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Predigtvorschläge - Hochfest der Gottesmutter - Neujahr
1. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2023)

Wo möchte ich leben? Vergangenheit? Zukunft? Gegenwart!

Wo möchten Sie leben? Wo ist Ihr Zuhause? - Wenn Sie jetzt denken, diese Frage bezieht sich auf einen Ort, es geht um das Land, die Stadt oder das Dorf, so muss ich diese Frage genauer stellen. Denn ich meine nicht einen bestimmten Platz, sondern etwas anderes.

An Weihnachten habe ich die Frage gestellt, ob wir uns aussuchen können, wo wir geboren werden. - "Natürlich nicht!" wird jeder von uns antworten, doch es gibt, wie wir an Weihnachten bekennen, eine Ausnahme. Jesus wollte in Betlehem geboren werden, in der Stadt Davids, in der Stadt, deren Name übersetzt "Haus des Brotes" bedeutet.

Wenn wir uns nun die Frage stellen: Wo möchte ich leben?, dann kann die Frage auch lauten: Wann möchte ich leben? - Und auch auf diese Frage würden Sie wahrscheinlich erstaunt antworten: Ja, wann denn wohl? Ich lebe doch jetzt, in diesem Augenblick! Und das kann ich mir nicht aussuchen! Die Zeit und die Umstände, die wir vorfinden, die sind nun mal so!

Umso seltsamer ist, dass viele unserer Zeitgenossen - vielleicht auch Sie, vielleicht auch ich! - sich ganz anders verhalten und ganz anders denken und sich auch wünschen, in einer ganz anderen Zeit zu leben!

Viele wünschen sich die Vergangenheit zurück. Sie denken:
Früher war mehr Gemeinschaft. Früher war mehr Nachbarschaft. Früher war mehr Disziplin. Früher war mehr Achtung der Jüngeren vor den Älteren. Früher waren die Kirchen voll ... die Reihe ließe sich fast endlos fortsetzen.

Nur: die Vergangenheit können wir nicht mehr zurückswitchen. Und wahrscheinlich wollen das viele dann doch nicht, dieses Zurück in die Vergangenheit, wenn man sich vorstellt, im Ruhrgebiet unter rauchenden Schloten zu leben, oder in einer Textilstadt an einem verseuchten Fluss, oder mit einem Auto durch die Gegend zu fahren, das nicht einmal einen Sicherheitsgurt hat.

Also leben wir dann besser in der Zukunft, wo unsere Probleme, die wir haben, mehr oder weniger gelöst sein werden? CO^2 -neutral am besten bis 2030, eine Welt, in der der Krieg geächtet ist, wo Kolonialismus, Fremdenfeindlichkeit, soziale Ungerechtigkeit und Unfreiheit überwunden sein werden! Doch wer garantiert das alles? Sind nicht alle diese Ideen und Ziele schon seit sehr langer Zeit anerkannt?

Und wie sind damit weitergekommen?

Auch in der Kirche gibt es manche, die lieber in der Vergangenheit leben möchten, noch mehr Menschen aber, so scheint mir, die sich überlegen, wie die Zukunft aussehen muss, und sich daran versuchen.

Nun habe ich nichts gegen Pläne, Konzepte und Ziele, doch zugleich bin ich skeptisch, und ich behaupte, diese Skepsis und diesen Zweifel, was Zukunftsvisionen angeht, sogar biblisch und vom Glauben her begründen zu können. Doch zuvor lassen wir doch einfach unseren gesunden Menschenverstand arbeiten. Wer hat uns vor drei Jahren gesagt, dass wir eine Pandemie bekommen, die uns noch weiter beschäftigen wird? Wer hat uns vor einem Jahr gesagt, dass in Europa ein grässlicher Krieg herrscht?
Wer hat uns vorausgesagt, wie sich die Preise entwickeln werden, dass Boris Becker ins Gefängnis kommt (und dann wieder entlassen wird), und dass unsere Fußball-Nationalmannschaft, auf die wir einst so stolz waren, inzwischen ein Sanierungsfall ist?

Woher mag das kommen, dass alle, die meinen, in die Zukunft hineinschauen zu können wie mit einem Fernglas, regelmäßig daneben liegen? "Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen" meint darum Mark Twain in seiner unnachahmlich bissigen und präzisen Art.

Für den, der glaubt, ist das nichts Erstaunliches. Denn Gott ist ein Gott der Überraschungen. Er tut Dinge, die kein Mensch für möglich gehalten hätte. Oder wer hätte sich ausdenken können, dass ein kleines Kind in einem Stall die Welt rettet? Und dass wir durch Ihn, der am Kreuz wie ein Verbrecher stirbt, die Hoffnung auf Leben haben? Oder dass zwölf mehr oder weniger ungebildete Männer die Welt mit der Botschaft aufmischen, dass Gott die Liebe ist?

Das alles soll uns nicht in Apathie und Tatenlosigkeit stürzen, nach dem Motto: "Daran kann ich eh nichts ändern, und ich alleine schon gar nicht", sondern es kann uns etwas anderes zeigen: dass wir, wenn wir die Zukunft nicht kennen und auch nicht in die Vergangenheit zurückwollen, am besten einfach in der Gegenwart leben.
Die Gegenwart ist einfach jetzt. Jetzt kann ich Gutes wollen und tun. Jetzt kann ich mich dafür entscheiden, den Nächsten nicht zu hassen, sondern zu lieben. Jetzt kann ich glauben und beten und so auf Gott vertrauen.

Wäre es nicht ein guter Vorsatz für das neue Jahr, sich einfach nichts Spezielles, Großes vorzunehmen, sondern nur dieses Eine:
Ich will in der Gegenwart leben, in dieser Zeit, die Gott mir schenkt und in die er mich hineingestellt hat? Das wäre doch etwas.

2. Predigtvorschlag

von Manfred Stücker (erstellt: 2011)

Den Faden nicht zerreißen

„Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ Liebe Mitchristen, diese Worte, die uns von Albert Einstein, dem berühmten Physiker und Mathematiker, überliefert werden, haben sicherlich ihren Reiz. Doch wer sich auf die Zukunft ausstreckt, nimmt, ob er will oder nicht, immer auch die Vergangenheit mit, sei es – negativ gesehen – als Last, oder – positiv gesehen – als Erfahrung und Weisheit. Ganz los kommen wir von der Vergangenheit nicht, das möchte ich versuchen, in einem einfachen Bild deutlich zu machen: Die Linie der Zeit ist in unserem Leben wie ein Faden, der sich durch all die Jahre hindurchzieht. In diesem Faden gibt es manche Knotenpunkte: das sind die Höhepunkte und auch die Verbindungen mit anderen Fäden, mit anderen Lebensgeschichten und Schicksalen. Keiner lebt ja für sich allein. - Und es gibt bei diesem Faden auch manche unentwirrbaren Knäuel und Verschlingungen. Das sind die Probleme, die Schwierigkeiten, die Punkte, an denen uns Leid, Unglück und Schmerz getroffen hat. Diese Knoten und Knäuel gibt es in unserem ganz persönlichen Leben. Sie gibt es aber auch im Leben der Kirche und der Gemeinde. Die Kirche feiert ein Jahr der Priester, um den Dienst der Priester in den Gemeinden und für die Menschen in den großen Zusammenhang zu stellen, daß Christus selbst bei uns sein will, um unser Leben zu teilen und uns zu Gott zu führen.

Auch unsere Gemeinde hat ihren Faden weitergezogen und manche Höhepunkte erleben dürfen: Ich nenne als Beispiele: (Beispiele aus der eigenen Gemeinde nennen!)

Und manche Fäden wurden ausgezogen, um ein Netz für die Zukunft zu knüpfen: (Beispiele nennen: Neugründung von Gruppen, Wahlen zu Gremien, Neubesetzung von Diensten in der Gemeinde, Bauprojekte …)

Aber auch Knäuel haben sich festgesetzt: Ich denke da vor allem an die Tatsache, daß in unserer Gemeinde die Zahl der Sterbefälle und der Kirchenaustritte zusammengenommen deutlich höher ist als die Zahl der Taufen. Das ist sicher ein schwerer, ein schwierig zu lösender Knoten.

Und im Leben des einzelnen? Da könnte jeder von Höhepunkten im letzten Jahr erzählen, aber auch von Hoffnungen, die enttäuscht wurden, von Plänen, die man nicht ganz verwirklichen konnte. Möchte man da nicht manchmal alles hinwerfen und einfach wieder von vorne anfangen? Das neue Jahr gibt ja ein Stück von dieser Hoffnung: wieder neu anfangen können. Aber ganz so ist es ja nicht. Auch im neuen Jahr sind wir immer noch die gleichen Menschen. Mit unserem Lebensfaden in der Hand. Mit seinen Knoten und Knäueln. Die nehmen wir auch mit. Da möchten wir vielleicht gerne das tun, was der Welteroberer Alexander der Große mit dem sogenannten Gordischen Knoten gemacht hat, als es ihm nicht gelang, ihn zu lösen: Er nahm sein Schwert und haute das Seil einfach durch. Somit war der Knoten los. Das Problem war gelöst.

Aber das Seil war damit auch durch. „Ein zerschnittener Knoten bedeutet immer einen zerstörten Faden“ bemerkt darum eine zeitgenössische Schriftstellerin dazu. Sie meint damit: Es gibt beim Faden unseres Lebens nicht die schnelle Radikallösung. Wir müssen den Faden bis zum Ende mitnehmen, ob wir wollen oder nicht.

Manchmal gelingt es uns ja mit Geduld und Geschick, das Knäuel aufzulösen und den Faden wieder in die richtige Länge zu bringen. Oft ist es gut, dazu andere Mitmenschen zu Hilfe zu nehmen. Viele haben in diesem zu Ende gehenden Jahr einen neuen Anfang gewagt. Da geht es ja auch darum, das Knäuel unserer Schuld zu lösen, ohne Gewalt, ohne Wut, mit Feingefühl und zugleich Gelassenheit.

Das wünsche ich Ihnen allen und auch mir: Daß wir unseren Lebensfaden, den ganz persönlichen und auch den der Gemeinde, in der wir leben, mitnehmen in ein hoffentlich gutes neues Jahr - auch wenn uns mancher Knoten oder mancher Knäuel im Faden stören mag. Die Hauptsache ist doch, der Faden ist ganz. Das ist die Hauptsache. Nur die Fäden und die Seile, die ganz sind, können zu einem Netz werden, das uns weiter trägt.

Und die Knoten und Knäuel? Sie sind kein dumpfes Schicksal! In manchen Darstellungen wird ein Mensch gezeigt, der dabei ist, einen schwierigen Knoten zu lösen: Diesmal ist es nicht Alexander der Große mit seinem Schwert, sondern die Gottesmutter mit ihren geduldigen Händen. Sie kann die schwierigsten Knoten lösen, weil sie die Mutter des Erlösers und die Mutter aller Menschen ist. Wenn wir in ein neues Kalenderjahr eintreten, tun wir das im Blick auf ihre Gegenwart und ihre Fürsprache. Sie ist die Knotenlöserin, unsere Fürsprecherin bei ihrem Sohn Jesus Christus.

3. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

An der Jahreswende legt es sich nahe, auf das vergangene Jahr zurückzublicken und zugleich gute Vorsätze für das Neue Jahr zu machen. Ich bin nun im fünften Jahr Pastor hier in St. Pankratius. Was hat dieses Jahr aus der seelsorglichen Perspektive gebracht? Zunächst ein paar Zahlen: 25 Kinder wurden von ihren Eltern zur ersten heiligen Kommunion geführt (für viele war dies auch die letzte). 27 Jugendliche sind gefirmt worden. 14 Kinder wurden getauft. Trauungen gab es keine. 5 Mitglieder unserer Gemeinde haben den Kirchenaustritt erklärt. 17 Personen sind gestorben. Im gleichen Zeitraum hat der Kirchenbesuch in erschreckend hohem Ausmaß abgenommen, und das in dem Jahr, in dem der Pfarrgemeinderat sich den Kirchenbesuch als Jahresthema vorgenommen hat. Eine wesentliche Folge ist der ebenfalls erhebliche Rückgang der Kollekte für die eigene Gemeinde: Waren es bisher rund 4.500 Euro, die jährlich für die Pfarrgemeinde gespendet wurden, so sind im Jahre 2007 nur noch 3000 Euro zusammengekommen, d.h. 35 % weniger. Dennoch möchte ich an dieser Stelle zunächst allen ein Wort des Dankes sagen, die im letzten Jahr ehrenamtlich in unserer Gemeinde mitgearbeitet haben. Manche haben sehr, sehr viel Freizeit geopfert, um das Gemeindeleben zu erhalten oder zu verlebendigen. Ohne diese vielen Dienste im einzelnen aufzählen zu können, darf ich als Pastor wohl sagen, dass es gerade diese Mitarbeit ist, die unsere Gemeinde lebendig erhält. Was ich selber dazu tun konnte, war vergleichsweise wenig. Haben Sie alle herzlichen Dank und geben Sie diesen Dank auch weiter! Ich muss aber auch mit allem Nachdruck darauf hinweisen, dass unsere Gemeinde ohne die großzügige Spende der Kirchenbesucher ihre vielfältigen Aufgaben nicht erfüllen kann. Die Kirchensteuerzuweisungen werden in den nächsten Jahren weiter zurückgeschraubt. In Capelle ist nicht einmal mehr Geld für den nötigen Kirchenanstrich da. An diesen Punkt werden auch wir bald kommen, wenn die Kollekten nicht wieder besser werden. Was viele übrigens nicht wissen: Es sind vorwiegend die Nichtkirchgänger, welche durch ihre Kirchensteuer den Betrieb der Gemeinden finanzieren. Der Großteil der Kirchenbesucher zahlt hingegen überhaupt keine oder nur sehr geringe Kirchensteuer. Wenn diese dann nur ein paar Cent in das Kollektenkörbchen werfen – was ist das dann anderes als Geiz? – Ich weiß, dass alles teurer wird und das Geld knapper. Aber nicht jeder hier gehört zu den Armen. Lassen Sie sich bitte im kommenden Jahr nicht lumpen! Der erste Tag des Jahres ist im liturgischen Kalender der Gottesmutter gewidmet. Diese Erklärung des 1. Januar zum Hochfest der Gottesmutter ist ein Aufruf zur Besinnung auf das Wesentliche unseres Glaubens, ein Aufruf zur gelassenen Gläubigkeit, gleichsam eine Medizin gegen die Gottvergessenheit und die übertriebene Zukunftsangst, die daraus entsteht. Wenn wir heute (morgen) auf Maria blicken, beten wir darum, dass ihr Glaube, ihre Fürsprache und ihr Segen das neue Jahr bestimmen mögen. Wir Christen können trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge gelassen in das Neue Jahr gehen, weil wir nicht alles selbst machen müssen; wir wissen: Gott hat schon an der Menschheit gehandelt, er hat in der Fülle der Zeit an Maria gehandelt, die uns den Heiland geboren hat. Jesus, der Sohn Gottes, hat uns freigekauft, damit wir Kinder Gottes werden (Gal 4,5) und das Reich Gottes erben. Das ist die große Gabe, die uns Gott geschenkt hat. Es ist ein geistiges Kapital, mit dem wir wuchern können und sollen. Ich wünsche mir sehnlich, dass wir Christen in Deutschland dieses Geschenk im kommenden Jahr mehr würdigen als im vergangenen. Von Maria heißt es, dass sie „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte und darüber nachdachte“ (Lk 2,19). In dieser Haltung kann sie uns ein Vorbild sein: Wir unterliegen heutzutage einer Dauerberieselung, die kaum jemandem noch Zeit zum Nachdenken lässt. Ständig strömen Nachrichten und Neuigkeiten auf uns ein, die Flut der Bilder und Worte reißt uns mit und macht uns wehrlos gegen Manipulation. Dagegen hilft die Meditation des Wortes Gottes, die stille Einkehr im Gebet. Die einfachste Weise, zur Ruhe zu kommen, ist immer noch die Mitfeier der Heiligen Messe, denn wem gelingt es schon zu Hause, eine halbe Stunde still zu werden und zu meditieren? Klagen wir nicht über den Rückgang der Gottesdienstbesucher, sondern nehmen wir uns vor, selber das Gebet und die Feier der Messe im Neuen Jahr wieder wichtiger zu nehmen! Dann wird für uns das Neue Jahr ein gutes Jahr in St. Pankratius werden!

4. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

„Einen guten Rutsch“ wünschen sich die Leute heute (gestern), d.h. einen guten Anfang, denn das meint das hebräische Wort „rosch“, das wir zu „Rutsch“ verballhornt haben. Jedes neue Jahr ist in der Tat ein Anfang, und den ersten Tagen wohnt ein besonderer Zauber inne, der Zauber des Unberührten und Neuen, der Reiz des Unbekannten und Verlockenden.

All die Hoffnungen und Befürchtungen, die wir im Herzen tragen, bringen wir vor Gott, der die Zeiten kennt. Was immer da vor uns steht – der entscheidende Anfang ist bereits gemacht, das erfahren wir heute in der Lesung. Denn Gott ist auf die Erde gekommen und hat die Zeit zur Heilszeit gemacht, hat einen Neuanfang gesetzt, den niemand mehr rückgängig machen kann. „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, damit wir die Sohnschaft erlangen.“ (Gal 4,4f)

All unsere menschlichen Anfänge ruhen auf diesem göttlichen Anfang. Darum ist es angemessen, den ersten Tag im Jahr der Muttergottes zu weihen, weil wir ihr den neuen Anfang, den Gott mit der Menschheit gemacht hat, verdanken. Weil sie Ja gesagt hat zu Gottes Plänen, konnten diese Wirklichkeit werden. Durch ihren Glauben ist das Tor zum Himmel wieder geöffnet worden. Darum wird sie Mutter der Glaubenden und Mutter der Kirche genannt.

Über ihre Glaubenshaltung wird im heutigen Evangelium eine kurze Bemerkung gemacht, die wir nicht achtlos übergehen sollten: „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“ (Lk 2,19) Sie begriff nicht alles, was da geschehen war, aber sie versuchte es zu verstehen, indem sie es in ihrem Herzen bewahrte. Nicht nur in ihrem Gedächtnis, nicht nur mit ihrem Verstand! Das Herz ist der Sitz der Gefühle und Affekte, das Vermögen des Willens und der Liebe. Maria setzte ihre ganze geistige Kraft ein, um das Geschehen, das Gott gewirkt hatte, in rechter Weise würdigen zu können. So wie sie ihren Sohn neun Monate unter ihrem Herzen getragen hatte und mit ihm schwanger ging – mit ihrer ganzen Liebeskraft und Zuneigung –, so trug sie nun das Gehörte und Gesehene in ihrem Herzen, um davon ganz erfüllt und durchdrungen zu werden. Dieses Nachdenken und Meditieren hat nicht nur neun Monate gedauert, sondern ihr ganzes Leben; und auf diese Weise hat Maria eine Weisheit erlangt, die selbst Salomo nicht besaß, ist sie zum „Sitz der Weisheit“ geworden.

Wie kann das Jahr 2007 zu einem guten Jahr werden? Die meisten meinen, dazu müßten wir mehr Geld haben, eine bessere Wirtschaft, eine funktionierende Gesundheitsversorgung usw. Doch dies alles kommt erst an zweiter Stelle, wenn es überhaupt kommt. Zuerst ist Weisheit vonnöten, ein Urteilsvermögen, das die Dinge ins rechte Licht zu stellen vermag und das die Rangfolge der Werte beachtet. Solche Weisheit fällt nicht vom Himmel und läßt sich auch nicht in einem Volkshochschulkurs mal eben so nebenbei erwerben. Sie ist die Frucht langen Nachdenkens und Meditierens, und zwar über die zentralen Geschehnisse der Geschichte, über das, was Paulus die „Fülle der Zeit“ nennt.

Der Dichter Friedrich Spee beschreibt dieses Nachdenken in einfachen Worten: „In seine Lieb versenken will ich mich ganz hinab.“ – Das kann jeder, dazu braucht man kein Studium, dazu braucht man nur eine Geisteshaltung, wie Maria sie uns exemplarisch vorgelebt hat. Der Barockdichter Paul Gerhardt hat sie in dem folgenden Vers zusammengefaßt:

„Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen;

und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen.

O daß mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer,

daß ich dich möchte fassen.“

Ihr inniger Glaube hat Maria zu einem tiefsinnigen und weisen Menschen gemacht. Am Neujahrstag sollen wir sie uns zum Vorbild nehmen, damit auch wir an Tiefe und Weisheit gewinnen. Dann rutschen wir nicht einfach ins nächste Jahr hinein, sondern fangen es auch gut an und dürfen die Hoffnung haben, daß Gott alles, was er mit uns zusammen anfängt, auch zu einem guten Ende führt.

5. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Liebe Gemeinde!

Silvester und Neujahr sind im Leben des Menschen eine Zeit des Neubeginns und des Nachdenkens. Wir stellen uns die bange Frage: Was wird das Neue Jahr uns bringen? Nie-mand weiß es. Es kann Vieles passieren: Gutes und Schlechtes. Die Zukunft ist absolut ver-borgen.
Vielleicht beschleicht einige von uns ein bißchen die Angst vor der unbekannten Zukunft. Andere sind dagegen sehr zuversichtlich und optimistisch. Was wir selber geplant haben, das wird mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch so geschehen, aber selbst da kann uns ein Strich durch die Rechung gemacht werden. Bei aller Ungewißheit wissen wir jedoch eins mit Sicherheit: Gott wird mit uns sein, er wird uns das ganze Jahr begleiten. Dieses Vertrauen kann uns die Angst vor der unbekannten Zukunft nehmen. Darum ist es sinnvoll und gut, das Neue Jahr in Gottes Hände zu legen und den barmherzigen Gott um seinen Segen zu bitten. Ein bewegendes Beispiel gibt uns der evangelische Pfarrer Dr. Dietrich Bonhoeffer, der im Jahre 1944 in der Silvesternacht ein Gebet in Versform niederschrieb, das bis heute bekannt ist und oft und gerne gesungen wird.

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar.
So will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Dietrich Bonhoeffer hatte ein schweres Jahr hinter sich. Freunde waren im Krieg gefallen, andere standen an der Front, waren im Gefängnis oder im Konzentrationslager. Er selbst war verhaftet worden, nachdem der Anschlag auf Hitler am 20. Juli mißglückt war. Vor dem Volksgerichtshof in Berlin wurde Bonhoeffer der Prozeß gemacht: er wurde zum Tode ver-urteilt. Vor diesem Hintergrund müssen wir die Zeilen lesen, die er nach Hause geschrieben hat:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß auch jeden neuen Tag.

Aber noch ein anderes Wort verdanken wir Dietrich Bonhoeffer aus jener schweren Zeit, in der ein dunkler Schatten über unserem deutschen Volk lastete und die Nazis dabei waren, zuerst die Juden auszurotten und anschließend jeden bekennenden Christen einzusperren oder zu töten. Bonhoeffer sah schon damals den Glaubensschwund der kommenden Gene-ration voraus, der die späte Folge des nationalsozialistischen Giftes sein sollte. Aber er sah ebenso prophetisch das Gegenmittel voraus, die Treue und Gerechtigkeit der stillen Beter:

„Es liegt nicht an uns, den Tag vorauszusagen – aber dieser Tag wird kommen –, wann die Menschen von neuem aufgerufen werden, das Wort »Gott« so auszusprechen, daß es die Welt verändern und erneuern kann. Das wird eine neue Redeweise sein, vielleicht ganz und gar unreligiös, aber befreiend und erlösend wie das Sprechen Jesu, über das sie sich entsetz-ten, von dem sie aber zutiefst betroffen waren. Das wird ein Sprechen in neuer Gerechtigkeit und Wahrheit sein, ein Sprechen, das den Frieden unter den Menschen und das Kommen des Reiches Gottes ankündigt. ‚Wenn sie von all dem Guten hören, das ich tue, dann werden sie zittern und beben wegen all des Guten und des Heils, das ich ihm erweise.’ (Jer 33,9) Bis dahin werden die Christen in Stille und Verborgenheit leben; doch es wird Menschen geben, die beten und Gerechtigkeit üben, während sie auf die Zeit Gottes warten. Wenn doch auch du zu ihnen gehören würdest und man auch von dir einmal sagen könnte: ‚Doch der Pfad der Gerechten ist wie das Licht am Morgen; es wird immer heller bis zum vollen Tag.’ (Spr 4,18)“

Liebe Gemeinde! Wir brauchen solche aufmunternden Worte wie das tägliche Brot, damit wir die Hoffnung nicht verlieren. Denn ohne Hoffnung können wir niemandem helfen. Schon viel zu viele haben sich die Parole „Rette sich, wer kann“ zu eigen gemacht, auch in der Kirche, selbst in ihren höchsten Rängen. Da wird das Wort »Gott« nur noch heuchle-risch in den Mund genommen, Wahrheit und Gerechtigkeit zählen dann nicht mehr. So aus-gesprochen, erreicht das Wort »Gott« die Menschen von heute nicht mehr. Es verkommt zur hohlen Phrase, und es schieben sich dann im Leben der Kirche immer mehr rein weltli-che Angelegenheiten und Denkweisen in den Vordergrund. Der kirchliche Betrieb läßt sich zwar weiter aufrechterhalten, aber ohne positiven Einfluß auf den gesellschaftlichen Frieden, denn ohne Wahrheit und Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden.
Um diesen Zusammenhang geht es Papst Benedikt XVI. in seinem Schreiben zum heutigen Weltfriedenstag. Darin fordert er die Christgläubigen auf,

„aufmerksame und verfügbare Jünger des Herrn zu werden. Indem wir auf das Evangelium hören, lernen wir, den Frieden auf die Wahrheit eines täglichen Lebens zu gründen, das sich am Gebot der Liebe orientiert. Es ist notwendig, daß jede Gemeinde in einem intensiven und weit gestreuten Einsatz durch Erziehung und Zeugnis in jedem das Bewußtsein wachsen läßt für die Dringlichkeit, die Wahrheit des Friedens immer tiefer zu entdecken. Zugleich bit-te ich darum, das Gebet zu verstärken, denn der Friede ist vor allem ein Geschenk Gottes, das unaufhörlich erfleht werden muß.“

Der von Bonhoeffer zitierte Vers aus dem Buch der Sprüche weist uns darauf hin, daß tat-sächlich jeder einzelne, und sei er noch so unvermögend, einen Beitrag zum Frieden leisten kann, nämlich durch seine Liebe zur Wahrheit und zur Gerechtigkeit: Doch der Pfad der Gerech-ten ist wie das Licht am Morgen; es wird immer heller bis zum vollen Tag.’ (Spr 4,18) „In der Wahrheit liegt der Friede“, so überschreibt Papst Benedikt seine Botschaft, und wer heute die Wahr-heit tut und aus der Wahrheit lebt, der wird morgen für sein Tun den Frieden ernten. Papst Benedikt sagt: „Die echte Suche nach Frieden muß von dem Bewußtsein ausgehen, daß das Problem der Wahrheit und der Lüge jeden Menschen betrifft und sich als entscheidend er-weist für eine friedliche Zukunft unseres Planeten.“

Die zentrale Bedeutung der Wahrheit für den Frieden können wir auch aus der folgenden Überlegung erkennen: Aller Unfriede hat seine Wurzel darin, daß die Menschen gegensätzli-che Interessen haben, Interessen, die in Konkurrenz miteinander stehen. Das Interesse des Menschen geht darauf, sein Leben zu erhalten und zu steigern – notfalls auch gegen den Le-ben des anderen. Die Wahrheit dagegen beruht auf der Fähigkeit, das Leben aller zu erhal-ten. Wer die Wahrheit liebt, will nicht nur sich selbst am Leben erhalten, sondern auch den anderen, ja, jeden anderen Menschen. So gesehen, ist das Selbstinteresse die Schrumpfform der Wahrheit , eine Verstümmelung der universalen Wahrheit. Die Wahrheit dagegen, die das Leben aller Kreaturen erhalten will, ist ein Ideal, das es nur in Gott gibt, und darum gibt es den wahren Frieden auch nur in Gott und durch Gott.

Am Weihnachtsfest wurde uns der Sohn Gottes geschenkt, der Friedensfürst. „Allen, die ihn aufnahmen, gab Gott Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12). Maria war die erste, die den Friedensfürst aufnahm, und sie war auch diejenige, die das Geschehene im Herzen be-wahrte und darüber nachdachte (Lk 2,19), so daß es in ihr zu reicher Frucht heranreifen konnte. Hören wir noch, was der Papst zum Ende seiner Friedensbotschaft über die Got-tesmutter Maria schreibt:

„Am Anfang dieses neuen Jahres bitten wir sie (Maria), dem gesamten Gottesvolk zu helfen, in jeder Lage Friedensstifter zu sein, indem es sich erleuchten läßt von der Wahrheit, die frei macht (vgl. Joh 8,32). Möge die Menschheit auf ihre Fürsprache hin eine immer größere Wertschätzung für dieses grundlegende Gut entwickeln und sich dafür einsetzen, sein Vor-handensein in der Welt zu festigen, um den nachwachsenden Generationen eine unbe-schwertere und sicherere Zukunft zu übergeben.“

6. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Das Jahr 2004 ist (fast) vorbei. Es war ein Jahr mit außergewöhnlich vielen Schreckensnachrichten, ein Jahr blutiger Terroranschläge und heftiger Naturkatastrophen. Für einige von Ihnen war es vielleicht noch zusätzlich ein Jahr persönlicher Mißerfolge und Rückschläge. Wir stehen noch unter dem Eindruck der grauenhaften Bilder von der Flutkatastrophe in Asien. Ich muß zugeben, daß ich noch immer nicht ganz erfaßt habe, was da wirklich passiert ist und wie schlimm die Lage in den Unglücksgebieten ist. Das Ausmaß des Schreckens übersteigt womöglich die Hilfsmöglichkeiten der Menschen: Zigtausende Tote und unzählige Verletzte und von der Grundversorgung Abgeschnittene! Wie viele werden noch sterben an Seuchen und Unterversorgung?

Das Schreckensereignis erinnert mich an apokalyptische Mahnungen in der Bibel, z.B. die aus dem 1. Thessalonicherbrief: „Ihr selbst wißt genau, daß der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau, und es gibt kein Entrinnen.“ (1 Thess 5,2f)

Paulus schließt daran die Worte an: „Ihr aber, Brüder, lebt nicht im Finstern, so daß euch der Tag nicht wie ein Dieb überraschen kann.“ – Für ihn, den Apostel des Herrn, ist nicht der Tod als solcher das Schreckliche, sondern das Unvorbereitetsein, das Paulus als ein Leben im Finstern veranschaulicht. Wie aber ist man richtig vorbereitet, wie lebt man im Licht? Dazu sagt Paulus: „Wir aber, die dem Tag gehören, wollen nüchtern sein und uns rüsten mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil.“ (1 Thess 5,8)

Uns rüsten mit dem „Panzer des Glaubens und der Liebe und dem Helm der Hoffnung.“ Das wäre ein guter und sinnvoller Vorsatz für das neue Jahr 2005! Wir können keinen Toten ins Leben zurückholen, und wir können auch nur wenig dazu tun, daß die leidgeprüften Überlebenden aus ihrem Elend herauskommen. Aber wir Christen können unsere Hoffnung ausbreiten, die alle irdischen Ziele und Mittel übersteigt. Unsere Hoffnung richtet sich auf das jenseitige Heil, das denen bereitet ist, die Gott lieben. Diese Hoffnung gibt uns eine gewisse Gelassenheit, was das Auf und Ab der irdischen Wohlfahrt angeht. Wer diese Hoffnung nicht hat, taumelt hin und her, je nachdem ob die Nachrichten des Tages gut oder schlecht ausfallen. Die Welt braucht unsere gelebte Zuversicht, daß Gott sich die Fäden nicht aus der Hand nehmen läßt, daß ER der einzig Beständige ist, der uns Halt gibt in dem schnellen Wechsel der Zeit.

Der Neujahrstag wurde im Jahr 1967 von Papst Paul VI. zum Welttag des Friedens erklärt. Menschen in aller Welt sollen sich darauf besinnen, daß der Friede ein Geschenk Gottes ist, das große Weihnachtsgeschenk, das durch unsere gläubige Annahme in den Herzen Wirklichkeit wird. Wir können nun daran mitwirken, daß um uns herum mehr Friede möglich wird.

"Pax et bonum – Frieden und Heil" wünschen die Franziskaner seit jeher allen, denen sie begegnen. Frieden und Heil wünschen – das heißt SEGNEN. Mose sagt seinem Bruder Aaron: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende dir sein Antlitz zu und gewähre dir Heil.“

Mose spricht diesen Segen am Ende des Exodus, des großen Befreiungsweges des Volkes Israel. Mose spürt, daß das Ende seiner irdischen Tage gekommen ist. Lange Zeit hat er das Volk durch die Wüste geführt. Zuerst waren alle begeistert, doch bald wollten viele wieder zurück in die alte Sicherheit – eine Sicherheit, die keine Geborgenheit war, sondern nur die Stillung der einfachen Bedürfnisse. So murrte das Volk gegen Mose und auch gegen Gott.

In dieser Lage will Mose den Menschen einschärfen: Gott ist weiterhin mit euch, gerade auch in Not und Bedrängnis. Dieser Segenswunsch ist immer aktuell. Gott behütet uns und will unser Bestes, auch wenn wir das im Augenblick vielleicht nicht so erleben. Er läßt sein Angesicht über uns leuchten, d.h. er bleibt uns nahe, im Leben wie im Sterben.

Wenn wir Menschen einen Segen sprechen, dann rufen wir Gottes Kraft wirksam herbei. Wenn schon ein aufrichtig gemeinter Wunsch – z.B. für einen Kranken – Gutes bewirkt, wieviel mehr dann ein Segenswunsch, der aus dem Vertrauen in Gottes heilende Nähe gesprochen wird! Wenn Eltern ihr Kind segnen, wenn Angehörige einen Kranken segnen, dann rufen sie Gottes Kraft herbei, die unsere menschliche Kraft übersteigt. Beten ist ein Wünschen, das weiß, daß es nicht ins Leere geht. Der Aaronsegen gibt ein gutes Beispiel für solches Wünschen, das zugleich Gebet ist. Wir Christen sind aufgerufen, diesen Segen auf unser Dorf, unser Land und auf die ganze Welt herabzurufen, gerade angesichts der aus den Fugen geratenen Naturgewalten und angesichts der Friedlosigkeit vieler Menschen.
Machen wir es uns neu zur Gewohnheit, immer wieder stille Segensgebete zu sprechen: für die Menschen, mit denen wir gerade zu tun haben, wenn sich gerade ein Streit anbahnt oder eine Spannung in der Luft liegt.
Gott möge uns segnen im neuen Jahr, er möge uns behüten und seine Gegenwart erfahren lassen, heute, alle Tage, bis in Ewigkeit.

7. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

„Ich frag mich, wo die Zeit geblieben ist“ – das ist ein Ausspruch, den wir oft hören und selber auch immer wieder in den Mund nehmen, ein Seufzer darüber, daß das Leben unter unseren Händen zu zerrinnen scheint. Mir selbst fiel vorige Tage ein, daß ich bereits vier Monate in Südkirchen bin – und ich frage mich, wo insbesondere die letzten zwei Monate geblieben sind.

Einen Rückblick auf das vergangene Jahr 2003 kann ich Ihnen nicht geben, dazu fehlen mir die ersten zwei Drittel in Ihrer Gemeinde. Es war auf jeden Fall ein Jahr voller Überraschungen und Wendungen, voll Bangen und Hoffnung. Und zum Jahreswechsel kommt noch eine eigenartige innere Unruhe hinzu, läßt doch die Zeitenwende immer Ängste und Sorgen ans Tageslicht kommen, die sonst in uns verborgen sind. Wie wird es weitergehen? Wie werden sich Gesellschaft, Arbeitsmarkt und unsere sozialen Möglichkeiten entwickeln? Was wird aus der Kirche, den Familien und den christlichen Gemeinden werden? Wie wird der Glaube an die nächste Generation weitergegeben werden? Damit uns diese Fragen nicht schrecken, tun wir gut daran, uns zu erinnern, daß wir unseren Weg bisher nicht alleine gehen mußten, sondern auf Gottes Treue bauen konnten. Gottes Treue hat uns begleitet und wird uns weiter begleiten.

Dies können wir uns bewußt machen, wenn wir den priesterlichen Segen des Aaron über das Volk Israel näher betrachten, den wir gerade in der Lesung gehört haben. Die Situation, in die dieser Segen hineingesprochen wurde, war diese: Das Volk Israel steht in seinem langen Wüstenzug. Es ist unterwegs zum gelobten Land. Doch der Weg zieht sich hin. Oft zweifelt das Volk und murrt über sein Schicksal. Wenn nun Aaron und seine Priester den Segen sprechen, wecken sie in Israel zuerst die Erinnerung, daß das Volk nicht allein unterwegs ist und zu keinem Zeitpunkt seines Weges allein war. Oft haben die Propheten und Führer Israels diese Erinnerung bemüht. Die Erinnerung wurde für Israel immer zu einer Quelle der Kraft. Sie führt immer wieder zu der fundamentalen Erkenntnis, daß Gott treu ist und die Seinen nicht alleine läßt.

Und so heißt es dann im Segensgebet: „Der Herr segne dich und behüte dich!“ Das Wort „Segen“ bedeutet Fruchtbarkeit und Lebenskraft sowie Zuwendung und Glückserfahrung. Das Wort „Behüten“ erinnert an den Hirten, der alles für die Seinen tut und sie mit seinen Händen umsorgt – einmal dargestellt in Dorothea Steigerwalds Plastik namens „Bleib sein Kind“, die ein Kind zeigt, das sich in eine große liebevolle Hand schmiegt. Das Segenswort sagt also, daß Gott uns in seine hütende Hand nehmen möge, um unser Leben reich, fruchtbar und glücklich zu machen.

"Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig." Gottes Angesicht ist uns aufgestrahlt in Jesus Christus. So schreibt es Paulus: „Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi.“ (2 Kor 4,6) An Christus entdecken wir, daß Gott Vater seine Gnade, seinen Charme und sein Erbarmen uns zuwenden will. Das Segenswort spricht uns zu, daß wir Gottes Liebe im Herzen spüren mögen, daß sie uns hautnah ergreift und beflügelt, auf daß auch wir Liebende werden und strahlende Gesichter bekommen.

Mit etwas anderen Worten spricht auch das Lied, das wir gerade gesungen haben, von dieser Zuversicht in Form einer Bitte:
„Meine Zeit steht in deinen Händen. Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir.
Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden. Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir.“
Es ist die verfließende Zeit, die uns so oft bedrückt und besorgt. „Mutlos frag ich: Was wird morgen sein?“ – „Hilflos seh’ ich, wie die Zeit verrinnt. Stunden, Tage, Jahre gehen hin, und ich frag, wo sie geblieben sind.“ – Die Erfahrung der knappen Zeit macht uns zu schaffen: „Hast und Eile, Zeitnot und Betrieb nehmen mich gefangen, jagen mich.“ Doch die Erfahrung des Gläubigen, die nur in Erinnerung gerufen werden muß, hält dagegen: „Du liebst mich, du läßt mich los. Vater, du wirst bei mir sein.“ Gott erhört die Bitte: „Herr, ich rufe: Komm und mach mich frei! Führe du mich Schritt für Schritt.“

Das Geheimnis des Trostes liegt in der Erinnerung. Wer in sein Leben hineinspürt und sich zu erinnern weiß, der kann guten Mutes sein, denn er erinnert sich an die Geborgenheit, die Gott immer und immer geschenkt hat. Maria kann uns da ein Vorbild sein, sie, die „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte“. Im Herzen wird das Erlebte zu einer Quelle persönlichen Reichtums, die Erinnerung läßt die Segensworte nicht hohl klingen, sondern verleiht ihnen einen kräftigen Resonanzboden.

Wenn wir am Beginn des neuen Jahres also den Segen Aarons auf uns legen lassen, dann erinnern wir uns an Gottes Treue und dürfen uns in ihr weiter geborgen wissen. Gott ist als der Ewige der Herr über die Zeit, in seinen Händen steht all unsere Zeit, auch die ungewisse Zukunft. So können wir den Weg in die Zukunft getrost und ermutigt gehen.

8. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

„Einen guten Rutsch“ wünschen sich die Leute heute (gestern), d.h. einen guten Anfang, denn das meint das hebräische Wort „rosch“, das wir zu „Rutsch“ verballhornt haben.

Jedes neue Jahr ist in der Tat ein Anfang, und den ersten Tagen wohnt ein besonderer Zauber inne, der Zauber des Unberührten und Neuen, der Reiz des Unbekannten und Verlockenden.
Aber auch vieles kommt uns bedrohlich, beängstigend vor: Ist die Finanz- und Eurokrise nun wirklich vorbei? Übersteht mein Arbeitsplatz dieses Jahr? Was wird aus der Kirche, unserer Gemeinde in all dem Auf und Ab dieses Zeitalters, angesichts von Schuld und Schwäche? Wie geht es weiter mit den Krankheiten in der Familie, bleibe ich gesund?

All die Hoffnungen und Befürchtungen, die wir im Herzen tragen, bringen wir vor Gott, der die Zeiten kennt. Was immer da vor uns steht – der entscheidende Anfang ist bereits gemacht, das erfahren wir heute in den Lesung aus dem Galaterbrief. Denn Gott ist auf die Erde gekommen und hat die Zeit zur Heilszeit gemacht, hat einen Neuanfang gesetzt, den niemand mehr rückgängig machen kann. „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, damit wir die Sohnschaft erlangen.“

All unsere menschlichen Anfänge ruhen auf diesem göttlichen Anfang. Darum ist es angemessen, den ersten Tag im Jahr der Muttergottes zu weihen, weil wir ihr den neuen Anfang, den Gott mit der Menschheit gemacht hat, verdanken. Weil sie Ja gesagt hat zu Gottes Plänen, konnten diese Wirklichkeit werden. Durch ihren Glauben ist das Tor zum Himmel wieder geöffnet worden. Darum wird sie Mutter der Glaubenden und Mutter der Kirche genannt.

Über ihre Glaubenshaltung wird im heutigen Evangelium eine kurze Bemerkung gemacht, die wir nicht achtlos übergehen sollten:
„Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“

Sie begriff nicht alles, was da geschehen war, aber sie versuchte es zu verstehen, indem sie es in ihrem Herzen bewahrte. Nicht nur in ihrem Gedächtnis, nicht nur mit ihrem Verstand! Das Herz ist der Sitz der Gefühle und Affekte, das Vermögen des Willens und der Liebe.

Maria setzte ihre ganze geistige Kraft ein, um das Geschehen, das Gott gewirkt hatte, in rechter Weise würdigen zu können. So wie sie ihren Sohn neun Monate unter ihrem Herzen getragen hatte und mit ihm schwanger ging – mit ihrer ganzen Liebeskraft und Zuneigung –, so trug sie nun das Gehörte und Gesehene in ihrem Herzen, um davon ganz erfüllt und durchdrungen zu werden. Dieses Nachdenken und Meditieren hat nicht nur neun Monate gedauert, sondern ihr ganzes Leben; und auf diese Weise hat Maria eine Weisheit erlangt, die selbst Salomo nicht besaß, ist sie zum „Sitz der Weisheit“ geworden.

Wie kann das Jahr 2011 zu einem guten Jahr werden? Die meisten meinen, dazu müßten wir mehr Geld haben, eine bessere Wirtschaft, eine funktionierende Gesundheitsversorgung usw.

Doch dies alles kommt erst an zweiter Stelle, wenn es überhaupt kommt. Zuerst ist Weisheit vonnöten, ein Urteilsvermögen, das die Dinge ins rechte Licht zu stellen vermag und das die Rangfolge der Werte beachtet. Solche Weisheit fällt nicht vom Himmel und läßt sich auch nicht in einem Volkshochschulkurs mal eben so nebenbei erwerben. Sie ist die Frucht langen Nachdenkens und Meditierens, und zwar über die zentralen Geschehnisse der Geschichte, über das, was Paulus die „Fülle der Zeit“ nennt.

Der Dichter Friedrich Spee beschreibt dieses Nachdenken in einfachen Worten: „In seine Lieb versenken will ich mich ganz hinab.“ – Das kann jeder, dazu braucht man kein Studium, dazu braucht man nur eine Geisteshaltung, wie Maria sie uns exemplarisch vorgelebt hat. Und Zeit, sie einzuüben.
Der Barockdichter Paul Gerhardt hat sie in dem folgenden Vers zusammengefaßt:

„Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen;

und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen.

O daß mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer,

daß ich dich möchte fassen.“

Ihr inniger Glaube hat Maria zu einem tiefsinnigen und weisen Menschen gemacht. Am Neujahrstag sollen wir sie uns zum Vorbild nehmen, damit auch wir an Tiefe und Weisheit gewinnen. Dann rutschen wir nicht einfach ins nächste Jahr hinein, sondern fangen es auch gut an und dürfen die Hoffnung haben, daß Gott alles, was er mit uns zusammen anfängt, auch zu einem guten Ende führt.

Nehmen wir an Maria Maß und rufen wir ihre Fürbitte an. Sie ist der „Sitz der Weisheit und unsere Hoffnung“, wie die Kirche sie auch nennt. Und mit Hoffnung läßt sich ein neuer Anfang in Angriff nehmen. Auch ein neues Jahr.

9. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wer die Weihnachtsgeschichte unvoreingenommen liest, noch nicht weiß, wie es weitergeht, der könnte nach dem heutigen Evangelium denken: «Puh - es ist noch einmal gut gegangen«! Trotz der abenteuerlichen Umstände hat Maria ihr Kind glücklich zur Welt gebracht. Auch wenn vieles der dramatischen Bedingungen in der heiligen Nacht vermeidbar gewesen wäre - es ist nicht zum Schlimmsten gekommen. Es ist noch einmal gut gegangen. Bei der Ankunft der Weisen heißt es sogar schon, dass sie Maria und das Kind im Haus aufgesucht haben - offensichtlich sind Josef und Maria doch fündig geworden. Acht Tage nach der Geburt wird Jesus beschnitten, und damit scheint dann endlich alles wieder in Ordnung zu sein.

Liebe Schwestern und Brüder, so wie Maria mit ihrem Sohn im Arm sich damals wohl gefragt hat, was die Zukunft wohl bringen wird, fragen wir uns zu Beginn des Neuen Jahres ebenfalls: Was bringt uns das neue Jahr? Wie wird es werden? Was hält es für uns bereit?

Was würden wir, an der Stelle Mariens, von der Zukunft erhoffen? Was erhoffen wir uns selbst vom kommenden Jahr? Ein glückliches Leben, möglichst lange und gut gesichert?

Wir wünschen uns nur das allerbeste - und dass wir vom Schlimmsten verschont bleiben. Aber die viel interessantere Frage ist: Was ist denn wirklich das Schlimmste? Und was das Beste?

Blicken wir noch einmal auf Maria. Wir wissen, wie ihr Leben weitergegangen ist. Haben sich ihre Hoffnungen erfüllt? Wenig später wird ihr im Tempel prophezeit, dass ihr das Schwert des Leidens durch die Seele gehen wird. Herodes beginnt zu wüten und begeht den schrecklichen Kindermord. Und schließlich, nach Ablehnung, Enttäuschung, Qualen und Spott stirbt ihr Sohn am Kreuz. Sind die Hoffnungen Mariens gescheitert? Ist das, was Maria passierte, das Schlimmste?

Wer auf das letzte Jahr zurückschaut - und vor allem unter dem Eindruck der Flutkatastrophe am Ende des Jahres rund um den indischen Ozean - weiß, wie zerbrechlich diese Welt weiterhin ist. Nicht nur, dass wir durch rücksichtslosen Raubbau an der Natur viele Unglücksfälle selbst verschulden. Es gibt auch immer noch die Katastrophen, die aus heiteren Himmel zuschlagen und die von keinem Menschen verschuldet sind.

Wir können hoffen, davon verschont zu bleiben. Aber realistisch ist das nicht. Wir müssen akzeptieren, dass keiner von uns vom Leid verschont bleiben wird. Wir leben nicht ewig, und es ist keineswegs ein unchristlicher Gedanken - auch nicht trübsinnig oder morbide - wenn wir ins Auge fassen, dass das kommende Jahr vielleicht unser letztes Jahr sein könnte. Das Leben ist endlich, und es gehört zum Glauben dazu, dass wir jederzeit bereit sind, vor Gott zu treten.

Das größte Unglück ist und bleibt nicht der Tod, nicht die Katastrophe, nicht der Verlust von Gesundheit oder Wohlstand. Das größte Unglück ist die Frage, die heute morgen in der Bildzeitung stand: «Lieber Gott: Wo bist Du?»

Das größte Unglück ist es, den Glauben zu verlieren. Gott zu verlieren. Dem Leid, das unausweichlich kommen wird, nicht mit Hoffnung begegnen zu können.

Liebe Schwestern und Brüder, in diesem Sinne war Maria Optimist: Sie wusste, nichts wird sie von der Liebe ihres Sohnes trennen können. In diesem Sinne sind wir Christen Optimisten: Wir wissen, dass Vieles auf uns zukommt; viel Gutes, aber auch viel Schweres. Aber was auch immer da kommen mag: Wir vertrauen auf Gott. Er ist mein Helfer. Er mein Retter.

Ich habe (vor-)gestern noch einen Mann in Kevelaer getroffen, der mir sein Leid geklagt hatte: Es hätte so fest an Gott geglaubt; aber jetzt sei seine Frau schwer erkrankt - was hätte der Glauben ihm also genützt? - Gott bewahrt uns nicht vor dem Leid - er hat ja nicht einmal seinen einzigen Sohn davor bewahrt. Er bewahrt uns vor einem viel schlimmeren Schicksal: Vor dem Verlust SEINER Liebe.

Wir wissen, was Paulus erkannt hat: Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.

Amen.

10. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wieder ist ein Jahr vergangen. Wie oft sagt oder hört man in den letzten Tagen: "Wie schnell die Zeit vergeht!" - "Wo ist das Jahr nur geblieben?" - "Ich hatte mir soviel vorgenommen...!"

Die Zeit flieht und das, was hinter uns liegt, kommt niemals mehr zurück. Das ist ziemlich endgültig so - und das passt uns gar nicht. Wir leben in einer Gesellschaft, die immer versucht, sich alle Möglichkeiten offen zu halten und sich ja nicht endgültig festzulegen: Weder im Ehrenamt für Gruppen oder Vereine will man sich zulange binden; noch in der Entscheidung für einen Lebenspartner - wer weiß, ob man sich in 10 Jahren noch liebt? Wer will noch Priester werden oder in einen Orden eintreten - eine Entscheidung für sein ganzes Leben treffen?
Sogar die Frage, welcher Religion ich angehöre, wird immer öfter offen gehalten: Vielleicht lerne ich oder meine Kinder ja noch einmal etwas Besseres kennen.

Immer frei bleiben, immer noch andere Wege einschlagen können, sich immer die ganze Welt offen halten. Ewig jung bleiben, immer fit, immer jugendlich schön - immer die Idealfigur haben - danach strebt die Welt, die Medizin, die Forschung und unsere Gesellschaft.

Aber es hilft alles nichts: Wieder ist ein Jahr vorbei, wieder sind wir älter geworden und wieder müssen wir von den guten Vorsätzen Abschied nehmen, die im vergangenen Jahr nicht verwirklicht wurden. Einem modernen Menschen kann angst und bange werden, was er alles verpasst hat - und welche Chancen sich ihm wohl nie wieder auftun werden.

Liebe Schwestern und Brüder, uns ist am Beginn unseres Lebens viel Zeit geschenkt worden - die Welt lag offen vor uns. Aber nicht, damit wir sie unversehrt bewahren, hegen und pflegen und dereinst in Hochglanzfolie verpackt immer noch unser eigen nennen. Die Zeit, die uns geschenkt wurde, können wir nicht festhalten. Die Möglichkeiten, die wir hatten, können wir uns nicht ewig offen halten. Die Zeit zerrinnt uns zwischen den Fingern, die sie festhalten wollen.

Gott gab uns die Zeit, nicht dass wir sie vermehren, sondern dass wir sie investieren. Wer die Zeit wirklich füllen will, der darf sie nicht sparen oder totschlagen, sondern sollte sie einsetzen.
Das bedeutet, sich beschneiden zu lassen; geben - nicht festhalten. Entscheiden - nicht offen halten.

Am achten Tag nach Weihnachten gingen Maria und Josef zum Tempel und ließen ihren Sohn beschneiden. Sie gaben ihn Gott zu eigen.
Alle Zeit, die sie hatten, gaben sie ihrem Sohn. Sie investierten ihre Zeit in Gott - dreißig lange Jahre - aus Liebe zu den Menschen, die sie miterlösen wollten. Kaum eine Ereignis in diesen Jahren war berichtenswert - und doch war es keine vertane Zeit, sondern eine erfüllte Zeit; es war Zeit für Gott.

Liebe Schwestern und Brüder, wer am Ende seines Lebens zurückschaut, wird feststellen, dass nur die Zeit nicht verloren war, die ich für Gott und für seine geliebten Kinder weggegeben habe. Alles Ersparte und Freigehaltene ist dann genauso wertlos wie meine abgespeckten Pfunde und erhaltene Fitness - was ich aber gegeben habe, das bleibt.

Investieren sie ihre Zeit nicht in nutzlose Vorsätze wie Idealgewicht, Schönheitskuren oder Fitnessprogramme.

Vielleicht steht am Eingang zum Himmel eine Waage, auf der sie gewogen werden. Zumindest Johannes berichtet in seiner Offenbarung davon. Glauben sie aber nicht, dass sie mit dem Idealgewicht und einem Body-Mass-Index von unter 21 dort automatisch Zugang erhalten. Gewogen wird nicht ihr Körpergewicht, sondern das Gewicht Ihrer Zeit-Investitionen, der guten Taten und Ihrer Gebete. Vergessen sie ihre Abmagerungskuren - sonst werden sie nachher noch für zu leicht befunden.

Amen.

11. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein neues Jahr hat begonnen; Gelegenheit, kurz inne zu halten. Aus dem, was gewesen ist, erwächst dann entweder Dankbarkeit und Zufriedenheit, als auch der Wille, sich in Zukunft zu bessern. Beides sollte sich in der Waage halten.

Neben den berüchtigten guten Vorsätzen fürs neue Jahr ist es auch üblich, einander Glück zu wünschen. Denn wer weiß, was die Zukunft bringt; was im Jahre 2003 so alles auf uns zukommt.

Auch ich möchte Ihnen meine Glück- und Segenswünsche mit auf den Weg durch die kommende Zeit geben, ausgehend vom Evangelium, dass wir gerade gehört haben.

Ich wünsche Ihnen Energie und Kraft, nicht durch das kommende Jahr zu schleichen oder es gar einfach auf sich zukommen zu lassen. So wie die Hirten von den Herden eilen, um zur Krippe zu gelangen, so wünsche ich ihnen Lebendigkeit, Frische und tatkräftige Zuversicht. Das Leben will gelebt werden. Sie sollten nicht nur leben lassen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie, so wie die Hirten das Kind in der Krippe, dass die den Weg auch zu Gott finden. Nicht immer fällt der Bezug zu Gott leicht. Aber ich wünsche Ihnen, dass sie Gott nicht aus den Augen verlieren, und, noch viel mehr, dass sie ihn nicht aus dem Herzen verlieren. Und dass sie, so wie die Hirten beim Kind Maria und Josef kennen lernten, durch ihre Beziehung zu Gott den Menschen näher kommen. Neue, gute Bekanntschaften machen, die bereichern und helfen.

Und ich wünsche ihnen die Zeit und die Ruhe, so wie Maria Worte, Ereignisse und Begegnungen im Herzen zu bewahren und darüber nachdenken zu können. So vieles fließt an uns vorbei, so viel Gutes geht verloren, weil wir die Kontrolle über unsere eigene Zeit verloren haben. Ich wünsche Ihnen nicht nur Stunden, sondern sogar Tage der Ruhe, der Erholung und der Wiederbelebung, nicht nur zur Urlaubszeit, sondern immer dann, wenn ihnen viel Gutes geschieht.

Ich wünsche Ihnen Tage der Freude und des überschwänglichen Jubels. «Die Hirten kehrten zurück und rühmten Gott, sie priesen ihn für all das, was geschehen ist.» Viele haben vergessen, was aufrichtige Begeisterung ist. Von den Kindern könne wir lernen, wie schön es ist, vor Freude zu singen und zu tanzen. Ich wünsche ihnen diese Freude und genügend Grund zur Freude. Und ich wünsche Ihnen, dass sie in Ihren Jubel auch den einbeziehen können, der der wahre Grund aller Freude ist.

Und ich wünsche ihnen, so wie das Kind in der Krippe schließlich den Namen «Jesus» bekommen hat, denn der Engel verheißen hatte, dass auch sie den Sinn in ihrem Leben darin finden, vor Gott einen Namen zu haben. Er kennt uns, er ist uns nahe. Er liebt uns, und seine Augen sind liebevoll auf uns gerichtet. Es sind seine Augen, die uns die vielen Augenblicke unseres Lebens geschenkt haben. Und so wünsche ich Ihnen noch viele Augenblicke, ein ganzes Jahr voll, ein ganzes Leben voll. Nichts anders meint der Segen des Mose:

Der Herr lasse sein Angesicht über Euch leuchten. Er wende Euch Sein Angesicht zu und halte Euch fest in Seinem Blick. Amen.

12. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Zum Ende des Jahres gibt es die berühmten Jahresrückblicke, im Fernsehen, in den Zeitungen und manchmal auch in unseren eigenen Köpfen.
Was hat das letzte Jahr bestimmt? Was hat uns dabei bestimmt? Was war gut und was war schlecht?

... (ein paar wesentliche Ereignisse des letzten Jahres nennen) ...

Allerding sind es eigentlich nicht die großen Ereignisse des letzten Jahres, die uns wirklich bestimmen; bestimmt werden wir von unserem alltäglichen Tun und dem, was uns jeden Tag, jede Woche oder jede Stunde geschenkt wird.

Sagen wir Gott Danke für unser Augenlicht, dass uns in die Gesichter anderer Menschen sehen läßt; dass offen ist für die Schönheiten dieser Welt. Bitten wir um Verzeihung, wenn wir weggeschaut haben, wo wir hinsehen sollten; und wo wir geglotzt haben, obwohl es nicht gut für uns war.

Sagen wir Gott Danke für die unsere Hände, die geben und nehmen konnten, trösten und aufrichten. Bitten wir um Verzeihung für die Momente, in denen wir untätig waren, obwohl unsere Hilfe gebraucht wurde, und wo wir voreilig tätig geworden sind, anstatt unsere Hände erst einmal zu falten.

Danken wir Gott für unseren Ehepartner, unsere Kinder und unsere Eltern. Sie sind so sehr Geschenk, dass unser Dank zum Jubel werden sollte. Danken wir für jeden Augenblick, in denen wir sie in der Nähe spüren durften. Bitten wir um Verzeihung, wenn wir sie nicht geschätzt haben und ihnen überdrüssig geworden sind.

Danken wir Gott für jeden Funken Vertrauen, den wir in Seine Liebe gesetzt haben. So viele Menschen sind glaubenslos verzweifelt; wir aber haben Gottes Kraft und Wärme erfahren dürfen. Danken wir Gott für die kleinen Momente, in denen wir die Existenz Gottes so deutlich gespürt haben, dass wir keiner Worte mehr bedurften. Bitten wir um Verzeihung, wo uns dieses Vertrauen nicht genug gewesen ist und peinlich und dürftig erschien.

Liebe Schwestern und Brüder, ihnen fällt vielleicht noch viel mehr ein, eine Aufzählung all dessen, was uns nur an einem Tag gegeben wurde, könnte nie vollständig sein. Es sind die kleinen Dinge, die uns wirklich verändern.

So ist es nur natürlich, dass wir dadurch unsere Augen auf Maria lenken lassen. Sie hat keine Wunder vollbracht und ist nicht für uns gekreuzigt worden. Aber sie war im Kleinen die Treuste, sie war im Dank die vollkommenste und uns in allem ein Vorbild. Noch wichtiger aber ist, dass sie uns auch im kommenden Jahr Wegbegleiterin sein will. Nehmen wir ihre Hand an und ergreifen damit die Größe, die im Kleinen liegt. Werden wir ihr, unserer Schwester Maria Euthymia und unseren Gott gerecht - und allen anderen zum Segen.

Amen.

13. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, der Prediger - so heißt es im Handbuch der Predigtausbildung - soll belehren, ermahnen, ermutigen, trösten und zum Dank bewegen. Das sind so genannte Appelle, heißt es weiter.
Appelle, wenn sie schlecht und zu häufig benutzt werden (von Predigern, Eltern oder Freunden), können allerdings allergische Reaktionen hervorrufen: «Der hat mir überhaupt nichts zu sagen!» oder «Jetzt erst recht nicht!». Das gilt auch, wenn gutgemeinte Appelle genau das einfordern, worauf man schon vorher selbst gekommen ist. Vor allem Jugendliche reagieren allergisch, wenn ihnen als gut vorgeschrieben wird, was sie selbst als gut entdeckt haben.
Ratschläge sind zudem oft die härtesten Schläge, die einen treffen können.

Deshalb möchte ich Ihnen für das neue Jahr keine Ratschläge mit auf den Weg geben, sondern eine kleine Sammlung von sogenannten Weisheitssprüchen. Um eventuellen Allergien vorzubeugen, betone ich, das keiner davon von mir stammt.

  • Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.

  • Kein Mensch bei Verstand möchte jünger sein, als er ist.

  • Arm ist nicht der, der wenig hat, sondern der, der nicht genug bekommen kann.

  • Im Leben muss man wählen: Geld zu verdienen oder es auszugeben. Es bleibt nicht genug Zeit, beides zu tun.

  • Soviel ein Mensch vor Gott ist, soviel ist er wirklich. Und mehr nicht.

  • Denke daran, das es nur eine allerwichtigste Zeit gibt, nämlich: Sofort.

  • Glück ist wie ein Maßanzug. Unglücklich sind meistens die, die den Maßanzug eines anderen tragen möchten.

  • Wenn du weinen kannst, so danke Gott!

  • Viele suchen ihr Glück wie einen Hut, den sie auf dem Kopf tragen.

  • Die Menschen sind heutzutage nicht schlechter als sie früher waren. Nur die Berichterstattung über ihre Taten ist gründlicher geworden.

  • Der Mensch kann viele Male hinfallen. Ein Versager ist er erst dann, wenn er behauptet, man habe in umgestoßen.

  • Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen.

  • Wer sich über Kritik ärgert, gibt zu, dass sie verdient war.

  • Ob eine schwarze Katze Glück bringt oder nicht, hängt allein davon ab, ob man ein Mensch ist oder eine Maus.

  • In Dir muss es brennen, wenn du andere entzünden willst.

  • Mit einem Menschen, der nur Trümpfe hat, kann man nicht Karten spielen.

  • Was auch immer geschieht, nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken!

  • Der Vorteil der Klugheit ist, das man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.

  • Eine Stelle der Welt, ein winziges Teilchen wenigstens, können wir verändern: Das ist das eigene Herz.

  • Du kannst mit deinem Leben ein besseres Zeugnis abgeben als mit deinen Lippen.

  • Einer der Vorteile der Unordnung liegt darin, dass man dauernd tolle Entdeckungen macht.

  • Das Ärgerlichste am Ärger ist, das man sich schadet, ohne anderen zu nützen.

  • Die echte Bindung wird durch Belastung stärker.

  • Manche Leute glauben jedem. Vorausgesetzt, er flüstert.

  • Gott liebt uns nicht, weil wir gut sind. Sondern weil er gut ist.

  • Man kann mit dem Hirtenstab in der Hand heilig werden. Aber ebenso gut auch mit dem Besen.

Für das kommende Jahr wünsche ich ihnen Gottes Schutz an ihrer Seite. Amen.

14. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Hochfest der Gottesmutter Maria steht - ähnlich wie andere Marienfeste - nicht sonderlich hoch im Kurs bei den Christen. Immer mehr wird die Person und die Stellung Mariens in unserer Kirche angefragt. Rosenkranzgebet, Marienfrömmigkeit und Marienlieder - alles das sind für einen «modernen» Christen Zeichen von Rückständigkeit, etwas für die Gestrigen.

«Wie gut, dass es Maria gibt» gilt leider nicht mehr. Und da viele unsere Zeitgenossen mit der Verehrung Mariens nichts mehr anfangen können, gehört schon eine Menge Mut dazu, sich - auch im katholischen Glauben - noch zu ihr zu bekennen.

Maria ist nicht mehr aktuell. Und in dem Maße, in dem sie ihren festen Platz in unserem Glauben verliert, in dem Maße gehen auch die Glaubenshaltungen verloren, die Maria in ihrem Leben angenommen hat.

Wer will - gerade jetzt, zu Beginn eines neuen Jahres - so wie Maria ein uneingeschränktes «Ja» zu den Dingen sprechen, die da kommen werden? Vieles, von dem, was im Neuen Jahr geschehen wird, liegt in unseren eigenen Händen. Aber den größeren Teil können wir nicht beeinflussen, er liegt außerhalb unserer Möglichkeiten. Maria hat das «Ja» gesprochen, ohne dass sie von Gott verlangt hätte, ihr die Dinge zu zeigen, auf die sie sich einlassen würde. Sie hat den Erlöser geboren, auch wenn sie wusste, dass der Erlöser viel erleiden muss. Dass sie es als Miterlöserin sehr schwer haben wird, das hat sie gewusst - und doch hat sie ihr «es geschehe nach deinem Wort» gesprochen.

Oder wer will sich schon - so wie Maria - dezent im Hintergrund halten? So vieles geschieht in der Heiligen Schrift, wo wir wissen, dass Maria dabei gewesen ist - Weihnachten, Karfreitag, Ostern, Pfingsten - und doch drängt sie sich nicht in die Mitte des Geschehens. Sie lässt Ihrem Sohn den Vortritt. «Zur größeren Ehre Gottes» - Wer will sich heute noch so ein bescheidenes Vorbild nehmen? Für wen ist es denn ein Ideal, Gott den Vortritt zu lassen und sich selbst zurückzunehmen?

Oder wer kann noch - so wie Maria - die Dinge in sich aufnehmen, in sich aufsaugen? «Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.»
Bewahren wir die Dinge, die im vergangenen Jahr geschehen sind, in unserem Herzen? Halten wir die Menschen, die wir kennengelernt haben und von denen wir Abschied genommen haben, in unserer Erinnerung? Auch die kleinen, unbedeutenden aber herzlichen Begegnungen?
Nehmen wir uns dann noch die Zeit, nachzudenken? Lassen wir uns die Ruhe, die Dinge - wie es im griechischen Original heißt - in unseren Herzen zu bewegen? Von allen Seiten zu betrachten?

Angeblich - so habe ich gehört - hat die Marienverehrung etwas Kindisches an sich. Maria sei nichts für mündige Christen, sondern allerhöchsten etwas für die Naiven unter uns.
Stimmt. Die Haltung Mariens - die man übrigens nur lernt, wenn man sie liebt - setzt ein kindliches Vertrauen voraus. Die Bereitschaft eines Kindes, aus Gottes Hand anzunehmen, besonders, was wir nicht ändern können, können wir vor allem von ihr lernen. Und wenn ihr nicht werdet wie die Kinder...

Deshalb ist es vielleicht doch kein schlechter Brauch, das neue Jahr mit dem Gedanken an Maria zu beginnen. Schön wäre allerdings, wenn es nicht nur bei einem «Beginn» bleiben würde, sondern wenn wir auch während des kommenden Jahres öfters dankbar sind, dass es Maria gibt.

Schaden kann es jedenfalls nicht, sie öfters mal um ihren Beistand zu bitten. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes, gesegnetes neues Jahr. Amen.

15. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, darf ich mich mit Blick auf das vergangene Jahr bei Ihnen bedanken? Bedanken dafür, dass sie hier sind?

Ich weiß, dass es in der heutigen Zeit manchmal einer großen Willensstärke bedarf, sich noch auf den Weg zur Kirche zu machen. Gerade an solchen inzwischen weltlichen Feiertagen wir Sylvester und Neujahr bereitet der Kirchenbesuch besondere Mühen. Deshalb möchte ich mich bei Ihnen bedanken: Dass sie sich nicht einfach nach der Mehrheit richten. Und ich möchte Ihnen auch ein bisschen Mut machen.

Es gibt nämlich viele Gerüchte über Kirchenbesucher. Zwei Zeugen Jehovas sprachen vor einigen Jahren zu mir davon, dass bei man uns Katholiken nur zur Kirche gehen würde, um seine neueste Mode vorzuführen. Junge Leute lehnten den Kirchenbesuch ab, weil «die anderen da ja nur aus Gewohnheit hingehen». Ich habe einmal eine Predigt gehört, in der es sinngemäß hieß, dass die Leute, die nicht zur Kirche gingen, die besseren Christen seien. Manchmal heißt es, dass die, die zur Kirche gehen, nur ihr Gewissen beruhigen. Sie würden in der Kirche fromm tun, und zuhause dann wieder ihre scheinheilige Maske ablegen.

Liebe Schwestern und Brüder, lassen sie sich nicht beirren. Sie wissen selbst besser, warum sie hier sind. Sie wissen, wie viel Kraft es kostet, trotz dieser Gerüchte dem sonntäglichen Kirchenbesuch die Treue zu halten. Und sie wissen selbst, was Ihnen der Gottesdienst schenkt.

Besonders bedanken möchte ich mich bei den Jugendlichen, die noch zur Kirche kommen. Ich bekomme nur am Rande mit, wie viel Spott und dumme Bemerkungen der ertragen muss, der sich heute noch freiwillig zur Kirche bekennt. Ich habe aber Hochachtung vor jedem, der trotzdem noch mit uns feiert. Ich freue mich über Euch.

Ich möchte mich bedanken bei den Eltern, die Ihre Kinder mit zur Kirche bringen. Auch Sie haben es nicht einfach, denn gerade mit mehreren Kindern kann ein Kirchenbesuch zur Geduldsprobe werden. Danke, dass sie diese Geduld aus Liebe zu Ihren Kindern und aus Liebe zu Gott immer wieder aufbringen.

Danke auch an die Älteren, denen der Kirchgang schon allein aus körperlichen und gesundheitlichen Gründen nicht immer leicht fällt. Danke Ihnen allen, dass Sie hier sind. Jeder von Ihnen, der hier sitzt (oder steht), ist ein Geschenk Gottes an unsere Gemeinde. Dass Sie hier sind, zeigt allen anderen - und auch mir - , dass wir mit unserem Glauben nicht allein stehen. Dass wir zumindest in unserem Gott etwas haben, dass uns verbindet. Dass Gott auch heute noch immer eine Bedeutung für unser Leben haben kann. Dass wir hier eine gemeinsame Quelle haben, die uns wichtig ist: Unseren Gott, dessen Liebe wir glauben und hier feiern. Und vor allem: Denken wir nicht schlecht über die, die nicht kommen.

Liebe Schwestern und Brüder, wir Christen sind keine Optimisten. Ein Optimist sieht in allem das Gute, und will das Schlechte nicht so recht wahrhaben. Wir Christen sind Realisten: Das, was nicht gut ist, legen wir schuldbewusst in Gottes Hände. Für alles andere aber haben wir Grund und Glauben genug, Gott zu danken. Das gilt auch für den Blick auf unser persönliches Jahr 2003 und auch auf die Situation unserer Kirche. Legen wir die Nöte und unser Versagen in die Hände Gottes. Bringen wir aber auch die Freude und den Dank darüber zum Ausdruck bringen, dass uns noch so viel Gutes widerfahren ist - dass zum Beispiel so viele uns mit ihrer Anwesenheit, ihrem Glauben und ihr Gebet beschenken.

Blicken wir zum Jahreswechsel auf Maria: Sagen wir Ja zu Gott, ohne zu fragen, was andere tun, denken oder reden. Sagen wir Ja zu dieser Welt, weil Gott selbst die Hoffnung nicht aufgegeben hat. Dankt Gott mit Tränen in den Augen für Jesus, Seinen Sohn, und für jeden Menschen, der mit uns auf dem Weg ist.

Amen.

16. Predigtvorschlag

Liebe Gemeinde!

„Einen guten Rutsch“ wünschen sich die Leute heute (gestern), d.h. einen guten Anfang, denn das meint das hebräische Wort „rosch“, das wir zu „Rutsch“ verballhornt haben. Jedes neue Jahr ist in der Tat ein Anfang, und den ersten Tagen wohnt ein besonderer Zauber inne, der Zauber des Unberührten und Neuen, der Reiz des Unbekannten und Verlockenden.

All die Hoffnungen und Befürchtungen, die wir im Herzen tragen, bringen wir vor Gott, der die Zeiten kennt. Was immer da vor uns steht – der entscheidende Anfang ist bereits gemacht, das erfahren wir heute in der Lesung. Denn Gott ist auf die Erde gekommen und hat die Zeit zur Heilszeit gemacht, hat einen Neuanfang gesetzt, den niemand mehr rückgängig machen kann. „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, damit wir die Sohnschaft erlangen.“ (Gal 4,4f)

All unsere menschlichen Anfänge ruhen auf diesem göttlichen Anfang. Darum ist es angemessen, den ersten Tag im Jahr der Muttergottes zu weihen, weil wir ihr den neuen Anfang, den Gott mit der Menschheit gemacht hat, verdanken. Weil sie Ja gesagt hat zu Gottes Plänen, konnten diese Wirklichkeit werden. Durch ihren Glauben ist das Tor zum Himmel wieder geöffnet worden. Darum wird sie Mutter der Glaubenden und Mutter der Kirche genannt.

Über ihre Glaubenshaltung wird im heutigen Evangelium eine kurze Bemerkung gemacht, die wir nicht achtlos übergehen sollten: „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“ (Lk 2,19) Sie begriff nicht alles, was da geschehen war, aber sie versuchte es zu verstehen, indem sie es in ihrem Herzen bewahrte. Nicht nur in ihrem Gedächtnis, nicht nur mit ihrem Verstand! Das Herz ist der Sitz der Gefühle und Affekte, das Vermögen des Willens und der Liebe. Maria setzte ihre ganze geistige Kraft ein, um das Geschehen, das Gott gewirkt hatte, in rechter Weise würdigen zu können. So wie sie ihren Sohn neun Monate unter ihrem Herzen getragen hatte und mit ihm schwanger ging – mit ihrer ganzen Liebeskraft und Zuneigung –, so trug sie nun das Gehörte und Gesehene in ihrem Herzen, um davon ganz erfüllt und durchdrungen zu werden. Dieses Nachdenken und Meditieren hat nicht nur neun Monate gedauert, sondern ihr ganzes Leben; und auf diese Weise hat Maria eine Weisheit erlangt, die selbst Salomo nicht besaß, ist sie zum „Sitz der Weisheit“ geworden.

Wie kann das Jahr 2007 zu einem guten Jahr werden? Die meisten meinen, dazu müßten wir mehr Geld haben, eine bessere Wirtschaft, eine funktionierende Gesundheitsversorgung usw. Doch dies alles kommt erst an zweiter Stelle, wenn es überhaupt kommt. Zuerst ist Weisheit vonnöten, ein Urteilsvermögen, das die Dinge ins rechte Licht zu stellen vermag und das die Rangfolge der Werte beachtet. Solche Weisheit fällt nicht vom Himmel und läßt sich auch nicht in einem Volkshochschulkurs mal eben so nebenbei erwerben. Sie ist die Frucht langen Nachdenkens und Meditierens, und zwar über die zentralen Geschehnisse der Geschichte, über das, was Paulus die „Fülle der Zeit“ nennt.

Der Dichter Friedrich Spee beschreibt dieses Nachdenken in einfachen Worten: „In seine Lieb versenken will ich mich ganz hinab.“ – Das kann jeder, dazu braucht man kein Studium, dazu braucht man nur eine Geisteshaltung, wie Maria sie uns exemplarisch vorgelebt hat. Der Barockdichter Paul Gerhardt hat sie in dem folgenden Vers zusammengefaßt:

„Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen;

und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen.

O daß mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer,

daß ich dich möchte fassen.“

Ihr inniger Glaube hat Maria zu einem tiefsinnigen und weisen Menschen gemacht. Am Neujahrstag sollen wir sie uns zum Vorbild nehmen, damit auch wir an Tiefe und Weisheit gewinnen. Dann rutschen wir nicht einfach ins nächste Jahr hinein, sondern fangen es auch gut an und dürfen die Hoffnung haben, daß Gott alles, was er mit uns zusammen anfängt, auch zu einem guten Ende führt.

Fürbitten