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Predigtvorschläge - Glaube - Hoffnung - Liebe
1. Predigtvorschlag

1. Glaube - Ursprung: Predigt zum 2. Ostersonntag (A)

Liebe Gemeinde!

Die Osterzeit bietet uns in ihren Sonntagslesungen vielfältige Möglichkeiten zur Vertiefung unserer Gottesbeziehung. Ich möchte dieses Angebot nutzen und Ihre Aufmerksamkeit auf eine typisch christliche Überzeugung richten, die leider in Vergessenheit zu geraten droht: die Überzeugung, daß unsere Gottesbeziehung nur von Gott selbst hergestellt werden kann, von uns Menschen hingegen nicht; das einzige, was wir können, ist, dazu in Freiheit Ja zu sagen und mitzuwirken mit dem zuvorkommenden Gott.

Die Beziehung, die wir Erdenbürger zu Gott haben, ist aber dreifältig, sie verwirklicht sich in drei Grundakten, im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. Glaube, Hoffnung und Liebe werden als "göttliche Tugenden" bezeichnet; sie heißen so, weil wir sie nicht haben können, ohne daß Gott sie uns schenkt, d.h. ohne daß er unserem eigenen Akt des Glaubens, Hoffens oder Liebens schon zuvorgekommen ist, um ihn zu ermöglichen.

Heute und an den kommenden Sonntagen möchte ich also über diese drei Tugenden sprechen. Ich beginne mit dem Glauben. Ich spreche nicht in erster Linie über den Inhalt des Glaubens, sondern darüber, was es bedeutet, daß der Glaube eine göttliche Tugend ist, und was wir Menschen für unseren Glauben tun können und sollen.
Nach wie vor gibt es in der Bundesrepublik eine Mehrheit, die sagt: "Ich glaube an Gott." Für viele besagt dies aber nicht eben viel; sie haben eine diffuse Vorstellung, daß es jenseits der sichtbaren Welt noch etwas Anderes geben muß, eine Macht, die darüber steht. Wenn sie sagen "Ich glaube...", dann sagen sie nicht mehr als: "Ich nehme an, ich könnte mir vorstellen..." Für ihr Leben hat das weiter keine Bedeutung. Sie werden auch nicht beunruhigt durch Menschen, die sagen: Ich nehme das nicht an, ich glaube nicht, oder ich glaube nur, was ich sehe. In ähnlicher Weise können zwei Mediziner verschiedener Meinung darüber sein, ob ein bestimmtes Krankheitssymptom durch einen unbekannten Erreger ausgelöst wird oder durch eine interne Ursache. Wenn der eine sagt: "Ich glaube an einen externen Erreger", dann nimmt er an, daß man diesen vielleicht nachweisen wird; aber wenn man es nicht kann, dann ist es für ihn auch okay.

Offensichtlich ist dieses Modell für den Glauben absolut unpassend. Ich glaube nicht so an Gott, wie ein Mediziner einen noch unbekannten Erreger vermutet. Im Gegenteil: Mein Glaube setzt eine gewisse Bekanntschaft mit Gott voraus. Er ist eine Antwort auf eine Offenbarung, die Gott uns gemacht hat. "Ich glaube an Gott" ist keine sachhafte Aussage, sondern ein persönlicher Akt, der auf eine Person, nämlich Gott gerichtet ist. Ich meine damit: "Ich glaube dir, Gott, und ich glaube das, was du mir sagst. Ich baue auf dich, ich setze mein Leben auf dich." - Und wenn ich das so verstehe, dann werde ich allerdings doch sehr beunruhigt, wenn andere Menschen in meiner Nähe diesen Glauben nicht mit mir teilen.

Vielleicht fragen sich jetzt einige, wie das zugehen soll, daß wir Gott schon kennen müssen, um an ihn zu glauben. Glauben heißt doch gerade nicht wissen, oder? - Das stimmt, aber so ausgedrückt, bleibt es mißverständlich. Man könnte das so verstehen, als wäre der Glaube fehlendes oder unvollständiges Wissen, eine Theorie, deren letzte Vergewisserung noch aussteht. Aber so ist es gerade nicht: Glauben ist eine andere, vom Wissen unterschiedene Weise, der Wirklichkeit zu begegnen, und zwar der Wirklichkeit, von der alles andere abhängt, der Wirklichkeit Gottes. Ich kann nämlich durchaus etwas über Gott wissen, ohne an ihn zu glauben, so ähnlich wie ich einen Menschen recht gut kennen kann, ohne an ihm interessiert zu sein.

Die Bekanntschaft mit Gott, die für den Glauben vorausgesetzt ist, ist freilich nicht so leicht dingfest zu machen. Sie äußert sich in vielfältigen Erfahrungen, wie sie in Kirchenliedern ausgedrückt werden, z.B.: "Lobet den Herren, der alles so herrlich regieret, der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet, der dich erhält, wie es dir selber gefällt. Hast du nicht dieses verspüret?" - Gott kommt mir zuvor und rührt mich in der Tiefe des Herzens an, und das geschieht auf verschiedenste und unaussprechliche Weise. Meistens ist mir dieses Entgegenkommen Gottes nicht bewußt, aber manchmal doch, und dann erfahre ich Seine Gegenwart, sei es im Gebet, sei es im Gottesdienst, in der Lesung der Heiligen Schrift, sei es im Dienst am Anderen, sei es in der Liebe, die andere mir schenken, oder auch angesichts der Schönheit der Schöpfung.
Aber, so könnten Sie mir entgegenhalten: das sind doch keine echten Erfahrungen der Nähe Gottes, ich deute sie vielleicht so; ich könnte sie auch ganz anders deuten. - Das gebe ich zu. Die genannten Erfahrungen können so und so gedeutet werden. Aber nicht jede Deutung ist gleich angemessen, im Gegenteil: manche Deutungen sind ganz und gar unangemessen. Wenn mich ein Mensch z.B. anlächelt, ist das eine Erfahrung, die ich etwa so deuten kann: dieser Mensch will mir wohl, er teilt mir etwas von seiner Freundlichkeit mit. Ich könnte es aber auch so deuten: Dieser Mensch verstellt sich, er will mich unterschwellig manipulieren. Ebenso kann ich eine religiöse Erfahrung nachträglich verschieden deuten: Bei den Weltjugendtagen machten viele Jugendliche eine Erfahrung der Nähe Gottes; manche von ihnen sagten: hier hat sich mir Gott von einer seiner vielen gütigen Seiten gezeigt. Andere dagegen ließen den Zweifel zu: Warum läßt sich Gott nicht immer so unmittelbar erfahren? Und sie kehrten in den Alltag zurück, ob als nichts gewesen wäre...

Als die Jünger am Ostertag Jesus wiedersahen, war auch dies eine Erfahrung, die einer Deutung bedurfte. Das sehen wir am deutlichsten an der Reaktion des Thomas. Er sagt nämlich zu Jesus: "Mein Herr und mein Gott!" Das war sein Glaubensbekenntnis: "Du, Jesus, bist es, auf den ich fortan mein Leben setze. Dir will ich glauben." Und Jesus entgegnet ihm: "Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig, die nicht sehen und doch glauben." Offensichtlich ist diese Bemerkungen auf uns gemünzt, die wir Jesus nicht sehen können. Gott ist unsichtbar, und auch die Apostel haben Gott nicht gesehen, sondern nur Jesus, der von sich gesagt hat: "Wir mich gesehen hat, hat den Vater gesehen." Diesem Wort haben sie Glauben geschenkt, und so waren sie die ersten gläubigen Christen. Wir aber sehen nicht einmal Jesus. Sind wir also in einer schlechteren Lage als die Apostel? - Ja und nein. Einerseits schon: Denn die Persönlichkeit Jesu war offensichtlich überaus strahlend und vertrauenerweckend, und insofern mußte der Umgang mit IHM den Glauben erleichtern. Andererseits aber auch nicht: Denn auch heute gibt es strahlende und überzeugende Christen, die wir sehen können und die zum Mitglauben einladen. Ja, in gewisser Weise sind wir sogar in einer besseren Lage als die Apostel, weil wir die ganze Kette der Zeugen kennen, die Jesus in 2000 Jahren glaubend gefolgt sind. Wir sehen, was die Jünger nicht sahen: Wie sich sein Gleichnis vom Senfkorn bewahrheitet hat, wie aus einer winzigen Schar eine riesige Kirche gewachsen ist. Wir haben viel weniger Zweifel als die ersten Christen, ob Jesus vielleicht bloß ein Spinner oder Träumer war.

So schauen wir in diesen Tagen besonders auf den Papst als ein unübersehbares Leuchtfeuer des Glaubens. Jetzt wo er das Ende seines Lebens erreicht hat, dringt es plötzlich in das Bewußtsein der Massen: Dieser Mann war nicht nur ein großer Glaubender, er war ein Apostel, wie die Welt seit Paulus keinen gesehen hat. Papst Johannes Paul II. war in seiner Person ein ganz einzigartiger Beweis für das Wort Jesu vom Berge versetzenden Glauben, ein Zeuge des fortlebenden Christus, vor dem jeder Unglaube lächerlich wirkt. Zeit seines Lebens hat dieser Papst angekämpft gegen die verbreitete Unentschlossenheit und Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit, und gegen die Strömung, die er Kultur des Todes genannt hat. Millionen von Menschen haben sich durch sein Zeugnis ansprechen und ermutigen lassen, sich nun gleichfalls auf die Seite des Evangeliums zu stellen, ihr Herz zu geben, d.h. zu glauben.

Der Glaube ist somit zweierlei: eine göttliche Gabe und eine freie Antwort, die wir geben oder auch verweigern können. Worauf es ankommt, ist, daß wir versuchen, unseren Glauben zu vertiefen und ihn stärken zu lassen. "Stärke unseren Glauben" baten schon die Apostel ihren Herrn. So müssen auch wir darum beten, daß Gott unseren Glauben stärkt. Und dabei können und sollen wir mitwirken - indem wir den Glauben praktisch werden lassen. Die erste Praxis des Glaubens ist das Gebet und der Gottesdienst. Wer glaubt, will dem begegnen, auf den er sein Leben baut. Darum ist die andächtig mitgefeierte Eucharistiefeier der erste und wichtigste Ausdruck des Glaubens und zugleich dessen Quelle und Kraft.

2. Predigtvorschlag

2. Hoffnung - Ursprung: 3. Ostersonntag (A)

Liebe Gemeinde!

Es hört sich an wie eine Resignation, wenn Petrus nach dem dramatischen Ende seins Herrn und Freundes Jesus meint: "Kommt, wir gehen wieder fischen!" Und die anderen Jünger sind mit diesem Vorschlag sofort einverstanden und rufen: "Wir kommen auch mit." Ihr Handeln ist verständlich: Sie tun wieder das, was sie gelernt haben, wo sie sich auskennen und verzichten auf die großen Perspektiven für die Zukunft. Sie haben ihren Glauben an Jesus nicht verloren, aber sie sind ohne Hoffnung.
Über diese göttliche Tugend spreche ich heute. In gewisser Weise fällt sie uns modernen Menschen schwerer als der Glaube und die Liebe. Das meint auch Charles PÉGUY:
"Der Glaube, den ich am liebsten mag, sagt Gott, ist die Hoffnung... Der Glaube wundert mich nicht... Ich bin so strahlend sichtbar in meinen Geschöpfen... Daß, um mich nicht zu sehen, diese armen Leute wirklich mit Blindheit geschlagen sein müßten....

Die Liebe, sagt Gott, das wundert mich nicht. … Die Liebe ist ganz natürlich, ... sie ist die erste Bewegung des Herzens.

Aber die Hoffnung, sagt Gott, das verwundert mich wirklich sehr. … Das ist wirklich erstaunlich. Daß diese armen Kinder sehen, wie das alles zugeht, und daß sie glauben, morgen gehe es besser... Das ist verwunderlich, und das ist entschieden das größte Wunder unserer Gnade. So daß es mich selber verwundert. Denn Glaube sieht nur, was ist. Sie aber sieht, was sein wird. Und Liebe liebt nur, was ist. Sie aber liebt, was sein wird."

Hoffnung richtet sich auf ein zukünftiges Gut. Sie sagt: "Es wird gut ausgehen; es wird ein gutes Ende nehmen." Erhoffen können wir nur etwas, was wir sehnsüchtig herbeiwünschen, was wir aber nicht in der Hand haben; etwas, von dem wir dennoch in freudiger Zuversicht erwarten, das es uns zuteil wird. Wir können das Erhoffte nicht bewirken, herbeischaffen oder erzeugen, aber es wäre keine Hoffnung, wenn wir nicht irgendwie gewiß wären, daß unsere Erwartung sich einst erfüllen wird.
Nun gibt es vielerlei, was wir erhoffen: gutes Wetter, einen guten Ausgang einer Prüfung, Gesundheit, langes Leben, Gedeihen der Kinder, Erfolge aller Art. Das ist völlig normal und in Ordnung. Menschen, die mit einem natürlichen Optimismus ausgestattet sind, sind uns normalerweise unmittelbar sympathisch. Sie strahlen uns an und machen kurzzeitig unser Leben ein wenig heller. Solche Art von Zuversicht ist eine wertvolle Gabe, die aber als solche noch nicht ohne weiteres Tugend ist. Selbst Petrus und seine Freunde hatten nach Jesu Tod noch dies und das zu erhoffen; jedenfalls hofften sie auf einen guten Fischfang. Aber sie hofften nicht mehr auf einen guten Ausgang ihres Lebens überhaupt, darauf, daß Jesus "der sei, der Israel erlösen werde" (Lk 24,21). Diese Hoffnung hatten sie begraben. Aber dabei handelte es sich eben um die eine Hoffnung, neben der es keine anderen Hoffnungen gibt, die eine und fundamentale Hoffnung, die sich nicht auf ein einzelnes Gut richtet, sondern auf einen umfassenden Sinn, auf ein zukünftiges Heilsein des ganzen Lebens. Und allein diese eine Hoffnung, von der wir nur im Singular sprechen können, verdient es, Tugend genannt zu werden, sie ist göttliche, d.h. von Gott geschenkte Tugend.

Was ist das Besondere an dieser Hoffnung? Es tritt gerade dann zutage, wenn die Hoffnungen, die es im Plural gibt, zusammenbrechen und ihren Sinn verlieren. Dies ist bei allen unheilbar Kranken oder auch bei den Martyrern der Fall; auf negative Weise auch bei denen, die sich das Leben zu nehmen versuchen. Wenn die gewöhnlichen Alltagshoffnungen dahinschwinden, dann kann die echte Hoffnung ihr strahlendes Gesicht erheben, oder aber auch die Verzweiflung, die verborgen schon da war, den Menschen vollends übermannen.

Am todkranken Papst konnten wir erfahren, was die christliche Hoffnung ausmacht. Er schrieb an die polnischen Schwestern, die ihn seit vielen Jahren pflegen: "Ich bin froh, seid ihr es auch." Der unheilbar Kranke bezieht seine Freude aus dem umfassenden Heil, das Gott allein geben kann, das aber noch unsichtbar ist. Diese Freude nimmt die Hoffnung vorweg, von der Paulus sagt: "Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld." (Röm 8,24f)
Nun sagte ich eingangs, daß dem modernen Menschen die Hoffnung schwerer fällt als der Glaube und die Liebe. Wer nicht hofft, glaubt nicht, daß sein Leben wirklich einen Sinn hat und auf eine Erfüllung angelegt ist, die in der Zukunft liegt und von Gott verheißen ist. Wer nicht hofft, nimmt die Nicht-Erfüllung vorweg; er ist verzweifelt. Unsere Epoche ist der Versuchung zur Verzweiflung in besonderer Weise ausgesetzt.

Das sieht man freilich nicht auf den ersten Blick, denn allenthalben wird uns ja ein vordergründiger Optimismus präsentiert und eingeredet, alles wäre easy, leicht und locker. Doch dahinter steckt eine Mentalität, die Sören Kierkegaard als "Verzweiflung der Schwachheit" bezeichnet hat. Die Geisteshaltung, um dies es hier geht, besteht darin, daß der Mensch nicht wagt, er selbst zu sein; er weigert sich, sein eigenes Wesen und seine Berufung anzunehmen: sie ist ihm zu hoch und zu schwer, denn sie mutet ihm eine Würde zu, die ihm eben als Zumutung erscheint, als etwas, für das er sich zu schwach fühlt; darum "Verzweiflung der Schwachheit". Der Mensch, der davon geprägt ist, weicht seiner Berufung aus, geht sich selbst aus dem Weg und verliert sich in Ablenkungen jeder Art. Weil er nicht in sich ruhen, nicht bei sich selbst zu Hause sein kann, muß er den freilich vergeblichen Versuch machen, aus der eigenen Mitte auszubrechen - zum Beispiel in die Rastlosigkeit des Arbeitens oder auch in die unersättliche Neugierde der Schaulust und des Tratsches. Der Lärm der Unterhaltungsindustrie übertönt das Bewußtsein, daß man an der Mitte seines Lebens vorbeilebt und für die Zukunft eigentlich keine Erwartungen hat. Und da die verborgene Verzweiflung jeden Moment an die Oberfläche gelangen kann, müssen der Lärm und die Reizüberflutung immer stärker werden. Die öffentliche Neugier soll den Menschen in eine Scheinwelt leerer Reizdinge einsperren; symptomatisch sind Fernsehsendungen wie "Big Brother", sie dienen als Droge gegen das lauernde Bewußtsein, in der Seele krank zu sein und das Ziel des Lebens verfehlt zu haben.

Von dieser "Verzweiflung der Schwachheit", die mit der nach außen gespielten optimistischen Lebensart einhergeht, sind auch wir Christen angekränkelt. Das Fernsehen und die sonstigen Einflüsse der modernen Welt verfehlen ihre Wirkung nicht. Der durchschnittliche Christ pendelt deshalb oft zwischen Optimismus und Pessimismus, zwischen übertriebener Weltbejahung und Weltverachtung. Wenn wir etwa von den düsteren Prognosen für unser Land erfahren, dann beginnen wir gern, zu jammern und verbittert zu klagen.

Dabei können Krisen durchaus heilsam sein. Sie entstehen durch Enttäuschung, und Enttäuschung besagt dabei durchaus auch etwas Positives, nämlich Befreiung aus einer Täuschung. Freilich ist solche Befreiung nur selten willkommen, sie tut weh, sie geht unter die Haut. Wenn ich z.B. schwer krank werde, zerbricht die heimlich gepflegte Illusion uneingeschränkter Vitalität; wenn ich ein mühsam erstrebtes Ziel nicht erreiche, muß ich einsehen, daß ich aufs falsche Pferd gesetzt habe. Aber gerade in solchen Enttäuschungen bricht mit aller Macht die Frage auf, ob meine Existenz im Ganzen von solchen enttäuschten Hoffnungen abhängt, oder ob sie sich nicht einer höheren Wirklichkeit verdankt, nämlich Gott, der allein der Grund meiner tiefsten Hoffnung sein kann. In der Bedrängnis hoffen - das ist wahrhaft "Hoffnung gegen alle Hoffnung" (vgl. Röm 4,18).

Wenn die Hoffnung so verstanden wird, ist klar, daß sie eine Haltung ist, die in gewisser Weise das Menschenmögliche übersteigt, eben eine göttliche Tugend. Nur Gott kann mir letztlich die Kraft geben, die irdischen Ziele zu übersteigen und auf das Ewige Leben zu hoffen. Natürlich braucht diese Hoffnung einen Grund, der sie rechtfertigt. Dieser Grund ist kein anderer als Jesus Christus, der den Tod besiegt hat.

Die Welt braucht nicht unbedingt optimistische Menschen, aber sie bedarf dringend solcher Menschen, die Hoffnung ausstrahlen, tiefe vom christlichen Glauben geprägte Hoffnung. Nur die echte Hoffnung wird dem Ernst und Elend dieses Lebens gerecht; nur der Hoffende kann in Leid und Enttäuschung Frieden und Freude bewahren.
Darum gilt die Bitte des Apostels Paulus in seinem Römerbrief auch für unsere Zeit: "Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes." (Röm 15,13)

3. Predigtvorschlag

3. Liebe: Die Neuheit der Liebe - Ursprung: Predigt zum 5. Ostersonntag (A)

Liebe Gemeinde!

Das heutige Evangelium enthält fast alle Schlüsselwörter, die Johannes, dem Evangelisten, wichtig sind: Glauben, Sehen, Erkennen; ferner Wahrheit und Leben; schließlich auch das Ineinandersein von Vater und Sohn, das sich fortsetzen soll im Ineinander von Christus und den Christen, wie Jesus besonders am Weinstockgleichnis deutlich macht. "Ich in ihnen [den Christen] und du [Vater] in mir" (Joh 17,23), betet Jesus.

Dieses Ineinander ist das Wesen und Ziel der Liebe. Wer den anderen liebt, der strebt danach, mit ihm EINS zu sein. Der himmlische Vater liebt seinen menschgewordenen Sohn so innig und dieser liebt seinen Vater ebenso, daß Jesus sagen kann: "Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. … Glaubst du nicht, (Philippus,) daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist?" (Joh 14,9f)

Jesus ist das Bild des Vaters, seit Ewigkeit ruht er am Herzen des Vaters und ist darum der einzige, der den Vater gesehen und nun von ihm Kunde gebracht hat. (Joh 1,18) An Jesus können wir leibhaftig anschauen, wer Gott ist und wie er handelt; daß Gott die Liebe selbst ist (1 Joh 4,8.16).

"Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat", schreibt Johannes in seinem ersten Brief (1 Joh 4,10) und reflektiert so das Kommen Jesu in unsere Welt. Und er zieht sofort die Schlußfolgerung: "Liebe Brüder, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben." (1 Joh 4,11)

Das ist ein Gebot, aber zuerst einmal ist es ein Geschenk: "Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist." (Röm 5,5) Die Liebe ist Gabe und Aufgabe. Sie ist Gabe, weil Gott uns zuerst geliebt und dadurch zur Liebe allererst fähig gemacht hat. Und sie ist Aufgabe, weil sie Sache des freien Willens ist und nicht ein automatisches oder magisches Geschehen in uns. Weil sie beides ist: freies Verhalten und göttliche Gabe, darum ist sie eine göttliche Tugend, und zwar die erste und ranghöchste.

Als freie Zuwendung zum anderen ist die Liebe etwas Urmenschliches und jedermann Bekanntes, nichts Neues. Insofern ist das Gebot der Liebe altbekannt. Andererseits ist die Liebe, die Gott uns erwiesen und zu der er uns erwählt hat, etwas bis dahin Unerhörtes, schlechthin Überraschendes, etwas, das den sog. "alten Menschen" völlig überfordert. Darum schreibt Johannes: "Liebe Brüder, ich schreibe euch kein neues Gebot, sondern ein altes Gebot, das ihr von Anfang an hattet. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt. Und doch schreibe ich euch ein neues Gebot, etwas, das in ihm und in euch verwirklicht ist; denn die Finsternis geht vorüber, und schon leuchtet das wahre Licht." (1 Joh 2,7f)

Was ist so neu an der Liebe, von der das Neue Testament insgesamt mit 320 Wortvorkommnissen spricht? Es sind vor allem zwei Aspekte, die die Liebe als ein neues Gebot erscheinen lassen: 1. Die von Jesus verkündete, gelebte und geforderte Liebe kennt keine Grenze, sie grenzt keinen Menschen aus, sie überwindet selbst das Freund-Feind-Gegensatz. In diesem Sinne sagt Jesus in der Bergpredigt: "Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er läßt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner?" (Mt 5,43-46)

Der alte, d.h. der egoistische Mensch erschrickt angesichts dieser Worte, sie erscheinen ihm als Zumutung. Doch Jesus ist den Weg dieser Liebe bis zur Vollendung gegangen: "Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung." (Joh 13,1) Und "Vollendung" heißt hier Tod, Selbstaufopferung. Jesus erklärt die Grenzenlosigkeit seiner Liebeshingabe mit folgenden Worten: "Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt." (Joh 15,13) Und zu diesen Freunden zählt Jesus nicht nur diejenigen, die treu zu ihm halten, sondern auch noch Judas, den er ausdrücklich noch "Freund" nennt, als dieser ihn verriet (Mt 26,50), ja im Grunde auch seine Peiniger, für die er sterbend betet: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." (Lk 23,34)
Die grenzenlose Liebe ist bereit zur Vergebung und kennt auch darin kein endliches Maß, kein "Jetzt ist es aber genug!" Als Petrus fragt, "Herr, wie oft muß ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal?", da antwortet ihm Jesus: "Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal." (Mt 18,21f) Das heißt: immer und unbegrenzt oft.

Wieder erschrickt der alte Mensch in uns: Wer soll denn dazu fähig sein? Wie schwer fällt es uns, auch nur ein einziges Mal zu vergeben, wenn wir tief verletzt worden sind! Ein Vertrauensbruch z.B. kann eine Beziehung zerstören, weil die Kraft zur Vergebung fehlt. Müssen wir also folgern, daß die Beziehung von Anfang gar keine Liebe gewesen ist? Denn die Liebe ist nach den Worten des Apostels Paulus doch langmütig und gütig (1 Kor 13,4), "sie erträgt alles" (1 Kor 13,7) und "trägt das Böse nicht nach" (1 Kor 13,6). Ja, wenn ein Mensch dazu nicht mehr fähig ist, dann muß er sich fragen, ob seine Liebe erkaltet ist, ob er sie womöglich verlassen hat (vgl. Offb 2,4).
Wenn wir bei solchen Betrachtungen stehenbleiben, könnten wir entmutigt werden oder - was noch schlimmer wäre - trotzig aufbegehren und denken: "Wenn das so ist, dann will ich vom Neuen Testament gar nichts mehr hören!" Darum sollten wir das bereits zitierte Wort aus dem 1. Johannesbrief noch einmal hören und bedenken: "Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat." Hier kommt der 2. Aspekt zum Ausdruck, an dem die Neuheit der christlichen Botschaft von der Liebe aufscheint: Die Liebe ist kein Werk des Menschen, sondern Frucht des Heiligen Geistes (Gal 5,22).
Das Werk der Liebe ist bereits vollbracht und seine Frucht uns geschenkt - das ist die Frohe Botschaft, die uns keiner nehmen und ausreden kann! Darum kann Jesus sagen: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben." Jesus zeigt nicht nur den Weg zum Vater so wie ein Morallehrer, er selbst ist der Weg und die Brücke zum Vater. Jesus sagt nicht nur die Wahrheit, eine Wahrheit, die kalt und hart wäre, er ist die Wahrheit in Person, die im Fleisch erschienene Liebe Gottes: voller Wärme und Anziehungskraft. Jesus redet nicht nur vom Leben, er selbst ist das Leben und ist gekommen, damit auch wir das Leben in Fülle haben. (Joh 10,10)

Worauf es allein ankommt, ist, mit Jesus zum Vater zu gehen (vgl. Joh 14,12), uns immer mehr von Jesus umgestalten zu lassen, bis wir selbst so voll strahlender Liebe sind wie er. Solange wir auf der Erde leben, ist dieser Weg mühsam, steinig, ein Weg, den wir im Glauben und in der Hoffnung gehen; dereinst sind wir am Ziel, und was bleibt, ist die Liebe.

"Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe." (1 Kor 13,13)

4. Predigtvorschlag

4. Liebe: Liebe, Lust und Pflicht - Ursprung: 6. Ostersonntag (A) - Mai 2005

Liebe Gemeinde!

Am letzten Sonntag habe ich über die Tugend der Liebe gesprochen und insbesondere herausgestellt, daß die Liebe etwas Neues ist, eine von Gott geschenkte Umwandlung unseres Willens, die uns allererst befähigt, Gott und den anderen Menschen zu lieben. Weil diese Liebe neu ist, erscheint sie dem sog. "alten Menschen" als Überforderung.
Wie aber steht es mit dem Menschen, der durch die Taufe eine "neue Schöpfung" geworden ist (2 Kor 5,17)? Empfinden wir, die wir getauft sind, die Botschaft von der Liebe als froh- und freimachend, oder doch eher als schwer und belastend? Wie kommt es, daß wir so oft keine Lust zu dieser Liebe haben?

Ich habe absichtlich die Worte "Lust" und "Liebe" zusammengestellt. Was empfinden Sie, wenn Sie beide Worte zusammen hören? Hat Liebe etwas mit Lust zu tun oder gerade nicht? Hier gibt es zwei extreme Auffassungen: Nach der einen ist Liebe geradezu ein anderes Wort für Lust, vor allem für die sexuelle Lust; nach der anderen hat nur der wahre Liebe in sich, der die eigene Lust und Laune überwinden kann und eben nicht nur das tut, wozu er gerade Lust hat. Beide Auffassungen sind einseitig. Sie sagen beide etwas Richtiges, aber verdecken auch einen wichtigen Teil der Wahrheit. Die erste Auffassung beachtet nicht, daß wir in einer sündigen Welt leben, die zweite mißachtet, daß uns die Liebe tatsächlich eine Lust ist oder jedenfalls sein soll, hier auf der Erde zumindest ab und zu, im Himmel ganz gewiß uneingeschränkt.

Wir leben in einer sündigen Welt, sagte ich. Das ist der Schlüssel für das Auseinanderfallen von Lust und Liebe, für die Zerrissenheit in uns selbst, die Paulus so beschreibt: "Denn ich begreife mein Handeln nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse." (Röm 7,15) Z.B. schreie ich meinen Ehepartner an, obwohl ich ihm doch eigentlich nur Gutes sagen wollte. Paulus spricht die Erfahrung aus, daß wir oft etwas tun, wovon wir einsehen, daß es nicht richtig ist, weil es gegen die Liebe ist; und solches Handeln hassen und verabscheuen wir aus tiefster Seele, auch wenn wir selbst so handeln. Der Grund ist: die Natur ist aus dem Gleichgewicht geraten, sie ist nicht mehr integer. Unser Herz geht nicht immer mit, wenn wir dem Menschen nahe sind, den wir lieben. Nicht immer tun wir gern, was wir doch aus Liebe tun möchten oder sollen. Eltern lieben ihr Kind, aber wenn es schreit, dann erscheint es ihnen womöglich als Nervensäge. Ehepartner lieben einander, und doch empfinden sie manchmal die Anwesenheit des anderen als störend. Kinder lieben ihre Eltern, aber nicht selten empfinden sie deren Anordnungen als Einschränkung ihrer Freiheit. Und so könnte ich fortfahren, die mangelnde Lust an der Liebe zu schildern. Lust und Liebe sind nicht identisch. Wer nur das tut, wozu er Lust hat, der hat keine Liebe in sich.

In dem Maße, in dem Lust und Liebe auseinandertreten, nimmt die echte Liebe den Charakter der Pflicht an. Das was sie eigentlich will, wozu ihr aber allzu oft die Neigung fehlt, muß sie sich quasi äußerlich auferlegen - als Pflicht oder als Gebot. Die Pflicht ist keine Einschränkung der Liebe, sondern ihr Ausdruck. Darum kann Jesus sagen: "Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten." (Joh 14,15) Freilich ist es ein Zeichen von Unvollkommenheit solcher Liebe, wenn sie ohne eigene Neigung, sondern nur in Kraft der Pflicht das Gute tut. Aber das ist immer noch besser, als wenn jemand gar nicht aus einer eingesehenen Pflicht handelt, sondern von außen dazu genötigt wird. Dies wäre z.B. der Fall, wenn ein Kind sich für ein Geschenk nur deshalb bedankt, weil es sonst von seinen Eltern bestraft würde. Besser ist es, wenn es aus eigener Einsicht "Danke" sagt, auch wenn es dem Geber gegenüber Abneigung empfindet. Noch besser ist es allerdings, wenn das Kind sich gern bedankt, weil es sich wirklich über das Geschenk freut und echte Gegenliebe zum Geber empfindet, so daß der Dank quasi aus dem Kind herausplatzt. Das sind drei Stufen des guten Handelns: Handeln nur gemäß der Pflicht, die ganz äußerlich bleibt; Handeln aus Pflicht, die innerlich akzeptiert ist; Handeln aus innerlich geliebter Pflicht.

Die höchste Stufe der vollkommenen Liebe, auf der Lust und Liebe sich gegenseitig stützen und verstärken, ist uns in diesem Leben leider nicht immer oder vermutlich nur selten gewährt. Meistens müssen wir uns mit der zweiten Stufe begnügen, auf der sich die Liebe mit der Pflicht verbünden muß, will sie Bestand haben. Wie oft fällt es uns z.B. schwer, auf den anderen Rücksicht zu nehmen oder mit seinen Schwächen Nachsicht zu haben! Des anderen Last tragen ist nur ganz selten süße Pflicht, etwa für die Verliebten oder für die echten Heiligen, meistens ist es schwer, nicht Lust, aber nichtsdestoweniger Werk der Liebe, ja Erfüllung des Gesetzes Christi (Gal 6,2).

Von Gebot und Pflicht zu reden, ist heutzutage nicht besonders angesagt. Es gibt schon zu viele Pflichten im Beruf, im harten Alltag; da sollte wenigstens die Freizeit Spaß machen - so empfinden es die meisten Menschen. Dagegen will ich auch gar nichts sagen. Aber ich muß doch darauf aufmerksam machen, daß das Höchste und Wichtigste im Leben die Liebe ist, die Liebe zum anderen Menschen und die Liebe zu Gott. Sobald ich in Beziehung mit anderen Menschen stehe und diese nicht einfach nur egoistisch ausnutzen will, habe ich Verantwortung für sie - d.h. bin ich aufgefordert zur Antwort auf den Wert des anderen und auf seine berechtigten Bedürfnisse. Die Anerkennung des anderen ist gerade Liebe. Den anderen nicht als Objekt meiner Selbstverwirklichung betrachten, sondern ihn in sich wertschätzen und ihm wohlwollen, das ist Liebe.
Nur ausnahmsweise ist damit ein tiefes Gefühl verbunden, und darum wird solche alltägliche Anerkennung des anderen und das auf ihn gerichtete Wohlwollen meistens unterschätzt. Wenn aber im Fernsehen die Opfer von Naturkatastrophen gezeigt werden und eine Flut von Spenden einsetzt, dann sind starke Gefühle im Spiel, und die Spender fühlen sich als wahre Helden der Nächstenliebe. Hier täuschen wir uns gern über uns selbst. Wieviel Liebe wirklich in uns ist, das können wir aus solchen außergewöhnlichen Vorfällen nicht ersehen, sondern nur daraus entnehmen, wie wir tagtäglich - wenn auch ohne besondere Gefühle - mit unseren Mitmenschen umgehen und wie wir unsere mitmenschlichen Pflichten erfüllen.

Darum sage ich immer wieder zu Leuten, die mich fragen, was sie tun sollen, um in der Liebe zu wachsen: Tut erst einmal eure Pflicht! Das ist schon sehr viel. Versucht, eure Pflicht gern zu tun, legt alle Liebe in die kleinen Dinge des Alltags hinein und träumt nicht von großen Heldentaten!

Wer dies beherzigt, dem gilt das Wort aus dem heutigen Evangelium: "Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren." (Joh 14,21)

5. Predigtvorschlag

5. Liebe: Allein die Liebe genügt - Ursprung: 7. Ostersonntag (A) - Mai 2005

Liebe Gemeinde!

Am letzten Sonntag habe ich über Liebe und Pflicht gesprochen, über die oft fehlende Lust zur Liebe. Heute möchte ich die Trilogie über die drei göttlichen Tugenden abschließen mit Gedanken über den Ewigkeitswert der Liebe.

Am letzten Sonntag habe ich gesagt: Wenn die Liebe schon hier auf Erden eine Lust ist, dann wird sie es im Himmel erst recht sein, und zwar uneingeschränkt. Weil aber die Natur durch die Sünde aus dem Gleichgewicht geraten ist, kommt es oft vor, daß die Liebe mühsam ist und wir nicht gern tun, was wir doch aus Liebe tun möchten oder sollen. Das muß ich jetzt noch ein wenig präziser ausdrücken. Liebe ist nicht dasselbe wie die Lust, auch nicht im Himmel, Liebe hat vielmehr eine gewisse Lust oder Freude zur Folge. Aber diese Lust können wir nicht anzielen, so ähnlich wie wir uns auf ein genußvolles Essen freuen können und nun die Schritte planen, die nötig sind, damit uns die Lust des Essens schließlich zuteil wird. Die Liebe kann niemals ein bloßes Mittel zum Zweck der Luststeigerung sein. Sie ist vielmehr Zweck in sich selbst und nur als solcher überhaupt möglich.

Hier kann uns die Sprache täuschen, denn wir sagen ja auch: "Ich liebe diese Speise und jenen Wein." Aber das ist doch etwas anderes, als zu sagen: "Ich liebe diesen Menschen." Denn ich liebe den Menschen nicht um des Genusses willen, den er mir verschafft - wenn es so wäre, müßten wir urteilen, daß gar keine echte Liebe vorliegt, sondern nur eine gewisse Attraktion, ein Anreiz, der mir Erfüllung eines Bedürfnisses verspricht. Von personaler Liebe sprechen wir erst, wenn wir den anderen um seiner selbst willen lieben, achten und ehren, nicht weil er ein Gut für mich ist, sondern weil er in sich selbst gut ist. Den Unterschied von beiden Affekten können wir sehr leicht erkennen, wenn wir uns fragen, wie wir jeweils reagieren auf ein Gut-für-mich und auf ein Gut-in-sich: Etwas ist für mich gut, wenn es sich meinen Wünschen und Bedürfnissen anschmiegt und fügt - dann und gerade deshalb liebe ich es. Die Liebe, die sich aber auf den Wert einer Person an sich richtet und diesen anerkennt, bejaht und hochschätzt, hat die umgekehrte Zielrichtung: sie gibt sich selbst an diesen hin, sie nimmt nicht, sondern gibt, macht nicht gefügig, sondern fügt sich, hält nicht fest, sondern läßt sich los, läßt sich nicht bedienen, sondern dient.

Aber gerade wenn sie dies tut, wenn die Liebe sich dienend hingibt, dann erfährt sie eine ungeahnte Freude, die nicht angezielt war und nicht angezielt werden konnte, weil sie gar nicht im Blickfeld war. Die Freude, von der ich spreche, überragt alle natürliche Lust, sie ist selbst kein Werk der Natur, sondern zeugt von der Wirklichkeit Gottes, der uns eben so geschaffen hat, daß wir zur wahren Erfüllung erst kommen, wenn wir aus unserem Egoismus heraustreten, aus der natürlichen Verhaftung an das eigene Ich. "Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es gewinnen", sagt Jesus (Lk 17,33). Und von sich selbst stellt er fest: "Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele." (Mk 10,45)

Daß solche Liebe bis zur Lebenshingabe führt, gehört nicht grundsätzlich zu ihrem Wesen, sondern ist Folge der Sünde. In einer Welt ohne Sünde gibt es keinen Schmerz der Hingabe, sondern nur die unbändige Freude der Hingabe. Was für eine Welt kann das sein? Wenn es sie überhaupt gibt, dann kann es nur die jenseitige Welt sein, die die Bibel "Himmel" nennt.

Eine Welt ohne Sünde ist eine Welt, in der die Hingabe des einen vom anderen nicht mit Undank belohnt, nicht ausgenutzt oder schnöde zurückgewiesen, sondern mit freudiger Anerkennung und Gegenliebe beantwortet wird. Es ist eine Welt, in der die Liebe des einen die um so größere Liebe des anderen auslöst und so immer weiter bis hin zu unendlicher Steigerung, weil keiner festhalten und für sich allein behalten will, was er vom anderen empfängt. Eine Welt ohne Sünde ist eine Welt ohne Egoismus und ohne die Angst, etwas zu verlieren oder zu verpassen. Das muß uns wie eine Utopie erscheinen: Wie soll das möglich sein? - Und doch sehen wir, daß es ansatzweise diese Welt schon gibt, denn in jeder Liebestat wirft sie ihren leuchtenden Schein in unser Leben hinein.

Wir spüren, daß es ein wirklicher Kampf zwischen zwei Mächten ist, der hier stattfindet: Licht kämpft gegen Finsternis, Liebe gegen Egoismus, Leben gegen den Tod. Und das Merkwürdige ist: Gerade den egoistischen Menschen müßte es ein Anliegen sein, daß die Liebe den Sieg davon trägt, denn sie wollen ja, daß andere sie bedienen. Doch solche gäbe es nicht mehr in einer Welt, in der keiner mehr dienen will, sondern alle nur noch bedient werden wollen; das wäre eine Welt, in der jeder gegen jeden kämpft, eine so schreckliche Welt, daß selbst die Bösen keine Lust am Leben mehr hätten - es wäre die Hölle. Und doch wird kein egoistischer Mensch durch diese Aussicht veranlaßt, sich zu ändern und auf die Seite der Liebe überzuwechseln, vielmehr lediglich denken: "Rette sich, wer kann." Aber niemand kann sich selbst retten, weil der Egoismus kein Weg zur Rettung ist, sondern der Weg ins Verderben, gemäß Jesu Wort: "Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren."

Rettung ist um keinen geringeren Preis zu erhoffen als den der Liebe. Jeder der liebt, hat dadurch bereits Anteil am Sieg Gottes über das Böse. Jede Liebestat bringt uns dem Himmel und der endgültigen Rettung einen Schritt näher. So gesehen, gibt es in unserem Leben überhaupt nur eine Kategorie von sinnvollen Taten: die Werke der Liebe. Sinnvoll sind nur Liebestaten! Alles andere kann sehr zweckvoll und gewinnbringend sein, für die Ewigkeit indes ist es nur wertloses Stroh. So schreibt Paulus im Hohenlied der Liebe: "Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke. Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüßte und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts." (1 Kor 13,1-2) Das ist so, weil die Liebe die einzige Verbindung dieses Lebens mit dem ewigen Leben ist, das einzige, was in beiden Leben genau gleich ist, weil die Liebe eben das Vollkommenste ist, was es in dieser Welt gibt, und niemals aufhört (1 Kor 13,8), denn es trägt den Keim des Ewigen bereits in sich.
Allein die Liebe genügt. Eine Seligkeit unter dem Niveau der Liebe ist in Gottes Schöpfungsplan nicht vorgesehen. Wenn man dies verstanden hat, dann wird man auch den Satz von Augustinus nicht mißverstehen: "Liebe und tu, was du willst. ... Die Wurzel der Liebe soll das Innerste deines Herzens sein: aus dieser Wurzel kann nichts als Gutes hervorkommen."

Fürbitten