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Die Gottesgebote im Dekalog

Es gehört zum (falschen?) Allgemeinwissen, dass die Zehn Gebote keinen speziellen religiösen Charakter haben, sondern allgemeingültig für alle Menschen seien.
Das gilt ganz klar für die letzten sieben Gebote, die das Zusammenleben der Menschen ordnen. Diese Gebote sind tatsächlich Grundlage der meisten modernen Staaten und deren bürgerliche Gesetzgebung. Aber die ersten drei Gebote (»Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!«, inklusive Bilderverbot; »Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren!« und »Du sollst den Sabbat halten!«) gehören auf den ersten Blick keineswegs zum Allgemeinbestand der modernen Welt - eher im Gegenteil: Mit der Abschaffung der Blasphemie-Gesetze, der Trennung von Staat und Kirche und der zunehmenden Entleerung des Sonntagsgebotes sind die modernen Staaten weit davon entfernt, sich die ersten drei Gebote auf die eigenen Fahnen zu schreiben.
Dennoch sind gerade diese Gebote keineswegs irrelevant für unsere moderne Welt - ja, sie sind sogar der Grund dafür, dass es unsere moderne Welt, die Naturwissenschaften und den modernen Staat überhaupt gibt. Überrascht? - Lies selbst!

(Diese Katechese ist der zweite Teil von drei zusammenhängenden Katechesen zu den ersten drei Gebote. Davor gibt es Nr. 118 (Das 1. Gebot: Keine anderen Götter!) und es folgt Nr. 123 (Das 3. Gebot: Heilige den Sabbat!)


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Diese Katechese ist auch als gedrucktes Heft (Nr. 122) erhältlich: Kostenlose Bestellung

 

II. Das zweite Gebot: Die Heiligkeit Gottes

Vorbemerkung: Wenn das erste Gebot verbietet, die Welt zu vergöttlichen, dann kann man das zweite Gebot in der Konsequenz als »Verbot, Gott zu verweltlichen« bezeichnen.

Das zweite Gebot: Gott ist nicht der Diener unserer Welt.
Verzwecke also Gott nicht für dein Wohlergehen!

Exodus 20, 7: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.
Deuteronomium 5, 11: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.

1. Die ursprüngliche Bedeutung

a. Der Missbrauch des göttlichen Namens. - »Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren!« ist als Gebot zunächst gegen den Missbrauch von Eide gerichtet (»So wahr mir Gott helfe!« - »Ich rufe Gott als Zeugen an!«). Meineide hatten in früheren Gesellschaften ohne ausgefeiltes Gerichtswesen viel verheerendere Folgen als heute. Außerdem gegen Fluchen und falschen Segen (»Gott verdamme dich!« - »Gott möge dich tausendmal strafen!« - »Gott schütze die Prostitution!«), die früher nur als verbale Entgleisung, sondern als wirkmächtige Worte angesehen wurden. Das zweite Gebot richtet sich nicht zuletzt als Warnung an und vor falsche(n) Propheten, die im Namen Gottes nur das prophezeiten, was den Herrschern (oder dem Volk) gefiel.

b. Der rechte Gebrauch des göttlichen Namens. - Das Verbot, den Namen Gottes zu missbrauchen, setzt allerdings voraus, dass es schon grundsätzlich möglich war, im Namen Gottes zu handeln oder zu reden. Nicht der Eid grundsätzlich wurde verworfen (auch nicht beim »Namen des Herrn«), sondern der Meineid; nicht der Fluch grundsätzlich oder der Segen, sondern das Verfluchen eines unschuldigen Menschen oder der Segen über eine gottwidrige Sache. Ein Missbrauch setzt die Möglichkeit eines richtigen Gebrauchs voraus. Moderne Interpretationen, die jede Prophetie, jeden Eid oder jeden Segen als Anmaßung verstehen, werden dem ursprünglichen Sinn des zweiten Gebotes nicht gerecht.

Allerdings wurde durch die Bergpredigt Jesu im Christentum die Auslegung dieses Gebotes vertieft (»Ich sage euch: Schwört überhaupt nicht! Euer Ja sei ein Ja...«). Der Schwur als dokumentierte Rechtsform (z.B. vor Gericht) blieb demnach zwar erhalten, ansonsten war aber der Christ grundsätzlich zu höchster Wahrhaftigkeit verpflichtet. Grundsätzlich! Nicht etwa nur, wenn er zuvor den Namen Gottes angerufen hatte oder sein Wort durch Handschlag oder ähnliche Bekräftigungen besiegelte.

c. Der Name Gottes. - Der Namen Gottes steht in diesem Gebot zunächst für Gott selbst. Wer den Namen Gottes verunehrt, der verunehrt Gott. Jedoch ist die Verwendung von »Namen Gottes« als Synonym für »Gott« nicht einfach nur eine sprachliche Variante, sondern schon eine religionsgeschichtlich wichtige Unterscheidung. Das Judentum hat verstand Gott als so jenseitig und transzendent, dass es sich scheute, ihn direkt in dieser Welt zu lokalisieren. Während in einigen Erzählungen Gott noch »im Dornbusch« oder »in der Feuersäule« persönlich anwesend war, begannen einige Rabbiner nur von der Anwesenheit der »Herrlichkeit Gottes« (Kabod), dem Wort Gottes (Memra) oder gar der Einwohnung Gottes (Shekinah) zu sprechen. Gott ist nicht im Tempel, im Tabernakel (dem Bundeszelt) oder der Bundeslade, wie ein Mensch an einem Ort ist und deshalb nicht an einem anderen sein kann. In diesem Sinne wird auch der »Name Gottes« als die wahre Anwesenheit Gottes verstanden, ohne in deshalb auf diesen einen Ort zu begrenzen. So baute Salomon einen Tempel »für den Namen des Herrn« (2 Chr 1,18) und machte damit deutlich, dass Gott dort tatsächlich Wohnung nehmen wird, ohne auf den Tempel beschränkt zu sein.

Das wurde zum Beispiel im Tempel in Jerusalem gefeiert, in dem nur einmal jährlich einer der Tempelpriester, der per Los ausgewählt wurde, in das Allerheiligste treten durfte, dort das Opfer darbringen musste und nur dort den Namen Gottes dreimal aussprechen durfte. Nur durch diese Zeremonie wurde der ausgesprochene Name Gottes vom Priester an seinen Nachfolger weitergegeben. Mit der Zerstörung des Tempels und dem Verschwinden der Tempelpriester ist diese Tradition erloschen - und auch das Wissen darum, wie JHWH tatsächlich ausgesprochen wurde. Sicherlich nicht »Jehowah« und wohl auch nicht »Jahweh«... wir werden es in dieser Welt nicht mehr erfahren.
2. Die epochale Bedeutung

a. Das kaufmännische Verhältnis zu Gott. - Grundsätzlicher wendet sich das zweite Gebot gegen den Gedanken, Gott (oder »die Götter«) seien Mächte dieser Welt, die man auf irgendeine Weise »handhaben« könnte: Der Flussgott muss besänftigt werden, der Wettergott gnädig gestimmt und der Kriegsgott erhält den Anteil an seiner Beute. Für viele Religionen war ein solches »hantieren« mit den göttlichen Ansprüchen und Eigenheiten das eigentliche Geschäft, galt es doch, den Religionsanhängern ein möglichst erfolgreiches Leben zu garantieren, indem man auch die Götter in seinen Pläne und Berechnungen einbezog.

Im Film »Schwester Sonne, Bruder Mond« über den Heiligen Franziskus wird dessem Vater der Gedanke in den Mund gelegt, nach einem Krieg von Assisi gegen Perugia vom erhofften Gewinn immer auch eine entsprechende Summe zur Tilgung der Sünden und dem Gewinn eines Ablasses abzuziehen. Religion und Moral als ein Buchungsposten im Geschäftsbetrieb: Das gab's leider noch im Christentum, war jedoch in vorchristlichen Religionen üblich.

Selbst für die Juden war es ein langer Erkenntnisprozess, den Dienst am eigenen Gott nicht deshalb zu vollziehen, weil dieser sonst Ernteerfolg und Kriegsglück verweigerte, sondern weil Gott schlicht Ehre gebührt. Der Bund, der am Sinai geschlossen wurde, ist letztlich ein Ehebund, in dem das Volk verspricht, Gottes Namen in Ehren zu halten. Nicht, weil es sich wirtschaftlich auszahlt. Sondern weil Gott es wert ist. Weil er Gott ist.

Diese veränderte Sichtweise ist durchaus epochal und bis in die heutige Zeit bestimmend für unser religiöses Denken. Die heute selbstverständliche und staatlich garantierte Religionsfreiheit ist nur haltbar, wenn Religion eine Liebesentscheidung ist. Wäre Gott nicht in aller Freiheit zu lieben, sondern um des Wohlergehens seines Volkes willen zu verehren, müsste jeder in diesem Land seinen Teil dazu beitragen - alles andere wäre ein Schaden am Volk. Dann könnte man Religion einklagen und von jedem bestimmte Kulthandlungen verlangen, der in unseren Breiten wohnt (religio civilis).

Die Befreiung der Religion aus der Zweckhaftigkeit bedeutet also auch eine Befreiung des Menschen aus dem staatlichen und wirtschaftlichen Zwang zur Religion. Ein Gedanke, der sich nur langsam im Judentum und auch im Christentum durchgesetzt hat und bis heute noch nicht in allen Religionen angekommen ist.

b. Die Gefahr des mythischen Chaos. - Wenn Gott und Menschen listige Vertragspartner bzw. Verhandlungsgegner wären, die jeweils versuchen, sich den anderen zunutze zu machen, wäre der Mensch verloren. Denn letztlich ist Gott eben Gott und somit allmächtig, allwissend und allgegenwärtig. Der Mensch dagegen wäre hoffnungslos verloren bei einem solchen Verhandlungspartner.

So ähnlich muss sich wohl Bruce am Anfang des Films »Bruce allmächtig« gefühlt haben: Gott ist allmächtig - und allein das ist schon nicht fair. (Bruce denkt da allerdings noch, dass Gott und er selbst verschiedene Ziele verfolgen).
So ähnlich hoffnungslos kommt sich wohl auch Anthony Hopkins als Hellseher im Mystery-Thriller »Solace / Die Vorsehung« vor, der schließlich erkennt, dass ein ihm weitaus überlegener anderer Hellseher immer einen Schritt voraus ist - und sogar seinen Widerstand und seine Verzweiflung plant und verzweckt.

Nein: Gott ist kein Konkurrent zum Menschen, weshalb der Mensch Gott auch nicht besänftigen, ermuntern oder gnädig stimmen kann. Es ist immer der Mensch, der an sich selbst arbeitet, indem er sich für den Gottesdienst bereitet. Wir verändern nicht Gott durch unsere Rituale, Sakramente oder Segnungen, sondern immer nur den Menschen. Wer glaubt, er könne Gott für seine Zwecke einspannen (also den Namen Gottes missbrauchen), hat in diesem Augenblick schon den kürzeren gezogen. Das weiß letztlich jeder, der nur ein wenig nachdenkt.

c. Anteil erhalten an der Freiheit Gottes. - Wenn wir die Heiligkeit des Namens Gottes schützen, dann beschützen wir letztlich unsere eigene Berufung zur Heiligkeit. Gott können wir nicht im eigentlichen Sinne vor etwas bewahren, aber Seine Gegenwart in unserer Welt (und sein Wirken in den Priestern und Propheten) zu leugnen bedeutet, uns der Möglichkeit zu verschließen, an Gottes Heiligkeit Anteil zu erhalten.

Denn die »Heiligkeit Gottes« bedeutet nicht einfach nur die »Andersheit Gottes«, sondern Seine »Freiheit zur Andersheit«. Gott ist nicht einfach das Gegenteil von allem, was in der Welt ist, sondern er ist derjenige, der die Freiheit hat, anders als die Welt zu sein. Aber - das ist das Geheimnis, das schließlich sogar zur Menschwerdung Gottes führte - Gott hat auch die Freiheit, sich in diese Welt zu begeben. Gott ist der, der der Welt gegenüber frei ist. An dieser Freiheit hat er uns schon bei der Erschaffung des Menschen Anteil gegeben (»Er hauchte Adam seinen Lebensatem ein«). Das allein begründet die Würde des Menschen! Der Mensch ist kein Rädchen in der Weltmaschine, ein Spielball der Elemente oder der Mächtigen. Indem er Mensch die Unverfügbarkeit des Namens Gottes wahrt, schützt er zugleich seine eigene Unverfügbarkeit gegenüber den Zwängen dieser Welt. Gott ist absolut frei, und in diese Freiheit ist der Mensch zunehmend hineingenommen.

3. Einzelfragen

a. Schwur, Eid und Ehrenwort. - Wer keinen eigenen guten Rufe zu verlieren hat, greift vielleicht zum Namen Gottes, um die Wahrhaftigkeit einer Aussage an dessen guten Ruf zu binden. Ein Christ sollte dagegen zu einem Menschen werden, der einen guten Ruf hat und dem man glaubt, was er sagt, weil er ein aufrechter und wahrheitsliebender Mensch ist. So sollte es sein.

Wir müssen aber damit rechnen, dass wir selbst bei einem untadeligem Leben einen schlechten Ruf angedichtet bekommen. Für Christen ist das nichts Neues: In Zeiten der Verfolgungen wurde ihnen alles erdenklich Schlechte nachgesagt.

Sprichwörtlich geworden ist die Behauptung, Christen würden kleine Kinder essen. Dieses Gerücht wurde in den Verfolgungszeiten der Antike immer neu befeuert. Grund für diese Rufschädigung war der römische Brauch, neugeborene Kindern dem Patriarchen zu Füßen zu legen; hob dieser das Kind auf, so wurde es der Familie zugerechnet; andernfalls wurde es verstoßen und an verschiedenen Orten in Rom ausgesetzt und seinem Schicksal überlassen. Die ersten Christen besuchten regelmäßig diese Orte und nahmen sich der neugeborenen Kinder an. Weil die Römer sich nicht im Geringsten vorstellen konnten, warum die Christen so etwas taten, entstand das Gerücht, sie würden die Kinder mitnehmen, um sie dann zuhause zu verspeisen.

Wer seinen Ruf - wohlmöglich ohne eigene Schuld - verloren hat oder sich jemandem gegenüber rechtfertigen muss, der ihm jede Glaubwürdigkeit abspricht, mag auch als Christ zum Schwur, zum Eid oder zum Ehrenwort greifen.

Das gilt auch für Situationen, in denen er von staatlichen oder nichtchristlichen Institutionen zum Eid aufgefordert wird. Obwohl wir Christen eigentlich nicht schwören sollen (Mt 8,12), erkennen wir einen Eid als solchen an. Und weil wir den Eid durchaus ernst nehmen, ist es uns weiterhin nicht möglich, darin unser Reden und Handeln von unseren inneren Überzeugungen zu lösen (indem wir zum Beispiel einem fremden Gott opfern unter dem Vorwand, es sei ja nur eine nichtige äußere Handlung).

Thomas Morus weigerte sich, den Eid auf die neue englische Verfassung zu schwören, die den König zum höchsten Oberhaupt der englischen Kirche ernannte. Es waren zwar nur Worte, die er verweigerte. Jeder hätte gewusst, dass er sie nicht wirklich so meinte - und diese Worte auszusprechen, hätte ihm das Leben gerettet. Aber ein Eid - so Thomas Morus - besteht aus »Worten, die wir zu Gott sprechen«.
Das eben genannte Beispiel der Opferung für einen fremden Gott war der einfachste Weg in den Christenverfolgungen der Antike, die Christen zu identifizieren. Dabei bestand die Opferung oft nur in dem Ritus, ein paar Weihrauchkörner vor dem Götterbild (meist des Kaisers) zu verbrennen. Aber für Christen kam das nicht in Frage: Ein innerer Glaube, der nicht mit den äußeren Handlungen und Haltungen übereinstimmt, ist kein wirklicher Glaube.
Im Film »Silence» von Martin Scorsese wird ein Jesuit aufgefordert, ein Christusbild mit Füßen zu treten, damit die von ihm bekehrten Japaner nicht gefoltert und getötet werden. Obwohl im Film Christus selbst den Jesuiten dazu auffordert, ist der Hinweis, es sei ja nur ein Ritual, für zahlreiche tatsächliche Märtyrer des Christentums kein gangbarer Ausweg gewesen.

In unserem christlichen Glauben hat der Eid eigentlich keine besondere religiöse Bedeutung. Dennoch kann es sein, dass wir von Menschen aufgefordert werden, einen Eid zu schwören oder eine andere, nur für sie bedeutsame Handlung zu vollziehen (wie z.B. eine Opferung für einen fremden Gott). Obwohl wir diesen Aufforderungen eigentlich problemlos nachkommen könnten, da es ja keine fremden Götter gibt, denen wir opfern könnten, müssen wir die Bedeutung beachten, die solches Reden und Tun für andere hat.

b. Fluchen und Segnen. - Viele glauben heute nicht mehr, dass Fluchen oder Segnen eine unmittelbare Auswirkung hat; deshalb gilt das Fluchverbot eher als eine Benimmregel und Fluchen als eine Unsitte, die sich in stilvoller Umgebung nicht gehört. Für uns Christen hat das Segnen aber eine größere Bedeutung und ist nicht nur ein Beruhigungsritual. Dementsprechend müsste auch das Fluchen und Verfluchen gemieden werden, weil es tatsächlich Schaden verursacht.

Um das zu verstehen, müssen wir nicht in magischen Aberglauben verfallen: Pädagogen, Psychologen und sogar Biologen wissen inzwischen um die positiven Folgen, die Lob, Bestätigung und Zuspruch für Menschen haben. Sowohl für die Seele, als auch für den Leib (in der Gehirnaktivität, der Ausschüttung von Hormonen bishin zur Epigenetik, die positive Kindheitserfahrungen sogar in der Vererbung nachweist). Segnen, lateinisch benedicere, heißt ja auch nicht umsonst »gutreden«.

Diese Erkenntnis gilt auch für das Gegenteil: Das »Schlechtreden« von Menschen, kritteln, diffamieren und entmutigen. Fluchen und Verfluchen sind da eine Steigerung des nachgewiesenen Effektes - und nicht etwa purer Aberglaube. Mag beim Segnen zusätzlich zur Psychologie auch noch das Wirken Gottes kommen, so reicht beim »Fluchen und Verfluchen« schon der erwiesene Effekt, damit wir uns bewusst werden, dass wir tatsächlich einen Schaden anrichten.

c. Das sage ich im Namen Gottes! - Immer wieder verleihen Menschen ihren Forderungen besonderen Nachdruck, indem sie mit den Anspruch erheben, im Namen Gottes zu reden. Das mag in manchen Fällen klarer Missbrauch sein; oft sind diese Menschen jedoch von der Richtigkeit ihrer Gedanken so sehr überzeugt, dass sie sich ganz und gar in Übereinstimmung mit Gottes Willen sehen.

Nun - das will ich ihnen auch nicht abstreiten. Die Überzeugung, in Übereinstimmung oder gar im Auftrag Gottes zu handeln, ist vermutlich eine ganz wichtige Motivation für viele, überhaupt ihre Stimme zu erheben. Aber: Sie ist kein Argument.

Es mag sein, dass Gott mir im Traum die Richtigkeit meiner Ansichten (z.B. über die Gefährlichkeit von Handystrahlung) bestätigt hat: Allein die Existenz dieses Traumes kann ich nicht beweisen. Noch weniger kann ich belegen, dass es Gott war, der mir im Traum erschien (und nicht etwa mein eigenes Geltungsbedürfnis) oder dass der Traum überhaupt irgendeine Bedeutung hatte und nicht etwa nur sinnloses Neuronenfeuer war. Wer also behaupten will, er spreche im Namen Gottes, muss auch auf die Vernünftigkeit, die Kirchlichkeit oder die Schriftgemäßheit der Botschaft selbst bezug nehmen. Gott als zusätzlichen Zeugen anzurufen, hilft dabei wenig. Selbst für echte Propheten.

Das gilt auch für den höchsten Wahrheitsanspruch, den es in der katholischen Kirche gibt: Die Verkündigung eines Dogmas durch den Papst mit dem Anspruch der päpstlichen Unfehlbarkeit. Selbst hier behauptet der Papst nicht, unmittelbar mit der Autorität Gottes zu sprechen (oder des Heiligen Geistes, was aufs Gleiche hinausläuft), sondern er beruft sich auf die Autorität der Kirche, namentlich als Nachfolger des Hl. Petrus, die eine Zusage Gottes ist. Dass der Papst in diesem Augenblick im Namen Gottes spricht, kann man glauben. Es wäre aber kein zusätzliches Argument für die Wahrhaftigkeit seiner Aussage, wenn er das gleichzeitig auch noch behauptet.

Der Missbrauch des Namen Gottes geschieht in noch verwerflicherem Maße dort, wo Gewalt, Terror und Krieg mit einem Auftrag Gottes gerechtfertigt werden. Das gilt nicht nur für die islamistischen Dschihadisten und andere fundamentalistischen und gewaltbereiten Bewegungen. Vor einem Missbrauch der Religion ist kein Glaube gefeit. Allerdings ist nicht jede militärische Aktion im religiösen Gewand automatisch ein Verstoß gegen das 2. Gebot.

Das gilt für die Kreuzzüge, die Albigenserkriege und die Ketzerverfolgungen ebenso wie für Inquisition und Hexenwahn. Nicht jeder Krieg ist in sich verwerflich: jedes Land hat ein Recht auf Verteidigung. Und nicht jede verhängte Todesstrafe ist ein Verbrechen: Jede Gesellschaft muss sich schützen dürfen. Es gilt in allem sorgfältig zu unterscheiden...:

Die entscheidende Frage ist, ob es gute Gründe für eine Ausübung von Gewalt gibt und wir deshalb (aus gutem Grund) der Meinung sind, gottgefällig zu handeln - oder ob wir glauben, der Auftrag Gottes allein sei schon Grund genug.

Das mag wenig alltagsrelevant sein. Die wenigsten von uns sind Papst, Prophet oder Apostel. Aber manche führen sich so auf: Als der Pfarrgemeinderat in Ahaus der 90-er Jahre die Einlagerung von atomaren Brennelementen in ihrer Stadt diskutierten, gab es zwei ziemlich gegensätzliche Ansichten. Das war schon ein Problem, wenn auch kein sehr überraschendes. Als dann aber für diese politische Meinung die Autorität Jesus höchstpersönlich reklamiert wurde (»Jesus wäre auch dagegen!«), eskalierte der Streit. Die göttliche Autorität in Anspruch zu nehmen, war offensichtlich keine hilfreiche Lösung.

Das gilt im übrigen für jeden Streit, der seine Wurzeln in der unterschiedlichen Einschätzung von Sachverhalten hat, dann aber mit dem Willen Gottes verknüpft wird: »Gott würde heute auch Homosexuelle trauen!« - »Jesus wäre sicherlich nie in eine Luxusbadewanne gestiegen!« - »Jesus wäre sicher sofort aus der CSU ausgetreten!« - »Gott ist es doch egal, ob jemand katholisch oder evangelisch ist«. Alles ganz alltägliche Aussagen. Die aber keinen Erkenntnisgewinn bieten - und womöglich gegen das 2. Gebot verstoßen.

Das zweite Gebot legt den Grund für die Unterscheidung von Religion und Staat und die positive Religionsfreiheit