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Predigtvorschläge - 11. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C)
1. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

Nicht auszurotten ist der Hang des Menschen, über abwesende Dritte zu reden und insbesondere über deren wirkliche oder vermeintliche Fehler herzuziehen. Warum tun die Menschen das so gerne? Die anderen? Nur die anderen? Oder sollte ich mich selbst lieber gleich mit einschließen?

Daß solcher ehrabschneiderische Tratsch nicht okay ist, fällt uns nur selten auf, meistens haben wir dabei sogar ein gutes Gewissen. Woran liegt das? Ich denke, es liegt daran, weil wir tief in unserem Unterbewußtsein spüren, daß wir keineswegs völlig okay sind, daß unser moralischer Zustand ungefestigt ist und daß es viele Schwachstellen gibt, die besser nicht ans Tageslicht kommen sollten; wir verdrängen sie. Und eine sehr wirksame Methode der Verdrängung besteht in der Wegwendung der Aufmerksamkeit auf die Schwächen und Fehler anderer. So räsonieren wir gerne ungefähr so: „Solange es noch Menschen gibt, die schlechter sind als ich, brauche ich mir um mich selbst keine Sorgen zu machen, und habe ich keinen Grund, mich zu ändern und zu bekehren.“

Jesus hat im Beispiel vom Pharisäer und Zöllner im Tempel diese selbstgerechte Denkweise treffsicher auf den Punkt gebracht: „Gott, ich danke dir, daß ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.“ (Lk 18,11) Ganz genauso denkt auch der Pharisäer Simon, bei dem Jesus zum Essen eingeladen ist und der ganz sicher kein schlechter Mensch war, vielmehr ein zu Recht angesehener Mann. Ihm war gar nicht aufgefallen, daß er es an den gebührenden Höflichkeitserweisen Jesus gegenüber hatte fehlen lassen. Da kam ihm die Frau gerade recht, die vermutlich stadtbekannte Sünderin, die in wunderbarer Weise von seinen eigenen Versäumnissen ablenken konnte. Ich vermute, daß in ganz ähnlicher Weise den CSU-Politikern Beckstein und Huber und die außereheliche Affäre des Gesundheitsministers zupaß kam, um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen.

Aber wichtiger noch als die moralische Frage nach Schuld und Entschuldigung ist die theologische Frage nach unserem Stand vor Gott. Im Beispiel vom Pharisäer und Zöllner sagt Jesus: „Ich sage euch: Der Zöllner kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Lk 18,12) Dem Pharisäer Simon gibt er eine ähnliche Lehre: „Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie (mir) so viel Liebe gezeigt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe.“ (Lk 7,47)

Jesus wird nicht müde, ein Bild von Gott zu zeichnen, das es wirklich verdient, Frohe Botschaft genannt zu werden. Die Sünderin hat Jesus vermutlich schon vorher erlebt: als wortgewaltigen Prediger, als barmherzigen Helfer in der Not und als eine Persönlichkeit mit einer Ausstrahlung, die gerade die in ihrem Selbstwertgefühl zutiefst erniedrigten Sünder anzog und sie erkennen ließ, daß er ihr Leben grundlegend wenden konnte. Wir können uns ausmalen, was die Begegnung mit diesem Mann für sie bedeutete: Endlich einer, der sie annimmt, der sie nicht wegstößt, der ihr wieder Hoffnung gibt, aus der Verlorenheit ihrer Existenz herauszukommen! Jedenfalls erfaßte diese Frau in der Begegnung mit Jesus, daß die Liebe, von der die Schriftgelehrten in blutleeren Worten und abstrakten Prinzipien redeten, ohne sie in der Praxis zu üben, wirklich existiert und daß sie tatsächlich schöner und erhebender ist als die Art von Liebe, der sie sich bisher hingegeben hatte.

Da erwacht ihr Glaube und leitet nun die ganze Leidenschaft und Liebeskraft dieser Frau in ganz neue Bahnen. Sie durchbricht alle Schranken der Zurückhaltung und nähert sich Jesus beim Gastmahl, um ihm ihre dankbare Liebe zu zeigen. Obwohl ihr Vorhaben zutiefst peinlich und anstößig ist, führt sie es aus und nimmt die damit verbundene Demütigung in Kauf, und Jesus, dessen Freiheit durch keine falschen Rücksichten gebunden ist, läßt es geschehen, womit er schon wortlos andeutet, daß er die Liebe dieser Frau annimmt. Jesus bleibt souverän, obwohl er spürt, was in Simon vorgeht, daß dieser nun auch über ihn schlecht denken wird. Feinfühlig lenkt er das Gespräch von der Frau ab und versachtlicht es, und so schützt er sehr geschickt die Intimsphäre der Frau. Er gibt zu verstehen: Ihre Schuld und Reue gehen keinen von euch etwas an.

Das Gleichnis von den beiden Schuldnern soll den theologisch geschulten Pharisäer zur Einsicht führen, daß Gottes Barmherzigkeit bald größer, bald geringer ist – je nach der Größe der Schuld, daß sie aber immer ein Geschenk ist und als solches dankbare Gegenliebe erweckt. So lädt er den Pharisäer ein, einzustimmen in die dankbare Freude der Frau, ähnlich wie der Bruder des verlorenen Sohns sich freuen soll, daß der Verlorene wiedergefunden wurde.

Aber diese Art zu denken, ist neu und ungewohnt für Simon und neu auch noch für uns Christen heute. Schadenfreude ist auch für uns noch die reinste Freude, und Freude über die Umkehr eines Sünders fast nur aus den Heiligenviten bekannt.

Die Botschaft Jesu ist nie nur theoretisch gemeint. Sie betrifft unser Handeln, sie appelliert an unsere Liebe. Sucht nicht, vor den anderen als Gerechte dazustehen, indem ihr mit Fingern auf andere zeigt und euch an ihrem Schaden freut, sondern handelt wie Jesus, indem ihr die Schuld der anderen zudeckt und euch nur über das, was gut ist, freut!

2. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,
geht es ihnen auch manchmal so, dass sie vor der Beichte, bei einem Bußgottesdienst oder bei einer Gewissenserforschung, nicht genau wissen, was Sie überhaupt beichten sollen. Da greifen wir schnell zu den Gebotssammlungen und gehen die Gebote in Gedanken durch, um uns zu fragen, gegen welche wir den verstoßen haben. Und schon sind wir auf dem falschen Weg. Denn die Sünde besteht eben nicht darin, dass wir einfach nur gegen Regeln verstoßen hätten.

Wir glauben das gerne. Aber das würde bedeuten, dass Gut und Böse einfach nur Markierungen sind, die von Gott, einem menschlichen Gesetzgeber, oder mir selbst gesetzt wurden - sozusagen als Wegmarkierungen für einen gewählten, aber im Grunde beliebigen Weg. Ich spreche zum Beispiel von Sünde, wenn ich mich an meinen eigenen Diätregeln nicht gehalten habe. Ob ich aber überhaupt Diät halten will, habe ich selbst festgelegt - und das bleibt meine freie Entscheidung. Oder ich spreche von Sünde im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr (einem Verkehrssünder), wenn er sich an die vom Gesetzgeber vorgegebenen Regeln und Gefahreneinschätzungen nicht hält. Wir sprechen gelegentlich auch von Sünde, wenn jemand gegen ein göttliches Gebot verstoßen hat - aber das ist selten.

Kein Wunder dass wir uns an unsere Sünden unter diesen Umständen nicht richtig erinnern können. Denn wir haben unter diesen Umständen nicht automatisch ein schlechtes Gewissen, sondern wir müssen uns das schlechte Gewissen erst anerziehern, in dem wir immer unser Verhalten mit den gegebenen Regeln und Geboten vergleichen. Sehr mühsam. Und auch nicht sehr hilfreich.

In Wirklichkeit ist Sünde aber kein Regelverstoß. In Wirklichkeit ist Sünde immer Lieblosigkeit; mangelnde Liebe, Gehässigkeit, Missbrauch und Benutzen anderer Menschen für meine eigenen Interessen.
Wir wissen nicht welche Sünde die Sünderin im Evangelium begangen hat. Wir denken (aus einem nicht bekannten Grund) schnell an Prostitution. In Wirklichkeit könnte die Frau aber alle möglichen Sünden begangen haben: Sie könnte eine Intrigantin sein; oder eine Grundbesitzerin, die ihre Untergebenen misshandelt. Vielleicht hat sie ein Lügengewebe gesponnen und über die Stadt ausgebreitet. Vielleicht hetzt sie Leute gegeneinander auf und zerstört so Existenzen. In jedem dieser vermuteten Fälle liegt ihre Sünde in ihrerer mangelnden Beziehungsfähigkeit. Darin, dass sie nicht bereit ist, wahre Beziehungen aufzubauen, die darin bestehen, den Anderen gelten zu lassen. Lieb heißt, das Wohl des anderen zu suchen. Sünde heißt, den anderen für sein eigenes Wohl einzuspannen. Pläne zu schmieden, in denen andere nur dann eine Rolle spielen, wenn sie mir nützen.

Die Busse bei Regelverstößen liegt darin, ein Bußgeld zu zahlen, ins Gefängnis zu kommen und uns vor allem demnächst noch viel besser an die Regeln zu halten. Die Konsequenz unserer Lieblosigkeit liegt dagegen darin, dass wir die Beziehungen, die wir zerstört haben, nun wieder aufbauen müssen. Das ist allerdings viel mühsamer als zuvor, denn wir müssen mit viel Vertrauen andern Menschen begegnen, die leider berechtigterweise uns zunächst misstrauen.
Und genau das tut die Sünderin. Sie nimmt das Kostbarste was sie hat - ein Alabastergefäß mit Öl -, und opfert es für Jesus. In aller Öffentlichkeit tut sie etwas, von dem sie nicht den geringsten Nutzen hat. Ganz im Gegenteil: es wird ihr sogar noch angekreidet; die anderen Gäste lästern über sie. Aber es geht ihr nicht um den persönlichen Nutzen. Ganz voller Liebe fragt sie nicht, ob sie etwas von dieser Tat hat. Es geht ihr nur darum, Liebe zu zeigen, weil sie so oft und so häufig Liebe verweigert hat.

Wenn wir also uns vor einer Beichte, in einem Bussgottesdienst oder einer Gewissenserforschung unserer eigenen Sündhaftigkeit nähern wollen, fragen wir: In welchen Beziehungen leben wir? Wo sind wir Liebe schuldig geblieben? Wem gegenüber waren wir lieblos? Zu wem haben wir Beziehungen abgebrochen, oder zumindest Beziehungen geschädigt?
Und wir sollten uns ernsthaft fragen ob es nicht notwendig ist, sowie die Sünderin die Wiedergutmachung öffentlich zu zeigen. Denn unsere Sünden ziehen Kreise des Misstrauens, ermutigen andere ebenfalls zu betrügen und zu lügen, oder schüren in ihnen die Angst betrogen und belogen zu werden. Man erzählt sich davon, dass Beziehungen meinetwegen zerbrochen sind, man hat Angst um seine eigene Beziehung und vielleicht Misstrauen mir gegenüber.

Die Sünderin hat Jesus nicht nachts oder im Privaten aufgesucht, sondern in aller Öffentlichkeit. Sie wollte deutlich machen, dass das, was sie in aller Öffentlichkeit Gott angetan hat, nun auch öffentlich wiedergutmacht. Damit macht sie den Menschen Mut, ihren eigenen Weg der Umkehr zu gehen, das Vertrauen zu den Menschen zurückzugewinnen, von denen sie missbraucht und belogen wurden. "Wenn die Sünderin sich bekehren kann, dann vielleicht auch der, der sich mir gegenüber schuldig gemacht hat."

Wie gewinnen auch Vertrauen in das Unsichtbare zurück. Einem Polizisten ist egal, ob wir uns wünschen über eine rote Ampel zu fahren. Hauptsache ist, dass wir es nicht tun. Einem Polizistengott, der nur nach Geboten und Regeln fragt, ist es egal was wir denken und fühlen. Ihn interessiert nur, was wir wirklich tun.

In einer Liebesbeziehung ist aber nicht unwichtig, ob ich in Gedanken lieber mit jemand anderem verheiratet wäre. Oder ob ich meinen Ehemann oder meine Ehefrau am liebsten tot sähe. In einer Liebesbeziehung ist vielleicht sogar das, was Beweggrund für eine Tat ist und sich vor der Tat im Herzen des Menschen abspielt, viel wichtiger als die Tat selbst. So sind betrogene Liebende viel enttäuschter über die Gefühlswelt dessen, der sie betrügt, als über den Seitensprung selbst.

Gott möchte aber kein Polizist sein, sondern eine Liebesbeziehung zu uns knüpfen. Er möchte nicht, dass wir uns nur einfach an Seine Gebote halten, sondern Er möchte unser Herz. Er schenkt uns die Liebe, die nötig ist, damit wir in unserer Beziehung Ihm gegenüber keine Ängste mehr haben. Er möchte, dass wir Ihm vertrauen - grenzenlos und furchtlos. Deshalb verzeiht er uns schon, bevor wir gesündigt haben und ermöglicht uns so diese Liebe zu erwidern. Ja, er schenkt uns sogar die Liebe, mit der wir ihm selbst wieder begegnen können, um unsere Schuld wiedergutzumachen. Unsere Liebesschuld. Diese Liebe, die er uns schenkt, ist Jesus Christus persönlich. Amen.

3. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

an verschiedenen Stellen im Bericht über das Wirken Jesu wird davon gesprochen, dass Jesus Sünden vergibt - und dass dadurch viele Menschen Anstoß an ihm nehmen. Dass Jesus heilt, er den Menschen von der Liebe Gottes erzählt, Gutes tut und das Reich Gottes verkündet - okay. Aber in dem Augenblick, indem er von der Vergebung der Sünden spricht, gehen oft die Wogen hoch - wer ist der, der sich in das Privateste der Menschen einmischt? In Ihrer Verfehlungen Gott gegenüber?

Ist denn die Sünde nicht Privatsache zwischen Gott und dem Menschen? Was hat sich Jesus dort einzumischen?

Liebe Schwestern und Brüder, wir denken heute auch nicht viel anders. Unsere Schwäche, unsere Verfehlungen sind uns peinlich, und deshalb machen wir sie am liebsten direkt mit Gott ab. Was sollen wir da noch eine Vermittlung suchen? Das bedeutet ja nur, auch noch jemanden anderem gegenüber einzugestehen, dass wir etwas getan haben, für das wir uns schämen. Lieber machen wir das mit Gott aus.

Nur, dass heute noch bei vielen Menschen das Bewusstsein hinzukommt, dass wir eigentlich gar nicht mehr richtig sündigen. So schlecht sind wir doch gar nicht. Und die paar Fehler sind eben nur menschlich.

Wir vergessen dabei aber leicht, dass verzeihen und vergeben eine der schönsten Formen der Liebe ist. Und mit dem Verschwinden des Sündenbewusstseins und mit dem Verschwinden der ehrlichen Aussprache und Vergebung bringen wir uns um die tiefsten Liebes-Erfahrungen unseres Lebens.

Das, was die Sünderin im Evangelium tut, geht unter die Haut. Jesus vergleicht ihr Verhalten mit dem des Gastgebers, und er macht ganz deutlich, dass ihre Reue ihm viel kostbarer ist, als die gepflegte Gastfreundschaft des Pharisäers.

Dabei verharmlost Jesus das Sündenregister der Frau nicht. Ganz im Gegenteil: Er spricht sie an und redet von den vielen Sünden, die sie begangen hat. Aber er sagt eben auch: Deine Sünden sind dir vergeben.

Jesus hat nie die Sünde verharmlost; sie war für ihn immer das größte Übel, die schlimmste Krankheit. Aber er war gut zu den Sündern und hat ihnen die Vergebung zugesprochen, die ihnen von anderen verweigert wurde. Er hat den Sündern nicht gesagt, dass alles nicht so schlimm sei. Und gerade deshalb mischt er sich ein in das angeblich private Verhältnis des Sünders zu Gott: Weil er derjenige ist, der Gottes Liebe den Menschen erfahrbar macht.

Jesus begnügt sich nicht nur damit, den Armen und Kranken Menschen Gottes Liebe zu predigen. Er heilt sie.
Jesus begnügt sich nicht nur damit, den Schwachen und Sündern Gottes Vergebung zu predigen. Er spricht ihnen diese Vergebung zu.

Wir Menschen brauchen diese Erfahrung. Wer heiratet, begnügt sich auch nicht mit dem einen Jawort in der Kirche, sondern für die Ehe ist lebensnotwendig, einander immer wieder zu sagen: Ich liebe dich.

Wir berauben uns selbst, indem wir unsere Schwäche zur Privatsache erklären und die Kirche außen vor lassen. Wenn unser Glaube konkret bleiben soll, muss uns auch jemand sagen, dass Gott mir die Sünden vergibt.
Wir berauben uns selbst, indem wir unsere Schwäche nicht wahr haben wollen. Das Wort Sünde kommt vom Wort sich absondern. Jeder, der sich von Gott oder von den Menschen absondert, der sündigt. Nur wer liebt, überwindet diese Spaltung, diesen Graben, der sich auftut; oft genug in uns selbst.
Wer aber seine Fehler einsieht und erkennt, der kann gerade dadurch zu noch größerer Liebe heranreifen - sowohl den Menschen gegenüber, als auch Gott gegenüber.
Berauben sie sich nicht selber dieser Erfahrung, dieser Möglichkeit, über sich selbst hinauszuwachsen. Und berauben sie sich nicht der Erfahrung, die Vergebung Gottes - und damit die Liebe Gottes - ganz persönlich zugesprochen zu bekommen. Amen.

4. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

liebt Gott eigentlich alle Menschen gleich?

Es gibt das Gerücht, und es hält sich hartnäckig: Gott liebt auch den größten Sünder; ja, vielleicht sogar noch etwas mehr als die anderen, die nicht so viel auf dem Kerbholz haben.

Eigentlich seltsam, finden sie nicht? Da verehren wir große Heilige, die ihr Leben ganz und gar in Gottes Dienst gestellt haben; und behaupten gleichzeitig, dass Gott diese Menschen auch nicht mehr liebt als Verbrecher, Mörder und Vergewaltiger.

Liebt Gott wirklich alle Menschen gleich?

Wenn Gott alle Menschen liebt, warum dann noch Religion? Warum dann noch Opfer, Gottesdienst und Gebet? Gut - vielleicht deshalb, damit unsere Liebe zu Gott einen Ausdruck findet. Aber machen wir uns nichts vor: Wir kommen ja nicht immer mit frohem, überquellendem Herzen zu Gott und freuen uns auf den Gottesdienst. Manchmal müssen wir uns selbst zur Kirche schieben und zum Gebet aufraffen; damit unsere Liebe zu IHM nicht erlischt.

Aber warum? Reicht es denn nicht, wenn er uns liebt? Er wird uns doch all unsere Sünden vergeben, so wie der Sünderin im heutigen Evangelium. Wenn Gott alle Menschen liebt, dann brauchen wir doch nur das tun, was wir wollen. Gott liebt uns.

Anscheinend haben wir da ein Dilemma: Auf der einen Seite klingt es ungeheuerlich, wenn wir behaupten würden, Gott liebt nicht alle Menschen. Denn dann käme doch sofort die Frage: Wenn liebt er denn?
Auf der anderen Seite führt die Behauptung, dass Gott alle Menschen liebt, in der Konsequenz zu einem Laxismus: Dann brauchen wir doch nichts mehr tun...

Und wie so oft hilft in diesem Dilemma die genaue Unterscheidung: Denn es ist ja auch bei uns Menschen so, dass Liebe nicht immer erwidert wird. Auch wenn ich einem Menschen mit Liebe begegne, kann nicht immer von einer Liebesbeziehung gesprochen werden. Würde ich einem Menschen, der meine Liebe nicht will, trotzdem meine Zärtlichkeiten aufdrängen, so käme ich ins Gefängnis. Liebe als Grundhaltung kann ich jedem Menschen entgegenbringen, aber jeder, dessen Liebe zurückgewiesen worden ist, wird bestätigen, dass Liebe danach verlangt, ein Geschehen zu sein. Liebe als ein Geschehen setzt aber die Bereitschaft auf beiden Seiten voraus.

Gott möchte sehr wohl alle Menschen lieben; er ist die Liebe und ist jedem Menschen in Liebe zugetan. Aber ein Liebesgeschehen, eine Liebesbeziehung kommt nur zustande, wenn auch der Mensch sich öffnet. Auch seine Gnade, die göttlichen Zärtlichkeiten, wird er uns nur schenken, wenn wir es wollen und ihn darum bitten. Sonst wäre er kein Gott, und vor allem keine liebender Gott.

Menschen, die sich von Gott abwenden, seine Liebe und Verzeihung nicht wollen, werden von Gott weniger geliebt. Es geschieht einfach weniger. Gott respektiert diese Entscheidung; er leidet darunter, er sehnt sich danach, dass seine Liebe auch in die Tat umgesetzt wird. Es gibt keinen größeren Schmerz für Gott, als wenn diese Liebe zu einem Menschen für alle Zeiten unerfüllt bleibt.

Aber genauso gilt, liebe Schwestern und Brüder, dass es für Gott keine größere Freude gibt, als wenn ein Mensch sich endlich öffnet und mit Gott das Leben neu beginnt. Glauben Sie mir, Gottes Freude darüber ist unbeschreiblich.

Amen.

5. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

Das Beispiel, welches die Lesung heute von König David überliefert, ist ja mal wieder typisch für die Menschen. Den reichen Mann, der dem Armen ein Schaf stiehlt, verurteilt er schnell und heftig: er verdient den Tod, sagt David. Doch daß er selbst dieser Mann ist, der noch viel schlimmeres getan hat, sieht er nicht. Darauf muß ihn Gottes Prophet Natan erst aufmerksam machen. Er selbst hat einen Mann umbringen lassen, damit er dessen Frau heiraten kann. Den Splitter im Auge des anderen sieht man schnell, doch den Balken im eigenen Auge übersieht man leicht.

Ganz ähnlich die Geschichte im heutigen Evangelium: Nur müssen wir da etwas genauer hinschauen, um dieses Bild in aller Deutlichkeit zu entdecken.

Schauen wir zunächst auf die Sünderin. Es handelt sich dabei aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Prostituierte. Sie betritt heimlich von hinten das Haus des angesehenen Pharisäers, was ihr als Sünderin nicht erlaubt ist. Doch sie riskiert alles, um zu Jesus zu gelangen. Sie schleicht sich von hinten heran. In seiner Gegenwart, also vor Gottes Angesicht, beginnt sie einfach zu weinen. Sie findet keine Worte, sondern ihr wird ihre Schuld so bewußt, daß ihr die Tränen kommen. Dann wäscht sie Jesus mit ihren Tränen die Füße, ein Zeichen äußerster Demut, wie wir es ja auch von der Fußwaschung Jesu beim letzten Abendmahl her kennen. Dann trocknet sie seine Füße mit ihrem Haar. Dazu muß sie ihr Haar öffnen, was Frauen damals nur für ihren Liebsten taten. Sie schenkt Jesus also ihre ganze Liebe, was auch durch ihr unablässiges Küssen seiner Füße deutlich wird. Und schließlich salbt sie ihn noch mit kostbarem Öl, ein Zeichen der höchsten Verehrung.

Lassen sie uns nun einen tieferen Blick auf den Pharisäer Simon werfen. Er ist ein angesehener Mann, der regelmäßig in die Synagoge geht, regelmäßig sein Gebet verrichtet, den zehnten Teil seines Einkommens für soziale Zwecke gibt. Kurz gesagt: er ist sich keiner Schuld bewußt und hat es sich erlaubt diesen viel gefragten Jesus einzuladen, den er nun anständig bewirtet.

Und da kommt ihm nun diese Frau dazwischen, die es wagt, seinen Gast zu belästigen, wo sie doch eine schwere Sünderin ist.

Und nun kommt Jesus ins Spiel. Er erkennt die Gedanken des Simon und weist ihn zurecht. Diese Frau, die sicherlich eine große Sünde getan hat, bittet durch ihr Verhalten um Vergebung. Er jedoch, der sich keiner Schuld bewußt ist, hat nichts dergleichen getan. "Als ich in dein Haus kam, hast du mir kein Wasser zum Waschen der Füße gegeben;" wie es damals bei verehrten Persönlichkeiten durchaus üblich war, " sie aber hat ... Deine Sünden sind dir vergeben."

Die Sünderin zeigt durch ihr Verhalten Reue, und erlangt Vergebung. König David bittet Gott um Vergebung und bekommt diese sofort zugesprochen. Und wir? Sitzen wir nur dumm herum, wie Simon, der Pharisäer, der sich keiner Schuld bewußt ist? Oder wagen wir das Wort des König David "Ich habe gegen den Herrn gesündigt"?

Wenn wir dieses Wort wagen, wenn wir Reue zeigen, ist Gott sofort bereit, uns zu vergeben. Amen.

Fürbitten