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Predigtreihe zur Kirche

Wie oft heißt es: "Die Kirche sollte mal...! Die Kirche hat früher...! Die Kirche ist viel zu reich...!" Dabei lassen wir es gerne offen, wer oder was denn "die Kirche" ist. Es wird also Zeit, darüber einmal nachzudenken...

1. Predigt: Kirche und Reich Gottes – Reform und Reformen

Warum über die Kirche reden? Warum dieses Wort in den Mund nehmen? Gibt es nicht andere, einfachere, bessere Bezeichnungen? In letzter Zeit sind in der Tat manche andere Begriffe gebräuchlich geworden: Gemeinde, Gemeinschaft, oder auch „Nachfolgegemeinschaft Jesu“. Alle diese Begriffe wollen das Sperrige, das Anstößige des Wortes „Kirche“ umgehen und vermeiden. „Kirche“: da schwingt ja die ganze Last der Geschichte mit, die Fehler und Versäumnisse, das Sich-Versteifen auf ein bestimmtes Bekenntnis, das Dogmatische, und irgendwie auch das Antiökumenische: denn „Kirche“ könnte ja auch bedeuten, daß es nur eine wahre Kirche gibt, die den Anspruch erhebt, das Werk Jesu Christi authentisch zu vertreten und zu verkünden. Und wie ist es überhaupt mit Jesus? Verdeckt die Kirche mitsamt ihren Vertretern, ihrem Habitus und ihrer zuweilen unverständlichen Wortwahl nicht die klare und einfache Botschaft Jesu? Hat Jesus überhaupt eine Kirche gewollt und begründet? Viele sagen: Für meinen Weg zu Gott brauche ich keine Vermittlungsstelle und keine Institution. Ich kümmere mich schon selbst darum. –

Fragen über Fragen, und bei alldem geht es immer auch um die Wortwahl und die Begriffe, die gewählt werden. Meinen die verschiedenen Stimmen und Beiträge überhaupt dasselbe, wenn sie das Wort „Kirche“ in den Mund nehmen? Als Petrus im Innenhof neugierig wartet, um nach der Verhaftung Jesu etwas über das Schicksal seines Meisters zu erfahren, sprechen ihn einige an, die erkennen, daß er auch einer der Jünger ist, und sagen zu ihm: „Deine Sprache verrät dich ja!“ (Mt 26,73). – So ist es auch heute, wenn es um Dinge des Glaubens geht. Die Art und Weise, wie Worte, Begriffe, Zeichen ... verwendet werden oder nicht, verrät viel.

So wird zum Beispiel gesagt, aus der Volkskirche von früher werde jetzt allmählich etwas anderes, nämlich die „Nachfolgegemeinschaft Jesu“. Diese Wortwahl verrät auch einiges. Haben die Menschen in der Kirche früher nicht Nachfolge Jesu geübt? Und geht es nur um Jesus oder auch um Christus, den Auferstandenen und Erhöhten? Und tut man wirklich gut daran, auf das Wort „Kirche“ zu verzichten? Klärung tut da not.

So möchte ich dazu einladen, an den Dienstagen dieser Fastenzeit ein wenig über die Kirche nachzudenken. Denn die Kirche ist mehr als nur das Kirchengebäude, in dem wir uns versammeln. Sie ist auch mehr als nur das Institutionelle und das Organisatorische, das natürlich auch wichtig ist. Aber alles das trifft noch nicht den Kern. Das alles ist noch nicht das Wesentliche. Das wird leider oft vergessen oder überspielt.

Vor einigen Tagen wurde der Theologe Hans Küng in den Tagesthemen der ARD interviewt. Es war am Aschermittwoch. Da ging es um die Frage, wie denn heute überhaupt Werte und ethisches Verhalten wieder an Bedeutung gewinnen könnten angesichts des Vertrauensverlustes großer Teile der Bevölkerung in die Politik und in Institutionen. – Und in diesem Zusammenhang stellte der Moderator Hans Küng die Frage, ob denn nicht auch die Kirchen ihre Mitte verloren hätten.

In diesem Moment wäre die große Chance gewesen, zu Beginn der Fastenzeit vor hunderttausenden von Menschen ganz einfach und kurz die große Botschaft in Erinnerung zu rufen, die uns auch in unserem Fastenhungertuch hier vor Augen steht: Ja, die Mitte, die müssen wir immer wieder gemeinsam suchen und finden. Und die Mitte, das ist nicht ein Programm oder eine Idee, das ist eine lebendige Person: Jesus Christus: in seinem Antlitz erkennen wir die Liebe Gottes. - Das zu verkünden und das zu leben, das ist die erste Aufgabe der Kirche damals wie heute.

Leider hat der Theologe diese Chance nicht erkannt und stattdessen die Amtsträger der Kirche, vor allem den Papst, wegen ihrer angeblichen Reformunfähigkeit kritisiert. Mir schien an dieser Stelle, daß Hans Küng keine der Verlautbarungen unseres Papstes, der ja wirklich bis zur völligen körperlichen Erschöpfung an der Erneuerung der Kirche arbeitet, wirklich gelesen hat. Es kommt offenbar wirklich darauf an, was einer unter „Reform“ versteht: auch das ist ein Wort, das ganz unterschiedlich verstanden wird!

Die letzte große Kirchenversammlung, das Zweite Vatikanische Konzil, hat in sehr dichter Weise zusammengefaßt, worin das Wesen der Kirche gründet und was wir von ihr glauben. Sie hat von der Kirche als „Sakrament“ gesprochen (Lumen gentium, 9). Das heißt: es gibt in der Kirche nicht nur die sieben Sakramente, sondern die Kirche selbst ist Sakrament, das heißt sichtbares und wirksames Zeichen in dieser Welt. Die Kirche ist sichtbar verfaßt, sie ist sichtbar deswegen, weil Christus sichtbar auf diese Welt gekommen ist als Mensch. Christus ist der Grund und die Mitte der Kirche.

Und das Konzil geht noch weiter und sagt:
„Um den Willen des Vaters zu erfüllen, hat Christus das Reich der Himmel auf Erden begründet, uns sein Geheimnis offenbart und durch seinen Gehorsam die Erlösung gewirkt. Die Kirche, das heißt das im Mysterium schon gegenwärtige Reich Christi, wächst durch die Kraft Gottes sichtbar in der Welt. Dieser Anfang und dieses Wachstum werden zeichenhaft angedeutet durch Blut und Wasser, die der geöffneten Seite des gekreuzigten Jesus entströmten (vgl. Joh 19,34) ...“.

Das bedeutet: Die Kirche ist das „Reich“, das heißt – so könnte man es sagen - der Bereich, der Raum, das Land, in dem Christus jetzt schon gegenwärtig ist und nicht nur das: sondern auch jetzt schon wirksam handelt, so wie er damals gelehrt, geheilt und gewirkt hat. Das bedeutet: in der Kirche will Christus in dieser Welt machtvoll handeln, er will, daß das Reich Gottes zu uns Menschen kommt.

Das ist eigentlich eine ungeheure Aussage, und diese Wahrheit vom Reich Christi, das sich verwirklicht in der Kirche, hat im Laufe der Jahrhunderte Anlaß zu einer, man könnte sagen, triumphalen Sicht der Kirche geführt: „Reich“ bedeutet ja Herrschaft, Macht, Stärke. Doch das Konzil verweist in diesem Zusammenhang zuerst auf etwas anderes, nämlich auf das Leiden Jesu am Kreuz. Jesus ist König, weil er die Dornenkrone getragen hat. Sein Reich ist nicht jenes, das der Teufel ihm während der Versuchung in der Wüste aufdrängt, als er Jesus auffordert, niederzufallen und ihn anzubeten (vgl. Mt 4,9 parr). Sondern es wird gestiftet im Moment tiefster Hingabe und Erniedrigung, im Geheimnis von Blut und Wasser, das aus Jesu Seite strömt und in den Sakramenten der Taufe und der Eucharistie gegenwärtig gesetzt wird.

Um dieses Geheimnis aufzuschlüsseln, hat Jesus immer wieder in wunderbaren Gleichnissen das Reich Gottes beschrieben: im Gleichnis vom Fischernetz, in dem sich gute und schlechte Fische sammeln, im Gleichnis von der vierfachen Saat, vom Sämann und vom Weinberg, vom Unkraut unter dem Weizen, vom Senfkorn, das groß heranwächst, im Gleichnis von den Knechten und vom Festmahl, zu dem viele eingeladen sind, aber nur einige kommen.

Mit diesen Gleichnissen, die aus der bäuerlichen Umwelt und dem Wirtschaftsleben genommen sind, umschreibt Jesus die Verborgenheit und Unscheinbarkeit des Reiches, aber auch die Notwendigkeit für die Menschen, sich zu entscheiden und die Tragik der Ablehnung, die das Reich auch erfährt von den Menschen. Das Spannende an diesen Gleichnissen, das, was uns in große Unruhe und Aufmerksamkeit versetzen müßte, ist: Diese Gleichnisse lassen sich allesamt auch auf die Kirche anwenden! - Und so sind sie auch von den großen Kirchenvätern im Verlauf der Geschichte der Kirche verstanden worden. In den Ereignissen, die in den Gleichnissen beschrieben werden, geht es nicht um Anekdoten und ethische Belehrungen, sondern um viel mehr. Jesus will damit seine Jünger, und so auch uns, vorbereiten auf die Schwierigkeiten, auf das Leiden, auf den mühsamen Weg, der der Kirche nach seinem Tod und seiner Auferstehung und nach der Sendung des Geistes bevorsteht.

Und dieses Mühsame und Leidvolle kann jeder, der mit der Kirche lebt und sie als Stiftung Christi liebt, im eigenen Leben spüren.

2. Predigt: Kirche als Volk Gottes unterwegs

Der heilige Augustinus, Bischof von Hippo in Nordafrika (er starb im Jahre 430), dem wir ungemein tiefe und wertvolle Einsichten über das Wesen der Kirche verdanken, sagt einmal: „Bedenke: Ein Stück des Weges liegt hinter dir, ein anderes Stück hast du noch vor dir. Wenn du verweilst, dann nur, um dich zu stärken, nicht aber um aufzugeben.“

Diese Mahnung des Heiligen können wir auf unser persönliches Glaubensleben beziehen, wir können es aber auch beziehen auf die Kirche. Denn die Kirche ist auf Wanderschaft, sie geht einen Weg, sie ist Volk Gottes unterwegs.

Das Zweite Vatikanische Konzil – wir hörten es am vergangenen Dienstag – sagt, daß die Kirche in Christus gleichsam das „Sakrament“ sei, „das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen gentium, 1). Dieses ganz wesentliche Zeugnis über die Kirche – die Kirche als Sakrament – bringt das Konzil in Verbindung mit dem Karfreitagsgeschehen: aus der geöffneten Seite Jesu strömen Blut und Wasser (vgl. Joh 19,34).

Für uns bedeutet das eine ganz wichtige Schlußfolgerung: Die Kirche ist immer in ihrem Wesen geprägt vom Kreuz Christi. Das Kreuz ist die Form, die allen Aussagen und Symbolen über die Kirche zugrunde liegen muß. – Oder umgekehrt gesagt: Ohne das Kreuz, ohne das Geheimnis des Kreuzes wäre die Kirche kein Geheimnis mehr, keine gnadenhaft durchwirkte Stiftung Gottes in dieser Welt. Sondern sie wäre nur noch ein Gebilde des Zufalls und menschlicher Notwendigkeiten, sie wäre lediglich ein eindimensionaler Versuch, Verhältnisse ein bißchen zu verbessern, nur noch ein besserer Club, der sich um dieses oder jenes Problem kümmert.

Die Kirche lebt vom Kreuz. Und sie leidet mit unter dem Kreuz. Diese wichtige Wahrheit hat auch ihre Geltung, wenn wir die Kirche mit einem alten biblischen Begriff als „Volk Gottes unterwegs“ bezeichnen. In den letzten Jahrzehnten hat diese Bezeichnung neue Beachtung gefunden. Es ist wichtig, dieses biblische Bild vom Volk Gottes in seiner ganzen Größe zu beleuchten.

Dabei können wir von der Hauptfeier im Kirchenjahr ausgehen, von der Osternacht. In der zweiten Lesung hören wir jedesmal aus dem Buch Exodus den Auszug aus Ägypten. Diese Lesung ist in der Tat ein Schlüssel zum Verständnis der Kirche als Volk Gottes.

Dem Bericht über den Auszug voraus geht eine dramatische Verhandlung, die Moses im Auftrag Gottes mit dem Pharao führt. Gott erteilt dem Pharao den Befehl: „Gebt mein Volk frei! Sie sollen mir in der Wüste dienen!“ (Ex 7,16). Dieser Befehl wird mehrere Male, nämlich viermal, in der Begegnung zwischen dem Pharao und den Gesandten Gottes und Vertretern des auserwählten Volkes, Moses und Aaron, wiederholt. Und jedesmal steigert sich die Dramatik und die Radikalität dieses Befehls. Zunächst zeigt sich der Pharao durchaus willig und kompromißbereit. Er will sich in der Sache tolerant zeigen. So sagt er zu Moses und Aaron: „Geht und opfert eurem Gott hier im Land!“ (Ex 8,21). – Doch dieses Zugeständnis genügt nicht. Damit der Kult richtig wird, muß ein Auszug erfolgen, muß das Volk sich auf eine Wanderschaft bewegen. Es muß sich Exodus ereignen. In die Wüste muß das Volk hinausziehen, so ist es Gottes Wille.

Nach den uns wohlbekannten Plagen erweitert schließlich der Pharao seine Zusage. Er erlaubt den Auszug in die Wüste, will aber, daß nur die Männer gehen und Gott das geforderte Opfer darbringen, während die Frauen und die Kinder zu Hause in Ägypten bleiben sollen. Der Kult – so die Vorstellung des Pharao und verbreitet die Vorstellung in vielen Religionen – hat als aktive Träger nur die Männer, die sozusagen rechtsfähig waren und so den Kult verantworteten. Aber auch auf diesen Vorschlag kann Moses nicht eingehen. Für ihn ist der Gehorsam gegenüber Gott unbedingtes Gebot. Und so muß er auch dem Pharao widersprechen, wenn dieser endlich erlaubt, daß auch Frauen und Kinder mitziehen dürfen, das Vieh und die Tiere aber nicht: Moses besteht darauf, daß auch das Vieh mitzunehmen sei. Denn selbst die unvernünftigen Tiere sind Teil der Gottesverehrung, auch sie sind Bestandteil des Gottesdienstes.

Diese ganze Geschichte gipfelt in dem, was uns in der Liturgie der Osternacht vom Auszug aus Ägypten, nachdem das Paschalamm geschlachtet wurde, erzählt wird. Worum geht es hier eigentlich? Vordergründig um die Freiheit, die der Pharao den Israeliten verwehrt und doch gezwungenermaßen zugestehen muß. Aber die tiefere Schicht führt direkt in das Geheimnis der Gottesverehrung und der Anbetung Gottes. Das Ziel des Auszugs ist noch nicht das Gelobte Land, das dem Volk verheißen wird. Das erste und wichtigste Ziel ist der Gottesdienst, zu dem das Volk unter der Führung des Moses aufbricht. Und wie dieser Gottesdienst aussieht? Das wissen Moses und das Volk im Moment des Aufbruchs noch nicht einmal. Wie der rechte Gottesdienst auszusehen hat und was alles dazugehört, das erfährt das Volk erst in der Wüste, am Sinai, wo Gott die Zehn Gebote und die Gesetzesordnung offenbart. Der ganze Weg des Volkes Gottes, sein Auszug und seine Wanderschaft, sind geprägt vom Schauen auf Gottes Herrlichkeit, vom Hören auf sein Wort und vom Gehorsam gegenüber seinen Weisungen.

Der Exodus des Gottesvolkes und die Offenbarung Gottes am Sinai: das sind die Vorgaben, die uns auch heute als Kirche anvertraut sind. Diese Vorgaben gilt es zu beachten und fruchtbar zu machen, wenn wir uns als neues Volk verstehen, das durch das Bundesblut Christi gestiftet und durch die Kommunion mit ihm gesammelt wird. Communio – Gemeinschaft – Kommunizieren mit dem Herrn und miteinander: das können, wenn wir die Glaubenszeugnisse der Bibel und der Überlieferung ernstnehmen, nie nur eindimensionale Begriffe sein. Es geht nicht nur um die Erstreckung der Communio ins Horizontale, in die Mitmenschlichkeit, hinein. Sondern immer ist da vorgängig die vertikale Dimension, die Initiative Gottes, der Sein Volk sammelt. Und so ergibt sich, wenn Vertikale und Horizontale zusammenkommen, die Form des Kreuzes. Das Kreuz Jesu Christi bleibt für die Kirche, das neue Volk Gottes, die grundlegende Wahrheit, sozusagen der Schlüssel des Heils, und das grundlegende Geheimnis – heute und morgen und immer.

3. Predigt: Die Kirche ist der Leib Christi

Es gibt viele Vergleiche für die Kirche, die uns wohlbekannt sind: Kirche als Haus, Kirche als lebendige Steine, Kirche als Schiff, das über dem Meer der Zeit unterwegs ist.

Diese Bilder stellen dar, was gemeint ist, aber sie sind in ihrer Aussagekraft natürlich begrenzt. Die Wirklichkeit der Kirche ist umfassender. Wenn wir zum Beispiel sagen, die Kirche ist das Haus aus lebendigen Steinen, dann meinen wir das in einem übertragenen Sinne.

Ein Symbol aber gibt es, das mehr ist als nur ein Bild. In Wirklichkeit faßt es die Grundwahrheit über die Kirche in einer besonderen Weise zusammen. Dies geschieht, wenn wir sagen: Die Kirche ist der Leib Christi. Diese Aussage ist mehr als ein Vergleich. Es ist ein Glaubenssymbol von realer Dichte. Es ist eine Aussage des Glaubens, über die es sich sehr lohnt, nachzudenken.

Das Wort „Der Leib Christi“ hören wir in der heiligen Messe: jedesmal, wenn die heilige Kommunion ausgeteilt wird. Die heilige Kommunion, das ist der Leib Christi. In der frühen Kirche hat man die Kommunion auch den „mystischen Leib Christi“ genannt. „Mystisch“, das will sagen: verborgen, sakramental, geheimnisvoll, aber nichtdestoweniger real. Wenn Jesus sagt: „Das ist mein Leib“, dann ist das nicht im übertragenenen, bildlichen Sinne gemeint, sondern real. Das Wörtchen „ist“ kann man nicht weginterpretieren.

Während man also in früherer Zeit von der Kommunion als dem mystischen Leib Christi sprach, sprach man von der Kirche als dem „wahren Leib Christi“: corpus verum. Auch damit wurde etwas Entscheidendes ausgesprochen: Der Leib Christi, den wir in der heiligen Hostie empfangen, ist ja nicht einfach eine Sache, die wir an uns nehmen, sondern vielmehr etwas Lebendiges, Aktives: Es ist der Leib, den Jesus für uns Menschen dahingegeben, wir können ruhig sagen: geopfert hat. Deswegen heißt es ja auch in den Wandlungsworten der heiligen Messe jedesmal: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“ (Lk 22,19; vgl. 1 Kor 11,24).

Dieser für uns geopferte Leib Christi bewirkt etwas. Diese Wirkung hat der heilige Bischof Augustinus in der ihm eigenen unvergleichlichen Art wie folgt ausgedrückt. Er sagt im Hinblick auf die heilige Kommunion den Gläubigen: „Empfangt, was ihr seid – Leib Christi -, damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi.“

Hier geschieht also nicht nur, daß Christus den Seinen etwas schenkt, daß er etwas von sich gibt, und sei es auch noch so viel und noch so wertvoll, nein, hier geschieht noch viel mehr: Christus gibt sich selbst, und diese Selbsthingabe löst ein gegenseitiges Sich-Durchdringen aus. Christus gibt sein Leben hin für die Kirche, und die Kirche wird dadurch so sehr in ihn hineingezogen, daß sie selbst sein „Leib“ genannt werden kann. Christus ist das Haupt, wir, die Kirche, sind sein Leib.

Und nirgendwo sind wir darum so sehr Kirche, Leib Christi, wenn wir die heilige Eucharistie feiern, wenn wir also als sichtbare und geordnete Versammlung vor Gott hintreten, um zu tun, was Jesus seinen zwölf Aposteln aufgetragen hat. Die Eucharistie ist die Mitte all dessen, was die Kirche glaubt und vollzieht. Und darum ist es auch keinesfalls abwegig und auch keine Fehlentwicklung, wenn die Kirche im Laufe der Jahrhunderte es als ihr Recht und als ihre Pflicht angesehen hat, um das Allerheiligste, das sie verwaltet und vollzieht, auch einen heiligen Raum und einen Vorraum zu schaffen, nicht damit den Gläubigen der Zutritt zur Eucharistie, zum Leib Christi, verwehrt wird, sondern gerade deswegen, damit die wirkliche Bedeutung und der Wert der heiligsten Eucharistie sichtbar wird.

Diesen Wert spricht der heilige Paulus an, in einem Text, der an Fronleichnam als Lesung vorgetragen wird, aber leider nicht ganz vollständig. Die fehlenden Verse lauten darin:
„Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.
Wer also unwürdig von dem Brot ißt und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn.
Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken.
Denn wer davon ißt und trinkt, ohne zu bedenken, daß es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er ißt und trinkt“ (1 Kor 11,26-29).

Zur Gemeinschaft mit dem Leib Christi gehört auch die Gewissenserforschung und gehört auch das Überprüfen der eigenen Würdigkeit, denn den Leib Christi zu empfangen, bedeutet, teilzunehmen am Leiden Christi. Christus hat die Eucharistie gestiftet in der Nacht vor seinem Tod, und der äußere Rahmen, in dem Christus das getan hat, war die Paschafeier des Volkes Israel. Deutlicher konnte Jesus wohl nicht mitteilen, daß in dieser Feier nun das neue Volk Gottes, das neue Israel, entstehen sollte, und zwar in seinem Leib, in dem er inmitten seiner Jünger allezeit gegenwärtig bleiben wollte.

Und noch eine andere wichtige Stelle zeigt uns, wie Christus von seinem Tod und seiner Auferstehung her denkt und handelt, wenn er die Kirche in seinem eigenen Leib als sein neues Volk stiftet: Es ist das rätselhafte Tempelwort, das er nach der Reinigung des Tempels von den Markt- und Verkaufsständen sagt, als die Menschen von ihm eine Rechtfertigung fordern: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ (Joh 2,19; vgl. Mt 26,61; 27,40; Mk 14,58; 15,29; Apg 6,14). Das Zeugnis der Heiligen Schrift ist klar: Hier meint Jesus nicht ein neues Gebäude, das an die Stelle des alten tritt, sondern er meint sich selber, seinen verklärten Leib, der von den Toten auferstanden ist (vgl. Joh 2,22). Jesus sagt damit: Der neue Tempel, das bin ich selbst, das ist mein Leib.

Und die Passionsberichte schildern uns, wie dieses Niederreißen des alten Tempels schon zeichenhaft geschieht, indem der Vorhang des Tempels vor dem Allerheiligsten zerreißt, während Jesus am Kreuz stirbt (vgl. Mk 15,38 par).

Immer wieder werden wir also bei den Symbolen und Bildern für die Kirche auf das heilige Kreuz verwiesen. Ohne das Kreuz können wir nicht in rechter Weise von der Kirche sprechen, und erst das Kreuz zeigt uns die wirkliche Dimension der Kirche als Stiftung und Werk unseres Herrn Jesus Christus.

4. Predigt: Die Kirche als Schiff und Arche des Heils

Menschen früherer Generationen kamen zeit ihres Lebens kaum über die Grenzen ihres Geburtsortes hinaus. Noch für unsere Eltern und Großeltern war eine Reise, vor allem eine, die über mehrere Tage oder gar Wochen ging, etwas Außergewöhnliches. Es mußte schon ein ganz wichtiger Anlaß vorliegen, seine Sachen zu packen und loszugehen - Reisen bedeutete ja meistens, sich zu Fuß aufzumachen.

Wie großartig mußte es dann einem antiken Menschen vorkommen, wenn er in einem Hafen stand und zusah, wie ein großes Handelsschiff majestätisch heranfuhr, wie der Wind die Segel blähte und die Mannschaft überglücklich war, nach gefährlicher Fahrt den sicheren Hafen erreicht zu haben?

So nimmt es denn nicht wunder, wenn das Bild des Schiffes, das über dem Meer dahinfährt, seit alters her als Sinnbild und Symbol für die Kirche genommen wurde. Aber dieses Bild war nicht in erster Linie Ausdruck einer Reisesehnsucht oder eines Fernwehs. Sondern dieses Bild nahm wohl zunächst Maß an einem biblischen Vorbild, und zwar aus dem Alten Testament: an der Arche Noah, die in der zerstörerischen Flut diejenigen Menschen und Tiere rettet, die Gott für das Heil auserwählt hat. In dieser Arche aus Holz, die nach Gottes Anweisung und Plan vom gottesfürchtigen Noah zusammengebaut wurde, erkannten die Christen schon der frühen Kirche einen ganz starken und deutlichen Hinweis auf die eigene Situation: Ja, auch wir sind in dieser Welt dem Untergang geweiht, wenn wir nicht Zuflucht suchen zu diesem Boot, das aus einem besonderen Holz erbaut wurde. Dieses Holz, das das Material bietet für die rettenden Planken, war nichts anderes als das Kreuz Jesu Christi.

Wir sehen also, wie zentral wiederum das Geheimnis des Kreuzes auch für dieses Glaubenssymbol ist und wie prägend es das Bild der Kirche ausformt. Die Arche des Heils, in der wir Zuflucht finden, ist die Kirche. Sie allein kann uns in dieser Zeit Rettung und Geborgenheit bieten. Und die Kirche kann nicht sein ohne das Kreuz Christi. Sie wäre nicht wahre Kirche, würde sie das Kreuz mißachten. – In dem Bild der Arche und des Schiffes ist somit auch eine deutliche Kritik gegen alle Abwertung des Kreuzes und des Sühneleidens Christi, wie es immer wieder die Gnosis, eine gewaltige und gefährliche Strömung bis heute, und wie es verschiedene Irrlehrer versucht haben. Eine Irrlehre zum Beispiel behauptete, Jesus, der Sohn Gottes, habe zwar einen Leib angenommen, doch nur zum Schein, sonst wäre er doch nicht wirklich Gott geblieben, und folglich hätte er auch nur zum Schein gelitten.

Gegen diese Abwertung der Wirklichkeit in der Erlösung wendet sich auch die Rede von der Kirche als Schiff auf dem Meer dieser Zeit.

Und noch einen anderen Überlieferungsstrang gibt es, neben dem biblischen Vorbild der Arche, die das Bild des Schiffes in der antiken Welt so populär gemacht hat: die alte Sage von Odysseus, der auf seiner fantastischen Reise eine abgründige Gefahr meistern muß. Er muß nämlich dem verlockenden Gesang der Sirenen widerstehen, sonst zieht es ihn in den absolut sicheren Untergang.

Die Sirenen sind todbringende Geister, die einen überaus betörenden Gesang anstimmen. Für den sterblichen Menschen ist dieser Gesang so faszinierend, daß kein Lebender jemals diesen Gesang hören konnte, ohne seiner Verlockung zu widerstehen – und schon war es um ihn geschehen.

Odysseus, so erzählt nun die Sage, hat den Wunsch, die Sirenen mit eigenen Ohren zu hören, aber er weiß auch um die tödliche Gefahr. Und so ersinnt er eine List: er läßt sich bei der Fahrt vorbei an den Sirenen an den Mastbaum des Schiffes festbinden und befiehlt den Seeleuten, ihn auf gar keinen Fall loszubinden, auch wenn er sie noch so sehr anflehen sollte. – Die Seeleute selbst hatten sich die Ohren zugestopft, um ja nichts zu hören.

Dieses Bild – Odysseus festgebunden am Mastbaum des Schiffes – haben nun die Christen auf ihre eigene Situation übertragen. Sie haben gesagt: Ja, genauso ist es mit uns. Auch wir sind dem verführerischen Gesang der Sirenen ausgesetzt. Die Sirenen – das sind die Klänge dieser Welt, die vielen Stimmen und Geräusche, die uns weglocken von der einen wahren Stimme, vom einen wahren Wort, das allein uns retten kann. Nur wer sich festmacht an Christus, nur wer sich festmacht an sein Kreuz, der kann der Macht der falschen und todbringenden Klänge widerstehen und findet das Heil.

Für uns bedeutet das zweierlei. Einmal ist es für uns wichtig, einfach wie die Matrosen die Ohren zu verstopfen und nur die Stille zu suchen. Die Stille, das Schweigen: das ist eine unersetzliche Voraussetzung, um den verborgenen Gott zu finden und ihn zu hören.
Und das Verstopfen der Ohren bedeutet auch, sich nicht faszinieren zu lassen von den reizvollen Klängen, die unsere Zeit bereithält. Damit ist nicht nur die wummernde und manchmal alles durchdringende Musik gemeint, die keinen Raum mehr für eigene Gedanken läßt. – Sondern es bedeutet auch, gesunde Distanz zu wahren, wenn es darum geht, sich mit Dingen zu beschäftigen, die uns letztlich nur gefangennehmen und die uns überfordern und vom rechten Weg abbringen. - Was bedeutet das? Es bedeutet, daß ich nicht jeden neuesten Roman gelesen, jeden neuen Film gesehen und jede neueste Meinung gehört haben muß. Und wenn eine spektakuläre Ausstellung lockt: Vorsicht. Nicht alles ist gut und moralisch unbedenklich. Und für die meisten Menschen stellt es auch eine Überforderung dar, sich mit allen möglichen Meinungen, Strömungen und Ansichten auseinanderzusetzen. Manches ist besser einfach zu ignorieren.

Es ist ähnlich wie im Internet und wie mit der elektronischen Post: wenn ich zehn neue Nachrichten auf meinem Rechner habe, dann kann ich davon ausgehen, daß acht davon Müll sind. Es ist Werbung, unerwünschte Angebote, und vieles davon ist mit Computerviren verseucht. Fachleute raten dringend: Auf jeden Fall weg damit, auch nicht mal eben aus Neugier da reinschauen. Dann kann es schon zu spät sein. – Was für den Computerbenutzer gilt, das gilt auch für jeden, der seinen gesunden Menschenverstand benutzt: Vieles gibt es da, was die Festplatte unseres Gehirns und unserer Gedanken verseuchen und dauerhaft beschädigen kann.

Das alles wußten schon die Menschen in der Antike, die im Mythos von Odysseus von den Sirenen sprachen, und diese Warnung haben auch die Christen verstanden. Natürlich stehen wir auch mitten in der Welt. Wir leben nicht in einem Kloster oder auf einer Insel der Seligen. Oft müssen wir uns auseinandersetzen mit Bildern und Worten, die uns angreifen. Aber einer, der sich dieser Auseinandersetzung stellt, kann nur siegreich aus ihr hervorgehen, wenn er sich ganz fest an das Kreuz Christi bindet. Das Kreuz ist die einzige Sicherheit, die uns gegeben ist.

In der Überlieferung ist das Kreuz die Planke des Heils, die uns auf dem Meer dieser Welt rettet, wenn wir sie im Glauben ergreifen. „Aus dem demütigen und verächtlichen Holz des Kreuzes, das uns den Sieg gebracht hat, ist auch das Schiff der Kirche gezimmert, in der wir in Kraft des Kreuzestodes Christi die siegreiche Fahrt über das böse Meer der Welt vollenden können.“

5. Predigt: Die Kirche als Haus aus lebendigen Steinen

Heute wollen wir ein anderes Kirchensymbol betrachten, eines, das uns auch während des Kirchweihjubiläums beschäftigt hat: die Kirche als Haus Gottes.

Dieses Bild der Kirche hat es nicht ganz leicht, angenommen und verstanden zu werden. Es gibt Symbole für die Kirche, die drücken Lebendigkeit aus: die Kirche als Leib Christi und Volk Gottes. – Oder die Kirche als Schiff des Heils: da ist Bewegung drin, da geht es um Unterwegssein. – Aber die Kirche als Haus? Das hat doch sehr den Eindruck von etwas Statischem, Festem, von etwas, das nicht mehr weiterentwickelt werden kann. Und so gerät dieses Kirchenbild in Verdacht, Bestehendes zementieren zu wollen und keine organische Entwicklung, keinen Fortschritt mehr zuzulassen.

Aber stimmt dieser Eindruck wirklich? Zunächst einmal müssen wir achtgeben, wie sich das Bild vom Haus Gottes schon im Alten Testament grundlegend verändert hat! Dafür steht ein Datum in der Geschichte Israels, das eine gewaltige Katastrophe bezeichnet: das Jahr 586 vor Christus. In diesem Jahr wurde der Tempel Salomos in Jerusalem zerstört und das Volk in die Verbannung nach Babylon verschleppt. Bis dahin war die Beziehung Israels zu Gott klar geregelt: durch den kultischen Mittelpunkt, den Tempel. Hier war Gott für sein Volk da, hier wurden ihm die vorgeschriebenen Opfer dargebracht, hier konnte man sicher sein, daß Gott die Gebete der Seinen hörte und erhörte.

Aber es gab auch mahnende Stimmen. Schon im Weihegebet, das König Salomo bei der Eröffnung des Tempels spricht, klingt das an. Hier ist nicht nur die Rede davon, daß Gott für sein Volk da ist und in diesem Haus zu finden ist, sondern es wird auch die Verpflichtung ausgesprochen: Wer betet, muß das mit reinen Händen tun. Kult muß mit Ethik und Moral einhergehen. Gottesdienst kann nur dann echt sein, wenn gleichzeitig Ungerechtigkeit und Sünde überwunden werden (vgl. 2 Chr 6,22, ff.). Damit ist ein magisches Verständnis des kultischen Ortes grundsätzlich überwunden.

Als dann Israel seiner Kultstätte beraubt war und in der Verbannung leben mußte, kam es zu einer Besinnung. Was die Propheten immer schon angemahnt hatten, war jetzt zwangsläufig aktuell geworden: Gott braucht keine äußeren Opfer von Tieren, sondern was er erwartet, ist Gehorsam, Dankbarkeit und Glaube, und eine Haltung, die seine Gerechtigkeit überträgt in alle Bereiche des Lebens hinein. Das wahre Opfer, das Gott dargebracht wird, ist das Gebet eines Menschen, der es ehrlich meint (vgl. Ps 17,1; 50 u.a.). Und dieses Opfer ist nicht gebunden an einen bestimmten Ort, es ist überall möglich.

Dennoch oder gerade deswegen war es ein sehnlicher Wunsch, nach dem Ende der Verbannung wieder den Tempel in Jerusalem aufzubauen, einfach als Zeichen der Treue zum Bund und als Symbol für den Neuanfang. Der wiederaufgebaute Tempel bedeutete, daß man dem Bund Gottes von neuem zustimmte (vgl. Esr 9 und 10).

Wie hat Jesus den Tempel gesehen? Jesus lehnt den Tempel nicht ab. Aber er wendet sich deutlich gegen ein veräußerlichtes Verständnis von Opfer und Kult. Ihm geht es um die Änderung der Gesinnung (vgl. Mk 7,10-15 u.a.). Deswegen kommt es auch zu dem entscheidenden Konflikt im Tempel, bei dem die Juden ihn zur Rede stellen und er das rätselhafte Wort spricht: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ (Joh 2,19). Dieses Wort wird bei der Anklage gegen Jesus eine entscheidene Rolle spielen (vgl. Mt 26,61; 27,40; Mk 14,58; 15,29; Apg 6,14). Erst im Licht der Auferstehung wird klar: Hier meint Jesus nicht den Tempel aus Stein, sondern er meint sich selbst, seinen eigenen Leib. In der Auferstehung von den Toten wird Jesus selbst zum neuen Tempel, zum eigentlichen Opfer und zum Mittler des Neuen Bundes. Im Hebräerbrief wird dieser Gedanke ausführlich vorgestellt und entfaltet.

Christus, der wahre Tempel: diese Wahrheit hat sich dann bis hinein in die Architektur der Kirchen ausgeprägt, indem zum Beispiel viele Kirchen den Grundriß eines Kreuzes haben. Oder indem die Kirchen nach Osten gebaut werden, zur aufgehenden Sonne hin, die ein Symbol für den Auferstandenen ist. Zu jeder katholischen Kirche gehören auch die zwölf Apostelleuchter zum Zeichen für die Kontinuität des Bekenntnisses: weil Christus die Kirche auf das Fundament der Apostel gegründet hat, darum steht die Kirche nicht auf dem Fließsand der ständig sich wechselnden Mehrheiten und Meinungen, sondern ihr Bekenntnis und ihr Zeugnis gewinnt Gewicht und Wert aus dem Ursprung, der bis heute lebendig ist. – Darum hat jede Pfarrkirche auch einen Taufbrunnen als Sinnbild für den lebendigen und lebensspendenden Ursprung, den Gott jedem von uns schenkt.

Es gibt manche Gemeinde, die sprechen stolz von ihrem „Pfarrzentrum“ und meinen damit stets ihr Pfarrheim mit seinen Versammlungsräumen. Auch wenn solch ein Pfarrheim eine wunderbare Sache ist, so sollten wir doch in unserer Wortwahl Klarheit walten lassen. Das Zentrum jeder Gemeinde kann nicht der Pfarrsaal sein, sondern allein der Altar, der Tabernakel und das Kreuz. Das ist eine ganz einfache Wahrheit, die aber anscheinend in Vergessenheit geraten ist. Oft glaubte man, immer neue Tätigkeiten und Ideen in die Welt setzen zu müssen, um die Menschen an die Gemeinde zu binden. Inzwischen wird immer deutlicher, daß die erste und eigentliche Bindung die persönliche Bindung an Christus sein muß. Erst wenn ich eine lebendige und persönliche Beziehung zu Christus habe, kann ich etwas ausstrahlen und etwas weitergeben. So entsteht Kirche, so entsteht das Haus Gottes auf dieser Erde.

Inzwischen denkt man vielerorts darüber nach, Kirchen, die noch vor gar nicht so langer Zeit erbaut wurden, wieder abzureißen oder sie einer anderen Verwendung zuzuführen, einfach weil die Zahl der Gläubigen und überhaupt der Kirchgänger zurückgeht. Das ist natürlich bedauerlich, zumal wenn mit dem Kirchenraum, der geschlossen wird, sich viele Erinnerungen und Gedanken verbinden.

Doch dieser Vorgang, so schmerzlich er auch ist, kann uns ein Hinweis sein auf eine weitere Wahrheit, die wir von der Kirche bekennen: daß die Kirche zu allen Zeiten immer auch sterbende Kirche ist. Auch wenn ihr Auftrag ist, zu wachsen und die Frohe Botschaft überall zu verbreiten, auch wenn sie Erfolge aufzuweisen hat und ihr Tun anerkannt und bewundert wird: Sie ist immer auch sterbende Kirche, ganz einfach, weil sie den Auftrag hat, den Tod des Herrn nicht nur zu verkünden, sondern auch Anteil daran zu haben. Und manchmal wird das sinnenfällig deutlich, indem Häuser und Kirchen geschlossen werden, ein Kloster aufgelöst wird und die Zeit der großen Zahlen hierzulande zu Ende geht.

Eine reiche Dame, die auf Erden eine große Rolle gespielt hatte, kam in den Himmel. Petrus empfing sie, führte sie ein und zeigte ihr eine schöne Villa: „Das ist die Wohnung Ihres Dienstmädchens.“ Da dachte die Dame, wenn mein Dienstmädchen schon eine so schöne Wohnung hat, was werde ich dann wohl bekommen? Bald danach zeigte ihr Petrus ein anderes, ganz kleines, armseliges Haus und sagte: „Das dort ist Ihre Wohnung.“ Empört meinte die Dame: „Darin kann ich doch nicht wohnen.“ Petrus erwiderte: „Tut mir leid, aber mit dem Material, das Sie uns geschickt haben, konnten wir nicht mehr bauen.“

(MAin)6. Predigt: Die sterbende Kirche – berufen zur Auferstehung
Der Ostertermin richtet sich nach dem Mond: am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond, dann wird Ostern gefeiert, das Fest der Auferstehung. Das ist doch seltsam, so könnte man meinen: ein solch wichtiges Fest, das wichtigste und größte der christlichen Feste, das richtet sich nach der Phase des Mondes?

Warum ist das so? Nun, das hat sicher nichts damit zu tun, daß da plötzlich die Astrologie mit ins Spiel kommt. Sondern hier kommt eine doppelte Symbolik zum Vorschein: einmal das Frühjahr als Jahreszeit, die Leben, Neuwerden und Aufblühen bezeichnet; und zum weiteren das volle Licht des Mondes. Dieses Licht empfängt der Mond nicht aus sich, sondern von der Sonne. Und die Sonne ist für den Glauben der Kirche – spätestens nach der Auseinandersetzung mit dem antiken heidnischen Kult des „sol invictus“, des „unbesiegten Lichtes“ – ein Symbol für Christus selbst. Sol invictus – das Sonnenfest: diese Feier haben die Christen sozusagen an sich gezogen und daraus das Weihnachtsfest gemacht; sie haben gesagt: Christus ist das wahre Licht, das in die Nacht dieser Welt kommt, er ist die wahre Sonne, von deren Licht alles Leben erwächst.

Die Sonne geht Tag für Tag auf und spendet helles, gleißendes Licht, das für unsere Augen zu grell ist: wir können in die Sonne nicht hineinschauen, dafür sind unsere Augen nicht gemacht. – Anders aber ist es mit dem Licht des Mondes. Es scheint mild, gleichsam gnädig, und tut unseren Augen nicht weh. Und doch wissen wir, daß dieses Licht vom Licht der Sonne kommt und es widerspiegelt.

Die christliche Theologie hat diese Beobachtung übertragen und mit ihr das Verhältnis zwischen Christus und seiner Kirche beschrieben. Zum einen zeigt dieses Bild, daß die Kirche ihr Licht und ihr Leben allein von Christus hat. Ohne ihn ist sie nichts. Ohne sein beständiges Anscheinen vergeht sie im Dunkeln.

Zum anderen aber zeigt dieses Bild, was die Aufgabe der Kirche ist. In der Nacht dieser Welt, in der Christus sich verborgen hält, muß sie den Menschen leuchten, daß sie ihren Weg finden. Sie kann nicht so hell leuchten wie die Sonne selbst, dafür hat sie aber auch den Vorteil, daß ihr Licht nicht blendet und verletzt. Ihr Licht ist gerade so hell, daß niemand im Dunkeln tappen muß. – So zeigt die Mondsymbolik schon viel vom Wesen und von der Aufgabe, die die Kirche zu allen Zeiten hat.

Die Betrachtung der Erscheinung des Mondes bleibt hierbei nicht stehen. Der Mond erfährt ein Schicksal, das die Sonne nicht hat: er verliert von Tag zu Tag seinen Glanz und seine Fülle, um schließlich ganz vom Dunkel der Nacht verschluckt zu werden: der Mond stirbt.

In diesem Phänomen wurde das Geheimnis der sterbenden Kirche entdeckt: die Kirche, die nicht ewig und in gleichbleibender Stärke und Schönheit existiert, sondern deren Bestimmung darin besteht, ihr Licht abzugeben und als sichtbare Erscheinung zu verschwinden. Auch dieses Geheimnis kann nur recht verstanden und gedeutet werden in der Beziehung der Kirche zu Christus. Denn die Kirche steht zu Christus in einem ganz innigen, unauflöslichen Verhältnis: im Verhältnis einer Braut zu ihrem Bräutigam. Die Braut erfüllt ihre Lebenssehnsucht, indem sie sich ihrem Bräutigam hingibt, indem sie sich verschenkt, indem sie sich ganz zur Verfügung stellt als Empfängerin neuen Lebens. – Diese Bestimmung ist aber zugleich gebunden an ein Gesetz, dem sich die Braut nicht entziehen kann: Wer sich hingibt, wer sein Leben verschenkt, der begibt sich hinein ins Sterben. Die Kirche als Braut Christi kann nicht sich vorbehaltlos zur Verfügung stellen ohne die Bereitschaft, zu sterben.

Damit nimmt die Kirche teil an der Sendung, die Jesus selbst hat. Jesus selbst kommt ja in diese Welt, nicht um zu richten, zu fordern und zu überwältigen, sondern um sein Leben im Gehorsam gegenüber dem Vater als Lösegeld hinzugeben für die Vielen (vgl. Mk 10,45). Damit sühnt Jesus den Ungehorsam seines Volkes Israel; damit hebt er den Abfall des Volkes auf, das Gott als wunderbare Braut sich erwählt hatte, das sich aber als undankbar und ehebrecherisch erwiesen hatte (vgl. Hos 1,2 u.a.): das Volk soll von neuem seine Würde und seine bräutliche Bestimmung erkennen. Und zugleich erkennt so die Kirche ihre Bestimmung, daß der Weg des Herrn, des Bräutigams, auch ihr Weg ist; sie erkennt, daß auch ihr Weg hinführt zum Kreuz, zur Entäußerung, zum Ablegen aller äußeren Zeichen von Macht, Gewalt und Stärke. Die Kirche muß sterben, um ihrem Bräutigam Christus gleich zu werden.

Und damit sind wir wieder bei einem Geheimnis und einer Wahrheit, die in allen Symbolen der Kirche wiederkehrt: beim Geheimnis des Kreuzes. Dieses Geheimnis ist sozusagen die innere Konstante, der rote Faden, die bei aller Verschiedenheit der Symbole die innere Einheit garantiert. So auch hier. Wenn wir, ausgehend vom Bild des abnehmenden Mondes, von der Kirche als sterbende Kirche sprechen, dann deshalb, weil die Kirche vom Kreuz des Erlösers ihre Kraft und ihre Erlösung empfängt. Erlösung bedeutet: das Kreuz ist noch nicht der Schlußpunkt. Das Kreuz ist der Angelpunkt der Erlösung, es markiert das Pascha, den Übergang vom Tod zum Leben, vom Dunkel zum Licht, vom Begrabenwerden in die Auferstehung.

Daß die Kirche vom Kreuz her lebt und in ihrem innersten Wesen sterbende Kirche ist, müssen wir in unserer Zeit erst noch wieder mühsam lernen und begreifen. Lange Jahre hat es so ausgesehen, als erfülle die Kirche ihre Sendung um so besser, je mehr sie Zustimmung und Zulauf erfährt, je mehr sie äußerlich als Institution wächst, je mehr sie Bedeutung und Ansehen genießt. Natürlich ist es gut, wenn die Kirche ein großes Feld vorfindet, wo sie sich betätigen und apostolisch wirken kann, wo sie Menschen für Christus gewinnt und sie befähigt, das Reich Gottes zu verkünden in dieser Welt.

Aber da ist noch die andere Wirklichkeit der Kirche, die Kirche in der Verfolgung und im Untergrund, die Kirche, deren Botschaft nicht verstanden wird, die Kirche der Märtyrer. An diese oft vergessene Wirklichkeit erinnern wir uns heute, in der Karwoche vor dem Osterfest. Die Kirche ist nur dann wahrhaft Kirche, wenn sie mit Christus und in ihm stirbt, um dann durch Christus zum ewigen Leben aufzuerstehen und wie die Sonne zu leuchten im Reich des Vaters (vgl. Mt 13,43).