Suche: 

Neue Site - empfehlenswert! Ein Ableger der Karl-Leisner-Jugend: aktueller, kürzer, frischer und moderner: www.gut-katholisch.de.

Glauben? Ich ziehe es vor, zu wissen

»Glauben«, so heißt es immer wieder, »ist eben nicht wissen. Also, lass uns aufhören darüber zu diskutieren. Soll doch jeder glauben, was er will...«

Das ist eine Art Grundvoraussetzung für jede (aber auch wirklich jede!) Diskussion über Glaubensdinge. Glauben heißt soviel wie vermuten. Und vermuten kann eben jeder, was er will. Wenn einer glauben will, dass es morgen regnet, so soll er es ruhig. Vielleicht hat er recht. Zumindest darf man ihm das nicht absprechen.
Und wenn einer glaubt, das der 1. FC Bayern zum 28. Mal Deutscher Meister wird - so soll ihm dieser Glaube gelassen werden. Wissen kann das keiner.

Glauben ist eine Frage der Lebenseinstellung. Wenn jemand Optimist ist - soll er doch. Ist seine Entscheidung. Ist jemand Pessimist - naja, nicht mein Fall, aber dennoch sein gutes Recht.

Glauben ist eine Geschmacksache - und über Geschmack lässt sich nicht streiten. Den hat man, oder den hat man nicht. Und warum etwas mir "schmeckt", kann ich nicht begründen, das ist einfach so.

Glauben ist Gefühlssache. Wenn der Jedi-Ritter auffordert "Erforsche Deine Gefühle!", so kommt dabei dann Glauben heraus (entweder an die gute oder an die böse Seite der Macht). Aber die "Erforschung der Gefühle" ist eben etwas anderes als die Benutzung des Verstandes.

Gehen wir mit dieser Einstellung an die Religion, so kann sie vieles sein (Quelle der Freude, der Hoffnung und des Trostes) - aber eben keine Sache, über die man diskutiert. Und daran krankt dann jede Bewertung von Religion, Kirche und persönlicher Lebenspraxis.

Gut, dass diese Sicht komplett falsch ist.

 

 

PDF-Datei zum Drucken oder Download dieser Katechese

Diese Katechese ist auch als gedrucktes Heft (Nr. 046) erhältlich: Kostenlose Bestellung

Ein kleiner Glaubenstest

Wir kommen der Frage, was Glauben und Wissen eigentlich unterscheidet, sehr schnell nahe, wenn wir uns fragen, was wir sicher wissen und was wir nur glauben... machen wir also den Glaubenstest.

Frage Dich selbst: Welche von den folgenden Aussagen weißt Du - und welche glaubst Du nur?
  • Russland ist ein großes Land
  • Katzen sind Säugetiere
  • Menschen leben länger, wenn sie nicht rauchen
  • Gott hat die Welt erschaffen
  • Alkohol ist eine häufige Ursache für tödliche Verkehrsunfälle
  • Der Mond braucht 28 Tage, um einmal die Erde zu umkreisen
  • Meine Freundin ist vertrauenswürdig
  • Die Welt ist durch den Urknall entstanden
  • Heidi Klum sieht gut aus
  • Ich bin ein Kind meiner Eltern
  • Eine blaue Tasse ist niemals vollständig rot
  • Bienen sind Insekten
  • 1 + 1 = 2
  • Mahatma Gandhi war ein Inder
  • Vitamine sind gesund
  • Sport ist Mord
  • Gott hat die Welt nicht erschaffen, sie ist von alleine entstanden
  • Der Mond verursacht Ebbe und Flut
  • Tobias ist total bescheuert
  • Papageien können bis zu 80 Jahre alt werden
  • China ist ein Land
  • Alle gesunden Hunde haben von Geburt an vier Beine
  • Der zweite Weltkrieg begann 1939

Offensichtlich werden im Alltagsgebrauch die Begriffe "Wissen" und "Glauben" nicht in einem eindeutigen Sinne verwandt - ein ganz selbstverständliches Vorrecht der alltäglichen Sprache. Daher kommt es in der Bedeutung der beiden Begriffe oft zu Überschneidungen, die scheinbare Gegensätze produzieren. Während wir davon sprechen, dass wir wissen, dass es einen Berg namens "K2" gibt (obwohl keiner von uns diesen Berg jemals mit eigenen Augen gesehen hat), verweisen wir die Behauptung von Menschen, die von einem Ufo entführt worden sind, in das Reich des Glaubens - obwohl dort doch Augenzeugen das Gegenteil behaupten.

Offensichtlich ist es nötig, die verschiedenen Verwendungen der Begriffe näher zu umreißen, um dann exakter bestimmen zu können, was wir wissen, und was wir glauben.

Verschiedene Verwendungen des Worts "Glauben"

Am einfachsten fällt es uns zunächst, das Wortfeld Glauben näher einzuschränken. So begegnet uns der Begriff überwiegend im Sinne von vermuten, nicht sicher erwarten, die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses nicht einschätzen können.

  • Der naturwissenschaftliche Glaube: Wissenschaftler sprechen von einer Theorie, die unabhängige Daten in einen Sinnzusammenhang stellen, als von einer glaubwürdigen oder unglaubwürdigen Hypothese. Wissenschaftlicher Glaube bedeutet inhaltlich, eine Theorie als plausibel, einleuchtend und naheliegend erachten.

  • Definitionen: Letztlich kann nicht als gewusst bezeichnet werden, war wir lediglich als Definition akzeptieren. Ob "Belgien" existiert oder nicht, ist keine Frage der Beobachtung - in der Natur finden wir keine Ländergrenzen; Staaten werden festgelegt und benannt. Die Frage nach der Existenz einer Definition ist die Frage danach, ob diese Definition anerkannt ist. So gilt, dass jedwede weitere reine Etikettierung, bspw. in der Biologie oder Chemie, weder eine Frage das Glaubens noch eine Frage des Wissens ist - sondern seine Legitimation durch Übereinstimmung in der Begriffsbildung erhält.

  • Fremde Berichte: Außerdem bedeutet "Glauben", dass ich dem Bericht eines anderen einen Wahrheitsgehalt zuerkenne. Das gilt für den privaten Bereich genauso wie für die Wissenschaften - Forschern und ihren Berichten wird geglaubt; ein Einstein ist nicht selbst in den Urwald gezogen um eine Sonnenfinsternis zu beobachten, er vertraute aber den Angaben und Berichten.

Scheiden wir diese Bedeutungen für den zweiten Begriff Wissen aus, so kann nur das als gewusst bezeichnet werden, was ich aus eigener Anschauung erfahren habe, selbst erlebt oder gesehen, selbst vermessen oder gespürt, durch Experiment oder Beobachtung eigens überprüft hat. Allen anderen, die eine solche Erfahrung unmittelbar nicht gemacht haben, bleibt nur der Glaube, dass unser Bericht darüber gewissenhaft ist. Wir wissen außerdem rein logische Folgerungen aus hypothetischen Annahmen (zum Beispiel in der Mathematik), leisten aber damit keine Wirklichkeitsbeschreibung und verbleiben im Raum der Hypothese.

Wenn wir so streng vorgehen, dann verkehrt sich der Begriff "Wissen" in das Gegenteil: Im allgemeinen wurde der Begriff "Wissen über die Welt" gerade für Objektivität, Allgemeinverbindlichkeit und grundsätzlicher Anerkennung verwendet. Nach unseren Überlegungen ist Wissen (als das, was ich selbst erlebt und gesehen habe) nichts anderes als rein subjektives Erkennen (zudem behaftet mit dem Makel der möglichen Sinnestäuschung, fehlerhaften Erinnerung und interessengeleiteten Interpretation).

Somit ist der Schluss erlaubt, dass es Wissen in seiner alltäglichen Verwendung als untrügliches Erkennen nicht gibt; Wissen ist vielmehr ein Erkennen, dass sich durch nichts vom Glauben (in seinen unterschiedlichen Bedeutungen) und dem Anwenden von Definitionen unterscheidet.

Wissen und Glauben unterscheiden sich also nicht in einem absoluten, gegensätzlichen Sinne; vielmehr bezeichnen wir Erkenntnisse mit einer höheren Verlässlichkeit und allgemeineren Akzeptanz als gewusste Sachverhalte, dagegen sprechen wir von Glauben, wenn es sich um unsichere Erkenntnisse oder um persönliche, nicht objektivierbare Entscheidungen handelt.

Das wirft natürlich unsere ganze Mauer über den Haufen, die wir aus Scheinargumenten aufgebaut haben: »Ich will mit Dir nicht über Glaubensfragen diskutieren, das sind doch sowieso nur Vermutungen.« - Das geht nicht mehr, denn sogar die Behauptung, dass morgen die Sonne aufgehen wird, ist nur eine Vermutung (nichts, was in der Zukunft liegt, kennen wir aus eigener Anschauung, schon gar nicht der zukünftige Zustande unseres Sonnensystems). Die einzige Frage ist, wie sicher unsere Vermutungen sind.

Um die Frage zu klären, wie sicher die Behauptung "Es gibt Gott" ist, müssen wir allerdings nachdenken - tut mir leid, lieber Hippie, daran kommt keiner von uns vorbei. (Wer ein paar Gründe kennenlernen will, warum es sinnvoll ist, die Hypothese Gott zu akzeptieren, der schaue zunächst in die Katechese zu den Gottesbeweisen und dann in die kleine Sammlung von Indizien für die Existenz Gottes).

...das wusste auch schon Kant

Jaja - Immanuel Kant war ein kluger Mensch und ein hochgeachteter Philosoph... ...aber Philosophen reden oft so unverständliches Zeug. Kann Kant uns weiterhelfen (immerhin ist er schon lange tot!)?

Ja, er kann. Er hat nämlich etwas zu diesem Thema gesagt, was relativ einfach, klar und verständlich ist. Kant unterschied nicht nur Glauben und Wissen - sondern fügte noch ein Drittes hinzu: Das Meinen.

Meinen - Glauben - Wissen

Kant schreibt:

Das Fürwahrhalten, oder die objektive Gültigkeit des Urteils, in Beziehung auf die Überzeugung (welche zugleich objektiv gilt), hat folgende Stufen: Meinen, Glauben und Wissen. Meinen ist ein mit Bewusstsein sowohl subjektiv als objektiv unzureichendes Fürwahrhalten. Ist das letztere nur subjektiv zureichend und wird zugleich für objektiv unzureichend gehalten, so heißt es Glauben. Endlich heißt das sowohl subjektiv als objektiv zuriechende Fürwahrhalten das Wissen. Die subjektive Zulänglichkeit heißt Überzeugung (für mich selbst), die objektive Gewissheit (für jedermann)." (KrV B 850)

Mit anderen Worten:

Meinen (im Sinne von „Vermuten") ist nach Kant ein Fürwahrhalten, das sowohl subjektiv als auch objektiv unsicher ist. Wir sind genauso bereit, unsere Meinung aufzugeben, wenn uns jemand dazu Anlass gibt, als auch unsere Meinung in ein Glauben oder Wissen zu überführen (indem wir z.B. triftige Gründe für unsere Meinung entdecken, die uns zuvor unbekannt waren).

Ein Meinung ist zum Beispiel „Bayern wird Deutscher Meister" - das mag zwar der Wunsch einiger (aus meiner Sicht seltsamer) Zeitgenossen sein, aber es ist eine unsichere Prognose - jedes Jahr wieder, zumindest am Anfang der Saison.

Glauben ist nach Kant etwas, dass man zwar subjektiv sicher festhält, aber das ich nicht objektiv als solches erweisen kann. Während ich zum Beispiel ganz sicher weiß, was ich letzte Nacht geträumt habe, ist es mir definitiv unmöglich, darüber einen Beweis anzutreten - und somit ist jedes persönliche Ereignis, das nur im Verborgenen meines Subjektes geschieht, ein Gegenstand des Glaubens - nicht des Wissens.

Beispiel: Ich weiß persönlich (subjektiv) sehr wohl, was mir meine beste Freundin unter dem Siegel der Verschwiegenheit ins Ohr geflüstert hat. Da ich aber die einzige Person bin, die das Geflüsterte verstehen konnte, kann ich es niemanden aufweisen oder beweisen. Ich glaube meiner eigenen Erfahrung - kann aber keinen Anspruch auf Wissen erheben.

Wissen dagegen ist etwas, dass sowohl subjektiv sicher - als auch objektiv gesichert ist. Das ist - so gibt sogar Kant selbst zu - allerdings in ständigem Wandel, denn was als objektiv gesichert gilt, hängt von der Gesellschaft und der vorherrschenden Philosophie genauso ab wie von meinem eigenen Standpunkt in Politik, Religion und Welt.

Beispiel: Heutzutage gilt die Existenz des Elektrons als eine gesicherte (und somit objektive) Erkenntnis. Wenn ich auch persönlich von der Existenz dieses negativ geladenen Elementarteilchens überzeugt bin, dann verdient diese persönliche Überzeugung das Etikett Wissen. Noch vor 150 Jahren wäre die Überzeugung, es gäbe ein Elektron, lediglich als Glaube bezeichnet worden.


Will man Kants Definition von Meinen, Glauben und Wissen grafisch veranschaulichen, hilft vielleicht die folgende Tabelle:

 
...subjektiv...
...objektiv...
Meinen ist...
...nicht sicher
...nicht sicher
Glauben ist...
...sicher
...nicht sicher
Wissen ist...
...sicher
...sicher
Glauben heißt nicht-Wissen....?

Bisher war die entscheidende Frage, inwiefern sich „Glauben" von „Wissen" unterscheidet. Nun - der Übergang von Glauben und Wissen liegt nach Kant im objektiven - also nicht im persönlichen, subjektiven und von Vorlieben geprägten - Bereich.

Aber das macht die praktische Unterscheidung, was denn nun konkret lediglich Glauben und was bereits Wissen ist, nicht einfacher. Und das wusste auch schon Kant: Nach Kant können wir lediglich das logisch-mathematische als Gewissheit bezeichnen (und, so fügt der kluge Kopf hinzu, ebenfalls das Sittengesetz. Aber das ist hier nicht unser Thema). Mit anderen Worten:

Was als „objektiv" gesichert gilt, ist letztlich eine Frage der Konvention. Früher war für eine Gesellschaft das Wissen sehr viel weit gefasster: Die Überzeugung z.B., dass es einen Gott gibt, war selbstverständlicher Bestandteil der meisten Gesellschaften. Heute gilt oft nur noch das naturwissenschaftliche Überprüfbare als objektiv gesichert.

Aber selbst wenn für jeden einzelnen Menschen die Konvention der Gesellschaft ein gewichtiger Grund sein mag, sich selbst einer Sache sicher zu sein - es wird dennoch im Leben eines jeden Menschen immer eine subjektive Sicherheit über Dinge geben, die sich objektiv nicht beweisen lassen.

Ob Tante Gisela die Socken, die sie mir geschenkt hat, wirklich selber gestrickt hat, wird sich nicht objektiv beweisen lassen (vor allem, wenn Tante Gisela - Gott hab sie selig - schon von uns gegangen sein sollte). Das wird aber an meiner subjektiven Gewissheit nichts ändern.

Ob ich also im Kant'schen Sinne etwas weiß oder nur glaube, spielt für meine Überzeugung eine untergeordnete Rolle. Wenn wir Kants Definition zugrunde legen, unterscheidet sich für jeden Menschen persönlich vor allem das Meinen vom Glauben/Wissen. Denn der entscheidende Schritt wird vom unsicheren Fürwahrhalten (Meinen) zum sicheren Fürwahrhalten (Glauben bzw. Wissen) vollzogen. Ob ich das, was ich persönlich sicher weiß, auch noch für andere beweisen kann, dürfte für die eigene Überzeugung gar keine so große Rolle mehr spielen.

Tatsächlich können Überzeugungen, die subjektiv sicher sind, unter Umständen niemals bewiesen werden (wie z.B. meine Träume, Gefühle oder persönlichen Erfahrungen); andere subjektiv gewusste Überzeugungen kann ich vielleicht nur deshalb nicht beweisen, weil mir die Bildung, die sprachlichen Voraussetzungen oder einfach nur die Gelegenheit fehlt.
Wenn aber die Rechtfertigung meiner Überzeugung nur von Zufälligkeiten abhängt, spielen diese Umstände für meinen Überzeugungssicherheit keine entscheidende Rolle.

Daher ist es sehr viel angemessener, den Glauben nicht als „Nicht-Wissen", sondern viel zutreffender als „Nicht-mehr-nur-Meinen" zu bezeichnen.

Glauben heißt „nicht nur Meinen" - Die Wette

Ob ich allerdings etwas nur vermute („meine") - oder ob ich überzeugt bin („glaube"), ist ein himmelweiter Unterschied.
Aber dieser Unterschied ist fließender, als es zunächst scheint. Wann habe ich eine feste Überzeugung - und wann nur eine vorübergehende, im Grunde beliebige?

Kant hat sich auch darüber wieder Gedanken gemacht - und wieder ziemlich praktische Konsequenzen gezogen. Demnach ist der Prüfstein zwischen Meinen und Glauben die Wette. Jemand, der etwas nur meint, wird mit Sicherheit nichts oder nur Unbedeutendes auf seine Meinung wetten - im Gegensatz zu jemanden, der glaubt.

In dieser Hinsicht gibt es innerhalb des Glaubens selbst graduelle, fließende Unterschiede. Je nachdem, wieviel ich bereit bin auf meine Überzeugung zu wetten, kann man vom stärkeren oder schwächeren Glauben sprechen.

Dabei muss es nicht unbedingt die klassische Wette mit Wetteinsatz sein. Denn wirkliche Überzeugungen führen zu Entscheidungen und zu daraus folgenden Handlungen. Wenn ich bereit bin, schwerwiegende Entscheidungen und Handlungen mit größerer Tragweite auf meiner Überzeugung zu gründen, so kann sicherlich nicht mehr nur noch von Meinen, sondern muss auf jeden Fall von Glauben oder sogar festem Glauben gesprochen werden.

So kann es passieren, dass ich von einer Sache nicht so ganz fest überzeugt bin - sie aber von der Gesellschaft, in der ich leben, als gesichert angesehen wird - und man deshalb von Wissen sprechen sollte. Eine andere Überzeugung, die mir subjektiv sehr viel gewisser ist, mag aber von der Gesellschaft nicht unwidersprochen übernommen werden - und verdient daher nur die Bezeichnung Glaube.

Kant's Fazit

Fassen wir Kant zusammen: Glauben und Wissen unterscheiden sich nicht durch die persönliche Stärke der Überzeugung, sondern darin, ob die Überzeugung auch objektiv erwiesen werden kann oder als gesichert gilt. Demnach kann in besonderen Fällen der Glaube sogar subjektiv verlässlicher sein als das Wissen.

Auch wenn Glauben und Wissen in diesem Sinne unterschieden wird, ist eine eindeutige Zuordnung von Inhalten nicht möglich: Dazu ändern sich die Gewissheiten von Gesellschaft zu Gesellschaft, von Epoche zu Epoche, ja, sogar von Verein und Partei und Religion so stark, dass eine logisch einwandfreie Klärung nicht möglich ist.

Wesentlicher und klarer ist allerdings die Unterscheidung zwischen Meinen und Glauben. Während eine Person nicht bereit ist, auf seine Meinung zu wetten und darauf keine Entscheidungen zu gründen, ist der Glaube von Überzeugung gekennzeichnet - und kann Teile meines Lebens, ja, sogar mein ganzes Leben prägen - auch, wenn diese Überzeugung keine objektive Gewissheit erlangen kann.

Ich glaube an - Ich glaube Dir - Ich glaube, dass

Offensichtlich gibt es aber nicht nur die eine Bedeutung des Wortes Glauben im Sinne von "für wahr halten". Denn das wäre tatsächlich für den religiösen Glauben zu wenig. Bedenken wir folgende Aussagen:

  • Ich glaube, es gibt morgen Regen.
  • Ich glaube nicht, dass der Lehrer das merkt.
  • Das willst Du erlebt haben? Das glaube ich Dir nicht!
  • Okay, wenn Du das sagst, dann will ich Dir glauben.
  • Das schaffst Du schon! Ich glaube an Dich!
  • Herr Angeklagter, bei diesem guten Alibi muss ich Ihnen wohl glauben...
  • Ich glaub, ich spinne!
  • Ich glaube nicht an UFOs.
  • Ich glaube an meinen Mann, der tut so etwas nicht!
  • Ich glaube nicht, dass das eine Virus-Erkrankung ist. Das hat sicher psychische Ursachen.
  • Kommen Sie mir nicht mit "...das zahle ich Ihnen alles zurück, sobald ich genug Geld habe" ! Ich glaube nicht an Ehrlichkeit.
  • Ich habe den Glauben an das Gute im Menschen noch nicht verloren.

Drei Bedeutungen können wir daraus ableiten: «Ich glaube, dass», «Ich glaube Dir» und «Ich glaube an»

Ich glaube, dass...

...heißt, ich halte einen bestimmten Sachverhalt für (wahrscheinlich) zutreffend. Ich gehe davon aus, dass entsprechend der geprüften Glaubwürdigkeitskriterien (Autorität, Kohärenz, Erfahrung) die Aussage über den Sachverhalt mit der Wirklichkeit übereinstimmt.

Beispiel: Ein unbekannter Mitreisender im Zugabteil erklärt anhand zahlreicher Belege, dass die letzte Wahl in Timbuktu manipuliert war.

Beispiel: Nach dem ich den Spielfilm "JFK" gesehen haben, bin ich davon überzeugt, dass das Attentat auf J. F. Kennedy nicht vom vermeintlichen Attentäter L. H. Oswald verübt worden ist.

Ich glaube jemandem...

...heißt, das für wahr zu halten, was mir der Betreffende sagt. Ich vertraue dem Inhalt seiner Rede, weil der Inhalt den Glaubwürdigkeitskriterien entspricht.

Beispiel: Ein Schüler wird vom Lehrer darüber aufgeklärt, dass ein Quadratmeter 10.000 cm² beinhaltet. Er hatte bis jetzt immer geglaubt, es seien nur 100 cm².

Beispiel: Ein Besucher einer Rennbahn erfährt von einem Insider, dass das Pferd mit der Nummer 7 das Rennen nicht gewinnen wird, weil es eine leichte Verletzung hat.

Ich glaube an jemanden...

...heißt, sich von einer Person (in bestimmter Hinsicht) abhängig zu machen. Ich vertraue dem Betreffenden meine eigene Person (in bestimmter Hinsicht) an, weil der Betreffende den Glaubwürdigkeitskriterien entspricht.

Beispiel: Ein Kind vertraut dem Vater, der ein guter Zirkusartist ist, dass er bei der Übung am Trapez das Kind sicher auffangen wird.

Beispiel: Ein Mädchen erfährt von ihren Freundinnen, dass ihr Freund sie betrügt und ihr nur etwas vormacht. Sie besteht aber darauf, dass sie ihm das nicht zutraut und hält weiterhin zu ihm.
Das würde für den religiösen Glauben an Gott bedeuten

Ich glaube, dass Gott existiert..

...heißt, ich halte die Existenz Gottes für (wahrscheinlich) zutreffend. Ich gehe davon aus, dass entsprechend der geprüften Glaubwürdigkeitskriterien (Autorität, Kohärenz, Erfahrung) Gott in der Wirklichkeit existiert.

Ich glaube Gott...

...heißt, das für wahr zu halten, was mir Gott mitteilt (evtl. vermittelt durch die Bibel oder die Kirche). Ich vertraue seiner Rede, weil sie vernünftig und weil Gott gut ist.

Ich glaube an Gott...

...heißt, ich mache mich (in einer bestimmten Hinsicht) von Gott abhängig. Ich vertraue ihm meine eigene Person (in bestimmter Hinsicht) an, weil Gott gut und allmächtig und deshalb vertrauenswürdig ist.

Das sind wirklich drei ganz verschiedene Dinge: Zu glauben, dass Gott existiert (1. Version), hat noch nichts mit dem Glauben eines Christen zu tun. Auch Satanisten glauben, dass es Gott gibt - sie halten Gott allerdings für langweilig, anstrengend und schwächlich. (Auch der liebe Anakin Skywalker weiß, dass es die gute Seite der Macht gibt - aber die dunkle Seite der Macht verspricht ihm mehr Fähigkeiten, mehr Macht und schnelleren Erfolg).

Ich glaube Gott (2. Version) ist immerhin ein Glaube im Sinne der Kirche - dort finden sich also Menschen zusammen, die nicht nur an die Existenz Gottes Glauben, sondern auch an seine Offenbarung. Ihre Sicht der Welt, des Menschen, die Auffassung von Gut und Böse und die Zukunft decken sich - sie bilden eine Kirche oder eine kirchliche Gemeinschaft. Aber genau genommen ist das noch immer nicht das, was den eigentlichen Kern des christlichen Glaubens ausmacht.

Erst das Bekenntnis "Ich glaube an Gott" (3. Version) ist ein wirklicher Glaube im christlichen Sinne: Ich vertraue Gott, ich baue mein Leben auf ihn, ich mache mich von ihm und seiner Verheißung abhängig. Eine solche Entscheidung ist eine ganz persönliche Glaubensentscheidung, die von niemanden erzwungen werden darf.

Fazit: Worüber wir reden können
Worüber können wir nun diskutieren?

Uuups - haben wir da ein Eigentor geschossen? Am Anfang habe ich doch gesagt, wer weiß, was Glauben wirklich bedeutet, der kann sich einer Diskussion nicht entziehen mit dem Scheinargument: "Das weiß doch keiner so genau..." Und nun haben wir erkannt, dass die Hochform des Glaubens eine persönliche Entscheidung des Vertrauens ist. Das kann dann doch nur bedeuten, dass wir darüber eben nicht diskutieren können! (Wenn ein Mann beschließt, seiner Frau bedingungslos zu vertrauen, sie zu lieben und sich von ihr abhängig zu machen, dann kann man darüber doch nicht diskutieren!)

Nein, das nicht. Aber die beiden Stufen davor (Version 1 und 2) sind ja nicht ausgeschaltet. Sie sind zwar noch nicht der eigentliche Glaube, aber dennoch notwendig. Es wäre ja auch ziemlich behämmert, einem Gott voll und ganz zu vertrauen, von dem man annimmt, dass er gar nicht existiert.

Es ist also notwendig, zunächst ernsthaft zu überlegen, ob es einen Gott gibt - und wenn ja, wie dieser Gott ist. Darüber können wir nicht nur diskutieren - wir müssen es sogar, wenn wir die Welt außerhalb unseres Kopfes ernst nehmen wollen.
Außerdem ist es wichtig, zu fragen, was dieser Gott uns denn sagt. Die Religionen unterscheiden sich zwar nicht in der Annahme, dass es einen Gott gibt - aber die Götter der verschiedenen Religionen stellen sehr unterschiedlicher Forderungen, haben ganz verschiedene Botschaften. Glauben wir das, was Gott uns (vermittelt) durch eine bestimmte Religion ausrichten lässt? Auch darüber müssen wir diskutieren, wenn wir die Entscheidung, dass es einen Gott gibt, auch ernst nehmen wollen.

Aber auch über die Dritte Entscheidung, diesem Gott ganz und gar zu vertrauen, können wir uns austauschen. Wir können eine Liebe nicht durch Argumente erzeugen (weder die Liebe zu einem Menschen noch die Liebe zu einem Gott). Aber wir können sehr wohl die Frage stellen, ob es denn angemessen ist, diesem Gott (oder diesem Menschen) in diesem Maße zu vertrauen.

Vertrauen

Letztlich läuft das alles auf die Frage hinaus, wieviel Vertrauen ich bereit bin, zu investieren. Das gilt nicht nur für den an Gott Glaubenden, sondern auch für den Wissenschaftler, den Richter und den Ehepartner.
Auch der Wissenschaftler muss seinen Daten trauen, er muss darauf vertrauen, dass die Wirklichkeit so funktioniert, wie er annimmt. Er vertraut den Forschungsergebnissen seiner Kollegen genauso wie den Angaben in den Büchern der Fachliteratur. Der Richter traut seinem Erfahrungen in der Bewertung der Glaubwürdigkeit bestimmter Zeugen, er vertraut den Gutachten der Spezialisten und den Ermittlungen der Polizei. Der Ehepartner traut den Liebeserklärungen genauso wie seinen eigenen Gefühlen, er hört mehr (oder weniger) auf die Einschätzungen seiner engsten Freunde und den Erfahrungen anderer Ehepaare. Der an Gott Glaubende vertraut einer Religionsgemeinschaft, den Berichten von Gebetserfahrungen und Wunder, seinem Verstand und den Dingen die er sieht.

Der Unterschied zwischen den sogenannten "harten" Fakten und den "geglaubten Wahrheiten" ist viel geringer, als man gemeinhin glaubt: Für alles das braucht man ein Grundvertrauen in seine Wahrnehmung und in die Erfahrungsberichte anderer - da gibt es keinen Unterschied zwischen Religion und Wissenschaft.
Wenn es einen wesentlichen Unterschied gibt, dann ist es dieser: Mit den einfachen Fakten der Naturwissenschaften können wir uns diese Welt einrichten. Mit den tieferliegenden Fakten des Glaubenden können wir uns über diese Welt erheben - sogar dann noch, wenn diese Welt längst nicht mehr ist.

Möchtest Du mir schreiben? Für diese Katechese ist Peter verantwortlich.