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KARL-LEISNER-JUGEND |
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 0)
Liebe Schwestern und Brüder!
Folgende Szene. Sie fand vor ca. 12 Jahren in Vechta statt.
Ich sitze hinten im Klassenraum einer vierten Klasse. Erste Stunde. Die Lehrerin
ruft die Kinder auf, sich andächtig zum Morgengebet hinzustellen. Alle
suchen mit ihren Augen das Kreuz. Ein Kind betet vor. Das Gebet ist gerade
mit dem Amen beendet, als es aus einem der Jungen herausplatzt:
„ Das Kreuz hängt viel zu tief. Und außerdem verdeckt das
Rechtschreibhaus das Kreuz. Wir können das Kreuz gar nicht richtig sehen.
Aber wenn wir das Kreuz sehen, können wir viel besser beten.“
Allgemeine Zustimmung der Klasse. Die Kinder drängen, das Kreuz umzuhängen.
Ein paar Tage später hängt das Kreuz vorne, gut sichtbar neben der
Tafel.
Der Ruf der Kinder „Wir wollen das Kreuz sehen!“ - Dieser Ruf löste damals in mir ein Gefühl der Freude, aber auch eine Art der Genugtuung aus. Das „Wir wollen das Kreuz sehen“ der Kinder erscholl schließlich relativ kurz nach dem sogenannten Kruzifixurteil.
Der Ruf der Kinder „Wir wollen das Kreuz sehen!“ - Dieser Ruf
kommt mir wieder in den Sinn, wenn ich an das heutige Fest denke:
Kreuzerhöhung.
Möglicherweise haben die Menschen damals in Jerusalem auch so geschrien:
„Wir wollen das Kreuz sehen.“ Damals am 14. September 355 nach
Christus. Am Tag zuvor hatte man die Basilika über dem Heiligen Grab
in Jerusalem eingeweiht.
Und in dieser Basilika wurde den Gläubigen zum ersten Mal das Heilige
Kreuz gezeigt, erhöht, um es zu verehren.
Die Gläubigen damals in Jerusalem wollten das Kreuz sehen, weil sie fest
davon überzeugt waren, daß dieses eine Kreuz, DAS Kreuz war, das
Kreuz an dem der Herr zu ihrem Heil gestorben war.
Die Frage, ob es sich wirklich um das Kreuz Jesu handelte, ist müßig, und für mich auch nicht so entscheidend.
Wenn Kinder heute noch rufen: „Wir wollen das Kreuz sehen!“, dann geht es nicht vornehmlich darum, die echte Reliquie zu sehen. Denn das Kreuz im Klassenzimmer ist wirklich nicht das echte Heilige Kreuz. Es war und ist nicht einmal besonders künstlerisch wertvoll, dieses Kruzifix.
„Wir wollen das Kreuz sehen!“ - Die Menschen in Jerusalem damals, die Kinder in der Schule, sie rufen nach dem Kreuz, weil sie in diesem Zeichen etwas sehen, oder zumindest etwas erahnen, was für ihr Leben von besonderer Bedeutung ist.
Der Anblick des Kreuzes ist etwas, aus dem man Kraft schöpfen kann.
Der Anblick des Kreuzes ist etwas, was Leben verspricht, trotz und in einer
lebensfeindlichen Welt.
Der Anblick des Kreuzes ist etwas, das im ganzen Un-heil der Welt Heil zuspricht,
das bleibt.
Wie die Israeliten in der Wüste, erschöpft von der Wanderung und lebensgefährlich geplagt von Giftschlangen, im Anblick der kupfernen Schlange am Fahnenmast Rettung fanden, so kann uns der Blick auf das Kreuz Stärkung sein.
Die Kirche als Schiff und Arche des Heils
Menschen früherer Generationen kamen zeit ihres Lebens kaum über die Grenzen ihres Geburtsortes hinaus. Noch für unsere Eltern und Großeltern war eine Reise, vor allem eine, die über mehrere Tage oder gar Wochen ging, etwas Außergewöhnliches. Es mußte schon ein ganz wichtiger Anlaß vorliegen, seine Sachen zu packen und loszugehen - Reisen bedeutete ja meistens, sich zu Fuß aufzumachen.
Wie großartig mußte es dann einem antiken Menschen vorkommen, wenn er einmal in einem Hafen stand und zusah, wie ein großes Handelsschiff majestätisch heranfuhr, wie der Wind die Segel blähte und die Mannschaft überglücklich war, nach gefährlicher Fahrt den sicheren Hafen erreicht zu haben?
So nimmt es denn nicht wunder, wenn das Bild des Schiffes, das über dem Meer dahinfährt, seit alters her als Sinnbild und Symbol für die Kirche genommen wurde. Aber dieses Bild war nicht in erster Linie Ausdruck einer Reisesehnsucht oder eines Fernwehs. Sondern dieses Bild nahm wohl zunächst Maß an einem biblischen Vorbild, und zwar aus dem Alten Testament: an der Arche Noah, die in der zerstörerischen Flut die Menschen und Tiere rettet, die Gott für das Heil auserwählt hat. In dieser Arche aus Holz, die nach Gottes Anweisung und Plan vom gottesfürchtigen Noah zusammengebaut wurde, erkannten die Christen schon der frühen Kirche einen ganz starken und deutlichen Hinweis auf die eigene Situation: Ja, auch wir sind in dieser Welt dem Untergang geweiht, wenn wir nicht Zuflucht suchen zu diesem Boot, das aus einem besonderen Holz erbaut wurde.
Und dieses Holz, das das Material bietet für die rettenden Planken, war nichts anderes als das Kreuz Jesu Christi.
Wir sehen also, wie zentral wiederum das Geheimnis des Kreuzes auch für dieses Glaubenssymbol ist und wie prägend es das Bild der Kirche ausformt. Die Arche des Heils, in der wir Zuflucht finden, ist die Kirche. Sie allein kann uns in dieser Zeit Rettung und Geborgenheit bieten. Und die Kirche kann nicht sein ohne das Kreuz Christi. Sie wäre nicht wahre Kirche, würde sie das Kreuz mißachten. In dem Bild der Arche und des Schiffes ist somit auch eine deutliche Kritik gegen alle Abwertung des Kreuzes und des Sühneleidens Christi, wie es immer wieder die Gnosis, eine gewaltige und gefährliche Strömung bis heute, und wie es verschiedene Irrlehrer versucht haben. Eine Irrlehre zum Beispiel behauptete, Jesus, der Sohn Gottes, habe zwar einen Leib angenommen, doch nur zum Schein, sonst wäre er doch nicht wirklich Gott geblieben, und folglich hätte er auch nur zum Schein gelitten.
Gegen diese Abwertung der Wirklichkeit in der Erlösung wendet sich auch die Rede von der Kirche als Schiff auf dem Meer dieser Zeit.
Und noch einen anderen Überlieferungsstrang gibt es, neben dem biblischen Vorbild der Arche, die das Bild des Schiffes in der antiken Welt so populär gemacht hat: die alte Sage von Odysseus, der auf seiner fantastischen Reise eine abgründige Gefahr meistern muß. Er muß nämlich dem verlockenden Gesang der Sirenen widerstehen, sonst zieht es ihn in den absolut sicheren Untergang.
Die Sirenen sind todbringende Geister, die einen überaus betörenden Gesang anstimmen. Für den sterblichen Menschen ist dieser Gesang so faszinierend, daß kein Lebender jemals diesen Gesang hören
konnte, ohne seiner Verlockung zu widerstehen und schon war es
um ihn geschehen.
Odysseus, so erzählt nun die Sage, hat den Wunsch, die Sirenen mit
eigenen Ohren zu hören, aber er weiß auch um die tödliche
Gefahr. Und so ersinnt er eine List: er läßt sich bei der Fahrt
vorbei an den Sirenen an den Mastbaum des Schiffes festbinden und befiehlt
den Seeleuten, ihn auf gar keinen Fall loszubinden, auch wenn er sie noch
so sehr anflehen sollte. Die Seeleute selbst hatten sich die Ohren
zugestopft, um ja nichts zu hören.
Dieses Bild Odysseus festgebunden am Mastbaum des Schiffes
haben nun die Christen auf ihre eigene Situation übertragen. Sie
haben gesagt: Ja, genauso ist es mit uns. Auch wir sind dem verführerischen
Gesang der Sirenen ausgesetzt. Die Sirenen das sind die Klänge
dieser Welt, die vielen Stimmen und Geräusche, die uns weglocken
von der einen wahren Stimme, vom einen wahren Wort, das allein uns retten
kann. Nur wer sich festmacht an Christus, nur wer sich festmacht an sein
Kreuz, der kann der Macht der falschen und todbringenden Klänge widerstehen
und findet das Heil.
Manchmal müssen wir uns einfach wie die Matrosen in der Sage die
Ohren zu verstopfen und die Stille suchen. Die Stille, das Schweigen:
das ist eine unersetzliche Voraussetzung, um den verborgenen Gott zu finden
und ihn zu hören.
Und das Verstopfen der Ohren bedeutet auch, sich nicht faszinieren zu
lassen von manchen reizvollen Klängen, die unsere Zeit bereithält.
Ich muß nicht unbedingt jeden neuesten Roman gelesen haben. Ich
muß nicht unbedingt den neuesten Film gesehen und jede neueste Meinung
gehört haben. Nicht alles, was uns in den Medien geboten wird, ist
gut und moralisch unbedenklich. Und für die meisten Menschen stellt
es auch eine Überforderung dar, sich mit allen möglichen Meinungen,
Strömungen und Ansichten auseinanderzusetzen. Manches ist besser
einfach zu ignorieren.
Es ist ähnlich wie im Internet und wie mit der elektronischen Post:
wenn ich zehn neue Nachrichten auf meinem Rechner habe, dann kann ich
davon ausgehen, daß acht davon Müll sind. Es ist Werbung, unerwünschte
Angebote, und vieles davon ist mit Computerviren verseucht. Fachleute
raten dringend: Auf jeden Fall weg damit, auch nicht mal eben aus Neugier
da reinschauen. Dann kann es schon zu spät sein. Was für
den Computerbenutzer gilt, das gilt auch für jeden, der seinen gesunden
Menschenverstand benutzt: Vieles gibt es da, was die Festplatte unseres
Gehirns und unserer Gedanken verseuchen und dauerhaft beschädigen
kann.
Das alles wußten schon die Menschen in der Antike, die im Mythos
von Odysseus von den Sirenen sprachen, und diese Warnung haben auch die
Christen verstanden. Wir stehen mitten in der Welt. Wir leben nicht in
einem Kloster oder auf einer Insel der Seligen. Oft müssen wir uns
auseinandersetzen mit Bildern und Worten, die uns angreifen. Aber einer,
der sich dieser Auseinandersetzung stellt, kann nur siegreich aus ihr
hervorgehen, wenn er sich ganz fest an das Kreuz Christi bindet. Das Kreuz
ist die einzige Sicherheit, die uns gegeben ist.