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Können Frauen Priester werden? Eine heiße Frage und ein Blick auf die Tradition der Kirche

"Die katholische Kirche kann nicht einfach so bleiben wie sie ist." Dieser Satz ist keine billige Provokation, sondern eine Notwendigkeit: Die Kirche ist ein lebendiger Organismus, der den Menschen unserer Zeit eine Heimat bieten soll.

Wer die Kirche reformieren will (und das ist die Aufgabe eines jeden Christen: "Ecclesia semper reformanda" - "Die Kirche ist immer zu erneuern"), kann aber nicht blind abschaffen oder ändern, was ihm nicht passt. Zuerst sollte die Frage stehen: "Was gehört zum Wesen der Kirche - und was ist menschliches Beiwerk?"

Wird der Wunsch laut, in der Kirche etwas zu ändern, hört man oft aus konservativen Kreisen eine auf den ersten Blick primitive Antwort: "Das kann man nicht ändern - das gehört nunmal zur Tradition der Kirche". Nun stellt sich die Frage: Was ist das eigentlich - Tradition?

Erst im Anschluss daran kann die Frage, ob die Kirche das Recht (oder sogar die Pflicht) hat, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen, in Ruhe beantwortet werden.

 

 

 

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Diese Katechese ist auch als gedrucktes Heft (Nr. 013) erhältlich: Kostenlose Bestellung

Die Tradition der Kirche

Unter „Tradition" verstehen wir normalerweise Bräuche und Ansichten, die sich regelmäßig wiederholen; es gibt Weihnachtsbräuche, Hochzeitsbräuche oder Angewohnheiten innerhalb einer Familie, z.B. dass das Geburtstagskind bestimmen darf, was es zum Mittagessen gibt; den Brauch, nicht bei Rot über eine Ampel zu gehen; sich bei der Begrüßung die Hand zu reichen und im Gottesdienst nicht „Ja", sondern „Amen" zu sagen. - Genaugenommen meint „tradire" (daher kommt unser Wort „Tradition") Bräuche, die man empfangen hat und wieder weitergibt - „tradire" heißt „überliefern".
Nun - eine solche Tradition kennt die Kirche auch. Allerdings werden nicht nur Bräuche, Lebensgewohnheiten, Gebete und Gottesdienstformen überliefert, sondern auch der Glaube an Gott, das Wissen über ihn und dem, was Jesus gesagt und getan hat. Alles das gehört zur Tradition der Kirche - einen Ausschnitt davon haben wir uns vermutlich alle mit unserer Erziehung und unseren eigenen Erfahrungen angeeignet.

Traditionen können sich ändern

Irgendwann stellt sich im Leben eines jeden Menschen (auch des nichtreligiösen, denn der lebt ja auch in weltlichen Traditionen) die Frage, was von diesen Traditionen er eigentlich aufgeben kann, verändern wird oder beibehalten möchte - vor allem, wenn diese Traditionen nicht mehr zu seinem weiteren Leben passen oder sie unbequem und hinderlich werden:

Der Angestellte, der nun sein Mittagessen in der Firmenkantine zu sich nimmt, wird dort wohl kaum mit Hinweis auf seinen Geburtstag bestimmen können, was es heute zu essen gibt. Da heißt es, von dieser Traditionen Abschied zu nehmen.

Die alte Tradition der 70er, immer (nur) samstags in die Badewanne zu gehen, kann zu enormen sozialen Problemen führen: Wer möchte schon einen Bekannten haben, der spätestens am Freitag abend nur an der frischen Luft auf 5 Meter Abstand zu ertragen ist?

Ob ich eine Tradition aufgebe, hängt zum Beispiel davon ab, wie sehr ich mich mit dem jeweiligen Brauch identifiziert habe - und ob ich nicht ein wenig von mir selbst aufgebe, wenn ich einzelne Traditionen ändere. Auf der anderen Seite wird ein Mitglied unseres Staates irgendwann erkennen, dass bestimmte Traditionen (z.B. nicht bei Rot über die Straße zu gehen) nicht nur sinnvolle Angewohnheiten sind, sondern staatliche Gesetze - und die Aufgabe dieser Traditionen mehr ist als nur eine persönliche Entscheidung. Aber auch solche Traditionen kann ich natürlich überwinden, indem ich die gesamte Gesellschaft verändere - z.B. indem ich bestimmte Angewohnheiten als umweltzerstörend entlarve (wie z.B. den Müll einfach so zu verbuddeln) und die Menschen sensibilisiere, aufkläre und schließlich zur Annahme neuer Gesetze bewege.

Für die Kirche stellt sich die Frage ebenfalls. Auch hier gibt es Traditionen, die geändert, neu definiert oder auch ganz aufgegeben werden können.

Mit dem zweiten vatikanischen Konzil haben sich eine ganze Reihe von Traditionen geändert; so ist z.B. das Latein als Sprache der Liturgie um die Möglichkeit ergänzt worden, auch in der jeweiligen Muttersprache die Eucharistie zu feiern. Vor 200 Jahren noch undenkbar!

Was wir heute als „Traum in weiß" kennen - nämlich die Hochzeit und konkret das Kleid der Braut -, war wenige Jahrzehnte zuvor noch eine „schwarze Angelegenheit": Die kostbaren Stoffe waren früher schwarz - und so trug die Braut bei der Hochzeit selbstverständlich auch schwarz.

Die Tradition, dass ein Ehepaar, bevor es (zumindest für eine gewisse Zeit) getrennte Wege geht, den Pfarrer um Erlaubnis fragt, ist inzwischen ganz aus der Mode gekommen.

In der Einschätzung, was wir ändern können und sollen, entstehen die beiden bekannten Gegensätze: Die „konservativen" und „progressiven" Christen. Die Konservativen, so heißt es manchmal, wollen alles so lassen, wie es ist; die Progressiven, so ist die Entsprechung auf der anderen Seite, wollen alles ändern. Das stimmt natürlich nicht: Keiner will alles ändern oder alles belassen. Lediglich in bestimmten Fragen (vor allem in der Feier unserer Gottesdienste) gibt es verschiedene Tendenzen.
Aber eine solche Auseinandersetzung ist grundsätzlich zu begrüßen: Denn nur so suchen beiden Seiten nach Argumenten und erkennen (hoffentlich) besser, welche Bedeutung eine bestimmte Tradition hat - oder eben nicht hat.

Der Grundbestand unseres Glaubens

Allerdings gibt es einen Bereich in unserem Glauben, der nicht dem persönlichen Geschmack der Konservativen oder Progressiven überlassen ist: Das „depositum fidei" - der eigentlichen Bestand unseres Glaubens. Nicht deshalb, wie man manchmal hört, weil wir sonst unsere Identität verlieren (das beklagen einige Gelegenheitschristen schon, wenn am heiligen Abend nicht mehr „Stille Nacht" gesungen wird). Nein, den eigentlichen Bestand unseres Glaubens können wir nicht antasten, weil er uns vorgegeben ist.
Die Kirche hat sich den Glauben ja nicht aus eigener Erkenntnis selbst zusammengesetzt, sondern ihn von Jesus Christus geoffenbart bekommen. Deshalb gehört das Christentum (zusammen mit dem Judentum und dem Islam) zu den „Offenbarungsreligionen". Das, was Jesus uns zu unserem Heil gesagt und überliefert hat, das können wir zwar ändern - aber dann haben wir eine eigene Religion gegründet.

Was gehört zum „depositum fidei"?

1. Die Bibel

Auf die Frage „Welche Traditionen der Kirche gehören zur Offenbarung? Was können wir nicht ändern, weil es von Gott stammt?" hört man meist als erstes: „Auf jeden Fall die Bibel!" Immerhin ist die Bibel ja die entscheidende Grundlage unseres Glaubens. Dort finden wir die Berichte über Jesus, seine Predigten und Wundertaten. Die Bibel ist sozusagen festgeschriebene Tradition: Was zum Zeitpunkt der Entstehung der Bibel geglaubt wurde, ist dort festgehalten und bewahrt.
Jedoch die Ansicht der fundamentalistischen oder evangelikalen Kirche, dass alles, was in der Bibel steht, zum Grundbestand der Kirche gehört, ist von der katholischen Kirche so nie vertreten worden. Sicherlich ist die Bibel die Grundlage unseres Glaubens, die „Ur-Kunde", und dort finden wir alles, was zu unserem Heil notwendig ist. Aber sie ist ja keine Sammlung von eindeutigen Glaubenssätzen, Geboten oder Anweisungen, sondern sie ist eine Sammlung von Geschichten, Gebeten, Liedern, Berichten über historische Begebenheiten und prophetisches Reden - und vieles davon ist eben nur aus der Zeit heraus zu verstehen und keine Glaubenswahrheit. Deshalb gibt es trotz der einen Bibel über tausend verschiedene christliche Glaubensgruppen - die sich alle auf diese Bibel berufen. Nein, die Bibel allein ist nicht eindeutig.

2. Die lebendige Tradition

Die Bibel allein kann schon deswegen nicht Richtschnur der Tradition sein, weil sie ein Teil der Tradition ist. Denn erst nach gut 500 Jahren hat die Kirche sich entschieden, welche Evangelien und Schriften Bestandteil des Neuen Testamentes sein sollen (beim Alten Testament hat es sogar noch länger gedauert). Es gibt über die bekannten Schriften ja noch zahlreiche weitere, die nicht aufgenommen worden sind: Die sogenannten apokryphen Schriften, wie z.B. das Thomas-Evangelium, das Petrus-Evangelium oder das Proto-Evangelium des Jakobus.
Außerdem haben die Schriften des N.T. ja auch eine Zeit der Entwicklung hinter sich, sind ergänzt oder verändert worden - alles durch die Tradition der Kirche. Mit anderen Worten: Die Tradition der Kirche hat die Bibel hervorgebracht.
Woher wissen wir aber, dass das Petrus-Evangelium nicht doch zum „depositum fidei" gehört? Oder, anders gefragt, woher wissen wir, dass die Tradition in der frühen Kirche, die das Evangelium des Petrus weitergegeben hat, keine wesentliche Tradition gewesen ist?
Auch die Tradition allein ist nicht eindeutig.

3. Das Lehramt

Wir brauchen also eine dritte Instanz - das Lehramt. Ein Amt, das der Einheit der Kirche dient, indem es bei Streitigkeiten entscheidet, ob eine strittige Tradition oder Aussage der Bibel unabänderlich ist oder eben nicht. Dieses Lehramt wird vor allem durch die Bischöfe wahrgenommen, die sich in großen Abständen zusammenfinden und die wichtigen Fragen der Kirche klären und entscheiden. Allerdings hat es auch schon Zeiten gegeben, wo sich Bischöfe in zwei Lager aufgespalten haben und gegeneinander entscheiden wollten. Deshalb, wiederum als Dienst an der Einheit und Wahrheit, ist der Bischof von Rom das „Zünglein an der Waage"; ein Konzil oder ein Kreis von Bischöfen kann nur dann etwas definieren, wenn es in Einheit mit dem Papst geschieht.
Erst 1870 hat das damalige Konzil festgestellt, dass auch der Papst alleine, ohne ein Konzil, ermächtigt ist, in dringlichen Fragen alleine zu entscheiden, was zum „depositum fidei" gehört - das berühmte „Unfehlbarkeits-Dogma".

Allerdings wird dieses Dogma oft falsch verstanden, so, als ob der Papst in allem, was er tut und sagt, unfehlbar sei. Dann bräuchte er nur regelmäßig Lotto zu spielen, um die Finanzen des Vatikans zu sichern.
Nein, der Papst ist nicht in allem unfehlbar, sondern nur in Bezug auf die Frage, welche Glaubenslehre und welche Moralvorstellung zum göttlichen Gut der Offenbarung gehört - und welche Tradition zeitbedingt und menschlichen Ursprungs ist.

Die Entscheidung des Papstes geschieht zwar „aus sich" (im lateinischen: „ex sese"), also ohne dass er dafür der Zustimmung durch ein Konzil bedarf. Aber jede unfehlbare Entscheidung - die eines Papstes oder die eines Konzils - entsteht aufgrund der Untersuchung der Tradition und der Bibel. Nur das, was nicht gegen die Bibel verstößt und das, was durchgehend in der Tradition der Kirche einen Platz hatte, kann wahr sein.

Erst in diesem Dreiklang - Bibel, Tradition und Lehramt - gewinnt unser Glaube Kontur.

4. Der Heilige Geist

Manchmal wird der Papst mit einer Taube auf seiner Schulter dargestellt, die ihm ins Ohr flüstert. Darin soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Entscheidungen des Papstes - oder eines Konzils - durch den Heiligen Geist bewirkt werden. Aber dieses Bild ist auch ein wenig missverständlich: Denn der Heilige Geist „flüstert" dem Papst die Wahrheiten nicht direkt ins Ohr - und vor allem wirkt der Geist nicht nur im Papst.
Denn auch die Tradition kann das Göttliche nur bewahren, wenn sie vom Geist getragen und geführt ist. „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe." versprach Jesus (Joh 14, 26). Er sagte „Euch", nicht etwa „Dich, Petrus".
Da der Geist in seiner ganze Kirche wirkt und niemals zulassen wird, dass sie vollständig aus der Wahrheit fallen wird, kann die Tradition überhaupt erst eine Entscheidungsgrundlage für den Papst sein.
Und auch, als die Bibel in ihre jetzige Form gegossen wurde, hat der Geist dort mitgewirkt: Beim Niederschreiben durch die biblischen Autoren war er genauso federführend wie bei der Redaktion durch spätere Verfasser und bei der Zusammenstellung der Bücher durch die Kirche.

Das ist natürlich Glaubenssache. Aber der Glaube an das Wirken des Geistes in der Kirche ist nicht zu trennen vom Glauben des Christen an Gott: Denn wenn wir nur von einer der drei „Säulen" der Weitergabe der Offenbarung behaupten, der Hl. Geist wirke dort nicht, können wir nichts mehr mit Sicherheit über Jesus und seiner frohen Botschaft sagen. Dann mag vielleicht noch der Glaube an Gott bleiben, aber ob dieser Glaube noch wirklich christlich ist, ist nur noch eine Vermutung.

Die Aufgabe der Theologie

Letztens habe ich noch einen Text einer feministischen Theologin namens Elisabeth Moltmann-Wendel in Händen gehabt: Dort unterstellt sie der kirchlichen Tradition, dass sie von Anfang an das „Gefährliche" der christlichen Botschaft verändert und unterdrückt hat (unter „gefährlich" versteht Elisabeth Moltmann-Wendel, dass Jesus ein Frauenfreund war). Sogar die zwölf Apostel seien nachträglich hinzu erfunden worden. Sowohl die Bibel, als auch die Tradition über Jahrhunderte hinweg - aber vor allem der Papst (na klar, ist doch ein Mann...!) und die Bischöfe - haben alles verändert, um die Frauen in den Hintergrund zu drängen und die Männer in den Vordergrund.
Nun, die Ausführungen dieser Frau mögen klug und gut begründet sein - aber sie entzieht sich selbst jeder Grundlage. Denn wenn das Lehramt nicht mehr verläßlich ist, die Bibel verfälscht und die Tradition ein großer Betrug - worüber will dann die Theologie noch reden? Es bleiben nur noch die eigenen Vorstellungen, wie ich Gott am liebsten hätte. Aber die Offenbarung Gottes, der zu uns gesprochen und uns Wesentliches mitgeteilt hat, bleibt dieser Theologin dann verschlossen - sie versetzt sich selbst in den vorchristlichen Stand der natürlichen Theologie.
Die Aufgabe der Theologie ist also nicht, durch Nachdenken auf neue Glaubenswahrheiten zu kommen und diese dann der Tradition, der Bibel und dem Lehramt hinzuzufügen. Das hieße wirklich, sich selbst eine Religion zu stricken. Christliche Theologie erkennt die Offenbarung Jesu als ihre Voraussetzung an - deshalb sprechen auch einige große Theologen von einer „demütigen" Theologie, die erkennt, dass sie unter dem Wort Gottes steht; andere sprechen von einer „knienden" Theologie, die sich vor dem Wort Gottes - Jesus Christus - verneigt und ihn als Gott erkennt.
Die Theologie hinterfragt zwar bestehende und anerkannte Glaubenswahrheiten, aber nicht, um sie anschließend zu verwerfen, sondern lediglich, die bestehenden Wahrheiten zu verstehen und ergründen, tiefer auszuloten und miteinander in Beziehung zu setzen.
Die Offenbarung ist der Theologie vorgegeben - die Offenbarung ist kein Produkt der Theologie.

Die Dogmen

Die frohe Botschaft der Erlösung, die Jesus uns gebracht hat, findet keinen Platz zwischen irgendwelchen Buchdeckeln. Auch die Bibel gibt zu: „Es gibt aber noch vieles andere, was Jesus getan hat. Wenn man alles aufschreiben wollte, so könnte, wie ich glaube, die ganze Welt die Bücher nicht fassen, die man schreiben müßte." (Joh 21, 25) Wer das glaubende Vertrauen auf Gott umfassend kennen lernen möchte, kann das nur im Leben der Kirche: In den Sakramenten, der Verkündigung der Kirche, der Heiligen Schrift, im Leben der Heiligen, in der Gemeinschaft einer Pfarrgemeinde..

Aber auf die Frage: „Kann ich zwischen den menschlichen und göttlichen Anteilen der Tradition der Kirche unterscheiden?" gibt es dennoch klare Aussagen: Die Dogmen. Allerdings sind sie (fast) ausschließlich negativ formuliert: Sie definieren nicht unseren Glauben, sondern sie grenzen das aus, was nicht zum Glauben gehört. So benutzen die Dogmen normalerweise folgende Formulierung: „Wer glaubt, dass... ...der sei ausgeschlossen." Die Dogmen benennen also Irrtümer und ziehen um den Glauben einen Schutzzaun - der Raum innerhalb des Glaubens aber wird nicht erschöpfend beschrieben - das wäre nicht möglich. Ein Professor hat das einmal mit einem Weidezaun verglichen: Um die grasenden Kühe vor dem Abgrund zu bewahren, gibt es Zaunpfähle (Dogmen). „Es müssen schon neurotische Kühe sein, die anstatt auf dem großen Raum innerhalb des Zaunes zu weiden, ständig an den Pfählen kauen."

Nur für den interessierten Leser: Es gibt Sammlungen der wichtigsten Dogmen zu kaufen.

Am umfangreichsten ist der im Herderverlag erschienene „Grundriß der Dogmatik" von Ludwig Ott (in Studentenkreisen hieß es scherzhaft: „Mit Ott flott zu Gott"),
ebenfalls gut ist der „Neuner-Roos": „Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung" (Pustet),
oder, wer es gerne im lateinischen Original hat, kaufe sich den „Denzinger-Schönmetz": Das „Enchiridion Symbolorum", ebenfalls aus dem Herderverlag.
Wer es nicht ganz so original, dafür aber etwas verständlicher haben möchte, kann auch im „Katechismus der katholischen Kirche" (Oldenbourg) reinschauen.

Aber, Vorsicht: Durch diese Bücher, die ja nichts als Zaunpfähle enthalten, ist noch keiner zum Heiligen geworden. Vergiß das grüne Gras nicht, auf das der Herr uns weidet (Ps 24).

Können Frauen Priester werden?

Die Frage wird von der Kirche scheinbar ganz primitiv beantwortet: „Weil dies in der Tradition der Kirche nicht vorgesehen ist."
Jau! Ich kann mir den Aufschrei vorstellen, wenn Du dieses liest: Das klingt so, als wenn jemand sagt: „Es ist so, weil es nun einmal so ist." Und die Reaktion eines kritisch denkenden Menschen darauf ist vorhersehbar: „Wer so denkt, ist ja wohl ein Traditionalist erster Güte...! Muss denn alles, was einmal so war, für immer so bleiben?!"
Um diese Begründung wirklich zu verstehen, müssen wir uns vor Augen halten, dass das Traditionsargument in der Kirche ein anderes ist als in einem Schützenverein. Wer sich dort auf eine Tradition beruft, meint wirklich nichts anderes als: „Das haben wir immer so gemacht, also bleibt es dabei!" In der Kirche meint Tradition aber etwas anderes: Tradiert - also überliefert - werden nicht nur menschliche Bräuche, sondern hinter all dem das, was Jesus seiner Kirche mitgegeben hat.

Das, was Jesus seiner Kirche mitgegeben hat, ist das Fundament unseres Glaubens. Das können wir nicht einfach ändern, denn wir sind nicht Gott. Allerdings gibt es in den Traditionen der Kirche auch viele menschliche Beimischungen: Gewohnheiten, die aus einer Zeit heraus entstanden sind - also nicht göttlichen Ursprungs, sondern zeitbedingt. Sogar in der Bibel finden sich solche Zusätze zuhauf - immerhin ist die Bibel in einer bestimmten Zeit von Menschen geschrieben worden, die im Horizont ihrer Zeit gedacht und geglaubt haben.

Die Entscheidungen, ob einzelne Glaubenssätze zeitbedingte menschliche Zutaten sind oder ewigen Wahrheitswert beanspruchen können, beschäftigt die Kirche über die Jahrhunderte hinweg in einem fort. Das nennen wir „Theologie" - und es ist gut, dass wir uns damit auseinandersetzen. Denn nur so verstehen und reinigen wir den Glauben der Kirche im Laufe der Zeit immer besser und tiefer. Wenn der Streit darüber allerdings die Einheit der Kirche bedroht, kann ein Konzil oder der Papst klarstellen, wo die Grenze zwischen endgültiger Wahrheit und möglicher menschlicher Vielfalt liegt.

Wie soeben gesagt, ist eine solche unfehlbare Entscheidung keine Beschneidung der Glaubensfreiheit, sondern der Grund, weshalb wir überhaupt glauben können: Denn erst im Zusammenspiel von Bibel, Tradition und Lehramt können wir von der „geistgewirkten Weitergabe des Evangeliums" sprechen - ohne diese drei wüssten wir von Jesus und seiner Botschaft nichts Verlässliches.

Eucharistie mit Kaviar und Kir Royal ?!

Faszinierenderweise gehören zu diesem Fundament der Kirche, dem „depositum fidei", nicht nur die zentralen Glaubens- und Moralfragen, sondern z.T. auch die konkrete Gestalt der Kirche.
Besonders deutlich wird das bei der Form der Sakramente (z.B. Brot und Wein bei der Eucharistie oder das Wasser bei der Taufe): So leid es mir auch tut, liebe modernen Jesus-Freaks: Die Eucharistie kann man nicht mit Kaviar und Kir Royal feiern (und auch nicht, wer's lieber mag, mit Curry-Wurst und Cola). Der einzige Grund dafür ist, dass Jesus durch sein Tun bestimmt hat, wie er in seiner Kirche das Heil vermitteln will. Natürlich gibt es lange Überlegungen über die „archetypische Bedeutung" von Brot und Wein, über die elementare Symbolik von Wasser - usw. Aber warum Jesus das Abendmahl nicht mit Brot und Wasser und die Taufe durch übergießen mit Wein (oder noch besser: Durch Untertauchen in Weinfässern...!) eingesetzt hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Die Kirche hat immer geglaubt, dass wir daran nichts ändern können, auch wenn wir nicht wirklich „begründen", sondern allenfalls „nachvollziehen" können, warum gerade Brot und Wein die Form ist, in der Jesus uns nahe sein will. Es gibt keinen triftigen Grund, nicht auch Traubensaft oder gesäuertes Brot zu nehmen (wie ja auch in den Kirchen des Protestantismus z.T. üblich) - aber in der katholischen Kirche bleiben wir dennoch der Praxis Jesu treu.

Die Form der Sakramente ist die freie Wahl Jesu gewesen; Er hat festgelegt, durch welche Zeichen er den Menschen über irdisches Leben hinaus im Dienst der Kirche nahe sein will. Das gilt für die Feier der Eucharistie und der Taufe genauso wie für die Krankensalbung (Öl), die Firmung (Chrisam), die Beichte (Lossprechung und evtl. Handauflegung), die Eheschließung (Das Ja-Wort der Eheleute) - und auch für die Weihe zum Diakon, Priester und Bischof (Handauflegung und Gebet).

Deshalb - und das ist schon die ganze Begründung - kann die Kirche keine Frauen zu Priestern weihen, weil sie sich an die Vorgabe Jesu gebunden weiß. Sie kann auch nicht die Form der anderen Sakramente ändern - auch wenn z.B. das Abendmahl mit Kir Royal, Cola oder Traubensaft kein Widerspruch in sich wäre: Die Kirche hat nicht das Recht dazu.

Natürlich fragen sich Theologen, ob denn die Tatsache, dass Jesus keine Frauen zum Priester eingesetzt hat (der Auffassung der Kirche entsprechend fand diese Einsetzung am Gründonnerstag im Abendmahlssaal statt - und da ist nur der Kreis der Zwölf Apostel anwesend), eine zufällige Tatsache war - oder aber eine verbindliche Vorgabe, die auch noch für heute gilt.

Spätestens seit 1994 ist diese Frage geklärt: Denn damals hat der Papst in einem Schreiben mit höchster Lehrautorität entschieden, dass die Kirche kein Recht hat, Frauen zum Priester zu weihen. Diese Entscheidung gilt „für alle Zeiten". Und, wie oben bereits gesagt, ist diese Entscheidung nicht nur ein Recht des Papstes, sondern seine Pflicht und sein Dienst im Heiligen Geist.

Ist das denn nicht diskriminierend?

Allerdings regt sich keiner darüber auf, dass die Kirche keinen Kir Royal als Abendmahlsbestandteil zulässt - ich kenne auch keinen, der deshalb von der „Diskriminierung der kohlensäurehaltigen Getränke" spricht. Vermutlich deshalb, weil Kir Royal „kein Recht" darauf hat, zum Blute Christi gewandelt zu werden.
Etwas anderes wäre es, wenn dieses Sakrament in seinem „Adressaten-Kreis" eingeengt würde: Wenn zum Beispiel zum Abendmahl nur dunkelhäutige oder kleinwüchsige Christen zugelassen werden, ist das eine Diskriminierung der restlichen Kirchenmitglieder. Eine solche - diskriminierende - Bestimmung hieße, Menschen aufgrund eines bestimmten Merkmales von der Gemeinschaft und Begegnung mit Gott auszuschließen. Das wäre tatsächlich nicht in Ordnung.

Beim Sakrament der Weihe scheint dies auf den ersten Blick der Fall zu sein: Da wird ja nicht nur ein Material wie Wein oder Wasser gewählt, dass nur „Vermittler" des Heils ist, sondern der Kreis der Empfänger des Sakramentes wird eingeschränkt. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung wird somit von der Wirkung dieses Sakramentes ausgeschlossen! (So antwortete einmal ein Schüler auf die Frage, wieviele Sakramente es gibt: "Sieben für Jungs und sechs für Mädchen!")

Aber: Das ist ein Trugschluss. Denn beim Weihekandidaten handelt es sich tatsächlich nur um das „Material", durch das Jesus sein Heil vermitteln will. Der Empfänger der Weihe persönlich hat nichts von diesem Sakrament - er wird dadurch weder heiliger, noch tiefer in seinem Glauben bestärkt. Das Sakrament der Weihe ist ein Sakrament für andere - durch den Geweihten.

Es mag vielleicht seltsam klingen, aber in seiner tieferen Zielsetzung ist der Weihekandidat durchaus mit der „Materie" der anderen Sakramente gleichzusetzen. Und genauso wenig, wie Kir Royal ein Recht auf Wandlung hat, hat die Frau ein Recht auf Weihe. Wohlgemerkt: Das ist keine Diskriminierung, denn weder hat der geweihte Mann - in Hinblick auf sein Heil - einen Vorteil durch seine Weihe, noch hat die nichtgeweihte Frau einen Nachteil - im Hinblick auf ihr Heil.

Aber im Leben der Kirche kommt die Frau dadurch zu kurz!

Ich gebe zu: Auch wenn „im Hinblick auf das Heil" nicht von Diskriminierung die Rede sein kann - im Leben der Kirche ist der Priester durch sein Amt doch privilegiert. Und als Priester, Bischof oder Papst hat man doch ganz andere Möglichkeiten, das Leben der Kirche zu gestalten. Wenn das den Frauen verschlossen bleibt, dann fehlt der Kirche etwas - und die Frauen werden in ihren Möglichkeiten beschnitten.

Es stimmt, dass sich am Verhältnis von katholischer Kirche und von Frauen dringend etwas ändern muss. Auch der Papst, der im Jahre 1995 im „Brief an die Frauen" Sensationelles über die Frauenbewegung sagte, drängt die Kirche dazu. „Fragt man Frauen, worum es ihnen wirklich geht" - so schreibt beispielsweise der Psychoanalytiker Manfred Lütz -, „dann sind es zumeist gar nicht die spezifisch priesterliche Funktionen, die sie einfordern. Sie sind es einfach leid, in der Kirche mit ihren weiblichen Erfahrungen nicht genügend ernst genommen zu werden und kaum auf irgendwelche Entwicklungen wirksamen Einfluss zu haben, da letztlich überall Männer, vor allem Priester, den Ton angeben." Dem stimme ich voll und ganz zu - auch aus eigener Erfahrung.

Wer daran etwas ändern will, muss aber nicht unbedingt selbst Priester oder Bischof - oder Papst - werden. Natürlich haben Priester, Bischöfe und Päpste in der Kirche eine besondere Stellung, aber das, was eigentlich das Amt des Geweihten ausmacht, hat nur dienende Funktion. Die Überfrachtung des Priesters mit allen Möglichen Aufgaben und Verantwortungen liegt weder in seinem Interesse noch im Interesse der Kirche und der Frauen in der Kirche. Was not tut, ist eine Reduzierung des Priesterbildes auf seine Wesensaufgabe. Was der Priester darüber hinaus noch an Verantwortung wahrnimmt, ist auch den Laien und Ordensleuten, den Männer und Frauen der Kirche gleichermaßen zugänglich. Muss der Finanzchef des Bistums unbedingt ein Priester sein?!?

So schlägt Manfred Lütz in seinem lesenswerten Buch „Der blockierte Riese" vor, die entscheidenden Posten im Generalvikariat mit Frauen zu besetzen. Dagegen spricht kein Dogma, keine Anordnung des Papstes und kein Paragraph im Kirchenrecht. Warum eigentlich fordern die Frauenbewegungen in der Kirche nicht diese Art der Einflussnahme? Und was für den Finanzchef oder den Leiter der Seelsorge-Abteilung gilt, lässt sich auch gut auf die Ebenen der Gemeinden übertragen.
Warum soll der Personalchef eines Bistums nicht eine Frau sein? Was wäre wohl, wenn sich die Frauen über das Macho-mäßige Gehabe eines Pfarrers bei seinem vorgesetzten Personalchef - einer Frau - beschweren würden? Diese könnte dann den rückständigen Priester mit den Worten des Papstes ermahnen: „Sämtliche Gründe für die Unterordnung der Frau gegenüber dem Mann müssen im Sinne einer gegenseitigen Unterordnung beider, in der Ehrfurcht vor Christus gedeutet werden."

Und das ist nicht nur ein Gedankenspiel - theoretisch und irreal. In vielen historischen Epochen, Zeitabschnitten und einzelnen Begebenheiten haben Frauen immer wieder verschiedene Möglichkeiten großer Einflussnahme genutzt - ohne sich deshalb um die Weihe bemüht zu haben. Denkt nur an Katharina von Siena, Theresa von Avila, die machtvolle Hildegard von Bingen oder Mutter Teresa, an die Kaiserin Marie-Therese, Elisabeth von Thüringen oder Königin Theophane...

Fazit

Es steht - spätestens seit der Entscheidung des Papstes 1994 - fest, dass das Sakrament der Priesterweihe nur Männern gültig gespendet werden kann. Wer darin allerdings eine Diskriminerung der Frau sieht, sollte daran denken, dass das die Priesterweihe dem Geweihten nichts "bringt" - der männliche Priester ist lediglich die Form, die Christus gewählt hat, um in seiner Kirche sakramental erfahrbar zu bleiben.

Dass damit auch ein zur Zeit geringer Einfluss der Frau auf das Leben der Kirche einhergeht, muss nicht sein. In der Geschichte der Kirche gab es Zeiten, in denen die Frauen weit aus größeren Einfluss auf das Leben der Kirche hatten. Der Umgang mit den Lebens- und Glaubenserfahrungen der Frauen muss sich vielmehr auf einer anderen Ebene ändern: Nicht im Bereich des Amtes, sondern der Amtsstuben, der kirchlich Be-amteten liegt einiges im Argen. Die Frauen, die dort um einen größeren Einfluss kämpfen, haben vor allem den jetzigen Papst auf ihrer Seite.