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Predigtvorschläge - Mündigkeit der Christen
1. Predigtvorschlag

Ursprung: 14. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C - Evangelum: Die Aussendung der 72 Jünger (Lk 10, 1-12, 17-20)

Liebe Schwestern und Brüder!

«Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.» Das traf sicherlich auf die damaligen Christen zu, die ja bekanntlich von den Juden und den Römern und - ab und zu - auch von den Griechen verfolgt wurden.
Man hat es aber auch danach noch oft schwer gehabt als Christ, bis auf den heutigen Tag. Und wenn wir Christen nicht gerade von feindlichen Mächten verfolgt und unterdrückt werden - wie im Sudan z.B. -, dann suchen wir uns eben neue Wölfe: Dann sind es eben die kirchlichen Amtsträger, vor allem der Papst, die einem das Leben schwer machen.

Und damit die Schafe sich gegen die Wölfe auch zur Wehr setzen können, werden Erklärungen verfasst, «Kirchenvolksbegehren», es werden Kölner Erklärungen, Luzerner Erklärungen und gott-weiß-was-für-Erklärungen abgegeben. Die Schafe sind ja schließlich mündige Christen.
Ihnen allen gemein ist die verbreitete Meinung, dass die Wölfe, unter die wir armen Christen gesandt sind, vor allem in der - römischen - Kirchenleitung sitzen.

Ach, wie schlecht geht es uns doch! Wie sollen wir denn auch mit diesen vielen überholten Vorschriften noch unsres Glaubens glücklich werden? Zölibat, Empfängnisverhütung, Ehemoral, Bischofsernennungen, Auseinandersetzung mit Theologen wie Drewermann, Ranke-Heinemann oder Küng (lang ist's her) nehmen den mündigen Christen die ganze Freude an der Kirche und am Schafsein.

Mit Neid schauen wir deshalb auf die jungen Kirchen in Südamerika, Afrika, Ozeanien oder Asien. Was für eine Lebensfreude und Glaubensfreude sie an den Tag legen! Was für eine lebensfrohe und glaubensfrohe Kirche! Man könnte fast meinen, sie hätten einen anderen Papst.
Warum ist dort die Freude noch vorhanden? Die leben ja nun wirklich wie Schafe unter Wölfen, die jeden Augenblick über sie herfallen können - und das ja auch leider oft genug tun.
Liebe Schwestern und Brüder!

In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts leitete Romano Guardini seine Vorlesung über die Kirche mit dem berühmt gewordenen Satz ein: «Die Kirche erwacht in den Seelen gerade der jungen Menschen.» Heute scheint allerdings eine genau entgegengesetzte Tendenz am Werk zu sein: Die Kirche droht gerade in den Herzen der jungen Menschen zu sterben.
Das erste, was dabei stirbt, ist die Freude. Die Freude am Leben, die Freude am Glauben, die Freude in der Kirche - gerade die Elemente, die wir bei den jungen Kirchen so bewundern.

Und ich habe manchmal den ganz starken Verdacht, als wenn die ganze Kritik an der Kirche, ihre Weltfremdheit und ihr Machtgehabe nichts anderes ist, als eine dürftige Entschuldigung dafür, dass wir unsere Freude verloren haben.

Aber - warum stirbt die Freude in der Kirche zunehmend? Oder - anders gefragt - woher kommt denn die Freude, von der z.B. am Ende des heutigen Evangeliums die Rede ist? Die 72 Jünger, die Jesus auf vollkommen undemokratische Weise ausgesucht und ausgesandt hat, haben mit Sicherheit Ablehnung und Gleichgültigkeit, ja, sogar Haß sie erfahren. Aber die Freude haben sie nicht verloren - im Gegenteil: Sie kehren zurück und berichten voll Freude von dem, was sie erfüllt: Den Heilungen, den guten und helfenden Wirkungen, die sie den Menschen bringen durften.

Denn wahre Freude, so können wir von den 72 Jüngern Jesu lernen, ergibt sich nicht aus erfüllten Forderungen oder gewonnenen Kämpfen: «Freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind», weil ihr den Menschen Friede, Heilung - ja, euch selbst gebracht habt.

Vielleicht wäre das ein erster Schritt, die Freude am Glauben wiederzufinden: Wenn wir weniger Erklärungen abgeben und weniger «Begehren» veröffentlichen würden, wenn wir uns weniger bemühen würden, «mündigen Christen» zu sein, sondern vielmehr «tätige Christen».

Fürbitten