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KARL-LEISNER-JUGEND |
Predigtreihe Grundvollzüge unseres Glaubens: Diakonia - Liturgia - Martyria
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Liebe Schwestern und Brüder,
es gibt eine Tradition, die das Leben eines Christen in drei Vollzüge einteilt: Das Glaubenszeugnis, die Feier unseres Glauben und die tätige Nächstenliebe. Ich möchte heute, morgen und übermorgen diese drei Vollzüge einmal näher beleuchten.
«Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.»
Das ist ein unmissverständlicher Aufruf zur tätigen Nächstenliebe. Unser Christsein misst sich immer an dem, was wir tun bzw. wozu wir bereit sind; auch die Welt, die Andersgläubigen oder die Atheisten schauen zuerst auf die Art und Weise, wie wir den Auftrag Jesu "liebe deinen Nächsten wie dich selbst" umsetzen.
Dabei sollten wir uns davon frei machen, dass die Nächstenliebe eine einfache Sache ist. Wir stellen uns das manchmal so vor, als bräuchten wir nur in die Elendsviertel der Welt zu gehen und dort Geld und Lebensmittel zu verteilen. In unserer Phantasie sehen wir strahlende Kinderaugen und dankbare Blicke der Ärmsten.
Dabei wissen wir genau, dass das keine wirkliche Hilfe ist. Wer den Armen helfen will, der sollte ihnen Wege ermöglichen, sich eine Lebensgrundlage selbst zu schaffen. Und damit sind wir dann schon mittendrin in den Schwierigkeiten und Nöten derjenigen, die wirklich in den Armengebieten der Welt leben. Natürlich brauchen die Menschen dort auch Geld, Medizin und Nahrung - aber noch mehr brauchen die Menschen dort und in meiner direkten Umgebung persönliche Zuwendung.
Liebe ist immer etwas Persönliches - ich kann nicht lieben lassen. Stellen sie sich nur mal eine Freundschaft oder eine Ehe vor, in dem man jemand anstellt, der für Liebe und Zuwendung bezahlt wird - undenkbar. Das gilt ebenso für die christliche Nächstenliebe. Auch die christlichen Organisation wie Adveniat und Misereor und sogar die Caritas in unserem Land oder in unserer Pfarrgemeinde befreien Sie nicht von der Verantwortung für ihr persönliches Tun - man kann nicht "lieben lassen" und auch nicht "helfen lassen". Die Frage, die wir uns einst angesichts der Liebe Gottes stellen werden, ist die Frage nach meinem ganz persönlichen Tun.
Aber, wie gesagt, das ist nicht einfach. Wer ein Christ sein
will, der braucht erstens Aufmerksamkeit. Wir müssen uns
davon verabschieden, dass wir nur denen helfen, die uns darum
bitten. Wer in unserem Dorf Not leidet, ohne dass es jemand
merkt, stellt auch der Dorfgemeinschaft ein Armutszeugnis aus.
«Was kann ich denn dafür?! Das konnte doch niemand
ahnen!»
Liebe Schwestern und Brüder, es ist ein derber Verstoß
gegen die Nächstenliebe, keine Ahnung zu haben vom Leben
derer, die hier mit uns wohnen.
Helfen ist nicht einfach. Wer Christ sein will, der braucht
zweitens Einfühlungsvermögen. Bei der Fußwaschung
waren die Jünger gar nicht begeistert von der Absicht Jesu.
Wir sollten uns daran gewöhnen, dass wir mit unserer Hilfe
oft nicht willkommen sind; dass sie oft besser im Verborgen
stattfinden sollte. Dass wir sie verstecken müssen.
Sich die Füße waschen zu lassen ist genauso, wie
sich helfen zu lassen, eine sehr intime Sache. Das lässt
man nicht gerne einen Fremden machen. Wer helfen will, muss
die Menschen mögen und Freundschaft schließen.
«Ich habe doch schon Freunde! Warum soll ich denn mit
Leuten
Freundschaft schließen?»
Liebe Schwestern und Brüder, warum? Schlichtweg deshalb,
weil das eine Christenpflicht ist! Wir können nicht von
Nächstenliebe sprechen, wenn wir nicht bereit sind, unser
Leben mit denen zu teilen, die mich brauchen.
Helfen ist nicht einfach. Wer Christ sein will, braucht drittens Mut zum Gespräch. Nachdem Petrus mit Jesus geredet hat, sieht er ein, was es mit der Fußwaschung auf sich hat. Wir sind gewohnt, schon im Voraus zu fragen: «Was soll der denn über mich denken? Vielleicht will der das gar nicht!» und so weiter. Aber was andere wirklich denken, erfahren sie erst im Gespräch - das immer Mut und Ehrlichkeit erfordert. Und wohlgemerkt: Gespräch - nicht Verhör. Es geht darum, Menschen, die mir fremd sind oder fremd geworden sind, im Gespräch (erneut) kennen- und lieben zu lernen - nicht darum, eine Akte anzulegen.
Helfen ist nicht einfach. Wer Christ sein will, braucht viertens den Trost des Heiligen Geistes. Denn Jesus hat im Abendmahlssaal auch dem Judas die Füße gewaschen - und der hat es ihm nicht gedankt, sondern ihn verraten. So werden wir auch immer wieder erfahren, dass nicht nur oft ein Wort des Dankes ausbleibt - sondern manchmal sogar Neid und Missgunst die Antwort auf unsere Hilfe sind. Aber bedenken Sie: Sie helfen ja nicht, um sich Freunde unter den Menschen zu machen - sondern um ein Freund Gottes zu bleiben. Gerade derjenige, der sich die Nächstenliebe zu Herzen nimmt, nimmt sein Kreuz auf sich.
Helfen ist nicht einfach. Aber wer Christ sein will, der erkennt in dem Gebot Jesu: "Liebet einander, so wie ich Euch geliebt" den wahren Weg zum Glück. Es gilt: Glücklich wird, wer glücklich macht.
Es geht also nicht darum, dass andere über unser Dorf sagen: «Gehen Sie da ruhig hin, da wird Ihnen geholfen» - sondern dass wir hautnah erfahren, dass der Weg zu Gott über den Nächsten geht.
Amen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Der zweite Glaubensvollzug - neben der Nächstenliebe und der Liturgie - ist die Martyria. Das Wort kennen wir als "Märtyrer" - Menschen, die für ihren Glauben das Leben gegeben haben. Oft wird "Märtyrer" auch mit "Blutzeuge" übersetzt - und trifft damit den Kern der Sache besser.
Märtyrer sind "Zeugen", Menschen, die ihren Glauben "zeigen" - auch wenn es sie einiges kostet, vielleicht sogar das Leben.
Vielleicht haben sie schon einmal den Satz gesagt - oder zumindest
gehört: "Ich bin nicht zum Märtyrer geboren."
Nun, dieser Satz ist verständlich, wer will schon gerne
sein Leben lassen. Aber wenn ein Christ das sagt und es auch
so meint, dann bedeutet das eine Verabschiedung des christlichen
Glaubens. Denn zum Christsein gehört das Zeugnis, das Zeigen
des eigenen Glaubens (koste es auch viel) genauso dazu wie die
Nächstenliebe und das Gebet.
Ich kann nicht sagen: "Ja, ich bin Christ. Aber muss ich
das denn unbedingt zeigen? Ich mach das lieber privat."
Privates Christsein ist ein Widerspruch in sich.
Ein Medikament, das keine Wirkung zeigt, nützt nichts.
Da mag der Beipackzettel noch so lange sein.
Ein Glaube, den wir "haben" - so, wie wir eine Nationalität
haben oder ein Sparbuch - ist tot. Ein Glaube, der keine Wirkung
zeigt, nützt nichts. Da mag das Glaubensbekenntnis noch
lang sein.
Auf vielen Autobahnbrücken, Häuserwänden oder
grauen Mauern sieht man immer wieder Graffiti: Irgendwelche
Namen mit dem Zusatz: "Ich liebe Dich!" - Wer verliebt
ist, der möchte davon der Welt mitteilen, der kann es nicht
für sich behalten. Eine Liebe, die man für sich behält,
keinem zeigt und allen verheimlicht, ist krank und stirbt ziemlich
schnell.
Wann fangen wir an, unsere Liebe zu Gott auf Autobahnbrücken
zu schreiben? Wann sind wir bereit, aller Welt mitzuteilen,
dass wir einen Gott haben, der für uns sein Leben gegeben
hat? Ein Glaube, der die Liebe zu Gott zum Inhalt hat, kann
man nicht für sich behalten - oder dieser Glaube wird ziemlich
schnell krank und stirbt.
Wieviele Menschen gibt es, die behaupten, katholisch zu sein; oder christlich oder einer anderen Religion angehören - und die schon seit Jahren kein Glaubensgespräch mehr geführt haben; nicht mal am Rande erwähnen, das sie überzeugt sind und Gott vertrauen? Wieviele von uns, die wir hier sitzen (mich eingeschlossen), trauen sich nicht, die Mauer des allgemeinen Small-Talks zu durchbrechen und von ihrer Freude zu reden?
Liebe Schwestern und Brüder, ein Glaubenszeugnis ist immer auch ein Martyrium. Wir können uns zwar einbilden, ein ganz normaler Mensch zu sein, der nicht außen vorsteht, wenn es etwas zu erleben gibt - und zusätzlich ein guter Katholik; so etwas wie ein Bonusprogramm, gratis, ohne Aufpreis. Aber wir werden feststellen, dass wir dabei Gott-los werden.
Liebe Schwestern und Brüder, es gibt kein Glaubenszeugnis ohne Martyrium; Augustinus schreibt dazu schon: «Keiner sage: Ich kann nicht Märtyrer sein, weil heute keine Christenverfolgung herrscht. Der Spruch des Apostels Paulus kann nicht entkräftet werden, denn er ist wahr; er sagt: "Alle, die fromm leben wollen in Christus Jesus, werden Verfolgung erleiden." Alle, sagt er, er schließt niemand aus. Willst Du die Wahrheit seiner Worte erproben, so beginne nur fromm in Christus zu leben und dann wirst Du schon sehen, dass er wahr geredet hat.»
Dabei muss das Glaubenszeugnis nicht in Worten bestehen - jemand, der verliebt ist, strahlt schon allein durch seine innere Freude aus, was ihn beseelt. Und er wird sein Leben ändern: Denn es gibt eine neue Mitte in seinem Denken und Tun.
Auch die Märtyrer haben ihr Zeugnis nicht in Worten gegeben, sondern mit ihrem Leben und der Bereitschaft, das Leben gegen ein größeres Geschenk einzutauschen. Aber das verlangt - genauso wie die Nächstenliebe - einiges an Umstellung und Umdenken. Wir haben mit unserem Glauben eine neue Mitte in unserem Leben. Darum gruppiert sich unser Denken und Tun. All die Dinge, die der Welt sinnlos und albern erscheinen, strahlen eine innere Freude aus: Das Fasten, der Verzicht gerade am heutigen Karfreitag, die Vorfreude auf die Verzeihung in der Beichte... Prozessionen, die Heiligung des Sonntags, Wallfahrten, die kirchliche Eheschließung, das Beten am Vorabend eines Begräbnisses, die Errichtung eines Hofkreuzes und so weiter...
Wir, die wir uns bemühen, Gottes Liebe zu erwidern, wissen, dass es schwer fällt, sich für seinen Glauben ans Kreuz schlagen zu lassen - dass wir aber, wie Jesus, es gerne tun. Denn im Kreuz ist Hoffnung, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Heil - weil das Kreuz Gottes Graffiti an unsere Wände, Mauern und Brücken ist, das uns sagt: "Seht, so sehr habe ich Dich lieb."
Liebe Schwestern und Brüder,
Nächstenliebe, das haben wir am Gründonnerstag gehört,
ist nicht einfach. Sie fordert unsere ganze Aufmerksamkeit und
unser ganzes Können als Mensch.
Glaubenszeuge sein - das haben wir am Karfreitag betrachtet
- ist immer ein Martyrium, denn der Glaube ist nicht von dieser
Welt und passt hier auch nicht so richtig rein.
Und jetzt, in der Osternacht, schauen wir auf die Liturgie - das Feiern des Gottesdienstes und des Gebetes. Konsequenterweise müsste die Predigt heute dann auch den Tenor haben: Es ist nicht einfach, mit Gott zu reden und bei der Predigt nicht einzuschlafen. Strengen wir uns also an!
Aber das ist nicht das Wesen der Liturgie - und schon gar nicht das Zentrum dieser Nacht der Auferstehung. Es ist richtig: Die Nächstenliebe und das Glaubenszeugnis bedürfen unserer ganzen Kraft. Die Liturgie, der Gottesdienst aber stellt nicht eine nochmalige Anstrengung dar, sondern ist die Quelle, aus der wir unsere Kraft schöpfen.
Liebe Schwestern und Brüder, die Art und Weise, wie Gott uns in dieser Nacht seine Kraft mitteilt, ist genauso vielfältig wie Sie es sind. Obwohl wir alle gemeinsam feiern, wendet sich Gott ihnen ganz persönlich zu und verwandelt Sie - jeden anders, aber jeden ein wenig.
1. Da ist zum einen die Botschaft der Auferstehung, die wir
nicht nur im Evangelium hören, sondern die wir in der Lichterfeier
darstellen - unterstützt von Schellen, Glocken, Orgel und
Gesang - und gleich kommt auch noch Wasser dazu, warten sie
es nur ab.
«Na, dass Jesus auferstanden ist, dass weiß ich
doch. Warum muss ich mir das denn nochmal sagen lassen?»
Nun, aus dem gleichen Grund, warum sich Leute immer wieder sagen,
dass sie sich lieben. Aus dem gleichen Grund, warum Kinder es
lieben, gelobt zu werden. Aus dem gleichen Grund, weshalb der
Künstler am Ende der Vorstellung den Applaus braucht und
genießt. Es mag Menschen geben, die benutzen die Sprache
nur dazu, andere zu informieren. Na, die können ja auch
genauso gut Faxe verschicken.
Es gibt aber andere, die verstehen, dass es sich dabei um eine
Zuwendung handelt. Es gibt viele, die können die Botschaft
der Auferstehung nicht oft genug hören, zugesagt bekommen.
Mit allen Sinnen, mit allem, was wir aufzubieten haben, sagen
wir einander: «Ich liebe Dich!» - genauso, wie die
Kirche Ihnen mit allem, was sie aufbieten kann, sagt: «Du
bist gerettet! Der Herr ist auferstanden!» Das schenkt
Freude - Osterfreude. Freude ist Kraft.
2. Zum anderen ist es das gemeinsame Tun, das uns hilft. Wieviele von Ihnen möchten gerne Helden der Nächstenliebe sein - aber eben nicht als einziger. Vielleicht ist das die größte Schwierigkeit in einem kleinen Dorf: Man möchte nicht der einzige sein, der sich für eine Fahrt anmeldet - "ersma" gucken, wer sonst noch mitfährt. Man möchte nicht der einzige Messdiener sein, der sich in Bewegung setzt - "ersma" gucken, ob die anderen auch loslaufen. Man möchte nicht der einzige sein, der sich in eine Liste einträgt. "Ersma" gucken, ob sich sonst noch jemand meldet. Und so weiter.
Deshalb ist es schön, hier im Gottesdienst nicht allein zu sein: Zu wissen, da stehen (sitzen oder knien) auch noch andere, links und rechts und vor mir und hinter mir. Großereignisse (wie z.B. die Seligsprechung, die Weltjugendtage oder die Kirchen- und Katholikentage) können einen Kraft und Mut geben für ein ganzes Jahr: Ich bin nicht allein. Halleluja und Dank sei Gott! Es tut gut, das zu erfahren. Es macht Mut. Und Mut ist Kraft.
3. Zum Dritten ist Gottesdienst etwas, das nicht allein von
uns ausgeht. Es ist nicht nur unser Tun. Gottesdienst meint
unseren Dienst an Gott genauso wie den Dienst, den Gott an uns
vollzieht. Paulus sagt: «Wenn Christus von den Toten auferstanden
ist, dann sind auch wir mit Ihm auferstanden». Auferstehung
und das ewige Leben beginnt nicht erst in der zukünftigen
Welt - so, als ob diese Welt die Wartehalle wäre, bevor
es dann in der nächsten Welt so richtig abgeht.
Nein, Auferstehung und ein neues Leben wird uns jetzt, hier,
in diesem Gottesdienst geschenkt. Es ist so, als ob Gott mit
den vielen Kerzen, die wir in Händen halten, auch in uns
ein Licht angezündet hat - und es mit jedem Gottesdienst
und jeder sonntäglichen Auferstehungsfeier wieder heller
scheinen lässt. Gebet und Gottesdienst ist immer ein übernatürliches
Geschehen, Gott erhebt uns, damit wir Ihm ein wenig näher
sind. Gottes Nähe zu spüren ist Kraft.
4. Gottesdienst ist also nicht in erster Linie Pflicht - wie wir es (zum Teil) aus den Kirchengeboten her kennen; oder es von unseren Eltern gelernt haben. Gottesdienst ist die Quelle und der Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens. Von hier, aus dieser Nacht, erfahren wir, warum wir lieben sollen. Warum wir einen Nächsten, der uns innerlich vielleicht überhaupt nicht nahe ist, lieben sollen. Warum wir unseren Glauben bezeugen und zeigen sollen. Warum wir einen Glauben, der uns selbst manchmal fremd erscheint - höher stellen sollen als unseren Besitz und unsere Stellung hier im Dorf.
Denn in dieser Nacht ist unser Leben gerettet worden: Die einzige Möglichkeit, es anderen mitzuteilen, ist: Den anderen zu lieben.
In dieser Nacht bin ich gerettet worden: Die einzige Möglichkeit, innerlich nicht vor Freude zu zerspringen, ist: Es der Welt zu zeigen.
In dieser Nacht erfahren wir, dass es überhaupt keine Verpflichtung gibt; weder zur Nächstenliebe, noch zum Glaubenszeugnis, noch zum Gottesdienst. Kein Gebot und keine Vorschrift: Allein das Verlangen nach Freude, nach Mut und die Sehnsucht nach der Nähe Gottes führt uns hierher. Amen.