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Ralf Isau und die Zeugen Jehovas

Unsere Homepage ist keine Literaturkritikseite; ein Urteil über die Qualität von Romanen und Erzählungen steht uns überhaupt nicht zu.

Aber in vielen Erzählungen ist der christliche Glaube selbst Gegenstand der Geschichte - oder aber bildet einen wichtigen "Background". Das gilt zum Beispiel für zahlreiche historische Romane - die nur selten ohne kirchliche Bezüge oder christlichen Hintergrund auskommen.

Auf dieser Seite können wir nur gelegentlich der Frage nachgehen, ob mit der fiktiven Literatur christliche Werte transportiert oder kolportiert werden sollen. Vor allem dann, wenn um einen solchen Roman eine heiße Diskussion entbrennt, möchten wir gerne dazu Stellung nehmen - so bei Harry Potter (J. K. Rowling), Sakrileg (Dan Brown), die Narnia-Chroniken (C. S. Lewis) oder Herr der Ringe (J. R. R. Tolkien). Also: In welchem religiösen Zusammenhang steht das Werk Ralf Isaus?

 

 

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Diese Katechese ist auch als gedrucktes Heft (Nr. 026) erhältlich: Kostenlose Bestellung

Vorbemerkungen

Weder wir von der Karl-Leisner-Jugend noch die katholische Kirche haben eine besondere Offenbarung über Filme, Romane oder Fantasy-Literatur. Wenn wir uns auf dieser Seite also eine Einschätzung aus katholischer Sicht erlauben, erheben wir keinen Anspruch darauf, die Lehre der Kirche zu verkünden. Wir bemühen uns aber, sie anzuwenden.

Zu einem Vielschreiber der deutschen Fantasy-Roman-Welt gehört seit 1992 Ralf Isau. Er schrieb zunächst in der Tradition von Michael Ende Fantasy-Erzählungen, die eine überraschend offenherzige Nähe zu biblischen Motiven zeigen; seine Erstlingswerke (die "Neshan-Trilogie", beginnend mit "Die Träume des Jonathan Jabbok") warten nicht nur mit zahlreichen alttestamentlichen Anspielungen auf (der Gott der Neshan-Welt heißt beispielsweise Jehwoh - eine deutliche Aufnahme des JHWH-Motivs "Jahweh" oder "Jehova" der hebräischen Bibel), sondern zeigt auch eine deutliche Vorliebe für christlichen Werte. "Hurra! Endlich mal wieder ein christlicher (vielleicht sogar katholischer?) Autor!"

Aber - es gibt auch Verstörendes bei Isau. Zum Beispiel die deutliche Abneigung gegen Priester (die "Priester" der Neshan-Trilogie sind Teil der bösen, widergöttlichen Welt), Institutionen generell und der etablierten Kirchen - der katholischen Kirche im Besonderen.

So stellt sich - ähnlich wie bei Harry Potter, Herr der Ringe, Sakrileg und den Narnia-Chroniken - die Frage, welche religiösen Vorstellungen sich im literarischen Werk von Ralf Isau finden. Eine interessante Spurensuche beginnt...

I. Abschnitt: Indiziensuche
Ein reales Werk der Zeugen Jehovas wird in Isaus Romanen erwähnt - 1. Indiz

Ein entscheidender Schlüssel zum religiösen Hintergrund der Werke Isaus findet sich meines Erachtens bereits in seinem zweiten Werk, dem mittleren Band der Neshan-Trilogie. Dort heißt es vom sympathischen Hauslehrer des Jonathan Jabbok:

»Der Lehrer nickte und wandte sich dem guten Dutzend Bücher zu, indem er seine Hände auf die Knie stützte, um die Aufschriften auf den Buchrücken besser lesen zu können. Hier und da nahm er einen Band heraus und blätterte darin. Als er eine Abhandlung mit dem Titel Das vollendete Geheimnis aufschlug, lächelte er. "Ich kenne dieses Buch. Ich las es in Indien. Anfangs hat es mich nur interessiert, weil die Vereinigten Staaten und Kanada den Besitz des Buches im letzten Kriegsjahr vorübergehend verboten hatten. Als ich dann las, wie darin die Heuchelei der großen Kirchen und vor allem ihrer Führer verurteilt wurde, war ich wirklich begeistert"« (Neshan II, S. 159)

"Das vollendete Geheimnis" ist ein Buch der Zeugen Jehovas. Es wird in einem anderen Buch der Zeugen erwähnt, das einen ähnlichen Titel hat: "Dann ist das Geheimnis Gottes vollendet". Dort heißt es:

"Im Juli 1917 wurde in Englisch das Buch "Das vollendete Geheimnis", der siebente Band der Schriftstudien, veröffentlicht... Der Kommentar dieses Buches stellt C. T. Russel als den 'siebenten Sendboten' dar." (C. T. Russel ist der Gründer der Zeugen Jehovas.)

Die Darstellung der Zeugen Jehovas in Isaus Werk - 2. Indiz

Die meisten unserer Zeitgenossen halten die Zeugen Jehovas eher für skurril - "eine Sekte eben". Ob dieser Vorwurf gerechtfertigt ist, will ich hier nicht erörtern. Wenn jedoch in einem Roman die Zeugen Jehovas die Position der Guten besetzen, dann verdient das allerdings Aufmerksamkeit.

In Isaus Werk sind die Zeugen Jehovas aber nicht nur in einer Erzählung erwähnt - sondern werden in zahlreichen Werken erwähnt - und meist glorifiziert:

"Das Museum der gestohlenen Erinnerungen" - Die Zeugen Jehovas im KZ

Dass Zeugen Jehovas im KZ waren, will keiner bestreiten - das wäre unverantwortlich. Aber dass Ralf Isau diese ausdrücklich erwähnt und moralisch über alle andere Gruppen erhebt (durch die Worte eines Rabbis), dürfte sehr wohl als ein deutliches Indiz für eine besondere Beziehung Isaus zu den Zeugen gelten. So heißt es im Museum der gestohlenen Erinnerungen:

(Jessica:) "Ich könnte selbst zum Mörder werden und all diese Verbrecher umbringen, wenn ich nur daran denke, was sie den Juden angetan haben!"
(Rabbi:) "Das wäre bestimmt der verkehrte Weg, liebe Jessica. Übrigens waren es nicht nur Juden, die unter den Nazis litten, wenn auch ihre sechs Millionen Toten lauter mahnen als die Opfer jeder anderen Gruppe. Hitler internierte alle, die nicht in sein Weltbild vom arischen "Herrenmenschen" passten: Geistig Behinderte, Sinti und Roma, Homosexuelle, Kommunisten, Polen und Bibelforscher..." (Museum, S. 326 - "Bibelforscher" ist die ursprüngliche Selbstbezeichnung der Zeugen)

(Rabbi:) "Auf meinem Transport nach Sachsenhausen lernte ich einen Mann kennen, dessen Leben mich mehr lehrte als meine eigenen Erfahrungen. Er hieß Max Liebster und war Jude wie ich. Anfangs sah ich ihn nicht, sondern hörte nur von ihm. Wir waren auf unserer vierzehntägigen Fahrt in Waggons zusammengepfercht, immer zwei Häftlinge in einem schmalen Verschlag. Max Liebster saß in dem Kabuff nebenan, und bei ihm ein Bibelforscher. Zu meinem Erstaunen erfuhr ich, dass der Bibelforscher sich hätte freikaufen können, wenn er einfach nur eine Erklärung unterschrieben hätte, in der er sich von seinem Glauben lossagte. Später, in Sachsenhausen, bekam ich mit, wie man noch mehrmals versuchte, diese Leute mit der "Erklärung" umzustimmen. Aber sie weigerten sich jedes Mal und sagten, sie wollten lieber für ihren Glauben sterben, als ihren Gott verraten."
(Jessica:) "Aber hätten sie nicht einfach unterschreiben können, nur um freigelassen zu werden?"
(Rabbi:) "Eine solche Lüge kam für sie nicht in Frage. In Sachsenhausen teilten Max Liebster und ich die gleiche Baracke. Wir Juden wurden noch schlimmer behandelt als die anderen Häftlinge. (...) Liebster war inzwischen ganz erfüllt von den Dingen, die er im Eisenbahnwaggon erfahren hatte. Ich selbst blieb von der Wahrheit unseres jüdischen Glaubens überzeugt, aber ich konnte nicht leugnen, dass die Art und Weise, wie die Bibelforscher miteinander umgingen, alles übertraf, was man sich unter solchen Umständen vorstellen kann." (Museum, S. 327f).

(Jessica:) "Ich glaube, jetzt verstehe ich, was sie meinen. Was ist aus ihm geworden?"
(Rabbi:) "Aus Max Liebster? Soviel ich weiß, ist er bei seinem Glauben geblieben, von dem er damals im Waggon zum ersten Mal gehört hatte. Er ging in die Vereinigten Staaten und predigte später als Missionar der Zeugen Jehovas in Frankreich...!"
"Das sind also die Bibelforscher?" fragte Jessica erstaunt.
"Oh, hätte ich dir das sagen müssen?"
"Nein, eigentlich nicht. Bestimmt verdient jeder Respekt, der bereit ist, für seine Überzeugung so etwas durchzumachen." (Museum, S. 329)

"Uns selbst, die Gefangen des Lagers Sachsenhausen, wollte man in Lübeck auf Schiffe laden, die später im Meer versenkt werden sollten. Sechsundzwanzigtausend Menschen machten sich auf den Weg: Juden, Tschechen, Polen, Jehovas Zeugen... Der erste Trupp der sechshundert brach in der Nacht von Hitlers Geburtstag, am 20. April 1945, auf." (Museum, S. 329)

Natürlich sind Argumente ex silentio schwach: Aus dem Nicht-Erwähnen der Christen sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen. Aber dass neben den Nationalitäten der Opfer nur eine einzige religiöse Zugehörigkeit (evtl. abgesehen von den Juden) genannt wird - die der Zeugen Jehovas - ist auffällig.

"Kreis der Dämmerung": Sind die Zeugen Jehovas Heilige?

Während Ralf Isau die Bezeichnung von Personen als Heilige meist ironisch meint und deshalb Begriff in Anführungszeichen setzt, tauchen die Zeugen Jehovas unter eben diesem Begriff auf (Bibelforscher = Zeugen Jehovas):

»Brooklyn hat viele Gesichter. Hier gediehen Gangster ebenso wie Heilige - immer um die Mittagszeit konnte David vom Fenster aus die Bibelforscher beobachten, wie sie geschniegelt und gestriegelt ihrer Cafeteria entgegenströmten... Wenn diese bibelfesten Männer und Frauen unter den goldgelben Blättern der Bäume entlangwanderten, lachten und scherzten sie, als hätte Gott längst alle Scarfaces von der Erde verbannt.« (KD II, S. 116)

Auch die Darstellung des Widerstandes gegen die Nationalsozialisten im Kreis der Dämmerung lässt Rückschlüsse zu: Von der Christenverfolgung berichtet Isau kaum, wohl von der Verfolgung der Zeugen (KD II, 460f). Von Protestnoten der Bischöfe, Priester oder der Predigten von Kardinal von Galen ist nirgendwo die Rede (außer von der Enzyklika des Papstes, die Isau allerdings als völlig unzureichend wertet). Aber dass Rutherford, der damalige Präsident der Zeugen Jehovas (genauer der "Watch Tower Society"), Hitler angeblich ein Ultimatum gestellt hat - entweder freie Religionsausübung für die (eigenen) Gläubigen oder Aufdeckung aller nationalsozialistischen Gräueltaten vor der Weltöffentlichkeit - das erwähnt Isau ausdrücklich, nicht ohne seine enorme Wirkung auf Hitler zu illustrieren.

Nach einer "staatsfeindlichen" Brief- und Telegrammaktion der Zeugen gegen Hitler (KD II, 494) wird schließlich das Zeugen Jehova-Ehepaar Wolfgang und Anneliese Hermann verhaftet. Die Verhaftung der zwei Bibelforscher wird heroisch dargestellt:

»Natürlich sahen sie nicht wie Märtyrer aus, doch immerhin schien ihnen ihr Glaube eine erstaunliche Kraft zu verleihen. Als Wolfgang zwischen den Blumenthals und den Pratts hindurchgeführt wurde, blickte er kurz nach links und rechts. "Macht euch keine Sorgen um uns", sagte er, "Aber gebt bitte auf euch selbst Acht."« (KD II, 494)

Die Bibelübersetzung der Zeugen Jehovas - 3. Indiz

Einen letzten Hinweis auf die Nähe zu den Zeugen bietet der Roman "Der Silberne Sinn" auf Seite 362. Dort zitiert Yeremi einen Vers aus Psalm 8: "Der Allmächtige hat den Menschen nur wenig geringer als Gottähnliche gemacht". Gottähnliche? Diese seltsame Übersetzung findet sich in keiner mir bekannten deutschen Bibelausgabe - nur in der "Neuen Welt Übersetzung der Heiligen Schrift" - der Bibelübertragung der Zeugen Jehovas.

Damit sind (meines Erachtens) genügend Indizien auf einen denkbaren Charakter des Isau-Werkes gegeben.

II. Abschnitt: Spiegeln sich in Isaus Romanen Lehren der Zeugen Jehovas wider?

Nun mag es vollkommen belanglos sein, ob ein Autor Hindu, Katholik oder Zeuge Jehova ist. Hauptsache, er schreibt gute Bücher. Seine Religion ist für die Qualität der Bücher doch belanglos, oder?

Ich meine, dass dies jedoch in dem Augenblick nicht mehr belanglos bleibt, wenn ein Autor religiöse Motive so auffällig in seine Bücher einfließen lässt wie oben aufgezeigt.

Der Verleger im Thienemann-Verlag, den ich im Mai 1996 schriftlich auf diese Übereinstimmung hinwies, meinte, dass die weltanschauliche Ausrichtung des Herrn Isau keine Rolle spiele, solange er in seinen Romanen niemanden "verführe". Nun - "verführen" oder "manipulieren" sind schwerwiegende Vorwürfe. Meiner Meinung nach ist es kaum widerlegbar, dass selbst einige der Kinder- und Jugendbücher Isaus den Geist der Zeugen Jehovas atmen und die religiösen Ansichten der Zeugen widerspiegeln. Die Romanfiguren folgen den Neigungen und Abneigungen dieser christlichen Sekte. Die folgenden Zitate aus Isaus Werk und den Schriften der Wachtturm-Gesellschaft (dem Verlag der Zeugen Jehovas) sollen das illustrieren.

Dabei möchte ich nur auf die Übereinstimmung zwischen Isau's Werk und den Schriften der Zeugen Jehovas aufmerksam machen. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Glaubenssätzen der Zeugen Jehovas soll hier nicht erfolgen.

Das Kreuz - ein heidnisches Symbol

Jesus starb nach Überzeugung der Zeugen Jehovas am Pfahl - und eben nicht am Kreuz, das ein heidnisches Symbol des bösen babylonischen Gottes Tammuz ist. In einem Büchlein der Zeugen, "Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt", heißt es im Kapitel 16:

»Viele Kirchgänger tragen ein Kreuz am Hals, oder sie haben ein Kruzifix in ihrer Wohnung hängen; Kreuze sieht man aber auch in vielen Kirchen. Hast du jedoch gewußt, daß das Kreuz eigentlich aus dem Heidentum stammt?«
»Auch W. E. Vine zeigt..., daß zwischen dem Kreuz und der babylonischen Religion eine Beziehung besteht. Er schreibt, das Kreuz stamme "aus dem alten Chaldäa [Babylon]" und habe "als Symbol des Gottes Tammuz (da es die Form des mystischen Tau [oder T] hatte, des Anfangsbuchstabens seines Namens)" gedient.«

Dementsprechend behauptet Miriam, eine der Protagonisten in Isaus Jugendroman "Museum der gestohlenen Erinnerungen", als lese sie aus dem Wachtturm vor:

»Dieses Werk sagt, das Kreuz hat seinen Ursprung im alten Chaldäa. Es wurde als das Symbol des Gottes Tammuz (in der Form des Taus, der Initiale seines Namens) verwendet.« (Museum, S. 120)

Und in einer Liste, die im Buch immer wieder ergänzt wird, steht:

»Tammuz: babyl. Gott und König, Symbolgeber für das "christliche" Kreuz"« (Museum, z.B. auf Seite 182)

Danach heißt es:

"Wenn er (sc. Nimrod) tatsächlich derselbe wie Tammuz ist, dann reicht sein Arm - oder sollte ich besser sagen, sein Kreuz? - bis in unsere Zeit. Hast du dir schon einmal überlegt, in wie vielen Kirchen und Wohnzimmern das Kreuz, das moderne Tau des Tammuz hängt?"
"Von all den weißen Mädchenhälsen und schwarzen Lederjacken ganz zu schweigen! Das klingt nach einer Riesenverschwörung." (Museum, S. 185)

Schließlich legt die irische Katholikin Miriam das Kreuz, das sie an einem Kettchen um ihren Hals trägt, ab mit den Worten:

»Das Tau - ich könnte auch Kreuz sagen - ist das Symbol des Gottes Tammuz. Nun heißt es aber im ersten der zehn Gebote der Bibel: "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben". Wie kann ich dann als Christin noch länger das Kreuz dieses "anderen" Gottes um meinen Hals tragen?« (Museum, S. 308).
Nun - in einem Kinder- und Jugendbuch davon zu reden, dass das Tragen von Kreuzen bedeutet, sich einer bösen Macht auszuliefern - passt das wirklich in das Konzept eines renommierten Verlages, der keinen Kindern Angst machen will?
Dreifaltigkeit - entstanden aus der heidnischen Triade

Ähnliches gilt für die Dreifaltigkeit. In der Schrift der Zeugen Jehovas "Sollte man an die Dreieinigkeit glauben?" (Watchtower Bible and Tract Society, 1989) wird vermerkt:

»Die Triade der Großen Götter - Im alten Babylon und Assyrien gab es schon viele Jahrhunderte vor der Zeit Christi Triaden oder Dreiheiten." (S. 9) - "Überall in der alten Welt, auch in Babylon, verehrte man allgemein Götter, die zu einer Dreiheit oder Triade zusammengefasst waren. Diese Verehrung war zum Beispiel in Ägypten, Griechenland und in Rom in den Jahrhunderten vor und nach Christus verbreitet. Und nach dem Tod der Apostel begannen diese heidnischen Glaubensansichten in das Christentum einzudringen.« (S. 11)

Das Missverständnis, dass die Zeugen Jehovas Dreier-Gottheiten, sogenannte Triaden, mit der christlichen Dreifaltigkeit, der Trinität, gleichsetzen, soll hier nicht diskutiert werden. Wiederum ist nur interessant, dass Isau auch diese Ideologie der Zeugen einfließen lässt - und dabei eben die Zeugen Jehovas zitiert und nicht die Bibel:

"Da wären zum Beispiel die Triaden..."
"Die was?"
"Das sind Dreiergottheiten. So wie die Heilige Dreifaltigkeit der Christenheit: Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist. Aber solche Dreiheiten sind keine christliche Idee. Man findet sie auf der ganzen Welt, bei den Kelten, in China, bei den alten Ägyptern und den Babyloniern." (Museum, S. 119)

Die Hölle

Immer wieder richten sich die Zeugen Jehovas gegen die "Irrlehre der katholischen Lehre von der Hölle", so z.B. im Wachtturm vom 15.4.1993: "Hat man dir die Wahrheit über die Hölle gesagt?" (Hefttitel). Dort heißt es:

»Es gibt also unbestreitbare zwingende Gründe, die Vorstellung, Menschen würden ewig bei Bewußtsein in der Hölle gequält, in Frage zu stellen. Vielleicht möchte man sogar darüber hinaus dem Rat des Theologieprofessors Pinnock folgen, der sagte: "Das gesamte Glaubensmuster, das mit der Hölle und endloser Qual zu tun hat, ...sollte im Namen der glaubwürdigen Lehre fallengelassen werden" Ja, genau das gebietet die Ethik, der Gerechtigkeitssinn und vor allem Gottes Wort, die Bibel.« (S. 9)

Im Wachtturm vom 1.10.1989 ("Ist es in der Hölle heiß?") wird ausgeführt:

»In den hebräischen Schriften wird nirgendwo angedeutet, daß die Seele nach dem Tod in einer Feuerhölle gequält wird. Diese furchterregende Lehre geht auf die Religionen Babyloniens zurück, die nach der Sintflut entstanden sind, und nicht auf die Bibel. Die von der Christenheit vertretene Lehre einer Höllenstrafe hat ihren Ursprung daher im alten Babylon.« (S. 5)

Isau verwendet meines Erachtens Motive aus der Lehre der Zeugen Jehovas - die die biblischen Erwähnungen eines Feuersees verbunden mit ewigen Qualen (Offb 20,15) nicht wörtlich nehmen. Isaus Protagonist Jonathan Jabbok bringt im Unterricht Pastor Garson völlig aus dem Konzept, weil er ihm die katholische "Zentrallehre" von der Hölle mit wenigen Argumenten widerlegt:

(Jonathan:) "Ich frage mich nur, wie es kommt, daß sich ausgerechnet die Bibel über einen feurigen Ort des Strafgerichts Gottes ausschweigt. Jeder scheint so eine Hölle oder Unterwelt gehabt zu haben, wie Sie sie uns vorhin beschrieben, Mister Garson - die Ägypter, die Buddhisten, die Griechen ... Man könnte denken, all diese Glaubensansichten besitzen einen gemeinsamen Ursprung. Und was ist mit all jenen Christen, die die Absolution nur um Haaresbreite verpaßt haben, weil bei ihrem Tod gerade kein Priester zur Hand war? Oder diese einhundertzwanzigtausend Menschen, die neulich bei dem furchtbaren Erdbeben in Japan ums Leben gekommen sind. Das waren ja keine Christen, sondern ungetaufte Heiden, wie Sie immer zu sagen pflegen, nicht wahr, Sir? Da wird es aber Gedränge geben in der Hölle."
"Genug!" kreischte Pastor Garson. Zornesröte verlieh seinem Gesicht Ähnlichkeit mit einem riesigen Radieschen. Während der Worte des unbequemen Schülers hatte sich diese Verfärbung nach und nach vollzogen. Als dann die Jungen anfingen, sich gegenseitig anzustoßen und sehr erheiternde Flüstereien auszutauschen, war es zu der Entladung gekommen.
Es folgte eine Pause. Der Geistliche sammelte sich, rang nach Fassung, machte Atemübungen. Dann erklärte er ruhig, aber drohend: "Es ist nicht das erste Mal, daß du mit frechen Bemerkungen den Unterrichtsfluß störst, Jonathan Jabbok. Maßt du dir etwa an, die Auslegung der Heiligen Schrift, wie sie über Jahrhunderte hinweg von den gelehrten und ehrwürdigen Kirchenvätern festgelegt wurde, neu zu schreiben?" Er vollzog eine umfassende Geste, als wolle er jeden seiner Schüler einladen, die Qualen der Hölle durch einen gläsernen Boden im Klassenzimmer selbst in Augenschein zu nehmen. "Habe ich euch allen nicht genug Verse aus Gottes heiligem Worte vorgelesen, die deutlich zeigen, daß die Hölle dort einen angestammten Platz hat? Erinnert euch doch nur an das Gleichnis unseres Herrn Christus von dem reichen Mann und von Lazarus! Hat nicht der reiche Mann mitten aus der Hölle Glut Lazarus, der sicher in Abrahams Schoß ruhte, um einen einzigen Tropfen Wasser gebeten, damit seine Pein gelindert würde?"
"Nein", versetzte Jonathan. "Wie Sie selbst sagten, Sir, sprach Jesus in einem Gleichnis. Er sprach also in Bildern, um eine bestimmte Sache besser erklären zu können. Aus der Handlung des Gleichnisses ist leicht zu erkennen, daß es nicht buchstäblich gemeint ist. Oder wie sonst könnte ein einziger Wassertropfen jemandem, der die von Ihnen so anschaulich geschilderten Qualen erleiden muß, Linderung verschafft? Nach der Bibel ist die Seele nichts weiter als der menschliche Körper oder sein Leben und die Hölle der Ort, wohin die tote Seele geht: ein kühles, stilles Grab. Ich finde, das paßt auch viel besser zum Bild des liebevollen Gottes als die Vorstellung, er könnte seine Geschöpfe in alle Ewigkeit quälen. Oder glauben Sie als Kirchenmann, Sir, daß die Bibel sich in allen diesen Dingen widerspricht? Ich kann Ihnen gerne zeigen, welche Bibelverse ich meine ... " (Neshan I, S. 41ff, ebenso Neshan I, S. 80).

Keine unsterbliche Seele

Eng mit der Ablehnung der Hölle ist bei den Zeugen Jehovas die Ablehnung der Unsterblichkeit der Seele verbunden. Im Wachtturm vom 1.4.1993 heißt es deshalb:

»Ein "theologisches Geschwisterpaar" trennen - Trotz dieser Argumentation beharren viele Verfechter der Höllenlehre darauf, daß das Wort "Vernichtung" nicht buchstäblich zu verstehen ist, sondern ewige Qual bedeutet. Warum? Weil ihre Denkweise geprägt ist von der Lehre, die am engsten mit der Höllenfeuerlehre verwandt ist - die Lehre von der Unsterblichkeit der Menschenseele.« (S. 8)

Und in der "Dogmatik" der Zeugen Jehovas, dem grünen Büchlein mit dem Titel "Vergewissert Euch aller Dinge; haltet an dem fest, was vortrefflich ist" heißt es stichwortartig:

"Mensch selbst ist eine Seele" (S. 447)
"Menschenseele stirbt, nicht unsterblich" (S. 448)
"Seelen können mit dem Schwert getötet werden" (S. 449)

Vergleichen wir, was Isau zur Unsterblichkeit der Seele schreibt:

(Jonathan:) "Nach der Bibel ist die Seele nichts weiter als der menschliche Körper oder sein Leben und die Hölle der Ort, wohin die tote Seele geht: ein kühles, stilles Grab. Ich finde, das paßt auch viel besser zum Bild des liebevollen Gottes als die Vorstellung, er könnte seine Geschöpfe in alle Ewigkeit quälen. Oder glauben Sie als Kirchenmann, Sir, daß die Bibel sich in allen diesen Dingen widerspricht? Ich kann Ihnen gerne zeigen, welche Bibelverse ich meine ... "

Sehr mutig ist es von Isau, J.R.R. Tolkien, der als handelnde Figur im "Kreis der Dämmerung" einen Gastauftritt hat, die Unsterblichkeit der Seele nicht auf Christus, sondern auf den Neuplatonismus zurückführen zu lassen (Tolkien würde sich im Grab umdrehen!). Der fiktive J.R.R. Tolkien sagt:

"Die Kabbala ist eine jüdische Geheimlehre. Meine Kenntnisse darüber sind mehr als lückenhaft, aber soweit ich weiß, speist sich ihre Mystik unter anderem aus dem Neuplatonismus. Und der hat ja bekanntlich auch das Urchristentum beeinflusst - hauptsächlich durch die Lehre von der unsterblichen Seele." (KD I, S. 471, ebenso bzgl. der Seelensterblichkeit: Neshan I, S. 43; S. 45; KD III, S. 45)

Diese Theorie der Zeugen Jehovas ausgerechnet Tolkien in den Mund zu legen, der ein treuer, geradezu konservativer Katholik gewesen ist, ist schon gewagt...

Weihnachten - ein heidnisches Fest

Im Zeugen-Jehova-Büchlein »Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt« heißt es im Kapitel 16 »Sitten und Bräuche, die Gott mißfallen«:

»Es steht einwandfrei fest, daß das Weihnachtsfest heidnischen Ursprungs ist. Wenn wir das wissen, sollten wir die warnenden Worte des Apostels Paulus beachten, aus denen hervorgeht, daß man Wahrheit nicht mit Irrtum vermischen sollte... Wieviel wichtiger ist es heute für wahre Christen, ein Fest, dessen Feier Gott nie geboten hat, nicht mitzufeiern, ein Fest, das aus dem heidnischen Babylon stammt und zu Unrecht als christliches Fest bezeichnet wird.« (S. 149f)

Auch hier beschreibt Isau eine der Auffassungen der Zeugen und macht deren Abneigung dem Weihnachtsfest gegenüber zum Gegenstand der fiktiven Handlung in seinem Roman (nicht etwa gegenüber der Kommerzialisierung, sondern dem religiösen Kern des Weihnachtsfestes):

»Als die westliche Welt vier Monate später mit der Glorifizierung des ewig kindlichen Heilandes - dem Weihnachtsfest - beschäftigt war...« (KD I, S. 664f, ebenso: KD II, S. 401)

Maria - heidnische Darstellung

Auch die Darstellung der Maria mit dem Jesuskind ist in der Lesart der Zeugen Jehovas heidnischen Ursprungs. Das mag ja sein - wir wollen (hier) nicht diesen Behauptung in Frage stellen. Viel interessanter ist, dass Isau auch diese Überzeugung der Zeugen in seinem Roman unterbringt:

»Es gibt übrigens mehr solcher Parallelen zwischen den religiösen Vorstellungen der einzelnen Völker, als man denkt. Jeder kennt zum Beispiel das Motiv der Madonna mit dem Jesuskind im Arm. Aber nur wenige wissen, dass die Wurzeln entsprechender Mutter-Kind-Darstellungen viel weiter zurückreichen als nur bis zur Zeitenwende, als Maria ihren Sohn gebar. Man findet sie nicht nur in unseren Kirchen, sondern ebenso auch in indischen Tempeln oder bei den Japanern.« (Museum, S. 117f).

Der Papst steht in der Tradition der heidnischen Götter

Isau lässt einen Professor aus Oxford deshalb sinnieren:

»Auf zahlreichen Reliefs, Rollsiegeln und anderen Abbildungen kann man die irdischen Herrscher sehen, wie sie den Göttern Tribut zollen, sich also sowohl in irdischer als auch in überirdischer Gesellschaft frei bewegen.
Dem Papst haben wir es zu verdanken, dass derlei mythisches Gedankengut sich bis in unsere Tage gerettet hat - das Oberhaupt der Katholiken nimmt ja mit Bezug auf das Matthäus-Evangelium (Kapitel 16, Vers 18 und 19) auch heute noch für sich in Anspruch, die Schlüssel zum Königreich der Himmel zu besitzen, und so erteilen seine getreuen Erfüllungsgehilfen täglich Millionen ihrer Schäflein Absolution, damit ihnen die Unannehmlichkeiten der Hölle erspart bleiben. Wie du siehst, liebe Miriam, geht es hier offenbar um eine Frage der Machtfülle.« (Museum, S. 175).

Der Name Gottes: Jehova

Die Zeugen Jehovas legen Wert darauf, dass Gott einen Namen hat; Gott einfach nur "Gott" zu nennen ist demzufolge ein Rückschritt.
Auch in Isaus Werk spielt es eine Rolle, welchen Namen Gott hat. So arbeitet Yonathan in einem Gespräch mit Yomi, der noch im heidnischen Mehr-Götter-Glauben lebt, die Erkenntnis des richtigen Namens Gottes heraus:

(Yomi:) "Welchen Namen gibst du ihnen (den Göttern)?"
(Yonathan:) "Ich finde, ein Gott sollte in der Lage sein, sich selbst einen Namen zu geben."
Yomi dachte nach. "Eigentlich schon. Doch woher sollen wir diesen Namen dann erfahren?"
"Man lässt es sich von ihnen sagen."
(...) "Du willst mir doch nicht weismachen, daß Du mit den Göttern sprichst?"
(...) "Man muß nicht immer mit den Göttern selbst sprechen. Manchmal schicken sie uns ihre Boten, oder sie schreiben uns Briefe."

Nachdem Yonathan erklärt, dass es sich bei den Briefen um das Buch der Richter handelt (in der Fantasy-Welt Neschans die Entsprechung zur Bibel), schließt die Erklärung mit der Einsicht Yomis:

»"Die Götterboten sind also die Richter Neschans, und der göttliche Brief ist das Sepher Schophetim. Dann ist der wahre Name Gottes - Yehwoh." Yomi nickte. "Raffiniert!"
Yonathan hatte es geschafft, Yomi selbst die Antwort auf die Frage nach dem wahren Namen Gottes finden zu lassen.« (Neshan I, S. 141f).

Die Ablehnung der Evolutionstheorie

Die Zeugen Jehovas sind entschiedene Gegner der Evolutionstheorie; für sie ist der Schöpfungsbericht wörtlich zu nehmen und folgert somit einen Art Kurzzeit-Kreationismus - in einer besonderen Variante, in der das Universum zwar Milliarden von Jahren alt ist, das Schöpfungsgeschehen aber erst vor gut 7000 Jahren abgeschlossen wurde. Dazu hat Isau ein ganzes Werk verfasst ("Die Galerie der Lügen"); aber auch schon im "Museum" findet sich die Auffassung, dass die Datierung des Weltalters nicht korrekt sein kann, in einer besonders originellen Hypothese, vorgetragen durch Thomas Pollock, dem Vater der hauptsächlich agierenden Zwillinge Oliver und Jessica:

»Jetzt stell dir einmal vor, dass die Erde einst unter einem gewaltigen Wasserbaldachin lag. Im Schöpfungsbericht der Bibel, der Genesis, heißt es ja, daß Gott eine Wölbung machte und die Wasser unterhalb und oberhalb davon voneinander schied... Aufgrund des Wassermantels wäre die kosmische Strahlung vor der Flut erheblich geringer gewesen als heute. Somit müssten die lebenden Organismen wesentlich weniger Kohlenstoff-14 enthalten haben. Für diejenigen, die nicht glauben - oder nicht glauben wollen - müssten diese organischen Funde unter Umständen extrem viel älter erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind.« (Museum, S. 602).

So einfach ist das.

»Gehorsam wurde durch neue Bibeln erzwungen: Marx und Engels schrieben sich ihr Kommunistisches Manifest, Hitler verfasste Mein Kampf und Darwin Die Entstehung der Arten.« (KD II, 153)

Das hat sich bis heute auch noch keiner getraut: Darwins Entstehung der Arten und Hitlers Mein Kampf in einem Atemzug zu nennen und auf eine Ebene zu stellen.

Auch hier stellt sich wiederum die Frage an den Verlag, ob es für einen Jugendroman angemessen ist, die in Biologiebüchern vertretene Ansichten zur Evolutionstheorie (auch, wenn sie sich als falsch erweisen mögen) mit Hitlers "Mein Kampf" gleichzustellen.

Die bösen Priester

Keinem Pfarrer, Reverend oder Pastor kommt in Isaus Büchern eine positive Rolle zu. Eine Ausnahme bilden nur zwei "geweihte" Protagonisten, aber auch nur, weil sie sich innerlich von ihrer Kirche distanzieren (z.B. KD III, S. 474). Ansonsten sind die Geistlichen durchweg dümmlich, fanatisch oder aggressiv. Bereits in ersten Band Isaus, Die Träume des Jonathan Jabboks, taucht ein solch überzeichneter Priester auf (siehe oben). Ähnliches gilt für den Kreis der Dämmerung:

»In seiner Verzweiflung suchte David das Zelt eines Feldgeistlichen auf. Normalerweise waren diese immer sehr beschäftigt, weil sie die Waffen des Rekrutennachschubs segnen mussten, aber der schmächtige Hirte fand trotzdem etwas Zeit für das verirrte Schaf«
»Entsetzt blickte er in das verzückte Glühen in des Priesters Gesicht, aus dem immer noch Durchhalteparolen sprudelten wie aus einer heißen Quelle. Da war von Rache die Rede und von Gottesgnadentum des Königs...« (KD I, S. 352f)

»Weil die Rohstoffe so knapp wurden, das Land aber dringend Kanonen und Munition brauchte, kamen Altmetallspenden groß in Mode. Vorbildlich gingen auch hier die Kirchen voran. Sie opferten erst ihre Glocken und nötigte Gott dann nachher die daraus gebauten Waffen zu segnen.« (KD I S. 226, vgl. auch KD II, S. 91)

»Aus der päpstlichen Fabrik stammte die Munition, mit der die fast wehrlosen abessinischen Freiheitskämpfer hingeschlachtet worden sind.« (KD II, 501)

Die Abneigung gegen (vor allem katholische) Priester fasst die Figur David in einen Satz (einem Priester gegenüber) zusammen:

»Ist so mehr eine Art allergische Reaktion gegen Ihren Berufstand, die sich im Laufe der Zeit bei mir eingestellt hat.« (KD II, 573)

Auch die sexuelle Verklemmtheit der Kirchen spiegeln in Isaus Erzählungen gerne die verklemmten Geistlichen wider:

»Die Sexualerziehung. Davids ganze Klasse war auf zehn Uhr in das Büro des Reverend Dr. Costley-White bestellt worden. Das nun folgende Lehrprogramm zum Schutze der Jugend hatten einige andere Klassenverbände bereits erfolgreich absolviert, weswegen aufseiten der Schülerschaft nicht gerade Ahnungslosigkeit herrschte. Der Reverend ließ seinen seinen strengen Blick über die pubertierenden Frackträger schweifen und vergewisserte sich noch einmal, ob die Tür seines Arbeitszimmers auch wirklich fest verschlossen war. Der Erwartungsdruck im Raum war groß und fand immer wieder ein Ventil im leisen Gekicher der Knaben.
Nach Abschluss der Sicherheitsüberprüfung verbarrikadierte sich Reverend Dr. Costley-White hinter seinem Schreibtisch, zeigte sein Standardlächeln und räusperte sich. Sodann gab er folgende kurze Erklärung ab: "Wenn ihr ihn anfasst, fällt er ab."
Daraufhin durften die Jungen wieder ins Klassenzimmer zurück. Endlich waren sie für das Erwachsenenleben gewappnet.« (KD I, S. 229f).

»Zwar verachte ich die religiösen Führer, die ihren heiligen Schriften zuwiderhandeln und ihre Gläubigen in Armut und Tod treiben, aber ich respektiere jeden, der seinen Glauben ernst nimmt.« (KD II, S. 122)

Die Politische Neutralität der Zeugen - Die katholische Kirche als Hure der Politik

Und die absolute politische Neutralität der Religionen, die sogar dazu führt, dass Kinder der Zeugen Jehovas nicht an Klassensprecherwahlen teilnehmen dürfen, findet sich in Isaus Werk folgendermaßen:

»Ich wollte den Präsidenten nur aus der Reserve locken. Als er sagte, die Kirche solle sich lieber um ihre Schäfchen kümmern, als sich in die Politik einzumischen, hat er mir jedenfalls aus der Seele gesprochen.« (KD I, S. 639)

So wie Isau die katholische Kirche darstellt, ist sie vornehmlich politisch orientiert (KD II, S. 174; S. 176; S. 198-203; S. 224-227); deren Lieblingspolitik sei es jedoch, Hitler zu unterstützen (KD II, S. 156f, S. 462; S. 464; S. 573; S. 611; KD III, S. 54; KD III, S. 498). Die Kirche fördere die Verhängung der Todesstrafe (KD II, 186) und schützte nach dem Krieg die Nazis. So wundert es nicht, dass Isau indirekt auch den Vorwurf der Zeugen Jehovas erhebt, die katholische Kirche hätte sich zur (babylonischen) Hure der Politik gemacht:

»Ich frage mich, ob die heilige Mutter Kirche sich Mussolini gar so bereitwillig an den Hals werfen sollte - man könnte sie ja glattweg für ein leichtes Mädchen halten.« (KD II, 155)

III. Abschnitt: Warum diese ganzen Ausführungen?

Nach all diesen Textzitaten stellt sich unweigerlich die Frage: "Mag sein, dass Isau das Gedankengut der Zeugen Jehovas vertritt - aber was soll daran so schlimm sein?" Auch J.R.R. Tolkien, ein bekennender und tiefgläubiger Katholik, und Clive S. Lewis lassen ihren Glauben in erfundenen Welten erneut Gestalt annehmen; Lewis versteht seine Romane sogar als Gleichnisse des Glaubens.

Der Unterschied besteht nicht darin, dass der christliche Glaube gut und die Ideologie der Zeugen Jehovas schlecht ist. Eine solche Einteilung passt vielleicht zu Karl May, aber beschreibt wohl kaum die Wirklichkeit. Natürlich gibt es Leute, die die Lehre der Zeugen für ungesund und gefährlich halten - aber das soll niemanden, auch Isau nicht, davon abhalten, aus seinem Glauben heraus Romane zu schreiben. Von mir aus auch Kinderbücher und Jugendliteratur.

Mir geht es auch nicht darum, Isau wegen seiner Glaubensüberzeugung anzugreifen. Die Differenzen zwischen dem katholischen Glauben und der Lehre der Zeugen Jehovas sind geeignet, eine Katechese zu verfassen - aber nicht, Romane zu kritisieren. Hier gilt es, zwischen Theorie und Person zu unterscheiden: Ich habe viele Gespräche mit mir sympathischen Zeugen geführt, und gerade der Haltung der Zeugen zu familiären Werten, zur Abtreibung, zur Einhaltung der Zehn Gebote und zu jeglicher Ablehnung von Gewalt zolle ich gerne Hochachtung und Respekt. Auch in den kritischen Anfragen an die Evolutionstheorie gibt es weitreichende Übereinstimmungen. So empfehle ich ausdrücklich die guten Ausführungen zum "Intelligent Design" auf Isaus' Homepage www.isau.de

Mir geht es auch nicht darum, Isau wegen seiner weitaus überwiegenden negativen Zeichnung von katholische Kirche und Priestertum zu kritisieren. Offensichtlich gehört das inzwischen zum Pflichtbestandteil von Romanen, die Erfolg haben wollen. Wenn ich jedes Mal eine solch ausführliche Untersuchung starte, nur weil (auch unberechtigte) Kirchenkritik in Romanform gegossen wird, käme ich zu nichts anderem mehr.

Wenn allerdings Eltern zu dem Schluss kommen, dass sie ihre Kinder lieber nicht dem ideologischen Kosmos der Zeugen Jehovas aussetzen wollen, dann müssen sie auch die Möglichkeit haben, solche Schriften zu erkennen und zu identifizieren. Da Ralf Isau einen Hinweis darauf vermeidet (was sein gutes Recht ist!), soll diese Analyse dazu verhelfen.

Isau möchte auf seine Romanen nicht das Etikett "Literatur der Zeugen Jehovas" kleben, weil er befürchtet, dass seine Romane nur um des Etiketts willen abgelehnt und nicht mehr gekauft werden. Nun - das kann ich nachvollziehen. Aber da Isau keine Hehl daraus macht, dem Werte- und Glaubenskosmos der Zeugen nahezustehen, muss es erlaubt sein, auf diese Nähe zu verweisen.

Fairerweise sollte darauf hinzugefügt werden, dass nicht alle Kinder- und Jugendbücher Isaus die gleiche Nähe zur Lehre der Zeugen Jehovas haben. Besonders die "Neshan-Trilogie" und das "Museum der gestohlenen Erinnerungen" (die von den Thalia-Buchhandlungen unter Kinderbücher einsortiert werden), die vier Bände des "Kreis der Dämmerung" (dort als Jugendbücher geführt) und der für Erwachsene geschriebene Roman "Die Galerie der Lügen" sind sehr "Zeugen-lastig". Soweit meine - natürlich subjektive - Einschätzung.

Isau erwartet, dass die Bücher für sich selber sprechen. "Selber denken!" und sich nicht von Vorurteilen abbringen lassen ist ein hehres Ziel. Dieser Vergleich eines Teils seiner Werke mit den Lehren der Zeugen Jehovas soll daher - ganz im Sinne Isaus - zum Selberdenken, Nachlesen und Meinungbilden anregen - ich will und kann das keinem Interessierten abnehmen. Lassen wir, wie Isau erwartet, die Bücher für sich selber sprechen:

"Die Wahrheit ist manchmal eine bittere Medizin... ...und macht am Ende doch gesund" (KD II, S. 123)
"Verraten Sie den Menschen nichts, was deren Leben gefährden könnte, aber sagen Sie ihnen immer die Wahrheit. Das wird Ihnen ihre Herzen öffnen." (KD II, S. 151)

Werke Isaus:

Der Drache Gertrud

Die Neshan Trilogie:
Band 1: Die Träume des Jonathan Jabbok (zitiert als: Neshan I)
Band 2: Das Lied der Befreiung (zitiert als: Neshan II)
Band 3: Die siebente Richter (zitiert als: Neshan III)

Das Museum der gestohlenen Erinnerungen (zitiert als: Museum)

Der Kreis der Dämmerung - 4 Bände:
Band 1: Das Jahrhundertkind (zitiert als: KD I)
Band 2: Das Jahrhundertkind (zitiert als: KD II)
Band 3: Der Wahrheitsfinder (zitiert als: KD III)
Band 4: Das Jahrhundertkind (zitiert als: KD IV)
(Die Seitenangaben beziehen sich auf die Taschenbuchausgabe)

Das gespiegelt Herz

Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tilmann Trutz

Pala

Der Silberne Sinn (zitiert als: Sinn)

Die Galerie der Lügen

Die unsichtbare Pyramide

Der Herr der Unruhe

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