Suche: 

Neue Site - empfehlenswert! Ein Ableger der Karl-Leisner-Jugend: aktueller, kürzer, frischer und moderner: www.gut-katholisch.de.

Buchbesprechung: Andreas Englisch - Gottes Spuren

Andreas Englisch, der seit Jahren als Journalist über den Vatikan berichtete, machte zum ersten Mal mit einer Papstbiographie über Johannes Paul II. von sich reden.
Während er zunächst als Ungläubiger und vehementer Kritiker der Papstes und des katholischen Glaubens seinen Dienst aufnahm, wandelte er sich im Laufe seiner Tätigkeit zu einem Bewunderer und Verteidiger des letzten Papstes. Gerade sein Blick aus der inneren Distanz auf diese große Person der Kirchengeschichte dürfte für den großen Erfolg seines umfangreichen Buches „Johannes Paul II." (Ullstein-Verlag) verantwortlich sein - kombiniert mit seinem Schreibstil, der Englisch auch zum Hauptschreiber für die römische Berichterstattung bei der Bildzeitung in Frage kommen ließ.

Buchkritik: Andreas Englisch - Gottes Spuren

Nun hat Andreas Englisch ein Buch vorgelegt, in dem er den „Wundern der katholischen Kirche" nachgeht. Packend und fesselnd geschrieben, oft aus seiner persönlichen Erinnerung an Erlebnissen und Gesprächen, geht Englisch den Wundern von Medjugorje, Civitavecchia, Fatima, Guadeloupe und Lourdes, des Grabtuches von Turin und des Bildes von Manopello nach, der Exorzisten Milingo, Amorth und einiger anderer - eingerahmt von zwei bislang unbekannten Wundern, die Englisch selbst aufgespürt hat: Eine Totenerweckung in Rom und einem geheimnisvollen Klosterbau in der Nähe von Ascoli Piceno.

Wieder bleibt Englisch seinem Schreibstil und seiner Einstellung treu: Er schreibt als Kritiker, als Nicht-Glauben-Könnender, als Kind der heutigen Zeit. Für den heutigen Menschen wird seine Darstellung und persönliche Herangehensweise dadurch attraktiv, weil er sich nicht festlegen will - und immer wieder (mit Vorliebe am Ende eines Kapitels) kritische Fragen auflistet und damit das abschließende Urteil dem Leser überlässt.

Genau darin liegt aber auch die erste Schwäche des Buches. Denn die modernen Fragestellungen, die sich Englisch zu eigen macht, gehen oft genug an der Sache vorbei. Für einen modernen Menschen mag die Erscheinung in Fatima, die den beiden Seherkindern den nahen Tod voraussagt, „grausam" sein (S. 154) - Englisch fragt aber an keiner Stelle, ob die Kinder das damals genauso sahen. Dagegen ist die Grausamkeit dieser Erscheinung für ihn ausgemachte Sache und wird immer wieder im Laufe des Buchs als Gegenargument angeführt. Auch mag für Englisch das Verhalten des Indio Juan Diego seltsam sein, der sich trotz der Marienerscheinung noch Sorgen um seinen sterbenden Onkel macht. So schreibt Englisch kopfschüttelnd: (S. 219) „Dabei geht es doch bei jeder Marienerscheinung im Kern immer um die Suche nach einer Antwort auf all die Fragen, die die Menschheit seit Anbeginn ihrer Geschichte bewegt: Gibt es eine Welt außer der unseren? Was geschieht, wenn ein Mensch stirbt? Erlöscht sein Geist, oder was geschieht mit ihm? Gibt es einen Gott?" - Die Möglichkeit, dass für die Menschen zu anderen Zeiten ganz andere Fragen drängend waren (z.B. ob dieser Gott, an den die Azteken, Indios und Spanier glaubten, denn ein liebender Gott, ein Gott aller Menschen sei!), kommt Englisch gar nicht in den Sinn.

So passiert es häufig, dass Englisch voller Staunen über die Wundern der katholischen Kirche berichtet - die Sinnspitze der Wunder aber verfehlt und deren kirchenpolitische oder heilsgeschichtliche Bedeutung schlicht nicht wahrnimmt.

Zudem finden sich viele Fehler, Fehlinterpretation und Spekulationen, die Englisch als Fakten darstellt, zumeist, um den Wunderdarstellungen eine zusätzliche Dramatik zu verleihen; eine Dramatik, sich angeblich immer wieder gegen die innere Struktur der katholischen Kirche richtet. Dies scheint mir die größte Gefahr des Buches zu sein: Während der Leser über die Wundertätigkeit Gottes staunt, schüttelt er über die (falsch dargestellte) Kirche nur den Kopf. Dabei hätte ein angeblicher Fachmann für Kirchenfragen durch einfache Recherche vieles vermeiden können:

Seite 239: „Reliquien - die heiligsten Gegenstände der Kirche, Überreste, die mit Jesus in Berührung gekommen sein sollen - gehören immer noch zum Kern des katholischen Glaubens." - Sorry, Andreas: Reliquien sind „Überreste", die keineswegs mit Jesus in Berührung gekommen sein müssen. Es gibt Reliquien von Heiligen und Seligen aus allen Epochen der Geschichte - und nicht nur aus der Zeit Jesu.

S. 223: „Zudem wird die Jungfrau von Guadelupe auf den Schultern eines Engels getragen..." - Der Engel ist in Wirklichkeit der Seher, Juan Diego.

S. 125: „Dagegen warnt die Glaubenskongregation von Kardinal Joseph Ratzinger sogar mehrfach vor einer Verehrung der angeblichen Marienerscheinungen von Medjgorje". Oder auf S. 132 „Die Kirche hatte das Erscheinen der Muttergottes in Medjugorje nicht anerkannt." - Die Marienerscheinungen in Medjugorje dauern noch an, deshalb ist eine Anerkennung nicht möglich. Eine Ablehung dagegen wäre schon möglich - ist aber noch nicht erfolgt. Allein diese Tatsache spricht schon für den Wallfahrtsort in der Herzegowina. Dass ein Besuch in Medjugorje „Ketzerei" gleichkommen soll, ist vollkommener Unsinn.

Ohne inhaltlichen Zusammenhang bestreitet Englisch den Geburtsort Jesu (S. 53f), während es ihm doch in diesem Kapitel um die Frage der Besessenheit geht; ebenso theologisch fragwürdig ist seine Einschätzung der Verkündigung des Dogmas von 1854: (S. 178) „Damit erklärte der Papst ein fromme Legende als glaubensverbindlich."

S. 242: „In der Geschichte der katholischen Kirche ist der Glaube daran fest verankert, dass heilige Gegenstände, vor allem Gegenstände, die mit Gottes Sohn in Berührung kamen, Wunder wirken können. Der Kern der Religion hat es damit zu tun: Katholiken nennen einen Gegenstand, die geweihte Hostie, das Allerheiligste, und beten es an." - Dass es sich bei der Verehrung des Allerheilgisten nicht um die Verehrung eines (geweihten) Gegenstandes handelt, sondern um die Anbetung Gottes (in der gewandelten Hostie), sollte eigentlich einem langjährigen Vatikankorrespondenten nicht verborgen geblieben sein.

Ebenfalls seltsam ist in diesem Zusammenhang, der katholischen Kirche resp. dem Papst einen Glauben an (S. 244) „die magische Kraft des Palliums" zu unterstellen (auch auf S. 245: „geglaubt wird an eine magische Kraft").

Auf S. 253 wirft Englisch der Kirche vor, sie wolle entgegen dem biblischen Bericht behaupten, „dass Petrus der erste Auferstehungszeuge sei...". Im dort bezeugten Osterruf wird allerdings nur von der Erscheinung vor Petrus gesprochen - nicht, dass diese Erscheinung die erste oder einzige gewesen sei.

Und zuletzt sei hier aufgeführt, dass Englisch auf S. 289f zwar drei Fehler auf der Tafel am Kreuze Jesu aufführt (die falsche Reihenfolge der Sprache, die falsche Schreibweise des Wortes „Nazaret" und die Abkürzung des Vornamens Jesu), den entscheidende Fehler, der auf einen jüdischen Schriftsteller verweist (dass die Niederschrift von rechts nach links erfolgte - auch im Lateinischen) aber ignoriert und deshalb einen römischen Soldaten als Verfasser annimmt.

Zusammenfassend lässt sich das Buch als leidlich gelungene trivial-theologische Abhandlung bezeichnen. Wer einem lieben Menschen, der der katholischen Kirche und einer übernatürlichen Welt vollkommen ablehnend gegenübersteht, kein anderes Buch schmackhaft machen kann (und solche Menschen gibt es viele), der wird vermutlich mit diesem Buch einen ersten Zugang ermöglichen. Allerdings ist dann anschließend viel Zuspruch nötig, um die verworrene Sichtweise auf die Grundwahrheiten der katholischen Kirche ins rechte Lot zu rücken.

Wirklich gelungen ist lediglich der letzte Abschnitt des Buches („Das Phantom des Kloster"); auch einige neue Darstellungen altbekannter Wunderberichte machen das Buch für einen im Verhältnis zur Kirche gefestigten Leser ebenfalls interessant.

Andreas Englisch - Gottes Spuren - die Wunder der katholischen Kirche - C. Bertelsmann-Verlag München 2006, ISBN (978-)-3-570-00855-3, 19,95 Euro, 384 Seiten.