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Predigtvorschläge - 05. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C)
1. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Wenn die Meßfeier auf ihren Höhepunkt zusteuert, ruft der Priester uns auf: „Erhebet die Herzen!“ Natürlich meint diese Aufforderung nicht, daß sich nun alle erheben sollen, auch wenn dies dazu gehört. Vielmehr sollen von nun an alle in das Geheimnis Gottes eintreten, und zwar mit ganzem Herzen, Willen und Verstand.

In diesem Augenblick sind wir in einer ähnlichen Lage sind wie der Prophet Jesaja bei seiner Berufungsvision. Die Lesung erzählt, wie Jesaja Gott begegnet ist: er, der unwürdige, kleine Mensch dem heiligen, unnahbaren Gott. Deshalb ruft er aus: „Weh mir, ich bin verloren, ich bin ein Mensch mit unreinen Lippen.“ Er erfährt den unendlichen Abstand zu Gott, seinem Schöpfer, und seine eigene Unwürdigkeit angesichts der Heiligkeit Gottes. Und so läßt ihn der Gesang der Engel erschauern, die rufen: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt.“

Genauso stehen wir vor Gott, und deshalb wiederholen wir ja in jeder Messe diesen Lobpreis der Engel, besser: wir stimmen in ihn ein, nachdem wir unsere Herzen zu Gott hin erhoben haben und unmittelbar vor der Wandlung stehen, d.h. dem Augenblick, wo Gott in unsere Mitte herabsteigt und Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu verwandelt. Müßten wir dann nicht eigentlich auch sagen: „Weh mir, ich bin verloren“?

Das ist der erste Teil der unheimlichen Begegnung zwischen dem Propheten Jesaja und Gott. Dann kommt ein Engel mit einer glühenden Kohle in der Hand und berührt damit den Mund des Propheten, um seine Schuld zu tilgen. Es geschieht etwas anscheinend sehr Schmerzhaftes – wer möchte schon seinen Mund an eine glühende Kohle halten? –, aber zugleich auch etwas Befreiendes, das die Lage des Propheten entscheidend verändert: Gott erscheint nicht mehr als der Erdrückende, Gefährliche und Bedrohliche, sondern als der Bittende und Fragende: „Wen soll ich senden? Wer geht in unserem Auftrag?“

Jagt uns Gott Schrecken ein? Müssen wir vor Gott Angst haben? Die Frage kommt aus einer schiefen Perspektive und kann uns darum in die Irre führen. Wir sollten besser anders fragen: Haben wir es manchmal nötig, erschreckt zu werden? Kann es für uns heilsam sein, daß wir aufgerüttelt werden aus einer falschen Sicherheit? Wenn ich z.B. auf der Autobahn fahre und langsam eindöse, für Sekunden das Bewußtsein verliere – muß ich da nicht aufgeschreckt werden, um nicht ins Verderben zu fahren? So ist es auch mit unserem religiösen Leben und mit der Praxis der Gottesdienstfeier: sie kann zur Routineangelegenheit werden – eine Gefahr, die besonders die Priester ständig bedroht. – Und auch unser Leben: Wie oft stecken wir in einer unfruchtbaren Selbstgefälligkeit, die uns für Gottes Ruf taub macht? Da kann ein Erschrecken sehr wohl heilsam sein, wenn es auch weh tut wie eine glühende Kohle.

So ist es auch Petrus und seinen Freunden gegangen, als sie Zeuge des wunderbaren Fischfangs wurden. Schlagartig wurde ihnen bewußt, wie klein und unwürdig sie waren im Vergleich zu dem erhabenen Herrn, der sogar über die Fische Macht hatte. So rief Petrus aus: „Herr, geh weg von mir, ich bin ein Sünder“. Das Erschrecken war nötig und heilsam, weil sie sonst nie auf die Idee gekommen wären, Jesus auf seinem Weg zu folgen und wie er Menschenfischer zu werden.

So sehen wir: Das Erschrecken ist das notwendige Durchgangsstadium zum neuen Selbstbewußtsein, das Gott uns schenkt, wenn er einem jeden von uns sagt: „Ich brauche dich. Ich will dich senden, für meine Dienste einspannen.“

So ruft uns Gott auch heute. Zum Beispiel wenn Katechetinnen gesucht werden für die Kommunionvorbereitung oder die Firmvorbereitung oder Leute für den Vorstand in KAB oder Frauengemeinschaft. „Weh mir, ich bin verloren“, mögen einige Eltern gedacht haben, als sie die vor ihnen stehende Aufgabe als Katechetinnen bedacht haben. Aber die Frage „Wen soll ich denn senden?“ hat sie ermutigt zu sagen: „Hier bin ich, sende mich!“ Und siehe da: Es geht, und zwar gut, wie ich fest annehme. Der Heilige Geist wirkt in den Herzen der Kommunionkinder, weil einige Eltern ihre Mitarbeit angeboten haben.

Es ist ein Wunder, das sich täglich wiederholt und angesichts dessen wir immer wieder singen können und dürfen: „Heilig, heilig, heilig...“

2. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

„Von jetzt an wirst du Menschen fangen.“ So spricht Jesus zu Petrus. Doch bevor ich dieses Wort auslege, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass Jesus unmittelbar vorher zu Petrus gesagt hat: „Fürchte dich nicht!“ Wovor soll sich Petrus nicht fürchten? Welche Furcht soll nicht sein? Das ist zuerst die Furcht vor dem Heiligen, die Petrus gerade erlebt hat - bei dem wunderbaren Fischfang nämlich, denn hier ist ihm aufgegangen, dass Jesus kein gewöhnlicher Mensch ist, dass er vielmehr göttliche Kraft hat. Und er fühlt sich wie durch eine Kluft von Gott getrennt: „Geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch!“ Und die andere Furcht, die ihn befällt, ist die Furcht zu versagen, das nicht zu können, was ihm aufgetragen wird.

Dazu eine eigene Erinnerung aus meinem Leben. Im Jahre 1980 habe ich Zivildienst geleistet und während dieser Zeit häufig Gespräche mit einem Priester geführt. Eines Tages fragte er mich direkt auf den Kopf zu: „Willst du nicht Priester werden?“ Und sofort stiegen in mir die Ängste hoch: Wird mich das nicht überfordern? Wird das nicht ein Leben ohne Freude sein, ein Leben in Einsamkeit? Die Ängste jagten einander, und doch habe ich in den kommenden Wochen auf den Ruf JA gesagt, der mir da entgegengekommen ist, und gespürt, dass ich nicht berufen bin, weil ich so gut bin und soviel kann, sondern obwohl ich so schlecht bin und mir soviel fehlt.

So also spricht Jesus zu Petrus: „Von nun an sollst du Menschen fangen.“ Schon Fische zu fangen, ist eine Kunst. So hören wir im Evangelium: „Sie hatten die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“ Die Fische entziehen sich dem Netz, sie wollen nicht da hinein. Ob ein Fischer Erfolg hat oder nicht, das bleibt unsicher, er kann den Erfolg nicht erzwingen. Ungleich schwerer aber ist es, wenn es darum geht, Menschen zu fangen und für etwas einzuspannen. Mit welchen Netzen soll man da arbeiten? Wie soll man sie auswerfen?

Wie hat es Jesus denn gemacht? Er ist ja schließlich der Meister. Die Netze, die er ausgeworfen hat, waren vor allem seiner Predigt, seine besondere Art, die Menschen anzusprechen, so dass sie in Scharen zu ihm kamen. Sie waren so fasziniert von ihm, dass er sich in ein Boot setzte, etwas Abstand vom Ufer nahm, damit er sie alle sehen konnte, und dann predigte er. Es waren viel mehr, als hier heute in die Kirche gekommen sind. Er faszinierte die Leute so sehr, dass Petrus sogar einen unsinnigen Befehl ausführte, nämlich tagsüber die Netze auszuwerfen, wo die Fische doch am Boden schwimmen. Obwohl es völlig unmöglich ist, tagsüber Fische zu fangen, sagt Petrus doch: „Wenn du es sagst, so will ich es tun“.

Von dieser Art zu reden müssen wir Priester uns immer wieder eine Scheibe abschneiden und uns anstecken lassen. So wie Jesus sprechen: überzeugt und dadurch überzeugend. Ganz ehrlich und ohne Selbstinteresse: nicht so wie die Menschen, die etwas verkaufen wollen und z. B. in einem Brief schreiben: „Lieber Herr Schmidt, extra für Sie haben wir dieses absolut einmalige Angebot zusammengestellt!“ – und jeder weiß doch, es ist der eigene Profit, der die Menschen zu solchen Formulierungen treibt; sie wollen nicht mich, sondern mein Geld. Ganz anders Jesus: er will wirklich nur mich, meine Person, für sich will er nichts; er entäußert sich selbst und geht bis in den Tod hinein, um mir seine Liebe zu zeigen. Den Menschen ist er ganz zugewandt, sie innig liebend. Seine Predigt ist darum feurig und voller Eifer, alles andere als langweilig. Und schließlich ist sie geheimnisvoll, so dass jeder spürt: das ist keine bloße menschliche Rede, eine bloß menschliche Meinung, derer wir schon überdrüssig sind, sondern vielmehr eine Lehre in Vollmacht.

Aber Jesus blieb nicht nur bei Worten. Er ließ auch Taten folgen, mit denen er gleichfalls seine Netze auswarf. Reden und Tun war eine Einheit - ganz ohne Bruch. Wenn er z. B. die Vergebung Gottes verkündete, dann hat er sie auch gespendet. Seine Barmherzigkeit blieb kein Lippenbekenntnis, sie kam aus seiner tiefsten Menschlichkeit und zeigte sich in leibhaftigen Gesten. Da kannte er keine Menschenfurcht! So ließ er sich z. B. von den Sündern berühren und pflegte Gemeinschaft mit ihnen und wusste doch, dass dies ein Skandal war und dass man ihn selbst deswegen als Sünder ansehen musste. Wer von uns brächte das fertig: einen Menschen zu verteidigen und sogar zu umarmen, der von ausnahmslos allen anderen ausgegrenzt und als Sünder abgestempelt war!? Wir wären viel zu feige dazu.

Und schließlich seine Wundertaten: hier im wunderbaren Fischfang läßt das Wunder das Göttliche in seinem Handeln hindurch scheinen. Aber er tut nicht Wunder, um eine Schau zu geben, sondern um seine Lehre zu unterstreichen. Sein Wort vom „ Menschen fangen“ gewinnt so eine ganz anschauliche Bedeutung: Gegen alles menschliche Ermessen schwimmen die Fische ins Netz, wo sie sich normalerweise doch tagsüber unten am Meeresboden aufhalten, und doch kommen sie und schwimmen ins Netz. So wird es auch im Weinberg Gottes sein: Was Jesus mit dem wunderbaren Fischfang zeigen will, ist: die Verkünder müssen eben nur dieses eine tun – unbeirrt ihre Netze auswerfen und nicht denken, es hat sowieso keinen Zweck! Auf das Wort Jesu hin unbeirrt beim Glauben bleiben und den Glauben verkünden - so wie Petrus - dann kann sich die Kirche ausbreiten. Dann wird es immer wieder Fische geben, die in das Netz schwimmen, Menschen, die sich für das Evangelium öffnen.

Wir Christen – nicht nur die Priester, sondern auch die getauften und gefirmten Gläubigen – sollen in Worten und Taten unsere Liebe zeigen, aber niemals durch List, Täuschung, Trug oder Gewalt versuchen, die Menschen zu binden, denn so erreicht man das Herz des anderen nicht. Und darum ist es auch nicht gut, die vergangenen Zeiten zu hoch zu stilisieren, als die Volkskirche noch blühte; vielfach wurde damals doch nur mit sozialem Druck gearbeitet und die Leute kamen nur, weil sie sonst schlecht angesehen waren. Vielmehr können wir die Menschen gewinnen allein durch Locken und Werben, durch unser einladendes Lächeln, durch unsere eigene Glaubensfreude. Ja, Freude am Glauben!, also den Glauben nicht als ein zusätzliches Kreuz ansehen, sondern als das, was uns befreit inmitten von Kreuz und Leid! Die Menschen gewinnen durch unser Bewusstsein der Freiheit der Kinder Gottes: wir können voller Würde erhobenen Hauptes und aufrechten Ganges durchs Leben gehen und brauchen uns nicht zu fürchten vor denen, die uns verspotten. Diesen können wir vielmehr zurufen: „Ihr habt doch keine Ahnung!“ Und gleichzeitig können und sollen wir und klein machen vor Gott, der der einzige ist, der unsere Ehrfurcht verdient. So ist z. B. erwiesen, dass die Kniebeuge des Vaters das beste Beispiel für die Kinder ist, viel wichtiger als 1000 Worte, die er womöglich über seinen Glauben spricht. Denn diese Geste zeigt, wen der Vater als den wahrhaft Höchsten ansieht.

Die Menschen locken schließlich immer wieder durch unsere gewinnende Liebe, durch unser geduldiges Verstehen, auch und gerade dann, wenn die Menschen, die wir doch zum Herrn führen wollen, andere Wege gehen. Durch unser Vergeben und Verzeihen, vor allem auch durch das Zugeben der eigenen Schuld, d.h. dass wir nicht warten, bis der andere seine Schuld bekennt und um Vergebung bittet. Dazu gehört auch die Fähigkeit, über uns selbst zu lachen und uns nicht zu wichtig zu nehmen, d.h. Humor. Und gleichzeitig sollen wir doch würdigen Ernst behalten, der der Banalisierung widersteht. Es gibt eben ein paar Dinge, die dürfen wir nicht ins Banale ziehen lassen, die sind zu wichtig, als dass wir dulden dürfen, dass andere sie verulken und verhohnepiepeln: eben vor allem der Gottesdienst, den wir feiern.

Kurz: durch unser ausgeglichenes und liebevolles Wesen können wir leibhaftig die frohe Botschaft sein, so dass andere an unserem Gesicht, an unseren Worten und Werken ablesen können, was Jesus Christus für uns ist. so heißt es in einem alten Gebet:

Christus hat keine Hände, nur unsere Hände,
um seine Arbeit heute zu tun.
Er hat keine Füße, nur unsere Füße,
um Menschen auf seinem Weg zu führen.
Christus hat keine Lippen, nur unsere Lippen,
um Menschen von ihm zu erzählen.
Er hat keine Hilfe, nur unsere Hilfe,
um Menschen an seine Seite zu bringen.
Wir sind die einzige Bibel, die die Öffentlichkeit noch liest.
Wir sind Gottes letzte Botschaft, in Taten und Worten geschrieben...
Und wenn die Schrift gefälscht ist, nicht gelesen werden kann?
Wenn unsere Hände mit anderen Dingen beschäftigt sind als mit seinen?
Wenn unsere Füße dahin gehen, wohin die Sünde zieht?
Wenn unsere Lippen sprechen, was er verwerfen würde?
Erwarten wir, ihm dienen zu können,
ohne ihm nachzufolgen?

Wir sind die einzige Bibel, die die Öffentlichkeit noch liest. Wir sollen nicht auf Institutionen vertrauen, auf tote Kirchensteuer, sondern sollen auf die lebendigen Menschen setzen, die sind unser einziges wirkungsvolles Kapital. Und so sagt Jesus einem jeden von uns: „Fürchtet euch nicht!“

3. Predigtvorschlag

Lk 5,1-11 Was predigte Jesus?

Was hat Jesus eigentlich gepredigt, damals auf dem See von Galiläa, als er den Simon – später Petrus – gebeten hatte, ihm doch das Boot auszuleihen, und als er dann, auf dem Boot stehend, vom Ufer aus zu den Menschen sprach? Was waren seine Worte? Was hat er gelehrt? – Finden Sie das nicht auch eigenartig? Lukas, der Evangelist, berichtet davon rein gar nichts. Nicht den Inhalt. Nur die Tatsache, daß Jesus vom Boot aus zu den Menschen, die am Ufer waren, gesprochen hat.

Ich finde das in einer Weise sehr entlastend: Nicht allein auf die Worte kommt es an, die im Gottesdienst gesprochen werden. Nicht allein auf die Predigt kommt es an, ob die nun spannend, mitreißend, beglückend oder sonst etwas ist, oder vielleicht eher ein Mittel, um den zu kurz gekommenen Schlaf ein wenig nachzuholen. –

Wenn ich einmal darüber nachdenke, wieviel von den Predigten, die ich gehört habe, bei mir wirklich hängengeblieben ist – da ist nicht das allermeiste. Ich weiß nicht mehr, was mein Heimatpastor zu meiner Erstkommunion gepredigt hat. Ich kann überhaupt nicht mehr sagen, was Weihbischof Laurenz Böggering in der hl. Messe gepredigt hat, in der ich gefirmt wurde. Die Predigten zu meiner Weihe zum Diakon und zum Priester sind zum Glück aufgenommen worden, die kann ich mir immer wieder anhören.

Aber nicht deswegen bin ich zu meiner Erstkommunion oder Firmung oder zur Weihe in die Kirche oder in den Dom gekommen, um nur eine Predigt zu hören, und auch nicht allein deswegen sind Sie und seid Ihr heute – vermutlich – in dieser Kirche, sondern wegen etwas anderem.

Was ist dieses „andere“? Es ist, mit einem Wort gesagt, unser Glaube, daß nicht Worte gemacht werden, sondern daß etwas geschieht, daß sich etwas ereignet.

Was meine ich damit? Man muß unterscheiden: Worte, die wir Menschen machen, sind nicht wenig. Ein Wort, zur rechten Zeit gesprochen, kann einen Menschen trösten, ihm Mut machen, ihn stärken. Umgekehrt gibt es Worte, die niederreißen, die Vertrauen zerstören, die verletzen. Es kann eine einzige Bemerkung sein, ein falscher Ton, ein Wort zur falschen Zeit.

Worte haben oft eine große Macht und eine große Wirkung; es gibt Worte, die gehen in die Geschichte ein.

Doch das alles ist wenig, ganz wenig, im Vergleich zu dem Wort, das Gott selber spricht. Wenn Menschen sprechen, können sie viel: sie können verändern, beeinflussen, informieren. – Aber sie können eins nicht: sie können nicht etwas schaffen, was vorher nicht da war. Das kann nur Gott. Und das tut er auch. Er spricht: „Es werde Licht“, und es wird Licht. Gott spricht, und es geschieht. Er ruft ins Dasein, und etwas wird geschaffen.

Das Wort, das Gott spricht, ist also nicht nur Botschaft oder Mitteilung, sondern es ist Schöpfung, Wille, Ereignis. Es schafft Wirklichkeit.

Ich glaube, das müssen wir bedenken, wenn wir heute zwar nicht den Inhalt der Predigt vernehmen, die Jesus damals vom Boot aus gehalten hat, aber erfahren, was sich dann ereignet hat: Simon Petrus folgt, entgegen aller Erfahrung als Fischer, dem Befehl Jesu, noch einmal hinauszufahren, er fährt mit seinen Begleitern eine gewaltige Menge Fische ein, und er empfängt von Christus das Wort: „Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen“ (Lk 5,10).

Dieses Wort ist nicht ein Befehl, eine Erwartung, ein frommer Wunsch. Dieses Wort schafft eine neue Wirklichkeit. Aus Simon, dem Fischer auf dem See Genesareth, wird Petrus, der erste Menschenfischer auf den Meeren dieser Welt. Aus Simon, der gewohnt war, seine Fische zu verkaufen, um damit sich und seine Familie zu ernähren, wird ein Mensch, der sich ganz und gar der Vorsehung und der Führung durch seinen neuen Herrn hingibt, um Menschen für das Reich Gottes zu gewinnen – nicht durch ein Netz, das gefangennimmt und die Freiheit raubt, sondern durch ein Netz anderer Art, das auffängt, trägt und den hält, der ohne dieses Netz ins Bodenlose fallen würde.

Und Simon Petrus und die anderen Apostel und Jünger werden zu Trägern eines Wortes, das sie nicht selber gemacht haben, sondern das sie empfangen haben und bewahren. Das ist das Geheimnis und das Wesen der Sendung, die von Christus ausgeht: Christus selbst will in Menschen sprechen und gehört werden, nicht nur damals, vor 2000 Jahren, sondern auch heute. Nicht nur in Galiläa und in Jerusalem, sondern auch in Berlin, New York, in Düsseldorf und in Grafenwald.

Jeder, der beginnt, im Namen und im Auftrag der Kirche zu sprechen, muß sich immer bewußt sein, daß es nicht seine Worte sind, die er zu den Menschen spricht, sondern die Worte Christi. – Und wenn er sich wirklich dafür zur Verfügung stellt, für diesen wunderbaren Dienst, dann kann er auch Worte sagen, die er von sich aus nie zu sagen wagte, Worte wie: „Ich spreche dich los von deinen Sünden“, oder: „Das ist mein Leib – Das ist mein Blut“.

Hier bewirken die Worte, was sie sagen. Hier leuchtet eine neue Wirklichkeit auf, die von Gott kommt, nicht von einem Menschen.

4. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, die Predigt, die Jesus in den Booten der Fischer hält, wird an dieser Stelle gar nicht näher erwähnt. Und offensichtlich hat sie keinen entscheidenden Eindruck auf die Fischer gemacht, ihr Leben nicht von Grund auf verändert. Zumindest wird da nichts von berichtet.

Wenn man einmal näher in die Heiligen Schrift hineinschaut, so entdeckt man darin einen Grundzug: Durch seine Predigt fasziniert Jesus zwar die Menschen, stimmt sie nachdenklich und hilft ihnen, über ihren Glauben und ihr Leben nachzudenken. Bekehrungen aber geschehen dadurch nur ganz wenige.

Auch bei den Fischern, die Jesus vermutlich genauso zugehört haben wie die Menge der Menschen, hat die Predigt noch keine innere Revolution ausgelöst. Aber immerhin sind sie so angetan von dem, was Jesus sagt, dass sie ihm nicht widersprechen, als er zu ihnen sagt: «Fahrt hinaus!»

Nur - damit haben sie sich auf etwas eingelassen, wo sie nicht mehr herauskommen. Denn jetzt erfahren sie, wer dieser Jesus ist: Eben nicht nur ein Prediger; nicht nur einer, der eine neue Lehre zu verkünden hat; nicht nur ein Entdecker von neuen Lebensweisheiten - sondern einer, der mein Leben verändern kann, weil er alles bewirken kann.

So gewinnt Jesus auch an den vielen anderen Stellen im Neuen Testament seine Jünger: Indem er nicht viele Worte macht, sondern indem er in das Leben der Menschen eingreift, es verändert. Indem er heilt, hilft, rettet und befreit. Bekehrungen geschehen nicht durch Worte allein - auch nicht durch meine Worte hier - sondern durch die Begegnung mit dem, der mein Leben in der Hand hält.

Und das ist dem Petrus eindeutig zu viel. Jesu Predigt anhören - das war ja noch in Ordnung. Sich vielleicht hier und da aus der Predigt Jesu ein paar nette Sätze notieren - und dann in Ruhe darüber nachdenken - das geht noch. Aber - sich von diesem Fremden in seiner Arbeit, in seinem Leben beeinflussen lassen - das geht dem Fischer ohne Frage zu weit. «Herr, geh weg von mir!» sagt er - und meint es auch so.

Aber da ist es bereits zu spät. Jesus hat ihnen gezeigt, was Glauben wirklich heißt, was es bedeutet, sich auf diesen Jesus einzulassen: Nämlich hinzunehmen, dass mein Leben vollkommen umgekrempelt wird.

Und vielleicht haben wir davor auch so unsere Ängste. Im Gottesdienst sich ein paar nette Worte anhören - das eine oder das andere erwägen, darüber nachdenken, und, wenn es uns auskommt, es auch beherzigen, das mag ja noch angehen. Aber Gott persönlich begegnen - sich ihm überlassen, ihm ausliefern, das liegt uns dann doch nicht so.

Aber Gott weiß, dass uns das nicht so liegt, dass es nur allzu menschlich ist, sich vor dem zu fürchten, was wir nicht kennen und was Gott mit uns vorhaben könnte. Und deshalb sagt er dem Petrus und auch uns: «Fürchte dich nicht!»

Fürchten Sie sich nicht, sich diesem Gott anzuvertrauen und ihn in ihrem Leben wirken zu lassen. Fürchten Sie sich nicht, denn Gott meint es nur gut mit uns. Amen.

5. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

manchmal glauben wir, die Berufung der Jünger, von der wir gerade gehört haben, sei ein Ereignis wie ein Blitz im Leben. Zuvor noch nie gesehen - und plötzlich gefangen im Netz des Glaubens. Wir schreiben der Ausstrahlung Jesu unglaubliches zu, weil wir immer wieder annehmen, Jesu würde seine Jünger schon beim ersten Treffen herausfordern, ihr Leben zu ändern.

Wer aber die Berufungsgeschichten im Zusammenhang des ganzen Evangeliums liest, der entdeckt, dass Jesus schon zuvor mit Petrus und den anderen Jüngern unterwegs war: Auf der Hochzeit zu Kana haben sie gemeinsam gefeiert, zwischendurch hat Jesus sogar einige Zeit bei Petrus gewohnt und dessen Schwiegermutter geheilt, es sind bereits Wunder geschehen und Jesus hat dadurch - und durch seine Predigten - für einiges Aufsehen gesorgt.

Aber erst nach diesem langsamen Bekanntwerden mit dem Messias erfolgt die Berufung. Keineswegs haben die zukünftigen Apostel - in einem Anflug von Liebe auf den ersten Blick - alles stehen und liegen gelassen. Jesus hat ihnen vielmehr Zeit gegeben, ihn kennen zu lernen, sich mit dem Gedanken, vielleicht doch ein anderes Leben zu leben, vertraut zu machen. Jesus hat Geduld.

Liebe Schwestern und Brüder, nachdem J. R .R. Tolkien sein Jahrhundertwerk, "Der Herr der Ringe" geschrieben hat - ein Roman, der nur so vor Helden und heldenhaften Handlungen strotzt -, hat er in einem Interview einmal gesagt, dass es auch in der realen Welt Zeiten gibt, in der wir zu heldenhaften aufgerufen sind. Diesen Ruf zum Helden hört aber nur der, der den größten Teil seiner Zeit zuvor damit verbringt, die Treue im Alltäglichen zu leben. Diese innere Bereitschaft, jetzt schon das nötige zu tun, ist die Vorraussetzung, um auch zu großem fähig zu sein.
Die Apostel sind nicht willkürlich ausgewählt. Auch Jesus hat Gelegenheit gehabt, sie in Ruhe kennen zu lernen. Und er ruft die zu Großem, die bereits vorher bereit waren, im Alltäglichen treu zu sein.

Auch wir sind von Gott angesprochen. Vielleicht liegt das große Heldenstück noch vor uns. Vielleicht hat Gott uns dazu noch nicht gerufen. Aber wir können diesen Ruf nur hören - und dann den Mut haben, ihm zu folgen, wenn wir bereits jetzt aufmerksam sind; auf Gott schauen, ihm zuhören und nahe sind.

Vielleicht wird einmal ein wildfremder Mensch vor uns in Tränen ausbrechen. Dann gehört für unsereiner aller Mut der Welt dazu, darin den Ruf Gottes zu erkennen. Denn mit Sicherheit werden wir, wie Petrus, im Inneren alle möglichen Ausreden erfinden: «Wer bin ich schon, dass ich mich da einmische? Vielleicht will der keine Hilfe? Vielleicht mache ich alles nur noch schlimmer? Vielleicht störe ich nur? Warum gerade ich? Spiele ich mich dadurch nicht auf? Es gibt doch so viele andere...!»

Doch die Antwort Jesu gilt auch für uns: Fürchte dich nicht, meinen Ruf zu folgen. Er wird kommen, der Ruf: Durch jemand, der in Not gerät - und keiner traut sich, Hilfe anzubieten. Durch jemand, der verlassen wird - und keiner weiß, ob er Gesellschaft braucht. Durch jemand, der in Schuld gerät - und keiner weiß, ob man ihm noch trauen kann. Durch jemand, der mir fremd ist - und ich nicht weiß, ob ich überhaupt erwünscht bin. Durch jemand, der nicht die Kraft hat, um Hilfe zu bitten - und ich nicht weiß, ob ich überhaupt helfen kann. Dann sind Helden gefragt. Apostel, die allein schon durch die Umstände den Ruf Gottes erkennen und nicht auf eine extra Aufforderung warten.

Das kann nur der, der jetzt schon an seiner Bereitschaft arbeitet. Der sich nicht zu schade ist, im kleinen an seinen eigenen Ängsten zu arbeiten, sich hier und dort zu blamieren. Der weniger um seinen Ruf als vielmehr um seine Mitmenschen bemüht ist. Der sich bemüht, die Menschenfurcht abzulegen. Der nicht danach fragt, was alles sein könnte, sondern der tut, was er für gut hält. Das sind Apostel, die wir brauchen. Amen.

Fürbitten