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KARL-LEISNER-JUGEND |
Richard Dawkins: der Gotteswahn
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Richard Dawkins schreibt auf allen geistigen Ebenen gleichzeitig (auch auf den geistigen Ebenen, die man nur noch schwerlich als wahrhaft geistig bezeichnen würde):
Eigentlich soll es ja ein philosophisches Buch sein, denn Dawkins möchte dem Gottesglauben ein für alle mal den Boden entziehen - und damit jede Religion, unterschiedslos, beiseite legen. Nennen wir diese grundlegende Absicht „Level-1".
Aber bevor er das tut (und auch, nachdem er es versucht hat), stellt er die Religionen mit ihren jeweiligen Inhalten dar. Diese Ebene - die sich nicht mehr mit der Existenz Gottes beschäftigt, sondern mit den Ausformungen der Religionen - wollen wir „Level-2" nennen.
Auf „Level-3" befinden sich dann nicht mehr grundlegende Betrachtungen zu den Religionen, sondern einzelne - aber öffentlich bekannte - Kritikpunkte.
Z.B.: Episoden und Ereignisse (z.B. der Karikaturenstreit zwischen „dem" Islam und Dänemark - sicherlich ärgerlich, aber keineswegs typisch für die ganze islamische Religion - S. 39ff), konkrete Urteile (z.B. des 12-jährigen James Nixon, S. 38), bestimmte Autoren (R. Swinburne S. 93) oder Gedichte und Kirchenlieder (von denen wir ja wissen, dass sie sehr unterschiedlicher Qualität sein können - und oft wirklich sind! - z.B. S. 244, 324, 339f, 358) - usw.
Auf dem „Level-4" befinden sich zahlreiche Erzählungen aus dem privaten Fundus des Richard D.
Zum Beispiel Streitgespräche („Forderte ich meinen Freund heraus... er sollte zugeben, dass sein Judentum genau diesen Charakter hat... um ein Haar hätte er dies zugestanden... Als ich ihn in die Enge trieb..." - S. 26). Oder Wortwechsel, die aus Fernseh-Sendungen herausgeschnitten wurde („Sie sollten in der Hölle braten" - S. 93).
Dawkins bezeichnet diese Reaktionen und Anekdoten zwar als „typisch"; aber dieses Etikett allein ersetzt keine Argumente - im Gegenteil, es schwächt jeden Gedankengang. Vor allem, wenn Dawkins ein Erlebnis nicht nur als „typisch", sondern sogar als „verdammt typisch" bezeichnet (S. 93) - womit wir Level-6 vorweggenommen haben.
Auf dem „5. Level" finden sich spitze Bemerkungen, die wie das Salz in der Suppe dem Buch überhaupt erst Geschmack und Reiz geben...
Seite 86f: „Ich stelle mir vor, dass das ganze Getue (die Wunderprozesse bei Heiligsprechungen) auch den gebildeteren Kreisen innerhalb der Kirche peinlich sein muss. Warum es in der Kirche überhaupt Kreise gibt, die die Bezeichnung „gebildet" verdienen, ist ein mindestens ebenso großes Rätsel wie die, an denen die Theologen ihre Freude haben".
Nehmen wir einmal an, die „Gotteshypothese" sei eine wissenschaftliche Gegentheorie zur Evolutionstheorie. (Ich bin da zwar anderer Meinung, aber Dawkins geht davon aus.) Was ist dann von einem Wissenschaftler zu halten, der ein angeblich wissenschaftliches Buch gegen eine konkurrierende Hypothese schreibt und den Forscher im konkurrierenden Institut ihre Bildung abspricht? Dawkins mag vieles sein - aber auf Level-5 ist er sicher kein nüchterner oder fairer Denker mehr.
Oder in der Anmerkungen auf S. 115, in dem er erzählt, dass der Philosoph A. Flew sich zum Glauben an einen Gott bekehrte. Am Ende fragt er (weil Flew einen theistischen Preis annimmt), ob „Flew weiß, dass er benutzt wird?"
Auf dem „Level-6" finden sich nur noch einzelne Worte - es handelt sich um „Entgleisungen im Vokabular".
Anders kann es nicht mehr gedeutet werden, von Dawkins gegnerische Positionen als infam, perfide, heuchlerisch, oder als „süßliche Übelkeit" (S. 46) bezeichnet;
oder Mutter Teresa (wegen ihrer Ablehnung zur Abtreibung) als „scheinheilig-heuchlerisch" abqualifiziert (S. 406);
oder immer wieder von der „christlichen" oder „amerikanischen Taliban" spricht (z.B. S. 407)
Auch Wortfetzen wie „christlich-faschistisch" (S. 407) gehören in diesen Level..
Mag sein, dass wir bei genauerer Betrachtung sogar auf 42 Level kommen (als Hommage an Douglas Adams), aber wir wollen uns mit diesen 6 Ebenen begnügen...
Es ist klar - auf Level-5 und 6 kann es keine Antwort geben. Es reicht, darauf hinzuweisen, dass das wissenschaftliche, beschreibende Vokabular über ganze Passagen aufgegeben wird durch wertende, subjektives Missfallen und Verachtung ausdrückende Worte und Wendungen.
Es wäre in Ordnung, wenn Dawkins die Gottesvorstellung des Alten Testamentes als primitiv ablehnt. Aber diese Vokabel benutzt er nicht, sondern bezeichnet Gott als „die unangenehmste Gestalt in der gesamten Literatur" (S. 45). Nun, unangenehm ist subjektiv und unterschreitet die Grenze einer objektiven Abhandlung. Aber es geht noch weiter: Jahwe sei „eifersüchtig - und noch stolz darauf; ein kleinlicher, ungerechter, nachtragender Überwachungsfanatiker; ein rachsüchtiger, blutrünstiger, ethnischer Säuberer; ein frauenfeindlicher, homophober, rassistischer, Kinder und Völker mordender, ekliger, größenwahnsinniger, sadomasochistischer, launisch-boshafter Tyrann." (S. 45) Ist (z.B.) eklig eine Vokabel der Biologie? Der Philosophie? Oder der Demagogie?
Wer so schreibt, gesteht ein, dass er seinen Argumenten allein nicht traut. Er will die Leser und Zuhörer auf seine Seite ziehen (vielleicht sogar prügeln?). Nicht überzeugen.
In dieser Katechese muss ich mich immer wieder zurückhalten, um nicht auf Aussagen des 4. Levels zu reagieren. Es ist aber auch zu reizvoll, und die Gegenargumente zu Dawkins' Erzählungen liegen immer schon auf der Zunge (bzw. jucken in den Fingern über der Tastatur)...
Natürlich bekommt Dawkins die gehässigen Briefe aus der religiösen Ecke und lobende Briefe aus der atheistischen Szene (S. 292). Aber heißt das, dass die religiösen Menschen gehässiger sind und die atheistischen freundlicher? - Bei den eMails an die Autoren unserer Homepage ist es genau umgekehrt.... Offensichtlich sind die Schlüsse, die wir aus persönlichen Erfahrungen ziehen, nur selten wirklich verallgemeinerbar.
Und selbst, wenn es mehr religiöse Spinner geben sollte als atheistische Idioten - was sagt das aus?
Das Suggestive an Dawkins „Roman" (auf Level-4 ist es wirklich eher ein Roman als ein Sachbuch) liegt genau auf diesem Level. Dawkins erzählt vergnügt vor sich hin, welche religiösen Spinner es gibt, welche Tricks die Templeton Foundation anwendet, wer sich wo im Ton vergriffen hat, wo Tony Blair eine seltsame Schule gegründet hat...
...und wenn man sein Buch zu Ende gelesen hat, entfährt einem der Seufzer „Gottseidank bin ich Atheist!" Dass dieses allerdings noch keine Argumentation ist, sondern eher Agitation, wird leicht übersehen. Immerhin gibt es zweifelhafte Charaktere sowohl im religiösen Lager als auch bei den Atheisten (wo es davon mehr gibt - oder weniger - ist immer noch kein Argument).
Niemanden soll die Freiheit genommen werden, ein Buch zum Glauben oder zum Atheismus auf dem demagogischen Level-4 zu schreiben. Aber es ist dann eben kein Sachbuch, schon gar kein wissenschaftliches Werk - vom natur-wissenschaftlichen gar nicht erst zu reden. Wer jedoch als (Natur-) Wissenschaftler schreibt und als solcher ernst genommen werden möchte, sollte solche Ausfälle, wie sie Dawkins auf Level-4 (häufig) passieren, spätestens vom Verlags-Lektor streichen lassen.
Schließlich ist dieser Level eher unter „Meinungsmache" einzuordnen und unterläuft das Versprechen des Herrn Dawkins, endlich mit Vorurteilen, Ängsten, Meinungsmachern und gefühlten Intuitionen aufzuräumen.
So hinterlässt diese billige Ebene des Buches einen mehr als faden Beigeschmack. Aber viele Leser trösten sich damit, dass es ja noch die deutlich seriöseren anderen drei Level gibt...
"Level-3" wird populär als „Kirchenkritik" verstanden - auch, wenn sie es im Grunde gar nicht ist. Wer über die Inquisition, die Hexenverbrennungen, die Kreuzzüge oder die sexfeindlichen Äußerungen vormittelalterlicher Theologen seine Ablehnung zur Kirche begründet, mag das mit großer Zustimmung der Kollegen vom Stammtisch oder Sportverein tun - aber wirklich aussagekräftig ist das nicht. Auch eine sündige Kirche kann einen wahren Glauben verkündigen.
Während Level-2 deutlich zu machen versucht, dass die Religionen falsche Glaubensvorstellungen haben, begnügt sich Level-3 mit der Enthüllung und Entdeckung der „Leichen im Keller" der Religionen.
Zum Beispiel begnügt sich die Kirchenkritik auf Level-3 damit, auf die Hexenverbrennungen zu verweisen und sie den Kirchen bzw. den Christen in die Schuhe zu schieben. Gelingt das, ist auf diesem Level die Kritik gelungen.
Level-2 dagegen versucht deutlich zu machen, dass die Hexenverbrennung nicht nur ein moralisches Vergehen der Kirche gewesen ist, sondern Konsequenz eines falschen Glaubens. Ja, dass der Glaube der Christen notwendigerweise zur Hexenverfolgung geführt hat - z.B. durch den Glauben an einen Teufel.
Hier sind wir auf dem eigentlichen Feld der Kirchenkritik - allerdings immer noch nicht dort, wo Dawkins eigentlich hin will. Denn wer die Unsinnigkeit aller Religionen nachweisen könnte, hätte immer noch keinen einzigen Punkt gegen Gott gemacht.
Natürlich will Dawkins hier auch nicht wirklich punkten. Er erkennt sehr wohl, dass diese Ebene zwar publikumswirksam ist, aber für seine eigentliche Argumentation nicht ausreicht. Dennoch begibt er sich auf dieses Minenfeld - und scheitert. Weil er in vielen Bereichen keine Ahnung vom tatsächlichen Glauben der Religionen hat.
Den Katholizismus als verkappten Polytheismus zu bezeichnen, ist schon peinlich (S. 51). Natürlich gibt es bei uns Katholiken mehr Heilige als Götter im alten Griechenland. Aber wer so lapidar über eine ihm fremde Religion urteilt, sollte doch zumindest nachgefragt haben, ob die Katholiken nicht selber einen Unterschied sehen zwischen Gott und Maria.
Auch die Frage, wie zuverlässig die biblischen Berichte der Evangelien sind, offenbart wenig theologisches bzw. exegetisches Wissen. Dawkins hat keine Ahnung von der Entstehungszeit der Evangelien (S. 130), der modernen Textkritik (S. 131), der Harmonisierung der Evangelien (S. 131), Der Kindheitsgeschichte Jesu (S. 131f), den späteren Evangelien (S. 134), dem Unterschied zwischen dem Thomas- und dem Jakobus-Evangelium, die er verwechselt (S. 135) - und so weiter.
Dabei hätte Dawkins diese Überlegungen alle gar nicht anstellen brauchen; denn es geht schlicht um die Frage, wieso wir der Bibel glauben. Wenn es die Bibel selbst ist, die uns zum Glauben auffordert, dann ist die Frage geklärt: Das wäre ein Zirkelbeweis. Wenn es aber außerbiblische Gründe sind, die eine Glaubwürdigkeit nahe legen, dann spielen auch Ungereimtheiten (von denen es deutlich weniger gibt, als Dawkins glaubt) keine entscheidende Rolle.
Endlich! Ja, es gibt bei Dawkins auch diese Ebene - die eigentliche, wie er selber sagt. Im Grunde kündigt er sie nur für zwei Kapitel an: Im Kapitel 3, wo er sich mit den angeblichen Beweisen für die Existenz Gottes auseinander setzt - und in Kapitel 4, wo er seine eigenen Gegenargumente vorbringt.
Selbst in diesen beiden Kapiteln müssen noch eine ganze Menge „Level-2-6"-Müll abgezogen werden, so dass aus dem dicken Wälzer („Gotteswahn") nur noch ein kleines Heftchen bliebe („Gotteswähnchen").
Ich möchte nun im Folgenden ein paar Bemerkungen und auch Antworten auf die von Dawkins vorgebrachten Einwände geben.
Schon das erste Kapitel und somit der Einstieg in das Buch „Gotteswahn" ist Programm: Sein knapper, aber guter Inhalt wird durch zahlreiches Füllmaterial aus den Level-3-6 aufgebläht. Es finden sich Anekdoten, scheinbar „entlarvende" Äußerungen von Rabbinern, Katholiken und sonstigen Theisten, die typischen spitzen Bemerkungen usw.
Aber das, was Dawkins eigentlich an Inhalt anführt, ist nicht schlecht. Seine Unterscheidung zwischen Theismus, Deismus, Pantheismus und Atheismus ist gut, präzise und hilfreich:
"Pantheismus ist aufgepeppter Atheismus, Deismus ist verwässerter Theismus." (S. 32).
Albert Einstein, so stellt Dawkins fest, war eher Pantheist mit einem Hang zum Atheisten. Zitate wie „Gott würfelt nicht", „Gott ist raffiniert, aber boshaft ist er nicht" oder „Hatte Gott eine Wahl, als er da Universum erschuf?" sind auf keinen Fall theistisch oder deistisch zu interpretieren. Warum Dawkins für diese Erkenntnis allerdings 15 Seiten braucht, bleibt sein Geheimnis.
Dass er aber darüber hinaus die oft peinlichen Reaktionen von Theisten, die Einstein deswegen Vorwürfe gemacht haben, so ausführlich zur Sprache kommen lässt, hat Methode. Allerdings benimmt sich Dawkins auch nicht besser als die Gegner Einsteins: Diejenigen, die sich vom Atheismus abwenden, bekommen von ihm die gleichen Argumente zu hören (siehe seine Anmerkung auf S. 115)
Unter der Überschrift „Unverdienter Respekt" stellt Dawkins nun ausführlich dar, dass die Religion in unserer (d.h. vornehmlich in der amerikanischen) Gesellschaft und Rechtsprechung bevorzugt wird. Selbst, wenn Dawkins nicht aus einem eingeschränktem Blickwinkel argumentierte, sondern wirklich unvoreingenommen wäre - was hat diese Frage mit der Frage nach Gott zu tun?
Immerhin gab es Zeiten (in der französischen Revolution, aber auch in den Akademien der Wissenschaften im 18. und 19. Jahrhundert), in denen es genau umgekehrt war. Es wäre absurd daraus zu schließen, dass damals die Existenz Gottes vernünftiger oder zumindest wahrscheinlicher gewesen wäre.
Vermutlich will Dawkins nur an den verletzten Stolz der Atheisten appellieren und ihnen Mut machen. Jeder ideologischen Gruppe tut es gut, wenn sie sich von der Gesellschaft ungerecht behandelt fühlt. Das gilt übrigens auch für Christen und Kreationisten.
Wie bereits oben erwähnt, fügt Dawkins am Schluss das Kapitels den Karikaturenstreit zwischen „dem" Islam und Dänemark an. Wie so oft vermengen sich hier Religion und Politik (Level-4). Wer will aber behaupten, dass die Religion die Politik instrumentalisiert und nicht umgekehrt? (Nur in diesem Fall? Level-3. Oder tut der Islam das grundsätzlich? Level-2) Und selbst, wenn der Islam wirklich so schlecht wäre (man beachte den Konjunktiv!): Es täte nichts zur Sache. (Berührt nicht Level-1).
Auch im ersten Abschnitt des zweiten Kapitels ist der eigentlich Inhalt in einem Satz wiedergegeben: „Mag sein, dass der Monotheismus höher angesetzt wird als der Polytheismus (warum eigentlich?) - Ich will jeden Theismus widerlegen". Das ist kein Zitat, weil Dawkins sich nicht zu kurz fassen will. Es entgehen ihm sonst gute Gelegenheiten, Spitzen auf den geistig minder bemittelten Leveln 3-6 anzubringen. Aber eigentlich steht nicht mehr in diesem Kapitel drin.
Dawkins beginnt mit einer beispielhaften Kanonade von „Level-6"-Spitzen (auf Seite 45), um den Gott des Alten Testamentes zu beschreiben. Natürlich kann er dieses niedrige Niveau nicht lange halten, aber um die Leser vorübergehend zu fesseln, reicht es. Vielleicht tut es Dawkins auch einfach nur gut, mal Dampf abzulassen.
Dass Dawkins im Christentum - zunächst in der Dreifaltigkeit - einen verkappten Polytheismus sieht (S. 49), rückt ihn in eine seltsame Nähe zu den Zeugen Jehovas. Aber vermutlich ist es noch nicht einmal Unwissenheit, sondern nur der Versuch, eine weitere Pointe anzubringen. Von den zitierten Texten auf S. 45 - die allesamt allgemeinverständliche Theologie sind -, versteht Dawkins allerdings kein Wort. Aber immerhin gibt er es zu. Das ist nett.
Schon fast witzig ist die Aufzählung der ULFs auf Seite 51. Warum hat dem Papst beim Attentat auf ihn am 13. Mai 1981 „Unsere Liebe Frau von Fatima" geholfen? Und nicht die von Lourdes, Guadeloupe, Medjugorje, Akita... etc.? (Dass Dawkins sogar Medjugorje erwähnt, zeigt, dass er hier „katholischer ist als der Papst", der diesen Wallfahrtsort ja noch gar nicht anerkannt hat.) - Die Antwort auf seine Frage sucht Dawkins allerdings erst gar nicht - dabei ist sie überall nachzulesen: Johannes Paul II. führte seine Rettung auf Maria zurück - in Verbindung mit Fatima -, weil das Attentat im 3. Geheimnis von Fatima angekündigt wurde und zudem an einem 13. Mai stattfand (den Erscheinungstagen in Fatima). Mit einer Arbeitsteilung zwischen den ULFs hat das auf jeden Fall nichts zu tun.
Wiederum sehr schön - wenn auch für den weiteren Gedankengang unwichtig - ist die Unterscheidung zwischen einem „vorübergehend pragmatischen Agnostizismus" (VPA) und einem „prinzipiellen permanenten Agnostizismus" (PPA). Wer diesen Abschnitt (S. 68 - S. 74). aufmerksam liest, kann sich sogar über die diesmal nur wenigen Spitzen aus Level-5 und 6 freuen.
Noch bevor Dawkins zum nächsten Thema - NOMA - überwechselt, mach er jedoch eine entscheidende Aussage:
Satz 1 - Bitte merken!
„Entscheidend ist nicht, ob Gottes Existenz widerlegbar ist (das ist sie nicht), sondern ob sie wahrscheinlich ist." (Seite 77f).
Warum das eine sooo wichtige Aussage ist, erfahren wir später. Aber vorläufig sagen wir erst einmal Danke, Dawkins!
Das NOMA-Kapitel (ab S. 78) ist - dank Dawkins - eine wunderbare Gelegenheit, ein riesengroßes Missverständnis zu beseitigen.
Denn die Erfindung des NOMA - „non-overlapping magisteria" (nicht überlappende Wissensbereiche) - ist tatsächlich ein Ausweichmanöver mancher Theologen (z.B. Karl Rahner oder R. Bultmann) und einigen Naturwissenschaftler. Wir haben es bereits in anderen Katechesen beschrieben (anstelle von „NOMA" haben wir es „vollständige Disjunktion der Wissensbereiche" genannt).
Natürlich hat jede Wissenschaft ihre eigene Methode und ihren eigenen zu erforschenden Wirklichkeitsbereich. Daher müssen Aussagen immer auch auf dem jeweiligen Hintergrund verstanden werden. Wer aber glaubt, Naturwissenschaft und Theologie (oder auch Technik und Philosophie - oder Poesie und Informatik) können sich prinzipiell nie widersprechen (das behauptet NOMA), der hat die Wirklichkeit selbst halbiert. Wir haben zwar verschiedene Wissenschaften, aber doch nur eine Wirklichkeit.
Dass es tatsächlich Theologen gibt - sogar innerhalb der katholischen Kirche - die NOMA vertreten, gehört in den Level-3.
Dass sogar die katholische Kirche das Konzept des NOMA ablehnt, wird von Dawkins zumindest zögernd eingestanden. (S. 86) - Aber auch diese Feststellung, dass es zumindest die katholische Kirche gibt, die NOMA ablehnt, gehört auch nur in Level-2. (Auch wenn Dawkins diese Offenheit der katholischen Kirche nur mit der Wundergläubigkeit der Katholiken erklärt: Wunder sind nur dann Wunder, wenn sie auch naturwissenschaftlich festgestellt werden können.)
Übrigens: Die Wunder als Gottesbeweis fehlen verblüffenderweise vollständig in Dawkins' Gotteswahn. Seltsam.
Aber wenn wir davon ausgehen, dass Dawkins und die katholische Kirche in ihrer Ablehnung der NOMA die Wirklichkeit korrekt beschreiben, haben wir tatsächlich eine Aussage zu Level-1.
Soweit hat Dawkins mit seiner Ablehnung von NOMA recht. Danke, Dawkins!
Aber deshalb die Existenz Gottes zu einer naturwissenschaftlichen Frage zu machen, ist dann doch etwas zu vereinnahmend. Natürlich können die Naturwissenschaften zu dieser Frage einen Beitrag leisten - wie überhaupt zur Theologie.
Ob Jesus gelebt hat, ist eine historisch zu klärende Frage (ob das noch in den Bereich der Naturwissenschaften gehört, mögen die Historiker mit Dawkins diskutieren). So hat auch die Behauptung der Jungfrauengeburt eine historische Komponente, ebenfalls die Wunder Jesu und die Auferstehung.
Falls sich das eine oder andere davon naturwissenschaftlich oder historisch widerlegen lassen könnte, hätte das eklatante Auswirkungen auf die Theologie. Das alleine entkräftet schon das Konzept der NOMA.
Aber sie können die Gottesfrage selbst nicht entscheiden. Denn wenn alle möglichen Eingriffe Gottes in diese Welt widerlegt wären (warum, so frage ich erneut, geht Dawkins dieser Frage nicht nach?), befänden wir uns immer noch auf Level-2 - wir hätten die Religionen (vor allem die christliche Religion) widerlegt. Aber nicht die Existenz Gottes.
Da nutzt es auch nichts, dass Dawkins sagt, diese Welt sähe anders aus, wenn es einen eingreifenden Gott gäbe. Vielleicht sieht ja auch dieser Gott anders aus, als Dawkins annimmt?
Wenn Gott - wie Dawkins gleich definieren wird - nur dann „Gott" genannt werden kann, wenn er kein Teil dieser Welt ist (wie zum Beispiel irgendwelche Aliens eben gottähnlich sind, aber eben nicht Gott sind), dann kann Gott auch nicht Gegenstand einer Wissenschaft sein, die sich auf die Dinge der Natur beschränkt.
Für diese Unterscheidung („Jeder Wissenschaft ihr eigene Wirklichkeit (NOMA)?" Nein! - „Jeder Wissenschaft ihre eigenen Grenzen?" Ja!) danken wir an dieser Stelle Dawkins ausdrücklich.
Überschlagen wir dieses Kapitel getrost. Mag sein, dass sich Dawkins dieses Experiment nur deshalb ausgesucht hat, weil es für ihn positiv ausgeht. Wäre es anders gewesen, hätte es aber auch keine besonders große Aussagekraft.
Ich wiederhole lediglich: Wenn Dawkins nach Spuren des Übernatürlich-Wirkenden in unserer Welt sucht, warum dann nicht die bekannten Wunder? Die Heilungen (bestens dokumentiert z.B. in Lourdes), die Unverweslichkeiten (z.B. der Bernadette von Lourdes, des Pfarrer von Ars, etc.), die Permanenz z.B. des Bildes in Guadeloupe... etc. Warum, Dawkins, darüber kein Wort?
Dass Dawkins das „Nicht-Einmischungs-Abkommen" zwischen Theologie und Naturwissenschaften mit der britischen Appeasement-Politik der Hitler-Jahre (S. 96) vergleicht und daher die Bezeichnung „Neville-Chamberlain-Schule" ableitet, können wir getrost auf den Level-5 oder 6 einordnen und höflich ignorieren.
Inhaltlich beschreibt Dawkins nur die politischen Auswirkungen (und Verirrungen) der Evolution-Kreationismus-Debatte, die zwar ein seltsames Licht auf die (vor allem in Amerika agierenden) Beteiligten wirft, aber auch ein ebenso seltsames Licht auf Dawkins, der diese Vorgänge als aussagefähig einstuft.
Ein schönes Beispiel für Level-6 findet sich auf Seite 98. Dort stellt Dawkins fest, dass die Kreationisten sich nicht an das NOMA-Abkommen halten - so, wie es Dawkins auch nicht tut. Während Dawkins sich aber in die Theologie einmischt und das gut findet, bezeichnet er das, was die Kreationisten tun, als ein „mit schmutzigen Methoden" „schmutzige Pflöcke" auf einem Fachgebiet einschlagen, für das sie nicht zuständig sind (S. 98).
„Wie können wir von Phänomenen aus dem Weltraum auf intelligentes außerirdisches Leben schließen?" - Diese Frage ist eine interessante Abwandlung des Intelligent-Design-Argumentes. Wenn wir Kriterien angeben können, um Naturphänomene von intelligenten Signalen eventueller „Kleiner grüner Männchen" zu unterscheiden, haben wir eventuell auch Kriterien, um intelligente Design-Merkmale als Hinweis auf das eine „Große grüne Männchen" zu deuten, nämlich: Gott.
Schade, dass Dawkins dieser Frage nicht nachgeht, sondern sofort anti-religiös deutet: Falls wir einen solchen Kontakt herstellen könnten, so wäre eine „verzeihliche Reaktion ... ein Art Anbetung", weil wir diese Aliens vermutlich für Gott halten würden... Naja: So unelegant kann man wichtige Fragen umgehen.
Aber - am Ende des zweiten Kapitels kommt dann eine (an dieser Stelle etwas überraschende) wichtige Unterscheidung, die wir als zweiten argumentativen Satz notieren wollen:
Satz 2 - Bitte merken!
"Der entscheidende Unterschied zwischen Göttern und gottähnlichen Außerirdischen liegt nicht in ihren Eigenschaften, sondern in ihrer Entstehungsgeschichte." (S. 106)
Dawkins führt diese Definition nur zur Hälfte aus: Alles, was entstanden ist, ist eben nicht Gott, sondern nur gottähnlich. Die zweite Hälfte der Definition „Gebilde, die nicht entstanden sind, sondern immer schon waren, nennen wir Gott" führt Dawkins nicht aus. Er weiß sehr wohl, warum.
Dagegen führt er ein Dogma ein, dass er vollkommen aus der Luft greift: „Gebilde, die so komplex sind, dass sie intelligent sein können, sind das Produkt eines Evolutionsprozesses". Damit - und nur allein mit diesem Satz - schließt er jede Existenz Gottes aus. Auf diesen einen Satz beruht sein ganzes Buch.
„Und daraus schloss er messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf."
Dazu im Zweiten Hauptteil" mehr.
Im folgenden geht Dawkins die klassischen „Gottesbeweise" durch. Um diese richtig einzuordnen, empfiehlt sich die Katechese "Gottesbeweise - Was beweisen die wirklich?"
Dort haben wir festgestellt, dass ein absolut-zwingender Beweis (1) nur in der Mathematik, der reinen Logik, möglich ist. Die pure Logik oder reine Mathematik hat aber aber mit unserem individuellem Leben kaum etwas zu tun (versuch einmal logisch zu beweisen, dass Du existierst...).
Alle naturwissenschaftlichen Beweise (2) sind zwar noch plausibel, aber nicht mehr zwingend. Sie haben zwar eine grundlegende Bedeutung für unsere Leben, aber helfen nicht bei den konkreten Erlebnissen, geben diesem Leben weder Sinn noch Inhalt.
Viel wichtiger sind jedoch die Beweis der geringsten Überzeugungskraft (3): Die Hinweise oder Aufweise ("historische Beweise") von einmaligen Erlebnissen und deren Deutung, so wie sie in den Geschichtswissenschaften oder vor Gericht üblich sind.
In die erste, logische Beweisführung fällt der Gottesbeweis des Anselm von Canterbury; klassische Beweise der zweiten, naturwissenschaftlichen Art versucht Thomas von Aquin und das Intelligent Design; Beweise für Gottes Existenz, die auf persönlichen Erlebnissen beruhen, gehören in die dritte Kategorie.
Zu allen diesen Kategorien nimmt Dawkins im dritten Kapitel Stellung.
Zu den Gottesbeweisen des Thomas von Aquin lohnt sich eine eigene Betrachtung. Wir sind Dawkins dankbar, dass er uns dazu Gelegenheit gibt, da diese „Wege der Gotteserkenntnis" oft zitiert und oft missverstanden wurden. Befreit man sie aber von dieser historischen Last und legt bloß, worum es bei diesen Gottesbeweisen wirklich geht, dann kann jeder selbst beurteilen, ob diese Wege für ihn gangbar sind.
Ich hätte Dawkins gerne die Besprechung seiner Besprechung der Gottesbeweise erspart. Er stellt sich aber wirklich sehr dumm dabei an, *seufz*. Wir mögen es ihm jedoch nachsehen, da er offensichtlich grundsätzlich Schwierigkeiten mit geisteswissenschaftlichem Argumentieren hat.
Die Besprechung der Gottesbeweise des Thomas von Aquin findest Du im drittenHauptteil dieser Katechese hier.
Dawkins schreibt: (S. 113)
"Wetten, dass ich beweisen kann, dass Gott existiert?"
"Wetten, dass du das nicht kannst?"
"Also gut. Stellen wir uns doch mal das allerallerallervollkommenste Ding vor, das überhaupt möglich ist."
"Na gut, und dann?"
"Na, gibt es dieses allerallerallervollkommenste Ding wirklich?"
"Nein, das gibt´s nur in meinem Kopf."
"Aber wenn es Wirklichkeit wäre, müsste es ja noch vollkommener sein, denn ein wirklich vollkommenes Ding müsste doch besser sein als so ein blödes altes Ding in der Fantasie. Somit habe ich bewiesen, dass es Gott gibt. Ätsch, bätsch, reingelegt! Alle Atheisten sind Toren."
Zunächst fällt auf, dass Dawkins den Gottesbeweis gar nicht logisch befragt - sondern ihn sofort als „kindisches Argument" bezeichnet (S. 113), als trickreiche Wortverdrehung (S. 114), als „dialektische Taschenspielerkunst" (S. 118) und in die Kindergartensprache überträgt... (S. 113 - siehe das Zitat oben). Fragt Euch selbst - ist das noch Level-1, 2 oder 3?
Interessanterweise ärgert Dawkins an Anselm's ontologischen Gottesbeweis besonders über die Bezeichnung „Tor", mit dem Anselm die Gottesleugner bezeichnet (S. 114). Dawkins legt sich deshalb sofort die Vorgabe auf, nicht ebenso unsachlich (abschätzig) zu argumentieren - was aber bei Dawkins nur 4 Seiten anhält. Bereits auf Seite 119 steht dann: „Selbst mir ist trotz meiner langen Erfahrung nie ein derart törichtes Wunschdenken begegnet."
Sofort nach dem Ärger über das Wort „Tor" erzählt Dawkins wieder eine Geschichte; verweist kurz auf die Widerlegung des ontologischen Gottesbeweises durch Hume und Kant (ohne zu erzählen, wie die beiden das denn gemacht haben), bringt eine ironische Verballhornung des Gottesbeweises durch Douglas Gasking, fühlt sich durch diesen Beweis an Aldous Huxley erinnert... und so weiter.
Logischer Gedankengang? Naja - es gibt Spuren. Und ich will hier auch nicht verhehlen, dass der ontologische Gottesbeweis sogar in der Theologie und der Philosophie umstritten ist. (Sogar Thomas von Aquin, der ja selbst fünf Gottesbeweise aufgestellt hat, wendet sich gegen diesen Beweis des Anselm, ebenso Gaunilo, ein Zeitgenosse Anselms und Mönch). Aber das sagt schließlich nichts über die Existenz Gottes aus. Klar, oder?
Das Argument der Schönheit besprechen wir im "Zweiten Hauptteil" dieser Katechese.
Das Argument des persönlich Erlebten ist, ebenso wie das Argument des bekehrten Naturwissenschaftlers (auch wenn Dawkins meint, dass es diese kaum gibt), auch kein logisches oder naturwissenschaftliches Argument - sondern eben ein historisches. (Nochmal: Siehe zu dieser Unterscheidung die grundlegende Katechese "Gottesbeweise - Was beweisen die wirklich?")
Bereits im ersten Kapitel hat Dawkins viel Aufwand betrieben, um zu zeigen, dass Einstein kein Theist war. Ich frage mich, warum Dawkins sich soviel Mühe macht. Für die Wahrheit des Glaubens ist es ziemlich unerheblich, ob Einstein, Hitler oder Josephine Baker geglaubt haben.
Dass Dawkins diesen persönlichen Erlebnissen kritisch gegenüber steht, ist sein Recht. Aber so spöttisch und verachtend sollte er sich vielleicht dann doch nicht äußern...
Immerhin kommt er am Ende des Abschnittes (S. 129) auf das Sonnenwunder in Fatima zu sprechen und kann sich selbst keinen Reim darauf machen, befragt aber auch nicht diejenigen, die es ihm erklären könnten.
Wer die Katechese zu den Gottesbeweisen gelesen hat, weiß, dass wir mit Dawkins übereinstimmen: Die allgemeine Beweiskraft des persönlichen (historischen) Beweises ist immer die geringste; aber die Auswirkung auf die jeweilige Person sicherlich am größten.
Deshalb führen weniger die theologisch-vernünftigen Überlegungen des Thomas von Aquin zu Bekehrungen, sondern eher persönliche Erlebnisse - allerdings nicht nur der übernatürlichen Art, wie sie Dawkins karikiert. Oft geht es um die Erfahrung von menschlicher Not (Wittgenstein beispielsweise bekehrte sich in den Schützengräben des 1. Weltkrieges) oder christlicher Größe (Edith Stein bekehrte sich angesichts des Glaubens einer Kriegswitwe). Auch die Schönheit der Natur, aber auch des Glaubens, der Liturgie oder der Sakramente (hier vor allem die Beichte) sind Gründe zur Bekehrung.
Daraus lassen sich aber - und da hat Dawkins recht - keine zwingenden Gottesbeweise konstruieren. Die gibt es nämlich nicht. Und die brauchen wir auch nicht.
Auch hier sollten wir Dawkins zu seiner katholischen Ansicht beglückwünschen: Die Bibel hat nicht deshalb Recht, weil sie behauptet, Recht zu haben. Dieses Muster ist in evangelikalen und fundamentalistischen Kreisen weit verbreitet: „In der Bibel steht doch, dass alles, was darin steht, Gottes Wort ist!"
Deshalb, weil die Heiligkeit und Übernatürlichkeit der Bibel erst erwiesen werden muss, gibt es in der katholischen Kirche die Disziplin der „Fundamentaltheologie", die genau diese Erweise bringen soll - bzw. untersucht. Zudem erhält die Heilige Schrift in der katholischen Kirche ihre Autorität durch die Autorität der Kirche - ein wesentlicher Unterschied zu allen evangelischen, protestantischen und evangelikalen Konfessionen.
Wiederum ist (abgesehen von einigen unnötigen Ausrutschern in die niedrigen Level-3-6, die aber seinen Gedankengang nicht beeinträchtigen) Richard Dawkins für diesen Hinweis ausdrücklich zu danken.
Zu den Ausrutschern: Er behauptet, die vier Evangelien wären relativ willkürlich aus einer riesigen Anzahl von Evangelien ausgewählt worden... was einfach den historischen Tatsachen widerspricht.
Zudem sind seine Kenntnisse über Bibelentstehung, Synopse und historischen Parallelen sehr rudimentär. Es wäre besser gewesen, wenn er nicht so ins Details gegangen wäre; dann wäre seine Unwissenheit nicht so aufgefallen.
Er behauptet z.B. in der Fußnote auf Seite 135, dass „Jungfrau" eine Fehlübersetzung von hebr. „almah" (="junge Frau") wäre. Ein alter Ladenhüter der Bibelkritik (wird schon im Film „Snatch" erwähnt)! In Wirklichkeit kann almah sowohl junge, heiratsfähige Frau als auch Jungfrau bedeuten.
Pascal hat - im Gegensatz zu den bisherigen Gedanken - Gott nicht beweisen wollen, sondern den Atheisten eine Wette angeboten:
Ob Gott existiere oder nicht existiere, sei jeweils ein gleich wahrscheinlicher Glaube, zumindest keine bewiesene Tatsache. Deshalb dürfe der Zweifelnde nach den Konsequenzen seiner Entscheidung für oder wider Gott fragen:
- Wenn Du glaubst, und Gott existiert - dann wirst Du belohnt (Himmel).
- Oder Du glaubst an Gott, und Gott existiert nicht - in diesem Fall gewinnst Du nichts.
- Oder Du glaubst nicht an Gott, und Gott existiert nicht - in diesem Fall gewinnst Du ebenfalls nichts.
- Oder Du glaubst nicht an Gott, und Gott existiert - in diesem Fall wirst Du bestraft (Hölle).
Pascal folgert: Egal, wie wahrscheinlich die Existenz Gottes ist, die Belohnung ist unendlich größer als das, was wir erhalten, wenn Gott nicht existiert (nämlich nichts).
Dawkins schreibt dazu:
"Vermutlich wollte Pascal einen Witz machen, als er seine Wette formulierte, darum handele ich sie ebenso scherzhaft ab." (S. 148)
Das war wohl auch nur scherzhaft - denn Dawkins macht sich schon seine ernsten Gedanken. Aber es sind eben seltsame Gedanken...: Er wirft Pascal vor, man könne nicht über seinen Glauben entscheiden. Und deshalb kann man sich auch nicht aus einem Kosten-Nutzen-Denken zum Glauben durchringen. (S. 147)
Eine seltsame Argumentation. Denn wenn Dawkins recht hat, kann man sich auch nicht gegen einen Glauben an Gott entscheiden. Aber warum schreibt er dann sein Buch?
Aber in gewissem Sinne hat Dawkins recht: Man sollte sich nicht aus einem Kosten-Nutzen-Denken für Gott entscheiden, sondern aus Überzeugung und Liebe. Pascal zielt mit seiner Wette nicht auf die Erkenntnis der Existenz Gottes, sondern nur auf die Motivation. Es mag zwar stimmen, dass für einzelne Menschen der Blick auf die Konsequenzen (Himmel oder Hölle) eine zusätzliche Motivation bietet. Und ich gestehe, manchmal fehlt es auch mir nur an der Motivation und nicht an der Erkenntnis. Aber Motivation ohne Erkenntnis und ohne Liebe ist nicht katholisch.
Das eigentliche Kapitel seines Buches. Das vierte Kapitel. Der Kern seiner Gedanken. Warum es keinen Gott gibt... Das ist ein eigenes Kapitel auch in dieser Katechese wert. Wer es nicht abwarten kann, lese im "Zweiten Hauptteil: Dawkins argumentiert" weiter.
Die klassische Religionskritik hat Gott nicht widerlegt. Feuerbach, Marx und Freud gehen davon aus, dass Gott nicht existiert (das sei geklärt, sagen sie) und fragen, wie es kommt, dass es immer noch so viele Leute gibt, die an Gott glauben.
Feuerbach erklärt das mit der Projektionshypothese („Die Menschen erschaffen sich Gott nach ihrem Bilde"), Marx mit der schrecklichen sozialen Wirklichkeit („Religion ist das Opium des Volkes"), Freud mit der Sehnsucht nach einem Vater („Religion ist die Fortsetzung der Kindheit").
Während diese „Drei Musketiere der Religionskritik" einander sehr ähneln, wählt Dawkins einen anderen Ansatz: Religion ist ein Nebenprodukt der Evolution. Natürlich ist alles, was es gibt, für Dawkins ein Produkt der Evolution. Insofern überrascht dieser Ansatz nicht. Wir wollen dieses Kapitel aber nicht näher betrachten, denn es gibt zwar eine ganz nette Erklärung, warum es - wo es doch gar keinen Gott gibt - den Glauben an Gott gibt. Aber es ist, wie gesagt, eine Erklärung „post iudicatum". Also nur ein Lückenfüller, da der eigentlich Grund für die Religion - nämlich die Existenz Gottes - ja soeben entsorgt wurde.
Dazu gibt es eine eigene Katechese: "Moral und Offenbarung"
Auch dazu habe ich meine Gedanken ausgegliedert (Dawkins ist einfach zu ergiebig...!): "Der Gott des Alten Testamentes: Grausam, brutal, christlich?" bildet wiederum eine eigene Katechese.
Ach ja - die Behauptung, der Atheismus sei die Wurzel allen Übels, muss Dawkins schon sehr reizen. Wir Christen haben uns auf diese Art der Vorwürfe, unseren Glauben betreffend, schon eingestellt. Dawkins muss sich an Vorwürfe wie diese erst noch gewöhnen: "Die beiden großen atheistische Systeme des letzten Jahrhunderts waren doch wohl die von Hitler und Stalin, oder? Was lernen wir daraus über den Atheismus?!"
Dass Dawkins nun zehn Seiten der Frage widmet, ob Hitler ein Katholik oder ein Atheist gewesen ist, ist zwar verständlich. Aber das klärt weder einen Vorwurf an die Atheisten noch an die Katholiken. Stalin, so Dawkins, war nun wirklich Atheist. Und, sagt das etwas über den Atheismus?
Wenn Dawkins Kritiker behaupten, "Aber... Hitler war doch eine Atheist, oder?!" dann meinen sie vielleicht gar nicht Hitler, sondern das Phänomen des brutal-unmenschlichen Ausbruchs von namenloser Gewalt unter einer nicht-religiösen Flagge. Die Frage, die sich wirklich stellt, ist: "Warum sollte jemand im Namen eines nicht-vorhandenen Glaubens in den Krieg ziehen?" (S. 388). Und nicht die Frage nach dem öffentlich - offenen - heimlichen - unbekannten Glauben des Adolf Hitlers.
Schade, dass Dawkins diese Frage nicht zu Beginn seines Kapitels stellt, sondern als letzten Satz. Mir fallen viele Gründe ein, warum jemand ohne Glauben an Gott in den Krieg ziehen könnte, vermutlich sind diese anderen Gründe (wie Ehre, Ruhm, Macht, Geld, Reichtum..) vornehmlich die, für die tatsächlich schon in den Krieg gezogen wurde. Vielleicht wäre das ohne den Glauben an Gott noch viel häufiger vorgekommen?
Einige Kommentatoren des Buches „Der Gotteswahn" vermuten in diesem Kapitel, in dem Dawkins jedwede Beschränkung in der Embryonenforschung aufgehoben sehen möchte, die eigentliche Motivation des Autors. Dawkins zumindest behauptet, mit diesem Kapitel nur dem Einwurf zu begegnen, er solle doch jedem seinen Glauben lassen... Das will Dawkins aber auf keinen Fall, denn er meint, der Glaube (nicht an einen bestimmten Gott, sondern der Glaube überhaupt) hätte schlimme, ja katastrophale Folgen für die ganze Menschheit.
Erinnern wir uns: Das ist Level-3-Argumentation. Denn es geht nicht um Gott (Level-1), sondern um Religion (Level-2), und da auch nicht um das Wesen der Religion, sondern um extreme Auswüchse (Level-3). Erst wenn es Dawkins gelingt, aufzuweisen, dass nicht nur faktisch jede Religion gewalttätig, absolutistisch und lebensverachtend wäre, sondern dass das notwendig aus dem Glauben an Gott folgt, wäre das eine Argument. Aber diesen Versuch unternimmt Dawkins erst gar nicht... sehr weise.
Was ist nun aber so schlimm an den Religionen, dass man sie nicht einfach ignorieren, sondern (zumindest mit Worten, S. 391) bekämpfen muss? Laut Dawkins gehört dazu:
- Theisten bombardieren, enthaupten, steinigen, verbrennen oder kreuzigen und lenken Flugzeuge in Hochhäuser (S. 391) - Der Fundamentalismus (S. 391-397)
- Theisten stellen das Denken ein, weil man gehorchen muss - Der Absolutismus (S. 307-401)
- Theisten sind gegen Homosexualität (S. 401-405)
- Theisten schützen das (ungeborene) Leben (S. 405-415)
Zunächst (auf den Seiten 391-397) setzt sich Dawkins mit einer Richtung der Religion auseinander, die es zwar in allen Religionen gibt, dort aber eine zahlenmäßig deutliche Minderheit stellt: Den Fundamentalismus. Ohne jetzt wieder in Details zu gehen (zum Beispiel beginnen die verallgemeinerten Einzelschicksale allmählich zu langweilen... S. 394-397; Kurt Wise und William Jennings Bryan), können wir Dawkins im Grunde zustimmen. Fundamentalismus gebärdet sich oft wirklich sehr unchristlich. Danke, Dawkins, für diese Erkenntnis!
Interessanterweise sieht Dawkins den Absolutismus vor allem im Islam und in den USA auf den Vormarsch... verblüffend.
Ich hätte an dieser Stelle mit einem kleinen Hinweis auf die katholische Kirche mit ihrem "absoluten Souverän, dem Papst" gerechnet. (Schade, dann hätte ich darauf hinweisen können, dass nicht der Papst, sondern Gott der absolute Souverän ist... ).
Aber nicht nur, weil Dawkins an dieser Stelle die katholische Kirche auslässt, sondern weil er tatsächlich seine Finger in echte Wunden legt, sei ihm an dieser Stelle gedankt.
Natürlich sind es Extreme. Im Islam mögen sie häufiger vorkommen, in Amerika seltener. Von mir aus auch umgekehrt. Und, ich darf es hier offen sagen, auch Katholiken - sogar in hohen katholischen Ämtern - sind zu solchen haarsträubenden Dingen fähig und haben es auch tatsächlich in die Tat umgesetzt.
Aber da es offensichtlich reicht, diese (Einzel-)Fälle nur aufzuzählen, ist klar, dass auch die religiöse Öffentlichkeit auf solche Auswüchse angemessen reagiert und sie keineswegs zum Normalfall geworden sind.
Wie sagt der Lateiner: „abusus non tollit usus" - Der Missbrauch (der Religion) ist kein Argument gegen den rechten Gebrauch (der Religion).
Ein schwieriges Thema... denn die christliche Haltung zur Homosexualität ist keineswegs leicht durchschaubar („Wir lehnen die Sünde ab, aber lieben den Sünder...") und noch schwerer vermittelbar. Hier hätte Dawkins (zumindest vorübergehend) echte Punkte machen können (allerdings auch nur auf Level-2).
Aber Richard macht es uns leicht. Er führt keine Argumente der Religionen an, sondern bringt (da sind wir auf Level-4) nur krasse Außenseiter-Zitate („Pat Robertson" - „Homosexuelle wollen in die Kirchen kommen, den Gottesdienst stören und Blut verspritzen, damit alle Menschen AIDS bekommen..." - S. 403).
Da wird uns eine Entgegnung einfach gemacht: „Lieber Richard, wenn geisteskranke Menschen Einstein für einen Hund halten und davor warnen, dann folgt daraus nicht, dass Einstein (1.) harmlos und (2.) eine Katze ist..."
„Ich weiß nicht genau, was ich mit meiner Beobachtung - die sich zugegebenermaßen nur auf Einzelfälle bezieht - anfangen soll, dass viele von denen, die der Tötung von Embryonen am leidenschaftlichsten widersprechen, auch ungewöhnlich darauf erpicht sind, Erwachsenen das Leben zu nehmen." (S. 405)
Damit meint Dawkins die Befürworter der Todesstrafe. Auch, wenn Dawkins an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt, dass dies nicht für die Katholiken gilt (Danke, Dawkins!), ist das natürlich wieder nur Demagogie, ein Argument „ad hominem" und nicht „ad rem" (auf deutsch: Das Argument richtet sich gegen die Menschen, nicht gegen die Sache).
Denn die Frage ist doch eigentlich: Wieso kommen die Theisten zu dem Schluss, dass man ungeborenes Leben nicht töten (Abtreibung) und auch nicht wissenschaftlich weiterverwerten (Embryonenforschung, Forschung an embryonalen Stammzellen) darf?
Richard Dawkins findet darauf keine Antwort. Aber er sucht auch gar nicht. Wenn die Abtreibungsgegner behaupten „Ein Embryo ist ein Baby, ihn zu töten ist Mord, fertig." (S. 409) ist das nach Dawkins Absolutismus. Fertig. Aus. Keine weitere Fragen. Keine weitere Argumente. - Sorry: Wer ist denn hier der Absolutist?
Anstatt Argumente für und gegen die Annahme, (1) ein Embryo sei ein Mensch und (2) ein unschuldiger Mensch dürfe niemals direkt getötet werden, zu suchen und zu beleuchten, geht Dawkins seiner Lieblingsbeschäftigung nach und sammelt Zitate, die Kopfschütteln erzeugen, den Atem stocken lassen. Hier reiht er sogar Mutter Teresa ein - obwohl viele an dieser Stelle eher über Dawkins den Kopf schütteln und den Atem anhalten... hat er das wirklich gesagt?
„Die Betrachtung von Embryonen scheint tatsächlich auf viele gläubige Menschen ganz außergewöhnliche Wirkungen zu haben. Mutter Teresa aus Kalkutta sagte in ihrer Rede zur Verleihung des Friedensnobelpreises tatsächlich: „Der größte Zerstörer des Friedens ist die Abtreibung." Wie bitte? Kann man eine Frau mit einer solch blauäugigen Wahrnehmung noch in irgendeiner Frage ernst nehmen, ganz zu schweigen davon, dass man sie ernsthaft des Nobelpreises für würdig hält? Wer versucht ist, sich von der scheinheilig-heuchlerischen Mutter Teresa einnehmen zu lassen, sollte das Buch The Missionary Position: Mother Teresa in Theory and Practice („Die Missionarsstellung: Mutter Teresa in Theorie und Praxis") von Christopher Hitchens lesen." (S. 406)
Ja, das steht in seinem Buch. Dass Mutter Teresa ihr Leben ausschließlich der Rettung verachteten menschlichen Lebens gewidmet hat, ist Dawkins keine lobende Erwähnung wert. Aber weil sie das Leben auch am Anfang seiner Entstehung schützt, entwertet das in den Augen Dawkins alles andere. Sorry - Dawkins, auf welchen Level gehört soviel Blasiertheit? Auf Level-43?
Geschenkt. Das Argument, Beethoven wäre unter den heutigen Bedingung sicherlich abgetrieben worden, ist konstruiert, unhistorisch und - darüber hinaus - überhaupt kein Argument.
Dawkins hat richtig erkannt, dass der Fundamentalismus nur eine Randerscheinung ist und von der übergroßen Mehrheit der Glaubenden selbst abgelehnt wird. Deshalb schiebt er dieses Kapitel hinterher mit der Grundthese: Jede Religion führt letztlich zum Fanatismus:
"Solange wir das Prinzip anerkennen, dass religiöser Glaube respektiert werden muss, einfach weil es ein religiöser Glaube ist, kann man auch den Respekt gegenüber dem Glauben eines Osama bin Laden oder der Selbstmordattentäter kaum ablegen. Die Alternative: (...) Man kann das Prinzip des automatischen Respekts für religiösen Glauben aufgeben." (S. 427)
Soviel wieder zur geisteswissenschaftlichen Fähigkeit des Richard Dawkins. Offensichtlich gibt es bei ihm nur schwarzweiß: entweder absoluter Respekt (auch dem Terror gegenüber) oder gar kein Respekt. Aber was Dawkins da gesagt hat, ließe sich auch so formulieren:
"Solange wir das Prinzip anerkennen, dass die Würde des Menschen respektiert werden muss, einfach weil es ein Mensch ist, kann man auch den Respekt gegenüber dem Menschen Osama bin Laden oder der Selbstmordattentäter kaum ablegen. Die Alternative: (...) Man kann das Prinzip des automatischen Respekts für die Würde des Menschen aufgeben."
Die Lösung ist natürlich: Hier gibt es kein Entweder-oder, sondern eine modifizierte Regelung: Die Würde des Menschen bzw. seine Religion ist solange zu respektieren, wie sie nicht die Rechte bzw. die Würde anderer Menschen / Religionen herabsetzt, beeinträchtigt oder aufhebt.
Fertig. Wo hat Dawkins eigentlich Denken gelernt?
(Noch eine Bemerkung, die ich mir nicht verkneifen darf:
Auf Seite 427 steht: "Das Christentum lehrt ebenso nachdrücklich wie der Islam, dass unhinterfragter Glaube eine Tugend ist." - Seufz... Genau das Gegenteil ist Lehre der katholischen Kirche. Wie unwissend darf man sein, bevor das Nicht-Wissen zur Ignoranz wird? Und, lieber Lektor des Verlages: Muss man nicht einige Wissenschaftler vor ihren eigenen Publikationen schützen, wenn sie sich dermaßen blamieren?
Sorry, das musste sein. Das bin ich meiner Religion schuldig.)
Nun, ich schreibe hier keine Gegendarstellung nach dem Motto: „Warum es doch einen Gott gibt" oder „Warum der Atheismus gefährlich ist". Aber spätestens ab diesem Kapitel sollte der Leser stutzen und nach einem Kapitel „Warum Richard Dawkins gefährlich ist" verlangen. Dawkins verlangt in diesem Kapitel doch allen Ernstes, den religiös fundamentalistischen Eltern die Kinder wegzunehmen und „vernünftig" zu erziehen. Und - weil die religiös gemäßigten Eltern auch alle dem Fanatismus Vorschub leisten (S. 421-430), gilt das eigentlich für alle Eltern, die ihre Kinder religiös erziehen. Jetzt wird's gefährlich!
Selbst, wenn Dawkins recht hat und in der religiösen Erziehung Kindern ein falscher Gottglaube (friedlich) eingetrichtert wird, ist das kein Grund, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen. Müssen Eltern, die ihren Kindern erzählen, es gäbe einen Osterhasen oder den Weihnachtsmann, demnächst fürchten, ihre Kinder ins Heim geben zu müssen?
Dawkins Forderung, alle religiösen Schulen abzuschaffen (ja, zu verbieten), und nur noch den Atheismus zu lehren, mag dagegen noch erträglich sein - falls der Atheismus erwiesenermaßen richtig sein sollte. Bisher hat Dawkins aber eher bewiesen, dass Atheisten (zumindest, wenn sie Richard Dawkins heißen) ein ganzes Stück hinter dem geisteswissenschaftlichen Standard zurückbleiben. Von einem erkennbaren Wahrheitsvorsprung des Atheismus vor jedweder Religion ist nicht viel zu spüren gewesen.
Aber Dawkins hat recht: Schulen dürfen nicht dazu missbraucht werden, Ideologien einzutrichtern und das Denken abzuwürgen. Das mag in der einen Religion oder der anderen Kultur vorkommen. Und da gehen wir - zusammen mit Dawkins - entschieden gegen an.
Schulen, die rein kreationistisch ausgerichtet sind, gehören nicht in unsere Gesellschaft. Die Schule soll aber auch das Wissen der Religionen nicht verheimlichen oder gar verbieten. Und wenn wir ein solches Schulsystem pflegen, können wir auch den Eltern ihre Erziehung überlassen - solange sie den Kindern keine Gewalt antun.
Aber in eine Religion hineinzuwachsen ist noch kein Verbrechen, und seine Kinder in dem Geist zu erziehen, den die Eltern für richtig halten, ist ein Menschenrecht. Wenn Dawkins versucht, den Atheismus dadurch in dieser Welt zum Durchbruch zu verhelfen, indem er alle religiösen Schulen schließen lässt und die Kinder den religiösen Eltern wegnimmt, um sie nun selbst freiheitlich zu erziehen - nun, das klingt dann doch nach mehr als Absolutismus und lässt in uns die Sorge aufkommen, ob der Atheismus in der Ausprägung des Dawkins nicht doch fundamentalistischer, faschistischer und totalitärer ist als die Taliban.
(sorry - vielleicht bin ich jetzt selbst auf Level-5, 6 oder 7 angelangt. Aber - diese Sorge ist sehr berechtigt - und konsequent aus dem Kapitel abgeleitet! Lies die Ausführungen auf Seite 453!
Danke, Dawkins, dass er in Bezug auf den anhaltenden Skandal der sexuellen Misshandlung von Kindern den katholischen Priestern zur Seite springt. Dafür wirft er ihnen vor allem seelische Misshandlung durch „Drohung mit der Hölle" vor. (Allerdings nicht nur den katholischen Priestern).
Die Antwort können wir kurz fassen: Keinem Kind - soll mit Hölle, Qualen oder sonst irgendeiner übernatürlichen Grausamkeit gedroht werden.
Aber die Versuchung besteht. Manche Eltern benutzen Drohungen als bequemes Erziehungsmittel (ungläubige Eltern drohen dann mit dem „schwarzem Mann"), manche Priester oder Prediger rechtfertigen die Gebote mit der Drohung der Hölle (ebenso indiskutabel), aber - Dawkins Buch besteht auch zu (mindestens) 80% aus solchen Horrorszenarien... „Wenn Du weiterhin an Gott glaubst, wirst Du wie die Taliban - wie der Mörder Paul Hill - wie die Faschisten - usw." (S. 410). Wir alle sollten mehr argumentieren und weniger drohen. Es wäre schön, wenn Dawkins mit gutem Beispiel voranginge...!
Auf der anderen Seite ist die Erwähnung der Hölle nicht immer sofort eine Drohung (denn - das glauben zumindest zahlreiche Religionen, wenn auch nicht alle - die Hölle ist eine reale Möglichkeit für die Freiheit des Menschen). Kleinen Kindern zu erzählen, dass sie die Finger verbrennen, wenn sie auf die heiße Herdplatte fassen, ist ja auch keine seelische Misshandlung, sondern eine Aufklärung. Über die Hölle aufzuklären ist eine religiöse Pflicht der Eltern - mit der Hölle zu drohen, eine grobe Pflichtverletzung.
Kommen wir - wie Dawkins - langsam zum Schluss. Lücken - so Dawkins - die durch die Religion gefüllt wurden, können auch gerne (vielleicht sogar besser) anders gefüllt werden. Als Beispiel nennt er den der kindlichen Fantasie entspringenden Freund „Binker". Na, fragt Dawkins, ist das kein guter Ersatz?
Mag sein, dass Gott dem Herrn Dawkins wie ein kindliches Fantasieprodukt vorkommt. Allerdings ist Gott in vielerlei Hinsicht überhaupt nicht wünschenswert - auch dann nicht, wenn es ein guter Gott ist. Denn dieser Gott beharrt auch dann auf das Gute, wenn das fantasierende Kind es sich gar nicht wünscht. Wie ein Arzt: Der ist auch nicht den Wünschen des Patienten verpflichtet, sondern seiner Gesundheit.
Gott ist schon allein deshalb kein Fantasieprodukt á la Feuerbach, weil er in seiner Liebe ganz anders ist als wir es uns oftmals wünschen - und auch anders, als Dawkins es uns im Buch weismachen will (siehe Seite 45).
Wow! Auf den letzten Seiten entwickelt Dawkins plötzlich ein verblüffendes Unterscheidungspotential. Es stellt fest, dass selbst, wenn nachgewiesen würde, dass der Glaube an Gott für das Wohlbefinden des Menschen absolut notwendig ist, das alles „nicht der Hauch eines Beleges dafür [wäre], dass der religiöse Glaube der Wahrheit entspricht." (S. 487) Aha - deshalb hat Dawkins also die vielen positiven Seiten von Gott, Glaube, Religion (und z.B. auch Mutter Teresa) nicht erwähnt.
Aber dann gilt doch auch, dass all die bösen Folgen des Glaubens an Gott, der Religion, der Religionsangehörigen (und auch so „scheinheilig-heuchlerischen" Gestalten wie Mutter Teresa - S. 406) ebenso wenig über die Falschheit des Glaubens aussagen... eine späte Erkenntnis.
Vermutlich weil sie so spät kam, wollte Richard Dawkins im Nachhinein sein Buch nicht wieder in der Schublade verschwinden lassen. Wäre schade um die viele Mühe gewesen, oder?
Nun unterscheidet Dawkins zwei Arten von Trost (S. 489). Zunächste den physischen Trost (zum Beispiel durch einen Teddy, einen Bernhardiner oder durch liebe Menschen, die physisch anwesend sind): Dann den psychischen Trost - durch eine neue Entdeckung einer Tatsache oder eines Blickwinkels auf Tatsachen (S. 490).
Interessanterweise hat Dawkins keine Schwierigkeiten, sich vorzustellen, dass ein eingebildeter Gott mit seinen eingebildeten Armen genauso physisch trösten kann wie ein nichteingebildeter Gott... na, dass nenne ich Vorstellungskraft! Danke, Dawkins!
Dawkins stellt fest, dass 95% der Menschen an ein Leben nach dem Tod glauben und darin Trost finden, und er wundert sich, dass diese Menschen nicht alle sehnsüchtig und freudig auf den Tod warten oder zumindest erfreut bis ausgelassen auf den Tod anderer reagieren. Glauben die vielleicht gar nicht wirklich...?
Nun, diese Frage hätte Dawkins schnell klären können, indem er einen Christen oder sonst Glaubenden danach befragt: „Sag einmal, warum freust Du Dich nicht auf einen frühen Tod? Warum willst Du noch weiter leben, wenn Du doch an einen Gott glaubst?" Ich denke, die Antwort wäre schnell verstanden.
Aber Dawkins stellt die Frage nur sich selbst und will keine andere Antwort, als dass die Religion auch in diesem Fall versagt: Sie spendet keinen Trost. Alles andere passt nicht ins Konzept.
Dass nun wieder der Hinweis auf Fegefeuer und Hölle kommt, soll nicht verwundern. Wir ignorieren diesen Standard-Ausflug unbekümmert.
Witzig auch der Versuch, den Theisten einen Zirkelschluss zu unterstellen (S. 499). „Es muss einen Gott geben, denn wenn er nicht existieren würde, wäre das Leben leer, sinnlos, vergeblich, eine Wüste aus Sinn- und Bedeutungslosigkeit." Dawkins verkennt die Aussageabsicht dieses Satzes: Weil das Leben eben nicht leer und sinnlos ist, gibt es deshalb einen Gott.
Dagegen hat Dawkins eine andere Antwort: „Vielleicht ist das Leben leer." Aha. - „Wer jedoch annimmt, das Leben sei nicht leer oder sinnlos, setzt bereits voraus, dass es einen Gott gibt." Das sei ein Zirkelschluss, meint Dawkins.
Da versucht sich Dawkins nun einmal in logischer Beweisführung, und scheitert sofort. Ich hoffe, dass das bei ihm keine bleibenden Schäden hinterlässt... Gib nicht auf, Dawkins!
Diesen vorletzten Punkt wollen wir gerne Dawkins überlassen: Auch ohne Gott wird es Poesie, Staunen, Literatur, Kino, Theater und fantasievolle Romane geben. Dawkins' Buch ist für letzteres der beste Beweis.
Und auch den letzten Punkt geben wir Dawkins und können ihn vielleicht so über manche harsche Kritik in diesem Durchgang durch sein Werk trösten. Was er in seinem letztem Kapitel schreibt, ist richtig - sogar schön. Richtig schön.
Die Natur ist genial, und die Naturwissenschaften öffnen uns einen nie geahnten Blick auf diese Welt. Ich kann allen Menschen (ob religiöse oder nicht-religiös) nur einen solchen Einblick in die Quantentheorie - Relativitätstheorie - Evolutionstheorie - usw. wünschen. Ein solcher Einblick, wie ihn Dawkins am Ende seines Kapitels gibt, ist - auch hier danke an Dawkins - atemberaubend.
Wieso aber glaubt Dawkins, dass der Blick zuvor durch die Burkas eingeschränkt gewesen war (er meint damit den eingeengten Blickwinkel der Religion im allgemeinen)? Entschuldige, wenn ich hier dann doch noch einmal widerspreche (wenn auch nur im Kleingedruckten): Warum soll einem religiösen Menschen dieser Einblick verwehrt bleiben?
Nach Dawkins - und das soll nun wirklich der letzte Gedanke sein - erfüllt der Glaube an Gott vier primäre Aufgaben: Erklärung, Ermahnung, Trost und Inspiration (S. 480) Weil diese Lücken entweder von der Religion nicht erfüllt werden - oder durch die Naturwissenschaft zumindest besser bewältigt werden -, brauchen wir keinen Gott.
Aber - wir glauben nicht an Gott, weil wir ihn brauchen. Das hieße, Gott zu verzwecken und für die eigenen Ziele und Lücken einzuspannen. Nein.
Wir glauben an Gott, aus dem einfachsten Grund überhaupt: Weil er existiert.
Das eigentliche Kapitel seines Buches. Das vierte Kapitel. Der Kern seiner Gedanken. Warum es keinen Gott gibt. Wir schlagen es auf und...
Satz 3 - Bitte merken!
...wir wundern uns: Fehlanzeige. Da ist kein "Satz 3". Denn in diesem Kapitel geht es ausschließlich um Intelligent Design; evangelikalen Fundamentalismus, Kreationismus der amerikanischen Version. Kenneth Miller - ein bekennender Christ - wird sogar lobend erwähnt, weil er sich ebenfalls gegen die Lückenbüßer-Rolle des Kreationisten-Gott wendet.
Äh - das war's. Keine Widerlegung Gottes. Im ganzen Kapitel nicht. Fehlanzeige.
Hier offenbart sich die eigentliche Motivation von Dawkins: Er wehrt sich seiner evolutionstheoretischen Haut, die ihm wohl von Kreationisten zu oft streitig gemacht worden ist. Er wehrt sich, indem er der ganzen kreationistischen Bagage den Boden unter den Füßen wegziehen will und sich - anstatt gegen die Grundannahmen des Intelligent Design zu wenden - an die Widerlegung des Theismus im Ganzen heranmacht.
Damit hat er sich aber eindeutig übernommen. Während er großartig ankündigt, sich nun der Widerlegung der Existenz Gottes zuzuwenden, kommt nur heiße Anti-Fundamentalismus-Luft heraus. Hätte Dawkins sein Buch „Warum es kein Intelligent Design gibt" genannt, wäre man an dieser Stelle nicht enttäuscht. Aber so offenbart Dawkins nur seinen begrenzten Horizont.
In seinem ganzen viertem Kapitel begegnen uns - abgesehen von vielen Breitseiten gegen ID - nur zwei Argumente: 1. Natürliche Selektion ist viel besser und erklärungsmächtiger als die Gotteshypothese. Und 2. führt die Annahme, Gott haben etwas „gestaltet", nur zur Frage, wer denn Gott gestaltet habe - und damit zu noch größeren Unwahrscheinlichkeiten und Problemen.
Der "Gambit"
Die spontane Entstehung einer Boeing 747 durch einen Wirbelwind, der über einen Schrottplatz fegt, ist schon sehr unwahrscheinlich. Nun steht die Boeing 747 aber da. Falls jemand auf die Idee kommt, zu behaupten, Gott habe die Boeing 747 geschaffen, muss der Glaubende eingestehen, dass die Entstehung Gottes noch viel, viel unwahrscheinlicher sein muss als die der Boeing 747 (denn wenn Gott die Boeing gemacht hat, muss er auch viel, viel komplexer sein als die Boeing und seine Entstehung daher viel, viel unwahrscheinlicher). Gott ist - so Dawkins - nur die höhere Form einer Boeing 747. (S. 155f)
Diesen Schachzug (Dawkins glaubt wirklich, das sei ein Schachzug...!) nennt er sein Gambit. (S. 155) Und diesen Gedankengang wiederholt er immer wieder, das ganze Kapitel rauf und runter. (S. 162, 165, 166, 167, 174, 195, 198, 201 usw...)
Tja. Hätte Richard seinen Ansatz aus dem zweiten Teil des zweiten Kapitels (den wir als „Satz 2" markiert haben) doch nur zu Ende gedacht. Dann wäre klar: Gott nennen wir das, was nicht entstanden ist. Wenn etwas nicht entstanden ist, sondern immer schon war, gibt es auch keine große oder kleine Wahrscheinlichkeit für seine Entstehung - sondern gar keine Wahrscheinlichkeit. Diese Frage, die Dawkins als sein Gambit bezeichnet, stellt sich überhaupt nicht. Dawkins ganze Argumentation (auf Level-1) bricht in sich zusammen.
Natürlich kann Dawkins überlegen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Behauptung „Gott existiert" wahr ist. (Danach wollte er eigentlich fragen - siehe „Satz 1" oben im Text). Die Wahrscheinlichkeit ergibt sich aus der Triftigkeit der angeführten Gründe und Überlegungen (so ähnlich wie die von Dawkins verworfenen Baye'schen Argumente - S. 149-154 - die aber, da gebe ich Dawkins recht, ziemlich crazy sind).
Aber wenn ich etwas über die Wahrscheinlichkeit (der Wahrheit der Behauptung) der Existenz Gottes sage, dann ist damit nichts über die Wahrscheinlichkeit der Entstehung Gottes gesagt. Denn Dawkins weist ja selbst darauf hin, dass alles, was entstanden ist, nicht Gott ist, sondern nur gottähnlich. Da Gott also nicht entstanden ist, gibt es auch keine Wahrscheinlichkeit für seine Entstehung.
Am Ende des 4. Kapitels gibt Dawkins noch einmal eine wunderbare Zusammenfassung seines "Argumentes" gegen Gott - auf den Seiten 222/223. Wesentlich Dreh- und Angelpunkt ist dabei (immer noch) Punkt 3: "Diese Versuchung führt in die Irre, denn die Gestalthypothese wirft sofort die umfassendere Frage auf, wer den Gestalter gestaltet hat..."
Aber Dawkins kann ja noch auf Level-2-6 weiter argumentieren - was er auch munter tut. Und da geben wir Katholiken ihm weitestgehend recht: Die Annahme, bestimmte Phänomene seien direkt auf Gott zurückführbar, kann nicht Bestandteil einer naturwissenschaftlichen Theorie sein. Der Forscher als Mensch kann das zwar für sich glauben, aber dies niemals als wissenschaftliche Hypothese vertreten. Die Gott-Hypothese hat in der Biologie nichts zu suchen.
In dieser Hinsicht stimmen wir Dawkins zu. Dafür bedankt er sich sogar (indem er Kenneth Miller dankt, der wunderbar unsere Position zum Ausdruck gebracht hat) bei den Christen, die nicht Kreationisten sind (S. 183). Auch die Anbetung der Lücken (S. 174-188) ist den katholischen Theologen immer schon ein Dorn im Auge gewesen. Auch hier findet Dawkins gute Beispiele und passende (wenn auch scharfe) Worte.
Ebenfalls beschreibt Dawkins eine entscheidende darwin'sche Schwierigkeit sehr gut: Die Entstehung des Lebens; denn vor diesem „Glücksfall" versagt das Prinzip der Selektion - oder, wie Dawkins es nennt, der „darwin'sche Kran" (S. 197). Ob allerdings das anthropische Prinzip und der „Glücksfaktor" ausreichen, ist eine andere Frage.
So ist das anthropische Prinzip in seiner planetären Variante (S. 188-198) gut dargestellt und überzeugend. Ob allerdings das anthropische Prinzip in seiner kosmologischen Version (S. 199-212) noch überzeugt, möchte ich zumindest anzweifeln. Aber darüber sollen sich die Physiker selbst verständigen.
Im Großen und Ganzen gilt also wieder: Danke, Dawkins!
(Als Lehrer würde ich allerdings sagen: "Gute Arbeit, Richard. Aber leider: Thema verfehlt!")
(Die Berichte, die Dawkins am Ende des 4. Kapitels auf den Seiten 212-224 von einer Tagung in Cambridge bringt - und sämtliche Seitenhiebe auf konkrete Personen mit ihren unangenehmen Details - können wir getrost überspringen. Sie gehören nicht den entscheidenden Leveln 1 und 2 an).
Anstatt sich mit seinem logisch mehr als zweifelhaften „Gambit" zufrieden zu geben, hätte Dawkins die Voraussetzungen von Intelligent Design hinterfragen sollen; er wäre so schnell zu einem für ihn (und uns) sehr befriedigenden Ergebnissen gekommen.
Nun - dann wollen wir das hier nachholen: Was ist das - Intelligent Design (ID)?
Eine gute Definition finden wir bei Wikipedia:
Intelligent Design (ID, deutsch etwa intelligenter Entwurf, intelligentes Design) ist der Standpunkt der Neokreationisten, dass bestimmte Merkmale des Universums und Lebens am besten durch eine intelligente Ursache erklärt werden können und nicht durch einen Vorgang ohne solche Leitung, wie die natürliche Selektion.
Oder, auf der Homepage von Ralf Isau (www.isau.de), wird Intelligent Design folgendermaßen erklärt:
Intelligent Design (ID); nach der Intelligent-Design-Theorie ist die Entstehung bestimmter komplexer Merkmale in der Natur durch eine intelligente Ursache (Designer, Schöpfer) besser zu erklären als durch zufällige Mutationen und natürliche Auslese (Selektion). Natur und Wesen dieser Ursache sind dagegen nicht Gegenstand der ID-Forschung.
Damit haben wir ein einfach zu beschreibendes Problem: Wie können wir erkennen, ob die Selektion (im Zusammenspiel mit der Mutation) ein Phänomen besser erklärt als die Annahme eines intelligenten Designers - also eines Schöpfers?
Die Frage ist hier, was in der Biologie oder in den Naturwissenschaften „besser" bedeutet.
In Carl Sagans gutem Buch „Contact" (das auch als sehr guter Film in die Kinos kam - mit Jodie Foster und Matthew McConaughey) wird das „Ockhamsche Rasiermesser" erwähnt und sozusagen zum Thema des Buches/Filmes erhoben: Ockhams Rasiermesser ist das Sparsamkeitsprinzip in der Wissenschaft. Es besagt, dass von mehreren Theorien, die den gleichen Sachverhalt erklären, die einfachste zu bevorzugen ist.
Man kann das „Rasiermesser" des Philosophen und Theologen Wilhelm von Ockham (1285-1349) auch anders formulieren: Die „Entitäten dürfen nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden" (lat. Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem oder sine necessitate). Entitäten ist hier im Sinne von „Vorbedingungen" gemeint.
Das klingt gut - führt aber schon in „Contact" zu der Frage: Ist es einfacher, an einen unglaublichen Zufall zu glauben - oder an einen intelligenten Schöpfer?
Für einen religiösen Menschen, der in seinem Leben die Existenz Gottes bereits als gegeben annimmt, ist es keine „Vermehrung von Entitäten", diesem Gott auch die Schöpfung der Welt und die Erschaffung des Schnabeltieres und des Schafsleberegels zuzuschreiben. Für einen Theisten scheint es viel seltsamer, dazu unglaubliche Zufälle und Selektionstheorien anzunehmen. Ockhams Rasiermesser (als wissenschaftliches Prinzip) verbietet solche Wahrscheinlichkeits-Verrenkungen.
Für einen Atheisten sieht es aber schon wieder ganz anders aus. Zufälle gibt's, manchmal sogar ziemlich unglaubliche Dinge. Das ist für ihn eine gegebene Tatsache. Die Annahme, ein bestimmtes biologisches Tier oder Organ sei von Gott erschaffen, ist für ihn nur eine „unnötige Vermehrung der Entitäten".
Die Frage nach dem notwendigem Standpunkt, um die „Notwendigkeit der Entitäten" zu beurteilen, ist aber keineswegs so unentschieden, wie es zunächst scheint. Denn: Die Naturwissenschaften sind „methodische Atheisten". Sie haben sich als Methode selbst die Regel auferlegt, nicht von der Existenz und der Aktivität eines Gottes auszugehen. Der berühmte Physiker Steven Weinberg hat es einmal so formuliert: „Die Physik nimmt zunächst an, dass es keinen Gott gibt, und schaut, wie weit sie mit der Hypothese kommt."
Nun können wir auch Verstehen, dass Dawkins immer wieder nach den Wahrscheinlichkeiten für die Existenz Gottes fragt (tatsächlich fragt er nach der Wahrscheinlichkeit für die Entstehung Gottes - aber das hat er nicht wirklich durchdacht. Das ergibt nämlich keinen Sinn.) Die Behauptung, ein bestimmtes „Design-Merkmal" sei besser durch einen intelligenten Schöpfer zu erklären als durch Selektion, übersetzt er in die Sprache der Evolutionisten: „Die Annahme, es gäbe einen Schöpfer, der dieses Merkmal intelligent designt hat, ist viel wahrscheinlicher als die Annahme, das Merkmal sei allein durch Selektion entstanden". Und wenn Dawkins - oder jeder andere Wissenschaftler - diese Aussage prüfen will, dann muss er unweigerlich bestimmen, wie wahrscheinlich es ist, dass Gott existiert.
Das ergibt aber - offenbar - keinen Sinn. Gott kann kein Gegenstand der Naturwissenschaften sein, denn weder seine Existenz noch sein Handeln lassen sich wahrscheinlichkeitstheoretisch einordnen.
Wohlgemerkt: Das gilt für alle Abwägungen innerhalb der Naturwissenschaften. Persönlich kann jeder Mensch zu dem Schluss kommen, dieses oder jenes Merkmal des Lebens sei persönlich von Gott in Handarbeit gefertigt worden.
Aber er kann daraus keine naturwissenschaftliche Theorie formen.
Tja - wäre Dawkins auf diese Weise an das Problem der kreationistischen Fundamentalisten herangegangen, wäre das Buch sicher gehaltvoller geworden. (Aber auch dünner). Aber das setzt natürlich voraus, dass man die Grundlagen der eigenen Wissenschaft kennt und begreift.
Dawkins ist Inhaber des Lehrstuhles für „Public understanding of sciences". Er dient somit dem allgemeinen Verstehen der Naturwissenschaften. Hilfreich wäre dabei sicherlich, wenn seine Vorträge auf einem „personal understanding of sciences" beruhen würde.
Isau schreibt dazu:
Weiterhin besagt die ID-Theorie: Die Wahrscheinlichkeit der Entstehung (biologischer) Strukturen durch zufällig wirkende Naturgesetze nimmt exponentiell mit der Dichte ihrer Komplexität ab. Demnach können insbesondere solche Strukturen nicht ohne intelligentes Design entstanden sein, deren Einzelkomponenten erst durch ihr Zusammenwirken funktionieren und zwar erst dann, wenn sie vollständig vorhanden und in der richtigen Anordnung zueinander zusammengesetzt sind. ID-Theoretiker sprechen im Zusammenhang mit solchen Strukturen von »nicht reduzierbarer Komplexität«, »Synorganisation« oder »spezifizierter Komplexität«.
Dawkins beschäftigt sich ausführlich mit diesem Punkt der ID-Debatte. Es wird ja immerhin behauptet, ein bestimmtes komplexes Zusammenspiel komplexer Strukturen (z.B. beim Schafsleberegel) muss „in einem" entstanden sein, weil das ganze System nicht funktionieren würde, wenn nur ein kleines Teil fehlt. Es sei „unmöglich", dass solche komplexen Strukturen nach und nach durch Selektion entstünden.
Wiederum lässt sich diese Behauptung auf Wahrscheinlichkeiten reduzieren. Natürlich kann man auch von „unmöglich" sprechen, dahinter steckt aber immer eine Wahrscheinlichkeit, die wir als zu gering erachten.
Aber auch hier hilft uns die Gottes-Hypothese nicht weiter - denn wir ersetzen eine sehr, sehr geringe Wahrscheinlichkeit (für die Entstehung von Strukturen mit „nicht-reduzierbarer Komplexität") durch den „intelligenten Schöpfer" - dessen eigener Wahrscheinlichkeitswert nicht fassbar ist.
Wiederum: Jeder Mensch ist frei, an diesen Intelligenten Schöpfer zu glauben. Und die „nichtreduzierbar-komplexen Strukturen" sind durchaus Argumente. Aber nur für den denkenden und schauenden Menschen, nicht für die Biologie. In deren Methoden benimmt sich die die Gotteshypothese wie in der Mathematik die Division durch Null.
Und noch einmal Ralf Isau:
Ein Forschungsschwerpunkt der ID-Wissenschaftler ist das Aufspüren von Design-Signalen. Darunter werden Eigenschaften der belebten oder unbelebten Welt verstanden, deren Entstehung durch geeignete Versuche und Beobachtungen möglichst unzweideutig auf eine gestaltende Intelligenz hindeuten. Dafür geeignet gelten insbesondere semantische Informationen, Informationen also, deren Bedeutung nur durch Einsatz weiterer Intelligenz verstanden werden kann. Die in der DNA codierten Proteine und Peptide werden beispielsweise auf Grund biochemischer Prozesse zwar ohne Zuführung weiterer Intelligenz synthetisiert, solche ist aber für das Verständnis der Bedeutung des genetischen »Programmes« (analog zu einem Computerprogramm) unabdingbar. Da semantische Information aber ohne Verstehen nicht erstellt oder »programmiert« werden kann, müssen entsprechende Beispiele in der Natur wie die DNA auf das Wirken von Intelligenz zurückzuführen sein.
Nehmen wir einmal ein extremes Beispiel:
Wir nehmen einen schönen, rechteckigen Klotz reines Cäsium 137. Cäsium 137 ist radioaktiv und deshalb zerfällt der schöne Klotz nach und nach. (Übrigens hat Cäsium eine Halbwertszeit von 30 Jahren, wir brauchen also für dieses Gedankenexperiment viel Geduld.)
Einmal angenommen, Cäsium 137 würde regelmäßig (oder auch nur in einem dokumentierten Fall) auf eine solche Art zerfallen, dass der Rest des noch nicht zerfallenen Cäsiums nach und nach die Buchstaben JHWH (hebräisch für „Jahweh" oder - für die Zeugen Jehovas unter den Lesern - „Jehova") bilden - vielleicht sogar in hebräischen Originalschriftzeichen.
Wäre das ein Intelligent-Design-Merkmal?
Jein. Denn für den Chemiker gibt es keinen Grund, an dem Ergebnis zu zweifeln - solange die Halbwertszeit eingehalten wird. Dass das Cäsium nicht gleichmäßig zerfällt, ist eine Frage der statistischen Verteilung. Für den Chemiker ergeben aber die Schriftzeichen keinen Sinn; sie sind schlicht nicht Bestandteil seiner Forschung. Zudem ist die Annahme, dass ein jenseitiger Gott im radioaktiven Cäsium regelmäßig Autogramme gibt, in ihrer Wahrscheinlichkeit nicht nachprüfbar, da auch die Annahme eines Gottes durch die Chemie nicht in ihrer Plausibilität einschätzbar ist.
Aber das „JHWH" im Cäsium wäre natürlich schon ein Intelligent-Design-Merkmal - für alle, die nicht rein naturwissenschaftlich denken. Vor allem, wenn ein solches Muster nicht nur einmal entsteht (wie zum Beispiel ein Madonnenbild auf einem Toastbrot: http://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2007/0828/003_taeuschen.jsp), sondern regelmäßig. Ob jemand so etwas glauben will, ist dabei keine Frage, ob er „vernünftig" oder „unvernünftig" ist. Es sei denn, wir setzen „vernünftig" mit „naturwissenschaftlich" gleich. Dann ist natürlich jeder „unvernünftig", der ein Design-Merkmal erkennt; genauso unvernünftig ist aber auch der, der im Lächeln der Mona Lisa etwas Geheimnisvolles erahnt.
Was für das JHWH-Phänomen im Cäsium gilt, lässt sich genauso auch auf die anderen Design-Bereich übertragen: Schönheit, Sinnhaftigkeit, Eleganz und Perfektion sind keine Begriffe der Naturwissenschaften, zumindest keine, die messbar und bewertbar sind.
Damit haben wir - ohne das Vokabular eines R. Dawkins zu verwenden - dem Intelligent Design den Zutritt zu den Naturwissenschaften verboten. Dort - als wissenschaftliche Theorie - haben sie nichts zu suchen. Und dementsprechend gehört die Lehre des Intelligent Design nicht in den Biologie- und Physik-Unterricht, sondern in den Religionsunterricht (oder auch in den Ethik-Unterricht unter „Anthropologie").
Aber das schließt einen umgekehrten Weg nicht aus: Aus den Naturwissenschaften können Journalisten, Filmer, Fotografen aber auch die Naturwissenschaftler selbst gerne wunderbare Fälle veröffentlichen, die ihnen die Existenz eines Schöpfers nahelegten.
Solche Filme, Bildbände, Fotobücher, Erlebnisberichte oder einfach nur Faktensammlungen gibt es zur Genüge. Sie sind oft auf hohem Niveau geschrieben und sehr beeindruckend. Ich blättere gerne darin (oder schau mir immer wieder entsprechende Filme gerne an) und empfehle sie auch kritischen oder suchenden Zeitgenossen, um die Evidenz (Offensichtlichkeit) eines Schöpfers dezent zu vermitteln.
Aber wir dürfen niemals der Versuchung unterliegen, in diesen Werken naturwissenschaftliche Abhandlungen über die Existenz Gottes zu sehen!
Dawkins macht den Fehler, die methodische Beschränkung seines Fachgebietes als die Grenzen der Wirklichkeit misszuverstehen. Zwar unterläuft dieser Faux-Pas auch vielen unserer Zeitgenossen; aber als Inhaber des Lehrstuhls für die „Allgemeinverständlichkeit der Wissenschaften" sollte man Dawkins doch eigentlich einen intellektuellen Vorsprung unterstellen.
So ist auch die Sammlung „Hinweise auf die Existenz Gottes" auf unserer Homepage zu verstehen. Alle dortigen Hinweise sind verschiedenen Fachgebieten (auch den Naturwissenschaften) entnommen und nach bestem Wissen und Gewissen geprüft worden. Den Schluss, darin einen Hinweis auf Gott zu sehen, fügt aber immer nur der Leser hinzu - die Fachgebiete selbst müssen dazu schweigen.
Zuletzt noch eine Bemerkung zum Zitat auf dem Buchdeckel: „Ich bin ein Gegner der Religion. Sie lehrt uns, damit zufrieden zu sein, dass wir die Welt nicht verstehen."
Dawkins und wir haben festgestellt haben, dass es tatsächlich Menschen gibt, die zufrieden mit ihrem Unwissen sind: Nämlich alle Intelligent-Design-Fundamentalisten-Kreationisten, die Gott als natruwissenschaftlichen Joker ansehen. Wer Gott als Erklärungs-Hypothese in die Naturwissenschaft einführt, hat ruck-zuck alles erklärt und kann mit dem Forschen aufhören. Deshalb hat Steven Weinberg recht, wenn er sich auf den methodischen Atheismus beruft. Wir forschen grundsätzlich so, als gäbe es keinen Gott.
Aber das ist keine Errungenschaft der modernen Naturwissenschaften. Sondern - man höre und staune - das ist eine Errungenschaft der Religion selbst - vor allem des Christentums.
Denn in vorchristlichen Zeiten war die Welt voller Magie, Götter und Geister. Alles, was geschah, wurde mythologisch erklärt: Wenn es donnert, war es der Donner-Gott, wenn es regnet, war es der Regen-Gott, und wenn Bayern gewinnt, war es der Bayern-Gott. Mit diesem mythologischen Denken hat nicht erst Galileo Galilei gebrochen - sondern bereits das Judentum und in dessen Folge die Christen. Und zwar schon mit dem Schöpfungsbericht.
Wie das Beispiel mit dem Bayern-Gott zeigt, gibt es dieses mythologische Denken allerdings auch heute noch - nicht nur auf dem Fußballfeld in Bayern oder Schalke.
Denn im Schöpfungsbericht (in Genesis Kapitel 1) wird mit göttlicher Autorität erklärt, dass die Welt nicht Gott ist. Es gibt nur einen Gott, und die Welt ist nicht-göttlich. Am Himmel hängt kein Sonnen-Gott und keine Mond-Göttin, sondern nur „Funzeln" (so übersetzt Manfred Lütz in seinem lesenswerten Buch „Gott"). Damit, dass Gott sich selbst als jenseitig erklärt und die Welt radikal entgöttlicht wurde, war der Weg frei für einen systematischen Zugriff auf die Welt durch den Menschen.
Alle Zehn Gebote schützen den Menschen. Das gilt auch für die ersten drei Gebote, die sich scheinbar nur auf den Schutz Gottes beziehen. Aber in Wirklichkeit ist auch das erste Gebot - „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben" - Schutz der Freiheit und Eigenständigkeit des Menschen, der sich keiner dämonischen Welt mehr gegenüber sieht, sondern lediglich Materie vor sich hat. Jetzt (erst jetzt!) wurde die moderne Wissenschaft möglich.
Dawkins fragt sich, warum der eifersüchtige Jahweh ständig auf diesem ersten Gebot herumreitet. Nun wird es klar: Damit Dawkins Wissenschaft betreiben kann!
Dank Dawkins bietet sich hier nun die Gelegenheit, die Ausführungen zu den Gottesbeweisen (siehe: "Kann man Gott beweisen?") an denen von Thomas von Aquin und Anselm von Canterbury zu konkretisieren.
Bevor wir die Frage nach der Existenz Gottes stellen, müssen wir uns fragen, was wir denn unter „Gott" verstehen. Daran kranken die meisten Betrachtungen der Gottesbeweise, denn die Leser erwarten erstens einen zwingenden Beweis (den es so nicht gibt) und zweitens einen Beweis, der direkt zum christlichen, personalen Gott führt. Auch dieses können die thomistischen Beweise nicht leisten.
Am Ende des zweiten Teil des zweiten Kapitels legt Dawkins dazu ein sauberes Fundament, indem er definiert, was göttlich wirklich bedeutet (für Dawkins - aber auch für Thomas oder grundsätzlich):
„Der entscheidende Unterschied zwischen Göttern und gottähnlichen Außerirdischen liegt nicht in ihren Eigenschaften, sondern in ihrer Entstehungsgeschichte." (S. 106).
Dem gegenüber ist ein Gott - per definitionem - ein Wesen (ob intelligent oder strohdoof, das mag vorläufig dahingestellt bleiben), das ursprungslos ist.
Mehr wollen wir - und will auch Thomas nicht wissen: Gibt es in diesem Sinne einen Gott - also ein ursprungsloses Wesen?
Dawkins stellt diese Frage nicht. Für ihn ist klar: „Jede kreative Intelligenz, die ausreichend komplex ist, um irgendetwas zu gestalten, entsteht ausschließlich als Endprodukt eines langen Prozesses der allmählichen Evolution" (S. 46). Somit hat Dawkins schon am Anfang eine These aufgestellt, die er von nun an nicht mehr hinterfragt.
Zunächst befragt Dawkins die ersten drei Gottesbeweise des Thomas von Aquin - die er zwar auch etwas ironisch und platt darstellt, aber immerhin auch für Nicht-Philosophen verständlich: (S. 108/109)
1. Der unbewegte Beweger. Nichts bewegt sich, ohne dass es zuvor einen Beweger gibt. Das führt zu einer unendlichen Regression, und Gott ist der einzige Ausweg. Irgendetwas muss die erste Bewegung veranlasst haben, und dieses Etwas nennen wir Gott.
2. Die Ursache ohne Ursache. Nichts wird von sich selbst verursacht. Jede Wirkung hat eine vorausgehende Ursache, und wieder landen wir in der Regression. Diese muss durch eine erste Ursache beendet werden, die wir Gott nennen.
3. Das kosmologische Argument. Es muss eine Zeit gegeben haben, in der keine physikalischen Objekte existierten. Da heute aber physikalische Gegenstände vorhanden sind, muss irgendetwas Nichtphysikalisches sie ins Dasein gebracht haben, und dieses Etwas nennen wir Gott.
Nochmal für alle Philosophen unter den Lesern: Diese Wiedergabe der „Wege der Gotteserkenntnis" sind ziemlich platt. So versteht Dawkins anstelle von „Veränderung" nur „Bewegung", anstelle von „Sein" spricht Dawkins von „physikalischen Objekten", anstelle von „Notwendigem Sein" übersetzt Dawkins „Nichtphysikalisches" - usw. Ich denke aber, dass wir Dawkins' Übersetzung dennoch so stehen lassen können. Für unseren Gedankengang reicht es.
Alle Gottesbeweise des Thomas von Aquin (und auch die Widerlegung des Beweises von Anselm) im Original (lat./dt.) findest Du hier: http://12koerbe.de/pan/st1qu2.htm
Die Kritik an diesen drei Wegen der Gotteserkenntnis (so die Bezeichnung, die Thomas selbst den Gedankengängen gegeben hat) ist aber entlarvend. Nur einen Satz (!) braucht Dawkins, um sie ad acta zu legen:
„Alle drei Argumente stützen sich auf den Gedanken der Regression und greifen auf Gott zurück, um sie zu beenden. Sie gehen von der völlig unbewiesenen Voraussetzung aus, dass Gott selbst gegen die Regression immun ist." (S. 109).
Nun, bei Dawkins steht hier seine Behauptung („Alle Intelligenzen sind immer Endprodukt einer Entwicklung") gegen die Behauptung des Thomas („Es muss eine erste Ursache geben, die selbst unverursacht ist"). Für Dawkins ist die Diskussion einfach dadurch beendet, dass er den zweiten Satz hinterfragt und seinen eigenen, ersten Satz eben nicht.
Aber wir wollen etwas kritischer sein. Die Frage, die Thomas v. A. hier aufwirft, ist ja nicht, durch was die Regression beendet wird. Sondern schlicht, ob alles einen Anfang haben muss (also: Ob die Regression beendet wird). Falls die Antwort „Ja" sein sollte, vergeben wir lediglich ein „Etikett": Wir nennen, das, was unverursacht immer schon war, „Gott".
Aristoteles - von dem Thomas den Beweis übernommen hat - geht beispielsweise von 49 bzw. 55 unbewegten Bewegern aus; dies leitet er aus den Planetenbewegungen ab.
Von mir aus kann es auch am Anfang geknallt, dass uns die Ohren jetzt noch (bei 6 °K) dröhnen. Wenn der Urknall nun wirklich unverursacht gedacht werden könnte, dann müssen wir ihn eben „Gott" nennen.
Oder davor hat ein großes grünes Männchen den Böller gezündet, der das Universum hat knallen lassen. Wenn das große grüne Männchen selbst keine Ursache hat, dann müssen wir es „Gott" nennen.
Tatsächlich ist mit diesen drei Wegen des Thomas überhaupt noch nichts darüber gesagt, wie dieser Gott aussieht, was er ist oder denkt (oder ob er überhaupt denkt). Sondern nur, dass das, was nicht verursacht ist - aber selbst den Anfang verursacht hat -, „Gott" ist.
Im Grunde wendet Thomas genau das Prinzip an, das Dawkins auf Seite 106 aufgestellt hat: Alles, was einen Anfang hat, ist natürlich. Alles, was anfangslos ist, ist übernatürlich - oder „Gott". Eigentlich sind Dawkins und Thomas sich einig... aber Dawkins will es nicht wahrhaben.
Das heißt nicht, dass die Gottesbeweise des Thomas von Aquin nicht noch weiter hinterfragt werden dürfen. Es stellen sich im Gegenteil viele Fragen: Hat das Sein an sich einen Anfang? Oder ist es schon immer und ewig gewesen? Oder, exakter: Kann man die Rückführung der Bewegung, der Ursache oder Existenz auf immer wieder davor Liegendes anwenden - unendlich? Oder hat die Regression ein Ende? Ja, muss sie nicht ein Ende haben? Dann gibt es auch Gott. (Wer oder was immer das sein mag.)
Dawkins stellt sich diese Frage zwar eine Seite später, um sie genauso wenig zu beantworten:
„Ökonomischer wäre es, sich auf eine „Urknall-Singularität" oder ein anderes, bisher unbekanntes physikalisches Konzept zu berufen. Die Bezeichnung dieses Konzeptes als Gott ist im besten Fall unnütz, und im schlimmsten führt sie heimtückisch in die Irre" (S. 110).
Warum heimtückisch? Wir wissen es nicht. Aber Dawkins besteht darauf, dass die Frage offen bleibt, ob sich der übernatürlich Anfang allen Seins (denn wenn es der Anfang allen Seins ist, muss es übernatürlich sein - siehe S. 106), nicht doch noch in die natürlichen Begebenheiten einbauen lässt.
Das nennt man Dickköpfigkeit: Dawkins präsentiert uns die Antwort auf dem Präsentierteller, nur um zu behaupten, dass es eine Antwort nicht gibt. (So wie René Magritte in seinem berühmten Bild eine Pfeife malt und drunter schreibt: „Diese Pfeife ist keine Pfeife")
Wenn wir über Thomas' Gottesbeweise nachdenken, führt uns der Gedankengang des Herrn Dawkins nur weiter in die Irre. Aber genauso wie Dawkins denken viele Kritiker der Gottesbeweise, deswegen wollen wir ihn hier weiter zu Wort kommen lassen:
„Alle drei Argumente stützen sich auf den Gedanken der Regression und greifen auf Gott zurück, um sie zu beenden. Sie gehen von der völlig unbewiesenen Voraussetzung aus, dass Gott selbst gegen die Regression immun ist. Selbst wenn wir uns den zweifelhaften Luxus erlauben, einen Endpunkt der Regression zu postulieren und ihm einen Namen zu geben, einfach weil wir einen solchen Endpunkt brauchen, besteht keinerlei Anlass, ihn mit den Eigenschaften auszustatten, die Gott normalerweise zugeschrieben werden: Allmacht, Allwissenheit, Güte, kreative Gestaltung..." (S. 109).
Mit anderen Worten: „Du behauptest, da wäre ein Auto entlang gefahren? Nur weil Du Reifenspuren siehst? Daraus kannst Du aber nicht schließen, dass es ein Golf gewesen ist!"
Toll, Dawkins. Danke!
Gut - soweit sind wir ja einverstanden. Aus dem Gottesbeweis des Thomas geht nicht im Geringsten hervor, welche Eigenschaften dieser Gott hat. Aber das hat Thomas ja auch nie behauptet.
Thomas entwickelt dann an anderer Stelle Gedanken, wie denn der „Unbewegte Beweger", der „Unverursachte Verursacher" auch von den Eigenschaften her sein muss. Und kommt auch zu erstaunlichen Erkenntnissen. Aber die hat Dawkins dann nicht mehr gelesen. Nehmen wir es ihm nicht übel.
Aus dem Nichtwissen, wie dieser Gott beschaffen ist (Ist er eine Person? Ein Prinzip? Eine Kraft? Die Materie?), lässt sich aber nichts über die Existenz dieses Unbewegten Bewegers ableiten.
Gut - dieser kleine Abschnitt hat nun wirklich nichts mehr mit Thomas' Gottesbeweise zu tun. Gönnen wir uns dennoch den Luxus, Dawkins noch etwas zu folgen:
Übrigens ist es der Aufmerksamkeit der Logiker nicht entgangen, das Allwissenheit und Allmacht unvereinbar sind. Wenn Gott allwissend ist, muss er bereits wissen, wie er mit seiner Allmacht eingreifen und den Lauf der Geschichte verändern will. Das bedeutet aber, dass er es sich mit dem Eingreifen nicht mehr anders überlegen kann, und demnach ist er nicht allmächtig. (S. 109)
Was hat das mit der Existenz Gottes zu tun? Nichts.
Einmal abgesehen davon, dass Dawkins hier einen vollkommen verqueren Begriff von Allmacht hat („Allmacht heißt, alles zu können - auch das Unvernünftige." Demnach ist Allmacht ein Widerspruch in sich: „Kann Gott beschließen, ab morgen nicht mehr allmächtig zu sein? Nein? Siehste - dann ist er es auch nicht!"); viel seltsamer ist, dass Dawkins dies in den Zusammenhang mit der Frage bringt, ob es Gott gibt. Diesen Gott - den unbewegten Beweger, der Erstursache - gibt er völlig voreilig ein paar Eigenschaften, nur um dann zu behaupten, diese Eigenschaften seien widersprüchlich... also gibt es auch keinen Gott.
Noch mal, mit anderen Wort en: „Du behauptest, da wäre ein Auto entlang gefahren? Nur weil Du Reifenspuren siehst? Daraus kannst Du aber nicht schließen, dass es ein Mercedes-Golf gewesen ist! Überhaupt schließen sich die Begriffe „Mercedes" und „Golf" aus. Also war da kein Auto."
Toll, toll, Dawkins! Danke, danke!
Kehren wir zurück zu Thomas.
4. Das Argument der Stufungen. Wir beobachten, dass die Dinge in der Welt unterschiedlich sind. Es gibt beispielsweise Abstufungen von Tugend oder Vollkommenheit. Aber solche Abstufungen können wir nur durch den Vergleich mit einem Maximum beurteilen Menschen können sowohl gut als auch schlecht sein, also kann das Maximum des Gutseins nicht in uns liegen. Es muss ein anderes Maximum geben, das den Maßstab der Vollkommenheit bildet, und dieses Maximum nennen wir Gott. (S. 110)
Dawkins scheint in seiner Kritik nicht wirklich zu begreifen, was „Vollkommenheit" bedeutet. Dawkins scheint darunter einfach nur „Maximum" zu verstehen. Aber ein Denker wie Thomas unterscheidet schon „Maximum" von „Vollkommenheit". Böse sein ist immer unvollkommen. Ebenso das „Stinken".
Denn Dawkins verwechselt hier die Seins-Ebene mit den Ebenen der Urteils-Begriffe. Wir können nicht deshalb auf Gott schließen, weil es Stufungen gibt. Sondern, weil wir urteilen und an sich losgelöste Dinge mit unterschiedlichen Eigenschaften in eine Werte-Reihenfolge bringen, brauchen wir einen Maßstab. Diesen Maßstab zur Bewertung (nicht für eine - bspw. rein chemische - Ordnung, wie z.B. das Periodensystem der Elemente) leitet sich von einem Vollkommenen ab - das wir Gott nennen.
Das fünfte Argument deutet Dawkins (nicht ganz korrekt) als Gestalt-Argument.
5. Das teleologische Argument, auch Gestaltungsargument genannt: Die Dinge in der Welt und insbesondere die Lebewesen sehen so aus, als wären sie gezielt gestaltet worden. Nichts, was wir kennen, sieht gestaltet aus, wenn es nicht gestaltet ist (...) Also muss es einen Gestalter geben, und den nennen wir Gott. (Seite 111)
Dawkins amüsiert sich hier über die Formulierung „die Dinge in der Welt sehen so aus als ob...". Dabei findet sich weder diese Formulierung noch eine ähnliche im Originaltext. Diesmal ist es angebracht, Thomas im Original zu lesen:
Der fünfte Beweisgang wird genommen aus der Steuerung der Dinge. Wir sehen nämlich, dass gewisse Dinge, die der Erkenntnis ermangeln, etwa die Naturkörper, ins Werk gesetzt sind auf ein Ziel hin, was dadurch einleuchtet, dass sie immer oder häufiger auf gleiche Art ins Werk gesetzt werden, so dass das folgt, was das Beste ist.
Daher ist offensichtlich, dass sie nicht zufällig, sondern aus Absicht zum Ziel gelangen. Das aber, was keine Erkenntnis hat, strebt nicht nach einem Ziel, es sei denn, es ist gelenkt von irgendeinem Erkennenden oder Intelligentem, wie der Pfeil vom Schützen. Folglich IST ein Intelligentes, von dem alle Naturdinge auf ein Ziel zugeordnet werden, und das nennen wir "Gott".
Thomas geht von der Beobachtung aus, dass die Dinge (und eben nicht, wie Dawkins meint, die Lebewesen), die selbst keine Erkenntnis haben, auf ein Ziel ausgerichtet sind; sich zielgerichtet verhalten. Wenn das auch für Dinge gilt, die selbst keine Erkenntnis und Willen haben, muss jemand anderes sie ausgerichtet haben.
Mit „Intelligent Design" hat dieser Gottesbeweis nur gemeinsam, dass er einen intelligenten Schöpfer annimmt. Ansonsten geht Thomas nicht von der Gestalt oder Komplexität der Lebewesen aus, sondern von dem zielgerichteten Verhalten aller Dinge. Das ist natürlich keine naturwissenschaftliche Größe, sondern eine menschliche Einschätzung.
So sagen wir gelegentlich - umgangssprachlich - dass die menschliche Pupille sich verkleinert, wenn zuviel Licht ins Auge fällt, um die Netzhaut zu schützen. Das mag menschlich gesehen korrekt beobachtet sein; naturwissenschaftlich macht eine solche Aussage keinen Sinn (denn die Pupille macht sich tatsächlich gar keine Sorgen um die Netzhaut. Sie weiß noch nicht einmal, dass es eine Netzhaut gibt). Der Biologe stellt nur fest, dass Pupille sich so verhält, weil es einen Mechanismus gibt, der zu einem solchen Resultat führt.
Am Ende stellt Dawkins wieder seine eigentliche Frage, die er bereits in Kapitel 2 beantwortet hat:
„Die ganze Argumentation dreht sich um eine berühmte Frage, auf die fast jeder denkende Mensch von selbst kommt: Wer hat Gott erschaffen?" (S. 154)
Aber Thomas stellt eine ganz andere (weiterführende) Frage: Eine Welt ohne Gott hieße eine Welt, die kein Ideal und kein Ziel hat. Das hieße (für die ersten drei Beweise) z.B. eine unendliche Regression. Ist das denkbar?
Die Antwort, auf die Thomas kommt, ist philosophisch gut fundiert. Sie führt aber allerhöchstens zu einem „unbewegten Beweger", einer „unverursachten Ursache" etc.
Thomas gibt selber zu, dass das nur die Frage nach der Existenz einer Wesenheit ist, die wir „Gott" nennen - und diese ziemlich blutleer und hohl bleibt. Die Frage, wie diese Wesenheit beschaffen ist, ist eine neue Frage.
- Thomas: „In Bezug auf die göttliche Wesenheit aber muss zuerst betrachtet werden, ob Gott IST;
- zweitens, wie er ist, oder vielmehr, wie er nicht IST;
- drittens werden diese Aspekte zu betrachten sein, die zu seinem Wirken gehören, nämlich Weisheit und Wille und Macht." (Summa Theologiae, qu. 2)
Also, immer schön eines nach dem anderen. Die Frage, wie dieser Gott ist, soll also ein anderes Mal besprochen werden.
Ursprünglich waren hier noch zwei weitere "spezielle Betrachtungen" angefügt: Einmal über die Frage, ob man zur Moral unbedingt einen Gott oder eine Offenbarung braucht; und dann noch ein Kapitel zur Frage nach dem alttestamentlichen Gott. Beides ist so ausführlich geworden, dass sie als eigenständige Katechesen gesetzt wurden.
Die Frage nach der Moral
Die katholische Position zum (grausamen) Gott des Alten Testamentes