Predigtreihe zum Jahr des Glaubens 2012-2013 
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Predigtreihe zum Jahr des Glaubens (11.10.2012 bis 24.11.2013)
Hier findet sich nicht nur eine Predigtreihe zum Jahr des Glaubens, sondern daran anschließend auch weitere Predigten, die sich zum Jahr des Glaubens mit einzelnen Aspekten beschäftigen.
1. Predigt: Es wird Zeit, neu zu beginnen!

Evangelium vom 29. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B): Mk 10, 35-45

In jener Zeit traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sagten: Meister, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst. Er antwortete: Was soll ich für euch tun? Sie sagten zu ihm: Lass in deinem Reich einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen. Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde? Sie antworteten: Wir können es. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde. Doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die diese Plätze bestimmt sind. Als die zehn anderen Jünger das hörten, wurden sie sehr ärgerlich über Jakobus und Johannes. Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

...und wieder hört keiner zu. Es ist erschreckend! Jesus kündigt zu dritten Mal sein Leid an - und wieder sind die Jünger mit Machtfragen beschäftigt (beim letzten Mal - Sie erinnern sich? - ging es darum, fremde Wundertäter auszuschalten). Diesmal sind es innerkirchliche Zwistigkeiten, die die Jünger daran hindern, auf Jesus zu hören. Und wer nicht hinhört, kann auch nicht glauben. Letztlich sind die Jünger selbst schuld, dass sie durch das Kreuzesgeschehen vollkommen aus der Bahn geworfen wurden. Jesus hat sie weiß-gott-genug darauf vorbereitet.

"Glauben kommt vom Hören" hat Karl Rahner gesagt. Dementsprechend führt mangelndes Hören, Hören-wollen und Hören-können auch zum Unglauben. Eine Krankheit nicht nur unserer Zeit, wie das Evangelium darlegt. Aber weil es ein Problem aller Zeiten ist, ist es auch eines der heutigen Kirche.

Seit Donnerstag der vorletzten Woche befinden wir uns im Jahr des Glaubens, das Papst Benedikt für die ganze Weltkirche ausgerufen hat. Nach dem "Jahr des Priester" und dem "Paulus-Jahr" die dritte Initiative des jetzigen Papstes.
Anlass ist sicherlich der 50. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962; deshalb begann das Jahr des Glaubens auch am 11. Oktober, am vergangenen Donnerstag.
Aber der Anlass ist nicht gleichbedeutend mit dem Grund für dieses Jahr. Vielmehr sorgt sich der Papst - und mit ihm die ganze Kirche - um den immer geringer werdenden Glauben und das mangelnde Glaubenswissen.

Bis zum Konzil - so erzählt man sich (ich habe das leider aufgrund meiner späten Geburt nicht mehr live erlebt) - habe die Kirche quasi in einer Parallelwelt gelebt. Liturgie, Sprache und Probleme der Kirche waren nicht mehr kompatibel zur Welt; die Welt kam (so behaupten die, die sich daran erinnern können) in der Kirche nicht mehr vor.
Doch mit dem II. Vatikanum hat sich die Kirche geändert. "Freude und Hoffnung, Leid und Sorge der Welt sind auch Freud und Sorge der Kirche", hieß es. Die Kirche öffnete sich, die Liturgie wurde geändert, die Sprache der Theologie und der Katechismus revolutioniert. Gottseidank! (Auch wenn es manchen zuviel Änderung war und zu schnell ging).
Doch mittlerweile glauben viele, sobald ein Problem zwischen Kirche und Welt auftauche, müsse sich die Kirche weiter ändern. Wenn die Menschen dem Gottesdienst fernbleiben, muss die Liturgie schuld sein. Wenn die Moral - zum Beispiel die Ehemoral - nicht mehr akzeptabel erscheint, muss die Moral geändert werden. Wenn der Papst dem kirchenfernen Agnostiker nichts mehr zu sagen hat, dann muss der Papst umkehren.

Aber das ist ein Trugschluss. Die Kirche muss sich nicht der Welt anpassen, sondern die Menschen dieser Welt sollen Christus nachfolgen. Damit wir gehört werden, müssen wir auf das achten, was in der Welt geschieht - aber nicht dem hinterherlaufen, was gerade politisch unkorrekt oder en vogue ist. Ja, Papst, Bischöfe und Priester müssen sich immer wieder neu ausrichten; aber das gilt auch für alle Christen - ja, für alle Menschen. Und da haben wir viele Defizite!

Das mangelnde Glaubenswissen ist nur eine von mehreren Wunden, in den der Papst nun seinen Finger legt. Wissen wir wirklich noch, was Glauben heißt? Es gibt - selbst unter Katholiken - erschreckende Glaubensmängel, Lücken und Irrtümer. Viele Menschen sind immer noch davon überzeugt, Katholiken geben beim Glaubensbekenntnis ihren Verstand ab. Dabei heißt "Glauben" nicht in erster Linie "blinder Gehorsam", sondern "wohlüberlegte Vertrauen".
Aber - ist unser Glaube "wohlüberlegt"? Wissen wir, was wir glauben - und warum? Können wir Kritikern und Suchenden Rede und Antwort stehen?

Vermutlich nicht. Firmlinge meinen auf die Frage nach dem Tod Jesu, er sei vermutlich erschossen worden; einer Umfrage zufolge glauben 30 % der Deutschen, die Kirche feiere an Pfingsten die Hochzeit Jesu; 70 % der Amerikaner halten Johanna von Orleans für die Frau von Noah (weil Joan d'Arc im Englischen auf die Arche schließen lässt); und - seien sie mal ehrlich - wer würde von ihnen noch die 10 Gebote aufzählen können?

Aber das mangelnde Glaubenswissen ist nur ein Problem. Wie sollen wir glauben, wenn wir nicht mehr hören? Wenn wir so sind, wie die Apostel: Mit innerkirchlichen Streitigkeiten beschäftigt, obwohl es um unser Heil geht?
Aber wie sollen wir hören, wenn wir nicht mehr beten? Wenn wir Stille nicht mehr aushalten? Wer kommt denn noch von uns zu einer stillen Anbetungsstunde?
Und wie sollen wir unseren Glauben bezeugen, wenn wir ihn nicht leben? Wer tritt denn noch gegen Abtreibung ein, für das Lebensrecht von Behinderten und gegen die Ausbeutung der Ärmsten dieser Welt.

Es ist Zeit! Wir müssen dringend unseren Glauben leben; das können wir nur, wenn wir unseren Glauben auch kennen; wie aber sollen wir ihn kennen, wenn wir nicht mehr beten, hören und fragen?

Ja, es ist Zeit. Zeit für das Jahr des Glaubens. Es geht letztlich um die Frage, ob wir noch Christen sind.

Amen.

2. Predigt: Wider dem Placebo-Glauben

Evangelium vom 30. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B): Mk 10, 46-52

In jener Zeit, als Jesus mit seinen Jüngern und einer großen Menschenmenge Jericho wieder verließ, saß an der Straße ein blinder Bettler, Bartimäus, der Sohn des Timäus. Sobald er hörte, dass es Jesus von Nazaret war, rief er laut: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir! Viele wurden ärgerlich und befahlen ihm zu schweigen. Er aber schrie noch viel lauter: Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir! Jesus blieb stehen und sagte: Ruft ihn her! Sie riefen den Blinden und sagten zu ihm: Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich. Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu. Und Jesus fragte ihn: Was soll ich dir tun? Der Blinde antwortete: Rabbuni, ich möchte wieder sehen können. Da sagte Jesus zu ihm: Geh! Dein Glaube hat dir geholfen. Im gleichen Augenblick konnte er wieder sehen, und er folgte Jesus auf seinem Weg.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

"Dein Glaube hat Dir geholfen!" - Diesen (oder einen ähnlichen) Satz hören wir oft im Zusammenhang mit einer Wunderheilung. Das klingt sehr verdächtig nach dem typischen Placebo-Effekt: Nicht das Medikament wirkt, sondern der Glaube an die Wirksamkeit des Medikamentes! So lassen sich tatsächlich beachtliche Heilungserfolge mit absolut unwirksamen Medikamenten erzielen - wenn der Kranke nur glaubt (zumindest in engen medizinischen Grenzen). Und so gibt es tatsächlich Deuter der Schrift, die meinen dass nicht Jesus den blinden Bartimäus geheilt habe, sondern ein - wie auch immer gearteter "Glaube" des Bartimäus. "Wie auch immer?" Ja, letztlich ist es belanglos, woran der gute Bartimäus glaubt; wenn der Glaube allein schon Heil-Kräfte weckt, dann mag es auch der Glaube an Außerirdische sein - Hauptsache, es wirkt.

Natürlich widerstrebt uns spontan eine solche Annahme; und selbstverständlich legen wir weiterhin Wert darauf, dass es eine Kraft gegeben haben muss, die von Jesus ausging. Aber das ist ein wenig heuchlerisch; denn in unserem Alltagsdenken, -reden und -verhalten zeigt sich, dass es wirklich schon so weit gekommen ist, dass Jesus eine Art Placebo ist. Wie selbstverständlich reden wir davon, dass "man ja an irgendetwas glauben muss" und dass es ganz schrecklich sei, wenn jemand "an nichts mehr glaubt". Dabei finde ich, dass jemand, der an die Rassenideologie des 3. Reiches glaubt, besser an nichts glaubt. Auch in der Gesprächen mit Mitmenschen, die einer anderen Religion angehören, hören wir uns schnell sagen: "Ja, wenn das nun einmal deren Glaube ist...!" - "Wir glauben halt an Jesus und die an Mohammed - wo ist da der Unterschied?" - "Wie Gott wirklich ist, weiß doch keiner!". Auch im Ökumenischen Dialog sind wir uns rasch einig, dass doch jeder sein Recht auf einen eigenen Glauben hat "Ob nun mit Maria oder ohne - das muss doch jeder selber wissen!"; jeder Glaube aber gleichwertig sei - zumindest wenn er nicht zur Gewalt aufruft. Solange aber alles friedlich abgeht, soll jeder glauben, was er will. Hauptsache, er wird glücklich damit.

Hauptsache, wir werden glücklich damit. Die Güte eines Glaubens wird nach seinem "Glückspotential" bemessen. Nach seinem Effekt: Wenn er mich glücklich macht, dann ist es doch egal, ob er "richtig" ist oder "falsch". Darauf kommt es nicht an. Das, was hilft, wird als "wahr" definiert. - Und, natürlich, gilt das umgekehrte: Wenn der Glaube mit Kopfschmerzen bereitet, mich unglücklich macht, dann ist es kein guter Glaube. Wenn eine Religion von mir verlangt, im Zweifelsfall mein Leben für eine Überzeugung zu lassen, dann übersteigt sie ihre Zuständigkeit. Wenn die Kirche von ganzen Personengruppen (ob nun Homosexuellen, wiederverheiratet Geschiedenen, ehewilligen Priestern oder glücklichen Großgrundbesitzern) verlangt, sie dürfen ihr vermeintliches Glück nicht ausleben, dann hat die Kirche eben versagt. Wahr ist, was hilft. Ein Glaube, der nicht zum Glück dient, dient zu nichts.

Und genau da hakt es. Er sagt von sich eben nicht: "Ob ich der wahre Sohn des wahren Gottes bin, wird sich erweisen, wenn ihr mir folgt und dabei feststellt, dass es unheimlich viel Spaß macht!" - Jesus stellt die Welt wieder in die richtige Rangordnung: "Weil ich die Wahrheit bin, findet Ihr nur bei mir Euer Glück. Weil ich die Wahrheit von Ewigkeit her bin, bin ich der Weg zum ewigen Leben!" Jesus verlangt Unfassbares: Einen Vorschuss-Glauben. Einen Glaubensakt nicht aufgrund von erfolgter Glückserfahrung. Sondern aufgrund von Erkenntnis, vielleicht Intuition, eines Erlebnisses, das mich ergreift. "Weil Du an en einen wahren Sohn geglaubt hast, wurdest Du geheilt!" (Apg 3,16) - So ist der Hauptmann unter dem Kreuz nicht zur Erkenntnis gekommen, dass der Gekreuzigte "wahrhaft Gottes Sohn war", weil das Kreuzigungsgeschehen für ihn so beglückend war - sondern im Gegenteil. (Mt 27,54)

Liebe Schwestern und Brüder; es geht im Glaubensgespräch - in ihrer Familie und Freundeskreis, aber auch im Gespräch mi anderen Religionen und Konfessionen - nicht nur darum, sich an den Überzeugungen anderer zu freuen. Sondern es geht um etwas viel Dramatischeres: Um die Suche nach der Wahrheit; nach dem, was wirklich ist, was für jeden gilt. Ein echtes Glaubensgespräch lädt jeden ein, von dem zu berichten, was er als wahr entdeckt hat. Alles andere ist nur spirituelle Wellness.

Bartimäus hat geglaubt; er war sich sicher, dass in Jesus das Erbarmen Gottes auf die Erde gekommen war. Er hätte sicherlich auch dann noch geglaubt, wenn Jesus ihn nur gesegnet und nicht geheilt hätte. Sein Glaube war kein Mittel zum Zweck - zum Glück und persönlichen Wohlbefinden - sondern ein Ergriffensein von der Wahrheit. Als Zeichen für uns, dass allein die Wahrheit und nicht ein Placeboglaube hilft, hat Jesus dem geistig hellsichtigen Bartimäus auch das leibliche Augenlicht wiedergeschenkt.

Lassen wir uns auch ergreifen von der Wahrheit. Sie ist uns näher als wir manchmal vermuten. Zum Beispiel im Glaubensbekenntnis, das wir gleich gemeinsam beten. Amen.

3. Predigt: Glauben heißt dem vertrauen, der die Wahrheit ist

Evangelium von Allerheilgen: Mt 5, 1-12a


In jener Zeit, als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie. Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden. Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.

 

 

Liebe Schwestern und Brüder,

die Bergpredigt (deren Beginn wir gerade gehört haben - die bekannten "Seligpreisungen") wird von vielen Theologen als Kern der Botschaft Jesu verstanden. Kunstvoll werden dort zentrale Gleichnisse, Vergleiche und prägnante Aussagen Jesu so zusammengefügt, dass das "Eigentliche" der Verkündigung Jesu zum Leuchten kommt.

Aber so lange man auch die Bergpredigt absucht - es findet sich kein Glaubensbekenntnis; keine Zusammenstellung wesentlicher ewiger Wahrheit über Gott, die Dreifaltigkeit oder Jesus selbst. Wenn wir das Glaubensbekenntnis beten, dann verwenden wir entweder die Worte der Apostel (im apostolischen Glaubensbekenntnis), oder die das Konzils von Nicäa (und Chalcedon), Jahrhunderte später.

Nicht, dass der Inhalt unseres Glaubens zweitrangig wäre. Wir haben ja gerade in der letzten Predigt gehört, dass ein Glaube nur wirksam, hilfreich und sinnvoll ist, wenn er auch wahr ist. Es kommt schon darauf, was wir glauben.

Aber Jesus geht in seiner Verkündigung noch einen Schritt zurück. Er stellt keine Liste von Glaubenssätzen und Dogmen zusammen; er fordert noch Wesentlicheres.

Wenn wir heute von "glauben" sprechen, dann ist damit gemeint, dass wir einem Inhalt einen gewissen Wahrheitswert zuerkennen. Aber wie sicher wir uns sind, ergibt sich nicht aus dem, was wir glauben, sondern durch unsere Quelle. Woher haben wir diese Information? Aus einer Fachzeitschrift? Von einem Wissenschaftler - vielleicht sogar einem Nobelpreisträger? Oder haben wir es nur aus dritter Hand? Sind wir aufgrund von eigenen Überlgegungen zu diesem Schluss gekommen? Wir gut sind wir in dieser Hinsicht?
Wenn ich zum Beispiel glaube, dass Bayern diesmal deutscher Meister wird, so ist das zwar nur eine Vermutung, aber eine, die sich auf Hinweise, Indizien, Erfahrungen und Überlegungen stützt.
Wenn ich davon überzeugt bin, dass ein Nachbar heimlich im Lotto gewonnen hat, dann vielleicht deshalb, weil ich diese Information von jemanden habe, der glaubwürdig ist - und Bescheid weiß. Er hat schon immer alles gewusst. Solche Menschen gibt es; zumindest sind sie selbst davon überzeugt.

Wenn wir also Christen sind und uns den christlichen Glauben angeeignet haben, dann sollten wir natürlich wissen, was wir glauben. Aber noch wichtiger ist, wem wir unseren Glauben verdanken. Und das ist es, worum es Jesus primär geht. Das ist letztlich die Botschaft der Bergpredigt.

Selig sind die, die ihre Hoffnung ganz auf Gott setzen. Selig sind die, die ganz dem vertrauen, der sie erschaffen hat. Auch dann, wenn sie verfolgt werden, verleumdet oder verstoßen. Selig, wer nicht nur vertraut, weil es etwas bringt, sondern selig ist der, der auch in Not, Leid und Trauer dem vertraut, der die Wahrheit selber ist.

Und damit das nicht nur Theorie bleibt, blutleere Prinzipien und reine Absicht, feiern wir unsere Heiligen. In Ihnen sehen wir, wie es geht: Nicht nur eine christliche Überzeugung haben, sondern eine lebendige Beziehung zu Christus!
In den Heiligen sehen wir keineswegs im irdischen Sinne "gelungene Lebensentwürfe". Viele sind wegen ihres Glaubens verfolgt und hingerichtet worden. Das widerspricht natürlich einem Placeboglauben, der offensichtlich doch nicht geholfen hat; der keineswegs das irdische Wohlbefinden gesteigert hat. Aber - und das ist die frohe Botschaft - in den Heiligen und gerade in den Märtyrern erkennen wir, dass der, dem wir Glauben schenken, uns trägt im Leid, durch den Tod und über den Tod hinaus.
Glauben - das heißt vor allem unsere Hoffnung auf Christus setzen; uns Ihm anvertrauen. Das will geübt sein, eingeübt und gelebt. Darin zu wachsen, ist der Sinn unseres Lebens. Dazu schenke uns der Herr an diesem Fest seine Gnade - seinen Segen! Amen.

4. Predigt: Glauben heißt Lieben - In und mit der Kirche leben

Evangelium vom 31. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B): Mk 12, 28b-34

In jener Zeit ging ein Schriftgelehrter zu Jesus hin und fragte ihn: Welches Gebot ist das erste von allen? Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.
Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden. Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut, Meister! Ganz richtig hast du gesagt: Er allein ist der Herr, und es gibt keinen anderen außer ihm, und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer.
Jesus sah, dass er mit Verständnis geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr, Jesus eine Frage zu stellen.

 

 

Liebe Schwestern und Brüder,

die drei großen christlichen Tugenden "Glaube - Hoffnung - Liebe" (theologisch auch die "göttlichen Tugenden" genannt), sind so eng miteinander verbunden, dass sie im Grunde das Gleiche beschreiben, nur mit drei verschiedenen Aspekten. Wer liebt, glaubt, dass der, den er liebt, liebenswürdig und liebenswert ist; er hofft, dass das, was er tut, aus Liebe geschieht und diese Liebe rein und ehrlich ist; er glaubt, dass auch er geliebt wird und hofft, dieser Liebe gerecht zu werden.

Wenn Jesus also als das erste aller Gebote "die Liebe zu Gott" - ganz in der jüdischen Tradition - nennt, so ist das nichts anderes als der Aufruf "Glaubt an Gott, mit jeder Faser Eures Seins!". Gerade im jüdischen Denken ist Lieben und Erkennen fast schon das Gleiche. Wer eine andere Person liebt, der will sie kennen; immer mehr und immer tiefer. Papst Benedikt hat einmal Theologie umschrieben als "der Versuch, den Geliebten immer besser kennen zu lernen".

Deshalb können wir Gott auch mit ganzem Herzen und ganzem Verstand lieben - der Verstand bleibt keineswegs außen vor. Unser moderner Liebesbegriff (wie Richard David Precht ihn zum Beispiel vertritt) verkürzt die Liebe nur noch auf ein Gefühl - einen Affekt. Aber Liebe heißt eben auch Nachdenken, Verstehen und Begreifen.

Allerdings - in der umfassenden Weise, wie Jesus diesen Anspruch formuliert, können wir uns schon ein wenig überfordert fühlen. "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft." So sehr? Ja, 100 %! Aber - da bleibt dann doch kaum noch Platz für etwas anderes in unserem Leben? Und, als wenn das noch nicht genug wäre, belässt es Jesus allerdings nicht mit diesem einen Gebot, sondern fügt noch ein zweites hinzu: "Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."
Sie und ich hätten vermutlich (als Schriftgelehrte) die Segel gestrichen und gesagt: "Das auch noch? Mehr als 100% geht doch nicht!"

Aber dann hätten wir nicht begriffen, wie Gott ist. Er steht doch gar nicht in Konkurrenz zu den anderen Menschen! Es soll ja nicht so sein, dass wir zunächst eine gewisse Zeit und Energie für die Liebe zu Gott aufwenden, und dann - anschließend - noch mehr Zeit und weitere Kraft für die Liebe zum Nächsten. Nein, die Art und Weise, Gott zu lieben, besteht darin, den Nächsten ins Herz zu schließen. Und die Liebe zum Nächsten ist nur dann wirkliche Liebe, wenn sie auch aus Zuneigung zu Gott geschieht - dort ihren Ausgangspunkt nimmt und auch wieder zu Gott führt. Wir sollen Gott und den Nächsten lieben, indem wir en Nächsten und Gott lieben.

Und - wiederum - mit ganzer Kraft, mit ganzem Herzen, und: mit ganzem Verstand. Ja, mit ganzem Verstand!

Ein ganz entscheidende Ort, die Menschen und Gott zu lieben, ist - die Kirche. Dort laufen die entscheidenden Fäden zusammen: Wir feiern Gottesdienst und stärken uns gegenseitig. Wir dienen einander helfen uns gegenseitig in den Himmel. Wir lernen uns gegenseitig verstehen, indem wir Gott studieren. Indem wir von Gott erfahren, öffnen wir uns füreinander.

Liebe Schwestern und Brüder, das klingt ein wenig idealistisch. "So ist unsere Kirche heutzutage aber nicht mehr!" Ja, in dem jetzigen Zustand, in dem viele unsere Gemeinden sich befinden, kann man nicht mehr wirklich im vollen Sinne von Kirche sprechen. Gottesliebe und Nächstenliebe sind auseinander gefallen; und nachdem die Liebe zu Gott verdunstet, stirbt auch die Nächstenliebe. Noch sind Spuren vorhanden, aber sie werden immer undeutlicher.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir unseren Glauben erneuern wollen, dann geht das nur in und mit der Kirche. Dann geht das nur, wenn wir uns neu "mit ganzem Herzen, mit ganzem Verstand, mit ganzer Seele, mit all unseren Gedanken und all unserer Kraft" wieder in den Raum der Kirche begeben: Im Empfang der Sakramente, im Hören auf das Wort, im Leben der Gebote und der Liebe, im Beten miteinander.

Das ist kein theoretisches Gedankengebäude. Das ist eine Frage der ganz konkreten Lebensentscheidungen: Wo sind denn unsere Kinder, unser Kommunionkinder, deren Eltern, unsere Jugendlichen, unsere Nachbarn und Verwandte? Haben wir wirklich noch einen gemeinsamen Glauben? Eine gemeinsame Hoffnung? Die eine Liebe?

Und vor allem die entscheidende Frage: Lieben wir sie wirklich?

Wenn ja, dann dürfte es uns ein inneres Herzensanliegen sein, sie mitzunehmen auf den Weg des Glaubens, den wir selber gehen. In der Kirche, mit der Kirche wachsen in der Liebe zu Gott. Amen.

 

5. Predigt: Die letzten Dinge - Predigt im November

Evangelium vom 33. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B): Mk 13, 24-32

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: In jenen Tagen, nach der großen Not, wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen. Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels. Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr all das geschehen seht, dass das Ende vor der Tür steht. Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

eine Predigt ist keine Vorlesung. In einer Predigt geht es nicht allein um Wissensvermittlung, angesprochen werden soll nicht nur der Verstand. Ein Predigt soll ermahnen, zum Denken anregen, Umkehr und Reue erwecken, Freude vermitteln und schließlich zur Tat ermutigen.

Angesichts aber des erschreckenden Rückgangs des Glaubenswissen auch bei den treuen Katholiken hat der Papst das Jahr des Glaubens ausgerufen; und so möchte ich diesesmal - und in lockerer Folge an weiteren Sonntagen - die Predigt durch eine kleine Glaubensunterweisung ersetzen. Nicht systematisch anhand des Credo, sondern passend zu den Lesungen und Festen.

Zum heutigen Evangelium und zur Zeit, in der wir uns befinden, passt sicherlich die Frage nach den letzten Dingen; also nach dem, was schließlich mit der Welt geschehen wird - und mit uns ganz persönlich, wenn wir diese Welt verlassen.

Nun, zunächst ist wichtig, dass keiner Tag und Stunde der Wiederkunft Christi kennt (so hieß es ja am Schluss des Evangeliums): Keiner kennt den Tag und die Stunde, weder die Engel im Himmel, noch der Sohn, auch nicht die Maya, sondern nur der Vater. Der zuende gehende Maya-Kalender mag für Hollywood interessant sein - uns Christen interessiert er nicht.

Die Zeit davor aber - die Zeit der Not - ist bereits Gegenwart. Die "Endzeit" ist keine noch zu erwartende Zeit. Wenn Jesus sagt "diese Generation wird nicht vergehen, ehe das alles eintrifft", so ist damit nicht eine Generation in unserem Sinne gemeint, sondern die Menschheit, die nach der Zeit des Judentum auf die Wiederkunft Christi wartet. In dieser Zeit, so sagt Jesus, werden die Christen nicht vergehen, die Menschen, die warten und erwarten, werden nicht verschwinden.
Die Zeit der Not, der Kriege, der Erdbeben, Naturkatastrophen und der Zeichen am Himmel ist jetzt - schon seit 2000 Jahren. Wer in die Welt schaut und auch ein wenig zurückblickt, hat keine Schwierigkeiten, diese Aussage bestätigt zu finden.

Ob wir die Wiederkunft Christi hier auf Erden noch miterleben werden, mag fraglich sein. Deshalb ist es für uns sehr viel interessanter, nach dem persönlichen Schicksal zu fragen. Was geschieht mit uns - mit jedem Einzelnen persönlich - im und nach dem Tod?
Es ist verblüffend, wie sehr gerade dieses Wissen geschwunden ist. Wir sind sehr wohl von unseren Vorstellungen eines Lebens nach dem Tod überzeugt - ab ob es auch das ist, was Jesus und Kirche uns lehren, ist dann doch fraglich.

So glauben etwa 30 % der Katholiken (!) in Deutschland an die Wiedergeburt, die Reinkarnation. Verblüffend - weil von diesem Glauben nun in der Bibel überhaupt nicht die Rede ist. Wiedergeboren wird man allerhöchsten durch die Taufe zu einem neuen Leben. Aber mit dem Tod beginnt das Jenseits - und keine Wiederholung des irdischen Lebens in Endlosschleife.
Dass dennoch so viele Menschen an die Wiedergeburt glauben wollen, hat mit zwei Denkfehlern zu tun. Der erste Denkfehler ist verständlich: Man sehnt sich nicht nach dem neuen und unbekannten, sondern nach dem altbekannten und vertrauten. Das Leben hier kennen wir - also lasst uns mal dabei bleiben. Kinder wünschen sich, wenn man sie fragt, den Videofilm, den sie schon 25 mal gesehen haben; und Urlauber fahren seit 35 Jahren in den gleichen Urlaubsort. Schuster, bleib bei deinen Leisten - Christ, bleib bei deinem bekannten Leben.
Der zweite Denkfehler liegt in einer gewissen egozentrischen Wahrnehmung. Natürlich möchte man gerne das, was schön war, wiederholen. Ein wunderbares Leben in Wohlstand und Freude darf gerne, wenn es zuende geht, nochmal von vorne starten. Menschen aber, die in Not, Elend und Schmerzen leben; kaum wissen, wie sie überleben sollen und immer damit kämpfen, in ihrer Not nicht zum Täter zu werden, wünschen sich kaum eine ständige Wiederholung dieser Umstände. Leider ist ein solches Leben aber eher die Regel - nicht das Leben in westlichem Luxus.
Auch der Buddhismus und Hinduismus betrachten die Wiedergeburt keineswegs als Glück. Das Rad der Wiedergeburt ist ein Folterrad, aus diesem ewigen Kreislauf gilt es, erlöst zu werden (oder sich selbst zu erlösen). Genau das ist aber die Botschaft des Christentum. Eben keine ewige Reinkarnations-Folter.

Im Tode trennt sich die Seele vom Leib - nichts anderes ist der Tod. Im Gegensatz zu den griechischen Philosophen ist das ein Unglück: Denn Leib uns Seele bilden eine Einheit, die durch den Tod gewaltsam beendet wird. Die Seele braucht den Leib um zu wirken - eine Seele ohne Leib ist also keine befreite Seele, sondern eine beraubte Seele. Platon und andere Griechen glaubten, der Tod sei der Moment der lang ersehnten Freiheit vom Leid und der Begrenzung durch die Welt.
Vom körperlichen Leid sind wir tatsächlich im Tod befreit; aber das seelische Leid nehmen wir mit. Selig, wer dann ganz und gar "Ja" zu Gott sagen kann und sich von seiner Gegenwart erfüllen lässt. Schade, wer es nur zu einem "Ja, aber..." bringt und noch Zeit braucht, sich des "Abers" zu entledigen. Schrecklich, wer Gott von sich weist. "Ein Leben lang habe ich versucht, Dir aus dem Wege zu gehen; nun sollst Du mir in alle Ewigkeit gestohlen bleiben!"
Himmel, Hölle und Fegefeuer sind also keine Orte, sondern Zustände der Seele. Zustände, die wir uns schon hier auf Erden schaffen und die hier schon real sind. Himmlische Menschen, die Gott und jede Freude in ihr Herz lassen, können wir hier schon werden - mit Gottes Hilfe.

In dieser Zeit können wir zwar vom "Leben nach dem Tod" sprechen, aber sicherlich noch nicht von der "Auferstehung". Die folgt nämlich erst noch.

Manche erschreckt der Gedanke, dass es diese Zwischenzeit gibt; ja, sie fürchten sich überhaupt vor einer Zeit im Jenseits. Sie finden es sehr viel ansprechender, wenn wir direkt in die Ewigkeit Gottes gelangen - eine Zeitlosigkeit, in der alle immer schon da sind und sein werden. Diese "Auferstehung im Tod", die ganz oder jeden Zeitbegriff auskommt, ist auf eine blutleere Weise attraktiv - aber vollkommen unlogisch. Sie findet ihren Ausdruck gelegentlich in "Auferstehungsmessen" anlässlich von Beerdigungen. Dabei gilt, dass allein Gott ewig ist, weil Er unendlich ist. Wir als endliche Wesen können nicht alles gleichzeitig, sondern immer nur ein nach dem anderen - und das ist eben nur in einer Zeit möglich. Außerdem: Warum sollten die Heiligen für uns Fürsprache einlegen, wenn wir doch schon - aus ihrer Sicht - alle im Himmel beisammen sind?

Nein, es gibt schon noch Zeit, und so kommt irgendwann - wann, weiß nur der Vater - der Tag, an dem die Erde, die ganze Welt und auch die Zwischenwelt von leiblosem Himmel, Fegefeuer und Hölle, ein Ende haben. Der Tag der Auferstehung, der jüngste Tag, der Tag des Gerichts. An diesem Tag erhalten wir tatsächlich unseren Leib wieder; wir können uns in die Augen schauen und in die Arme nehmen. Unser Leib wird - wie der Auferstehungsleib Jesu - herrlich, anders und wunderbar sind, und doch wiedererkennbar. Im Glaubensbekenntnis bekennen wir auf Deutsch "die Auferstehung der Toten", gemeint ist aber - so der Urtext - die "Auferstehung des Fleisches". Wer sich gerne auf Altbekanntes freut, muss also nicht zur Wiedergeburt greifen - die Auferstehung erfüllt auch diese Sehnsucht.

Dann werden die, die schon zuvor höllisch waren, ihr Glück in der Gottferne suchen. Das mag unfassbar klingen, aber sie haben frei und selbstbestimmt entschieden, dass sie im Himmel in der Anwesenheit Gotts niemals so glücklich sein können wie ohne Gott. Wir - und Gott - wollen ihnen dieses zweifelhafte Glück nicht nehmen, weil wir sie lieben. Niemand wird in die Hölle geschickt, alle sind dort aus freien Stücken. Der Riegel an der Tür zur Hölle - so sagt man - ist innen.

Alle anderen - auch die, die zuvor noch im Fegefeuer war - werden ihr Gott in der Liebe zu den vielen Menschen finden, in denen sich die Mannigfaltigkeit Gottes widerspiegelt; und in der Liebe zu Gott, in der Seine Liebe zu jedem Einzelnen seiner Kinder widerscheint. Auch die, die im Fegefeuer nur ein ganz kleines "Ja" zu Gott gesprochen haben, und ein riesiges "ABER!" daran geknüpft haben, sind definitiv dabei. Dann wird es endgültig kein Leid mehr geben, alle werden ein Herz und eine Seele sein.

Amen.

 

6. Predigt: Der Glaube Mariens - Predigt im Advent

Evangelium vom 4. Sonntag im Advent (Lesejahr C): Lk 1, 39-45

Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

Schon Johannes Paul II. hat - in der Vorbereitung auf das Jahr 2000 - immer wieder ein Jahresmotto ausrufen lassen. Damals fand diese Initiative es Papstes zunächst nur geringe Resonanz in Deutschland. Man war allem, was aus Rom kam, eher skeptisch bis desinteressiert gegenüber.

Das hat sich allerdings geändert. Die Themen, die Papst Benedikt inzwischen verschiedenen Jahren gegeben hat, wurden auch in Deutschland eifrig aufgegriffen; freilich nicht immer ganz im Sinne des Erfinders.

Ein Jahr das Glaubens auszurufen, um gerade angesichts des immer größer werdenden Glaubensschwundes deutlich zu machen, was eigentlich Inhalt unseres Glaubens ist, geht nur dann, wenn zumindest die Verantwortlichen in den Gemeinden, den Verbänden, Diözesen und Bildungseinrichtungen noch eine Ahnung davon haben, was Glauben eigentlich ist. In manchen Fällen wage ich daran zu zweifeln.

So hört man hier und dort aus offiziellen Quellen, dass Glauben bedeutet, neue Wege zu gehen - das solle man doch nun im Jahr des Glaubens einmal ausprobieren. Sich selbst überschreiten - das sei ein Akt es Glaubens. Aus dem Gewohnten ausbrechen; im Vertrauen auf Gottes Wort Überliefertes in Frage stellen... alles das sei das, worum es eigentlich im Glauben geht.

Wir schauen heute auf Maria. Von ihr sagt Elisabeth: "Selig, die geglaubt hat, was der Herr ihr sagen ließ." Von ihr sagt die Kirche, dass die die Mutter der Glaubenden sei und die Mutter der Kirche. Von ihr können wir sicherlich lernen, was glauben heißt.

Nun - neue Wege gehen? Aus dem Gewohnten ausbrechen? Sich selbst überschreiten? Nun ja - Maria hat sich zur Geburt auf den Weg nach Bethlehem gemacht; aber nicht, weil sie aus dem Gewohnten ausbrechen wollte ("Nicht immer nur die Geburt in Nazareth - es muss doch auch etwas anderes geben...?!"), sondern weil sie durch die Volkszählung dadurch gezwungen wurde.
Sie brach nach Ägypten auf - aber nicht, um ihrem Leben neue Horizonte zu erschließen, sondern weil sie vor Herodes floh.
Maria hat sicherlich sich selbst überschritten - vom kleinen Mädchen in Nazareth zur Mutter der Christenheit. Aber nicht deshalb, weil sie mal etwas Neues ausprobieren wollte. Sondern, weil sie auf den Anruf Gottes einfach nur mit "Ja" geantwortet hat.

Glauben, so lehrt uns Maria, besteht aus einer Antwort auf all die Widrigkeiten des Lebens, eine Antwort voller Gottvertrauen. Eine Antwort, die sich nicht deshalb auszeichnet, weil sie neu, kreativ und aus allem verknöchertem aufbrechend ist. Maria war traditionell, einfach und schlicht - und sie blieb es ein Leben lang.

Maria hat geglaubt, weil sie einfach das, was Gott, der Engel, aber auch ihre Religion ihr sagen ließ, gläubig angenommen. Wir dagegen haben manchmal das Gefühl, dass nur der wirklich glaubt, der wie Abraham (dem Vater des Glaubens) alles hinter sich lässt und neu beginnt. Maria (als Mutter des Glaubens) zeigt, dass es auch anders geht. Ja, dass in dem einfachen Glauben, der "Für-Wahrhalten" und "Gottvertrauen" verbindet, ohne sofort zu Selbsterfahrungsgruppe in Jerusalem aufzubrechen und sich für Ikebanakurs in Hebron anzumelden. Um wahrhaft zu glauben, müssen sie sich nicht zu einem Glaubenskurs im Hochseilgarten anmelden und auch keinen Kibbuz besuchen.

Ertragen Sie Mann, Frau, Kinder, Nachbarn und alle anderen Menschen, versuchen Sie, alle zu lieben. Glauben Sie, Beten Sie, Beichten Sie - und vertrauen Sie Gott, dass er Seine Verheißungen wahr macht. Seien Sie treu im Kleinen, liebevoll in allem und fromm.

Dann liegt in der Krippe ihres eigenen Lebens mehr Gott als den Broschüren aller geistlichen Angebote zusammen. Dann kann Weihnachten werden. Amen.

 

Weitere Predigt: Zu Allerheiligen "Gemeinschaft der Heiligen"

von Pastor Klaus Klein Schmeink

„Wer glaubt, ist nie allein!“
So lautet, liebe Schwestern und Brüder, das Leitwort in unserer Pfarrei für das im vergangenen Monat begonnene Jahr des Glaubens. In einer Predigtreihe wollen wir im Verlaufe des Jahres über die zentralen Sätze des Apostolischen Glaubensbekenntnisses predigen, um das, was wir bekennen, besser kennen und damit tiefer schätzen zu lernen.
„Wer glaubt, ist nie allein!“
Das feiern wir gerade heute am Hochfest Allerheiligen. Das bekennen wir mit dem Satz „Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen.“ Der Katechismus der Katholischen Kirche hält fest: „Der Ausdruck ‚Gemeinschaft der Heiligen’ hat somit zwei Bedeutungen, die eng miteinander zusammenhängen: ‚Gemeinschaft an den heiligen Dingen’ (sancta) und ‚Gemeinschaft zwischen den heiligen Personen’ (sancti).“ (KKK 948) „Durch die gemeinsame Anteilhabe am Heiligen werden wir untereinander zur Gemeinschaft der Heiligen zusammengefügt.“ (Erwachsenenkatechismus, S. 307) Das Heilige, das uns zur Gemeinschaft macht, ist das, was uns heil macht, mit dem Ewigen, dem Göttlichen in Verbindung bringt: die Heilige Schrift, die heiligen und heiligenden Sakramente – besonders die Eucharistie – und der Dienst am Nächsten, der ein Dienst letztlich an Christus, am Heiligen Gottes ist.

Diese Gemeinschaft am Heiligen führt uns über diese Welt hinaus, weitet unseren Horizont, öffnet uns den Himmel. Das Heilige ist immer größer als das rein Irdische, das rein Zeitliche. Deshalb ist auch die Gemeinschaft der Heiligen – die Kirche – eine Gemeinschaft, die nicht rein in irdischen oder zeitlichen Kategorien denkt oder verstanden werden kann. Die Kirche weist über diese Welt und Zeit hinaus. Die Gemeinschaft der Heiligen ist nicht nur die Gemeinschaft der Getauften, die zur Zeit auf dieser Erde leben. Sie ist größer, geht tiefer. Das macht die Unterteilung der Kirche in drei Dimensionen – nennen wir sie Stände – aus.
Da gibt es uns, die wir zur Zeit auf dieser Erde leben und glauben, die wir mit unseren Schwächen kämpfen müssen, gegen das Böse in und um uns, für das Gute, um den Glauben. Wir sind die „Streitende oder Kämpfende Kirche“ (Ecclesia Pugnans). Da gibt es aber auch die, die vor uns geglaubt haben, die den guten Kampf erfolgreich bestanden haben, diejenigen, die verstorben sind und nun im Himmel Gottes Herrlichkeit verkosten. Das ist die „Triumphierende Kirche“ (Ecclesia Triumphans). All dieser Heiligen gedenken wir heute, all diese Heiligen feiern wir heute. Sie sind uns ein Zeichen dafür, dass
es menschenmöglich ist, den Himmel zu erreichen. Ebenfalls schon verstorben sind die Glieder der „Leidenden Kirche“ (Ecclesia Patiens). Es sind die Seelen im Fegefeuer, also jene Menschen, die auf dem Weg zur himmlischen Vollendung noch gereinigt werden müssen. Angesichts der Güte Gottes erkennen sie ihren eigenen Mangel an Liebe Gott und den Nächsten gegenüber. Diese Erkenntnis schmerzt sie.
Dieser Schmerz reinigt ihr Herz für die endgültige Begegnung mit dem ewiggütigen Gott. Das Fegefeuer ist nicht die Hölle, wie manchmal fälschlicherweise gedacht wird, sondern das „Vorzimmer“ zum Himmel. An alle dort zu denken, ist auch der Sinn des Allerseelentages.

Liebe Schwester und Brüder! Wir gehören zur Gemeinschaft der Heiligen. Diese Gemeinschaft überschreitet die Grenzen von Raum und Zeit. Zur Gemeinschaft der Glaubenden gehören so alle, die zur Zeit
auf dieser Erde glauben, und alle, die je geglaubt haben. Wer getauft ist, tritt deshalb ein in die große Schar aller Glaubenden, aller Orte und Zeiten. Wer getauft ist, tritt deshalb in die Gemeinschaft der Heiligen am Heiligen ein. Dieses Heilige – das, was wir glauben – ist deshalb nicht nur eine zeitliche, zeitgeistige Strömung, die je nach Mode oder Denkrichtung verändert werden könnte. Ich kann als Glaubender nicht das Gegenteil oder anderes glauben, als das, was die anderen vor mir schon in der Gemeinschaft der Glaubenden bekannt haben. Der Glaube erfindet sich nicht immer wieder neu, sondern er ist eine ewige Wahrheit. Christus bleibt derselbe gestern, heute und in Ewigkeit. Deshalb ist die Kirche, ist das Lehramt der Kirche konservativ. Conservare heißt bewahren. Das Lehramt bewahrt also den
Schatz des Heiligen für die Gemeinschaft der Heiligen. Dieses „Konservieren“ hilft – ähnlich wie bei Nahrungsmittel, die konserviert werden – das der Glaube nicht verkommt, schlecht oder ungenießbar wird. Dieses Konservieren will den eigentlichen Gehalt des Glaubens bewahren, damit der Glaubende gute „Nahrung“ bekommt, die stärkt, nicht schadet; die kräftigt, nicht schwächt – auch wenn dem einen oder
anderen manches vielleicht nicht auf Anhieb schmecken mag, was ihm da angeboten wird. Es ist besser und heilsamer als manches Fastfood, was der Zeitgeist uns manchmal mit greller Werbung anpreisen will.

Liebe Schwester und Brüder! Wir gehören zur Gemeinschaft der Heiligen. Diese Gemeinschaft überschreitet die Grenzen von Raum und Zeit. Zur Gemeinschaft der Glaubenden gehören so alle, die zur Zeit
auf dieser Erde glauben, und alle, die je geglaubt haben. Diese Gemeinschaft ist eine lebendige Gemeinschaft. Sie ist so lebendig, dass sie über den Tod hinaus Gemeinschaft bleibt, die trägt und stützt.
Die Heiligen im Himmel leben nicht für sich. Sie wissen sich verbunden mit uns, hier auf der Erde. Und sie treten für uns mit ihren Gebeten, mit ihrer Fürsprache bei Christus für uns ein. Sie wissen, wie es uns zumute ist, wie es uns ergeht als streitende Kirche und sind deshalb gerne an unserer Seite und wollen uns helfen dorthin zu gelangen, wo sie schon sind. In der Seligkeit. Eine lebendige Gemeinschaft der Heiligen zeigt sich deshalb auch in einer gesunden und lebendigen Verehrung der Heiligen. Wir selber wiederum können mit unseren Gebeten denjenigen beistehen, die im Vorzimmer des Himmels, dem Fegefeuer warten. Die Verstorbenen spüren, wenn wir ihnen mit unserem Gebet den Rücken stärken, sie sozusagen von hinten anschubsen, sich au f den barmherzigen Vater hin zu zu bewegen. Wir schenken ihnen so mehr Vertrauen, dass uns nichts von der Liebe Gottes trennen kann, wenn wir ihn wirklich lieben, auch wenn wir nicht immer dieser Liebe gerecht geworden sind. Gott ist kein griesgrämiger Despot und kleinkarierter Erbsenzähler guter oder schlechter Taten. Er schaut auf unser Herz und er ist größer als unser Herz, auch wenn es uns anklagt. Das Gebet für die Verstorbenen ist gelebte Gemeinschaft der Heiligen.

Liebe Schwestern und Brüder! Wenn wir nun die Heilige Eucharistie feiern, dann „leben“ wir, ja „erleben“ wir die Gemeinschaft der Heiligen auf besonders tiefe Weise. Indem wir die Liturgie der Kirche – nicht eine selbstgebastelte Liturgie – feiern, feiern wir das Heilige Messopfer als irdische und himmlische Liturgie zugleich. Mit uns feiert der Himmel, mit uns feiern die Engel und Heiligen. In der Kommunion empfangen wir den Leib Christi und werden zum Leib Christi, der die Kirche ist. Deshalb ist die Messe nie nur eine Feier für mich, oder eine Sache zwischen mir und Gott. Die Heilige Messe ist Gemeinschaft der Heiligen im Vollzug wenn man so will. Zur Hl. Messe zu kommen, nicht nur am Sonntag, stärkt die Gemeinschaft der Heiligen. Der Besuch der Hl. Messe weitet unseren Horizont, öffnet uns den Himmel und macht uns bewusst: „Wer glaubt, ist nie allein!“ Nein, wir sind getragen, geliebt und werden gestärkt in der Gemeinschaft der Heiligen am Heiligen.

Weitere Predigt: "Ich glaube an Gott"

von Pastor Manfred Stücker

„Ich glaube an Gott“
Ich möchte behaupten, daß es noch nie so sehr wie jetzt darauf angekommen ist, ein gläubiger Mensch zu sein. Es ist noch nie so wichtig gewesen wie heute, zu glauben. - Wie komme ich zu dieser Meinung? Ein erster Grund, den ich finde, ist ganz einfach: Unsere Welt war noch nie so komplex und so kompliziert wie in unserer Zeit. Wir benützen technische Geräte, deren Innenleben wir nur noch erahnen können. Wir bewegen uns mit annähernder Schallgeschwindigkeit in Flugzeugen, die technische Spitzenleistungen in sich vereinigen, um unseren Urlaubsort oder auch Arbeitsplätze zu erreichen. Und wir vernehmen Meldungen über Finanzthemen, über politische Auseinandersetzungen in fernen Ländern und über Hintergründe, bei denen wir nicht die entfernteste Chance haben, selber nachzuprüfen, ob das alles wirklich stimmt.
Wir können in all diesen Fällen einfach nur glauben und vertrauen, daß wahr ist, was da gesagt wird, und daß wirklich funktioniert, was wir in die Hand nehmen und benutzen. Aber da fangen die Schwierigkeiten schon an. Stimmt das denn, was uns da an Bildern und Nachrichten Tag für Tag erreicht? Sind die Meldungen nicht vielleicht manipuliert? Und wie ist es mit all den technischen Geräten, die wir selbstverständlich nutzen? Unter welchen Bedingungen werden sie hergestellt, welchen enormen Verbrauch an Rohstoffen und Energie fordern sie ein?
So ist begreiflich, daß viele Menschen skeptisch oder auch mißtrauisch werden, daß sie beginnen, manches zu hinterfragen, was uns vorgegeben wird. Viele suchen auch neue Freiheiten und eine neue Unabhängigkeit. Sie wollen ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Sie wollen Altes hinter sich lassen und nehmen dafür auch die Möglichkeit in Kauf, zu irren oder neu anfangen zu müssen.
Diese Entwicklung betrifft natürlich auch die soziale Gestalt des Zusammenlebens der Menschen in unserer Zeit, sie bewirkt eine Krise in allen großen Gemeinschaften und Gruppen, seien es Parteien, Gewerkschaften, Vereine oder eben auch Kirchen und Gemeinden. Wir müssen uns das alles vor Augen halten, wenn wir über den Glauben nachdenken und wenn wir in diesen Tagen mit der Kirche das „Jahr des Glaubens“ beginnen. Wir feiern das Jahr des Glaubens nicht in einer triumphalistischen Weise. Danach ist uns wohl nicht zumute. - Sicher: Wir brauchen nicht zu verstecken, was Menschen aus dem Glauben heraus im Laufe der Geschichte Gutes und Großes getan haben. Klöster und Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen und Werke der Caritas: das alles und noch vieles mehr ist aus dem Glauben heraus entstanden. Es war nicht ein Irgendwie- und Irgendwas-Glaube, der das hervorgebracht hat, sondern immer ein bestimmter Glaube, ein reflektierter Glaube, ein Glaube, der auch in der Lage ist, vor dem Verstand und vor der Vernunft Rechenschaft abzulegen.

Worum geht es uns im Jahr des Glaubens? Es muß uns darum gehen, sich zu vergewissern, was es heißt, wenn wir sagen: Ich glaube an Gott. Ich glaube an Gott, der sich geoffenbart hat, der gehandelt und gesprochen hat, der von der konkreten Kirche bezeugt wird, der in der gottesdienstlichen Feier geehrt und in den Werken der Nächstenliebe gelebt wird. – Sich dessen zu vergewissern, ist eine große Aufgabe. Und sich dazu auf den Weg zu machen, dazu sind wir alle, jede und jeder ganz persönlich, eingeladen. Noch einmal zu der Frage von vorhin: Warum können wir sagen, daß es noch nie so wichtig
gewesen ist wie heute, zu glauben, ein gläubiger Mensch zu sein? Um zu einer Antwort zu finden, denke ich an eine Schulstunde zurück, aus der Grundschulzeit, die mir sehr gut im Gedächtnis geblieben ist. Darin erklärte uns der Lehrer den Unterschied zwischen Wissen und Glauben, zwischen Beweis und Bekenntnis, zwischen richtig und wahr. Wie hat er das gemacht? Er gab uns ein Beispiel aus dem Alltag: Jeder von uns weiß, daß die Erde keine Scheibe ist, sondern eine Kugel (wenn auch ein bißchen abgeplättet, wegen der Schwerkraft). Wenn nun jemand käme und mich mit Gewalt zwingen wollte, zu behaupten, die Erde sei doch eine Scheibe, sollte es sich da lohnen, der Gewalt die Stirn zu bieten? Sollte man dafür, daß doch die Wissenschaft bewiesen hat, daß es anders ist, mit seinem Leben einstehen?
– Der Lehrer meinte eindeutig: Nein, denn diese Sache, um die es geht, bleibt ja unabhängig davon, ob nun einer oder sogar viele das Gegenteil behaupten. Hier geht es um eine Sache, wo es einfach um richtig oder falsch geht. Anders aber steht es mit den Fragen, die eine andere Ebene betreffen: Ist es gut, alle Menschen zu lieben? Sind alle Menschen wirklich mit der gleichen Würde und mit gleichen Rechten ausgestattet? Und gilt für alle die Forderung, ihre Anliegen mit friedlichen Mitteln vorzutragen und Konflikte friedlich zu lösen?
Hier kann man sofort erkennen, daß keinem damit geholfen ist, wenn man die Antworten darauf einfach offen läßt oder sie der Wissenschaft überläßt. Hier ist nicht ein Beweis gefordert, sondern etwas anderes: ein Bekenntnis. Hier geht es nicht nur um richtig oder falsch, sondern um wahr oder nicht wahr. Einer, der in dieser Sache ein Bekenntnis von dem ablegt, was er für gut und wahr erkannt hat, muß möglicherweise noch mehr einsetzen als seinen guten Ruf oder die Möglichkeit, als Spielverderber ausgeschlossen zu werden. Er muß möglicherweise sein eigenes Leben einsetzen, um das, wovon er überzeugt ist, zu bezeugen vor den Mitmenschen.
Für mich war diese Unterscheidung schon als Heranwachsender einleuchtend: Es gibt Wahrheiten in unserem Leben, für die lohnt sich mehr Einsatz als nur eine Wette am Stammtisch oder auf dem Spielfeld. Für die lohnt es sich, zu leben oder auch im Extremfall zu sterben. Der Glaube an den lebendigen Gott zählt zu den Wahrheiten, für die Menschen zu allen Zeiten ihr Leben eingesetzt haben. Menschen, die Großes geleistet und angestoßen haben wie Maximilian Kolbe oder Mutter Teresa in unserer Zeit, oder wie die ersten Christen in der Stadt Rom, die nur Gott geben wollten, was Gott gehört, oder wie der Pater Friedrich Spee, der in seiner Zeit gegen den Hexenwahn und seine furchtbaren Auswüchse anging. Sie alle waren Menschen, die für den Glauben an Gott nicht das Leben anderer Menschen
aufs Spiel setzten und opferten, sondern ihr eigenes – in vollkommener Freiheit, im vollen Bewußtsein dessen, was das bedeutete. Sollten diese Zeugen des Glaubens, die zu allen Zeiten ihr Leben eingesetzt haben, nicht Respekt und Hochachtung bei uns hervorrufen? Für alle diese Menschen war der Glaube an Gott nicht etwas Abstraktes oder etwas, was man aus Büchern lernt. Für sie war es eine
lebendige Beziehung von Person zu Person. Eine Antwort, die sie gerne gegeben haben, auch unter vielen Fragen und Qualen, weil sie wußten: Ich bin ein Mensch, den Gott unendlich liebt. Glaube ist eine Antwort auf Liebe, und darum können wir auch fragen, ob einer, der sagt: Ich kann nicht glauben, nicht einer ist, der zuwenig Liebe von Menschen erfahren hat.
Denn: Wer glaubt, will lieben, wer liebt, will leben, und wer lebt, will ein Leben, das bleibt. Das alles – Liebe und Leben, das bleibt, schenkt uns der lebendige Gott, und dazu sprechen wir im Glauben: Amen.

Weitere Predigt: "Credo! Ich glaube!"

von Pfr. Robert Schmäing

"Credo! Ich glaube! Warum eigentlich glaube ich? Bin ich in dem Glauben stecken geblieben, den mir meine Eltern mit auf den Weg gegeben haben? Was bedeutet mir der Glaube? Das sind Fragen, die wir uns im Jahr des Glaubens stellen können. Was würde ich antworten, wenn mir diese Frage gestellt wird?
Spontan muß ich immer an Jesu Aussage über das Senfkorn denken, als er seinen Jüngern sagt: „Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden, und verpflanz dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen.“ (Lk 17, 6).

Ein Maulbeerbaum steht nicht bei mir im Garten; also übe ich lieber erst einmal mit einer Büroklammer. Aber was sollte ich sagen, wenn bei dieser Übung die Pfarrsekretärin in mein Büro kommt? Vielleicht: „Ich übe Stimmprojektion!“ Nun – Humor beiseite.

Glauben können scheint ganz einfach zu sein und doch gibt es da immer wieder kleinere und größere Hindernisse: Zweifel, Ängste, Unsicherheit, mangelndes Vertrauen, eigene Schwächen, widrige Lebensumstände, Enttäuschungen, Verluste. Wie geht das, Glauben?

Der Apostel Paulus gibt im Hebräerbrief eine kurze knappe Antwort auf diese Frage: „Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht.“ (Hebr 11, 1). Hoffen und Vertrauen.

Welche Hoffnung schenkt mir der Glaube? Ich glaube, daß Jesus Christus Gottes Sohn ist; daß in Christus Gott Mensch geworden ist und er uns die Liebe des Vaters geoffenbart hat. Er gibt eine Antwort auf das Woher und Wohin mit mehr oder weniger klaren praktischen Lebenshilfen; die Bergpredigt zum Beispiel. Seitdem ist die Hoffnung faßbar, daß mit dem Tod nicht alles aus ist; daß das Leben einen Sinn hat. Und der Glaube schenkt mir das Vertrauen, in den vielen Lebenssituationen in Sinn sehen zu können, da ich von Gott geliebt bin. Er eröffnet mir einen weiteren Horizont und schenkt Gelassenheit. Nicht einfach stehen zubleiben bei dem, was sich mir gerade zeigt, was ich erlebe, sondern dahinter einen größeren Zusammenhang zu sehen. Gerade in schwierigen Lebenssituationen scheint da ein Licht auf, das vor Verzweiflung bewahrt bzw. bewahren kann. Gerade in solche Situationen merke ich, daß gelebter Glaube mehr ist als ein Spaßverderber, wie es manchmal artikuliert wird. Auch wenn man selbst hin und wieder den Eindruck hat, daß der Glaube nur aus Gewohnheiten besteht. Es gibt Gewohnheiten, die können lebensrettend sein. Warum sonst üben Feuerwehrleute immer wieder dieselben Handgriffe? Man könnte es abtun als langweilige Gewohnheiten. Aber in der Gefahrensituation zeigt sich, wie wichtig diese Gewohnheiten sind, da sie blindlings abgerufen werden können.

Wenn wir heute Allerheiligen feiern, dann gedenken wir der vielen, die aus dieser Hoffnung und diesem Vertrauen gelebt haben. Es sind die vielen Heiligen, die unter uns gelebt und nicht aufgefallen sind. Die treu ihren Standespflichten nachgekommen sind, in dem Wissen darum, daß alles hineingenommen ist in ein größeres Ganzes. Vielleicht sind unter ihnen viele, die angesichts der Verdienste bekannter Heilige ihre eigenen Schwächen deutlich vor Augen geführt bekommen haben. Aber dennoch sich bemüht haben, die Liebe Gottes in ihrem Handeln und Tun, ihrem Leben widerzuspiegeln.

Daher möchte ich von einem Wüstenvater erzählen, dessen Namen ich nicht mehr weiß. Dieser Wüstenvater dachte, er sei schon sehr heilig. Da wurde er eines Nachts von einem Engel entrückt zu einem Schumacher. Dieser Schumacher war Vater mehrer Kinder und sein Tageswerk bestand darin, den Lebensunterhalt für seine Familie zu erwerben. Er tat nichts anderes, als tagtäglich Schuhe zu reparieren. Der Wüstenvater erfuhr von dem Engel, daß dieser Schumacher heiliger sei als er, denn der Vater gehe treu seiner Lebensaufgabe nach; und das aus dem Glauben heraus, Gottes Willen zu erfüllen.

Wenn wir heute Allerheiligen feiern und der vielen unbekannten Heiligen gedenken, dann können uns diese Heiligen ermutigen, immer mehr zu Spiegeln der Gottesliebe zu werden. Daß die Mitmenschen merken: Hier begegnet uns ein Mensch, der hofft und vertraut, der glaubt. Wir werden wohl keinen Maulbeerbaum durch unseren Glauben versetzen. Aber durch unser widerspiegeln der Liebe Gottes können wir ein Herz mit Liebe zu Gott und dem Nächsten in Brand setzen. Das wäre eine größere Tat, als einen Maulbeerbaum zu verpflanzen. Amen"