. So erreichen wir nicht das Glück, so werden wir allerhöchsten hohl und gefühllos, wie Barbie im Nirwana.

Erst wenn wir es so machen, wie Gott es tut: Wenn wir mitfühlen, dem Leid nicht ausweichen, wenn wir lieben, auch wenn wir uns dadurch der Enttäuschung aussetzen, wenn wir uns vergeben und uns verletzbar machen, gewinnt unser Leben Fülle, Tiefe und Glück. Gerade weil wir dann auch empfänglich sind für das Leid, sind wir empfänglich für das Glück.

Gott erfüllt uns Wünsche. Aber er erfüllt sie nicht so, wie wir es uns wünschen. Wenn wir uns Glück wünschen, wirkliches, erfüllendes Glück, dann muss Gott uns erst einmal die Schale abschuppen, die wir uns angelegt haben. Die Schale, mit der wir uns vor den unangenehmen Seiten des Lebens und des Glaubens schützen. Denn diese Schale, dieses dicke Fell schützt uns vor Angriffen genauso wie vor dem Glück. Wer sich nach Geborgenheit sehnt, muss erst einmal das Frieren lernen.

Liebe Schwestern und Brüder, Gott hat mit der Geburt seines Sohnes begonnen, die Welt zu missionieren. Mission heißt ja nicht, eine Botschaft überbringen. Mission heißt, sich selbst überbringen. Und jetzt ist es an uns, diese Mission fortzusetzen: Sind wir bereit, mit dem Fest der Liebe ernst zu machen?

Sind wir bereit, uns auslachen zu lassen, weil wir von Gottes Liebe reden? Sind wir bereit, Verletzungen zu ertragen, weil wir den Menschen vertrauen, auf deren Güte bauen? Sind wir bereit, arm zu werden; aus Liebe zu Gott? Sind wir bereit, aus der Hohlheit unseres gelungenen Lebens auszubrechen und uns Gott auszuliefern? Wenn Sie mit Ja antworten - und dieses Ja auch Leben - dann steht Ihnen Freude ins Haus, die sie noch nie erlebt haben. Dann werden sie Wärme spüren, die Ihnen noch kein Mensch geschenkt hat. Dann werden Sie bei Gott Geborgenheit finden, wie bei keinem Menschen auf dieser Erde. Wenn Sie Gott an die Haut lassen, werden sie den Himmel spüren.

Liebe Schwestern und Brüder, gehen sie in den nächsten Tagen in Stille einmal zur Krippe, hier in der Kirche. Bewundern Sie nicht den, der diese Krippe gebaut hat, bewundern sie nicht die Größe und Schönheit des Aufbaus. Bewundern Sie Gott, der sich in unsere Hände gegeben hat. Machen Sie Seine Liebe zu Ihrer Liebe. Amen.

801. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

Papst Franziskus ruft an diesem Sonntag in Rom ein Heiliges Jahr aus: das Jahr der Barmherzigkeit. Es beginnt am 8. Dezember und endet am 20. November 2016. Er ruft es heute aus, weil heute der Barmherzigkeitssonntag ist. Dieser Sonntag ist von Papst Johannes Paul II. Im Jahr 2000 eingeführt worden, um die Barmherzigkeit Gottes besonders heraus zu stellen. Und dass Johannes Paul II. dieses Anliegen wichtig war, können wir auch daran sehen, dass er am Vorabend dieses Sonntags - vor genau 10 Jahren gestorben ist. Seine Seligsprechung 2011 fand an diesem Sonntag nach Ostern statt und ebenso seine Heiligsprechung im letzten Jahr.

Neben der Heiligkeit und der Gerechtigkeit Gottes gehört die Barmherzigkeit zu den drei wesentlichen Eigenschaften Gottes. Sr. Faustina, die mit 33 Jahren in Krakau starb, hat in mehreren Visionen von Jesus gezeigt bekommen, wie sie die Barmherzigkeit bekannter machen soll. U.a. soll sie dieses Bild malen lassen. Auch wenn es am Anfang auf mich etwas kitschig wirkte, zeigt es doch das Wesentliche dieses Barmherzigkeitssonntags: der menschgewordene Gott gibt sein Herz für uns hin. Dieses Blut und Wasser - Zeichen, dass das Herz still stand, dass er wirklich tot war - strahlen von ihm aus. Es tropft nicht nur einfach auf die Erde und versickert, sondern es scheint uns entgegen, es wird uns angeboten. Die Quelle des Heils ist die Liebe Gottes, ist die Hingabe Jesu Christi, vermittelt in den Sakramenten der Kirche. Gott bietet uns seine Barmherzigkeit an. Gott möchte uns Liebe und Barmherzigkeit schenken. Papst Franziskus möchte das nochmals neu betonen, wenn er solch ein Heiliges Jahr der Barmherzigkeit anlässlich des 50. Jahrestages der Beendigung des II. Vat. Konzils.

Das Problem dabei - ich habe es schon des öfteren gepredigt - auch vor drei Jahren anlässlich dieses Evangeliums: wir müssen diese Liebe und diese Barmherzigkeit auch annehmen.

Thomas kann uns dafür ein Beispiel sein: Thomas fordert: «Ich glaube erst, wenn ich seine Wunden sehe!» Er will nicht einfach den Auferstandenen sehen, den er vor 8 Tagen verpasst hat, sondern die Wunden! Warum? Thomas hat diese Wunden verschuldet. Die Feigheit der Jünger, die nach der Ölbergnacht alle geflohen waren, hatte zur Kreuzigung Jesu beigetragen. Thomas fordert also - mit anderen Worten - «wenn ich sehe, was ich ihm angetan habe, dann will ich glauben».

Zuvor, nachdem die Jünger ihm von der Erscheinung des Auferstandenen berichteten, und ihm erzählten, dass Jesus von der Vergebung der Sünden berichtet hatte, (wir haben es gerade gehört) wollte er davon nichts wissen. Das, was er angerichtet hatte, hatte er innerlich weit weggeschoben. Die Sache mit Jesus war für ihn abgeschlossen. Wenn er darüber nicht mehr nachdachte und nicht mehr redete, dann bräuchte er auch nicht mehr an sein eigenes Versagen zu denken.

Damit Thomas, der die Jünger von Vergebung und Heiligen Geist hat reden hören, glauben konnte, musste er zunächst seine eigene Vergangenheit anschauen, seine Schuld eingestehen.

Wie kann jemandem verziehen werden, der sich weigert, seine eigene Schuld wahrzunehmen? Und wie kann jemand, der jede Verzeihung ablehnt, zum Glauben kommen?

Genau dies macht Thomas durch: Akzeptieren, was er getan hat; in der Begegnung mit Jesus sowohl seine Schuld ansehen als auch die Barmherzigkeit Gottes erfahren - und anschließend ein Vorbild des Glaubens sein.

Und genau dieses können wir auch durchmachen. Dazu bedarf es keiner Kraftanstrengung, keiner Atemtechnik und keiner besonderen Heiligkeit. Nur eine ganz kleine Sache ist dafür nötig - wie bei Thomas: Wir müssen es nur wollen.

Wer Jesus um diese Gnade bittet - die eigene Schuld zu sehen, akzeptieren zu lernen und um Vergebung bitten zu können - rennt offene Türen ein. Auf nichts wartet Gott sehnlicher als darauf. Verstehen Sie das Heilige Jahr als eine Chance dazu. Amen.

802. Predigtvorschlag

„Schuld schmerzt - unser Licht überzeugt"

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Ich weiß, viele können es nicht mehr hören - dennoch ist das Thema in den Medien präsent und beschäftigt unser kirchliches Leben: der sexuelle Missbrauch von Minderjährigen in Deutschland und eben auch in der Kirche.
Da sind Wunden gerissen worden, die schmerzen. Da sind über viele Jahre oder Jahrzehnte diese Wunden nicht angeschaut worden. Dadurch wird die Kirche unglaubwürdig, weil ihr Reden nicht mit ihrem Tun übereinstimmt.
Thomas macht es heute anders: Thomas will den Auferstandenen nicht nur sehen, sondern er fordert: «Ich glaube erst, wenn ich seine Wunden sehen!». Thomas hat diese Wunden selbst mit verschuldet. Die Feigheit der Jünger, die nach der Ölbergnacht alle geflohen waren, hatte zur Kreuzigung Jesu beigetragen. Thomas fordert also - mit anderen Worten - «wenn ich sehe, was ich ihm angetan habe, dann will ich glauben».
Es ist ihm bestimmt nicht leicht gefallen, und ich vermute, dass er lieber nicht hingeschaut hätte.

Zuvor, nachdem die Jünger ihm von der Erscheinung des Auferstandenen berichteten, und ihm erzählten, dass Jesus von der Vergebung der Sünden berichtet hatte, wollte er davon nichts wissen. Das, was er angerichtet hatte, hatte er innerlich weit weggeschoben. Die Sache mit Jesus hatte er verdrängt und hoffte er abschließen zu können. Wenn er darüber nicht mehr nachdachte und nicht mehr redete, dann bräuchte er auch nicht mehr an sein eigenes Versagen zu denken. Aber das ist auch heute noch ein weit verbreiteter Trugschluß.

Thomas wollte die Wunden Jesu schauen, denn es sind seine eigenen gewesen. Damit Thomas, der die Jünger von Vergebung der Schuld hat reden hören, glauben konnte, musste er zunächst seine eigene Vergangenheit anschauen, seine Schuld eingestehen.

Der Kirche geht es heute genauso: sie muss erst ihre eigene Schuld ansehen, ihre eigene Vergangenheit anschauen, damit ihr vergeben werden kann.

Natürlich trägt jede weitere Schuld zur Unglaubwürdigkeit bei und es tut weh, diese Wunden nach Jahrzehnten noch anzuschauen - und doch ist ein Neuanfang ohne diese Aufarbeitung nur schwer möglich.

Und was bei Thomas der Fall war und beim sexuellen Missbrauch der Fall ist, ist bei uns nicht anders. Auch wir werfen durch jede Sünde ein schlechtes Licht auf die Kirche. Jede Lüge bei der Steuererklärung eines Christen lässt beim Finanzbeamten ein schlechteres Bild von Kirche entstehen. Jede Ungerechtigkeit eines Kirchgängers lässt bei den Nachbarn ein schlechteres Licht von Kirche entstehen. Jede Abweisung an der Pfarrhaustür lässt bei den Bedürftigen ein schlechteres Licht von Kirche entstehen. Jede Sünde wirft ein schlechteres Licht auf die Kirche.

Wie anders wird es doch von Petrus berichtet. Wo sein Schatten hinfiel, wurden die Menschen heil. Die ihm begegneten wurden zum Glauben geführt, so hörten wir vorhin in der Apostelgeschichte.

Dabei war Petrus ja nun wirklich nicht derjenige, der kein schlechtes Licht auf Christus geworfen hat - das Ereignis mit dem Hahnenschrei - seine dreifache Verleugnung am Gründonnerstagabend ist man gerade 10 Tage her.

Wie konnte er danach noch ein Zeuge für Christus sein? Ganz einfach: weil er seine Schuld angesehen hat. Zum einen sicherlich wie Thomas - zum anderen beim reichen Fischfang am See - wir hören es nächsten Sonntag als Evangelium: 153 Fische. Petrus wird dort dreimal gefragt: Liebst Du mich - so wie er ihn dreimal verleugnet hat - er erkennt seine Schuld, er weint bei der dritten Frage, so sehr schmerzt diese Einsicht. Doch gerade dann, wenn er es einsieht, ist Christus bereit, ihm zu vergeben und ihn zu seinem größten Zeugen zu machen.

Auch uns lädt er immer wieder ein: sieh auch Du auf Deine Schuld, Gott will Dich nicht bestrafen, sondern es ist nötig, dass Du hinsiehst, damit Du einsiehst, damit Gott seine Liebe schenken kann und Dich senden kann. Er will die Sünde von Dir nehmen, damit Du endlich befreit ein neues Leben angehen kannst, damit Dein Licht anderen Menschen leuchtet, damit Du kein schlechtes Licht mehr wirfst, sondern damit der Wurf Deines Schattens Menschen zum Leben, zum Heil führt.

803. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

der heutige Sonntag hat den Beinamen "Weißer Sonntag". Am Sonntag nach der Osternacht, in dem früher die Taufbewerber eines ganzen Jahres getauft wurden, feiert die Kirche ihren neuen Mitglieder. Sie feiert sie, weil sie ein Geschenk Gottes sind.

Denn den Glauben, ohne den es keine Taufe gibt, macht keiner - er ist ein Geschenk Gottes. Und gleiches gilt für den Entschluss, Kind Gottes zu werden: Den hat als erstes Gott getroffen, und die Taufe ist nur die Antwort darauf. Deshalb feiern wir die Getauften als Geschenk - als Gabe Gottes, auch zu unserer Freude.

Aber, wenn wir es so recht bedenken, gilt das nicht nur für die Neugetauften. Der Weiße Sonntag ist Gelegenheit, für alle zu danken, die mit uns als Getaufte Leben. Auch das ist keine eigene Leistung, sondern ein Geschenk Gottes; nur haben wir uns daran schon fast als Selbstverständlichkeit gewöhnt. Ein Blick aber in Länder der Verfolgung oder der Diaspora zeigt, dass es keineswegs selbstverständlich ist, im Glauben getragen und durch eine Gemeinschaft von mit-Glaubenden getragen und gestärkt zu werde. Danke wir heute also auch für alle anderen, die uns mit einem festen Glauben vorangehen, uns anstecken und sich im Gebet für uns einsetzen.

Am Weißen Sonntag freuen wir uns nicht nur an den Getauften, wir wollen sie auch in unsere Reihen aufnehmen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie gut aussehen, reich sind oder arm, berühmt oder verschmäht. Sie sind Kind Gottes geworden und wurden in der Taufe von aller Schuld befreit. Wenn Gott nichts nachträgt und keine Unterschiede macht, dann wollen wir es auch nicht.

Und wieder gilt dieses nicht nur für die Neu-Getauften, sondern für alle anderen auch: Erkennen wir in den Mitchristen zuallererst das gemeinsame, die gemeinsame Berufung, die gemeinsame Gnade.
Für uns spielt es oft keine Rolle mehr, ob jemand Christ ist oder nicht, ob jemand mit zur Kirche gehört oder nicht. Danach sucht keiner seinen Bäcker oder KFZ-Mechaniker aus. In den Ländern der Verfolgung und der Diaspora ist das anders: Da gehört man zusammen, allein weil man gemeinsam zur Kirche gehört.

Am heutigen Sonntag feiern wir auch den Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit. Gott hat nicht nur den Täuflingen, sondern auch uns unverdiente Barmherzigkeit erwiesen. Ohne unser Verdienst hat er uns erwählt und in seine Kirche berufen. Feiern wir nicht nur die Neugetauften als Mitglied der Kirche, sondern erkennen wir in unserer Zugehörigkeit zur Kirche eine Gnade - ein Geschenk des barmherzigen Gottes.

Thomas darf heute seine Finger in die Wunde Jesu legen - ob er es tut, wird nicht berichtet. Auch wir sind eingeladen, Jesus ganz nah zu kommen und ihn nicht nur in der Kommunion in uns aufzunehmen, sondern am besten in unser Leben. Lassen wir uns wie Thomas verwandeln; folgen wir dem Beispiel der Neugetauften, die ein neues Leben begonnen haben; lassen wir uns von ihrer Freude anstecken und die Gnade Gottes in uns neu entfachen.
Der Weiße Sonntag, der Sonntag der Barmherzigkeit und der Sonntag des gläubig gewordenen Thomas gehören zusammen: Es ist ein Sonntag der Erkenntnis, der Nähe zueinander - der Liebe. Lassen wir uns verwandeln, so wie sich Brot und Wein auf dem Altar verwandeln. Lasst uns heute ein anderes Leben beginnen - Amen.

804. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Vielleicht haben sie es auch in der Zeitung gelesen: «Der norwegische Pfarrer Bertel Aasen in Oslo hat sich eine Methode einfallen lassen, mit der er die Zahl der unverheirateten Paare reduzieren will. Der Geistliche versucht, Paare ohne Trauschein mit einer Verlosung vor den Altar zu locken. Unter den Paaren, die sich trauen lassen, verlost er eine Hochzeitsreise für umgerechnet 4500 Mark.»

Eine Preisverleihung für die, die sich trauen lassen? Ein absurder Gedanke. Wer sich kirchlich trauen lassen will, soll das tun, weil er seine Beziehung unter den Segen Gottes stellen will; weil er erkannt hat, dass für eine gelingende Ehe auch Gottes Hilfe nötig ist. Und nicht deswegen, weil es etwas zu gewinnen gibt.

Zuerst habe ich daher auch kräftig mit dem Kopf geschüttelt. Aber dann habe ich mich gefragt, wieviele denn wirklich - auch hier in Deutschland - kirchlich heiraten, die Sakramente der Taufe, der Eucharistie und der Kommunion empfangen, weil sie die Hilfe Gottes suchen. Steht bei manchen Trauungen nicht die Feier in Weiß, bei manchen Taufen der erhoffte Kindergartenplatz oder die Gleichstellung mit all den anderen Kindern, bei einigen Erstkommunion der Segen der Geschenke mit ganz oben an?

Verstehen Sie mich nicht falsch: All diese Feiern haben ihren guten Sinn. Denn eine Feier unseres Glaubens soll ja auch eine richtige Feier sein. Das, was im Glauben und in den Sakramenten geschieht, ist Grund genug, richtig gefeiert zu werden. Und je feierlicher solche Feste begangen werden, um so sinnvoller. Aber es fällt uns manchmal schwer, den ursprünglichen Sinn nicht aus den Augen zu verlieren. Das gilt nicht nur für die kirchlichen Feste.

Aber in der Feier unseres Glaubens fällt es uns besonders schwer, nicht mit den Gedanken an der Oberfläche hängen zu bleiben: Weil man ja das eigentliche, was geschieht, nicht sieht: Gottes Handeln an uns. «Weil du mich gesehen hast,» so sagt Jesus zu Thomas, «glaubst. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.»

Eine Aufgabe der Kirche - Ihre und meine Aufgabe - ist es, Hilfen zu geben, dass Unsichtbare zu erfahren, zu verdeutlichen und zu begreifen, dass durch Gott an uns geschieht.

Suchende Menschen führt man nicht durch Verlosungen von Hochzeitsreisen, Geschenken und netten Feiern zu den Sakramenten. Das hält nicht lange. Der Weg zu den Sakramenten - der Weg zu Gott - führt allein über den Glauben. Wer helfen will, sollte eine Hilfe zum Glauben sein, eine Hilfe zum Bekenntnis des Thomas: «Mein Herr und mein Gott».

Warum gehen Sie zur Kommunion? Jetzt, gleich in diesem Gottesdienst? Weil es alle tun? Oder weil Sie damit öffentlich bekennen: Gott, ich brauche dich! - ?

Wer das glaubt, wer in jedem Sakrament, ob es nun die sonntägliche Kommunion ist, die Taufe, Beichte oder Ehe ist, die einmalige Lebenshilfe Gottes sieht - der hat wirklich allen Grund zu feiern.

In der Lesung haben wir gehört, dass Scharen von Menschen zu den Aposteln strömten, aus allen Orten um Jerusalem herum, ja, die Kranken wurden sogar auf die Straßen gelegt. Und dann heißt es lapidar am Schluss: «Und alle wurden geheilt.»

Wenn unser Glaube schon mit einer Verlosung verglichen wird, dann gibt es bei uns nur Garantielose. Zu gewinnen gibt es allerdings keine Hochzeitsreisen, und auch Heilung von Krankheit ist nicht garantiert. Aber jeder, der glaubt, gewinnt mit Sicherheit einen wunderschönen Heiligenschein.

Herzlichen Glückwunsch!

805. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder! «Und alle wurden geheilt», heißt es am Ende der Lesung. Aus ganz Jerusalem und auch aus den Nachbarstädten strömen die Leute zusammen und brachten Kranke und von unreinen Geistern Geplagte mit. Und alle wurden geheilt.

Die Apostel verkünden die Botschaft von der Auferstehung des Herrn und sie tun die Zeichen, die auch er getan hat. Selbst die Kranken, so steht da, trug man auf die Straßen hinaus und legte sie auf Betten und Bahren, damit, wenn Petrus vorüber kam, wenigstens sein Schatten auf einen von ihnen fiel.

Auch heute gibt es wunderbare Heilungen, nicht nur in Lourdes. Es gibt charismatische Christen, auf deren Gebet hin Kranke geheilt werden. Als allerdings ein Krankenhaus-Seelsorger daraufhin einmal angesprochen wurde, meinte er: «Schön gut, das mag ja sein. Aber warum werden bei mir keine Kranken geheilt? Verkünde ich denn nicht auch Christus? Mache ich etwas falsch? Bete oder glaube ich nicht richtig?»

Ein Pfarrer erinnert sich an einen jungen Mann, der ihm seine eigene Heilungsgeschichte erzählte: Er wurde von zuhause weggeschickt, rausgeworfen. Die Eltern waren streng katholische Christen. Für sie war ihr Sohn ein Schandfleck; er war tatsächlich knietief im Sumpf korrupter Geschäfte verwickelt.
Nach wenigen Jahren war er so am Ende, dass er sich entschloss, mit seinem Leben Schluss zu machen. Doch er wollte vorher noch einmal seine Eltern sehen. Spät in der Nacht klingelt er an der Tür seines Elternhauses. Der Vater schaut zum Fenster hinaus. Als er ihn erkennt (der junge Mann war bis auf die Knochen abgemagert und seine klebrigen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht), schlägt der Vater wortlos das Fenster zu. Keine Chance!
Der junge Mann geht von dannen und läuft zum Bahngleis, das auf einer Böschung an seinem Dorf vorbeiführt. Für ihn gibt es nur noch eines: Schluss mit einem solchen Leben! Er steigt die Böschung hinauf. Da umgibt ihn plötzlich ein helles Licht. Er bleibt wie angewurzelt stehen. Dann spricht eine Stimme zu ihm: «Wenn dich auch Vater und Mutter verlassen, ich nehme dich auf.» Dann wird es wieder dunkel, das Licht der Erscheinung ist verschwunden.
Aber in dem jungen Mann brennt eine Sonne, die Freude, die ihn erfüllt, bringt ihn fast um. Er rennt davon, er rennt über eine Stunde lang wie ein Verrückter quer über die Felder. Die Freude und das Glück haben ihn fast umgebracht.
Als der Pfarrer diesem jungen Mann später einmal das Bild vom barmherzigen Jesus gab, wurde dieser ganz still und sagte dann nach einem längerem Schweigen: «Er war es, der zu mir gesprochen hat.»

Schön und gut - aber es drängt sich hier wieder die Frage auf: Was ist mit den vielen jungen Menschen, denen am Bahngleis kein Licht erscheint und die sich verzweifelt das Leben nehmen?

Thomas kann nicht glauben, dass sein Herr und Heiland wirklich auferstanden ist, so wie viele von uns heute ebenfalls ihre Schwierigkeiten haben. Aber er hat die Gnade, dem Herrn zu begegnen und seine Finger in die Wunden Jesu zu legen.

Bei jedem Wunder, ob eine Krankenheilung, eine Bekehrung oder eine Lebensrettung, können wir uns fragen: Warum nur er, warum nicht auch die vielen anderen? Die Antwort darauf ist ganz einfach: Es geht Gott gar nicht darum, unser Leben zu retten oder zu heilen. Es geht ihm darum, unser Vertrauen zu gewinnen. Denn viel seliger sind wir, wenn wir an die Barmherzigkeit Gottes glauben, Krankheit ertragen und auf Vergebung hoffen, allein auf SEIN Wort hin.

Das größte Wunder ist nicht die Heilung von Krankheit oder die Erscheinung eines großen Lichtes. Das größte Wunder ist und bleibt der Glaube. IHR Glaube, liebe Schwestern und Brüder, ist das Licht, das mich am Leben erhält. Lassen wir es strahlen! Dann rettet und heilt Gott mehr Menschen durch dieses Licht als Petrus durch seinen Schatten. Amen.

806. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wissen Sie, wie frustrierend und demütigend es sein kann, wenn Sie etwas ganz begeistert weitergeben bzw. weitererzählen - und man glaubt Ihnen nicht? Das ist entweder ein schwerer Vertrauensbruch - oder da zweifelt jemand an ihrem Verstand. Er weiß es besser als Sie.
Unsere Reaktion darauf ist oft hilflos: «Denkst du etwa, dass ich lüge? Meinst du etwa, ich hätte keine Ahnung?» Es ist nicht nur frustrierend, sondern es zerstört Beziehungen, wenn mir nicht geglaubt wird.

So ähnlich ist es wohl auch Johannes, dem Evangelisten, ergangen: Johannes hat Jesus selbst erlebt, sein Wesen, seine Göttlichkeit, seine Liebe und seine Ausstrahlung. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass dieser Jesus Gott selbst gewesen ist; dass wir nur durch diesen Jesus selig werden können. Nun will er uns von diesem Glauben mitteilen. Er erzählt alle möglichen Geschichten über Jesus, die er zum größten Teil selbst erlebt hat, erinnert sich an Jesu Predigten, beschreibt die Wunder Jesu bis in kleinste Einzelheiten. Und obwohl Johannes seine Wahrheitsliebe beteuert, davon spricht, dass er es selbst gesehen hat, dass er nichts erfindet, muss er wohl immer wieder die Erfahrung gemacht haben, dass man ihm nicht glauben wollte. Weder ihm, dem Johannes, noch Gott.

Genau wie damals der Apostel Thomas. Er war genauso dickköpfig. Er kennt doch eigentlich seine Apostelkollegen: Wenn die alle sagen, dass sie Jesus gesehen haben, dann muss da doch etwas dran sein! Und trotzdem will er nicht glauben. Wie kann man nur so dickköpfig sein, so misstrauisch seinen engsten Freunden gegenüber? Die Apostel kommen doch nicht aus Jux und Dollerei nur wenige Stunden nach der Katastrophe am Kreuz auf die Idee, Thomas zu veräppeln! Aber Thomas bleibt dabei: Er will ihnen nicht glauben. Er glaubt nicht an die Göttlichkeit Jesu und damit stellt er seine gesamte Beziehung zu seinen Freunden aufs Spiel!

Liebe Schwestern und Brüder, Glauben oder Unglauben ist nämlich keine Privatsache, trotz aller gegenteiligen Behauptungen. Wer nicht glaubt, geht auf Distanz zu den Christen und zu Gott und spielt mit dem eigenen Leben! Skepsis und Distanziertheit ist kein Zeichen von Reife, tut mir leid! Sie ist ein Zeichen von Beziehungsunfähigkeit. Von Vertrauensverlust. Von Persönlichkeitsverlust!
Thomas verletzt nicht nur seinen Lehrer und Meister, seinen Freund und Gott Jesus mit seiner Dickköpfigkeit, sondern seine Freunde.

Glauben Sie mir, auf Dauer kann eine Freundschaft oder eine Beziehung nicht bestehen, wenn das gegenseitige Vertrauen nicht auch eine göttliche Grundlage hat. Ohne Gott und gemeinsamen Glauben ist jeder Freundschaft und Beziehung nur Sentimentalität und Romantik, vielleicht eine Interessengemeinschaft und wird schlimmstenfalls zum Egoismus zu zweit.

Liebe Schwestern und Brüder, deshalb beschließt Johannes sein Evangelium mit diesem Thomas, der nicht glauben will, trotz aller Vernunft. In Thomas spricht Johannes am Schluss seines Evangeliums alle Zuhörer an, die nicht glauben wollen und sich vielleicht mit diesem isolierten, beziehungslosen Thomas identifizieren.

In Thomas zeigt er, dass allein der Glaube, das Vertrauen zu Gott uns in das Beziehungsgeflecht des Lebens zurückholt. Wie sehr verbindet es, wenn wir uns gegenseitig glauben! In der Lesung haben wir einen Lobgesang auf diese Erfahrung gehört: Wir haben alles gemeinsam, keiner steht außen vor, keiner muss Not leiden. So ist die Erfahrung der ersten Christen gewesen, die auf mehr gebaut haben als nur auf menschliche Nähe und Romantik. Wer Gott traut und an Jesus glaubt, der wird liebenswert, beziehungsreich. Der steht in der Mitte einer echten Gemeinschaft, die mehr zu bieten hat, als jeder Verein und jede Clique.

Ostern heißt, das Leben in der Fülle zurückzugewinnen. Durch den Glauben an den Auferstandenen allein wird uns dies geschenkt. Wenn wir uns einig sind im Bekenntnis: Mein Herr und mein Gott! - Erst dann sind wir ein Herz und eine Seele. Amen.

807. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

sie können mir sagen, was sie wollen: Der Thomas hat es doch besser gehabt als wir. Er hat Jesus sehen können, er hat ihn berühren können, und damit ist es doch ganz klar, dass es ihm auch leichter gefallen ist, an Jesus zu glauben.

Vielleicht denken Sie auch: Wenn ich Jesus leibhaftig sehen könnte, dann würde ich glauben. Ja, wenn ich meine Hand in seine Hand legen könnte, ihm von Auge zu Auge anschauen könnte, wenn ich den Hauch seines Atems spüren würde - ja, dann würde ich auch glauben.

Wären Sie auf die Idee gekommen, erst dann zu glauben, wenn Sie seine Wunden berühren können?

Es hat schon eine vollkommen andere Bedeutung, wenn Thomas fordert: «Ich glaube erst, wenn ich seine Wunden sehen!» - als wenn wir das sagen würden. Denn immerhin hat Thomas diese Wunden selbst verschuldet. Die Feigheit der Jünger, die nach der Ölbergnacht alle geflohen waren, hatte ja schließlich zur Kreuzigung Jesu beigetragen. Thomas fordert also - mit anderen Worten - «wenn ich sehe, was ich ihm angetan habe, dann will ich glauben».

Es ist ihm bestimmt nicht leicht gefallen, und ich vermute, dass er lieber nicht hingeschaut hätte.

Zuvor, nachdem die Jünger ihm von der Erscheinung des Auferstandenen berichteten, und ihm erzählten, dass Jesus von der Vergebung der Sünden berichtet hatte, wollte er davon nichts wissen. Das, was er angerichtet hatte, hatte er innerlich weit weggeschoben. Die Sache mit Jesus war für ihn abgeschlossen. Wenn er darüber nicht mehr nachdachte und nicht mehr redete, dann bräuchte er auch nicht mehr an sein eigenes Versagen zu denken.

Thomas hatte das Recht, die Wunden Jesu zu schauen, denn es sind seine eigenen gewesen. Damit Thomas, der die Jünger von Vergebung und Heiligen Geist hat reden hören, glauben konnte, musste er zunächst seine eigene Vergangenheit anschauen, seine Schuld eingestehen.

Wie kann jemand verziehen werden, der sich weigert, seine eigene Schuld wahrzunehmen? Und wie kann jemand, der jede Verzeihung ablehnt, zum Glauben kommen?

Genau dies macht Thomas durch: Akzeptieren, was er getan hat; in der Begegnung mit Jesus sowohl seine Schuld ansehen als auch Vergebung erfahren - und anschließend ein Vorbild des Glaubens sein.

Und genau dieses können wir auch durchmachen. Dazu bedarf es keiner Kraftanstrengung, keiner Atemtechnik und keiner besonderes Heiligkeit. Nur eine ganz kleine Sache ist dafür nötig - wie bei Thomas: Wir müssen es nur wollen.

Wer Jesus um diese Gnade bittet - die eigene Schuld zu sehen, akzeptieren zu lernen und um Vergebung bitten zu können - rennt offene Türen ein. Auf nichts wartet Gott sehnlicher als darauf.

Amen.

Fürbitten