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Sakrileg - Historische Wahrheit oder dreiste Erfindung?
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Der Roman "Sakrileg" (im englischen Original "The Da Vinci Code") brauchte nicht lang, um auf Platz 1 der Bestseller-Liste zu gelangen - eine Verfilmung durch Hollywood mit Tom Hanks, Audrey Tautou und Jean Reno in den Hauptrollen ist schon angekündigt. Klar: Neben einer spannenden Story bietet der Roman wirklich eine Fülle an historischen Fakten. Diese neuen, sensationellen Erkenntnisse laufen der packenden Handlung fast den Rang ab.
Fakten? Historisch? Erkenntnisse? - In jedem historischen Roman müssen die geschichtlichen Hintergründe reduziert oder arrangiert werden, um die Hauptpersonen zur Geltung zu bringen, die Handlung voranzutreiben oder Längen zu vermeiden. Bei Dan Brown sind aber die geschichtlichen Behauptungen nicht der Hintergrund für eine Story - sondern die Verschwörung der Kirche ist die Story des Romans.
»Das ist alles doch nur eine erfundene Geschichte« könnte man einwenden: Dan Brown erzählt eine Schnitzeljagd, und die Schnitzel - die historischen Ereignisse - hat er eben dazu erfunden. Das mag sein - Dan Brown sieht es aber anders, und seine Leser auch.
In vielen Interviews und schließlich auf seiner Homepage (www.danbrown.com oder www.dan-brown.de) bezieht Dan immer wieder Stellung: Alles ist wahr, es geht wirklich darum, diese Verschwörung aufzudecken, wir werden erst glücklich, wenn wir die Wahrheit wieder zur Geltung bringen... - kein Zweifel, Dan glaubt das, was er geschrieben hat (zumindest tut er so). Auch seine Leser sehen den Roman nicht nur als eine nette Geschichte an, sondern glauben, einer epochemachenden Enthüllung beizuwohnen. Ein Blick in die Rezensionen auf www.amazon.de (und ähnliche) macht klar: Der Roman macht aus Lesern "Dan Brown-Jünger". Deshalb diese Katechese: Aufklärung tut not.
Dieser Roman verunsichert christliche Kirchen-Sympathisanten; manche verunsicherte Christen sind dagegen nun sicher, dass "der Vatikan" abgrundtief böse ist. Und viele, die den Roman nicht gelesen haben, werden plötzlich mit der Behauptung konfrontiert, dass es nun doch "erwiesen ist, dass der ganze Glaube nichts als ein großer Betrug ist".
Noch ist der Roman auf Platz 1 der Bestseller-Liste (dieser Text wurde im Januar 2005 geschrieben) - aber vermutlich wird das Buch in wenigen Jahren vergessen sein. Aber dieser unglaubliche Roman erlaubt uns, ein paar grundsätzliche Betrachtungen anzustellen, die auch dann interessant sind, wenn Du den Thriller nicht gelesen hast (keine Sorge - Du hast nichts verpasst) - oder der Sakrileg-Hype verebbt ist.
Das erwartet Dich also: Nach ein paar Vorbemerkungen
zu den Quellen des Romans ("Schlampig recherchiert?")
werfen wir (1.) einen Blick auf eine schier endlose Auflistung
der Fehler, die Dan Brown offensichtlich bewusst in seinen
Roman eingebaut hat. Ein Versehen kann es auf jeden Fall nicht
gewesen sein... Dann betrachten wir (2) die seltsame Glaubensrichtung,
die sich "Gnosis" nennt und widmen uns (3) der wirklichen
Entstehungsgeschichte des Neuen Testamentes.
Nun, es soll vorweg gesagt werden, dass eine genaue Untersuchung der historischen Hintergründe ganz andere Ergebnisse zu Tage fördert als Dan Brown sie in seinem Roman schildert. Hat Dan Brown schlampig recherchiert?
Nein, hat er nicht. Er hat überhaupt nicht recherchiert - er schöpft nahezu ausschließlich aus vier dubiosen amerikanischen Quellen:
-
zum einen bezieht Dan Brown sein "Wissen" aus "The Templar Revelation: Secret Guardians of the True Identity of Christ" (von Lynn Picknett und Clive Prince, erschienen 1997),
-
zum zweiten schreibt Dan Brown munter ganze Passagen aus "Holy Blood, Holy Grail" ab (von Michael Baigent, Richard Leigh und Henry Lincoln, erschienen 1982) - z. T. auch auf der Fortsetzung "The Messianic Legacy" (1983),
-
zum dritten bezieht Dan Brown sein Wissen über Maria Magdalene und den weiblichen Fruchtbarkeitskult ausschließlich von Margaret Starbird: aus dem Buch "Goddess in the Gospel: Reclaiming the Sacred Feminine" (1998) und dem Buch "The Woman with the Alabaster Jar: Mary Magdalen and the Holy Grail" (1993),
-
zum vierten und letzten bezieht Dan Brown seine (!) Sicht des ewig Weiblichen aus den Büchern von Mary Daly: "Beyond God the Father: Towards a Philosophy of Women's Liberation" (1973) und "Gyn-Ecology: The Methaethics of Radical Feminism" (1978).
Diese Werken sind der Theologie und den Historikern bekannt - einige schon fast wieder vergessen. Sie sind schlicht keiner wirklichen Auseinandersetzung wert (Wissenschaftler weigerten sich beispielsweise, für das Werk "Holy Blood, Holy Grail" überhaupt eine Buchbesprechung zu schreiben). Auf dem Niveau eines von Däniken behaupten diese Bücher munter das Gegenteil von dem, was längst gesichert ist - ohne auch nur annähernd gesicherte Belege dafür zu erbringen.
Nun, es erging diesen Verschwörungstheoretikern so wie allen, die keine wirklichen Argumente bringen und bestehende Fakten einfach verdrehen - ihre Bücher verkaufen sich nicht (Auflage von Holy Blood, Holy Grail: knapp 50.000). Und werden also nicht gelesen. Gottseidank.
Außer von Dan Brown. Nach seinem Erfolg "Die Illuminati" fand Dan Brown in dem Abfall der Historiker den idealen Nährboden für einen neuen Roman, der angeblich einen noch größeren Komplott aufdecken soll: Nach Dan Brown ist die Grundlage des Glaubens für ca. 2 Milliarden Menschen nichts anderes als ein Betrug.
Das verkaufte sich allerdings: Dan Brown schrieb einen Bestseller.
Die angeblichen wissenschaftlichen Abhandlungen, die die Grundlage vor "Sakrileg" bilden, hat keiner ernst genommen - obwohl sie doch so ernst gemeint waren. Nachdem Dan Brown sie in einen Roman packte, der ja unterhalten will und nicht belehren, glaubt plötzlich jeder an die Verschwörung. Das nennt man Ironie.
Für "Sakrileg" hat Dan Brown also nicht schlecht recherchiert - er weiß genau, was er schreibt und vom wem er es hat. Seine "historische Wahrheit" ist eine absichtsvolle Konstruktion mit vielen Unwahrheiten, Falschmeldungen und Fehlinterpretationen, die nur ein Ziel haben: Das Fundament des etablierten christlichen Glaubens anzugreifen. Daran hat Dan Brown wohl seine größte Freude. Schade für ihn und für die fragenden und zweifelnden Leser, die ihn ernstnehmen und für glaubwürdig halten.
Bevor wir uns den Inhalten zuwenden, noch ein kurzer Blick auf den Autor selbst.
Warum tut Dan Brown so etwas? Nun, vielleicht nur, um Geld zu verdienen. Er selbst bezeichnet sich zwar als Christ, aber
"vielleicht nicht im traditionellen Sinne des Wortes. Wenn Sie drei Menschen fragen: "Was heißt es, ein Christ zu sein?", dann erhalten sie drei verschiedene Antworten. Die einen meinen, man müsse getauft sein. Die anderen sagen, man muss die Bibel für historisch wahr halten. Wieder andere verstehen unter Glauben die Tatsache, dass alle, die nicht an Christus als ihren persönlichen Erlöser glauben, in die Hölle gelangen. Glaube ist ständige Veränderung, und jeder folgt dem Glauben, der ihm gefällt... Wir alle versuchen, das große Geheimnis des Lebens zu entschlüsseln, und jeder folgt dabei seinen eigenen Erleuchtungen. Ich bekenne mich als ein Schüler vieler Religionen. Je mehr ich lerne, umso mehr Fragen habe ich. Für mich wird die spirituelle Suche ein lebenslang unvollendetes Werk bleiben." (aus www.danbrown.com)
Mit anderen Worten: Dan Brown ist sich eigentlich in keinerlei Hinsicht sicher, was er glauben soll - außer, dass der traditionelle christliche Glaube falsch ist. Da ist er sich überraschenderweise sicher.
Am Anfang seines Romanes schreibt Dan Brown: »Sämtliche
in diesem Roman erwähnten Werke der Kunst und Architektur
und alle Dokumente sind wirklichkeits- bzw. wahrheitsgetreu
wiedergegeben« - und genau dieses ist nicht der Fall.
Darum geht es in dieser kleinen Auseinandersetzung.
Mit meinen Analysen der "Sakrileg"-Kernbotschaft will ich nämlich keinen, der gerne an Verschwörungstheorien glauben möchte - und keinen, der die katholische Kirche für eine Verbrecherorganisation halten will - vom Gegenteil überzeugen. Ich will lediglich darlegen, dass weder die einen noch die anderen sich bei ihrem Glauben wider die Kirche auf Dan Brown berufen sollten - zumindest nicht, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit behalten wollen.
Denn Dan Brown hat seine geschichtswissenschaftliche Glaubwürdigkeit mit "Sakrileg" zwar endgültig verloren - aber in seinen früheren Romanen auch nicht viel davon besessen. So schreibt er beispielsweise in "Illuminati", Kopernikus sei durch die Katholische Kirche ermordet worden (Kopernikus (1473-1543) war ein tiefgläubiger Katholik und starb im Alter von 70 Jahren an Gehirnblutungen), außerdem, dass Galileo ein Mitglied der Illuminaten gewesen sei und sei von der Kirche "hart bestraft" worden, weil er nicht glaubte, dass der Mensch der Mittelpunkt des Universum war (Galileo Galilei stand 1633 unter "Hausarrest" - zunächst als Gast des florentinischen Botschafters in der Villa Medici, danach vom 12. April bis zum 22. Juni in einem Drei-Zimmer-Appartement im Vatikan, mit Dienerschaft und Blick auf den Garten; nach seiner unerlaubten Flucht (wovor eigentlich?) wurde er verurteilt, jede Woche, drei Jahre lang, 7 Bußpsalmen zu beten - echt hart, diese Strafe).
Auch vor diesem Buch steht die "Fact-Page": Alles sei wahr, was er schreibt - schreibt Dan Brown. Gut - schauen wir einmal näher hin:
Wichtige Anmerkung: Viele Leser bedauern, dass im Folgenden Fehler nur richtiggestellt werden, aber nur selten ein Beleg oder Literaturhinweis angefügt ist. Einige meiner kritischen Leser glauben sogar, ich hätte mir die Fehler auch nur aus den FIngern gesogen. Wer einmal auf www.sakrileg-betrug.de schaut, findet dort nicht nur weitere Aspekte, sondern auch eine lange Liste von fundierter Literatur und kritischen Auseinadersetzungen mit Dan Brown auf wissenschaftlicherem Niveau als das, was ich hier schreibe...
Hier ein (unvollständige) Liste der Fehler, die Dan Brown uns unterjubeln will (in der Reihenfolge, in der sie im Roman "Sakrileg" erwähnt werden):
Seite 43: "Ordenshauptquartier des Opus Dei" (und an unzähligen anderen Stellen): Das Opus Dei ist kein Orden, sondern eine Personalprälatur - das heißt, ein Bistum, nur ohne ein Territorium. Dementsprechend ist das Mitglied des Opus Dei, der Albino "Silas", auch kein Mönch (z.B. Seite 159: "Der mysteriöse Mönch vom Opus Dei", ebenso Seite 126 und andere) und trägt auch selbstverständlich keine Kutte mit Strick und mit Kapuze (Seite 48: "Er schlüpfte in seine knöchellange schlichte Kutte aus dunkelbraunem Wollstoff ... nachdem er sich mit Strick gegürtet und die Kapuze über den Kopf gezogen hatte...") - so läuft kein einziges Opus-Dei-Mitglied auf der Welt herum. Außerdem baut das Opus Dei keine eigenen Kirchen (Seite 84).
Seite 56: "Die römisch-katholische Kirche hat es in ihrer Anfangszeit geschafft, dem Pentagramm eine andere Bedeutung zu verleihen..." sinngemäß geht es weiter: In einer Umbruchphase ist das normal, dass eine neue Macht die alten Symbole herabwürdigt - so den Dreizack des Neptun zur Mistgabel des Teufels und den Spitzhut der weisen Frauen zum Hexenhut etc. Genau das Gegenteil ist der Fall: Die Christen (von einer römisch-katholischen Kirche kann in den ersten Jahrhunderten wohl kaum die Rede sein) haben heidnische Symbole z.T. übernommen und aufgewertet - und sie so dem Einzugsbereich des Heidnischen entzogen. (Dass damals schon der Spitzhut der Frauen zum Zeichen der Hexe wurde - also, Dan Brown, das geschah erst 1.400 Jahre später!)
Seite 67: "Dieses visionäre Genie war zugleich
ein ausschweifender Homosexueller". - Da gab es einen
Vorfall, 1476. Leonardo und drei andere junge Männer
wurden der Sodomie (damals synonym für sexuelle Perversion)
angeklagt - woran auch noch ein 17-jähriger männlicher
Prostituierter beteiligt gewesen sein sollte. Die Anklage
wurde allerdings nach zwei Anhörungen fallen gelassen
- aus Mangel an Beweisen. Von diesem unsicheren Punkt einmal
abgesehen gibt es keinen einzigen Hinweis darauf, dass
Leonardo homosexuell gewesen sein soll. Alle seine Tagebücher
sind erhalten, mit vielen persönlichen Bemerkungen -
und keinem noch so vagen Hinweis auf seine angebliche sexuelle
Neigung. Wie dem auch sei - mit absoluter Sicherheit führt
er kein ausschweifendes Homosexuellen-Leben. Seltsam,
wie Dan Brown darauf kommt.
Seite 67: Leonardo war ein "Verehrer der göttlichen
Ordnung der Natur gewesen, was ihn zum notorischen Sünder
gegen Gott und der katholischen Kirche gemacht hatte".
- Leonardo selbst war da anderer Meinung. Natürlich:
Er fand die Natur herrlich - deshalb hat er sie ja auch gemalt
und studiert. Aber er war Katholik (wenn auch kein Heiliger)
und die Natur war nichts Göttliches für ihn, sondern
Gottes herrliches Geschöpf.
Seite 67: "Er glaubte sich im Besitz des alchemistischen
Wissens, mit dem man Blei in Gold verwandeln und sogar durch
die Herstellung eines Lebenselixiers Gott um den Tod betrügen
konnte." - Leonardo hat eine Zeitlang versucht, Gold
herzustellen, aber sehr schnell erkannt, dass das niemals
möglich sein wird (Leonardos Notizbücher, pars.
1207-8).
Seite 68: "Er malte Hunderte von lukrativen Auftragswerken für den Vatikan". Oh my God, Dan! Du betonst doch immer wieder, dass Deine Frau Kunsthistorikerin ist und Deine Bücher als erste liest. Dann müsste sie Dir doch gesagt haben, dass Leonardo nur 17 Bilder gemalt hat (4 davon unvollendet) - nicht Hunderte! Und vom Vatikan hat Leonardo nur einen einzigen (!) "Mal-Auftrag" erhalten. Wie kann man nur so daneben liegen, Dan!
Seite 166: "Was immer da Vinci im Schild führte - seine Mona Lisa ist weder eindeutig männlich noch eindeutig weiblich. Sie hat Merkmale von beidem, etwas Androgynes, wie man es nennt." - Da die junge Dame, die für das Porträt der Mona Lisa Modell gestanden hat, züchtig bekleidet ist, lassen sich keine primären und sekundären Geschlechtsmerkmale feststellen. Darüber hinaus lassen sich eindeutig weibliche Züge erkennen - aber keinerlei Hinweise aus männliche Merkmale (Dan Brown erwähnt auch keine der Merkmale, die angeblich vorhanden sein sollten. Sonst kommt noch einer auf die Idee und fährt nach Paris um ihn zu widerlegen...)
Seite 173: "In den drei Jahrhunderten der Hexenjagd hatte die Kirche die erschütternde Zahl von fünf Millionen Frauen auf den Scheiterhaufen gebracht und grausam verbrannt" - Neben der Tatsache, dass eine große Anzahl der Hexenverbrennungen durch weltliche Gerichte veranlasst wurde und an den kirchlich verschuldeten Hexenverbrennungen die protestantischen Kirche prozentual genauso beteiligt war wie die katholische Kirche, bleibt die Zahl von fünf Millionen Opfern vollständig fiktiv: Nicht erst neueste Forschungen gehen von einer Verbrennung von ungefähr 20-30.000 Hexen (Männer und Frauen) aus, höchstens jedoch 50.000 - insgesamt! Auf das Konto der katholischen Kirche gingen deutlich weniger als 20.000 Verbrennung. Jede einzelne verbrannte Frau ist ein Verbrechen, das stimmt. Aber wenn Dan Brown von dem zweihundertfachen (!) spricht, so hat er sich nicht bloß verschätzt - da hinter steckt Absicht. (Quelle: Universität München)
Seite 181: Na, einer hatte wenigstens ein Einsehen
mit der Unfähigkeit des armen Dan: Der Übersetzer
der deutschen Ausgabe (Piet van Poll) korrigiert netterweise
die falschen Maße, die Dan ursprünglich der "Felsengrotten-Madonna"
zugewiesen hat. Während das Bild tatsächlich 1,98
m x 1,23 m groß ist, beschreibt Dan im englischen Original
das Bild als "five-foot-tall canvas" - während
six-and-a-half-feet treffender wäre.
Seite 190: Noch einmal muss Piet van Poll eingreifen:
Während im englischen Original Dan davon spricht, dass
"the nuns" (die Nonnen) der Bruderschaft der Unbefleckten
Empfängnis das Bild in Auftrag gegeben haben, und dann
nochmal betont, dass "the nuns" entsprechende Maßangaben
und das gewünschte Thema festgelegt hatten, hat Piet
gewusst, dass es in dieser Bruderschaft gar keine Frauen gab.
Geschickt streicht Piet die "Nonnen" und spricht
nur noch von Auftraggebern. Zum ersten Mal, dass ein Roman
in seiner deutschen Übersetzung gewinnt.
Seite 190: Hier konnte Piet van Poll auch nichts mehr retten. Dan Brown meint, das Bild zeige "die sitzende Jungfrau Maria ... den ausgestreckten Arm um ein Kleinkind gelegt, vermutlich Jesus." - Vermutlich Jesus? Jeder Kunstinteressierte (er muss noch nicht einmal Kunstkenner sein!) erkennt am Propheten-Stab in der Hand des Kindes (Londoner Version), dass das Kind im Arm Mariens Johannes ist. Dan fährt logischerweise falsch fort: "Dem Kind gegenüber sitzt Uriel, ebenfalls mit einem Kleinkind, vermutlich Johannes der Täufer. Im Gegensatz zu den üblichen Szenerien, in denen Jesus den Johannes segnet, scheint hier seltsamerweise Johannes Jesus zu segnen - und Jesus lässt es geschehen." Tja Dan, hättest Du ein wenig mehr Ahnung und vor allem die Londoner Variante gesehen, würde sich alles in Wohlgefallen auflösen (und alles, was Du sonst noch auf der Seite 190 und 191 über dieses Bild schreibst, hättest Du wahrscheinlich mit hochrotem Kopf in den Reißwolf geworfen!). Aber Du hast Dir die Bilder nicht angeschaut, sondern einfach im Buch "The Templar Revelation" abgeschrieben. Die haben nämlich schon den gleichen Fehler gemacht (was ein besonders Licht auf die beiden Autoren des Buches wirft).
Seite 218: "Die Bruderschaft von Sion wurde im Jahr 1099 von einem französischen König von Jerusalem gegründet, Gottfried von Bouillon" - Gottfried von Bouillon war weder Franzose (er kam aus dem Herzogtum Niederlothringen, das zum deutschen Kaiserreich gehörte), noch war er König von Jerusalem, sondern nur "Advocatus Sancti Sepulcri". Dan Brown schreibt weiter: "In den Jahren, als Gottfried König von Jerusalem war..." - Gottfried starb im Juli 1100, er war also nur ein knappes Jahr in Jerusalem Anwalt des Heiligen Grabes - mehr nicht.
Seite 219: "Während des Zweiten Kreuzzuges waren die Tempelritter bei König Balduin I. von Jerusalem vorstellig geworden und hatten ihn gebeten, in den königlichen Stallungen in den Ruinen des alten herodischen Tempels Unterkunft nehmen zu dürfen..." - Der Bruder von Gottfried von Boullion, Balduin de la Boulogne, regiert als Balduin I. Er konnte von den Templern nicht während des zweiten Kreuzzuges (1146) aufgesucht werden, da er schon 1118 starb. Die Übereignung des Tempels von Jerusalem erfolgte 1119 durch König Balduin II. du Bourg.
Seite 226: "Der Heilige Gral ist vermutlich der
meistgesuchte Schatz in der Geschichte der Menschheit. Er
hat Legenden hervorgebracht, Kriege ausgelöst und zu
lebenslangen Forschungen angespornt. Und der Grund für
das alles soll ein schlichter Kelch sein? Wenn man das bejaht,
müssten andere Reliquien ein ähnliches oder sogar
noch größeres Interesse hervorgerufen haben - die
Dornenkrone zum Beispiel, das wahre Kreuz oder die Kreuzesinschrift
-, aber das ist nicht der Fall." - Sorry, Dan, aber genau
das ist der Fall: Bis zum späten 12. Jahrhundert kannte
man keine Suche nach dem Gral, es gab keine Gralslegende und
keine wie auch immer geartete Verfolgung von Gralsrittern
- im Gegensatz zur Suche, Auffindung und Verehrung des wahren
Kreuz. Der Auffindung des Kreuzes durch die Kaiserin Helena
wurde immerhin ein eigenes Fest gewidmet, das die Kirche bis
heute feiert ("Kreuzerhöhung"). Für den
Gral und seine Legende hatte zwar das Volk viel übrig
(und auch Richard Wagner...), aber nicht im Geringsten die
Kirche.
Die Kirche hat in der Gralslegende immer nur ein Symbol für
die Eucharistie gesehen - nicht der Gral wurde gesucht und
gefunden (durch Sir Galahad), sondern Jesus Christus im gewandelten
Brot und Wein. (Informationen zum wirklichen Gral findest
Du in dem hervorragenden Buch von Michael Hesemann: Die
Entdeckung des Heiligen Grals - Pattloch Verlag 2003 -
ISBN 3 629 016 59 6)
Seite 283: "Die Prüfungen wurden von Mal zu Mal schwieriger und gipfelten in der Einführung in den zweiunddreißigsten Grad". - Die Freimaurerei (sowohl in der Antike als auch im schottischen Ritus) gipfelt nicht im 32., sondern im 33. Grad.
Seite 285: "Die unter der Katalognummer 4° lm1 249 geführten und von vielen Sachverständigen als echt eingestuften Dokumente hatten eindeutig bestätigt, was viele Historiker schon lange vermuteten: Leonardo da Vinci, Sandro Botticelli, Sir Isaac Newton, Victor Hugo und in jüngerer Zeit der berühmte Pariser Künstler Jean Cocteau waren Großmeister des Geheimordens gewesen" - Die Sachverständigen sind sich einig: Die "Dossiers Secrets" sind eine Fälschung zur Selbstbestätigung. Die "geheimen Dokumente" wurden bewusst versteckt und angeblich "wiedergefunden". Sie sind nicht echt:
Neben der historischen Prieuré de Sion gibt
es einen Verein Prieuré de Sion, der vom Franzosen
Pierre Plantard (* 1920 - 2000) am 7. Mai 1956 gegründet
wurde, und dessen Statuten in Saint-Julien-en-Genevois in
Hochsavoyen hinterlegt wurden. Der Verein veröffentlichte
eine Zeitschrift und bestand etwa ein Jahr lang.
Plantard wurde 1953 wegen Betrug und Unterschlagung verurteilt.
In den Sechzigerjahren begann er systematisch Dokumente zu
fälschen und sie glaubhaften Stellen, wie Museen, unterzuschieben,
wobei er in einigen Fällen sogar begleitende Echtheitszertifikate
fälschte. Diese Dokumente wiesen alle auf eine angebliche
Geheimgesellschaft Prieuré de Sion hin, die Stammbäume
angeblicher Nachkommen von Jesus und Maria Magdalena aufbewahre.
Seite 318 - Zeile 3 und 4: "Die Heilige Schrift hat sich angesichts zahlloser Hinzufügungen, Korrekturen und Neuübersetzungen verändert und fortentwickelt." - Nun, das mag für die ersten Jahre gelten - aber schon nicht mehr für die ersten Jahrzehnte. In einer Höhle in Qumran (davon noch später) fand man ein Fragment mit einem Teil des Markusevangeliums - spätestens 70. n Chr., vermutlich schon früher - mit der gleichen Kapiteleinteilung wie heute. Die ältesten Evangelien-Funde (70-100 n. Chr.) zeigen Texte, die nur in unwesentlichen Details von unserem heutigen Bibeltext abweichen. Keineswegs hat dieses ständige Verändern sogar bis 325 n. Chr. angedauert, wie Dan Brown suggeriert.
Seite 318 - Zeile 5 und 6: "Es hat nie eine endgültige
Version des Buchs der Bücher gegeben". - Auch das,
tut mir leid, ist vollkommener Nonsens. Alle christlichen
Konfessionen und Gruppierungen erkennen dieselben 27 Bücher
des NT als kanonisch, maßgeblich und normativ an. Festgelegt
hat dies offiziell nur die katholische Kirche (die Protestantischen
Kirchen lehnen ja bekanntlich ein Lehramt ab), aber - noch
so ein Fauxpas vom netten Dan - im Sakrileg wird doch munter
"Christentum" immer mit "römisch-katholischer
Kirche" gleichgesetzt.
Die erste Erwähnung einer Liste der neutestamentlichen
Schriften findet sich keine 150 Jahre nach dem Tod Jesu -
das sogenannte Fragmentum Muratorianum, ca. 180 n. Chr. Es
gab - vor allem über Briefe späterer Päpste
- noch einigen Klärungsbedarf, so dass erst auf den Synoden
von Hippo (393), Karthago (397 und 419) und für die Ostkirche
mit dem Osterbrief des Athanasius (367) feststand, was genau
zur Bibel (Altes und Neues Testament) dazugehört. Vier
Evangelien, 27 Schriften insgesamt. Keine mehr, keine weniger.
Sorry, Dan.
Seite 318 - Zeile 10 bis 12: "Als der Messias der Prophezeiung ließ er [Jesus] Könige stürzen, führte Millionen Menschen zu einem neuen Aufbruch und begründete eine neue Weltanschauung" - und das alles noch zu Lebzeiten. Sorry, Dan, welcher König ist denn da über Jesus gestolpert? Es ist keiner bekannt. Und Millionen Jünger - in Israel, damals? So viele gab es ja noch nicht einmal in ganz Kleinasien.
Seite 318 - Zeile 12 bis 14: "Als unmittelbarer Abkömmling der Könige Salomon und David hatte Jesus einen legitimen Anspruch auf den jüdischen Königsthron." - Nun, so legitim war die Nachkommenschaft Jesu gar nicht - er war ja nicht wirklich der Sohn des Josefs. Davon abgesehen stammte er nur aus dem Hause Davids - also aus einer riesigen Sippe - alles Thronfolger? Der ganze Stamm David und der ganze Stamm Benjamin? Hatten sie alle einen legitimen Anspruch auf den Thron? Laut Brown wurde Jesu Leben wegen seiner Stammeszugehörigkeit von "Tausenden seiner Anhänger im ganzen Land" aufgezeichnet. Wurde auch das Leben Josefs aufgezeichnet (immerhin auch ein Nachkomme Davids)? Und das des Johannes (dito)? Und all seiner Cousins, Onkel und Großväter? Lieber Dan, die Welt könnte die Bücher nicht fassen, die Deiner Meinung nach geschrieben werden mussten.
Seite 318 - Zeile 18 bis 20: "Es gab mehr als achtzig Evangelien, die für das Neue Testament zur Auswahl standen, dennoch kamen nur vier zum Zuge - die Evangelien des Matthäus, Markus, Lukas und Johannes." - In der Zeit, in der sich die vier Evangelien durchsetzten - bereits 150 nach Christus war diese Frage geklärt (siehe "Briefe gegen Markion"), allerspätestens mit Irenäus ein paar Jahrzehnte später - gab es die meisten der angeblich 80 anderen Evangelien noch gar nicht. Zur dieser Zeit existierten nach Jenkins lediglich 17 konkurrierende Schriften.
Seite 318 - Zeile 25 und 26: "Das Neue Testament, so wie wir es heute kennen, geht auf den heidnischen römischen Kaiser Konstantin zurück." - Die vier Evangelien (und darauf kommt es hier an) wurden 150 Jahre vor Konstantin festgelegt. Irenäus schreibt (um 180): "Die Evangelien können weder mehr noch weniger der Anzahl nach als genau vier sein."
Seite 318 - Zeile 30 und 31: "Er [Konstantin] war ein Leben lang Heide." - Der Kaiser hatte vor der Schlacht an der Milvischen Brücke eine Kreuz-Vision; nachdem er in der Schlacht siegreich blieb, nahm er nach und nach den christlichen Glauben an, bis schließlich Eusebius, sein Bischof, ihn zu Lebzeiten als »ernsthaften und gläubigen Christen« beschrieb.
Seite 318: Zeile 31 und 32: "Man hat ihn auf dem Totenbett getauft, als er sich nicht mehr wehren konnte." - Konstantin wollte im Jordan in Israel getauft werden - das war ihm leider nicht möglich. So ließ er schließlich, dem Tode nah, kurz nach Ostern 337 den Bischof rufen, zog seine purpurrotes Gewand aus und zog sich das weiße Taufgewand an (wohlgemerkt - alles eigenhändig) und ließ sich von Eusebius, dem Bischof von Nikomedia, taufen. Weniger Tage später starb er.
Seite 318: Zeile 32 und 33: "Zu Konstantins Zeiten war die offizielle römische Religion der Sonnenkult des Sol invictus, des unbesiegbaren Sonnengottes, und Konstantin war der Hohepriester dieser Staatsreligion." - Zu Konstantins Zeiten war die offizielle römisch Religion der Glaube an die römischen Götter namens Jupiter, Mars, Merkur etc. Es gab zwar den Sol invictus-Kult - aber nicht als offizielle Religion.
Seite 319: Zeile 6 bis 8: "Konstantin hielt es
für an der Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Im Jahre
325 unserer Zeitrechnung vollzog er die Einigung des Reiches
unter dem Banner einer einzigen Religion - dem Christentum."
- Glückwunsch! Das ist korrekt, allerdings auch keine
Neuigkeit. Neu (und das heißt bei Dan Brown leider auch
falsch) ist lediglich, dass Konstantin dazu das Christentum
von oben bis unten ummodelte - und einen ganz anderen Glauben
befahl.
Die Christen hatten unter dem Vorgänger Konstantins,
Diocletian, viel zu leiden; es war die letzte schwere Christenverfolgung
in Rom von enormen Ausmaße. Christen waren reihenweise
für ihren Glauben gestorben. Da soll es wirklich möglich
gewesen sein, dass diese standhaften Anhänger Jesu sich
auf eine neue, vom Nachfolger des Schlächters erfundene
Religion einfach so einließen? Naja, wer's glaubt...
Seite 320: "Bis zum Konzil von Nizäa, meine
Liebe, wurde Jesus von seinen Anhängern als sterblicher
Prophet betrachtet, als ein großer und mächtiger
Mensch, aber eben als Mensch - ein sterblicher Mensch".
Mensch, Brown, das glaubt Dir keiner! Das Neue Testament ist
voll von Erweisen der Göttlichkeit Jesu. Nur zwei Punkte:
Jesus hat sich selbst mit Jahweh gleichgesetzt (Joh 8, 58);
und Thomas sagt zum Auferstandenen: "Mein Herr und mein
Gott!" Joh 20, 28). An mehr als 40 Stellen wird Jesus
"Sohn Gottes" genannt. - Lieber Brown, das alles
ist nachweislich bereits 250 Jahre vor Konstantin schriftlich
festgehalten! Auf dem Konzil von Nizäa ging es um die
Göttlichkeit Jesu, das stimmt. Die dort diskutierte Frage
war aber nur, wie Jesus Mensch und Gott war
- nicht, ob.
Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, ob die Bibel glaubwürdiger
ist als Dan Brown (die Frage mag jeder für sich selbst
beantworten). Es geht um die Frage, ob Dan Brown recht hat,
wenn er sagt: Vor dem Jahre 325 hat keiner daran geglaubt,
dass Jesus Gott war. Es gab zumindest vier, die daran glaubten:
Markus, Lukas, Matthäus und Johannes. Somit steht es
mindestens 4:1, Dan!
Seite 328: "Nicht Gott, sondern Männer - genauer gesagt Kirchenmänner - haben die Erbsünde erfunden, der zufolge Eva vom Apfel der Erkenntnis gegessen ... hat" - Nun, es können keine Kirchenmänner gewesen sein, die diese Geschichte erfunden habe. Sie steht im Alten Testament und ist lange vor Christus bezeugt - also auch Jahrhunderte bevor es so etwas wie "Kirchenmänner" gegeben hat. Außerdem hat Eva nicht vom "Apfel" der Erkenntnis gegessen - um welche Frucht es sich handelt, wird in der Bibel nicht erwähnt.
Seite 334: "Maria Magdalena war keine Dirne.
Diese schlimme Verfälschung ist das Ergebnis einer bewussten
Verleumdungskampagne der Kirche, die Maria Magdalena in den
Schmutz ziehen musste, um das gefährliche Geheimnis
dieser Frau unter den Teppich zu kehren." - (Ähnlich:
Seite 341; 347; etc.) Es gibt in der Bibel drei Frauen,
die mit Maria Magdalena in Verbindung gebracht werden: Allein
zwölfmal wird sie mit vollem Namen genannt (davon kein
einziges Mal als Dirne bezeichnet); eine zweite Frau mit Namen
Maria ist die Schwester von Martha und Lazarus, die zu Dritt
in Bethanien lebten; und schließlich eine dritte Frau,
die keinen Namen hat - sie wird nur "Sünderin"
genannt - und die Jesus die Füße salbt (Lk 7,37-50)
Während die Ostkirche alle drei Frauen als eigenständige
Personen verehrte und ihnen jeweils ein eigenes Fest widmete
(21. März: Die ungenannte Sünderin; 18. März:
Maria von Bethanien; 22. Juli: Maria Magdalena), hat die Westkirche
(also die römische Kirche) Maria von Bethanien mit Maria
Magdalena identifiziert. Davon, dass diese Maria mit der Sünderin
gleichzusetzen ist und diese eine Dirne war, ist in der Lehre
der Kirche nie die Rede gewesen (und mit der neuen Leseordnung
seit 1969 auch weiterhin offen gelassen). Im Volksbrauch gab
es diese Identifizierung - aber nicht in der Lehre der Kirche.
Einmal davon abgesehen - selbst die (gängige) Identifikation
Maria Magdalenas mit der Ehebrecherin wäre keine Herabwürdigung
- denn sie bleibt es ja nicht, sondern wird zu Jüngerin.
Petrus wird ja auch nicht herabgewürdigt durch seine
Verleugnung Jesu (immerhin nennt Jesus ihn sogar einmal "Satan").
Dass die uns überlieferten Evangelien, die Dan Brown
für eine Verunglimpfung der Magdalena hält, gerade
sie zur ersten Zeugin des Auferstandenen macht (noch vor Petrus
und den anderen Aposteln), passt überhaupt nicht in sein
Konzept.
Seite 328: "An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Vorstellung von der Frau als Lebensspenderin den Ursprung sämtlicher alten Religionen bildet." - Einspruch: Das ist frei erfunden und nicht zutreffend. Nur die wenigsten Religionen lassen sich auf einen Fruchtbarkeitskult zurückführen.
Seite 338: "Jeder, der des Aramäischen mächtig
ist, wird Ihnen bestätigen, dass das Wort Gefährtin
in jenen Tagen nichts anderes als Ehefrau bedeutete"
- Au contraire, Dan: Jeder, der des Aramäischen mächtig
ist, wird bestätigen, dass das Wort Gefährtin
bedeutet, dass Jesus und Maria Magdalena in bestimmter
Hinsicht eine Gemeinsamkeit hatten. Der Zusammenhang des
Philippus-Evangeliums (übrigens eine Schöpfung des
späten 3. Jahrhunderts und damit von historischer Belanglosigkeit)
und Parallelen in anderen Schriften (Irenäus bezeichnet
Lukas als Gefährten des Paulus, Markus als Gefährten
des Petrus etc.) der damaligen Zeit macht deutlich, dass es
sich gerade nicht um eine Ehefrau, sondern um eine "Gefährtin
der Spiritualität" handelte.
Seite 347: Wiederum muss Piet van Poll in seiner deutschen Übersetzung einen Fehler von Dan Brown korrigieren (hätte Piet alle Fehler korrigiert, wäre das Buch wohl nur auf die Hälfte der Seiten gekommen): Im englischen Original steht dort, dass "the Vatican" (im Deutschen: "Die Kirche") bereits im vierten Jahrhundert das peinliche Geheimnis um Jesus aus der Welt schaffen wollte. Im vierten Jahrhundert war der Vatikan ein unbewohnter Sumpf vor den Toren Roms und hatte sicher kein Interesse an Theologie.
Seite 353: "Eben jener Mann (Gottfried von Boullion), der den Tempelrittern aufgetragen hat..." Gottfried von Boullion starb im Juli 1100; der Templerorden wurde 1118 gegründet. Ein toter Mann kann schwerlich einem Orden, der noch nicht existiert, etwas auftragen.
Seite 556: Der päpstliche Sekretär erklärt Bischof Aringarosa in Bezug auf das Opus Dei: "Der Heilige Stuhl wird sich von Ihnen distanzieren. Sie werden zu einer normalen religiösen Organisation". - Unser Held, Piet van Poll, hat auch hier mal wieder rettend eingegriffen. Im Englischen steht doch tatsächlich: "You will be a church unto yourself". Dan - die Evangelikalen gründen, wenn sie verschiedener Meinung sind, einfach eigene Kirchen. Der Vatikan versucht ja genau das zu verhindern. Er würde niemals einem "Orden" vorschlagen, eine eigene Kirche zu gründen. Gott sei Dank gibt es Piet.
Der Roman "Sakrileg" erwähnt den Begriff "Gnosis" nur am Rande, nebenbei. Im Grunde predigt er aber nichts anderes als gnostisches Gedankengut.
Die Gnosis ist eine Lehre, die sich nicht erst im Christentum entwickelt - aber in Kontakt mit den ersten Christen eine ganz eigene Prägung erhalten hat. Das Wort "gnosis" kommt aus dem griechischen und heißt auf deutsch "erkennen", "Erkenntnis". Und damit ist sie treffen beschrieben: Es geht - im Gegensatz zum biblischen Christentum - nur um das Erlangen von Erkenntnis. Erlöst wird, wer Zugang zu bestimmtem Wissen hat.
Dieses Wissen allein reicht angeblich, um den Menschen zu veredeln. Allen durch das Wissen wird der Mensch gottgleich.
Dieses Wissen ist natürlich verborgen - sonst wäre
es ja nichts besonderes und alle Menschen wären schon
perfekt. Nein, die Erkenntnis ist entweder geheim,
weil sie geheim gehalten wird - oder sie ist verborgen,
weil sie entdeckt werden muss.
Geheimes Wissen spielt die große Rolle
im Roman "Sakrileg", man kann "Sakrileg"
durchaus als gnostischen Roman bezeichnen. Dabei gibt
es dort das geheim-gehaltene Wissen, das die Bruderschaft
Prieuré von Generation zu Generation weitergibt: Das
Geheimnis des Grals - seinen Ort und seine wahre Bedeutung.
Das geheime Wissen erlangt nur der, der in den Kreis einer
Geheimgesellschaft zugelassen wird; oder jemand kommt in den
Besitz geheimer Schriftdokumente, vielleicht auch durch ein
altes, verschollen geglaubtes Buch...
"Sakrileg" predigt aber auch das verborgene
Wissen, dass entdeckt werden muss. Es wird nicht künstlich
geheim gehalten, sondern man muss nur die Augen eines geläuterten
Menschen haben - und man wird die Wahrheit entdecken: Die
wahre Bedeutung der Bilder des da Vinci, die Hinweise der
anderen Grals-Ritter - oder die Macht des Weiblichen, die
Allgegenwart der göttlichen Frau.
Das Wissen, das entdeckt werden muss, setzt unter Umständen ein gesteigertes Erkenntnisvermögen voraus. Dazu sind Rituale und Selbstverzicht notwendig, um offen zu werden für das bisher Unentdeckte oder Unerkennbare. Der hieros gamos - der religiöse Geschlechtsverkehr - wird von Dan Brown auf diese Weise gnostisch erklärt:
"Die körperliche Vereinigung war das einzige Mittel, durch das der Mann geistig heil werden und Gnosis erlangen konnte - Wissen vom Göttlichen... durch die Vereinigung mit der Frau kann der Mann im Augenblick der Ekstase erleben, wie sein Geist sich völlig entleert und das Göttliche sichtbar wird... Physiologisch betrachtet, setzt beim männlichen Orgasmus einen Sekundenbruchteil lange jede gedankliche Tätigkeit aus; es entsteht eine Art Vakuum, ein Moment der Klarheit, in dem der Geist eine Ahnung von Gott erhaschen konnte". (Seite 421)
In anderen gnostischen Kreisen ist z.B. Fasten ein Weg zur Erkenntnis - ein Fasten, das den Körper an den Rand seiner Existenz führt und öffnet für wahrhaft spirituelle Erfahrungen. In anderen gnostischen Richtungen wird der Schmerz bevorzugt (gerade in gnostischen Kreisen ist die Selbstkasteiung, wie sie im Roman dem Opus Dei zugeschrieben wird, viel häufiger anzutreffen) - z.B. sehr treffend beschrieben in dem Roman "Der Schamane". Wiederum andere (gnostische Sekten!) predigen die Enthaltsamkeit, die Loslösung vom eigenen Körper durch Meditation oder Schlafentzug, Drogen oder Hyperventilation - den Methoden sind nur die Grenzen des persönlichen Geschmacks gesetzt.
Besonders phantasievoll ist in diesem Zusammenhang die "Scientology Church" - eine neu-gnostische Sekte. Dort wird die heilbringende Erkenntnis u.a. durch Lügendetektoren und Saunagängen ("Rundown") gewonnen. (Auch sehr originell...)
Dan Brown hat sich natürlich eine verkaufsträchtige Version der Gnosis herausgesucht - die sexuell-bejahende Variante. Klar, er will ja auch Sympathien gewinnen. In der alten und jüngeren Geschichte ist die sexuell-feindliche Gnosis allerdings sehr viel häufiger anzutreffen.
So oder so - ob nun Erkenntnis durch persönliche Läuterung oder durch Einweihung in geheime Gesellschaften: Es kommt auf die Erkenntnis an, nicht auf den Weg, der dorthin geführt hat. So haben sich oft die strengsten gnostischen Sekten in wenigen Generationen zu ihrem ausschweifenden Gegenteil entwickelt. Denn darin liegt auch das Problem der Gnosis: Da das "Heil" nur eine Frage des Wissens ist, kommt es nicht im Geringsten auf ein persönliches Verhältnis zu einem Gott an - und auch nicht auf eine moralische Lebensführung. Wenn die Mitglieder einer gnostischen Sekte das erst einmal verstanden haben, werden sie sehr schnell dekadent: Alles ist schließlich erlaubt; wenn man erst einmal die nötige Erkenntnis dazu hat, spielt die persönliche Moral keine Rolle mehr.
Deshalb lehnt die Gnosis auch jede Autorität ab. Eine Autorität schreibt ja vor, was man zu tun hat, stellt Gebote und Verbote auf - der Schrecken einer jeden gnostischen Einstellung. So erklärt sich auch die Stoßrichtung der frühen christlichen Gnosis gegen Kirche, Amt und Bischof. Erkenntnis im Sinne der Gnosis ist herrschaftsfrei - einmal abgesehen davon, dass die Wissenden erlöst sind und die Unwissenden verdammt. Gnosis ist auch gegen jede Tradition, jedes Amt und jede Institution - alle diese Wesensbestandteile der katholischen Kirche stehen einer Lehre der reinen Erkenntnis im Weg. Dan Browns Hass auf das Katholische ist also in der Sache begründet: Wenn er Gnostiker ist (und alles deutet darauf hin), dann muss er alles ablehnen, was die Catholica ausmacht.
Wissen erlöst - das ist natürlich der ideale Stoff
für eine actionreiche Schnitzeljagd. Wissen kann man
aufschreiben, in Stein meißeln oder in Rätsel packen.
Das Christentum kann da nicht so leicht mithalten: Unser Schatz
ist keine Formel, keine Schatzkarte oder ein geheimer Ort
eines geheimen Grabes. Der Schatz der Kirche ist das persönliche
Verhältnis zu Gott und die daraus resultierende Heiligkeit
der Christen. Wer in den "Himmel" kommen will, muss
keine Zahlenkombination in die richtige Reihenfolge bringen,
sondern Gott mögen, ihn lieben.
Das ist der Gnosis vollkommen fremd. Sie will nichts Persönliches
einbringen. Deshalb sind die gnostischen Evangelien, die im
"Sakrileg" so hoch gepriesen werden, ziemlich mühselig
zu lesen (und außerdem ziemlich langweilig): Sie sind
blutleer, ohne Interesse an historischen Ereignissen. Das
Leben und das Tun Jesu interessiert sie nicht, nur seine Lehre
ist wichtig.
Die Gnosis teilt die Wirklichkeit gerne in zwei Bereiche, die sich feindlich gegenüber stehen (man spricht vom "Dualismus"), so ähnlich wie es in Star Wars die gute und die böse Seite der Macht gibt. Während die jüdisch-christliche Tradition Gott als den EINEN und GUTEN ansieht, braucht die Gnosis noch einen Anti-Gott. Die Gnosis denkt in schwarz-weiß, in erlöst-unerlöst, in Licht-Dunkel, Geist-Fleisch - eben in Gegensätzen. Die eine Seite ist die nicht-wissende Seite, die andere ist die wissende, erlöste Seite. Während die Christen glauben, dass der Mensch ein Bündel aus sich widerstrebenden Neigungen ist - und deshalb keiner wirklich sagen kann, wie es in einem anderen Menschen aussieht und wie es um dessen Seele und dessen Heil bestellt ist -, macht es sich die Gnosis einfacher: Wer das Wissen erlangt, ist gut - den Rest kann man vergessen. Die Unwissenden sind nur solange interessant, wie sie noch missioniert werden können. Wehren sie sich auch dagegen, belehrt zu werden, ist sowieso alles zu spät: Sie werden zurückgelassen.
Die Gnosis ist hart und unmenschlich. Sie ist nichts für einfache und (geistig) arme Menschen. Sie ist ein Programm für Besserwisser, Intellektuelle und Spezialisten. Das Christentum ist die Religion des einfachen Volkes: "Lebe jeden Tag vom Evangelium so viel, wie Du verstanden hast. Und sei es auch noch so wenig" - so hat Frère Roger aus Taize formuliert. Einem Gnostiker würde dabei wohl übel werden: Da gibt es keine Tabelle, um seinen himmlischen Punktestand abzufragen - grauenhaft.
Jesus war kein Gnostiker, er hat ein solches Denken immer wieder abgelehnt:
-
»Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.« (Mt 5, 3) - Und eben nicht die wissenden Spezialisten
-
»Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen, das sage ich euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt, wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.« (Mk 10, 14-15)
-
»Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.« (Mt 4, 17) - Und nicht: Passt auf, hört zu.
-
»In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.« (Mt 11, 25) - Kein Kommentar.
-
»Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.« (Mt 28, 19-20) - Lehrt sie, alles zu befolgen. Ein Gnostiker hätte sich mit dem "Lehrt sie!" begnügt.
Auch die ersten Evangelisten sind vollkommen unberührt
von der Gnosis - Gott sei Dank, so wissen wir wenigstens etwas
über das historische Leben Jesu. Erst später kam
die christliche Gnosis auf - das Johannes-Evangelium z.B.
zeigt schon Spuren einer Auseinandersetzung mit der Gnosis.
Aber erst 100 Jahre später beginnt die Gnosis regelrecht
aufzublühen, ihre erste Hochphase hat sie Ende des 3.
Jahrhunderts. In diese Zeit fallen auch die von Dan Brown
erwähnten gnostischen Schriften, das Thomas- und Philippus-Evangelium,
die Schriften von Nag Hammadi und - noch später - das
Evangelium der Maria Magdalena. Alles todlangweilige, philosophische
Texte ohne jede menschliche Komponente - von einem fröhlichen
Weiblichkeits-Kult übrigens keine Spur.
Heute hat die Gnosis wieder Hochkonjunktur. In den weiten Bereich der heutigen Gnosis gehört die Scientology-Church, die Zeugen Jehovas (allein die Kenntnis des Namens Gottes rettet, das Wissen um die Weltentstehung, etc. - nicht die gelebte Liebe zu Gott), einige evangelikale Gruppen in Amerika - aber auch Reiki (man muss es lernen - dann geht's), Astrologie (man muss es nur berechnen - dann weiß man Bescheid), die heilende Kraft von Edelsteinen und Metallen (z.B. in der Anthroposophie und der Esoterik), der Mondkalender, NLP (neuro-linguistischer Programmierung) - usw. Das einzige, was dort nicht vorkommt, ist Liebe.
Schließlich und letztendlich ist die Gnosis menschenverachtend: Sie teilt die Menschen in wichtige und unwichtige ein - zu den Unwichtigen gehören nun einmal die, die nicht so viel wissen.
Außerdem wird alles dem Erlangen von Wissen untergeordnet - auch die Würde des Menschen, sogar des Mit-Wissenden. Die "Liebe" (soweit man bei einem ins Wissen Vernarrten noch von Liebe sprechen kann) gilt nicht mehr dem Menschen, sondern nur noch der Sache. Oder hat der hieros gamos, der Geschlechtsverkehr mit einer Frau zur Erlangung der göttlichen Erkenntnis, etwas mit Liebe zu tun? Ganz im Gegenteil: Die Frau ist austauschbar, sie ist nur Mittel zum Zweck - es ist übrigens auch bei Dan Brown immer nur der Mann, der durch das "Benutzen einer Frau" zum Heil gelangt. Tut mir leid, Dan Brown, aber daraus spricht keine Wertschätzung des Weiblichen, sondern eine Verachtung und Perversion. Von Liebe keine Spur.
So heißt es im gnostischen Thomas-Evangelium: (Logion 114): »Simon Petrus sagte zu ihnen: "Mariham soll von uns gehen. Denn die Frauen sind des Lebens nicht würdig!" - Jesus sagte: "Siehe, ich werde sie ziehen, damit ich sie männlich mache, damit auch sie zu einem lebendigen Geist werden, der euch Männern gleicht. Denn jede Frau, wenn sie sich männlich machen wird, wird in das Königreich der Himmel eingehen."«
Wer Dan Brown folgen will und lieber ein Gnostiker werden möchte - ob in geheimer Gesellschaft mit lustigen Kapuzen oder ohne - der soll das ruhig tun: Es wird todlangweilig.
Wer lieber den christlichen, mühevollen Weg der persönlichen Umkehr gehen möchte - mit allen Rückschlägen, kleinen und großen Erfolgen und persönlichem Versagen, Verzeihung und Versöhnung - der wird nicht unbedingt göttliches Wissen erlangen - aber Gottes Liebe erfahren. Dort findet sich das Abenteuer des Lebens - spannender als jeder Thriller, selbst wenn er auf der Bestseller-Liste ganz oben steht.
Auch, wenn das Dan Brown nicht passt: Die Zusammenstellung des Neuen Testamentes (man spricht vom "neutestamentlichen Kanon", wenn man das Inhaltsverzeichnis meint) ist ein durch und durch demokratischer Prozess gewesen. Gerade in den ersten Jahren und Jahrzehnten gab es keine römische Machtzentrale, die das entschieden hätte. Vielmehr haben sich Männer und Frauen daran gemacht, das "Jesus-Material" für die Gemeinden zu sichten und zusammenzustellen. Die Evangelien sind zunächst für die Gottesdienste und die Mission entstanden. Zum Teil ganz unabhängig von einander, an den verschiedenen Orten des römischen Reiches, wurden Evangelien entwickelt - manche nur kurz (das sogenannte Petrus-Evangelium umfasst gerade einmal drei Seiten), manche nur als Spruch- oder Gleichnissammlung. Nach und nach haben die Gemeinden die Sammlungen zusammengefasst und ergänzt.
Reisende Christen - darunter vor allem die römischen Soldaten, die als erste zum christlichen Glauben übertraten - haben dafür gesorgt, dass die Gemeinden sich "vernetzten", d.h. "Evangelien" austauschten und verglichen. Das geschah, wie neueste Funde zeigen, keineswegs über einen Zeitraum von Jahrhunderten, sondern in den ersten zwei Jahrzehnten:
Lukas beispielsweise stellt seinen beiden (!) Werken, dem Evangelium und dem Reisebericht der Apostel (Apostelgeschichte), jeweils eine Bemerkung voran:
Anfang des Lukas-Evangeliums: Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest. (Lk 1, 1-4)
Anfang der Apostelgeschichte: Im ersten Buch, lieber Theophilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er (in den Himmel) aufgenommen wurde. Vorher hat er durch den Heiligen Geist den Aposteln, die er sich erwählt hatte, Anweisungen gegeben. Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen. (Apg 1, 1-3)
Da die Apostelgeschichte mit Sicherheit vor dem Jahre 67 n. Chr. abgeschlossen wurde, ist das Evangelium des Lukas noch früher anzusetzen. Außerdem benutzt es zahlreiche Verse aus dem Markus-Evangelium, das also noch früher anzusetzen ist.
Zudem wurde in Qumran, den auch im "Sakrileg" erwähnten
Höhlen, Textfragmente aus dem Markus-Evangelium gefunden.
Die Qumran-Höhlen wurde nachweislich 70. n. Chr. geschlossen
und erst 1947 wiederentdeckt. Auf den Krügen, in denen
diese Fragmente gefunden wurden, fand sich eine Aufschrift,
die auf Rom als Entstehungsort des Markusevangelium
schließen lässt. Das Markus-Evangelium muss also
einige Jahre vor 70. n. Chr. entstanden sein.
Michael Hesemann (aus: »Der erste Papst», Pattloch
2003, S. 95ff) fasst zusammen:
Die älteste Kunde vom Ursprung der Evangelien stammt von Papias, dem Bischof von Hierapolis in der heutigen Westtürkei. Papias, der um 50 n. Chr. geboren wurde und etwa 120 verstarb, war ein Christ der dritten Generation und laut Irenäus von Lyon ein Schüler des Apostels Johannes, der bis ins hohe Alter in Ephesus lebte. In einem seiner fünf Bücher, von denen uns leider nur einzelne Zitate erhalten sind, erklärte er, dass Matthäus tatsächlich »in hebräischer Sprache die Reden (des Herrn) zusammengestellt« hat. Weiter habe Markus »die Worte und Taten des Herrn, an die er sich als Dolmetscher des Petrus erinnerte, genau, allerdings nicht der Reihe nach, aufgeschrieben. Denn er hatte den Herrn nicht gehört und begleitet; wohl aber folgte er später, wie gesagt, dem Petrus, welcher seine Lehrvorträge nach den Bedürfnissen einrichtete, nicht aber so, dass er eine zusammenhängende Darstellung der Reden des Herrn gegeben hätte. Es ist daher keineswegs ein Fehler des Markus, wenn er einiges so aufzeichnete, wie es ihm das Gedächtnis eingab. Denn für eines trug er Sorge: nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen oder sich im Berichte keiner Lüge schuldig zu machen.« Das war, wie er betonte, nicht etwa des Papias eigene Meinung, sondern quasi die Rezension des Markusevangeliums durch keinen Geringeren als den Apostel Johannes, der in seiner Gemeinde ehrfurchtsvoll »der Presbyter« (der Älteste) genannt wurde.
Nehmen wir Papias beim Wort, erklärt sich einiges. Denn danach hat Matthäus nie das nach ihm benannte Evangelium verfasst, sondern nur eine »Sammlung der Reden des Herrn«. Dabei kann es sich eigentlich nur um die Redensammlung »Q« handeln, wie sie von Holtzmann und Harnack rekonstruiert wurde. Wann geschah dies? Bischof Eusebius von Caesarea, der um 320 aus zahlreichen, heute teilweise verlorenen Quellen seine Kirchengeschichte zusammenstellte, erklärte: »Matthäus, der zunächst unter den Hebräern gepredigt hatte, schrieb, als er auch noch zu anderen Völkern gehen wollte, das von ihm verkündete Evangelium (eben die Redensammlung, wie wir oben gesehen haben) in seiner Muttersprache.« Da Matthäus im Jahre 42 Palästina verlassen haben soll, muss das Entstehungsjahr von »Q« davor liegen.
Zu Markus wusste Clemens von Alexandrien, der um 215 verstarb: »Als Petrus in Rom das Wort öffentlich verkündete und die Heilsbotschaft ausrief, sollen seine zahlreichen Zuhörer den Markus als einen Mann, der schon lange den Petrus begleitete und sich an seine Lehrvorträge erinnerte, gebeten haben, das gesprochene Wort aufzuzeichnen. Als Markus das getan hatte, habe er das Evangelium jenen mitgeteilt, die ihn um die Abfassung gebeten hatten. Als Petrus davon erfahren hatte, hat er ihn weder mahnend gehindert noch dazu ermuntert.« Wie wir noch sehen werden, war Petrus zwischen 42 und 64/67 mindestens zweimal in Rom. Eusebius datiert die Abfassung eindeutig in die Zeit unmittelbar nach dem ersten Besuch, was schon deshalb Sinn macht, weil Markus von Petrus im Jahre 62 als neuer Bischof nach Alexandrien geschickt wurde. Dazu passt auch der Hinweis des Eusebius: »Nachdem Petrus ... von dem Vorfall (der Abfassung des Evangeliums) Kenntnis erhalten hatte, soll er sich über den Eifer der Leute gefreut und die Schrift für die Lesung in den Kirchen bestätigt haben.« Das wäre posthum, also nach seinem Martyrium in Rom, wohl nicht mehr möglich gewesen.
Auch ein anderer Hinweis spricht dafür, dass der Verfasser des Markusevangeliums Augenzeugen gekannt hat. So erwähnt der Verfasser als einziger Evangelist, dass jener Simon von Cyrene, der auf dem Weg nach Golgota das Kreuz Christi trug, »der Vater des Alexander und des Rufus« (Mk 15, 21) sei. Ein solcher Hinweis macht nur dann einen Sinn, wenn die beiden Söhne dem Publikum bekannt sind. Tatsächlich entdeckten Archäologen im Jahre 1941 im Kidrontal zwischen Jerusalem und dem Ölberg ein Ossuarium, also eine steinerne Knochentruhe zur Zweitbestattung der Toten, mit den beiden Aufschriften: »Alexander aus Cyrene« und »Alexander, Sohn des Rufus«. Sie stammt eindeutig aus der Zeit vor 70 n. Chr. und ist damit ein eindeutiger Hinweis, dass es tatsächlich im Jerusalem des 1. Jahrhunderts einen »Alexander, Sohn des Simon von Cyrene« gab, der zur Zeit Jesu noch einjunge war. Und sein Bruder Rufus? Paulus grüßt in seinem Römerbrief ausdrücklich einen Rufus, der »Auserwählte des Herrn« (Röm 16, 13), der jetzt Mitglied der Hauptstadtgemeinde war. Wie, wenn nicht durch eine persönliche Begegnung, war dieser Rufus »vom Herrn auserwählt« worden? Erlaubte sich Markus deshalb den dezenten Hinweis auf den Rufus und seinen Bruder Alexander, weil dieser den römischen Christen, seiner Zielgruppe also, persönlich bekannt war, weil er von Jerusalem nach Rom gegangen war? Dann aber muss das Markusevangelium tatsächlich, wie Clemens von Alexandria behauptete, in Rom entstanden sein.
Lange konnte man darüber streiten, wie zuverlässig die Traditionen und wie eindeutig solche Hinweise nun wirklich seien. Doch seit irgendwann vor 1947 Beduinen in einer der Höhlen von Qumran, oberhalb des Toten Meeres, die Fragmente antiker Schriftrollen fanden, weiß man Genaueres. Denn auf die Schatzsucher folgten seriöse Archäologen, die mit sehr viel größerer Sorgfalt Funde protokollierten und selbst kleinste Schriftrollenfetzen sicherstellten, um sie später gründlich zu untersuchen. Ein Papyrusfragment fiel dabei aus der Reihe. Es war nicht, wie fast alle anderen Qumran-Schriften, in hebräischer oder aramäischer Sprache verfasst, sondern in Griechisch. Ein zerbrochener Tonkrug, der direkt neben dem Fragment lag und einst zur Aufbewahrung von Schriftrollen diente, trug gleich zweimal die Aufschrift rym - die hebräische Schreibweise für »Rom«. Damit war offenbar die Herkunft seines Inhalts angezeigt. Die Sensation war perfekt, als der spanisch-irische Papyrologe José O'Callaghan den von den Archäologen nüchtern als 7Q5 (Fünftes Fragment aus der Höhle 7 von Qumran) katalogisierten Papyrusfetzen entzifferte - und als Fragment des Markusevangeliums (nämlich Mk 6, 52-53) identifizierte! Die Schriftrollen vom Toten Meer wurden im Jahre 66, beim Ausbruch des jüdischen Krieges, vor dem Aufmarsch der römischen Truppen in Sicherheit gebracht. Das Schriftbild des Fragmentes - der für das frühe 1. Jahrhundert so typische Zierstil - deutete sogar auf eine noch frühere Entstehung hin. »Nicht später als 50 n. Chr.«, erklärte der Experte, unterstützt durch den deutschen Papyrologen Carsten Peter Thiede.
(soweit M. Hesemann)
Entgegen den Behauptungen von Dan Brown fanden sich in den
Höhlen von Qumran nur alttestamentliche Schriften und
Ordensschriften der Essener, aber kein weiteres Evangelium
(bspw. das des Thomas, des Philippus oder der Maria Magdalena).
Die Qumranfunde sind also ein Hinweis auf eine sehr frühe
Beschränkung der ersten Christen auf die uns bekannten
Evangelien.
Daraus lässt sich schließen, dass das Markusevangelium vielleicht zum Apostelkonzil im Jahre 48 das Heilige Land erreichte. Bis dahin kannte man im Osten nur die Redensammlung des Matthäus, jetzt lag erstmals ein Bericht über die Taten Jesu vor. Das wird dazu geführt haben, dass ein findiger Christ sich ans Werk machte, beide Texte zusammenzufassen und durch die eine oder andere lokale Tradition zu ergänzen. Weil der Matthäus-Text der ältere und der Jesus-Jünger zudem die größere Autorität war, benannte man die Evangelien-Synthese nach ihm. Jahre später, wahrscheinlich um 62, verfasste der Grieche Lukas für seinen Gönner, den »hochverehrten Theophilus« (Lk 1, 3) eine Jesus-Biographie, das »Lukasevangelium«. Neben Markus und Matthäus standen ihm noch andere Traditionen speziell zur Geburt Jesu zur Verfügung, vielleicht hatte er auch mit Augenzeugen gesprochen. Johannes schließlich diktierte seine Erinnerungen erst nach dem Tod Petri in der Absicht, die bestehenden Texte zu korrigieren, zu ergänzen und zu interpretieren.
Dazu Eusebius von Caesarea: »Nachdem die zuerst geschriebenen Evangelien bereits allen und auch dem Johannes zur Kenntnis gekommen waren, nahm dieser sie, wie man berichtet, an und bestätigte ihre Wahrheit und erklärte, es fehle den Schriften nur noch eine Darstellung dessen, was Jesus zunächst, zu Beginn seiner Lehrtätigkeit, getan habe.« Zudem stellte er die Ereignisse in die richtige Reihenfolge. Markus hatte sie künstlich in einen Jahreslauf eingeordnet, während Johannes wusste, dass Jesus drei Jahre lang, von 28 bis 30 n. Chr., gewirkt hat.
Aber es ist schon korrekt, was Dan Brown schreibt: Es gab auch konkurrierende Evangelien; vermutlich sehr viel weniger als in "Sakrileg" behauptet. Die meisten alternativen Evangelien (je nach Zählung und Zeitraum können es bis zu 64 sein) entstanden viele Jahrhunderte später. Allerdings sind sie nicht vom "Vatikan" oder "Konstantin" ausgemerzt, vernichtet und verbrannt worden, sie liegen auch nicht in einem Geheimarchiv im Vatikan, sondern können in jeder Buchhandlung gekauft werden. Fragt einfach nur nach den "apokryphen Evangelien".
Die "Kanonbildung" war natürlich mit der Entstehung
der Evangelien nicht abgeschlossen; es gab noch lange heiße
Diskussionen, ob die Evangelien und in welchem Umfang zur
"Hl. Schrift" dazugehören. Auch die Apostel-Briefe,
die ja heute mit zur Bibel gehören, wurden diskutiert.
Lange Zeit gehörten auch die Briefe des Clemens (dem
Nachfolger des Hl. Petrus als Bischof von Rom), die Schrift
"Pastor Hermae", die Petrusapokalypse oder die Didache
mit zum Kanon.
Bezüglich der Anzahl der Evangelien war aber ziemlich
schnell klar (spätestens im Jahre 150 nach Christus,
wahrscheinlich viel früher), dass es nur die vier uns
bekannten Evangelien sein können. Lediglich das Thomas-
und das Petrus-Evangelium und die Paulusakten wurden in Betracht
gezogen, aber von den Gemeinden (!) nicht angenommen. Es gab
noch Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Evangelien
wirklich alle und in dem uns heute bekannten Umfang aufgenommen
werden sollten. Ganz sicher falsch ist die Auffassung, es
hätten ernsthafte Alternativen zu den vier Evangelien
bestanden.
Auch wenn Dan Brown damit schon ad acta gelegt worden ist, interessiert die Frage ja vielleicht doch: Wonach wurde ausgewählt? Warum wurden die "abgelehnten" Evangelien nicht akzeptiert?
Es gibt ein Bündel von Motiven für die Aufnahme bestimmter Schriften in den Kanon und die Ablehnung anderer Schriften, von denen aber keines allein völlig genügt. Zum einen ging es um die Wichtigkeit einer Schrift und um deren Alter. Außerdem hob die apostolische Verfasserschaft das Ansehen einer Schrift enorm (weshalb alle späteren Häretiker ihre Schriften einem Apostel zuschrieben). Außerdem war das Ansehen der Gemeinde, in der sich eine Schrift etabliert hatte, von Bedeutung; meist spielte es eine Rolle, ob die Gemeinde noch von den Aposteln selbst gegründet wurde und vielleicht sogar ein Apostelgrab in ihrer Mitte hatte.
Eines allerdings kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden: Das Neue Testament ist nicht durch Anordnung einer kirchlichen oder weltlichen Behörde entstanden. Das Neue Testament hat seinen Ursprung in den Gottesdiensten der einfachen Christen.