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Predigtvorschläge - Barmherzigkeitssonntag - Weißer Sonntag
1. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

Jahr für Jahr hören wir am Weißen Sonntag das Evangelium vom sog. „ungläubigen Thomas“. Und fast jeder kann im Schlaf das Wort Jesu aufsagen: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ – Ich möchte dieses Wort heute in einen aktuellen Zusammenhang stellen, nämlich in die Debatte um das Lebensrecht von Menschen, die noch nicht oder nicht mehr über Kommunikationsfähigkeit verfügen, konkret also von Kleinkindern und demenzkranken Menschen.

In dieser Debatte kann es nämlich wahre Blindheit geben, sogar unter hochgebildeten Professoren. Hierzu gehört der australische Philosoph Peter Singer, der davon ausgeht, nur das sei wirklich, was man objektiv feststellen kann. In diesem Punkt ist er ganz mit dem sogenannten „ungläubigen Thomas“ einig. Daraus hat er aber eine erschreckende moralische Konsequenz gezogen: Gefragt, was eine Person ausmacht, beruft er sich auf objektiv feststellbare Merkmale wie Selbstbewusstsein, Selbstkontrolle, Sinn für Vergangenheit und Zukunft und die Fähigkeit, mit anderen Personen zu kommunizieren. Wer darüber verfügt, der ist in den Augen von Singer eine Person, wer darüber nicht verfügt, der ist keine Person. Also wäre zum Beispiel ein Schimpanse eine Person, nicht aber ein Embryo, nicht ein Säugling und auch nicht ein geistig schwer Behinderter. Genau das vertritt Peter Singer seit Jahren schon und hat darüber hinaus gemeint, dass Wesen, die keine Personen sind, nur ein eingeschränktes Lebensrecht besitzen. So hat er den empörenden Satz geschrieben: „Das Leben eines neugeborenen Kindes ist weniger wert als das eines ausgewachsenen Schweins.“ Solche Behauptungen hat er anscheinend am Schreibtisch und auf Kongressen aufgestellt, also weit entfernt von der Wirklichkeit und rein theoretisch.

Aber dann geschah etwas, das dem Erlebnis des Thomas an Ostern vergleichbar ist. Seine Mutter erkrankte an Alzheimer, sie wurde dement. Nach Singers eigener Definition war sie nun keine Person mehr. Dennoch organisierte er einen Pflegedienst, der 24 Stunden für seine Mutter bereit stand. Als man ihn auf den Widerspruch zu seiner Theorie ansprach, bekannte Singer in einem Interview: „Ich denke, dass diese Sache mir die Augen dafür geöffnet hat, dass diese Dinge sich für Menschen als sehr schwierig darstellen, die von diesen Problemen betroffen sind. Vielleicht ist es schwieriger, als ich früher dachte, weil es etwas anderes ist, wenn es sich um deine eigene Mutter handelt.“ – Auch wenn sich Singer um ein klares Bekenntnis herumdrückt, zeigt doch seine Praxis, dass ihm wirklich die Augen geöffnet wurden: Es gibt Dinge, die kann man nicht direkt mit Augen sehen, und dennoch sind sie wirklich, realer sogar noch als so manche objektiv feststellbaren Tatsachen.

Solcherart ist die menschliche Person als eine lebendige und geistige Ganzheit. Dem analytischen Blick des Wissenschaftlers ist dieses Ganze nicht zugänglich, und doch ist es da und wird schon vom kleinen Kind unmittelbar geschaut – sogar als Erstes, noch bevor es die Welt nach und nach auch in ihren Einzelteilen erfasst. Das Kind sieht seine Mutter als eine Einheit und Ganzheit, es sieht eine Person, und zwar eine ganz besondere Person, einen Menschen, der es lieb hat und sich ihm zuwendet. Das Kind sieht mit einem einzigen Blick eine geistige Gestalt, und es nimmt mit demselben Blick wahr, wie ihm die Mutter gerade zugewandt ist: freundlich bestätigend oder abweisend, tadelnd oder ermunternd, fröhlich oder besorgt. – Irgendwann wenn das Kind dann erwachsen geworden ist und von unserer Gesellschaft dazu verführt worden ist, nur das für existent zu halten, was man wissenschaftlich beweisen kann, wird das anfangs so Offenkundige plötzlich problematisch, und das alte Vertrauen wird von Zweifel zerstört.

Dann kommt der Spruch auf: „Ich glaube nur, was ich sehe“. Dieses Motto vertrat auch der Apostel Thomas. Er suchte sicheres Wissen und hielt darum das Detail für wichtiger als das Ganze: die Wundmale als Identifikationsmerkmale seines Herrn und Meisters Jesus Christus. Heute hätte er einen genetischen Fingerabdruck zur Identitätsfeststellung gefordert. – Ich möchte diese kritische Einstellung nicht in Bausch und Bogen verwerfen; aber sie hat doch ihre Grenzen, und die sollte man erkennen.

Und das hat Thomas dann auch getan, und darum ist von ihm im Evangelium überhaupt die Rede. Denn nachdem Jesus sich auf seine Forderung einließ und mit nur leichtem Tadel bedachte, da verließ Thomas seinen Standpunkt der Absicherung und bekannte weit mehr, als er selber sicher wissen konnte: „Mein Herr und mein Gott!“ Er drang damit zur Person vor, zum Geheimnis Jesu, das niemals in Wissen aufgelöst werden kann, das sich aber dem zeigt, der bereit ist, die begegnende Wirklichkeit ernstzunehmen und die eigene Denkweise daran zu messen und gegebenenfalls zu korrigieren, anstatt schon vorher wissen zu wollen, was es geben kann und was nicht. So wurde Thomas auch ein Vorbild für all diejenigen, die den Sprung des Vertrauens wagen

Liebe Gemeinde! „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Ich gewinne diesem Wort Jesu heute einen Sinn ab, der das Seligmachende des Glaubens in den Vordergrund rückt. Wer durch das Sehen und exakte Wissen zum Geheimnis der Wirklichkeit vorstoßen will, der hat einen beschwerlichen Weg vor sich, einen Weg, der dauernd zum Umkehren nötigt, einen Weg, der auf den längsten Strecken ein Irrweg ist. Wie selig ist da derjenige, der im Vertrauen auf den immer größeren Gott und auf Seine Zeugen von solchen Umwegen befreit ist! Aber wie dumm ist derjenige, der weder selber sehen will (weil das zu anstrengend ist) noch denen glaubt, die gesehen haben, sondern ausgerechnet denen sein Ohr zuneigt, die zwar sehen wollen, aber nicht sehen!!! Wie dumm ist der wissenschaftsgläubige Mensch!

2. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)

„Ach, hören Sie doch auf, Herr Kaplan, die Jugend glaubt doch an nichts mehr.“
„Glauben – schön und gut. Aber wie die Kirche mit den Frauen umgeht. Nein, Danke!“
„Natürlich gehe ich zur Kirche. Ich bin gläubig. Aber warum ich beichten soll, das sehe ich irgendwie nicht ein.“
„An einen Gott kann ich glauben, an einen, der die Welt erschaffen hat. Aber daß Jesus der Sohn Gottes ist, daran zu glauben, fällt mir schwer.“

Solche und ähnliche Sätze höre ich häufig als Kaplan.
In diesen Sätzen, liebe Schwestern und Brüder, geht es um Zweifel.
Ganz sicher sind jetzt unter uns auch einige, die Zweifel in sich tragen, was Gott, Glaube und Kirche anbelangt.
Aber dürfen die hier im Gottesdienst sein. Das ist doch nur was für richtig fest Glaubende. Oder etwa nicht?

Nun, im Glauben zu zweifeln, heißt noch lange nicht, nicht zu glauben.
„Viele Zweifel sind noch lange kein Unglaube.“ Hat Kardinal Newmann gesagt.

Wer Zweifel in sich trägt, wer nicht alles kommentarlos hinnimmt, wer sich nicht mit glatten Formeln zufrieden gibt, zeigt, dass ihm der Glaube wichtig ist. So wichtig, dass er ihn auch tiefer, gewisser verstehen will. Wer zweifelt, der sucht und fragt.
Deshalb ist ein Zweifler kein Ungläubiger.

Und auch zweifelnde Gläubige haben ihren Platz in der Kirche.
Davon spricht das heutige Evangelium.

Da ist Thomas, genannt Didymus –Zwilling. Er gehört zu den Jüngern. Ja, er gehört gar zu den Zwölf, also zum engsten Kreis um Jesus.

Und er hat Zweifel, ob das alles stimmt, was die anderen über die Auferstehung Jesu sagen.
Er hat Zweifel und sucht nach Antworten, will Gewissheit.
Er will im wahrsten Sinne des Wortes begreifen, dass der Auferstandene auch der Gekreuzigte sei. Deshalb will er seine Hände in die Wundmale Jesu legen.

Diese Zweifel, die seinen Glauben an Jesus zutiefst erschüttert haben müssen, sagt er offen seinen Mitbrüdern, denen, die glauben.

Und dann kommt ein Satz im Evangelium, den ich sehr bemerkenswert finde:
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei.

Thomas war dabei. Die Jünger haben Thomas nicht aus ihrer Gemeinschaft verbannt. Die Glaubenden haben den Zweifler nicht verstoßen. Nein, Thomas war dabei.
Das wird nicht ohne Spannung gewesen sein. Auf der einen Seite die euphorischen Zeugen der Auferstehung, auf der anderen Seite der Zweifler. Schließlich zweifelt Thomas ja nicht nur am Glauben, er zweifelt ja auch die Glaubwürdigkeit der anderen an. Der eine oder andere wird Thomas nicht sonderlich grün gewesen sein.

Und dennoch heißt es: Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei.

Das heißt für uns: Auch diejenigen, die am Glauben zweifeln, die kritische Fragen stellen, die auch andere und ihren Glauben infrage stellen, gehören zur Kirche.
Sie gehören dazu, wenn sie sich wirklich um Antworten bemühen, wenn ihre Fragen echt sind, ihre Zweifel keine Ablehnung des Ganzen, sondern eine Suche nach dem Ganzen des Glaubens sind.

Gerade junge Christen stellen ihre Fragen und Anfragen. Für viele ältere ist das ein Ärgernis oder eine tiefe Sorge.
Ärgernis, weil die Jugendlichen nicht fraglos das tun, was die Älteren tun.
Sorge, weil die Älteren befürchten, dass die Jüngeren sich von Gott und Kirche endgültig wegbewegen.

Die junge Generation hat das Recht, zu hinterfragen, Zweifel an Bestehendem zu erheben. Ansonsten wäre es keine Jugend. Die kritische Auseinandersetzung mit der Welt gehört zum Erwachsenwerden dazu. Und ich persönlich bin froh, wenn sich Jugendliche in unseren Tagen überhaupt den Fragen nach Gott, Glaube und Kirche annehmen. Das zeigt zumindest, dass ihnen diese Fragen am Herzen liegen.

Aber nicht nur die junge Generation hat das Recht, zu hinterfragen. Jeder von uns sollte freimütig seine Fragen stellen, seine Zweifel äußern können. Niemand sollte dem anderen deshalb den Kopf abreißen oder ihn verunglimpfen.

Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei.
Thomas ist trotz seiner Zweifel bei den Jüngern geblieben. Und in ihrer Mitte ist er dem Auferstandenen begegnet. Seine Zweifel schwanden. Er konnte gläubig bekennen: Mein Herr und mein Gott.
Hätte Thomas die Gemeinschaft der Jünger verlassen, wäre es dazu nicht gekommen. Die Kirche ist und bleibt der Ort, wo wir unsere Fragen stellen können und sollen. In ihr finden wir die Antworten, auch wenn sie uns manchmal nicht sofort einleuchten. Oder wir uns schwer mit ihnen tun.

In der Gemeinschaft der Kirche haben alle Platz, die ehrlich suchen und fragen. In der Gemeinschaft der Kirche können sie –wie Thomas- Christus begegnen, Zweifel möglicherweise ausräumen.

Vielleicht nehmen Sie folgende Fragen mit nach Hause:
Wo habe ich Zweifel im Glauben? Wo bin ich ein Thomas?
Wo suche ich meine Antworten? In der Kirche?
Wann habe ich das letzte Mal mit jemandem darüber gesprochen und mit wem? Was hat mich gehindert, darüber zu sprechen?
Kenne ich einen wie den Thomas? Nehme ich in mit in die Gemeinschaft der Jünger, in die Kirche?

3. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)

Liebe Gemeinde!

„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ Wie oft haben Sie dieses Jesuswort schon gehört! Ich denke mir manchmal, dieses Wort leidet ein wenig unter Verschleiß sowie darunter, für eine billige Vertröstung mißbraucht zu werden: Wenn wir schon nicht sehen und begreifen können, dann sollen wir uns wenigstens damit trösten, daß uns die Seligkeit verheißen ist.

Ich möchte dagegen heute die Frage stellen: Besteht denn die Anfechtung gegen den Glauben vorrangig darin, daß wir keine Augenzeugen des Ostergeschehens sind und es auch nicht sein können? Fällt es uns schwer zu glauben, weil wir damals nicht dabei waren? Liegt die Schwierigkeit zu glauben nachgerade im fehlenden Wissen, oder liegt sie vielleicht ganz woanders?

Josef Pieper macht darauf aufmerksam, daß es gerade der Wissende besonders schwer hat, zu glauben. Also derjenige, der sich auskennt, der Theologe, ist ganz besonders stark angefochten von der Versuchung, den Glauben aufzugeben. Warum ist das so? Weil er sich nicht einfach vom großen Strom der Glaubenden tragen lassen und gleichsam mitschwimmen kann, sondern weil er alle Gegenargumente durchdenken muß, die im Laufe der Jahrhunderte gegen den Glauben ersonnen worden sind. Er muß sie an sich herankommen lassen und sich ihnen stellen. Insofern ist er, wie der heilige Thomas von Aquin gesagt hat, dem Martyrer zu vergleichen, der trotz aller Gewalt den Glauben nicht preisgibt. Denn auch im Inneren des Menschen spielen sich Kämpfe ab zwischen den Einsprüchen der eigenen Vernunft und dem Willen, ihnen standzuhalten. Von den Tausenden dieser vernunftgespeisten Zweifel will ich nur einen nennen: Wie kann Gott seine allumfassende Rettungsaktion der Menschheit an einen einzelnen Menschen binden, an einen Ort und einen Zeitpunkt in der Geschichte? Wie soll in einem Menschen die Universalität des Heiles begründet sein? Und wieso läßt Gott diese weltbewegende Botschaft über den dünnen Faden der geschichtlichen Überlieferung vermitteln? – Oder etwas einfacher formuliert: Was haben wir Späteren mit den Osterereignissen von damals zu tun?

Joseph Ratzinger hat sich über 50 Jahre lang mit Fragen dieser Art herumgeschlagen und nun in einem ganz neuen Buch die Summe seiner theologischen Einsichten präsentiert. Ohne zu übertreiben, darf man wohl sagen, daß der heutige Papst zu den Martyrern des Glaubens im gerade dargelegten Sinne gehört: Er hat zeitlebens die teilweise überaus heftigen Gegenargumente gegen den Glauben bis auf den Grund reflektiert und ihnen mit aller Glaubenskraft standgehalten. Sein Buch über Jesus von Nazareth gibt davon Zeugnis. Es ist kein offizielles Lehrschreiben der Kirche, darum lädt der Papst ausdrücklich zu Kritik und Widerspruch ein. Es legt vielmehr dar, wie dieser große Theologe Antwort zu geben versucht auf die Haupteinwände historischer Kritik gegen die universale Bedeutung Jesu Christi. Ein gewöhnliches päpstliches Lehrschreiben würde diese Einwände einfach mit Hinweis auf die Tradition der Kirche und die entsprechenden Lehrentscheidungen zurückweisen und die nähere Begründung den Theologen überlassen – man könnte auch sagen: den martyriumsbereiten Christen, die sich in die Abgründe der Zweifel zu begeben trauen, gleichsam in die Höhle des Löwen. Wer diese Auseinandersetzung überstanden hat und noch dazu als Sieger, der kann ein Buch wie das erwähnte schreiben.

Nicht für jeden Christen ist dieses Buch hilfreich und notwendig. Aber für diejenigen, die zumindest hin und wieder wie der Apostel Thomas von Zweifeln geplagt werden und sich nicht mehr so ohne weiteres dem Strom der Glaubenden anschließen können, ist dieses Buch wie ein Leuchtturm – ganz ähnlich wie das unbeirrte Zeugnis der Martyrer für die Schwankenden und Entmutigten. Es zeigt, daß der Glaube trotz aller Anfechtung Bestand haben kann, und sein Autor zeigt, daß man dabei durchaus selig bleiben oder werden kann.

Um zum Anfang zurückzukommen: Das Wort Selig sind, die nicht sehen und doch glauben will uns nicht vertrösten, und noch weniger will es uns dazu anleiten, auf die Bestätigung unserer Vernunft zu verzichten – nach dem Motto: „Augen zu und durch!“ Es macht lediglich darauf aufmerksam, daß die Augenzeugenschaft auf eine kurze Phase beschränkt ist, ohne daß deshalb die späteren Gläubigen im Nachteil sind. Uns fehlt nichts nur deshalb, weil wir Ostern nicht dabei waren. Wir haben nicht größere Schwierigkeiten zu glauben als die Apostel. Aber ganz gleich, ob jemand Augenzeuge der Osterereignisse war oder nicht – wer glaubt und standhaft bleibt, der wird selig sein, nicht erst in Zukunft, sondern im Akt des Glaubens. Denn darum geht es: „daß ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.“

4. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

Papst Franziskus ruft an diesem Sonntag in Rom ein Heiliges Jahr aus: das Jahr der Barmherzigkeit. Es beginnt am 8. Dezember und endet am 20. November 2016. Er ruft es heute aus, weil heute der Barmherzigkeitssonntag ist. Dieser Sonntag ist von Papst Johannes Paul II. Im Jahr 2000 eingeführt worden, um die Barmherzigkeit Gottes besonders heraus zu stellen. Und dass Johannes Paul II. dieses Anliegen wichtig war, können wir auch daran sehen, dass er am Vorabend dieses Sonntags - vor genau 10 Jahren gestorben ist. Seine Seligsprechung 2011 fand an diesem Sonntag nach Ostern statt und ebenso seine Heiligsprechung im letzten Jahr.

Neben der Heiligkeit und der Gerechtigkeit Gottes gehört die Barmherzigkeit zu den drei wesentlichen Eigenschaften Gottes. Sr. Faustina, die mit 33 Jahren in Krakau starb, hat in mehreren Visionen von Jesus gezeigt bekommen, wie sie die Barmherzigkeit bekannter machen soll. U.a. soll sie dieses Bild malen lassen. Auch wenn es am Anfang auf mich etwas kitschig wirkte, zeigt es doch das Wesentliche dieses Barmherzigkeitssonntags: der menschgewordene Gott gibt sein Herz für uns hin. Dieses Blut und Wasser - Zeichen, dass das Herz still stand, dass er wirklich tot war - strahlen von ihm aus. Es tropft nicht nur einfach auf die Erde und versickert, sondern es scheint uns entgegen, es wird uns angeboten. Die Quelle des Heils ist die Liebe Gottes, ist die Hingabe Jesu Christi, vermittelt in den Sakramenten der Kirche. Gott bietet uns seine Barmherzigkeit an. Gott möchte uns Liebe und Barmherzigkeit schenken. Papst Franziskus möchte das nochmals neu betonen, wenn er solch ein Heiliges Jahr der Barmherzigkeit anlässlich des 50. Jahrestages der Beendigung des II. Vat. Konzils.

Das Problem dabei - ich habe es schon des öfteren gepredigt - auch vor drei Jahren anlässlich dieses Evangeliums: wir müssen diese Liebe und diese Barmherzigkeit auch annehmen.

Thomas kann uns dafür ein Beispiel sein: Thomas fordert: «Ich glaube erst, wenn ich seine Wunden sehe!» Er will nicht einfach den Auferstandenen sehen, den er vor 8 Tagen verpasst hat, sondern die Wunden! Warum? Thomas hat diese Wunden verschuldet. Die Feigheit der Jünger, die nach der Ölbergnacht alle geflohen waren, hatte zur Kreuzigung Jesu beigetragen. Thomas fordert also - mit anderen Worten - «wenn ich sehe, was ich ihm angetan habe, dann will ich glauben».

Zuvor, nachdem die Jünger ihm von der Erscheinung des Auferstandenen berichteten, und ihm erzählten, dass Jesus von der Vergebung der Sünden berichtet hatte, (wir haben es gerade gehört) wollte er davon nichts wissen. Das, was er angerichtet hatte, hatte er innerlich weit weggeschoben. Die Sache mit Jesus war für ihn abgeschlossen. Wenn er darüber nicht mehr nachdachte und nicht mehr redete, dann bräuchte er auch nicht mehr an sein eigenes Versagen zu denken.

Damit Thomas, der die Jünger von Vergebung und Heiligen Geist hat reden hören, glauben konnte, musste er zunächst seine eigene Vergangenheit anschauen, seine Schuld eingestehen.

Wie kann jemandem verziehen werden, der sich weigert, seine eigene Schuld wahrzunehmen? Und wie kann jemand, der jede Verzeihung ablehnt, zum Glauben kommen?

Genau dies macht Thomas durch: Akzeptieren, was er getan hat; in der Begegnung mit Jesus sowohl seine Schuld ansehen als auch die Barmherzigkeit Gottes erfahren - und anschließend ein Vorbild des Glaubens sein.

Und genau dieses können wir auch durchmachen. Dazu bedarf es keiner Kraftanstrengung, keiner Atemtechnik und keiner besonderen Heiligkeit. Nur eine ganz kleine Sache ist dafür nötig - wie bei Thomas: Wir müssen es nur wollen.

Wer Jesus um diese Gnade bittet - die eigene Schuld zu sehen, akzeptieren zu lernen und um Vergebung bitten zu können - rennt offene Türen ein. Auf nichts wartet Gott sehnlicher als darauf. Verstehen Sie das Heilige Jahr als eine Chance dazu. Amen.

5. Predigtvorschlag

„Schuld schmerzt - unser Licht überzeugt"

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

Ich weiß, viele können es nicht mehr hören - dennoch ist das Thema in den Medien präsent und beschäftigt unser kirchliches Leben: der sexuelle Missbrauch von Minderjährigen in Deutschland und eben auch in der Kirche.
Da sind Wunden gerissen worden, die schmerzen. Da sind über viele Jahre oder Jahrzehnte diese Wunden nicht angeschaut worden. Dadurch wird die Kirche unglaubwürdig, weil ihr Reden nicht mit ihrem Tun übereinstimmt.
Thomas macht es heute anders: Thomas will den Auferstandenen nicht nur sehen, sondern er fordert: «Ich glaube erst, wenn ich seine Wunden sehen!». Thomas hat diese Wunden selbst mit verschuldet. Die Feigheit der Jünger, die nach der Ölbergnacht alle geflohen waren, hatte zur Kreuzigung Jesu beigetragen. Thomas fordert also - mit anderen Worten - «wenn ich sehe, was ich ihm angetan habe, dann will ich glauben».
Es ist ihm bestimmt nicht leicht gefallen, und ich vermute, dass er lieber nicht hingeschaut hätte.

Zuvor, nachdem die Jünger ihm von der Erscheinung des Auferstandenen berichteten, und ihm erzählten, dass Jesus von der Vergebung der Sünden berichtet hatte, wollte er davon nichts wissen. Das, was er angerichtet hatte, hatte er innerlich weit weggeschoben. Die Sache mit Jesus hatte er verdrängt und hoffte er abschließen zu können. Wenn er darüber nicht mehr nachdachte und nicht mehr redete, dann bräuchte er auch nicht mehr an sein eigenes Versagen zu denken. Aber das ist auch heute noch ein weit verbreiteter Trugschluß.

Thomas wollte die Wunden Jesu schauen, denn es sind seine eigenen gewesen. Damit Thomas, der die Jünger von Vergebung der Schuld hat reden hören, glauben konnte, musste er zunächst seine eigene Vergangenheit anschauen, seine Schuld eingestehen.

Der Kirche geht es heute genauso: sie muss erst ihre eigene Schuld ansehen, ihre eigene Vergangenheit anschauen, damit ihr vergeben werden kann.

Natürlich trägt jede weitere Schuld zur Unglaubwürdigkeit bei und es tut weh, diese Wunden nach Jahrzehnten noch anzuschauen - und doch ist ein Neuanfang ohne diese Aufarbeitung nur schwer möglich.

Und was bei Thomas der Fall war und beim sexuellen Missbrauch der Fall ist, ist bei uns nicht anders. Auch wir werfen durch jede Sünde ein schlechtes Licht auf die Kirche. Jede Lüge bei der Steuererklärung eines Christen lässt beim Finanzbeamten ein schlechteres Bild von Kirche entstehen. Jede Ungerechtigkeit eines Kirchgängers lässt bei den Nachbarn ein schlechteres Licht von Kirche entstehen. Jede Abweisung an der Pfarrhaustür lässt bei den Bedürftigen ein schlechteres Licht von Kirche entstehen. Jede Sünde wirft ein schlechteres Licht auf die Kirche.

Wie anders wird es doch von Petrus berichtet. Wo sein Schatten hinfiel, wurden die Menschen heil. Die ihm begegneten wurden zum Glauben geführt, so hörten wir vorhin in der Apostelgeschichte.

Dabei war Petrus ja nun wirklich nicht derjenige, der kein schlechtes Licht auf Christus geworfen hat - das Ereignis mit dem Hahnenschrei - seine dreifache Verleugnung am Gründonnerstagabend ist man gerade 10 Tage her.

Wie konnte er danach noch ein Zeuge für Christus sein? Ganz einfach: weil er seine Schuld angesehen hat. Zum einen sicherlich wie Thomas - zum anderen beim reichen Fischfang am See - wir hören es nächsten Sonntag als Evangelium: 153 Fische. Petrus wird dort dreimal gefragt: Liebst Du mich - so wie er ihn dreimal verleugnet hat - er erkennt seine Schuld, er weint bei der dritten Frage, so sehr schmerzt diese Einsicht. Doch gerade dann, wenn er es einsieht, ist Christus bereit, ihm zu vergeben und ihn zu seinem größten Zeugen zu machen.

Auch uns lädt er immer wieder ein: sieh auch Du auf Deine Schuld, Gott will Dich nicht bestrafen, sondern es ist nötig, dass Du hinsiehst, damit Du einsiehst, damit Gott seine Liebe schenken kann und Dich senden kann. Er will die Sünde von Dir nehmen, damit Du endlich befreit ein neues Leben angehen kannst, damit Dein Licht anderen Menschen leuchtet, damit Du kein schlechtes Licht mehr wirfst, sondern damit der Wurf Deines Schattens Menschen zum Leben, zum Heil führt.

6. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

der heutige Sonntag hat den Beinamen "Weißer Sonntag". Am Sonntag nach der Osternacht, in dem früher die Taufbewerber eines ganzen Jahres getauft wurden, feiert die Kirche ihren neuen Mitglieder. Sie feiert sie, weil sie ein Geschenk Gottes sind.

Denn den Glauben, ohne den es keine Taufe gibt, macht keiner - er ist ein Geschenk Gottes. Und gleiches gilt für den Entschluss, Kind Gottes zu werden: Den hat als erstes Gott getroffen, und die Taufe ist nur die Antwort darauf. Deshalb feiern wir die Getauften als Geschenk - als Gabe Gottes, auch zu unserer Freude.

Aber, wenn wir es so recht bedenken, gilt das nicht nur für die Neugetauften. Der Weiße Sonntag ist Gelegenheit, für alle zu danken, die mit uns als Getaufte Leben. Auch das ist keine eigene Leistung, sondern ein Geschenk Gottes; nur haben wir uns daran schon fast als Selbstverständlichkeit gewöhnt. Ein Blick aber in Länder der Verfolgung oder der Diaspora zeigt, dass es keineswegs selbstverständlich ist, im Glauben getragen und durch eine Gemeinschaft von mit-Glaubenden getragen und gestärkt zu werde. Danke wir heute also auch für alle anderen, die uns mit einem festen Glauben vorangehen, uns anstecken und sich im Gebet für uns einsetzen.

Am Weißen Sonntag freuen wir uns nicht nur an den Getauften, wir wollen sie auch in unsere Reihen aufnehmen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie gut aussehen, reich sind oder arm, berühmt oder verschmäht. Sie sind Kind Gottes geworden und wurden in der Taufe von aller Schuld befreit. Wenn Gott nichts nachträgt und keine Unterschiede macht, dann wollen wir es auch nicht.

Und wieder gilt dieses nicht nur für die Neu-Getauften, sondern für alle anderen auch: Erkennen wir in den Mitchristen zuallererst das gemeinsame, die gemeinsame Berufung, die gemeinsame Gnade.
Für uns spielt es oft keine Rolle mehr, ob jemand Christ ist oder nicht, ob jemand mit zur Kirche gehört oder nicht. Danach sucht keiner seinen Bäcker oder KFZ-Mechaniker aus. In den Ländern der Verfolgung und der Diaspora ist das anders: Da gehört man zusammen, allein weil man gemeinsam zur Kirche gehört.

Am heutigen Sonntag feiern wir auch den Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit. Gott hat nicht nur den Täuflingen, sondern auch uns unverdiente Barmherzigkeit erwiesen. Ohne unser Verdienst hat er uns erwählt und in seine Kirche berufen. Feiern wir nicht nur die Neugetauften als Mitglied der Kirche, sondern erkennen wir in unserer Zugehörigkeit zur Kirche eine Gnade - ein Geschenk des barmherzigen Gottes.

Thomas darf heute seine Finger in die Wunde Jesu legen - ob er es tut, wird nicht berichtet. Auch wir sind eingeladen, Jesus ganz nah zu kommen und ihn nicht nur in der Kommunion in uns aufzunehmen, sondern am besten in unser Leben. Lassen wir uns wie Thomas verwandeln; folgen wir dem Beispiel der Neugetauften, die ein neues Leben begonnen haben; lassen wir uns von ihrer Freude anstecken und die Gnade Gottes in uns neu entfachen.
Der Weiße Sonntag, der Sonntag der Barmherzigkeit und der Sonntag des gläubig gewordenen Thomas gehören zusammen: Es ist ein Sonntag der Erkenntnis, der Nähe zueinander - der Liebe. Lassen wir uns verwandeln, so wie sich Brot und Wein auf dem Altar verwandeln. Lasst uns heute ein anderes Leben beginnen - Amen.

7. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Vielleicht haben sie es auch in der Zeitung gelesen: «Der norwegische Pfarrer Bertel Aasen in Oslo hat sich eine Methode einfallen lassen, mit der er die Zahl der unverheirateten Paare reduzieren will. Der Geistliche versucht, Paare ohne Trauschein mit einer Verlosung vor den Altar zu locken. Unter den Paaren, die sich trauen lassen, verlost er eine Hochzeitsreise für umgerechnet 4500 Mark.»

Eine Preisverleihung für die, die sich trauen lassen? Ein absurder Gedanke. Wer sich kirchlich trauen lassen will, soll das tun, weil er seine Beziehung unter den Segen Gottes stellen will; weil er erkannt hat, dass für eine gelingende Ehe auch Gottes Hilfe nötig ist. Und nicht deswegen, weil es etwas zu gewinnen gibt.

Zuerst habe ich daher auch kräftig mit dem Kopf geschüttelt. Aber dann habe ich mich gefragt, wieviele denn wirklich - auch hier in Deutschland - kirchlich heiraten, die Sakramente der Taufe, der Eucharistie und der Kommunion empfangen, weil sie die Hilfe Gottes suchen. Steht bei manchen Trauungen nicht die Feier in Weiß, bei manchen Taufen der erhoffte Kindergartenplatz oder die Gleichstellung mit all den anderen Kindern, bei einigen Erstkommunion der Segen der Geschenke mit ganz oben an?

Verstehen Sie mich nicht falsch: All diese Feiern haben ihren guten Sinn. Denn eine Feier unseres Glaubens soll ja auch eine richtige Feier sein. Das, was im Glauben und in den Sakramenten geschieht, ist Grund genug, richtig gefeiert zu werden. Und je feierlicher solche Feste begangen werden, um so sinnvoller. Aber es fällt uns manchmal schwer, den ursprünglichen Sinn nicht aus den Augen zu verlieren. Das gilt nicht nur für die kirchlichen Feste.

Aber in der Feier unseres Glaubens fällt es uns besonders schwer, nicht mit den Gedanken an der Oberfläche hängen zu bleiben: Weil man ja das eigentliche, was geschieht, nicht sieht: Gottes Handeln an uns. «Weil du mich gesehen hast,» so sagt Jesus zu Thomas, «glaubst. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.»

Eine Aufgabe der Kirche - Ihre und meine Aufgabe - ist es, Hilfen zu geben, dass Unsichtbare zu erfahren, zu verdeutlichen und zu begreifen, dass durch Gott an uns geschieht.

Suchende Menschen führt man nicht durch Verlosungen von Hochzeitsreisen, Geschenken und netten Feiern zu den Sakramenten. Das hält nicht lange. Der Weg zu den Sakramenten - der Weg zu Gott - führt allein über den Glauben. Wer helfen will, sollte eine Hilfe zum Glauben sein, eine Hilfe zum Bekenntnis des Thomas: «Mein Herr und mein Gott».

Warum gehen Sie zur Kommunion? Jetzt, gleich in diesem Gottesdienst? Weil es alle tun? Oder weil Sie damit öffentlich bekennen: Gott, ich brauche dich! - ?

Wer das glaubt, wer in jedem Sakrament, ob es nun die sonntägliche Kommunion ist, die Taufe, Beichte oder Ehe ist, die einmalige Lebenshilfe Gottes sieht - der hat wirklich allen Grund zu feiern.

In der Lesung haben wir gehört, dass Scharen von Menschen zu den Aposteln strömten, aus allen Orten um Jerusalem herum, ja, die Kranken wurden sogar auf die Straßen gelegt. Und dann heißt es lapidar am Schluss: «Und alle wurden geheilt.»

Wenn unser Glaube schon mit einer Verlosung verglichen wird, dann gibt es bei uns nur Garantielose. Zu gewinnen gibt es allerdings keine Hochzeitsreisen, und auch Heilung von Krankheit ist nicht garantiert. Aber jeder, der glaubt, gewinnt mit Sicherheit einen wunderschönen Heiligenschein.

Herzlichen Glückwunsch!

8. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder! «Und alle wurden geheilt», heißt es am Ende der Lesung. Aus ganz Jerusalem und auch aus den Nachbarstädten strömen die Leute zusammen und brachten Kranke und von unreinen Geistern Geplagte mit. Und alle wurden geheilt.

Die Apostel verkünden die Botschaft von der Auferstehung des Herrn und sie tun die Zeichen, die auch er getan hat. Selbst die Kranken, so steht da, trug man auf die Straßen hinaus und legte sie auf Betten und Bahren, damit, wenn Petrus vorüber kam, wenigstens sein Schatten auf einen von ihnen fiel.

Auch heute gibt es wunderbare Heilungen, nicht nur in Lourdes. Es gibt charismatische Christen, auf deren Gebet hin Kranke geheilt werden. Als allerdings ein Krankenhaus-Seelsorger daraufhin einmal angesprochen wurde, meinte er: «Schön gut, das mag ja sein. Aber warum werden bei mir keine Kranken geheilt? Verkünde ich denn nicht auch Christus? Mache ich etwas falsch? Bete oder glaube ich nicht richtig?»

Ein Pfarrer erinnert sich an einen jungen Mann, der ihm seine eigene Heilungsgeschichte erzählte: Er wurde von zuhause weggeschickt, rausgeworfen. Die Eltern waren streng katholische Christen. Für sie war ihr Sohn ein Schandfleck; er war tatsächlich knietief im Sumpf korrupter Geschäfte verwickelt.
Nach wenigen Jahren war er so am Ende, dass er sich entschloss, mit seinem Leben Schluss zu machen. Doch er wollte vorher noch einmal seine Eltern sehen. Spät in der Nacht klingelt er an der Tür seines Elternhauses. Der Vater schaut zum Fenster hinaus. Als er ihn erkennt (der junge Mann war bis auf die Knochen abgemagert und seine klebrigen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht), schlägt der Vater wortlos das Fenster zu. Keine Chance!
Der junge Mann geht von dannen und läuft zum Bahngleis, das auf einer Böschung an seinem Dorf vorbeiführt. Für ihn gibt es nur noch eines: Schluss mit einem solchen Leben! Er steigt die Böschung hinauf. Da umgibt ihn plötzlich ein helles Licht. Er bleibt wie angewurzelt stehen. Dann spricht eine Stimme zu ihm: «Wenn dich auch Vater und Mutter verlassen, ich nehme dich auf.» Dann wird es wieder dunkel, das Licht der Erscheinung ist verschwunden.
Aber in dem jungen Mann brennt eine Sonne, die Freude, die ihn erfüllt, bringt ihn fast um. Er rennt davon, er rennt über eine Stunde lang wie ein Verrückter quer über die Felder. Die Freude und das Glück haben ihn fast umgebracht.
Als der Pfarrer diesem jungen Mann später einmal das Bild vom barmherzigen Jesus gab, wurde dieser ganz still und sagte dann nach einem längerem Schweigen: «Er war es, der zu mir gesprochen hat.»

Schön und gut - aber es drängt sich hier wieder die Frage auf: Was ist mit den vielen jungen Menschen, denen am Bahngleis kein Licht erscheint und die sich verzweifelt das Leben nehmen?

Thomas kann nicht glauben, dass sein Herr und Heiland wirklich auferstanden ist, so wie viele von uns heute ebenfalls ihre Schwierigkeiten haben. Aber er hat die Gnade, dem Herrn zu begegnen und seine Finger in die Wunden Jesu zu legen.

Bei jedem Wunder, ob eine Krankenheilung, eine Bekehrung oder eine Lebensrettung, können wir uns fragen: Warum nur er, warum nicht auch die vielen anderen? Die Antwort darauf ist ganz einfach: Es geht Gott gar nicht darum, unser Leben zu retten oder zu heilen. Es geht ihm darum, unser Vertrauen zu gewinnen. Denn viel seliger sind wir, wenn wir an die Barmherzigkeit Gottes glauben, Krankheit ertragen und auf Vergebung hoffen, allein auf SEIN Wort hin.

Das größte Wunder ist nicht die Heilung von Krankheit oder die Erscheinung eines großen Lichtes. Das größte Wunder ist und bleibt der Glaube. IHR Glaube, liebe Schwestern und Brüder, ist das Licht, das mich am Leben erhält. Lassen wir es strahlen! Dann rettet und heilt Gott mehr Menschen durch dieses Licht als Petrus durch seinen Schatten. Amen.

9. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, wissen Sie, wie frustrierend und demütigend es sein kann, wenn Sie etwas ganz begeistert weitergeben bzw. weitererzählen - und man glaubt Ihnen nicht? Das ist entweder ein schwerer Vertrauensbruch - oder da zweifelt jemand an ihrem Verstand. Er weiß es besser als Sie.
Unsere Reaktion darauf ist oft hilflos: «Denkst du etwa, dass ich lüge? Meinst du etwa, ich hätte keine Ahnung?» Es ist nicht nur frustrierend, sondern es zerstört Beziehungen, wenn mir nicht geglaubt wird.

So ähnlich ist es wohl auch Johannes, dem Evangelisten, ergangen: Johannes hat Jesus selbst erlebt, sein Wesen, seine Göttlichkeit, seine Liebe und seine Ausstrahlung. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass dieser Jesus Gott selbst gewesen ist; dass wir nur durch diesen Jesus selig werden können. Nun will er uns von diesem Glauben mitteilen. Er erzählt alle möglichen Geschichten über Jesus, die er zum größten Teil selbst erlebt hat, erinnert sich an Jesu Predigten, beschreibt die Wunder Jesu bis in kleinste Einzelheiten. Und obwohl Johannes seine Wahrheitsliebe beteuert, davon spricht, dass er es selbst gesehen hat, dass er nichts erfindet, muss er wohl immer wieder die Erfahrung gemacht haben, dass man ihm nicht glauben wollte. Weder ihm, dem Johannes, noch Gott.

Genau wie damals der Apostel Thomas. Er war genauso dickköpfig. Er kennt doch eigentlich seine Apostelkollegen: Wenn die alle sagen, dass sie Jesus gesehen haben, dann muss da doch etwas dran sein! Und trotzdem will er nicht glauben. Wie kann man nur so dickköpfig sein, so misstrauisch seinen engsten Freunden gegenüber? Die Apostel kommen doch nicht aus Jux und Dollerei nur wenige Stunden nach der Katastrophe am Kreuz auf die Idee, Thomas zu veräppeln! Aber Thomas bleibt dabei: Er will ihnen nicht glauben. Er glaubt nicht an die Göttlichkeit Jesu und damit stellt er seine gesamte Beziehung zu seinen Freunden aufs Spiel!

Liebe Schwestern und Brüder, Glauben oder Unglauben ist nämlich keine Privatsache, trotz aller gegenteiligen Behauptungen. Wer nicht glaubt, geht auf Distanz zu den Christen und zu Gott und spielt mit dem eigenen Leben! Skepsis und Distanziertheit ist kein Zeichen von Reife, tut mir leid! Sie ist ein Zeichen von Beziehungsunfähigkeit. Von Vertrauensverlust. Von Persönlichkeitsverlust!
Thomas verletzt nicht nur seinen Lehrer und Meister, seinen Freund und Gott Jesus mit seiner Dickköpfigkeit, sondern seine Freunde.

Glauben Sie mir, auf Dauer kann eine Freundschaft oder eine Beziehung nicht bestehen, wenn das gegenseitige Vertrauen nicht auch eine göttliche Grundlage hat. Ohne Gott und gemeinsamen Glauben ist jeder Freundschaft und Beziehung nur Sentimentalität und Romantik, vielleicht eine Interessengemeinschaft und wird schlimmstenfalls zum Egoismus zu zweit.

Liebe Schwestern und Brüder, deshalb beschließt Johannes sein Evangelium mit diesem Thomas, der nicht glauben will, trotz aller Vernunft. In Thomas spricht Johannes am Schluss seines Evangeliums alle Zuhörer an, die nicht glauben wollen und sich vielleicht mit diesem isolierten, beziehungslosen Thomas identifizieren.

In Thomas zeigt er, dass allein der Glaube, das Vertrauen zu Gott uns in das Beziehungsgeflecht des Lebens zurückholt. Wie sehr verbindet es, wenn wir uns gegenseitig glauben! In der Lesung haben wir einen Lobgesang auf diese Erfahrung gehört: Wir haben alles gemeinsam, keiner steht außen vor, keiner muss Not leiden. So ist die Erfahrung der ersten Christen gewesen, die auf mehr gebaut haben als nur auf menschliche Nähe und Romantik. Wer Gott traut und an Jesus glaubt, der wird liebenswert, beziehungsreich. Der steht in der Mitte einer echten Gemeinschaft, die mehr zu bieten hat, als jeder Verein und jede Clique.

Ostern heißt, das Leben in der Fülle zurückzugewinnen. Durch den Glauben an den Auferstandenen allein wird uns dies geschenkt. Wenn wir uns einig sind im Bekenntnis: Mein Herr und mein Gott! - Erst dann sind wir ein Herz und eine Seele. Amen.

10. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

sie können mir sagen, was sie wollen: Der Thomas hat es doch besser gehabt als wir. Er hat Jesus sehen können, er hat ihn berühren können, und damit ist es doch ganz klar, dass es ihm auch leichter gefallen ist, an Jesus zu glauben.

Vielleicht denken Sie auch: Wenn ich Jesus leibhaftig sehen könnte, dann würde ich glauben. Ja, wenn ich meine Hand in seine Hand legen könnte, ihm von Auge zu Auge anschauen könnte, wenn ich den Hauch seines Atems spüren würde - ja, dann würde ich auch glauben.

Wären Sie auf die Idee gekommen, erst dann zu glauben, wenn Sie seine Wunden berühren können?

Es hat schon eine vollkommen andere Bedeutung, wenn Thomas fordert: «Ich glaube erst, wenn ich seine Wunden sehen!» - als wenn wir das sagen würden. Denn immerhin hat Thomas diese Wunden selbst verschuldet. Die Feigheit der Jünger, die nach der Ölbergnacht alle geflohen waren, hatte ja schließlich zur Kreuzigung Jesu beigetragen. Thomas fordert also - mit anderen Worten - «wenn ich sehe, was ich ihm angetan habe, dann will ich glauben».

Es ist ihm bestimmt nicht leicht gefallen, und ich vermute, dass er lieber nicht hingeschaut hätte.

Zuvor, nachdem die Jünger ihm von der Erscheinung des Auferstandenen berichteten, und ihm erzählten, dass Jesus von der Vergebung der Sünden berichtet hatte, wollte er davon nichts wissen. Das, was er angerichtet hatte, hatte er innerlich weit weggeschoben. Die Sache mit Jesus war für ihn abgeschlossen. Wenn er darüber nicht mehr nachdachte und nicht mehr redete, dann bräuchte er auch nicht mehr an sein eigenes Versagen zu denken.

Thomas hatte das Recht, die Wunden Jesu zu schauen, denn es sind seine eigenen gewesen. Damit Thomas, der die Jünger von Vergebung und Heiligen Geist hat reden hören, glauben konnte, musste er zunächst seine eigene Vergangenheit anschauen, seine Schuld eingestehen.

Wie kann jemand verziehen werden, der sich weigert, seine eigene Schuld wahrzunehmen? Und wie kann jemand, der jede Verzeihung ablehnt, zum Glauben kommen?

Genau dies macht Thomas durch: Akzeptieren, was er getan hat; in der Begegnung mit Jesus sowohl seine Schuld ansehen als auch Vergebung erfahren - und anschließend ein Vorbild des Glaubens sein.

Und genau dieses können wir auch durchmachen. Dazu bedarf es keiner Kraftanstrengung, keiner Atemtechnik und keiner besonderes Heiligkeit. Nur eine ganz kleine Sache ist dafür nötig - wie bei Thomas: Wir müssen es nur wollen.

Wer Jesus um diese Gnade bittet - die eigene Schuld zu sehen, akzeptieren zu lernen und um Vergebung bitten zu können - rennt offene Türen ein. Auf nichts wartet Gott sehnlicher als darauf.

Amen.

Fürbitten