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KARL-LEISNER-JUGEND |
von Michael Kenkel (erstellt: 2024)
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
Heute/Gestern vor 2 Jahren begann der Überfall der russischen Armee auf die Ukraine. Zivilisten wurden wahllos getötet, Kinder nach Russland entführt. Vor 140 Tagen überfielen die Hamas Israel und töteten über 1000 Menschen, viele Jugendliche auf einem Festival, entführten über 200 Israelis, die z.T. immer noch in Gefangenschaft sind. Jedes Jahr werden allein bei uns in Deutschland ziemlich genau 100.000 Kinder im Mutterleib durch Abtreibung getötet, und das sind nur die gemeldeten Zahlen. Aber wir brauchen mit dem unschuldigen Leid gar nicht in die Ferne schauen. Jeder von uns hat schon unschuldig Leid erfahren, oder auch Leid verursacht.
Wie soll das alles jemals gesühnt werden, wie kann dabei je wieder Frieden herrschen, Versöhnung stattfinden, Gerechtigkeit?
Welche Strafe wäre dafür angebracht, damit die Opfer wieder Frieden finden können? Wieviel Geld soll an Reparationszahlungen fließen? Soll das die Wunden der Toten und der Angehörigen heilen?
Nein! Kein Geld der Welt kann die Tötung Unschuldiger wieder gut machen. Keine Entschuldigungsbitte kann den Tod von Menschen sühnen. Es sei denn, wir gehen den Weg, den Gott uns gezeigt hat, den er gegangen ist.
Gott hat einen Weg gefunden, all das Leid dieser Welt zu sühnen.
Er hat aus Liebe zu uns Menschen sein eigenes Leben gegeben. Er hat seinen eigenen Sohn am Kreuz für all diese Sünden der Menschheit geopfert.
Das ist die Antwort auf die Frage, warum Jesus diesen qualvollen Weg gegangen ist. Jeder andere Preis wäre zu niedrig gewesen. Was wir von Paulus heute in der 2. Lesung gehört haben, trifft hier zu: "Gott hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben" Das, was Abraham bereit ist, zu tun: seinen einzigen Sohn zu opfern, hat Gott tatsächlich getan. Mehr noch: der Sohn hat sich selbst hingegeben. Gott hat den höchsten Preis, der möglich war, gezahlt, damit die Liebe über den Tod, über all das Leid siegt.
In der Auferstehung von den Toten ist dieser Sieg sichtbar geworden. Das, was Petrus, Jakobus und Johannes im heutigen Evangelium noch nicht verstehen, feiern wir am Osterfest: diesen Sieg des Lebens über den Tod.
Und nur so - durch dieses Opfer Gottes - ist Frieden möglich; ist Vergebung möglich, ist Versöhnung möglich - wie groß das Leid heute auch ist.
Und nur so ist auch uns Vergebung möglich, das Leid, welches wir verursacht haben, können wir nicht wiedergutmachen - aber Gott kann es. Und das Leid, welches wir unschuldig erfahren haben, wo wir uns schwer tun, zu verzeihen, auch dort kann Gott Versöhung ermöglichen. Er kann uns Versöhnung, Frieden schenken. Amen.
von Manfred Stücker (erstellt: 2023)
Wo möchte ich leben? Vergangenheit? Zukunft? Gegenwart!
Wo möchten Sie leben? Wo ist Ihr Zuhause? - Wenn Sie jetzt denken, diese Frage bezieht sich auf einen Ort, es geht um das Land, die Stadt oder das Dorf, so muss ich diese Frage genauer stellen. Denn ich meine nicht einen bestimmten Platz, sondern etwas anderes.
An Weihnachten habe ich die Frage gestellt, ob wir uns aussuchen können, wo wir geboren werden. - "Natürlich nicht!" wird jeder von uns antworten, doch es gibt, wie wir an Weihnachten bekennen, eine Ausnahme. Jesus wollte in Betlehem geboren werden, in der Stadt Davids, in der Stadt, deren Name übersetzt "Haus des Brotes" bedeutet.
Wenn wir uns nun die Frage stellen: Wo möchte ich leben?, dann kann die Frage auch lauten: Wann möchte ich leben? - Und auch auf diese Frage würden Sie wahrscheinlich erstaunt antworten: Ja, wann denn wohl? Ich lebe doch jetzt, in diesem Augenblick! Und das kann ich mir nicht aussuchen! Die Zeit und die Umstände, die wir vorfinden, die sind nun mal so!
Umso seltsamer ist, dass viele unserer Zeitgenossen - vielleicht auch Sie, vielleicht auch ich! - sich ganz anders verhalten und ganz anders denken und sich auch wünschen, in einer ganz anderen Zeit zu leben!
Viele wünschen sich die Vergangenheit zurück. Sie denken:
Früher war mehr Gemeinschaft. Früher war mehr Nachbarschaft. Früher war mehr Disziplin. Früher war mehr Achtung der Jüngeren vor den Ãlteren. Früher waren die Kirchen voll ... die Reihe lieÃe sich fast endlos fortsetzen.
Nur: die Vergangenheit können wir nicht mehr zurückswitchen. Und wahrscheinlich wollen das viele dann doch nicht, dieses Zurück in die Vergangenheit, wenn man sich vorstellt, im Ruhrgebiet unter rauchenden Schloten zu leben, oder in einer Textilstadt an einem verseuchten Fluss, oder mit einem Auto durch die Gegend zu fahren, das nicht einmal einen Sicherheitsgurt hat.
Also leben wir dann besser in der Zukunft, wo unsere Probleme, die wir haben, mehr oder weniger gelöst sein werden? CO^2 -neutral am besten bis 2030, eine Welt, in der der Krieg geächtet ist, wo Kolonialismus, Fremdenfeindlichkeit, soziale Ungerechtigkeit und Unfreiheit überwunden sein werden! Doch wer garantiert das alles? Sind nicht alle diese Ideen und Ziele schon seit sehr langer Zeit anerkannt?
Und wie sind damit weitergekommen?
Auch in der Kirche gibt es manche, die lieber in der Vergangenheit leben möchten, noch mehr Menschen aber, so scheint mir, die sich überlegen, wie die Zukunft aussehen muss, und sich daran versuchen.
Nun habe ich nichts gegen Pläne, Konzepte und Ziele, doch zugleich bin ich skeptisch, und ich behaupte, diese Skepsis und diesen Zweifel, was Zukunftsvisionen angeht, sogar biblisch und vom Glauben her begründen zu können. Doch zuvor lassen wir doch einfach unseren gesunden Menschenverstand arbeiten. Wer hat uns vor drei Jahren gesagt, dass wir eine Pandemie bekommen, die uns noch weiter beschäftigen wird? Wer hat uns vor einem Jahr gesagt, dass in Europa ein grässlicher Krieg herrscht?
Wer hat uns vorausgesagt, wie sich die Preise entwickeln werden, dass Boris Becker ins Gefängnis kommt (und dann wieder entlassen wird), und dass unsere FuÃball-Nationalmannschaft, auf die wir einst so stolz waren, inzwischen ein Sanierungsfall ist?
Woher mag das kommen, dass alle, die meinen, in die Zukunft hineinschauen zu können wie mit einem Fernglas, regelmäÃig daneben liegen? "Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen" meint darum Mark Twain in seiner unnachahmlich bissigen und präzisen Art.
Für den, der glaubt, ist das nichts Erstaunliches. Denn Gott ist ein Gott der Ãberraschungen. Er tut Dinge, die kein Mensch für möglich gehalten hätte. Oder wer hätte sich ausdenken können, dass ein kleines Kind in einem Stall die Welt rettet? Und dass wir durch Ihn, der am Kreuz wie ein Verbrecher stirbt, die Hoffnung auf Leben haben? Oder dass zwölf mehr oder weniger ungebildete Männer die Welt mit der Botschaft aufmischen, dass Gott die Liebe ist?
Das alles soll uns nicht in Apathie und Tatenlosigkeit stürzen, nach dem Motto: "Daran kann ich eh nichts ändern, und ich alleine schon gar nicht", sondern es kann uns etwas anderes zeigen: dass wir, wenn wir die Zukunft nicht kennen und auch nicht in die Vergangenheit zurückwollen, am besten einfach in der Gegenwart leben.
Die Gegenwart ist einfach jetzt. Jetzt kann ich Gutes wollen und tun.
Jetzt kann ich mich dafür entscheiden, den Nächsten nicht zu hassen, sondern zu lieben. Jetzt kann ich glauben und beten und so auf Gott vertrauen.
Wäre es nicht ein guter Vorsatz für das neue Jahr, sich einfach nichts Spezielles, GroÃes vorzunehmen, sondern nur dieses Eine:
Ich will in der Gegenwart leben, in dieser Zeit, die Gott mir schenkt und in die er mich hineingestellt hat? Das wäre doch etwas.
von Manfred Stücker (erstellt: 2023)
Der Weg nach unten
Auf dem Berg der Verklärung macht Petrus den Vorschlag: "Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst werde ich hier drei Hütten bauen" (Mt 17,4a).
Petrus ist so eingenommen von der verklärten Gestalt Christi, dass er, wie es scheint, gar nicht mehr wegwill von diesem Ort. Er nimmt nicht wahr, dass dies eine Momentaufnahme ist, ein Zustand, der jetzt noch nicht andauert. Es ist wie ein kleines Guckloch in eine andere Wirklichkeit, aber in dieser Wirklichkeit sind Jesus und seine Begleiter noch nicht angekommen. Sie sind noch auf dem Weg.
Auch unsere Kirche, gerade in Deutschland, hat sich in den Zeiten, in denen sie bedeutsam war, in denen sie Einfluss hatte und ihre Dienste von vielen Menschen in Anspruch genommen wurden, im übertragenen Sinn "drei Hütten" gebaut und noch einiges mehr. - Was meine ich damit? Nun, weil die Mittel vorhanden waren, gab es nicht nur zahllose Neubauten von Kirchen, vor allem nach dem 2. Weltkrieg, aber auch schon in der Zeit der Industrialisierung, als die Bevölkerung stark wuchs, und dann auch eine groÃe Zahl von Einrichtungen, die es bis dahin in diesem Ausmaà nicht gab: Kindergärten, Pfarrheime, deutschlandweit an die 400 Akademien, Bildungshäuser, Familienbildungsstätten, dazu noch die Häuser und Einrichtungen der Verbände, der Orden und geistlichen Gemeinschaften.
Das alles sind viel mehr als drei Hütten, und da wird deutlich, dass man einen Stand hat in der Zeit und in der Gesellschaft, in der man lebt.
Doch Jesus selbst gibt auf dem Berg der Verklärung keine Anweisung, drei Hütten zu bauen, sondern er tut etwas anderes: Er geht mit seinen Jüngern den Berg hinab, in die Niederungen, weiter in Richtung Jerusalem, wo Auslieferung durch die Menschen, Anklage, Leiden und Tod auf ihn warten.
Heute, am Zweiten Fastensonntag, werden wir daran erinnert, dass der Weg der Kirche auch heute, auch hier in Deutschland und in unserem Bistum Münster und in unserer Gemeinde, kein anderer sein kann als der Weg Jesu mit seinen Jüngern.
Dieser Weg beginnt schon da, wo es nicht mehr selbstverständlich ist, überall einen Priester oder Diakon oder Pastoralreferenten zu haben, wo es nicht mehr selbstverständlich ist, sein Kind taufen zu lassen oder eine kirchliche Ehe einzugehen. Gab es im Jahr 1990, also vor gut 30 Jahren, noch fast 300.000 katholische Taufen, so hat sich diese Zahl auf weniger als die Hälfte reduziert.
Und während noch im Jahr 2005 fast 50.000 Paare das Jawort in einer katholischen Trauung gaben, waren es 2021 noch 20.000 Paare, die das taten. Also ein Rückgang von 60 Prozent.
Das sind nur zwei Beispiele; die Zahl der Kirchenaustritte, die sich innerhalb von 10 Jahren fast verdreifacht hat, mag dazukommen.
Die öffentliche Wahrnehmung und die Statistik, so wie wir sie benutzen und kennen, nennt das einen eindeutigen Abwärtstrend. Doch was sehen wir mit dem Blick des Glaubens, was nehmen wir da wahr? Es ist, wie ich finde, nichts anderes als der Weg Jesu, den wir mitgehen.
Natürlich ist es schön und ein Zeichen von Stärke, wenn viele Menschen sich zur Kirche und ihrer Gemeinschaft bekennen, wenn Kinder und Jugendliche jahrgangsweise zur Erstkommunion gehen und zur Firmung, wenn wir schicke Kirchen und Pfarrheime haben. Alles das soll nicht schlechtgeredet werden.
Doch machen wir uns nichts vor: Der Normalzustand ist das nicht. Welche Diözese in Ghana oder in Brasilien hat alle 2000 Meter eine Kirche, ein Pfarrheim, ein Pfarrhaus und einen Kindergarten? Welche Gemeinde in Zimbabwe oder in Indonesien kann sich Küster, Organisten, Chorleiter, Pfarrsekretärinnen und Hausmeister leisten, die alle nach Tarif bezahlt werden? - Es ist tatsächlich so: Unsere Situation in Deutschland ist ein absoluter Ausnahmezustand, und es sieht ganz danach aus, dass die Hütten, die wir in gutem Glauben gebaut haben, nicht alle stehenbleiben werden.
Sollte uns das Sorgen machen? Sorgen auf jeden Fall. Als Getaufte und Gefirmte in der Kirche können wir nicht einfach die Hände in den Schoà legen. Wir müssen missionarisch sein, werbend, überzeugend. Wir müssen deutlich machen, was das bedeutet, dass wir glauben und in der Kirche eine Heimat haben.
Aber Angst machen sollte uns die Entwicklung, in der wir stehen, nicht. Als die Jünger die Stimme aus der Wolke hörten, die den Sohn bezeugte, bekamen sie es mit der Angst zu tun, doch dann heiÃt es, dass Jesus zu ihnen kommt. Er fasst sie an und sagt: "Steht auf, habt keine Angst!" (Mt 17,7)
von Manfred Stücker (erstellt: 2023)
Das Privileg der Ruhe
Als ich in früheren Jahren zu Besuchen in der Ukraine war, um Hilfsgüter und Spenden zu überreichen oder Hilfsaktionen zu koordinieren, da haben wir unseren Gastgebern nach dem Abendessen zur beginnenden Nacht gewünscht: "Angenehme Ruhe!" - Das war aber nur am Anfang so. Denn die so Angesprochenen fühlten sich keineswegs wohl bei diesem Wunsch! Was für uns die Nachtruhe bedeutete, der erholsame Schlaf, das bedeutete für unsere Freunde ziemlich genau das, was wir am Grab sagen, wenn wir unseren Verstorbenen wünschen, sie mögen "ruhen in Frieden".
"Ruhe" kann durchaus etwas Verschiedenes bedeuten. Wussten Sie, dass in früheren Zeiten das Ruhen, das Ausruhen und sich einfach treiben lassen ein Privileg von nur wenigen war? Die allermeisten Menschen mussten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, den ganzen Tag über arbeiten, bis es eben dunkel wurde. Freizeit war knapp. Und die wirklichen Zeiten der Feier und des Festes waren durch den Kreislauf der Natur und auch des Kirchenjahres bestimmt: Weihnachten und Ostern, Erntedank und Kirchweihe oder auch das Schützenfest.
Heute dagegen wünschen sich viele unserer Arbeitslosen oder Kurzarbeiter nichts sehnlicher, als dass ihre Ruhe endlich vorbei sei und sie sich wieder betätigen können. "Ruhe" ist da eher ein abschreckendes Wort.
Woran mag es liegen, dass in unserer Zeit viele Menschen nichts lieber mögen als "Action", Zerstreuung, Programm, das mitreiÃt? Und auch bei älter werdenden Menschen ist das Ideal nicht, einfach die Ruhe zu suchen, sondern Bewegung ist angesagt, Aktivität, Unternehmung.
"Stillstand ist Rückschritt" â "Wer rastet, der rostet": solche Worte verraten viel. Sie verraten, dass wir uns nur ein Dasein vorstellen können, in dem dauernd etwas geschieht. In dem etwas vorangeht.
Das geht dann bis hinein in den Gottesdienst. Wer einen Gottesdienst vorbereiten, oder besser wird gesagt: "gestalten" will, der muss eine Idee haben, was passieren soll: Musik, Texte, vielleicht eine Darbietung, eine Aufführung, ein Tanz - es darf auf gar keinen Fall "nichts" geschehen. Ruhe und Stille sind irgendwie fremd, sind unpassend, störend. Damit kann man nichts mehr anfangen, oder?
Kann uns Jesus weiterhelfen? Kann sein Beispiel uns etwas zeigen? Wenn Jesus von "Ruhe" spricht oder in der Bibel die "Ruhe" erwähnt wird, dann kommt dieses Wort dem nahe, was unsere Freunde in der Ukraine damit verbunden haben. Während wir oft damit verbinden: Ausruhen - entspannen - still werden - was ja gut ist und was zum Menschsein gehört! - meint die Bibel damit zuerst etwas anderes.
"Ruhe" ist eine Eigenschaft, die allein Gott zukommt, und ein Geschenk, das nur Gott selber geben kann. "Ruhe" ist ein Ausdruck seiner schöpferischen Kraft und Macht.
Sehr deutlich kommt das im Schöpfungsbericht zur Sprache. Nachdem aufgezählt wurde, wie Gott in der Fülle seiner schöpferischen Kraft die Welt und alles, was lebt, ins Dasein gerufen hat, kommt es nach den sechs Tagen der Schöpfung zum siebten Tag. An jedem der sechs Tage konnte er sagen: "Es war sehr gut (Gen 1,31 u.a.). Jetzt aber, am siebten Tag, "ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte" (Gen 2,3).
Wir würden diese Stelle natürlich völlig falsch verstehen, wenn wir meinen wollten, Gott müsse sich eben ausruhen, weil er ja so viel gearbeitet hätte und nun ziemlich erschöpft sei. Das würde das Wesen Gottes und seine unvorstellbare Allmacht und GröÃe menschlich verkleinern und verniedlichen.
Nein, hier bedeutet "Ruhe", dass Gott sein Dasein nicht einem anderen verdankt, sondern dass er in sich und durch sich selbst existiert, dass er da ist in einer ganz anderen Weise als alles Geschöpfliche, das Er ins Dasein gerufen hat - Gott ist in sich Existenz, er ist in sich Leben und Dasein, er braucht nicht die Welt, aber er öffnet sich aus Liebe, er geht auf seine Schöpfung zu.
Die "Ruhe", die in ihm selbst zu finden ist, ist mit einem anderen Wort zu beschreiben: mit dem Wort Frieden. Frieden bedeutet Ausgleich, es bedeutet Harmonie, es bedeutet ein Zustand, in dem alles einfach gut ist.
Und so kann Jesus zur Ruhe einladen, weil er ganz von Gott kommt - er ist ja Gottes Sohn, Gottes geliebtes Kind - und weil er etwas geben kann, was Menschen allein nicht zu geben vermögen.
Was kann das für uns bedeuten, jetzt mitten im Sommer, in den Ferien? Ist das vielleicht doch ein Aufruf zur Entspannung, zum Urlaub oder ist es doch noch etwas mehr?
Wir haben eine Feier, in der wir Ruhe und Frieden finden können, wir haben einen Tag in der Woche, an dem wir eingeladen sind, den Frieden und die Ruhe wirklich zu genieÃen und aus diesem Geschenk zu leben: das ist der Sonntag, das ist die heilige Messe am Sonntag, dem ersten Tag der Woche.
Warum brauchen wir die heilige Messe, warum ist der Sonntag so wichtig?
Ich will es einmal so versuchen zu erklären, ausgehend von dem, was Jesus im Evangelium sagt.
Wir brauchen einen Ort, an dem mich niemand fragt: Woher kommst du? Was willst du hier?
Wir brauchen einen Ort, an dem mich niemand ausnützen, überreden, zu einer bestimmten Meinung oder zu einem bestimmten Kauf überreden oder überzeugen will.
Wir brauchen einen Ort, an dem ich nicht beweisen muss, dass ich etwas Bestimmtes kann, dass ich erfolgreich bin, dass mich bestimmte Leute mögen.
Wir brauchen einen Ort, an dem ich nicht Sorge haben muss, was andere über mich denken, wenn ich Sorgen habe oder Ãngste, wenn mich etwas bedrückt oder belastet.
Wir brauchen einen Ort, wo ich jemanden finde, der mich wirklich kennt, bei dem ich mich nicht verstellen muss, bei dem ich Verständnis finde.
Kurz: Wir brauchen eine Feier und einen Tag, an dem uns das alles geschenkt wird und das alles gelingt. Dieser Tag ist der Sonntag, der Tag, an dem wir Gott danken und Ihm die Ehre geben in der wunderbaren Gegenwart unseres Herrn Jesus Christus.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen, Ihnen und mir, eine friedvolle, eine ruhige, eine gesegnete sommerliche Zeit.
von Manfred Josef Stücker (erstellt: 2022)
Was heiÃt eigentlich Umkehr?
Haben Sie schon einmal einen Turm einstürzen sehen? Wir denken da sicher sofort an den 11. September, an New York, wir denken an die vielen Toten damals und an den Hass, der da sichtbar wurde und leider weiterging.
Türme in New York, Kriege in anderen Ländern das alles scheint erst einmal weit weg zu sein, dennoch glaube ich, dass wir auch jetzt dabei sind und zusehen, wie Türme einstürzen: nicht Türme aus Steinen, aus Glas und Stahl, sondern andere Türme, die Menschen in Fleià oder auch Stolz aufgebaut haben und die in Gefahr sind, einzustürzen:
Da sind die Türme der Finanzwelt, der Euro, die komplizierten Strukturen und Konzepte von Wirtschaftslenkung und -hilfen, von Subventionen, Krisenmanagement und Plänen ...
... da sind die stolzen Türme der Krankenhäuser und der medizinischen Labors, die sich von Orten der christlichen Barmherzigkeit und der Nächstenliebe zu groÃen Wirtschaftsmärkten entwickelt haben, wo jetzt nicht nur Krankheiten geheilt, Menschen gesund gepflegt und schlimme Verletzungen behandelt werden, sondern wo auch Menschen, die das entsprechende Geld mitbringen, Operationen angeboten werden, die mehr "Schönheit" versprechen oder die ein Wunschkind aus der Retorte hervorholen, das alle gewünschten Eigenschaften hat - und wenn es die nicht hat, gibt es die maÃgeschneiderte Rechtsprechung, die dafür sorgt, dass das ungeborene Leben ohne schlechtes Gewissen verschwinden kann oder denken wir an die stolzen Türme unserer Industrieanlagen - Fördertürme, Hochöfen, Autofabriken -, die schon vielfach verschwunden sind oder dabei sind, abgebrochen zu werden, weil anderswo günstiger produziert werden kann oder weil man sich einfach in der Planung oder Kalkulation verhoben hat.
Sage keiner, beim Zusammensturz all dieser Türme - lautstarke oder lautlose Zusammenstürze - seien keine Menschen umgekommen. Täglich kommen Menschen um, aber das steht nicht unbedingt in den Zeitungen und Schlagzeilen.
Warum ich das erwähne? Warum ich dieses Bild vom Turm nehme? Weil es etwas von dem deutlich macht, was "Umkehr" und "Bekehrung" meint.
In der Fastenzeit hören wir immer diese Worte, und das ist wichtig. Bekehrung und BuÃe gehören zum geistlich-geistigen Programm des Christenmenschen dazu. "BuÃe" heiÃt ja nicht in erster Linie: Dinge tun, die einem die Laune verderben oder das Gesicht miesepetrig aussehen lassen. Wer BuÃe so versteht und seine Mitmenschen damit belastet, hat etwas davon nicht verstanden.
Nein, BuÃe heiÃt zuerst: Gott recht geben. Er ist der Chef meines Lebens. Er gibt die Richtung vor. Er gibt uns die Gebote, die uns wahrhaft frei machen und die bewirken, dass unser Leben und das der anderen gut wird.
Und so denken wir bei "BuÃe" und "Umkehr" auch an Gebet, an Gottesdienst, hoffentlich auch einmal an Beichte und Versöhnung, und das ist sicher ganz wesentlich.
Aber die Türme, die einzustürzen drohen, weil Menschen ihr Leben in die falsche Richtung bringen, diese Türme stehen drauÃen, in der Welt, im alltäglichen Leben, im GroÃen wie im Kleinen.
Und darum sind die Worte Umkehr und Bekehrung und BuÃe nicht nur Worte, die uns irgendwie frommer machen sollen, sondern Worte, die uns an unsere eigene Verantwortung erinnern - für uns selber und für unser gemeinsames Dasein in dieser Zeit und in dieser Welt.
Vielleicht würde Jesus es heute so sagen: Meint ihr, dass nur die Amerikaner ihre Schwarzen und die Australier ihre Ureinwohner benachteiligen und ausgrenzen und dadurch die sozialen Spannungen zunehmen, und bei euch ist alles gut?
Meint ihr, nur die Finanzgurus und die groÃen Manager haben ihre Zahlen frisiert und streichen sich satte Gewinne in die eigene Tasche, und ihr wäret in der gleichen Lage besser?
Oder meint ihr, dass nur Schurkenstaaten ihre Haushaltskasse durch Druck und Manipulation ausbessern, zum Beispiel bei den Energiepreisen, und die anderen schauen nicht auf die Bilanz?
Umkehr und BuÃe haben handfeste, konkrete Bedeutung, und wir tun gut daran, in der Fastenzeit nicht mit den Fingern auf andere zu zeigen, sondern bei uns selbst anzufangen. Jeder bei sich, in seinem eigenen Leben.
Mir kommt bei alldem, was uns angesichts erschreckender Nachrichten und Meldungen Angst und Sorge bereitet, ein Wort Jesu in den Sinn, das, wie ich meine, gut hierhin passt. Da sagt Jesus: "Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, dann wird euch alles andere dazugegeben werden" (Mt 6,33).
von Manfred Josef Stücker (erstellt: 2022)
Was ist die gröÃte Lüge?
Darf ein Pastor lügen? - Wenn Sie jetzt denken: Nein, natürlich nicht! Auf gar keinen Fall!, dann sind wir (wieder einmal) einer Meinung.
Denn ich versuche auch dann nicht zu lügen, wenn mich Leute aus der Gemeinde fragen: "Wie geht es Ihnen denn so? Sie haben doch bestimmt viel zu tun, gerade jetzt vor Ostern, gerade jetzt vor Weihnachten!"
Ich darf in diesem Moment nicht lügen. Und ich bemühe mich, eine ehrliche, ernsthafte Antwort zu geben. Die dann meistens so ausfällt: Mir geht es wirklich gut. Ich kann mich wirklich nicht beklagen. Und ich habe auch nicht wirklich viel zu tun.
Normalerweise wäre es ja - besonders vor Ostern, besonders vor den hohen Festen - so: Als Priester bin ich da, um die Sakramente zu feiern und zu spenden. Das bedeutet gut besuchte Gottesdienste, auch an den Werktagen. Da gibt es Kreuzwegandachten und den Wunsch vieler Leute, daà die Kranken zu Hause besucht werden und die Schwerkranken die heilige Salbung empfangen. Und bis kurz vor dem Osterfest würde die Reihe der Menschen nicht abreiÃen, die sich vornehmen, nicht nur den Frühjahrsputz zu Hause über die Bühne zu bringen - was schon etwas Ãberwindung kostet - sondern auch, im Wochenendhäuschen des Priesters, den Frühjahrsputz der Seele zu halten, was vielleicht noch gröÃere Ãberwindung kostet.
Die Wirklichkeit sieht ein bisschen anders aus, denn wenn ich wirklich meine Ruhe haben will, gehe ich in das Wochenendhäuschen, sprich Beichtstuhl - jetzt in der Coronazeit in die Kirchenbank - und habe viel Zeit zum Lesen und zum Beten.
Ãrgere ich mich darüber? Rege ich mich darüber auf? - Auch auf diese Frage muss ich eine ehrliche Antwort geben: Ich denke schon darüber nach. Ich frage: Was hat dazu geführt, dass ein Zustand erreicht ist, an dem ich selbst vor hohen Feiertagen wenig zu tun und viel Zeit habe? - Nur ein ganz schwacher Trost ist, dass es anderswo, wie es scheint, auch nicht besser ist.
Ich denke also darüber nach und denke zurück an das Evangelium vom vergangenen Sonntag, wo von der Umkehr zum Leben die Rede war und das die Botschaft enthielt: Fang bei dir selber an! Klage nicht über das Verhalten anderer, und versuche nicht, die anderen zu ändern oder mit Fingern auf sie zu zeigen, sondern beginne bei dir selber, in deinem eigenen Leben!
Das muss sich natürlich auch der Priester sagen lassen. Auch er ist ein Mensch mit Fehlern und Macken, mit Grenzen und Versuchungen. Und auch er kann sich das Wort der Versöhnung nicht selber sagen, er kann es sich nur sagen lassen.
Und dann sind wir im Nachdenken auch schon mitten in dem wunderbaren Gleichnis, das nicht allein den verlorenen Sohn und den wiedergefundenen, barmherzigen Vater darstellt, sondern auch, sozusagen als roten Faden, eine Wirklichkeit, die im Leben des Glaubens, aber auch im Leben als Menschen ganz wichtig ist: die Freiheit.
Der Vater im Gleichnis lässt seinen Sohn fortziehen und gibt ihm sogar das Erbe mit. Er schenkt ihm also die Freiheit, das zu tun, was er, der Sohn, für richtig hält. Das ist nicht das Gleiche wie das, wovon der Vater im Innersten seines Herzens überzeugt ist.
Diese Freiheit führt in die Konsequenz, daà der Weg auch in die Irre und ins Elend führen kann. So kommt es dann auch. Der Sohn verliert alles und landet schlieÃlich bei den Schweinen. Er hat nichts mehr.
Aber das stimmt nicht ganz. Er hat immer noch - auÃer, dass er lebt - etwas ganz Kostbares: er hat seine Freiheit. In dieser Freiheit kann er entscheiden, was seinem Leben eine neue Wendung gibt: die Heimkehr zum Vater.
Man könnte sagen: diese Freiheit, die er jetzt immer noch hat, zeigt, dass er den Kontakt zum Vater nie ganz verloren hat! - Oder anders gesagt: In dem MaÃ, wie er seine Freiheit dazu genutzt oder miÃbraucht hat, sich vom Vater zu entfernen, in dem Maà verliert er nach und nach nicht nur seinen Besitz, sondern noch viel mehr: er verliert das kostbarste Geschenk der Freiheit, seine Würde.
Das meint Jesus in diesem Gleichnis ja sicher auch: Das Erbe, das der Sohn da mitnimmt, das ist nichts anderes als die Würde, Kind dieses Vaters zu sein! An diese Würde, an die Schönheit dieser Bestimmung erinnert sich der Sohn in seiner tiefen Erniedrigung, und er kommt - in der Weise der Freiheit - zu dem Entschluss, dass es gut wäre, wenn er denn schon diese Würde verspielt hat, doch wenigstens wieder in die Nähe seines Vaters zu kommen, um so, wenn schon nicht als Kind, sondern nur als Knecht, in der Gegenwart des Vaters nach und nach wieder aufzuleben.
Diese Freiheit zu gebrauchen, bedeutet, nicht zu lügen, sondern die Wahrheit anzunehmen und die Wahrheit zu verwirklichen. Mit dem ehrlichen Blick auf sich selbst und seine Situation hat der Sohn seine Freiheit in vollkommener Weise verwirklicht.
Umgekehrt heiÃt das, hätte sich der Sohn selbst belogen, hätte er sich vorgemacht, sein Zustand sei doch eigentlich gut, er sei doch unabhängig, er wäre doch seinen eigenen Weg gegangen usw. - dann hätte er mit dieser Lüge auch seine eigene Freiheit verworfen und verwirkt.
Noch einmal die Frage von vorhin: Darf ein Pastor lügen? - Natürlich nicht, er muss die Wahrheit sagen: Die Wahrheit über dieses Gleichnis, die Wahrheit, die darin besteht, dass der Mensch groà ist, weil Gott ihm eine wunderbare Würde schenkt, die Würde als Kind und als Erbe.
Und auch die Wahrheit über die Vergebung, die Gott schenkt und die wir im Sakrament der Versöhnung, in der heiligen Beichte, feiern dürfen. Die Beichte ist überhaupt das österliche Sakrament, denn hier dürfen wir an uns selber erfahren, was über den verlorenen Sohn gesagt wurde: "Dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden." (Lk 15,32)
von Manfred Josef Stücker (erstellt: 2022)
Terra terram accusat
Was hat Jesus damals geschrieben, als er, wie das Johannesevangelium bezeugt, in den Sand einige Worte gezeichnet hat? - Das Evangelium sagt nur: Er "schrieb mit dem Finger auf die Erde" (Joh 8,6).
Vielleicht kennen Sie in Kevelaer die Kirchentür, auf der diese Szene dargestellt ist: Die Frau, die des Ehebruchs angeklagt ist, steht vor Jesus, und Jesus, ganz in sich gekehrt und zugleich ganz die Situation beherrschend, schreibt die folgenden Worte in den Sand: "Terra terram accusat" - "Die Erde klagt die Erde an".
Worauf spielt das an? - In der Osternacht hören wir nach dem Einzug mit der Osterkerze in die dunkle Kirche und nach dem österlichen Lobgesang, dem Exultet, zuerst die Schöpfungsgeschichte. Sie beginnt mit den Worten: "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die Erde aber war wüst und wirr ..." (Gen 1,1-2). - Später, im zweiten Schöpfungsbericht, wird gesagt, daà Gott den Menschen "aus Erde vom Ackerboden" geformt und ihm seinen "Lebensatem" eingehaucht habe (Gen 2,7). Die Erde ist also als Schöpfung beschrieben, als total von Gott stammend und total von ihm abhängig. Erst durch den lebendigen Atem Gottes wird alles lebendig, auch der Mensch.
Die Schriftgelehrten und die Pharisäer bringen eine Frau zu Jesus, die nach dem mosaischen Gesetz den Tod verdient hat. Wir kennen das Wort "pharisäerhaft", wenn wir jemand beschreiben wollen, der in unseren Augen scheinheilig, selbstgerecht, unbarmherzig ist. - Damit tun wir aber den Pharisäern zur Zeit Jesu wenigstens zu einem Teil Unrecht.
Die Pharisäer, denen Jesus begegnete, waren nicht unbedingt die alten Männer, die ohne Rücksicht am Buchstaben toter Gesetze klebten und ihre Mitmenschen mit ihrer rigiden Moral knechteten. - Dass Jesus sich immer wieder mit ihnen auseinandersetzte und sie als Gesprächspartner auÃerordentlich ernst nahm, hatte einen ganz bestimmten Grund: Für sie war das Wort und das Gesetz Gottes heilig, sie nahmen es als ernsten Anspruch und als Weisung in ihr Leben hinein, sie brachten persönlich groÃe Opfer, sie kümmerten sich um Arme, Witwen und Waisen; kurz: sie waren Menschen, die an sich selbst, aber auch an ihre Umgebung hohe sittliche Ansprüche stellten!
Darum nimmt Jesus sie ernst. Er weiÃ, dass sie im Recht sind. Vordergründig besehen. Doch was tut er, als sie zu ihm kommen mit der Frau? Er ignoriert sie. Er schreibt in den Sand. "Terra terram accusat" - die Erde klagt die Erde an.
Nicht dass die Pharisäer und die Schriftgelehrten fromm und gottgefällig leben wollen, macht Jesus ihnen zum Vorwurf. Nicht dass sie sich bemühen, Unrecht zu ahnden und die Menschen an das Gesetz zu erinnern, ohne das das jüdische Volk und seine Religion in Zeiten der Besatzung verloren wäre. - Alles das macht Jesus ihnen nicht zum Vorwurf.
Was er ihnen zum Vorwurf macht, ist dies: dass sie nicht erkannt haben, wer sie selber sind.
Sie haben nicht erkannt, dass sie selber âErdeâ sind, geschaffen und gerufen von Gott, aber nicht, um wie Gott zu sein, nicht, um das zu tun, was allein Gott zukommt. Nicht, um zu richten.
Wenn sie richten, schwingen sie sich an die Stelle Gottes auf. Wenn sie richten und urteilen, setzen sie sich selbst an die Stelle dessen, dem allein das Urteil und der Richterspruch zukommt.
Was sollen die Pharisäer und die Schriftgelehrten denn nun tun? Etwa gar nichts mehr? Sollen sie dem Recht und dem Gesetz, das sie Moses verdanken, nicht treu sein und zum Durchbruch verhelfen?
"Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie" sagt Jesus (Joh 8,7). Damit sagt er: Keiner ist ohne Sünde. Keiner steht ohne Schuld da vor Gott. Keiner? Absolut keiner.
Jesus ist sich der Wirkung seiner Worte so sicher, dass er sich nicht weiter um die Kläger kümmert, sondern sich wieder bückt und auf der Erde weiter in den Sand schreibt: Terra terram accusat - die Erde klagt die Erde an.
Das Entscheidende geschieht jetzt. Die Kläger wenden ihren Blick, den inneren Blick der Anklage, weg von der Frau und hin auf sich selbst. Es kann so leicht sein, den anderen anzuklagen und ihn zu verurteilen. Sich selbst an die Brust zu klopfen, ist eine Ãbung, die so schwer sein kann. Aber diese Ãbung gelingt den Klägern - diesmal. Sie wenden sich ab. Sie lassen ihre Steine fallen. Sie gehen weg.
Diesmal lassen sie die Anklage fallen. Schon kurze Zeit später lassen sie sich nicht mehr darauf ein, was Jesus ihnen ins Gewissen spricht. Schon kurze Zeit später werden sie nicht mehr diese oder jene Frau anklagen, jemanden aus ihrer eigenen Mitte, sondern Jesus selbst. Jesus, der jetzt noch im Staub kniet: ein Bild seiner Demut, ein Bild seiner Erniedrigung in den Staub der Menschen. Er selbst hat diese Erniedrigung gewählt und gewollt.
Bis dahin, dass er ja sagt zum Leiden und zum Kreuz. Er, der die Macht gehabt hätte, die Frau zu verurteilen, verzichtet darauf. Weil er will, dass die Frau lebt. Weil er will, dass die Frau geht und nicht mehr weitersündigt.
So ist Jesus zu uns Menschen. Er verzeiht, er richtet auf, er öffnet einen neuen Weg.
Ach ja, was ich noch vergessen habe: Zu sagen, wo die Tür in Kevelaer zu finden ist, auf der wir dieses Bild von Jesus mit der Ehebrecherin finden:
Es ist die Eingangstür zur Beichtkapelle.
Weil wir in der Beichte, dem Sakrament der Versöhnung und Verzeihung, die Steine abgeben, die uns selbst belasten und die uns in Versuchung führen, sie auf andere zu werfen.
Wir alle haben die Chance, in einer guten Osterbeichte den Weg der Versöhnung zu gehen.
Wir alle haben die Chance, uns von Jesus selbst aufrichten und mit neuem Leben beschenken zu lassen.
von Manfred Stücker (erstellt: 2022)
Der Friede als Balance
Der Friede in dieser Welt ist bedroht und verletzt. Ein Vernichtungskrieg, hier in Europa, ganz in unserer Nähe, ist ausgebrochen und bedroht ganze Völker. Argumente und Appelle zu Vernunft und zu einer einvernehmlichen Lösung sind nicht in Sicht und scheinen nicht möglich. Das Böse hat seine Fratze vor uns enthüllt, und wir sind entsetzt, ratlos, hilflos.
Wie kann der Friede gerettet werden? Wie kann vor allem den Menschen geholfen werden, die gequält sind und von denen schon viele alles verloren haben? Politiker, Diplomaten, Soldaten, unzählige Helfer sind dabei, der Not zu begegnen und Wege aus Hoffnungslosigkeit und Leid zu finden. Was können wir tun? Was machen wir jetzt?
Heute ist Gründonnerstag. Wir feiern diesen Tag als Tag der Einsetzung der heiligsten Eucharistie. Christus gibt sein Leben für uns Menschen. Er teilt seine Liebe aus. Er versammelt seine Apostel zu einer Feier, die denkwürdiger, aber auch merk-würdiger nicht sein kann: Nach dem Mahl nimmt er das Brot und den Wein aufs Neue in seine Hände. Und er spricht die Worte, die offenbar machen, wie er uns sich in diesen Gaben selbst und total schenkt: "Das ist mein Leib â Das ist der Kelch meines Blutes, des neuen und ewigen Bundes."
Johannes, dessen Bericht wir an diesem Abend hören, fasst das Geschehen in diesen Worten zusammen: "Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung." (Joh 13,1)
Der Ort, wo dieses Geschehen sich abspielt, der Ort, wo Jesus sein Leben für das Leben der Menschen hingibt, ist nicht zufällig gewählt. Es ist die Stadt Jerusalem. Dort, so hatte er immer wieder vorausgesagt, würde der Messias den Menschen ausgeliefert, dort würde er leiden, sterben und auferstehen (vgl. Mt 16, 21 u.a.).
Warum Jerusalem? Jerusalem ist die Stadt Davids, es ist die Stadt der VerheiÃung des Friedens. "Jerusalem", in diesem Namen steckt das hebräische Wort "shalom". Es bedeutet "Frieden".
In diesem Wort steckt ganz viel. Wir ahnen ja, dass Frieden nicht nur meint, dass Krieg aufhört und keine Waffen mehr sprechen. Frieden bedeutet nicht nur die Abwesenheit von Krieg und Hass, es bedeutet nicht "Friedhofsruhe".
Im hebräischen Wort "shalom" finden wir eine Antwort auf die Frage, was Frieden im tiefsten meint.
Das hebräische Wort "shalom" meint den Zustand des Friedens als Zustand des Ganzseins. Denn das Wort besteht aus zwei Teilen: aus dem hebräischen Buchstaben shin (= Feuer) und men (= Wasser), und dazwischen lamed, die Waage.
Das bedeutet in diesem Bild: Wo Feuer und Wasser sich die Waage halten, da ist Frieden. Das Feuer meint die Anwesenheit Gottes. Gott ist Feuer, er ist Licht, und ihm kann sich kein Mensch nähern, wenn Gott es nicht will (vgl. Ex 3, 1-6 ; 24, 9-18).
Das Wasser dagegen steht für das Leben des Menschen in seiner Vergänglichkeit. Unsere Vergänglichkeit führt zum Untergang und zum Tod, wenn nicht als Gegengewicht die Gegenwart Gottes da ist.
Friede meint also eine Balance, ein Gleichgewicht, das nicht gestört werden darf. Die Sünde, die Abkehr von Gott, der Egoismus, der Hass: alles das zerstört dieses Gleichgewicht, zerstört darum auch den Frieden.
Was bedeutet das für uns an diesem Abend, an dem wir den neuen Frieden feiern dürfen, der von Christus selbst gestiftet wird? Wenn Friede Balance bedeutet, wo Gott und Mensch sich gegenübertreten, nicht als Rivalen, sondern als Freunde, nicht als Gegner, sondern als Bundesgenossen, dann kann uns noch ein weiteres Bild zeigen, was uns geschenkt wird und von dem wir leben.
Ich meine ein Bild, das mich immer sehr beeindruckt, wenn ich nach Lourdes komme; dieses Bild steht nicht im Wallfahrtsheiligtum, sondern oben auf einem Berg, wo die Pilgergruppen aus unseren Ländern für gewöhnlich nicht hinkommen, der aber ein Ort ist, ohne den man die Botschaft von Lourdes gar nicht verstehen kann, die ja eine Botschaft der grenzenlosen Liebe und des Friedens ist.
Das Bild steht im Caritasdorf, dem "Cité St. Pierre", das erbaut worden ist, um die Pilger aufzunehmen, die kein Geld für ein Hotel oder ein Wohnmobil haben, Pilger aus Osteuropa, Afrika oder Asien, für die schon die Reise selbst teuer genug ist. Im Sommer, wenn viele Pilger dort sind, kann man immer wieder Gruppen dort erleben, die ausgelassen singen und tanzen. Ich gehe da gerne hin, vor allem wegen der Kapelle, die den Schafstall der heiligen Bernadette naturgetreu nachbildet, mit groben Steinen und einem Strohdach, und auch wegen des Kaffeeautomaten, der den günstigsten Kaffee in ganz Europa bietet.
Am Eingang dieses Dorfes steht die Waage des Friedens und der Gerechtigkeit mit ihren beiden Waagschalen. Was ist darauf zu sehen? Auf der einen Seite ist die Weltkugel: diese zerbrechliche Welt, groà und klein zugleich, der Ort, der uns zum Leben anvertraut ist, der aber so oft misshandelt, missbraucht und ausgebeutet wird.
Und auf der anderen Seite? Da ist die Monstranz mit der Hostie in der Mitte. Die Gegenwart der Liebe Gottes. Christus ist das Brot, das sich austeilt und das uns im Hunger unserer Seele nährt, den Hunger nach Freiheit, nach Heil und Leben, nach Frieden. â Die Monstranz mit der Hostie zeigt: Gott lässt uns Menschen nicht allein. Die Hostie ist das Brot, das die Menschen in ihrer Sehnsucht wahrhaft sättigt. Es ist aber auch der liebevolle Blick Gottes, der uns in Christus anschaut und verwandelt.
Diese Waage steht zugleich auch in der Kapelle, die aus einfachen Steinen erbaut ist und im Inneren den Stall wiedergibt, in dem Bernadette die Schafe gehütet hat. Die Besucher nehmen auf einfachen Holzbänken oder -stühlen Platz. Für mich ist diese Kapelle gerade in ihrer Einfachheit der passendste Ort, um die Botschaft des Glaubens in Lourdes zu feiern.
In dieser Kapelle ist der Tabernakel auf der Waagschale, die der Welt gegenübersteht. Die heilige Eucharistie, zu der wir uns versammeln und deren Einsetzung wir heute feiern dürfen: Sie ist die Feier und der Garant des Friedens in der Welt.
von Manfred Stücker (erstellt: 2022)
Durch Leiden zum Frieden
Der Friede und Gottes Gerechtigkeit
Ganz friedlich endet dieser Passionsbericht nach dem Evangelisten Johannes: der Leichnam Jesu wird in ein neues Grab gelegt. Das Grab gehört dem Ratsherrn Josef von Arimathäa, der schon früher Kontakt zu Jesus aufgenommen hat, und dieses neue Grab ist in einem Garten.
Nach all den furchtbaren Einzelheiten, die uns die Passion berichtet oder oft genug auch nur andeutet, nach der Beschreibung des ungerechten Prozesses, des Hasses vieler Menschen gegen Jesus, aber auch der Zeichen der Nähe und der Zuneigung, die Jesus gegeben werden, und nach der Darstellung seines Todes am Kreuz auf Golgotha, einem Ort, der damals als Müllhalde diente - nach all dem nun dies:
Da ist ein Garten, da ist ein neues Grab.
In diesem Bild schwingt Frieden mit, Ruhe und Trost.
Und wer, der die Bibel in ihrer Ganzheit wahrnimmt, erinnert sich nicht, wenn der Garten erwähnt wird, an einen anderen Garten, den Garten Eden im Buch Genesis? Dort, so lesen wir, hat Gott für den Menschen, den er ins Dasein gerufen hat, einen Garten gepflanzt, und in diesem Garten lieà der Herr allerlei Bäume wachsen, deren Früchte der Mensch genieÃen konnte. - Doch in der Mitte, da stand der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse, und davon durfte der Mensch nicht essen.
Wir dürfen annehmen, dass Johannes, der Evangelist, der natürlich diese Stelle kannte, diese Assoziation bewusst mit hineingenommen hat, wenn er die Passion so enden lässt. Und er hat damit auch vorweggenommen, was in der späteren Deutung vom Kreuz Christi gesagt wird: dass nämlich das Kreuz Christi der neue Baum ist, von dem das wirkliche Leben kommt. Vom Baum der Erkenntnis, so beschreibt die Genesis das Drama, kommt Tod und Verderben: die Vertreibung aus dem Paradies.
Von diesem Baum aber, vom Kreuz Christi, kommt etwas ganz Neues: ein neuer Friede, der aus einem unlösbaren Bund kommt, den Gott mit den Menschen schlieÃt. Eine neue Liebe, die so stark ist, dass sie den Tod überwindet und Auferstehung schenkt. Ein neues Leben, das diese Welt verwandelt.
Im Garten Eden spielte sich, so stellt es das Buch Genesis in wenigen, knappen Worten dar, das Drama der Entscheidung ab: Der Mensch entscheidet sich, Gottes Weisung zu missachten. Er wählt scheinbar die Erkenntnis, in Wirklichkeit wählt er den Tod.
Will uns Johannes, der Evangelist, nun auch zeigen, dass da eine neue Chance ist, eine Chance, sich neu zu entscheiden, eine Entscheidung diesmal für das Leben? Will er darauf hinaus?
Wenn wir genauer hinschauen, gibt es diesen Gedanken bei ihm: in einem Wort, das immer wieder vorkommt: Glauben.
Die Menschen glauben an Jesus - oder sie glauben nicht.
Was bedeutet Ihnen, was bedeutet dir "Glauben"? Nur soviel wie, etwas nicht ganz genau zu wissen, und dann glaube ich es eben? "Ich weià nicht, wie das Wetter übermorgen sein wird, aber ich glaube, es kann schön werden" - diese Art von Meinen und Vermuten ist bei Johannes gerade nicht gemeint.
Und mit "Glauben" ist bei ihm auch nicht gemeint, was viele unserer Zeitgenossinnen und Zeitgenossen praktizieren: sie glauben an die Sterne - sie glauben an Ufos - sie glauben an sich selbst - ?
Nein, Glauben bedeutet für das Evangelium etwas anderes, etwas viel GröÃeres und Schöneres: die gute Beziehung zu Christus, dem Sohn Gottes.
Darum durchzieht das Drama des Glaubens das gesamte Johannesevangelium: Es beginnt bei der Hochzeit zu Kana, wo Jesus das erste Zeichen wirkt, und wo es am Ende heiÃt: " ⦠und seine Jünger glaubten an ihn" (Joh 2,11).
Und am Ende, in der Passion, spitzt sich diese Auseinandersetzung zu. Im Gespräch mit Pilatus offenbart sich Jesus als der König, in dem wir die Wahrheit finden. "Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme" (Joh 18,37).
Glauben ist also auch, mit der Wahrheit übereinzustimmen.
Und um das Gesagte noch einmal zu bekräftigen und unmissverständlich klarzumachen, was da geschieht und wo wir finden, was wir glauben dürfen, betont Johannes am Ende der Passion: "Und der es gesehen hat, hat es bezeugt und sein Zeugnis ist wahr. Und er weiÃ, dass er Wahres sagt, damit auch ihr glaubt" (Joh 19,35). - Deutlicher kann es der Evangelist nicht mehr sagen.
Man kann es auch einfach Freundschaft nennen. Freundschaft mit Jesus, der sich kreuzigen lässt, der als Verbrecher stirbt - das war schon für die Menschen damals eine Zumutung, eine Herausforderung! Ist das heute anders? Was hören die jungen Menschen, wenn sie ihren Freundinnen und Freunden erzählen: Ich will mich firmen lassen! Ich gehöre zu Christus! - Was kommt da an Reaktionen?
Freundschaft mit Jesus - das ist nicht umsonst zu bekommen. In Zeiten von Facebook und anderen digitalen Netzen kannst du ganz schnell ziemlich viele Freunde finden. - Aber bekommt man einen echten Freund mit ein paar Klicks und ein paarmal Tippen auf den Bildschirm?
Jesus hat sich seine Freundschaft mit uns etwas kosten lassen. Sein Leben, sein ganzes menschliches Dasein. Er ist ein Freund, der leibhaftig da sein will. Darum ist auch sein Tod nicht irgendwie symbolisch, sondern real zu verstehen. So real wie brutal.
Und darum ist auch seine Auferstehung nicht irgendwie symbolisch zu verstehen - so, als wenn sich die Jünger nach dem Desaster irgendwie Mut gemacht hätten: "Die Sache Jesu muss weitergehen, also Kopf hoch!" - nein: Die Jünger haben den Auferstandenen leibhaft erlebt. Er ist leibhaft auferstanden, real. Aber diese Realität ist nicht brutal, sie ist voller Zuwendung, voller Liebe, voller Trost. Eben genau so, wie wir es als Menschen brauchen, gerade heute.
von Manfred Stücker (erstellt: 2022)
Der Friede als Ostergeschenk des Auferstandenen
Eigentlich ist für uns nicht Ostern, sondern Weihnachten das Fest der Geschenke. Kinder freuen sich schon Wochen vorher auf den spannenden Moment, wenn sie sehen, was sie auspacken dürfen, und sind glücklich.
Doch Ostern ist das Fest der Feste. Während Weihnachten in der dunklen Jahreszeit gefeiert wird, wo die Sonne am tiefsten steht, stellt Ostern buchstäblich alles in den Schatten durch das neue Licht, das sich ausbreiten soll in die ganze Welt hinein.
Und Ostern bringt uns das Geschenk überhaupt, das uns der Auferstandene mitbringt. - Was für ein Geschenk mag das sein? Ein Korb voller Ostereier vielleicht? Der Evangelist Johannes beschreibt dieses Geschenk so: "Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!" (Joh 20,19). Das ist also das groÃe Ostergeschenk: der Friede.
Seit einigen Wochen ist der Friede, oder vielmehr das Gegenteil davon, der Krieg, in aller Munde. Eine Invasion russischer Truppen in das Nachbarland Ukraine an verschiedenen Stellen machte den Beginn. Viele glaubten, dieser Krieg sei womöglich schon nach ein paar Tagen zu Ende, weil die Ukraine der erdrückenden Ãbermacht nichts entgegenzusetzen hätte. Die erste Ãberraschung war also, dass die Angegriffenen sich mit Entschlossenheit zur Wehr setzten, während viele russische Soldaten nicht einmal wussten, wohin sie überhaupt geschickt wurden.
Dann kommt es zu einem zermürbenden Stellungskrieg, während wir und die anderen westlichen Nachbarn allmählich den flehentlichen Bitten der Ukrainer nachkamen, ihnen zu helfen, damit sie sich verteidigen konnten. Währenddessen gibt es einen Flüchtlingsstrom wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.
Und weiter kommt es nun zu den verstörenden Bildern des entsetzlichen Leids der Zivilisten, Frauen, Kinder, alte Menschen, die hingemetzelt werden, zum Teil vorher gefoltert und gefesselt.
Jetzt wurde auch dem Letzten klar: Hier ist nicht einfach eine Eroberung im Gange, die zum Ziel hat, sich ein Land einzuverleiben oder eine Vasallenregierung zu installieren. Hier spielt sich vor unseren Augen ein Vernichtungskrieg ab mit dem Ziel, eine Nation, ein Land auszulöschen.
Wie können wir, während uns die Worte dafür fehlen und wir um Fassung ringen, Ostern feiern und sagen: Es ist ein Fest des Lebens! Es ist ein Fest des Friedens! Und Frieden ist das Ostergeschenk des Auferstandenen!?
Liebe Schwestern und Brüder! Christus hat das Leiden der Menschen geteilt. Er gehörte zu einem Volk, das immer wieder verfolgt, dezimiert, ja ausgerottet werden sollte. Er gehörte nicht zur Oberschicht, wurde aber von den Herrschenden und Verantwortlichen gehört und ernst genommen. Doch gerade das bewahrte ihn nicht davor, angeklagt und verurteilt zu werden, sodass er den ehrlosesten Tod sterben musste, der denkbar war.
Für uns im Glauben ist das nicht das Schicksal eines Rebellen oder Sozialrevolutionärs. Christus ist gekommen mit dem Anspruch, Gottes Sohn zu sein. Er ist Gott gleich. Er ist der Messias. Dieses Selbstzeugnis, das er nicht verweigert hat, ist der tiefere Grund dafür, dass ihn einige Menschen hassten und seinen Tod forderten. Wie kann dieser einfache Galiläer behaupten, der Messias, der verheiÃene Gesalbte Gottes, zu sein?
Was hat das mit Krieg und Frieden zu tun? Sehr viel, glaube ich. Krieg ist immer das Nein zu einem Frieden, den der Mensch sich selbst nicht geben kann. Krieg ist nie Wille Gottes, während der Friede ein Werk Gottes ist. Wo Menschen von sich aus, ohne die Hilfe Gottes, Frieden und Gerechtigkeit stiften wollen, kommt oft genug Chaos und Unheil heraus.
Warum ist das so? Menschen sind immer, ob sie es wollen oder nicht, hin und her gerissen zwischen Gut und Böse, zwischen Aufopferung und Egoismus, zwischen der Bereitschaft zum Dienen und der Versuchung zur Macht über andere. - Was ist die Folge? Die Folge ist, dass unsere Worte und Taten selbst dann, wenn wir wollen, nie ganz rein sind und nie ganz ohne die Versuchung, das Böse zu tun, so dass oft genug nicht das Wahre und Echte herauskommen, sondern etwas Schlechtes.
Wer zivilisiert ist, wird zwar eingegrenzt und akzeptiert die Ordnung von Recht und Gesetz, aber die Decke der Zivilisation ist dünn. Und wenn sie reiÃt, dann kommt die Fratze des Bösen mit allem hervor, was kaum vorstellbar schien, wie wir jetzt wieder sehen.
Christus ist nicht einfach ein guter Mensch, der zum Frieden mahnt, er ist der Messias Gottes. In ihm kommt Gott selbst zu uns. Indem Christus in die tiefsten Tiefen der Sünde und des Bösen hinabsteigt, überwindet er das Dunkel und die Hoffnungslosigkeit von innen. Durch seine Auferstehung verwandelt er auch unser Leben, denn er ist Mensch wie wir, er ist der Mensch, den Gott uns Menschen schenkt.
Uns allen wünsche ich einen Osterfrieden, der aus der Tiefe der Liebe Gottes kommt, und der uns fähig macht, Gedanken und Werke des Friedens zu tun, damit die Welt heil wird.
von Michael Kenkel (erstellt: 2022)
Heiligsprechung Charles de Foucauld
Am Abend des 30. November 2016 stürzte ein junger Schreiner vom über 15 Meter hohen Dach einer Kirche in Frankreich auf eine Holzbank, die unter dieser Wucht sofort zerbrach. Ein Holzpfosten drang in die Seite des jungen Mannes. Er stand nach diesem Sturz sofort wieder auf, der Holzpfosten wurde im Krankenhaus entfernt und dabei festgestellt, dass keine Organe verletzt waren. Es gab weder Knochenbrüche, noch Blutungen, noch physiologische oder psychologische Folgeschäden. Die Ãrzte sagten anschlieÃend, bei einem Sturz von über 10 Meter Höhe hätte der Mann tot sein müssen.
An diesem Abend beteten in aller Welt die Anhänger des Charles de Foucauld um ein Wunder anlässlich seines 100. Todestages, damit seine Heiligsprechung vorangebracht werden konnte. Besonders wurde in Saumur darum gebetet, wo die Pfarrkirche nach ihm benannt wurde. Dort hat sich dieses Wunder zugetragen und am heutigen Sonntag findet tatsächlich u.a. aufgrund dieses Wunders die Heiligsprechung von Charles de Foucauld statt.
Charles de Foucauld war - übrigens genau wie dieser Schreiner - ein typisches Kind seiner Zeit: als Kind getauft, kam er als Jugendlicher vom Glauben ab, da dieser für ihn nur aus oberflächlichen Ritualen bestand. Er galt als aufsässig und ungehorsam. An der Militärakademie wurde er immer wieder wegen mangelnder Disziplin bestraft. Im Einsatz in Algerien kam er mit der islamischen Welt in Berührung und ahnte, dass es etwas GröÃeres und Wahreres geben muss. So fand er wieder zum Glauben an Jesus zurück, trat bei den Trappisten ein, in der Nacht vor seinem ewigen Gelübde verlieà er diese, weil sie ihm nicht arm genug waren, er lebte schlieÃlich als Priester und Einsiedler unter Moslems, unter den Tuareg in der Sahara, von denen er als heiliger Mann verehrt wurde.Während des 1. Weltkrieges wurde er dort erschossen. 15 Jahre später bildete sich die 1. Ordensgemeinschaft, die sich auf ihn berief, es sollten bis heute noch über 20 weitere Ordens- und Laien-Organisationen werden.
Im heutigen Evangelium heiÃt es: liebt einander, wie ich euch geliebt habe. Charles de Foucauld hat danach gelebt. Auf seinem Ordensgewand, mit dem er oft dargestellt wird, wird das gut sichtbar: ein Herz, aus dem ein Kreuz heraus wächst. Die Liebe, wie Jesus uns sie vorgelebt hat; eine Liebe, die sich hingibt, die bereit ist, das Leben am Kreuz, im Leid zu verschenken.
Charles de Foucauld hat sein Leben verschenkt, wollte Menschen in die Nachfolge rufen, hatte die Ordensregel schon fertig geschrieben, aber es zu Lebzeiten nicht mehr erleben dürfen, wie dieser Wunsch in Erfüllung geht. Erst nach seinem Tod hat sich dieser Wunsch erfüllt. Aber andere Menschen, die Moslems in der Sahara haben seine Liebe erlebt, anerkannt, sind dadurch Christus begegnet.
Und das können wir auch: die Liebe leben. In allem was wir tun, uns fragen, ob wir es aus Liebe tun, ob wir es in Liebe tun. Wenn ich jemanden danke, tue ich es nur aus Pflichtgefühl, weil man das halt am Muttertag so macht? Oder ist es Ausdruck meiner tiefen Liebe. Wenn ich jemanden kritisiere, tue ich es, damit die Schuld nicht bei mir hängenbleibt, oder weil ich dem anderen etwas Gutes will, kritisiere ich aus Liebe? Solch eine Liebe ist anspruchsvoll, weil es Hingabe ist, weil es mein ganzes Leben, all mein Denken, Reden und Tun bestimmt. Jesus hat gesagt, dass es ein neues Gebot ist. Die Liebe gab es aber auch schon im AT. Diese seine Liebe hat eine neue Qualität: Liebe als Ganzhingabe - anspruchsvoll, aber nicht unmöglich.
Denn - das steckt ja schon in diesem Satz drin: liebt einander, wie ich euch geliebt habe. Nicht nur als Beispiel gemeint: so sollt ihr einander lieben, wie ich es Euch gezeigt habe - sondern auch: ich habe euch zuerst geliebt. Weil ich euch geliebt habe, könnt auch ihr einander lieben.
In der zweiten Lesung hörten wir auch, wie Gott alles neu machen wird: einen neuen Himmel und eine neue Erde: die heilige Stadt, das neue Jerusalem - es ist die Wohnung Gottes unter den Menschen! Gott wird in ihrer Mitte wohnen. Das ist das Neue, das ist die Kraft dieser Liebe - Gott wohnt in unserer Mitte.
Charles de Foucauld hat daraus gelebt: aus dem Evangelium und der Eucharistie. Er verbrachte Stunden in der Anbetung: Gott mitten unter uns.
Daraus dürfen wir auch leben, auch deswegen kommen wir jeden Sonntag hier zusammen: Gott ist in seinem Wort und in der Eucharistie gegenwärtig - er ist hier mitten unter uns und kann uns hier jeden Sonntag die Kraft geben, aufs neue aus seiner Liebe heraus zu leben.
Amen.
von Manfred Stücker (erstellt: 2022)
Weihnachten 2022
Warum Jesus in Betlehem geboren werden wollte
Kann sich ein Mensch aussuchen, wo er geboren wird? Haben wir, haben du und ich, uns das ausgesucht? - Nein, wir sind geboren worden an einem Ort und zu einer Zeit, die wir uns nicht ausgesucht haben.
Eine Ausnahme gibt es, und die feiern wir heute. Ich bin überzeugt, Jesus wollte in Betlehem und nirgendwo anders geboren werden. - Warum das?
Nun, zum einen ist Jesus nicht ein gewöhnlicher Mensch, er ist Gottes Sohn. Er ist "Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott", wie wir bekennen. Er ist eins mit dem Vater und Gott von Ewigkeit her.
Das alles verschlägt uns eigentlich den Atem, wenn wir heute sehen, wie ein kleines, wehrloses Kind in der Krippe liegt! Das also soll der Erlöser sein, der Retter der Welt?
Eben. Und darum wählt er nicht irgendeinen Ort für seine Geburt aus. Er wählt auch nicht Rom, die Stadt des Kaisers, oder Athen, die Stadt groÃer Philosophen, oder Jerusalem, wo der Tempel steht.
Er wählt Betlehem.
Die Bibel sagt: Betlehem ist die Stadt Davids. David war nach Saul der zweite König von Israel. David machte Gott das Versprechen: Ich werde dir einen prachtvollen Tempel bauen, in Jerusalem. Dazu kam es nicht.
Gott wollte das nicht. David hatte zu viele Kriege geführt. David hatte Blut vergossen. Gott wollte den Tempel als ein Zeichen des Friedens.
Darum durfte erst Salomo, der Sohn Davids, den Tempelbau beginnen und auch vollenden.
Aber Gott gab dem König David ein Versprechen. Er sagte: Ich werde dir ein Haus bauen, das ewig bleibt. Ich werde einen deiner Nachfolger als Retter und Erlöser für Israel schicken. - Und die Prophezeiung lautete:
Dieser König würde in Betlehem geboren werden.
Als Jesus in Betlehem geboren wurde, war er in keinem Palast, nicht mal in einem Haus. Eine Höhle war sein erstes Zuhause. Maria und Josef waren zu einer Volkszählung nach Betlehem gekommen. Ihre Heimat war Nazareth, viel weiter im Norden. Beide waren arm. Und Betlehem und ganz Israel stöhnte unter der Besatzung durch die Römer. - Und genau da wollte der Heiland geboren werden!
Und wie ist es heute mit Betlehem? Kommt man heute dahin, ist man erschrocken. Eine acht Meter hohe Betonmauer schlieÃt die Stadt ein.
Unzählige Kontrollposten machen eine Reise in die Stadt oder aus ihr heraus zu einem Wagnis. Die Angst vor Terroranschlägen ist groÃ. - Und so sieht die Stadt des Erlösers nach 2000 Jahren aus?
Es gibt viel Dunkel in dieser Welt. Für uns kann das Schicksal dieser Stadt Betlehem und das Schicksal der Heiligen Familie, die vor 2000 Jahren in diese Stadt kam, nur eines bedeuten: Jesus kommt gerade dahin, wo es wirklich dunkel ist. Wo wirklich die Menschen nach Erlösung rufen.
Wo er wirklich als das Licht und das Leben kommen kann. Darum haben wir in unserer Kirche auch das Friedenslicht aus Betlehem.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum Jesus ausgerechnet in Betlehem geboren werden wollte. Diesen Grund finden wir im Namen "Betlehem". Denn das bedeutet übersetzt: "Haus des Brotes". Das Haus, in dem wir das wahre Brot, das Brot des Lebens, finden können.
Es gibt viele Menschen, mehr Menschen als zuvor, die Hunger leiden, die frieren, die auf der Flucht sind, die niemand haben will. Auch viele Ungeborene gehören dazu: sie sind "unerwünscht", "ungeplant", sie sind eine Last.
Weihnachten ist das Fest, das uns daran erinnert, dass es diese Menschen gibt: in der Ferne und in der Nähe. Und an Weihnachten bekennen wir, dass wir nicht beten können: Lieber Gott, mach du all diese Leute satt und schenke ihnen Heimat und Sicherheit - wenn wir nicht selber anfangen, Gutes zu tun. Dafür wird Gottes Sohn ja ein Mensch: damit wir in den Menschen, die Not leiden, Ihn erkennen und Ihm dienen.
Doch mindestens ebenso groà wie der Hunger, der den Leib satt macht, ist der Hunger nach dem Brot der Wahrheit und dem Brot, das ewiges Leben schenkt, das lebt und Leben spendet.
Wenn wir an Christus glauben, bekennen wir: Dieses Brot, das bringt uns nicht Jesus, dieses Brot ist er selbst! Er sagt ja: "Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt." (Joh 6, 51)
Deswegen feiern wir heute an Weihnachten nicht allein, dass Jesus für uns als Mensch geboren wurde. Wir feiern auch, dass er für uns als Mensch gelebt hat, dass er für uns gestorben ist und auferstand, und dass er lebt und sich immer neu an uns verschenkt.
Mit einem Wort: Krippe, Kreuz und Altar gehören zusammen, sind eine Einheit, gehören untrennbar zusammen. Wenn uns Weihnachten die Demut Gottes zeigt, der als kleines Kind in einer Futterkrippe liegt, so zeigt die heilige Eucharistie, dass die gröÃte Demut Gottes darin besteht, dass seine ganze Liebe und Hingabe in der kleinen Hostie enthalten ist, die wir empfangen.
Welches Geschenk! Welche Liebe! Welches Licht! Der ist der GröÃte, der sich am kleinsten gemacht hat. Wir können nur niederknien und anbeten und Ihm voller Freude danken.
von Manfred Stücker (erstellt: 2022)
Wo möchte ich leben? Vergangenheit? Zukunft? Gegenwart!
Wo möchten Sie leben? Wo ist Ihr Zuhause? - Wenn Sie jetzt denken, diese Frage bezieht sich auf einen Ort, es geht um das Land, die Stadt oder das Dorf, so muss ich diese Frage genauer stellen. Denn ich meine nicht einen bestimmten Platz, sondern etwas anderes.
An Weihnachten habe ich die Frage gestellt, ob wir uns aussuchen können, wo wir geboren werden. - "Natürlich nicht!" wird jeder von uns antworten, doch es gibt, wie wir an Weihnachten bekennen, eine Ausnahme. Jesus wollte in Betlehem geboren werden, in der Stadt Davids, in der Stadt, deren Name übersetzt "Haus des Brotes" bedeutet.
Wenn wir uns nun die Frage stellen: Wo möchte ich leben?, dann kann die Frage auch lauten: Wann möchte ich leben? - Und auch auf diese Frage würden Sie wahrscheinlich erstaunt antworten: Ja, wann denn wohl? Ich lebe doch jetzt, in diesem Augenblick! Und das kann ich mir nicht aussuchen! Die Zeit und die Umstände, die wir vorfinden, die sind nun mal so!
Umso seltsamer ist, dass viele unserer Zeitgenossen - vielleicht auch Sie, vielleicht auch ich! - sich ganz anders verhalten und ganz anders denken und sich auch wünschen, in einer ganz anderen Zeit zu leben!
Viele wünschen sich die Vergangenheit zurück. Sie denken:
Früher war mehr Gemeinschaft. Früher war mehr Nachbarschaft. Früher war mehr Disziplin. Früher war mehr Achtung der Jüngeren vor den Ãlteren. Früher waren die Kirchen voll ... die Reihe lieÃe sich fast endlos fortsetzen.
Nur: die Vergangenheit können wir nicht mehr zurückswitchen. Und wahrscheinlich wollen das viele dann doch nicht, dieses Zurück in die Vergangenheit, wenn man sich vorstellt, im Ruhrgebiet unter rauchenden Schloten zu leben, oder in einer Textilstadt an einem verseuchten Fluss, oder mit einem Auto durch die Gegend zu fahren, das nicht einmal einen Sicherheitsgurt hat.
Also leben wir dann besser in der Zukunft, wo unsere Probleme, die wir haben, mehr oder weniger gelöst sein werden? CO^2 -neutral am besten bis 2030, eine Welt, in der der Krieg geächtet ist, wo Kolonialismus, Fremdenfeindlichkeit, soziale Ungerechtigkeit und Unfreiheit überwunden sein werden! Doch wer garantiert das alles? Sind nicht alle diese Ideen und Ziele schon seit sehr langer Zeit anerkannt?
Und wie sind damit weitergekommen?
Auch in der Kirche gibt es manche, die lieber in der Vergangenheit leben möchten, noch mehr Menschen aber, so scheint mir, die sich überlegen, wie die Zukunft aussehen muss, und sich daran versuchen.
Nun habe ich nichts gegen Pläne, Konzepte und Ziele, doch zugleich bin ich skeptisch, und ich behaupte, diese Skepsis und diesen Zweifel, was Zukunftsvisionen angeht, sogar biblisch und vom Glauben her begründen zu können. Doch zuvor lassen wir doch einfach unseren gesunden Menschenverstand arbeiten. Wer hat uns vor drei Jahren gesagt, dass wir eine Pandemie bekommen, die uns noch weiter beschäftigen wird? Wer hat uns vor einem Jahr gesagt, dass in Europa ein grässlicher Krieg herrscht?
Wer hat uns vorausgesagt, wie sich die Preise entwickeln werden, dass Boris Becker ins Gefängnis kommt (und dann wieder entlassen wird), und dass unsere FuÃball-Nationalmannschaft, auf die wir einst so stolz waren, inzwischen ein Sanierungsfall ist?
Woher mag das kommen, dass alle, die meinen, in die Zukunft hineinschauen zu können wie mit einem Fernglas, regelmäÃig daneben liegen? "Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen" meint darum Mark Twain in seiner unnachahmlich bissigen und präzisen Art.
Für den, der glaubt, ist das nichts Erstaunliches. Denn Gott ist ein Gott der Ãberraschungen. Er tut Dinge, die kein Mensch für möglich gehalten hätte. Oder wer hätte sich ausdenken können, dass ein kleines Kind in einem Stall die Welt rettet? Und dass wir durch Ihn, der am Kreuz wie ein Verbrecher stirbt, die Hoffnung auf Leben haben? Oder dass zwölf mehr oder weniger ungebildete Männer die Welt mit der Botschaft aufmischen, dass Gott die Liebe ist?
Das alles soll uns nicht in Apathie und Tatenlosigkeit stürzen, nach dem Motto: "Daran kann ich eh nichts ändern, und ich alleine schon gar nicht", sondern es kann uns etwas anderes zeigen: dass wir, wenn wir die Zukunft nicht kennen und auch nicht in die Vergangenheit zurückwollen, am besten einfach in der Gegenwart leben.
Die Gegenwart ist einfach jetzt. Jetzt kann ich Gutes wollen und tun.
Jetzt kann ich mich dafür entscheiden, den Nächsten nicht zu hassen, sondern zu lieben. Jetzt kann ich glauben und beten und so auf Gott vertrauen.
Wäre es nicht ein guter Vorsatz für das neue Jahr, sich einfach nichts Spezielles, GroÃes vorzunehmen, sondern nur dieses Eine:
Ich will in der Gegenwart leben, in dieser Zeit, die Gott mir schenkt und in die er mich hineingestellt hat? Das wäre doch etwas.
von Manfred Stücker (erstellt: 2021)
Was bedeutet eigentlich beten?
Heute komme ich zu Ihnen nicht zuerst mit einer Botschaft, mit einer Predigt, sondern mit einer Frage.
Diese Frage wurde mir vor kurzem gestellt, und ich möchte sie heute an Sie weitergeben.
Es ist die Frage einer Mutter, die mit ihrem Kind, einem Erstkommunionkind, zu mir kam.
"Mein Kind geht gar nicht gerne in die Kirche. Was kann ich tun?"
Ehrlich gesagt, war ich erst einmal nur ratlos. Bisher dachte ich, dass doch die allermeisten Kommunionkinder gerne kommen, auch in die Kirche. Dass das nicht so ist, hätte ich mir auch denken können - nun ja.
In einem zweiten Moment dachte ich: Wie ist es denn mit Ihnen, liebe Mutter? Gehen Sie gerne in die Kirche? Geben Sie ein gutes Beispiel? Machen Sie dem Kind vor, was Ihnen wertvoll und wichtig ist?
Was würden Sie, was würdest Du antworten?
Ich glaube, die Antwort kann nur eine ganz persönliche sein! Eine Antwort, die glaubhaft ist, weil einer die Antwort nicht mit Worten allein geben kann, sondern mit seinem Glauben und mit seinem Leben.
Meine ganz persönliche Antwort knüpft an das an, was wir heute, am dritten Fastensonntag, im Evangelium hören: Jesus will, dass das Haus Gottes ein Haus des Gebetes sein soll. Nicht ein Haus, in dem Geschäfte gemacht werden. Nicht ein Haus, in dem Streit, politische Debatten oder Abstimmungen gemacht werden. Auch nicht ein Haus, wo Menschen ihre Macht, ihr Ansehen oder ihren Erfolg zur Schau stellen. - Solche Häuser haben wir überall, die hat es immer gegeben und wird es auch immer geben.
Nein, das Haus des Gebetes ist ein anderes Haus, und so setzte meine Antwort an die Mutter bei dem an, was Gebet bedeutet: In meinem Heimatdorf steht eine Kirche, die mich als Kind wohl deswegen besonders beeindruckt hat, weil es ein Haus ganz anderer Art ist, nicht nur wegen seiner Architektur, sondern wegen der für mich am Anfang rätselhaften, dann geheimnisvollen und schlieÃlich glaubensstiftenden Dinge, die dort geschahen.
So habe ich es nie als Zwang empfunden, am Sonntag in die Kirche zu gehen, sondern ein inneres Bedürfnis, ein Geschenk, eine Bereicherung.
Und als ich mich dann entschlossen hatte, den Dienst als Priester in der Kirche zu tun, war für mich auf dem Weg dahin, ein gutes Jahr vor der Priesterweihe, ein Moment ganz entscheidend wichtig: der Moment, als ich während der Weihe zum Diakon vor vielen hunderten von Menschen gefragt wurde, ob ich bereit sei, den Dienst des Gebetes, besonders des Stundengebetes der Kirche, auf mich zu nehmen.
Dass dieses Versprechen nicht einfach zu halten sei, war mir damals durchaus bewusst. Aber in dem Moment war für mich förmlich zu spüren, dass die vielen Menschen, die damals den Dom in Münster füllten, die Antwort auf diese Frage gespannt erwarteten, dass sie genau zuhörten, was wir Weihekandidaten als unsere Antwort geben würden, und dass sie mit einer Dankbarkeit und innerer Freude hörten, dass wir - 18 an der Zahl - damals mit "Ja" antworteten.
Ich muss daran zurückdenken, wenn ich heute mit einer solchen Frage konfrontiert werde, wie sie mir die Mutter mit ihrem Kind gestellt hat. Und ich kann darum von mir aus nur eine Antwort geben, die vom Gebet ausgeht und sagt: Wem das Gebet wichtig ist, dem wird es auch wichtig sein, das Haus des Gebetes aufzusuchen und da die Nähe Gottes und auch die Nähe der Menschen zu finden.
Und es wird einem dann auch wichtig sein, nicht nur für sich zu beten. Sondern auch für einen Menschen, um den man sich sorgt, den man liebt, den man kennt und der einem vielleicht genommen worden ist.
Und dann wird man auch spüren, dass Gebet nicht zuallererst bedeutet, selber zu reden, sondern still zu werden und Gott reden zu lassen. Das ist ja die groÃe Einsicht und die innere Bekehrung, die der groÃen heiligen Kirchenlehrerin Theresa von Avila geschenkt wurde, als sie schon viele Jahre im Karmel war: dass Gott anfangen kann, zu mir, zu uns, zu sprechen, mit seiner leisen und unaufdringlichen Stimme.
Theresa von Avila hat eine groÃe Reform in der Kirche des 16. Jahrhunderts angestoÃen, eine Reform von innen, durch das Gebet. Wenn wir heute die Kirche reformieren wollen, müssen wir da beginnen. Und dann kann sich jeder ganz persönlich eine Antwort überlegen auf die Frage: Was kann ich tun, damit dieses Kind gerne in die Kirche geht?
"Seine Jünger erinnerten sich an das Wort der Schrift: Der Eifer für dein Haus verzehrt mich" (Joh. 2,17). Jesus will, dass das Haus seines Vaters ein Haus des Gebetes sei, des Gebetes und nicht des Geschäfts, der Beschäftigung und des Marktes. Dafür setzt er sich ein, und dieser Einsatz hat einen solchen Eindruck hinterlassen, dass er zum Anklagepunkt in seinem Prozess wurde und dass sogar Stephanus, der erste Märtyrer, das Verhältnis Jesu zum Tempel zu einem zentralen Thema seiner Predigt machte.
Doch was bedeutet das eigentlich: "Haus des Gebetes"? Was bedeutet das eigentlich: Gebet?
Das Gebet hat ja für Jesus eine starke und besondere Bedeutung. Er stellt das Gebet in der Bergpredigt, in dem Abschnitt, den wir am Aschermittwoch gehört haben, in eine Reihe mit dem Fasten und dem Almosengeben. - Vom Fasten und Almosengeben ist in unserer Wohlstandsgesellschaft immer wieder die Rede, und viel Beifall und Zustimmung kann unser Papst Franziskus erwarten, wenn er zu einem einfachen, zu einem reduzierten Lebensstil auffordert, und wenn er an die notwendige Solidarität der reichen mit den ärmeren Ländern erinnert.
Doch wie ist es mit dem Gebet? Sollte nicht die Fastenzeit auch dadurch geprägt sein, dass wir mehr beten? Intensiver? Gläubiger?
von Manfred Stücker (erstellt: 2021)
Das Gedächtnis nicht verlieren
Können Sie sich vorstellen, Sie verlieren Ihr Gedächtnis?
Wir alle kennen wohl Menschen, die dieses Schicksal trifft: sie verlieren nach und nach ihr Gedächtnis, sie werden orientierungslos, sie erkennen eigene Angehörige nicht wieder, sie sind hilflos.
Das ist ein schlimmes Leiden, und die allermeisten wünschen sich, noch im hohen Alter klar bei Verstand zu sein.
Und können Sie sich nun vorstellen, eine Gesellschaft verliert ihr Gedächtnis?
Eine groÃe Katastrophe ist vor einigen Jahren über die Stadt Köln gekommen: Das groÃe Stadtarchiv ist vollständig eingestürzt, zwei Menschen wurden tot aus den Trümmern geborgen und viele wertvolle Dokumente, hunderte von Jahren alt, sind verschüttet und stark beschädigt oder sogar unwiederbringlich verloren.
Ein solches Archiv wie das in Köln ist sozusagen das Gedächtnis einer Gesellschaft. Ein Gedächtnis, das Ereignisse, Orte und Personen gespeichert hat, damit spätere Generationen nicht nur wissen, was geschehen ist, sondern auch lernen, was geschehen muss, damit die Gegenwart und die Zukunft gelingt! Damit wir Menschen in Gegenwart und Zukunft die rechte Orientierung haben und die rechten Entscheidungen treffen!
Was früher war, ist also nie einfach vergangen. Sondern es enthält in sich die Aufgabe, sich daran zu erinnern. Ohne Erinnerung gibt es kein Lernen, keinen Fortschritt â Oder in einem Sprichwort ausgedrückt: "Wer nicht hören will, muss fühlen".
Davon ist auch die Bibel überzeugt. Im Alten Testament gibt es zwei Bücher, die heiÃen "Chroniken". Diese Bücher waren sozusagen das gemeinsame Gedächtnis des Volkes Israel. Ein Gedächtnis, in dem Namen, Daten und Orte gespeichert wurden. Ein Gedächtnis aber auch, das daran erinnert, warum alles so kommen musste, wie es gekommen ist. Warum es so passiert ist und nicht anders.
Welchen MaÃstab gibt es da, den die Chronisten anlegen? Wonach beurteilen sie den Lauf der Dinge?
Der MaÃstab ist im Grunde ganz einfach und klar: es ist die Treue zu Gott und seinen Weisungen. Dieser MaÃstab zieht sich als roter Faden durch das ganze Alte Testament:
Wenn das Volk Gottes seinem Gott treu bleibt und Gottes Weisungen gehorcht, dann geht es ihm gut. Dann wird dem Volk geschenkt, in Sicherheit zu leben und sich an Wohlstand und Frieden zu erfreuen. Dann lebt das Volk Gottes im Licht der Gnade Gottes.
Wenn aber das Volk seine Berufung vergisst, wenn es nicht mehr hören will auf Gott und seine Propheten, wenn ihm die Satzungen Gottes lästig sind, dann bleiben auch dafür die Konsequenzen nicht aus. Dann sind die Folgen schlimm: Zerstörung und Leid, Abbruch und Tod.
An einem Punkt wird das besonders deutlich. Der Chronist der Geschichte Israels sagt: Seht doch einfach auf euer Verhalten! Seht doch, was ihr mit der Weisung Gottes gemacht hat, den Sabbat heilig zu halten! Statt den Sabbat zu heiligen, habt ihr Geschäfte gemacht, habt ihr Gottes Gebot verachtet und lächerlich gemacht, habt ihr getan, was ihr wolltet! Die gute Regel, dass der siebte Tag dazu da ist, den Menschen und allen Geschöpfen ein Aufatmen zu schenken, sie an Gott zu erinnern, von dem alles Gute kommt â diese gute Regel wurde von euch lächerlich gemacht und über den Haufen geworfen.
Und dann kamen im Jahr 587 v.Chr. die Heerscharen der Babylonier und legten den Tempel und die Städte, die Dörfer und die Felder in Schutt und Asche. Und wer noch übrig war in diesem Gemetzel, der zog in die Verbannung in ein fernes Land.
Jetzt wurde den Städten und Dörfern und Feldern die Ruhe gegönnt, die vorher nicht mehr eingehalten wurde, und der Chronist spottet: "Das Land bekam seine Sabbate ersetzt (...) siebzig Jahre lang" (2 Chr. 36,21).
Hier ist wirklich nicht einfach der âliebe Gottâ, der alles mit sich machen lässt, der nur noch harmlos ist und darum auch nicht mehr ernst zu nehmen ist.
Aber hier ist auch nicht der Rache-Gott, der straft und zürnt, der seinem Zorn freien Lauf lässt.
Beides, der Kuschel-Gott und der Rache-Gott, ist nicht der Gott Israels und auch nicht der Gott Jesu Christi.
Dem Gott Israels und dem Gott Jesu Christi liegt das Heil und das Leben der Menschen am Herzen â so sehr, dass Jesus zu Nikodemus sagt: "Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern in ihm das ewige Leben hat" (Joh. 3,16).
Zugleich aber lässt Gott dem Menschen die Freiheit: entweder die Erinnerung an das Geschehene zu pflegen und lebendig zu halten â oder es eben nicht zu tun und das Gedächtnis zu verlieren und sich damit selbst das Urteil zu sprechen. Nicht Gott ist derjenige, der straft, sondern der Mensch bestraft sich selber, wenn er die Weisungen zum Leben missachtet.
Für uns ist der neue Sabbat der achte Tag, der erste Tag der neuen Woche, der Sonntag. Hier kommen wir zusammen, um für das neue Licht zu danken, die neue Sonne, Christus. Hier kommen wir zusammen, um das gemeinsame Gedächtnis unserer Geschichte mit Gott zu feiern und dieses unser Gedächtnis vor der Schwerkraft des Vergessens zu bewahren, eines Vergessens, das uns ins Dunkel stürzen würde.
Darum heiÃt diese Feier, zu der wir zusammenkommen, auch "Memoria" â "Gedächtnisfeier". Hier schenkt uns Gott nicht nur die Möglichkeit, uns zu erinnern und dafür zu danken, sondern das Erinnerte wird Gegenwart. Was Gott damals getan hat für die Menschen, das tut er auch jetzt.
Das ist das Wunderbare an dieser Feier: Es ist keine Nostalgie-Party, die wir hier haben, sondern es ist Gott in unserer Mitte, dem wir danken und den wir preisen und bitten.
von Manfred Stücker (erstellt: 2021)
Zuerst kommt der Tod, dann das Leben *[1]*
"Wer nicht hören will, muss fühlen."
"Ohne Fleià keinen Preis."
"Erst die Arbeit, dann das Vergnügen."
... wer kennt sie nicht, diese Lebensweisheiten, oft als pädagogische Druckmittel eingesetzt, damit das Zusammenleben funktioniert, damit der richtige Weg gewählt wird.
Gibt es eine echte Lebensweisheit auch in unserem Glauben, in der Nachfolge Jesu? Eine Weisheit, die nicht pädagogisch daherkommt, von oben herab, sondern die eine echte Wahrheit ausspricht, die unser Dasein in seiner ganzen Tiefe auslotet? Und die letztlich auch einen Schlüssel schenkt, wer wir sind? Und was wir sein werden?
Ich glaube, wir haben diese Wahrheit. Diese Wahrheit finden wir in einem Wort Jesu, wo es heiÃt: "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht" (Joh. 12,24).
Mit diesem Bild bringt Jesus ein Grundgesetz des Lebens und des Glaubens auf den Punkt. Dieses Grundgesetz stellt unsere gängige Vorstellung auf den Kopf, wo es heiÃt: "Erst kommt das Leben, dann (irgendwann, hoffentlich spät) der Tod."
Hier sagt Jesus das genaue Gegenteil: Erst kommt der Tod, dann das Leben.
Wie kann man das verstehen? Kann man es überhaupt verstehen?
Wenn ich versuche, dieses Wort in seinem Sinn zu erfassen, gehen meine Gedanken zu einer Kirche, die wie ein groÃes Weizenkorn gebaut ist. Und sie liegt auch tatsächlich wie ein Weizenkorn in der Erde. Und wenn man von der einen Seite in die Kirche hineingeht, oder besser gesagt:
hinabsteigt, dann steht da eine stilisierte Ãhre, die auch an das Wort vom Weizenkorn erinnert.
Diese Kirche steht in Lourdes, es ist die unterirdische Basilika des hl. Pius X., und sie fasst über 20.000 Menschen.
Lourdes ist der groÃe Wallfahrtsort der Kranken. Eine Krankheit ist wie ein Schlag gegen das Leben. Eine schwere Krankheit, die das Leben bedroht, kann schon der Beginn eines Weges sein, an dessen Ende der Tod steht.
Hier haben die Erbauer der Kirche an das Wort vom Weizenkorn gedacht. Und daran, dass die Kranken, die hierher kommen, sich bewusst werden können: Meine Krankheit, die habe ich und nur ich. Aber in meiner Krankheit bin ich nicht allein. Wer glaubt, ist nie allein. Aus dem Weizenkorn meiner kranken und endlichen Existenz soll schon jetzt etwas Neues wachsen: Hilfsbereitschaft und Zuwendung, Trost und Nähe, Freude an kleinen Dingen, Verständnis füreinander.
Wenn ich in diese unterirdische Kirche hinabsteige, ist das wie ein Gang in eine Höhle, in einen finsteren Bereich, der mir Angst machen könnte. Doch im Inneren wartet auch mich das Unerwartete, die Ãberraschung: Da ist - und das wird besonders bei den groÃen liturgischen Feiern deutlich â Licht, Musik, neues Vertrauen.
Viele Menschen kommen nach Lourdes, die nicht äuÃerlich krank sind, aber sie haben ein seelisches Leiden, eine innere Not, die sie quält, ein Problem, das sie nicht loswerden können.
Für sie ist das Wort vom Weizenkorn eine neue Hoffnung, dass Gott gerade in diesen Schwierigkeiten nahe ist und Gnade schenkt.
Viele von uns haben das ja schon sicher erlebt: Da ist eine Krise, da geht es einem schlecht, da fühlt man sich nicht verstanden, da läuft etwas nicht rund. - In diesen Augenblicken weiterzugehen und zu erleben, dass gerade diese Momente neue Kraft schenken und Ressourcen eröffnen, das Leben, so wie es ist neu anzunehmen â das ist eine groÃe Gnade.
Da bewahrheitet sich das Wort vom Weizenkorn und der christliche Grundsatz, dass zuerst der Tod kommt, und dann das Leben: das Leiden kann man bekämpfen, aber längst nicht immer besiegen. Ich muss das Leiden, wenn es denn nicht zu vermeiden ist, bewusst annehmen und auch wahrnehmen. Ich mache mir nichts vor, sondern begegne der Realität. Und genau darin liegt ein neuer Anfang.
Man kann und darf diesen Gedanken nicht unbekümmert verallgemeinern und zu einer Lebensweisheit wie einen Kalenderspruch verniedlichen. Oft genug kommen Menschen an eine Grenze, wo sie wirklich nicht mehr weiterwissen.
Aber das Wort vom Weizenkorn will nicht verniedlichen. Es spricht vom Sterben und vom Alleinsein. Darin liegt der letzte Ernst dieses Wortes.
Dieser Ernst kommt nicht irgendwoher, sondern er kommt aus dem Weg und Geschick Jesu, der selbst für uns Menschen zum Weizenkorn geworden ist. Das ist die doppelte Wahrheit dieses Wortes: Jesus spricht von sich, und er spricht von uns, den Menschen. Er spricht von dem Weg, den er gehen muss und gehen will. Und er spricht von der VerheiÃung, die uns geschenkt wird, wenn wir seinen Spuren folgen.
In jeder heiligen Messe feiern wir das Weizenkorngeheimnis Jesu für uns. Die unterirdische Basilika des heiligen Pius X. ist vor allem für das Geheimnis der Eucharistie gebaut. Dort finden die groÃen internationalen heiligen Messen statt, dort enden die täglichen eucharistischen Prozessionen mit der stillen Zeit der Anbetung und mit dem Krankensegen, der mit dem Allerheiligsten erteilt wird. Immer ist das Wort vom Weizenkorn präsent und wirksam.
In diesen letzten Tagen vor dem Osterfest gehen wir immer tiefer in das Weizenkorngeheimnis ein. Wir folgen Jesus, der uns das Geheimnis der Eucharistie schenkt, der sein Leben am Kreuz hingibt und der an Ostern von den Toten aufersteht. Für uns Christen ist das die innerste Mitte unseres Glaubens und der Schlüssel, der uns die Tür zum Leben aufschlieÃt. Seien wir nicht gleichgültig, wenn es um dieses groÃe Geheimnis geht.
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[1] Anregungen zu dieser Predigt habe ich gefunden bei Maternus Einig OP, Wir sterben in das Leben hinein, in: Lichtsekunden.
Dominikanische Predigten zum Lesejahr B, Freiburg 1993, S. 90.
von Peter van Briel (erstellt: 2021)
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Lesungen und das Evangelium des heutigen Tages bieten mir als Prediger gleich drei spannende Themen an. Zwei möchte ich allerdings nur kurz erwähnen und nicht zum Gegenstand dieser Predigt machen:
Dass beide Lesungen fast ausschlieÃlich von der Sünde und der christlichen Ãberzeugung der Vergebung reden - und das Evangelium am Ende das noch einmal bestärkt - befremdet uns vielleicht, die wir in der Osterzeit doch lieber von österlichen Erfahrungen hören wollen. Aber «Auferstehung» ist zunächst etwas aus der Vergangenheit (bei der Auferstehung Jesu) oder der Zukunft (als VerheiÃung unserer eigenen Auferstehung). Das, was wir jetzt oft als Auferstehungserfahrung bezeichnen, ist nicht mehr als nur ein Bild, eine Art Vorgeschmack. Und auch, wenn neuer Mut nach einer persönlichen Krise oft als «Erfahrung von Auferstehung» bezeichnet wird, bleibt es doch nur ein sehr menschliches Bild. Am ehesten kommt die Erfahrung von neuem Leben demjenigen, der nach einer groÃen persönlichen Schuld Vergebung erfährt.
Vergebung ist also das österliche Thema schlechthin!
Dann spricht natürlich das zentrale Geschehen im Evangelium von der konkreten, leibhaften Realität der Auferstehung. Keine Vision, keine astraler Körper oder eine geistige Erscheinung begegnet den Jüngern, sondern der handfeste, berührbare und berührende auferstandene Jesus.
Obwohl ich gar nicht oft genug darüber predigen könnte, wie leibverliebt unser Gott und damit unser Glaube ist, will ich mich einem dritten Thema zuwenden.
Gerade vor zwei Tagen schrieb mir eine Grundschullehrerin - die zufälligerweise auch noch eine entfernte Cousine von mir ist - von der Frage eines Schülers, warum Jesus beim Gang nach Emmaus den beiden Jüngern nicht schon direkt am Anfang gesagt hat: «Hallo, ich bin's, Jesus! Ich bin auferstanden!» Warum geht er erst - vermutlich Stunden - mit ihnen, ohne sich zu erkennen zu geben? - Natürlich sind auf solche Fragen mehrere Antworten möglich.
Aber eine sehr naheliegende Antwort gibt uns auch das heutige Evangelium. Denn genauso wie in der Emmaus-Erzählung heiÃt es dort, dass Jesus ihnen «den Sinn der Schrift» erschloss. «Musste das nicht alles geschehen, was ihr in den letzten Tagen gehört habt?»
Das ist das zentrale Thema. Im Youcat-Glaubenskurs heiÃt das, «die innere Logik des Christentums» erkennen. Obwohl ich lieber vom «inneren Wesen Gottes» sprechen würde, denn Logik klingt doch sehr nach etwas, dass der Verstand produziert. In Wirklichkeit geht es aber darum, zu verstehen, wie alles im Innersten zusammenhängt. Vor allem mit mir.
Wir haben einen oft sehr fragmentarischen Glauben. In den Gottesdiensten hört man mal da eine Predigt, liest dort einen Artikel, findet im Gespräch noch zusätzlich eine Antwort - und fühlt sich irgendwann umgeben von einer Wolke von Glaubenswahrheiten, die manchmal frustriert die Frage erzeugt: «Was muss ich eigentlich noch alles glauben? - Und was hat, bitteschön, dieses heiÃe Eisen mit der Botschaft Jesu zu tun?»
- Das ist so ähnlich wie jemand, der fragt, was Liebe eigentlich ist.
Wenn ich ihm erzähle, was Liebende so alles tun, empfinden, glauben und hoffen, kann man schon mal die Antwort hören: «Dann will ich mich nicht verlieben. Wer soll das alles schaffen? - Und was hat, bitteschön, das Ausräumen der Spülmaschine und das Leeren des Mülleimers mit Liebe zu tun?»
Das kann geschehen, wenn wir eine fragmentarische Liebe haben - oder einen fragmentarischen Glauben. Deshalb ist Jesus nicht zu den Emmaus-Jüngern oder den Aposteln im heutigen Evangelium gekommen und hat ihrem Glauben noch die Auferstehung hinzugefügt. Sondern er erschloss ihnen den inneren Sinn von allem. Das innere Wesen unseres Glaubens. Die innere Logik (wenn man das Wort verwenden will) unseres Tuns. Wer sich dem nähert - und sich davon ergreifen lässt - der stöhnt nicht: «Muss ich das auch noch glauben?!», sondern würde wahrscheinlich eher ausrufen: «Ach, das hatte ich mir schon fast gedacht! Jo, das passt genau zu dem, was ich immer schon zutiefst gespürt habe!»
Das «Wesen des Christentums» zu erkennen ist dabei kein Vorrecht von Theologen, Studierten oder Intellektuellen. Ganz im Gegenteil: Genauso, wie jemand, der über die Liebe philosophieren will, am besten auf die «einfachhin Liebenden» schaut und von ihnen lernt, sind diejenigen unter uns, die einfach glauben und sich von dem innersten Gottes ergreifen lassen, allen Theologen voraus. Um Längen.
Von dem, was Jesus seinen Aposteln in den vierzig Tagen nach seiner Auferstehung bis zu seiner Himmelfahrt erzählt hat, steht fast nichts in den Evangelien. Vermutlich waren es keine neuen Gleichnisse, Gebote oder Mahnreden - sondern ein Nahebringen wie auf dem Gang nach Emmaus. Im Grunde geht es im ganzen Christsein, Menschsein und Geliebtsein um nichts anderes: Als das innere Wesen der Liebe zu verstehen, zu begreifen, zu erspüren. Oder noch besser: sich davon ergreifen zu lassen.
Amen.
von Manfred Stücker (erstellt: 2021)
Weihnachten 2021
Das Kind
Was bekennen wir an Weihnachten? Was ist das Eigentliche, das Zentrale? Was dürfen wir nicht vergessen?
Die Antwort auf diese Fragen lautet meistens: Gottes Sohn ist ein Mensch geworden, ein Mensch wie wir! Und er hat unser Leben geteilt! Er ist in unser Dunkel hineingekommen als das Licht der Welt!
Das ist ganz bestimmt richtig, und das alles haben wir sicher schon manches Mal gehört. Aber eines fehlt dabei, wie mir scheint. Eines, was schnell übersehen wird. Wir müssen genau hinsehen, auch an Weihnachten, damit wir bei allem eins nicht übersehen:
Gottes Sohn, er ist nicht einfach ein Mensch geworden, sondern er wurde für uns ein Kind.
Ein Kind, klein und wehrlos, ein Kind in der Krippe.
Natürlich: Ein Kind ist auch ein Mensch. Ein besonders liebenswürdiger sogar. Auch ein besonders schützenswerter? Da gehen die Ansichten schon ziemlich auseinander. Jedenfalls ist der Platz im Mutterleib ein Platz, der seit einigen Jahrzehnten bereits zum gefährlichsten Platz für einen Menschen, Verzeihung: für ein Kind, geworden ist.
Gottes Sohn ist ein Kind geworden. Ein Kind mit einer Mutter. Einer Mutter, die fast jedes Kind kennt: Maria. - Aber wer ist sein Vater? Josef? Das scheint er selbst anders gesehen zu haben, denn er wollte ja seine Verlobte Maria heimlich verlassen, als er erfuhr, dass sie ein Kind erwartete. Das war keine Feigheit, sondern er wollte auf seine eigene Kappe nehmen, was er gar nicht verstehen konnte: dass seine Verlobte ohne ihn ein Kind erwartete.
Gottes Sohn ist ein Kind geworden.
Ein junges Elternpaar erzählte mir vor einiger Zeit: Für uns ist klar, dass wir eine Familie gründen wollen. Ein Kind gehört dazu. Bei unseren Freunden und Bekannten, da ist es häufig anders. Da gehört ein Kind nicht zur Lebensplanung dazu. Man will etwas vom Leben haben. Man will ganz in seinem Beruf aufgehen. Man will erst einmal das Leben genieÃen.
Doch interessant sei es dann, so die beiden, wenn sie mit ihrem Kind bei gerade diesen Freunden auftauchen. Da werden zuallererst nicht die beiden Erwachsenen begrüÃt, sondern das Kind. Da wird nachgesehen, wie es dem Kind wohl geht, ob es schläft oder wach ist und so weiter.
Das bedeutet: Das Kind erweckt im Moment seines Daseins die ganze Aufmerksamkeit der Erwachsenen. Das Kind strahlt etwas aus, ohne etwas dafür zu tun. Das Kind verwandelt die Welt der Erwachsenen.
Ist das nicht genau das, was wir an Weihnachten feiern? Dieses Kind, das wir in der Krippe sehen, es kommt, um die Welt zu verwandeln. Es bringt Licht ins Dunkel. Es bringt Freude und Zuversicht in eine Welt, die abgestumpft, alt, verlebt ist.
Die Zeit vor 2000 Jahren, in die hinein Jesus geboren wurde, hat ja manche Ãhnlichkeit mit der unsrigen. Nicht nur, dass es krasse soziale Unterschiede zwischen den Menschen gab. Nicht nur, dass politische Auseinandersetzungen immer wieder zu Ausbrüchen der Gewalt, zu Unruhen und Exzessen führten.
Nein, auch die politische und kulturelle Elite, die Schicht derer, die eigentlich Verantwortung für die Menschen übernehmen sollte, auch manche religiösen Autoritäten waren geistig träge, verfettet und unbeweglich geworden. Man war mehr mit sich selbst beschäftigt als mit der Lösung von Problemen.
Wenn man einmal genauer hineinschaut in das geistige, religiöse und politische Szenario vor 2000 Jahren, da wird man manche Parallelen entdecken, die einen aufhorchen lassen.
Und in diese Welt hinein, die nicht heil ist, nicht hell, nicht freundlich, kommt Gott selbst als Kind.
Kann man sich etwas Ohnmächtigeres, und etwas Geringeres vorstellen als ein Kind? Und doch ist gerade ein Kind etwas unendlich Kostbares, ein Geschenk mit unendlichem Wert. Denn im Kind steckt die Zukunft. Im Kind steckt die VerheiÃung einer besseren Welt. Im Kind stecken die Möglichkeiten, etwas neu zu machen, was uns im Moment gar nicht vorstellbar erscheint.
Wenn ich mit jungen Eltern über die Taufe ihres Kindes spreche und wir über eine biblische Lesung für dieses Fest nachdenken, kommt oft der Wunsch nach der Stelle, wo Jesus die Kinder segnet.
Jesus segnet die Kinder, und zu den Erwachsenen sagt er: "Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen." So berichten es die Evangelisten Markus und Lukas (Mk 10,15; parr Lk 18,17). Vielleicht ist an dieser Stelle der Evangelist Matthäus ein bisschen näher an der Sache, wenn er hier Jesus sagen lässt: "Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich hineinkommen" (Mt 18,3). Und Jesus bekräftigt seine Aussage, indem er sagt: "Wer sich so klein macht wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der GröÃte" (Mt 18,4).
Aber wie soll das funktionieren: werden wie die Kinder, sich klein machen wie ein Kind? Sollen wir, die erwachsen sind und erwachsen werden wollen, uns wie kleine Kinder benehmen, uns kindisch verhalten und vielleicht sogar, wenn uns etwas nicht passt, wie ein kleines Kind sofort losbrüllen? - Von manchen Zeitgenossen im öffentlichen Leben kennen wir zwar ein solches Verhalten, aber das wird Jesus wohl nicht gemeint haben!
Eher schon das, was er dem jüdischen Ratsherrn Nikodemus auseinandergelegt hat, den die Frage umtrieb, wer dieser Jesus denn wirklich sei, ob er vielleicht wirklich der verheiÃene Messias sein könnte. - Ihm sagt Jesus: "Wenn jemand nicht von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen" (Joh 3,3).
Das ist der Schlüssel zu unserer Frage. Um Kind zu sein, um Kind zu werden, müssen wir /neu geboren/ werden. Wir müssen uns ganz Gott überlassen. Wer geboren wird, tritt in eine neue Existenz ein. Um wirklich Kind, Kind Gottes zu werden, wird uns die Taufe geschenkt als neue Geburt. Unser christliches Dasein, all unsere Bemühungen im Glauben, aller Ernst, die Botschaft Gottes in dieser Welt zu leben, ist letztlich Verwirklichung unserer Taufe.
Schauen wir auf das Kind in der Krippe. Es ist ein Bild, das uns anrührt und unsere Gefühle der Hilfsbereitschaft und der Nähe weckt. Es ist aber auch die Botschaft Gottes an jeden von uns: Werde ein Kind! Werde wie Jesus, der alle äuÃere Macht ablegt, um so Frieden und Versöhnung zu schenken! Was für eine Botschaft! Wie sehr wartet die Welt auf diese Botschaft!
Erich Kästner hat einmal gesagt: "Dass wir wieder werden wie Kinder, ist eine unerfüllbare Forderung. Aber wir können zu verhüten versuchen, dass die Kinder so werden wie wir."
von Manfred Stücker (erstellt: 2021)
Annehmen, was zusammengehört
Jetzt ist es wieder so weit: überall in den Kirchen sind die Krippen aufgebaut, und zu diesen schönen und phantasievoll aufgebauten Landschaften kommen die Menschen, junge und alte, und erfreuen sich an den ansprechenden Bildern.
Manchmal kommen auch Menschen, denen die Weihnachtsbotschaft nicht mehr so ganz geläufig ist. Und so passierte es vor einigen Jahren, dass sich in einem Geschäft, das auch Krippen verkaufte, ein nicht ganz armes Ehepaar einfand, um sich dort umzusehen. Und die beiden waren ganz beeindruckt. Vor allem eine der Figuren hatte es ihnen angetan. Und so fragten sie die Verkäuferin: "Hören Sie mal, diese Figur dort, die gefällt uns, wieviel kostet die wohl? Die möchten wir haben!" Es war die Figur des heiligen Josef.
Und die gute Verkäuferin, die nicht nur an ihr Geschäft, sondern vielleicht auch an den Sinn von Weihnachten dachte, gab zur Antwort: "Wissen Sie, die Figur einzeln ist nicht zu haben. Da müssen Sie schon die ganze Familie nehmen!"
Da dämmerte es dem guten Ehepaar, dass zum heiligen Josef auch noch Maria und auch noch das Kind gehörten, und das Ehepaar fing wahrscheinlich an, sich an die Weihnachtsgeschichte zu erinnern, aber alle diese Figuren zusammen zu nehmen - das war ihnen doch ein bisschen zu viel. Und so wurde aus dem ganzen Geschäft diesmal nichts.
Wir feiern Weihnachten, und gleich heute, am Sonntag nach Weihnachten, das Fest der Heiligen Familie. Und wir können, wenn wir die kleine Episode bedenken, die ich gerade erzählt habe, uns genau das Gleiche sagen lassen: Wir können uns daran erinnern lassen, dass wir vom Geschehen der Heiligen Nacht uns nicht nur das heraussuchen können, was uns besonders gut gefällt. Wir können nicht sagen: Dies oder das passt mir, das andere nicht. - Sondern wir müssen von dem, was uns an Weihnachten begegnet, auch den Zusammenhang annehmen, das Ganze eben. - Was bedeutet das?
Das bedeutet, dass Weihnachten uns an ein ganz wichtiges Grundprinzip unseres Glaubens erinnern kann: So wie unser gutes Ehepaar nicht einfach eine einzelne Figur aus der Krippenlandschaft herausnehmen konnte, so können auch wir nur beschenkt werden von Gott an diesem Fest, wenn wir das Ganze annehmen und sehen. Und das meint nicht nur, dass zu dem heiligen Josef auch Maria und das Kind in der Krippe gehören! Sondern es bedeutet noch weit mehr:
Es bedeutet, dass auch Maria nicht wirklich begriffen werden kann, wenn sie nicht als vom Heiligen Geist Erfüllte und als Mutter des Erlösers begriffen wird!
Und es bedeutet weiter, dass dieses Kind in der Krippe nicht einfach der niedliche Knabe im lockigen Haar ist, sondern der Erlöser, der Heiland der Welt, der zu uns auf die Erde kommt, und erlösen durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung!
Und es bedeutet auch, dass Jesus, der in diese Welt kommt, Menschen beruft, dich und mich, die helfen sollen, dass seine Botschaft auch heute unter den Menschen bekannt wird und geglaubt wird! Das ist die Sendung der Kirche, das ist das Geheimnis seiner Gegenwart in unserer Zeit: Jesus Christus ist der Lebendige, und als Lebendiger ist er in unserer Mitte wirksam und gegenwärtig. Er wirkt durch sein Wort, er wirkt durch die heiligen Sakramente, er wirkt durch Menschen, die er beruft und sendet; mit einem Wort: er wirkt durch seine Kirche und in seiner Kirche.
Diese Wahrheit gehört zum Ganzen des Glaubens, und wenn an Weihnachten wieder viele Menschen in die Kirche strömen werden, haben sie vielleicht eine Ahnung von diesem Geheimnis der Kirche: dass die Kirche eben nicht nur ein Gebäude ist aus Steinen, Holz und Glas, sondern der fortlebende Christus auf dieser Erde, der in uns lebt und durch uns inmitten der Menschen wirken will.
Vielleicht hat unser Ehepaar an der Krippe in diesem Jahr einen anderen, einen tieferen Zugang zu dieser Wirklichkeit, die die Kirche in diesen Tagen und Wochen aufs Neue feiert. Zu wünschen ist ihm das jedenfalls. Wünschen wir uns heute, am Fest der Heiligen Familie, dass unser Herz immer offen sei für das Ganze des Glaubens, für das GroÃe und Wunderbare, mit dem Gott uns reich beschenken will.
von Manfred Stücker (erstellt: 2021)
Die Krise und das Glück
Was brauche ich, um glücklich zu sein?
Manche Menschen brauchen nicht lange zu überlegen, um darauf eine Antwort zu finden; sie sagen ganz einfach: eine Familie, in der ich geborgen bin - einen sicheren Arbeitsplatz - ein Austausch mit Freunden - oder auch ein Bierchen am Abend.
Einige werden vielleicht etwas länger überlegen und sagen: Glücklich bin ich, weil ich glauben kann, dass Gott mich liebt.
Für diese Menschen spielt der Glaube für das Glück eine groÃe Rolle.
Wenn nun ein Unglück über uns hereinbricht, stellt das erst einmal vieles in Frage. Wenn ich krank werde oder jemand mich enttäuscht, wenn ich einen Unfall habe oder mir Unrecht geschieht: da geraten nicht nur Gewohnheiten und Sicherheiten ins Wanken. Da bin ich gut dran, wenn ich irgendwo einen Halt habe, einen Menschen, der mir hilft, oder einen Rückzugsort, wo es mir gut geht.
Wir erleben nun eine Zeit, die in mancher Hinsicht ungewöhnlich ist. Es gibt viele Menschen, die zwar nicht direkt ein Unglück getroffen hat, sie sind nicht krank, sie haben nicht ihre Heimat verloren, aber sie haben es mit der Angst zu tun bekommen. Ein unsichtbares Virus ist die Ursache für vielerlei Ãngste, die unglücklich und sogar krank machen können: Bin ich gefährdet? Wo kann ich noch hingehen? Werde ich eine Reise antreten können? Behalte ich meinen Arbeitsplatz?
Diese Ãngste gehen an die Substanz, und alles dreht sich nur noch um dieses eine Thema. - Wie geht es damit weiter?
Heute feiern wir den achten Weihnachtstag, der zugleich das Ende des alten Kalenderjahres und den Beginn eines neuen Jahres markiert. Wir feiern die Gottesmutter Maria, die ihrem Kind den Namen Jesus gegeben hat. Dieser Name bedeutet übersetzt: Gott rettet.
Haben wir damit schon einen Hinweis für unsere Fragen? Wenn es heiÃt, dass Gott rettet, stimmt das auch? Und wenn es stimmen sollte, warum erleben so viele Menschen so viele Unglücke, aus denen sie nicht errettet werden? â So wird der Glaube erschüttert. Ein Unglück, eine traumatische Erfahrung kann den Glauben erschüttern oder auch zerstören.
Was kann man dazu sagen? Der Glaube ist ein kostbares Geschenk, wir empfangen den Glauben in unserer Taufe, und er geht einher mit Vertrauen und Zuwendung. Einem, dem ich vertraue, kann ich auch glauben. Ich habe als Kind meiner Mutter auch geglaubt, dass Spinat etwas Gutes ist, weil er, wie sie mir erklärte, Eisen enthält.
Ich sah zwar kein Eisen im Spinat, und glaubte auch nicht, dass man Eisen essen kann, aber ich nahm zu Recht an, dass sie für mich nur Gutes wollte, also vertraute ich ihr und glaubte, was sie sagte, und aà den Spinat.
Dieses kleine Beispiel zeigt, dass der Glaube begleitet wird durch zwei andere Haltungen. Wenn ich jemandem glaube und vertraue, gehe ich davon aus, dass das gut für mein Leben ist. Das nennt man Hoffnung. Die Hoffnung nennt etwas gut, obwohl nicht immer sofort klar ist, dass es wirklich gut ist oder gut ausgeht. Zum Beispiel: Ich bin von einem Freund enttäuscht worden, aber es hatte am Ende für mich doch etwas Gutes, denn das hat meine Menschenkenntnis erweitert.
Und die Hoffnung sagt noch mehr: sie rechnet nicht automatisch mit einem Ergebnis, das ich mir ausdenke oder von dem ich meine, dass mich das jetzt glücklich macht. Sondern die Hoffnung rechnet auch realistisch mit der anderen Möglichkeit: dass es beim Schlechten bleibt. Dann gibt es zwar kein happy-end, aber die Hoffnung ist überzeugt: Nichts ist ohne Sinn. Und vielleicht wird mir der Sinn auch nicht in diesem Leben, sondern erst in einem anderen Leben gezeigt. - Aber das kann ich nur glauben, das kann ich nicht wissen.
Also gehören Glaube und Hoffnung zusammen.
Und das Dritte ist die Liebe. Es gibt drei Haltungen, die wir die göttlichen Tugenden nennen: Glaube, Hoffnung und Liebe. Alle wollen das Glück anstreben, das Glück, nach dem wir suchen.
Doch nun müssen wir achtgeben: Meistens fragen wir: Was brauche ich zum Glück? Oder wir fragen: Wie glücklich bist du?
Die Liebe lässt diese Frage anders stellen. Nicht mehr: Möchtest du glücklich sein? Möchtest du glücklich werden? - Darauf wird wohl kein Mensch mit âNeinâ antworten. - Sondern die Liebe fragt: Möchtest du glücklich - machen? Den anderen, nicht zunächst dich selbst, sondern den Menschen, der dir begegnet, der dir anvertraut ist, für den du da sein kannst?
Wir wissen nicht, ob uns das neue Jahr 2022 Glück oder vielleicht auch neues Unglück bringen wird. Die Erfahrung sagt, dass es kaum das pure Glück geben wird.
Doch der Glaube, die Hoffnung und die Liebe sagen uns, dass wir das, was wir uns im Tiefsten wünschen, nicht selbst machen können. Wir brauchen Gott, und Gott hat uns in der Menschwerdung seines Sohnes gezeigt, wie sehr er sich nach uns sehnt. Obwohl er uns nicht braucht, beschenkt er uns mit dem GröÃten und Wertvollsten, was es überhaupt geben kann: mit sich selbst, mit seiner Liebe und Gegenwart in der Gestalt dieses kleinen und wehrlosen Kindes. Der Name des Kindes heiÃt "Gott rettet". Möge uns der liebende und versöhnende Gott im neuen Jahr 2022 aus allen Gefahren, die uns an Leib und Seele bedrohen, erretten. Damit wir glücklich sind in Ihm und immer glücklicher werden.
von Manfred Stücker (erstellt: 2020)
Jesus, der wahre Brunnen und wahre âMannâ der Samariterin
Bevor es Wasserwerke und Stauseen gab und Zentralheizungen in den Wohnungen, gab es für die Menschen vor allem zwei Orte, um sich zu treffen: am Brunnen, aus dem man das lebensnotwendige Wasser schöpfen konnte, und am wärmenden Herdfeuer. Heute und am kommenden Sonntag geht es um eine Begegnung am Wasser: mit der Samariterin am Jakobsbrunnen und mit dem Blindgeborenen am Teich Schilóach. Und am fünften Fastensonntag gibt es eine Begegnung am Grab mit Lazarus.
Die Kirche hat seit den Tagen der Urkirche diese drei Abschnitte aus dem Johannesevangelium in die Mitte der Taufvorbereitungen für die Taufbewerber gestellt. Wenn in der Osternacht die Taufe stattfinden sollte, muÃten die Taufbewerber erfahren haben, mit welchem Anspruch Jesus auftritt und was er den Menschen schenkt. â Und, was noch viel wichtiger ist, die Taufbewerber â und dazu gehören in gewisser Weise auch wir, wenn wir an Ostern wirklich unser Taufversprechen erneuern wollen! â die Taufbewerber sollten erkennen: hier sind nicht drei Personen in der Vergangenheit gemeint, sondern ich selbst bin es! Ich selbst bin wie die Frau am Jakobsbrunnen, die sich nach dem Wasser sehnt, das nur Jesus geben kann und das den Durst wirklich löscht, den Durst nach Leben, den Durst nach Zuwendung und Heil.
Und ich selber bin der Blindgeborene, dem von Jesus, der das wahre Licht ist, die Augen für ein neues Leben geöffnet werden.
Und auch Lazarus, der aus dem Grab aufersteht: das bin ich, der ich durch die Taufe neugeboren werde zu einem neuen Leben.
Um diese Wahrheit des Glaubens geht es, und âGlaubenâ ist ein Schlüsselwort in allen drei Evangelien-Abschnitten: sei es, daà Menschen, wie die Frau am Jakobsbrunnen, zum Glauben kommen, sei es, daà sie sich der Botschaft verschlieÃen und den Glauben an den Messias Jesus ablehnen.
Wenn Jesus heute an diesem Jakobsbrunnen sitzt und die Frau um Wasser bittet, ist das schon eine Vorwegnahme der Stunde, in der Jesus am Kreuz hängen und sprechen wird: /âMich dürstet!â/ (/Joh /19,28). Ja - Jesus dürstet nach unserem Glauben, nach unserer Gemeinschaft; ihn dürstet nach Frieden und Versöhnung. Ihn dürstet nach unserem Heil.
Es gibt viele Züge in diesem wunderbaren Evangelium, die sich lohnen, eingehend betrachtet zu werden. Ich will hier nur einen herausgreifen. Die Frau spricht davon, daà sie keinen Mann habe. Und Jesus erinnert sie daran, daà sie schon fünf Männer gehabt hätte und der jetzige, der sechste, nicht ihr Mann ist. â Was kann damit gemeint sein? Nun, wie an vielen Stellen, so können wir auch hier den Evangelisten verstehen, indem wir diese Zahlen symbolisch deuten.
Die Samaritaner und die gläubigen Juden, die mit ihnen rein gar nichts zu tun haben wollten, hatten bei aller Feindschaft ein gemeinsames Erbe: Die Tora, die fünf Bücher Mose. â Die fünf Männer, von denen Jesus hier spricht, sprechen symbolisch von den fünf Büchern der Tora. Diese fünf Männer hat die Frau; mit ihnen ist sie verbunden.
Der jetzige Mann, der sechste, kann nicht ihr Mann sein, denn es ist ein Fremder in dem Land Samarien; mit ihm kann sie keine Ehe eingehen.
Alles läuft also auf die Begegnung mit dem siebten Mann im Leben dieser Frau hinaus, mit Jesus. In ihm erkennt die Frau den Propheten, das heiÃt den wirklichen Mann Gottes. Und diese Begegnung findet statt in der sechsten Stunde, zur Zeit des Mittags, während die Sonne am höchsten steht und der Tag noch nicht zur Vollendung gekommen ist. â Noch einmal wird Johannes die sechste Stunde erwähnen, nämlich in der Passion, während Pilatus Jesus zum Tode verurteilt (vgl. /Joh/ 19,14). â Also auch hier ein sehr deutlicher Hinweis für die Sendung Jesu, Opferlamm für das Heil der Welt zu sein und die Menschen wieder mit Gott zu versöhnen.
Am besten, Sie nehmen das Neue Testament einmal zur Hand und lesen noch einmal diesen Brunnentext, der mehr ist als eine Geschichte.
von Manfred Stücker (erstellt: 2020)
Das wahre Licht
Ist das nicht ekelig? Da geht Jesus hin und spuckt auf die Erde. Und mit diesem so entstandenen Schlamm bestreicht er das Auge des blinden Mannes. Daraufhin kann der Mann wieder sehen. Ihm ist das Augenlicht wiedergeschenkt worden.
Liebe Schwestern und Brüder,
noch vor ein paar Jahren hätten wir wohl verschämt über diese Stelle hinweggelesen und gesagt: Naja, darauf kommt es ja auch eigentlich nicht an. â Aber heute, in einer Zeit, in der Wellness-Tempel aus dem Boden sprieÃen, in der die Menschen die heilenden Kräfte von Schlamm und Moor, von Wasser und Düften, von Ãlen und Pflanzen wiederentdeckt haben, könnten wir doch diese Stelle neu lesen und deuten. Und ich bin sicher, daà sich Johannes, der Evangelist, dabei etwas gedacht hat, als er berichtet, daà Jesus auf die Erde -spuckt.
Noch an einer anderen Stelle spielt Jesus mit dem Sand, und zwar in dem Moment, während die Ankläger einer Frau mit Steinen in der Hand bereit stehen, das Urteil zu vollstrecken: Da bückt sich Jesus und fängt an, mit dem Finger auf die Erde zu schreiben (vgl. /Joh/8,8). Also fast das Gleiche â hier wie dort.
Was kann das bedeuten?
Johannes bezeugt: /âDas Wort ist Fleisch gewordenâ/(/Joh/1,14). Das heiÃt: Gott ist wirklich in dieser Welt erschienen. Diese Welt â sie ist endlich, sie ist vergänglich. Dafür steht der Sand, dafür steht der Staub.
Am vergangenen Sonntag hörten wir, wie Jesus sich der Samariterin am Jakobsbrunnen zu erkennen gibt als lebendiges Wasser. Wasser â das ist ein Bild für Leben, für Aufblühen, für Zukunft. Wenn Jesus auf die Erde speit, verbindet sich sein Wesen mit dieser sterblichen Welt: so können wir dieses Zeichen deuten. Das Sterbliche verbindet sich mit dem Unsterblichen, das Menschliche mit dem Göttlichen.
Und so schenkt Jesus dem Blinden das Licht. Damit haben wir schon drei der elementaren Zeichen: Erde, Wasser, und das Licht â Feuer. Jesus ist das Licht der Welt. Dieses Licht leuchtet, es brennt, es verwandelt.
Es erschafft etwas Neues. Es hat Macht, diese Welt hell und neu zu machen.
In der Vorbereitung auf Ostern und an Ostern selbst spielt dieser Gedanke eine ganz wesentliche Rolle. Was wäre Ostern ohne das Osterfeuer, ohne die Osterkerze? Was wäre Ostern ohne das neue Licht?
Deshalb spielt dieses Evangelium von der Heilung des Blindgeborenen eine wichtige Rolle in der Vorbereitung auf Ostern. Seit der Zeit der frühen Kirche sollten die Taufbewerber es hören, damit sie selbst erkannten: Durch Christus komme ich zum Licht. Er selbst ist ja das Licht, das sich mir schenkt und das macht, daà ich sehen kann â mit meinem inneren Auge, mit dem Auge des Glaubens.
Denn nicht auf das äuÃere Sehen des Mannes kommt es an, sondern auf seinen Glauben. Als Jesus den Mann nach seiner Heilung wieder antrifft, den Mann, der wegen des offensichtlichen Wunders auf ziemliche Schwierigkeiten stöÃt, da fragt Jesus ihn nicht: Kannst du jetzt auch richtig gut sehen und alles unterscheiden?, sondern er fragt ihn nach dem Glauben: /âGlaubst du an den Menschensohn?â/(/Joh/9,35).
Genauso werden auch wir gefragt, wenn wir in der Osternacht den Glauben bekennen und das Taufversprechen erneuern: Widersagt ihr â Glaubt ihr? Die Frage kann in der Mehrzahl gestellt werden, die Antwort ist immer persönlich: Ich widersage â ich glaube.
Dieses Bekenntnis ist ganz wichtig, wenn wir uns gegen manche âEinredenâ wappnen und schützen wollen â gängige Redensarten, die nur Staub aufwirbeln, die vernebeln, die einen blind machen können für die Wirklichkeit, für die Wahrheit.
Was sind das für âEinredenâ?
- Es ist ja egal, was einer glaubt, das muà jeder selbst wissen
- Das tun doch alle â¦
- Mir hat auch noch niemand geholfen â¦
Immer wieder, auch in unserer eigenen Umgebung, erleben wir das:
scheinbare Gleichgültigkeit, Abstand vom Glauben und von der Kirche, fehlendes Interesse oder einfach auch falsches Wissen über den Glauben.
Das ist die Asche, die grau und schwarz über dem Leben liegt.
Doch dann gibt es auch immer wieder die Glut unter all dieser Asche: eine neue Sehnsucht nach Gott und seinem Segen. Der Wunsch, nach langen Jahren der Abwesenheit wieder in die Kirche einzutreten. Fragen, die nach einer Antwort verlangen und die man sich alleine nicht geben kann. Menschen, die neu den Wert der Anbetung entdecken. Gläubige und Suchende, die in einer Beichte erleben, daà sie von Gott angenommen und geliebt sind.
Diese Glut gibt es, und dann braucht es nur noch einen Windhauch, den Windhauch des Heiligen Geistes, und aus der Glut wird wieder ein lebendiges Feuer.
von Manfred Stücker (erstellt: 2020)
/Wer ist Lazarus?/
Der Name Lazarus bedeutet soviel wie âGott ist mein Erbarmerâ. Diesen Namen finden wir im Neuen Testament zweimal: einmal bei /Lukas/ im Gleichnis vom armen Lazarus, wo dieser einem anderen Menschen gegenübergestellt wird, der im Gegensatz zu Lazarus in der Geschichte keinen Namen trägt, sondern nur der /âreiche Mannâ/ heiÃt (vgl. /Lk/ 16,19) - und dann hier, bei /Johannes/, wo uns aber kein Gleichnis erzählt wird, keine Geschichte, keine Legende und kein frommer Mythos, sondern eine wirkliche Begebenheit, die nicht nur die Menschen damals erschüttert hat, sondern die auch für die Kirche von höchster Bedeutung ist. So ist diese Episode das Evangelium, die Frohe Botschaft heute, eine Woche vor dem Palmsonntag, und dient der Vorbereitung auf die Erneuerung des Taufbekenntnisses an Ostern.
Jedesmal, wenn wir das Evangelium hören, sollten Sie und du und ich, jeder von uns, sich eine wichtige Frage stellen. Und diese Frage lautet:
Wo bin ich in diesem Evangelium?
Bin ich Martha oder Maria, die um ihren toten Bruder trauen, die aber auch auf Jesus vertrauen möchten?
Bin ich einer von den Zuschauern, die neugierig sind, was sich da abspielt?
Oder bin ich selber Lazarus, ein Mensch, dem Menschen nicht mehr helfen können, einer, der dem Tode verfallen ist?
Wofür steht Lazarus? Lazarus steht für den Menschen, der dem Tod preisgegeben ist, für den seine Geschwister nicht mehr tun können, als ihn in einer Höhle zu begraben. Sie können ihn begraben und betrauern, wieder lebendig machen können sie ihn nicht.
Was jetzt am Grab des toten Lazarus geschieht, faÃt in einem alles überbietenden Zeichen dar, wer Jesus für uns Menschen ist! Das haben wir an den zwei vergangenen Sonntagen schon gesehen: Im Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen ist Jesus das lebendige Wasser. Er stillt unsere Sehnsucht nach wirklichem Leben, nach Heimat und Sinn.
Und in der Heilung des Blindgeborenen offenbart sich Jesus als das wahre Licht, das unser Leben hell macht. Er öffnet uns die Augen unseres Geistes, damit wir erkennen, daà er der Messias Gottes ist.
Und jetzt â in der Auferweckung des Lazarus â zeigt sich uns Jesus als die Auferstehung und das Leben selbst. Er bringt nicht nur das Licht, er ist selbst das Licht. Er teilt nicht nur lebendiges Wasser aus, er selbst ist es. Und er verkündet nicht nur die Auferstehung von den Toten, sondern er ist selbst ganz das, was er sagt und tut. - So genügt das Wort, das Jesus in das Grab des Toten hinein spricht: /âLazarus, komm heraus!â/ (/Joh/ 11,43). â Und das so ausgesprochene Wort bewirkt das Zeichen: Das Wort Jesu ist nicht nur wahr und wirklich, es schafft eine neue Wirklichkeit, es ist Wahrheit und Leben selbst.
Man kann einen Toten begraben, man kann auch Hoffnung begraben und glauben, alles sei weg, alles sei vergeblich. Doch wenn schon die Strahlung eines gespaltenes Atoms Wände und Mauern aus Stahl und Beton durchdringen kann, wieviel mehr kann Gottes Liebe das Dunkel der Gräber und die Mauern des Todes überwinden!
Lazarus, das ist nicht nur der Bruder der Martha und der Maria. Lazarus, das bist Du und sind Sie und das bin ich: der Mensch, den Jesus herausruft aus den Tälern des Todes, aus Mutlosigkeit und Gottvergessenheit, aus Lähmung und Angst.
Lazarus kommt im Johannesevangelium noch einmal vor, und diese Stelle wird am Montag der Karwoche als Frohe Botschaft vorgelesen: Da ist Jesus von Marta und Maria in Betanien zu einem Gastmahl eingeladen, und auch Lazarus ist dabei, den er von den Toten auferweckt hat.
In jeder heiligen Messe, die wir feiern, kommt Jesus auch zu uns. Da dürfen wir bei Ihm sein, als Lazarus, der zum Leben berufen ist, als Marta, die dient, als Maria, die ihm die FüÃe salbt und weiÃ, daà er bald für die Menschen, für uns alle, sterben wird.
von Michael Kenkel (erstellt: 2020)
Wozu das ganze überhaupt? Das fragt das Volk Israel bei Mose bzgl. des Auszugs aus Ãgypten - und so fragen heute sicherlich viele anlässlich des Corona-Virus und dessen Auswirkungen.
Manche machen sich sicher auch Sorgen, ob und wie sie diese Krise überstehen, machen sich Sorgen um Familienangehörige, um die Kinderbetreuung, um die Arbeit - wie das alles voreinander gehen soll.
Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht? fragten dann die Israeliten.
Viele - die ersten nun auch bei uns - müssen in Quarantäne, dürfen für mindestens 2 Wochen keinen Kontakt zur AuÃenwelt haben. Das Wort Quarantäne stammt von der Zahl 40 - Schiffe mit Pestkranken durften damals 40 Tage lang nicht den in Hafen einfahren. Quaresima bedeutet:
Zeit der 40 Tage - ein ganz ähnliches Wort, der gleiche Wortstamm Quarantäne - Quaresima - 40 Tage Fastenzeit.
Quarantäne bedeutet: für sich bleiben - direkte Begegnungen vermeiden, wobei die sozialen Medien es erleichtern, dabei nicht alleine zu bleiben. Aber irgendwann bekommt man eckige Augen, mag man den Bildschirm nicht mehr sehen und da ich nicht raus darf, hat man Zeit.
Quaresima - 40 Tage Fastenzeit - 40 Tage Verzicht üben, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Wenn nun in den nächsten 5 Wochen bis zum Ende der Osterferien fast alle Veranstaltungen bei uns in Raesfeld - sowohl in der Kirche als auch in der Kommune aufallen, kann das Wesentliche mehr in den Blick kommen.
Im Evangelium vom heutigen Sonntag geht es bei der Frau am Jakobsbrunnen um das Wesentliche: das lebendige Wasser, von dem man keinen Durst mehr bekommt, um das erfüllende Leben, das ewige Leben, darum, den Willen Gottes zu tun.
Wir Christen glauben, dass Gott uns gut gesinnt ist, dass er unser Glück möchte. Wenn wir seinen Willen erfüllen, werden wir glücklich und zufrieden werden. Wenn wir aus seiner Quelle trinken, werden wir keinen Durst mehr haben.
Nur, was ist Gottes Wille? Wie erkenne ich, was er will. Das ist relativ einfach: Seinen Willen hat er uns kundgetan - ich brauch nur nachzuschauen. Das wichtigste, so sagt Jesus: Liebe Gott und Deinen Nächsten wie Dich selbst.
Meine Liebe zu Gott prüfen, ihn Ernst nehmen - mal wieder mit ihm reden. Ich darf klagen über meine derzeitige Situation, ich darf um Hilfe bitten für anstehende schwierige Gespräche, ich darf danken, dass ich wieder aufstehen konnte, ich darf ihn preisen für die neue Geburt eines Menschen, ich darf aber auch einfach mal zuhören, still werden - nicht nur reden, auch hören - er hat mir sicher auch was zu sagen - gerade jetzt, wenn alles still wird, Termine uns nicht mehr soviel ablenken.
Meine Liebe zu dem Nächsten. Das ist der, der mir gerade begegnet: ihm zuhören, Zeit haben. Seine Not sehen, ihm entgegen kommen, Hilfe anbieten, bevor der andere erst bitten muss. Auch wenn ich gesund bin, auf soziale Kontakte verzichten, um den Virus nicht zu verbreiten.
Betreuung von Kindern anbieten, dessen Eltern arbeiten müssen. Mein Gebet anbieten. Das kostbarste teilen, was ich habe: Zeit ... und Desinfektionsmittel ;-)
Die Liebe zu mir. Viele haben Angst vor der Stille, weil dann Sachen hochkommen, die man durch Beschäftigung ganz gut zudecken kann. Wenn ich aber um einen Gott weiÃ, der mich liebevoll anschaut, kann ich es auch wagen, mich selber anzuschauen. Ich brauche keine Angst vor dem Chaos meiner Seele haben, wenn ich es der Liebe Gottes hinhalte.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen segensreiche Quarantäne und Quaresima.
von Manfred Stücker (erstellt: 2020)
"Wer gibt uns die rettende Medizin?" - Gründonnerstag: Keine Angst vor Ansteckung
Jesus wäscht seinen Jüngern die FüÃe ohne Angst, sich bei ihnen anzustecken. Er nimmt Wasser und wäscht mit eigenen Händen die FüÃe; er nimmt ein Tuch und trocknet die FüÃe ab.
Seit Wochen geht bei uns die Angst um: die Angst vor Ansteckung mit einem Virus, von dessen Wesen nicht alles bekannt ist. Ein Virus, von dem man nicht genau weiÃ, wie er sich eigentlich verbreitet. Deshalb will man da, wo er auftaucht, ihn isolieren. Die Ãbertragungswege sollen gestoppt werden, so gut es geht.
Jesus, um im Bild zu bleiben, macht es eigentlich umgekehrt. Er isoliert die Apostel, damit er sie â bitte verzeihen Sie den Ausdruck â mit seiner Liebe infizieren kann. Er versammelt die zwölf Apostel an einen Tisch, um ganz bei ihnen zu sein, an diesem Abend, in der Nacht vor seinem Tod. Er wollte ganz bei ihnen sein, damit sie ganz bei ihm seien.
Johannes, der vierte Evangelist, berichtet von der FuÃwaschung als Tat der Liebe des Meisters und Freund seiner Jünger. Was Jesus damit zeigen will, sagt er selbst: âIch habe euch ein Beispiel gegeben.â Jeder, der sich als sein Jünger verstehen will, muà genauso handeln: Dienen aus Liebe, Liebe, die sich ganz tief beugt. Mit einer Liebe, die das Leben und das ganze Dasein verwandelt, sollen die Apostel und alle, die an Jesus glauben, angesteckt werden.
Wenn ein Virus, der Krankheiten oder sogar den Tod bringt, umhergeht, gehen Angst und Unsicherheit um: Wird es vielleicht auch mich treffen?
Wie kann ich mich schützen? Was muà ich tun, um im Fall des Falles vorbereitet zu sein? â Nicht nur Einzelne, sondern auch Kommunen, Firmen, Institute und Politiker sorgten sich um diese Fragen.
Vor der Liebe Jesu muà niemand Angst haben. Jesu Liebe ist nie schädlich, sie ist immer heilsam. Sie ist immer versöhnend. Sie ist immer gut für den Menschen. Insofern können wir Christi Liebe auch mit einer Medizin vergleichen. Wo der Kampf um die besten Plätze, um Posten und Titel auch in der Kirche an Bedeutung gewinnt, ist die FuÃwaschung, die der Herr vollzieht, ein notwendiges Heilmittel gegen Spaltung, Unfrieden, Geltungssucht und Rechthaberei.
Die heilige Kommunion ist das Medikament, das diese Liebe Christi in höchster denkbarer Konzentration schenkt. Die heilige Hostie ist, um in diesem Vergleich zu bleiben, mit allen Wirkstoffen versehen, die unserer Seele gut tun.
Ich finde, dieser Vergleich mit einem Medikament kann uns sogar helfen, tiefer zu verstehen, was wir heute, am Gründonnerstag, feiern, und wohin uns diese Feier führen will. Denn wie ein Medikament nicht einfach so, ohne vorherige Vorbereitung, eingenommen werden soll, so ist es ähnlich auch mit der heiligen Kommunion. Wenn sie ihre Wirkung entfalten soll, müssen alle Oberflächlichkeit, Gedankenlosigkeit und alle inneren Widerstände gegen die Liebe Christi aufgegeben werden. Ganz frei sollen wir sein, Christi Liebe auch wirklich in uns aufzunehmen. Ganz frei â das bedeutet dann auch, die Konsequenz der Freiheit anzunehmen, den Glauben. Der Glaube ist das Einfallstor für die wirkliche Gemeinschaft mit Christus im heiligen Sakrament, die dann auch wirksam wird in der Gemeinschaft der Kirche und in der Liebe untereinander.
Uns allen wünsche ich diesen Glauben und dieses Vertrauen und die Sehnsucht, Jesus Christus immer näher zu kommen in der Gemeinschaft mit seinem Leiden und in der Hingabe seines Lebens, damit wir mit ihm auch die Freude und die Herrlichkeit empfangen.
von Manfred Stücker (erstellt: 2020)
Karfreitag: Der Arzt stirbt für die Seinen
Die Gemeinschaft des Gründonnerstags ist vorbei, die Jünger sind zerstreut, ihr Meister am Kreuz hingerichtet. Jesus hatte das alles angekündigt und auch dem Petrus deutliche Worte gesagt.
Und auch die Feier des Letzen Mahles war in sich schon die Vorwegnahme dessen, von dem wir heute erfahren und was wir heute im Glauben miterleben: Christus selbst ist das Pascha, er selbst ist das Lamm, das geopfert wird und dessen Blut uns vor dem ewigen Tod bewahrt und aus dem Tod rettet.
Jesus ist das Lamm, er ist der Prophet, dessen Stimme die Menschen nicht hören wollen, er ist der groÃe Arzt, der uns heilt und einen Weg zeigt, der aus Krankheit, Ãngsten und Schmerzen weist.
Im Alten Testament gibt es eine Stelle im Buch Exodus, da spricht Gott: âIch bin der Herr, dein Arztâ (Ex 15, 26).
Wie hören wir ein solches Wort heute? Wenn wir mitten in einer Epidemie oder sogar einer Pandemie stehen und viele Hoffnung sich auf Ãrzte, auf Forscher, auf Experten und Politiker richten, daà sie Lösungen und Wirkstoffe finden, daà sie die richtigen Entscheidungen treffen und so die Gefahren abwenden, die Leib und Leben vieler Menschen bedrohen können?
Wie ist das zu verstehen, Gott ist ein Arzt? Es gibt noch mehr Krankheitsbilder als Grippe und Corona, ja als Krebs und Parkinson, Alzheimer und MS. Es gibt die Krankheiten der Seele und die Krankheiten durch Enttäuschungen, Verlassenheit und Vernachlässigung. Es gibt die Krankheiten, die oft gar nicht erkannt werden. Eine schlimme Krankheit ist die Angst: die Angst, daà alles vergeblich gewesen sein mag, daà es alles keinen Sinn hat, nicht die Mühen, nicht die Anstrengung und der gute Wille, und die Angst vor dem Ende, vor dem Tod.
Beten wir heute für alle Schwerkranken und Sterbenden und für die, die sich um sie sorgen und sich um sie kümmern. Und das nicht nur, weil es überhaupt gut ist, für all diese Menschen zu beten. Und weil in dieser schwierigen Zeit einer weltweiten Epidemie die Ãngste und die Unsicherheiten gewachsen sind. Aber denken wir auch an die vielen Menschen in den schwach entwickelten Gebieten dieser Erde, in Krisen- und Kriegsgebieten, die krank und sterbenskrank sind, weil die einfachsten medizinischen Mittel fehlen, weil diese Menschen von jeder Versorgung abgeschnitten sind!
Sondern wir beten für alle diese Menschen auch â und das zeigt das jüngste Urteil des Verfassungsgerichtes über die Sterbehilfe -, weil viele Menschen in einer älter werdenden Gesellschaft sich fragen: Was für ein Wert hat mein Leben? Werde ich leiden müssen? Falle ich anderen Menschen mit meiner Hilfsbedürftigkeit zur Last?
Diese Fragen wiegen schwer und treffen in die Mitte der menschlichen Existenz. Und sie betreffen die Frage, ob das alles überhaupt einen Sinn haben kann: das Leiden, die seelischen und körperlichen Nöte, auch die Schmerzen, die Hilflosigkeit ...
Der Karfreitag zeigt uns einen Menschen, der völlig unschuldig brutal hingerichtet wird, dessen Leiden unvorstellbar groà gewesen sind. Der Karfreitag zeigt uns aber auch noch mehr. Er öffnet uns eine Tür zum Glauben, daà dies alles für uns geschieht, zu unserem Heil, zu unserer Heilung. Uns wird eine neue Perspektive geschenkt: daà Christus selbst es ist, der in jedem Menschen, besonders in jedem Leidenden und Sterbenden, lebt und anwesend ist. Daà er niemanden allein lassen will in den dunkelsten Stunden seines Lebens.
Christus ist der groÃe Arzt, der uns Heilung schenkt. Seine Medizin sind nicht Pflanzenextrakte oder Pulver oder Pillen, seine Medizin, die er gibt, ist seine Liebe, ist er selbst. Mit diesem Arzt an unserer Seite, ja in der Tiefe unserer Seele, ist uns schon jetzt die Rettung geschenkt.
von Manfred Stücker (erstellt: 2020)
Osternacht und Ostern: die rettende Medizin gegen den Tod
(Anmerkung: Die Anregung zu diesen Gedanken habe ich aus dem Bändchen von Joseph Ratzinger, Gottes Angesicht suchen. Betrachtungen im Kirchenjahr, Freising 2/1979, S. 25 â 26, bekommen.)
Was für eine Dankbarkeit, was für eine Freude würde um sich greifen, wenn bekannt würde: Die Medizin gegen ein todbringendes Virus ist gefunden! Es gibt einen Impfstoff, es gibt eine Therapie, die rettet! â Die Forscher, die das entdecken und erreichen, würden gefeiert werden.
Schon jetzt (Mitte März 2020) ist es ein groÃer Fortschritt, wenn ein Schnelltest zur Verfügung steht, der den Menschen die Angst und die UngewiÃheit nimmt: Bin ich erkrankt? Muà ich mich um mein Leben sorgen?
Ein Virus kann Menschen ängstigen, verunsichern und sogar ernsthaft erkranken lassen â doch gegen den Tod selbst, gegen seine Macht, ist kein Kraut gewachsen â oder vielleicht doch? Was haben wir vorhin denn gesungen? âO Licht der wunderbaren Nacht, uns herrlich aufgegangenâ (Gotteslob 334) â und: âVerklärt ist alles Leid der Welt, des Todes Dunkel ist erhelltâ (Gotteslob 329). â Von welchem Licht ist da die Rede? Was wird da behauptet?
Wir feiern Ostern. Wir feiern den Sieg Christi über die Macht des Todes. Er, Christus, ist das wahre Licht: Er besiegt die Finsternis, die von der Welt und den Menschen Besitz ergreifen will: den HaÃ, den Wahn, die Sucht nach Vergeltung und Rache ⦠und den Tod selbst, der die Folge von alldem ist. Das Licht, das Christus schenkt, ist aber nicht ein esoterisches Leuchten oder ein liebliches Lämpchen, sondern es ist unendlich mehr. Wie soll man dieses Licht beschreiben? Es ist wie ein machtvoller Strahl. Oder wie ein Blitz, der nicht einzufangen ist. Oder wie das gewaltige Geschehen in der Sonne selbst, wo unvorstellbare Kräfte am Werk sind.
Aber all diese Vergleiche sind noch unendlich schwach gegenüber der Wirklichkeit, die wir heute bekennen: Das Leben siegt, der Tod ist tot. Wie kann das sein? Wie können wir das glauben?
Wir können es glauben, denn Jesus ist der groÃe Arzt, der für uns in den Tod gegangen ist. Er ist hingerichtet worden, als ein Opfer unmenschlicher Justiz, das ist wahr. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite erkennen wir durch den Glauben. Dieser Arzt hat eine rettende Medizin gleichsam an sich selbst erprobt. Was ist diese rettende Medizin? Diese Medizin, das ist das unbegrenzte Vertrauen auf die Vaterliebe Gottes. Diese Medizin, das ist der Glaube.
Wie können wir das verstehen? Schauen wir auf Jesus selbst: Jesus ist wirklich âder Sohnâ, der vom Vater kommt und zugleich ganz bei den Menschen ist. Er ist der Sohn Gottes und der âMenschensohnâ. â Wie wird das deutlich? Es wird zum einen deutlich in seiner Verkündigung, in seiner Botschaft. Alles, was Jesus sagt und tut, zielt auf das Eine hin:
Gott, den ihr sucht und finden könnt, er ist der Vater aller Menschen.
Er will seine väterliche Barmherzigkeit und Güte erweisen, indem er sich als Vater offenbart und den Menschen seinen Sohn schenkt. â Das ist noch etwas, was die Menschen, vor allem die frommen Juden, die Jesus hörten, wohl noch irgendwie glauben und annehmen konnten.
Aber wie ist es mit dem, was noch dazugehört? Wie Jesus Gott anspricht als âAbbaâ â âPapaâ oder âVäterchenâ: geht das nicht ein biÃchen zu weit? Und er sagt dann auch noch âMein Vaterâ (Joh 8, 19.49.54) und als Gipfel âIch und der Vater sind einsâ (Joh 10, 30), worauf die Zuhörer Steine aufheben, um Jesus damit zu töten (vgl. Joh 10, 31).
Jesus hat immer wieder gewacht und gebetet, um ganz nahe bei seinem Vater zu sein. â Das war ihm, neben aller Sorge und Mühe und Offenheit für die Menschen, ganz wichtig: das Zwiegespräch mit dem Vater. Die Zeit mit Ihm. Das Vertrautsein mit Ihm und Seinem Willen.
Dieser vertraute Umgang ist auch uns möglich. In diesen Wochen, in denen vieles nicht mehr so ist wie gewohnt, wo uns sogar geraten und geboten wird, Kontakte zu Mitmenschen, zu Freunden, zu den Schwestern und Brüdern im Glauben zu unterlassen und uns in eine Art Selbst-Isolation zu begeben â in einer solchen Zeit ist es gut zu wissen, daà wir nie allein sind, auch wenn Einsamkeit um sich greift. Die beste Medizin gegen die Krankheiten unserer Seele ist der Glaube. Und dieser Glaube wird bestätigt durch das gröÃte Wunder: die Auferstehung Christi von den Toten! Der Feind des Lebens wurde durch den Arzt besiegt, der das rettende Heilmittel bringt!
Die Kirche lädt uns immer ein, dieses Heilmittel â Christus selbst â in der heiligen Kommunion zu empfangen, im Brot des Lebens, in der heilbringenden Speise. Im glaubenden und hoffenden und liebenden Herzen entfaltet dieses Medikament seine maximale Wirkung. Und Glaube, Hoffnung und Liebe werden neu gestärkt durch den Empfang dieses wunderbaren Geschenkes.
Wenn wir in diesen österlichen Tagen nicht die heilige Hostie empfangen können, weil uns Einschränkungen in bisher nie dagewesenem Umfang auferlegt worden sind, so können wir doch geistigerweise die Speise des Lebens empfangen. Wir können diese Gelegenheit nutzen, die Möglichkeit der geistigen Kommunion neu kennen- und schätzen zu lernen, denn sie ist auch dann angebracht, wenn uns die rechte Disposition fehlt, wir nicht wirklich vorbereitet sind, wenn uns Schuld belastet oder wir uns von der vollen Gemeinschaft der Kirche entfernt haben.
Das Gebet dazu kann so lauten:
Mein Jesus,
ich glaube, daà du im Allerheiligsten Sakrament des Altares gegenwärtig bist.
Ich liebe dich über alles,und meine Seele sehnt sich nach dir.
Weil ich dich jetzt nicht in der Heiligen Eucharistie empfangen kann, bitte ich dich, komm geistigerweise zu mir und nimm Wohnung in meinem Herzen.
Ich umfange dich, vereinige mich ganz mit dir und bete ich dich an, mein Heiland und Erlöser.
Laà nicht zu, daà ich mich je von dir trenne. Amen.
von Manfred Stücker (erstellt: 2020)
âIch werde euch nicht als Waisen zurücklassenâ- Einladung zur Mitfeier der Bitt-Tage
Jesus bitten, heiÃt, einen Freund bitten.
âOhne Freundschaft kommt einem nichts freundlich vorâ (hl. Augustinus)
âDer Mensch ist ein Armer, der Gott um alles bitten muÃâ (hl. Johannes Maria Vianney)
Ostern feiern wir nicht nur ein paar Tage lang, sondern die Osterzeit ist eine längere Zeit: sieben mal sieben Wochen lang feiern wir das Fest der Auferstehung, und mit dem fünfzigsten Tag, dem Pfingsttag, feiern wir die Vollendung mit dem Kommen des Heiligen Geistes.
Warum so lange? Weil diese Zeit geprägt sein soll von der Vergewisserung des Glaubens: Jesus ist wirklich auferstanden, und er ist wirklich bei uns! Und er geht wirklich einen Weg mit uns. Dieser Weg ist ein Weg durch die Zeit, und ein Weg darüber hinaus.
Dieser Weg ist der Weg der Kirche, der Gemeinschaft der Glaubenden. Wissen wir als Kirche noch, wohin die Kirche unterwegs ist? Die Osterzeit gibt uns die Antwort auf diese Frage. Zunächst sind da die vierzig Tage, in denen Jesus immer wieder erscheint und uns den Sinn der Schriften aufschlieÃt. Und wie mit den Jünger will er auch mit uns als der Auferstandenen das Ãsterliche Mahl feiern. Es ist aber nicht einfach eine Mahlzeit wie andere auch, sondern da ist mehr. Es ist eine Begegnung, in der er selbst für die, die an ihn glauben, zur Speise wird. Wer ihm begegnet, wird von ihm verwandelt.
Und die letzten Tage der Osterzeit beginnen mit dem Hochfest Christi Himmelfahrt. Mit diesem Fest sollen wir uns bereiten, den Heiligen Geist zu empfangen, damit wir wie die Jünger fähig sind, die Frohe Botschaft zu erfassen und zu verkünden für die Menschen, die auf eine Botschaft warten, die wirklich lebt und Leben spendet.
In einer Zeit, in der viele Menschen mit den Inhalten der Fest Pfingsten, Christi Himmelfahrt oder auch Ostern nichts mehr anzufangen wissen, in der Ostern als âHasenfestâ bezeichnet wird, Christi Himmelfahrt nur noch als âVatertagâ bekannt ist und an Pfingsten manche Zeitgenossen meinen, da gehe es vielleicht um die Feier der Hochzeit von Jesus und Maria Magdalena â in einer solchen Zeit ist es umso wichtiger, sich â wie wir es jetzt tun â zu sammeln und sich neu für den Reichtum des Glaubens zu öffnen, der sich uns in diesen Tagen neu erschlieÃen will.
Die Tage, in denen wir jetzt stehen, die Tage vor dem Hochfest Christi Himmelfahrt, sind besonders durch die Feier der Bitt-Tage geprägt. â Worum geht es da? Jesus eröffnet seinen Jüngern den Sinn seines Abschieds: Er muà gehen, um in neuer Weise für die Jünger, für die Kirche dazusein. Er muà von ihnen Abschied nehmen, damit er beim Vater für die Seinen eintreten kann und damit er den senden kann, der als âGeist der Wahrheitâ (Joh 14,17) bezeichnet wird oder auch als âKraft aus der Höheâ oder âTrösterâ bezeichnet wird.
Wie ist das alles zu verstehen, und was sollen da die âBitt-Tageâ, wo wir doch glauben dürfen, daà Gott alle unsere Nöte und Sorgen kennt, daà wir ihn darüber doch gar nicht informieren müssen?
Nun, ein Schlüssel, der uns hilft, darauf eine Antwort zu finden, ist ein kleines Wort, das wir in den Abschiedsreden Jesu auch finden und das ganz wichtig ist: Es ist das Wort âFreundâ. âIhr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrageâ (Joh 15,14). â âIch nenne euch nicht mehr Knechte... vielmehr habe ich euch Freunde genanntâ (Joh 15,15).
Das heiÃt: In allem, was Jesus für uns tut, handelt er als Freund. Als einer, der nur Gutes für uns will. Als einer, der gerne bei uns sein möchte und bei dem wir gerne sein möchten. Als einer, bei dem wir unser Herz ausschütten können.
Der heilige Augustinus, ein groÃer Heiliger der ausgehenden Antike, hat einmal gesagt: âOhne Freundschaft kommt einem nichts freundlich vor.â
Dieses Wort können wir auch auf Jesus beziehen.
Jesus um etwas bitten, heiÃt, einen Freund zu bitten.
Einem wirklichen Freund wird nichts zu viel und nichts zu schwer.
Darum dürfen wir in den kommenden Tagen wirklich um all das bitten, was wir in unserem Leben brauchen: Wir brauchen das Wasser und die Luft für die Schöpfung, die Umwelt und für uns selbst, wir brauchen Frieden, Gerechtigkeit und Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen, wir brauchen Gemeinschaftssinn und Zuversicht und Mut, wir brauchen das tägliche Brot, nicht nur in Gestalt der Nahrung, sondern auch in der Weise der Zuwendung und der Sorge füreinander, ohne die ein Mensch verkümmert.
Mit einem Wort: Wir brauchen den Heiligen Geist, den Geist der Liebe und des Trostes. Um ihn bitten wir in den kommenden Tagen, vor und nach dem Hochfest Christi Himmelfahrt.
Es wird zu wenig gebetet in der Kirche in unserer Zeit. Wir kommen gern zusammen, um zu beraten und nachzudenken, auch um zu planen und zu reflektieren. Das alles ist notwendig und gut. Doch die wirklichen Impulse, die wahren Erneuerungen kommen immer vom Heiligen Geist. Und der will erbetet und erfleht werden. Den bekommen wir - entschuldigen Sie das drastische Bild â nicht mit Schwielen am Hintern, sondern mit Schwielen an den Knien.
von Manfred Stücker (erstellt: 2020)
Christi Himmelfahrt - Der abwesende Auferstandene
Am Fest Christi Himmelfahrt gab es früher einen Brauch, an den sich die Ãlteren vielleicht noch erinnern können: nach dem Evangelium wurde die Osterkerze im Altarraum gelöscht. Sinnenfällig sollte damit gezeigt werden: Der Herr, der 40 Tage hindurch bei den Jüngern war, ihnen erschienen war, mit ihnen gegessen hatte, sie belehrt und getröstet hatte, war nun nicht mehr bei ihnen. - Und das heiÃt zugleich auch: er ist gleichermaÃen auch unseren Blicken entschwunden. Wir können ihn nicht festhalten bei uns. Er muà auffahren zu seinem Vater, um sein Werk zu vollenden.
Ich finde es in einer Weise bedauerlich und schade, daà man diesen alten Ritus nicht beibehalten hat. Denn in unserer Zeit hätte er eine neue Berechtigung und eine starke Symbolkraft. â Wie meine ich das?
Wir sind ja gewohnt, zu hören: Christus ist nicht für unsere Augen sichtbar, aber er ist da. Er ist in unserer Mitte: in den Sakramenten, in der feiernden Gemeinde, in seinem Wort. Vor allem kommt er zu uns im Brot des Lebens, in der heiligen Eucharistie.
Das alles haben wir gehört und sicher auch verinnerlicht, und es bleibt gültig und richtig.
Doch schauen wir uns einmal um und fragen, wo diese Botschaft heute eine Bedeutung hat! Wo sie gehört und verstanden wird! Wo in unserer Gesellschaft, in der wir leben, Christus wirklich ein Raum gegeben wird, daà er präsent sein darf, daà seine Gegenwart etwas bedeutet, etwas sagt, etwas in Konsequenz bewirkt!
Die Diskussion vor einer Europawahl, ob es denn noch zeitgemäà sei, daà Kreuze und religiöse Symbole im öffentlichen Raum, zum Beispiel in Schulen und Gerichtsräumen, zu sehen sein dürften, ob es einem muslimischen Schüler beispielsweise zuzumuten sei, unter dem Bild des Gekreuzigten zu lernen und seine Prüfungen abzulegen â die Diskussion darüber hat die Gemüter wieder einmal erhitzt.
Dann das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten âSterbehilfeâ: es besagt, daà es in Zukunft nicht mehr verboten sein darf, einem Menschen bei seinem beabsichtigten Suizid zu âhelfenâ, sogar geschäftsmäÃig! Bevor eine wirkliche Diskussion darüber losging und beruhigende oder auch empörte Stimmen dazu gehört wurden, entwickelte sich die Corona-Epidemie zur Pandemie und überdeckte alles andere â makabererweise.
Man kann zu alldem seine eigene Meinung haben und sicherlich Argumente für das Eine oder das Andere finden â doch ganz deutlich zeigt mir diese Entwicklung: Christus ist immer weniger als der Anwesende in unserem Blickfeld und in unserem Alltag, und immer mehr als der Abwesende.
Christus ist abwesend, und er schweigt.
Wäre es nicht ehrlich, dies zuzulassen und nicht vorschnell zu kaschieren oder schönzureden? Anscheinend ist es ja so, daà auch all das viele Reden, das heiÃt die vielen Unterrichtsstunden in Religion in den Schulen, die vielen Stellungnahmen der Kirche zu Themen der Zeit, die vielen Sitzungen und Konzepte eins nicht vermögen: daà in den Menschen Glauben wächst.
Menschen mögen reden oder auch gut reden, aber etwas anderes ist es, wenn Gott spricht.
Gott möchte reden, er möchte handeln, er möchte anwesend sein, nicht abwesend.
Wie können wir das erfahren, wie können wir das glauben?
Die Apostelgeschichte berichtet uns, daà die Apostel und Maria und weitere Jüngerinnen und Jünger sich in den Abendmahlssaal zurückgezogen haben.
Sie haben sich zurückgezogen, um zu beten. Dieser Rückzug war keine Flucht vor der Welt, aber er war die Voraussetzung dafür, daà der Heilige Geist empfangen werden konnte.
Die Pfingstnovene, die heute beginnt, die Zeit der Erwartung des Heiligen Geistes, ist eine Einladung an uns und ein Auftrag: daà wir nicht aufhören zu beten, oder daà wir neu anfangen, zu beten und zu hören, zu bitten und zu vertrauen, damit der abwesend-anwesende Christus zu uns sprechen, zu uns kommen und uns erfüllen kann.
von Manfred Stücker (erstellt: 2020)
Beten heiÃt nicht diskutieren
Schon als Kind hat mich die Apostelgeschichte fasziniert. Ich kann mich erinnern, daà im Fernsehen â damals gab es nur drei Sender! â eine Serie lief, in der die Apostelgeschichte als Trickfilm dargestellt wurde. Das war spannend gemacht, und es ist ja auch wirklich spannend, nachzulesen und nachzuempfinden, wie die Anfänge der Kirche waren, wie die Reisen des Apostels Paulus verliefen, wie Streit und Schwierigkeiten, Verfolgungen und wunderbare Ereignisse sich abgespielt haben.
Doch je mehr ich mich mit der Apostelgeschichte beschäftige, desto mehr fällt mir auf, daà von einer Sache ständig die Rede ist, und daà diese Sache das ganze Werk von vorne bis hinten durchzieht und daà ohne dieses eine das Anliegen des Autors, des Evangelisten Lukas, gar nicht verstanden werden kann.
Und dieses eine ist das Gebet.
Als die Apostel für Judas einen Ersatzmann finden müssen, beten sie.
Als Stephanus gesteinigt wurde, betet er.
Als Jakobus hingerichtet war und auch Petrus verhaftet wird, betet die Urgemeinde in Jerusalem.
Als Paulus sich von der Gemeinde in Milet verabschiedet, kniet er nieder und betet mit allen (vgl. Apg 20,36).
Noch viele weitere Beispiele könnten gefunden werden, um zu zeigen: die Apostelgeschichte bezeugt das Gebet als tragende und treibende Aktivität der Urgemeinde.
Die Stelle, die wir gerade gehört haben, ist für diese Sicht zentral: nach der Himmelfahrt des Auferstandenen versammeln sich die Apostel, die Frauen, die Verwandten Jesu und Maria im Abendmahlssaal zum Gebet.
Denn der Heilige Geist, den Jesus ihnen versprochen hatte, er kann nur zu ihnen kommen in der Weise des Gebetes.
So ist die im Abendmahlssaal versammelte und mit Maria vereinte Gemeinde ein Urbild der Kirche. Die Kirche lernt, was sie zu tun hat, durch den Heiligen Geist, der ihr im Gebet geschenkt wird.
Zwei MiÃverständnisse müssen ausgeräumt werden, damit deutlich wird, was hier gemeint ist.
Das erste MiÃverständnis könnte durch das Wort âeinmütigâ ausgelöst werden. âSie alle verharrten einmütig im Gebetâ, heiÃt es ja (Apg 1,14). â HeiÃt das, daà sie alle sich gegenseitig nett und sympathisch fanden? Daà sie alle sofort einer Meinung waren? Ich glaube, da hätten wir etwas falsch verstanden. Einmütig zu beten wird hier wohl eher heiÃen, daà alle sich erst einmal öffnen und zulassen, daà verschiedene Fragen, Sorgen und Nöte da sind. Und vor allem, daà Unterstellungen, Unfriede, Neid und Stolz keinen Platz mehr haben im Abendmahlssaal.
Dann, ein zweites mögliches MiÃverständnis: es betrifft das Gebet. Was bedeutet beten? Haben die Apostel und Maria nun neun Tage lang hintereinander das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis aneinandergereiht? â Hier wollen wir nicht eine Karikatur zeichnen, sondern überlegen, warum Lukas das in seiner Apostelgeschichte immer wieder betont und zeigt, wie wichtig das Gebet für die Kirche und für jeden Einzelnen ist:
Das Gebet ist Hören auf Gott. Es meint, still zu werden in seiner Gegenwart. Es bedeutet, danach zu fragen, was er von mir will.
Der Abendmahlssaal ist ein Kraftfeld der Gnade Gottes, weil die Apostel und Maria bereit sind, Gottes Stimme in ihrem Inneren Raum zu geben. So richtig es ist, daà Gebet auch heiÃt, daà wir Gott ansprechen, so kommt doch als Erstes etwas anderes. Zuerst kommt, daà Gott spricht, daà er uns sich offenbart, und um dafür bereit zu sein, braucht es Zeiten und Orte der Stille, der Sammlung, der Einkehr.
Unsere Worte, die wir versuchen zu machen, sind nichts anderes als eine oft so kleine und kümmerliche Antwort auf das groÃe und reiche Wort, das Gott uns schenkt.
Uns allen wünsche ich in dieser Novene vor dem Hohen Pfingstfest, daà uns geschenkt wird, einmütig um das Kommen des Heiligen Geistes zu beten, so wie die Apostel mit Maria es getan haben, so wie es die Kirche zu allen Zeiten getan hat.
von Manfred Stücker (erstellt: 2020)
Wussten Sie, daà in früheren Jahrhunderten die Spitäler und Krankenhäuser oft âZum Heiligen Geistâ genannt wurden? Es waren vielfach Stiftungen wohlhabender Menschen, die ein gutes Werk tun wollten. Oder es packte einen Fürsten, der Kriege geführt hatte, am Ende seines Lebens die Reue, und er wollte, daà die Menschen gut von ihm dächten und für ihn beteten, so daà er seine Seele rettete.
Ein berühmtes Beispiel für ein solches Hospital ist das âHôtel-Dieuâ in Beaune im französischen Burgund. Ein Besuch dieser einzigartigen Anlage ist unvergeÃlich. Schon die äuÃere Fassade und der Innenhof der Anlage machen einen feierlichen Eindruck. Hier wurde nicht einfach zweckmäÃig gebaut. Sondern es gab sicher noch eine andere Ãberlegung, den Bau so aufwendig zu errichten. Zum einen war es wohl das Zurschaustellen der GroÃzügigkeit derer, die diesen Bau möglich gemacht hatten. Jeder sollte sehen: hier wurde nicht gegeizt! â Dann aber, so können wir vermuten, gab es noch einen anderen Grund: Die Kranken, die hier aufgenommen und gepflegt wurden, waren nicht einfach Menschen am Rande, sondern in ihnen wollte man Christus selbst erkennen. Hatte Christus nicht gesagt: âIch war krank und ihr habt mich besuchtâ (Mt 25,36)? Krankheit und Not gelten von daher in der Perspektive des christlichen Glaubens als Tor zur Nächstenliebe, in der sich die Gottesliebe vollendet und sichtbar bezeugt.
Hat das etwas mit dem heutigen Hochfest zu tun, mit Pfingsten? Ich finde, eine ganze Menge! Das haben schon die Menschen erkannt, die ihre Hospitäler âZum Heiligen Geistâ benannten oder nach Heiligen, die sich der Kranken in besonderer Weise angenommen haben: die heilige Elisabeth von Thüringen und der heilige Franziskus von Assisi gehören dazu, der heilige Damian de Veuster, der sich auf Molokai der Aussätzigen angenommen hat, und die selige Schwester Maria Euthymia aus Halverde, die in unserem Bistum Münster groÃe Verehrung genieÃt. Es waren immer wieder Menschen, die sich vom Geist Gottes haben entflammen lassen, und die so erkannt hatten: Die Menschen brauchen nicht schöne Worte, sie brauchen helfende Hände.
Gesundheit und Krankheit sind spätestens seit der Corona-Krise Themen, um die sich (fast) alles dreht. Darin verdichten sich viele Sorgen und Ãngste der Menschen: Wird es auch mich treffen? Verhalte ich mich richtig? Habe ich genug getan, um mich zu schützen? Wie geht es weiter? â Manche fühlen sich schon irgendwie krank, obwohl sie es in Wirklichkeit gar nicht sind. Und die ständige Beschäftigung mit dieser Problematik, das ständige Kreisen um ein und dasselbe Thema können selber krank machen.
Der Heilige Geist ist der groÃe Tröster. Er ver-tröstet nicht, er heilt. Das ist im eigentlichen, nicht im übertragenen Sinne zu verstehen. Der Glaube an Christus ist ein heilender, manche sagen sogar, ein âtherapeutischerâ Glaube. Der katholische Theologe und Religionsphilosoph Eugen Biser (1918 â 2014) hat sehr engagiert diesen Ansatz vertreten. Ihm war wichtig: Gott ist aus seiner Verborgenheit und Transzendenz herausgetreten und hat sich dem Menschen zugewandt. Er hat dem Menschen die Gotteskindschaft geschenkt. So ist er Glaube an den lebendigen Gott nicht zuerst eine Moral, sondern ein Weg der Heilung.
Ich persönlich würde Moral und Heilung nicht gegeneinanderstellen, sondern meinen, daà sie sich ergänzen. Denn Moral ist ja kein Regelwerk von Verboten und Geboten, sondern geht auf die innerste Frage des Menschen ein, was wahr und gut ist im Leben. Und was wahr und gut ist, macht den Menschen auch heil. Die beste Therapie, die Gott uns in den Leiden und Nöten unseres Lebens anbieten kann, ist seine Liebe. Diese Liebe macht uns zu seinen Kindern. Kinder und Eltern, so haben wir jetzt gelernt, brauchen keine Distanz, kein Abstandsgebot zu erfüllen. Daà sie zusammengehören, zeigt sich in ihrer Nähe zueinander.
So will auch Gott uns seine Nähe schenken, indem er den Heiligen Geist sendet, die personhafte Liebe, die aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, wie wir im GroÃen Glaubensbekenntnis sagen.
Wie können wir uns diese Liebe, die heilt und tröstet, vorstellen? â Nun, jeder von uns hat so etwas bestimmt schon einmal erlebt! Ich selber kann mich noch gut an einen wunderschönen Sonntagnachmittag in meiner Kindheit erleben. An diesem Tag hatte ich zusammen mit meinem älteren Bruder eine wunderbare Idee: Wir wollten als Gespann die StraÃe hinunterfahren â mein Bruder voran auf einem Fahrrad, und dann ich auf einem Dreirad, durch ein Seil mit ihm verbunden. Auf gerader Strecke funktionierte das perfekt, doch in der ersten Kurve passierte das Unvermeidliche: bedingt durch die Physik eines Dreirades verlor ich in der Kurve das Gleichgewicht und landete auf dem Asphalt, der zu allem Ãberfluà auch noch durch Schotter aufgewertet war. Ein arg lädiertes Knie war die Folge.
Wer kann in einem solchen Falle besser trösten als die Mutter? Nicht nur durch kundiges Versorgen der Wunde, sondern auch durch gute Worte und â durch sanftes Pusten auf die Wunde.
Da haben wir die Antwort auf unsere Frage, wie wir uns die Liebe und den Trost, der uns geschenkt wird, vorstellen können: Auf die Wunden unseres Lebens und unserer Seele, auf die Wunden auch, die wir uns gegenseitig zufügen durch Oberflächlichkeit und Neid, durch MiÃverständnisse und fehlende Achtung voreinander, pustet der Heilige Geist mit dem Atem des neuen Lebens, um Heilung und Heiligung zu erwirken. Darum dürfen wir den Heiligen Geist, wie ich finde, ruhig mit dem tröstenden und heilenden Wirken einer Mutter vergleichen, die sich um ihr Kind kümmert. Und mit dem Wirken einer guten Krankenschwester und eines guten Arztes, die sich nicht nur um den Leib sorgen, sondern auch die Seele im Blick haben. Darum der Name âZum Heiligen Geistâ für viele Hospitäler!
Der Heilige Geist ist der âParakletâ, im wörtlichen Sinne der âHerbeigerufeneâ. Er will erbetet werden. Das tut die Kirche in der Pfingstnovene, in den Tagen vor dem Hohen Pfingstfest, und in den Bitt-Tagen. Mit Maria und den Aposteln haben wir uns auch jetzt versammelt, um für die Ankunft und die Tröstungen des Heiligen Geistes zu bitten und zu danken. Und ich kann mir kaum vorstellen, daà ein solcher Dank und eine solche Bitte der Kinder Gottes einfach ungehört verhallt. Und noch weniger kann ich mir vorstellen, daà dem Heiligen Geist gerade in unserer Zeit die Puste ausgeht.
Auch im Leben der Kirche gibt es den Jordan
Möchtest du, möchten Sie gerne â âüber den Jordan gehenâ? â Dieses Wort, diese Redewendung hat keinen guten Klang! âÃber den Jordan gehenâ, das heiÃt ja: verloren gehen, sich verabschieden, -- sterben! Ãber den Jordan gehen, oder im Ruhrgebiet würde man vielleicht dafür sagen: Der geht über die Wupper â aber immer ist damit auch gemeint: etwas Endgültiges, etwas, wo es kein Zurück mehr gibt.
Jesus ist für uns über den Jordan gegangen. Als Johannes der Täufer in der Wüste stand und die Menschen zu ihm strömten, um sich von ihm im Jordan untertauchen zu lassen, kam auch Jesus. Auch er wollte sich von Johannes taufen lassen. Er stellt sich in die Reihe der Menschen, die BuÃe tun wollten, die bekennen wollten, daà sie Sünder sind, und sich aufgemacht hatten, das Zeichen der Umkehr zu setzen. â In die Reihe dieser Menschen stellt sich Jesus. Hätte er das nötig gehabt, er, der ohne Sünde war, das Lamm Gottes?
Die Ikonen aus der Ostkirche, die die Taufe Jesu im Jordan abbilden, geben eine Antwort auf diese Frage. Da steht Jesus im Wasser, und dort, im Jordan, tummeln sich die Fische und der Seedrache. Das heiÃt: Jesus taucht ein in die ganze Schöpfung, um alles heil und gut zu machen. Er taucht ein in diese unsere Welt, die dabei ist, über den Jordan zu gehen, weil Kriege, Umweltzerstörung, Habgier, Neid und Macht dabei sind, alles ins Verderben zu ziehen.
Für die Welt geht Jesus über den Jordan, damit die Welt nicht verlorengeht. â Und die Ikone zeigt Jesus nur mit dem Lendenschurz bekleidet, genauso wie am Kreuz. Am Kreuz geht Jesus endgültig über den Jordan. Denn sein Weg geht von der Krippe über den Jordan geradewegs dahin. Das ist seine Sendung, das ist der Weg des Heils, den Gott bestimmt hat.
So heiÃt unser Fest, das wir heute feiern, in der Ostkirche auch âFest der Gotteserscheinungâ, âFest der Theophanieâ. Es heiÃt so wie unser Fest am vergangenen Montag: âErscheinung des Herrnâ (âDreikönigeâ) und es wird in eine Reihe gestellt mit der wunderbaren Begegnung der drei Weisen an der Krippe und mit dem Weinwunder zu Kana. â Jedesmal geschieht hier Offenbarung, Erscheinung des Herrn, jedesmal öffnet sich für die Welt der Himmel.
So wie Jesus, so muà auch seine Kirche über den Jordan gehen. So lautet ein Buchtitel, der von der Kirche in unserer Zeit handelt: âKirche, die über den Jordan gehtâ. Dieser Titel ist bewuÃt doppeldeutig gewählt. Vieles geht in unserer Zeit in unseren Gemeinden âüber den Jordanâ. Kirchen werden geschlossen, Kindergärten und Einrichtungen ebenso. Gremien und Ehrenamtliche und Priester mühen sich ab, und sorgen sich nach Kräften, daà das Glaubensleben lebendig bleibt. Doch zugleich muà der Blick dafür gewonnen werden, was zuerst wichtig ist.
Immer wieder hat die Kirche in ihrer Geschichte diese Erfahrung gemacht: daà sie mit Jesus über den Jordan gehen muÃ, um zu leben, um Ihm nachzufolgen, um Ihm und Seiner Sendung treu zu bleiben. Daà sie in Zeiten der Krise und in Schwierigkeiten neu lernen muÃ, auf Ihn zu schauen und von Ihm und seinem Geist die Einsicht zu erbitten, was wirklich wichtig ist und was trägt. â Diese Aufgabe machen wir uns zu eigen im Gebet, im Gottesdienst und in der Bereitschaft zu Besinnung und Umkehr. Diese Aufgabe und dieser Dienst sind auch in unserer Gemeinde ganz entscheidend.
âÃber den Jordan gehenâ heiÃt dann auch: sich der eigenen Herkunft vergewissern. Die Ursprünge und Ur-Gründe unseres gemeinsamen Glaubens vergegenwärtigen. Sich in Erinnerung rufen, woher wir kommen.
Unser Ursprung und unser Ziel kann kein anderer sein als Christus selbst.
Was damals an Jesus geschehen ist, das geschieht auch an uns, an jeder und jedem ganz persönlich: in der Taufe nimmt Gott uns an als seine geliebten Kinder. Und im Tod, der das Sicherste ist in unserem Leben, fallen wir nicht ins Dunkel und ins Nichts, sondern im Glauben und im Vertrauen auf Gott öffnet sich auch uns der Himmel, und Gott spricht uns an, er nennt uns mit Namen, er schenkt Leben in Fülle. â
Und wie ist es mit der Kirche, die mit Jesus âüber den Jordan gehtâ? Das werden wir uns auch fragen, wenn wir im neuen Jahr mit den Gremien und den Verbänden und Gruppen, mit der ganzen Gemeinde unseren Weg weitergehen. Im Neujahrsempfang zum Beispiel, am kommenden Sonntag, werden wir einen dankbaren Blick zurück tun dürfen, auf manches, was geleistet werden konnte.
Wir werden aber auch einen Blick nach vorne tun. Nach vorne, das bedeutet: den Weg weitergehen, auch wenn er durch die Wüste führt. â Was meine ich damit? Nun, ich denke da einfach an ein Beispiel, das vor einiger Zeit in der Lokalpresse zu lesen war: da gab es einen Nachruf auf einen verstorbenen Priester. Was wurde da erwähnt? Er hatte gebaut: die Kirche renoviert, das Pfarrheim gebaut, den Kindergarten, glaube ich auch, und manches mehr. â Die typische Biographie eines Priesterlebens in den letzten Jahrzehnten. - Ich bin sicher, er war auch ein hervorragender Seelsorger.
Nun haben wir so viele Gebäude, so viele Einrichtungen, so viele Möglichkeiten und auch Geld wie noch nie in der Kirchengeschichte seit Liudger oder seit Christi Geburt. â Und nun müssen wir uns fragen: Was machen wir eigentlich damit? Wofür sind diese Einrichtungen und Gebäude wirklich gut? Führen sie uns und die Menschen zu Christus? Oder sind sie nur eine Kopie dessen, was es in den Kommunen, in den Städten und Dörfern ohnehin schon gibt?
Auch diesen Fragen müssen wir uns stellen, wenn unser Weg in den nächsten Jahren durch die Wüste führt, und an den Jordan.
Diesen Jordan finden wir nicht nur in Israel. Dieser Jordan ist in Wahrheit überall dort, wo wir im Glauben auf Jesus schauen, sein Wort hören und seinen Spuren folgen.
Der Dienst der Stellvertretung
Haben Sie sich schon einmal überlegt, für wen Sie heute in die Kirche gegangen sind?
Für wen Sie heute beten, für wen Sie das tun, was wir hier gemeinsam tun?
Wieso frage ich das? Wieso lohnt es sich, darüber einmal nachzudenken?
Weil es dieses Wörtchen âfürâ ist, auf das es ankommt.
Dieses Wörtchen âfürâ steht für eine Wahrheit, die zentral wichtig und entscheidend ist, ohne die wir unseren Glauben und das, was Jesus getan hat, überhaupt nicht verstehen können.
Auch nicht das Geschehen der Taufe im Jordan, wo er sich die BuÃtaufe des Johannes geben läÃt, obwohl er doch gerade nicht gekommen ist, um zu büÃen, sondern zu erlösen, zu retten und zu befreien â denken wir.
Doch das alles läÃt sich nicht verstehen ohne dieses Wörtchen âfürâ, und das steht für die Stellvertretung.
Alles das, was Jesus tut, tut er in der Weise der Stellvertretung: er tut es für uns, für die Sünder, für die Welt.
Stellvertretend nimmt er die BuÃtaufe des Johannes im Jordan auf sich. Stellvertretend lebt er in Armut und Einfachheit, in der Verborgenheit 30 Jahre hindurch in Nazareth.
Stellvertretend nimmt er Leiden und Tod auf sich, die ungerechte und himmelsschreiende Verurteilung und den furchtbaren Tod am Kreuz.
Was bedeutet das? Warum dieser Weg, der ja umständlich, anstrengend, langwierig ist?
Ich glaube, es hat mit der liebenden Pädagogik Gottes zu tun. Er liebt uns, er mag uns leiden, und darum wählt er diesen Weg.
Wir kennen das ja auch aus unserem Alltag, aus unserem eigenen Leben: wie wir stellvertretend füreinander da sind, wie der eine sich für den anderen einsetzt:
Eltern unterschreiben stellvertretend für ihre Kinder und legen so fest, was für sie gut ist.
Die Mutter nimmt an Versammlungen und Sitzungen der Schule oder der Pfarrgemeinde teil, wo Dinge geplant und erläutert werden, an denen ihr Kind teilnimmt. Sie tut es stellvertretend für ihr Kind, für ihre Familie.
Die Pfarrgemeinde hat Stellvertreter â Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat -, die überlegen und beschlieÃen, welche Schwerpunkte, welche Aktivitäten, welche seelsorgerischen MaÃnahmen wichtig sind. Sie tun es in Stellvertretung für alle Gläubigen, vor allem für die, die sie gewählt haben, und diese Aufgabe ist zugleich eine hohe Verantwortung.
Der heilige Maximilian Kolbe ist stellvertretend für einen jungen Familienvater im KZ Auschwitz in den Hungerbunker gegangen. Kolbe ist gestorben, der junge Vater hat überlebt und sogar die Seligsprechung Pater Kolbes in Rom miterleben und mitfeiern dürfen.
Nicht nur im Glauben, auch im alltäglichen Leben machen wir die Erfahrung: keiner lebt für sich allein. Was wir tun, tun wir auch für andere, und wenn wir es bewuÃt tun und es in einem guten Sinne tun, dann wird das zum Segen und führt zum Heil.
Das ist das innerste Geheimnis der Menschwerdung Christi: in seinem Leben und heilenden Wirken wird die innere Verbindung, die wir als Menschen miteinander haben, zu einer Verbindung des Heils, zu einer Verbindung mit Gott selbst.
Wir leben ja seit Jahren in dem immer deutlicheren BewuÃtsein, daà wir in einem weltweiten Netz verbunden sind. Nicht nur in der Kommunikation, die durch Internet und soziale Netzwerke geradezu revolutioniert wird. Sondern auch durch die einfache Beobachtung, daà unser Tun und Lassen nicht ohne Folgen bleibt für uns und für unsere Mitmenschen:
Ob wir mit der Umwelt sorgsam umgehen, ob wir in der Politik auf wichtige Werte wie Integration, Friedenssicherung, Solidarität ... achtgeben, ob wir bereit sind, in der Kirche eine Kultur des Miteinanders und des gegenseitigen Respekts gerade in den veränderten Strukturen pflegen ... alles das und noch viel mehr ist nicht nebensächlich, sondern hat Folgen.
Niemand lebt für sich allein: Jesus hat sich im Jordan von Johannes dem Täufer die BuÃtaufe geben lassen. Jesus hat das nicht für sich getan. Er hat es getan für alle Menschen, für uns, für dich und mich. Jesus Christus ist der Mensch für andere. Er ist total für andere da. Seine Taufe im Jordan zeigt das. Diese Taufe ist der Beginn eines Weges, auf dem Jesus immer für die Menschen da ist. Für sich hätte er es nicht nötig gehabt, sich ein Zeichen der Umkehr und der Versöhnung mit Gott geben zu lassen. Er brauchte sich nicht mit Gott zu versöhnen, er war ja schon immer und vor den Zeiten der geliebte Sohn des lebendigen Gottes. Aber mit seiner Taufe, die er sich geben läÃt, macht er sichtbar, daà auch wir Menschen sein sollen - und Menschen sein können - die im Glauben füreinander da sind:
So wie Christus für die Menschen da ist, so sollen auch die Eltern für ihre Kinder da sein. So sollen auch die GroÃeltern für die jungen Familien und die Enkel da sein. So sollen auch die, die fest im Glaubenden stehen, da sein für die Schwankenden, Fragenden und Zweifelnden. So sollen auch die Stärkeren für die Schwächeren da sein. Und so sollen auch die Beter da sein für diejenigen, die nicht mehr beten, die nicht mehr am Gottesdienst der Kirche teilnehmen, die nicht mehr darauf vertrauen, daà der Empfang der Sakramente etwas Gutes ist, daà die Sakramente Kraft und Hoffnung geben, daà sie eine Quelle des Trostes und der Freude sind.
Wenn wir heute das Fest der Taufe Jesu feiern, dann nehmen wir Anteil an dieser Stellvertretung Jesu. Und wir können selbst darin unsere Berufung finden. Ist das nicht ein wichtiger Dienst der Stellvertretung, den Sie alle hier tun, jeder einzeln und jeder ganz persönlich, jetzt, in diesem Augenblick? Egal, ob Kind oder Erwachsener? Für viele, die nicht mehr kommen können oder nicht mehr kommen wollen, betest du und bete ich. Für viele, die nicht mehr kommen, bittest du und bitte ich. Für viele lobst du und lobe ich Gott, den Vater.
Wo wohnt Jesus?
Von Natur aus ist der Mensch neugierig. Er will herausfinden, was hinter den Dingen steckt. Ihn interessiert zum Beispiel auch, wie andere Menschen wohnen, wie es bei ihnen zu Hause aussieht. Als ich zum Beispiel ins Pfarrhaus einzog, da dauerte es nicht lange, da waren schon Leute aus der Gemeinde da, sich die Räumlichkeiten anzusehen. Und als ich einmal eine Besichtigung des Pfarrhauses anbot - mit deutschsprachiger Führung - da war der Andrang groß. Es entspricht einem natürlichen Bedürfnis, zu sehen: Wie lebt der andere? Womit umgibt er sich? Welchen Eindruck bietet das Haus oder die Wohnung, in der er lebt?
Bei den Jüngern, die Jesus nachfolgten, war es nicht anders. Auch sie wollen wissen, wo Jesus wohnt. Dabei werden sie sicher nicht bloß an seine Adresse gedacht haben, sondern es geht ihnen noch um viel mehr! Sie wollen vielmehr herausfinden und sehen: Wer ist dieser Mensch eigentlich, der uns so fasziniert? Vielleicht können wir das durch einen Besuch bei ihm herausfinden. Vielleicht können wir anhand seiner Wohnung erkennen, wer er ist.
Nun hat "wohnen" in der Sprache der Bibel noch eine etwas andere Bedeutung als bei uns. Eine Wohnung, das ist für uns moderne Menschen nicht mehr unbedingt das Gleiche wie Heimat und Beständigkeit. Der Rhythmus des modernen Lebens verlangt von dem, der weiterkommen will, Flexibilität und Mobilität. Menschen, die ihr Leben lang nur an einem Ort sind, werden immer seltener - zumindest hier bei uns.
Im Evangelium ist das ein bißchen anders. Da bedeutet "wohnen" dasselbe wie "bleiben". Das ist ein und dasselbe Wort! Wenn es also heißt, die Jünger, die hinter Jesus hergingen, "gingen mit und sahen, wo er wohnte" (Joh 1,39), dann bedeutet das dasselbe wie: Sie sahen, wo Jesus wirklich da war, wo er blieb, wo er Gemeinschaft anbieten konnte. Sie hatten den Ort gefunden, wo Jesus wirklich zu Hause war, wo er wirklich seine Gegenwart anbieten konnte - bei den Menschen, in dieser Welt.
Dieser Moment hat für den Evangelisten, der das berichtet, eine so tiefe, eine so verwandelnde Bedeutung, dass er noch nach Jahren und Jahrzehnten genau die Uhrzeit weiß, wann das passiert ist: "Es war um die zehnte Stunde", sagt er (Joh 1,39). - Ich habe mich beim Lesen oder Hören dieser Stelle immer gefragt, warum Johannes das so sehr betont. Wer sein Evangelium kennt, weiß, dass nichts nur zufällig oder beiläufig ist. Auch kleine Einzelheiten können da schon ihre Bedeutung haben. Die zehnte Stunde - das ist vier Uhr am Nachmittag. Und da wurde ich vor kurzem an eine alte Überlieferung, an einen Brauch erinnert, der genau mit dieser Uhrzeit zu tun hat. Nach dieser Überlieferung ist vier Uhr nachmittags die Zeit, da der Soldat zu Jesus, der schon gestorben ist und noch am Kreuz hängt, kommt, ihm die Seitenwunde mit der Lanze zufügt und das Herz öffnet.
Nach den Berichten der ersten drei Evangelisten stirbt Jesus zur neunten Stunde (Mt 27,45 parr); dazu passt es, dass ungefähr eine Stunde später der Soldat kommt und offiziell den Tod des Verurteilten feststellt.
Die zehnte Stunde: die Zeit des ersten Besuches der Jünger bei Jesus; die zehnte Stunde: die Zeit, da Jesus sein Herz für alle Menschen öffnen lässt - man mag das als Zufall ansehen, aber ich glaube das nicht. Zumal Johannes, der Evangelist, in seinem Evangelium immer wieder, an mehreren Stellen, einen Bogen spannt vom Anfang zum Ende, von der Andeutung zur Erfüllung, vom Vorausbild zur endgültigen Offenbarung.
So auch hier: Die Jünger, die Jesus besuchen dürfen, die sehen, wo er wohnt, erleben einen Menschen, der sie anzieht, der sie verwandelt. In seiner letzten öffentlichen Rede, schon nach der Salbung in Betanien, sagt Jesus: "Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen" (Joh 12,32). - Und der Evangelist erklärt dazu: "Das sagte er, um anzudeuten, auf welche Weise er sterben werde" (Joh 12,33).
Jetzt können wir vielleicht den tieferen Sinn erfassen: Die Jünger, die in das Haus Jesu kommen, sind die ersten, die er an sich gezogen, die er für sich gewonnen hat, oder besser gesagt: für den Vater und für seine Herrlichkeit. - Doch die Wohnung, die Jesus hat, ist nur ein Vorausbild. Seine eigentliche Wohnung ist woanders: sein Thron auf Erden ist das Kreuz. Von da aus zieht er alle Menschen an sich und an sein geöffnetes Herz.
So haben wir durch diese kleine Zeitangabe schon einen wunderbaren Hinweis auf die tiefe Bedeutung dieses Besuches der ersten Jünger bei Jesus. Und Johannes berichtet dieses Ereignis so, dass auch wir spüren und erkennen: auch wir sind eingeladen. Auch wir dürfen die Einladung Jesu hören: "Kommt und seht!". Jetzt, nachdem Jesus sein Herz für alle geöffnet hat, gilt allen diese Einladung: "Kommt und seht!"
Und noch mehr: Nicht allein Jesus selbst, sondern alle, die zu ihm gefunden haben, haben die Aufgabe, diese Einladung weiterzugeben: "Kommt und seht!" Die Einladung, zu sehen, wie wir Christen leben. Wie wir glauben. Wie wir zusammenkommen, um Gottesdienst feiern. Die Menschen wollen sehen und hören, was wir tun und was wir glauben. Erst dann finden sie zu Jesus. Darum müssen auch wir den Menschen, die in unserer Zeit suchen, die Türen öffnen und sie einladen. Ganz einfach. So, wie Jesus damals die Jünger zu sich eingeladen hat.
Einheit â ein Netz von Beziehungen schaffen
Papst Benedikt wurde, als er noch Kardinal war, einmal gefragt: âWieviele Wege gibt es zu Gott?â â Und seine, den Fragesteller überraschende, Antwort war: âSoviele es Menschen gibt.â
Und er erklärte dazu: âGott hat eben Phantasie.â Er hat jeden einzelnen Menschen geschaffen, also mit jedem Menschen etwas Besonderes vor und für jeden seinen Weg bereitet. Natürlich hängen die Wege untereinander zusammen. Und wenn man sie dann aus der Tiefe betrachtet, stellen wir fest, daà sie alle ein einziger Weg sind, weil, wie wir glauben, Christus der Weg ist ...
Mein Weg, den ich gehe, ist ein anderer Weg als Dein Weg, als Ihr Weg. Wir sind verschieden, aber so verschieden wir auch sind, wir bilden eine Gemeinschaft. Ja, unsere Gemeinschaft ist so tief, daà wir auch an diesem Sonntag wieder zusammenkommen können, um diesen Gottesdienst zu feiern. â Ahnen wir eigentlich, was das bedeutet? Was uns eint, ist der Glaube an den lebendigen Gott. Dieser Glaube ist etwas unendlich Kostbares. Er ist uns geschenkt. Wir haben ihn uns nicht selber gemacht.
Es ist ähnlich wie mit unserer Sprache: Die Sprache, die Worte, mit denen ich mich verständlich mache, habe ich mir nicht selber gemacht. Ich habe die Silben und die Laute gehört: von meinen Eltern, von meinen Geschwistern, von anderen Menschen. Und dann habe ich angefangen, nachzusprechen, erst unbeholfen, dann immer freier und selbständiger. Die Worte und die Sprache habe ich nicht erfunden.
Aber die Art und Weise, wie ich spreche und wie ich mich ausdrücke, ist etwas Persönliches, bei mir, bei Dir, bei einem jeden von uns.
Wir staunen also darüber, mit welchen vielfältigen Gaben und Möglichkeiten Gott uns ausgestattet hat, und zugleich bekennen wir unsere Einheit und Gemeinschaft. Und auch diese Einheit im Glauben ist etwas Kostbares, das uns anvertraut ist. Das machen wir uns heute besonders bewuÃt, wenn wir mit vielen Christen auf der ganzen Welt um die Einheit im Glauben beten und für diese Einheit unsere Phantasie und unsere Kraft einsetzen.
Als Jesus um die Einheit seiner Jünger betete, tat er das im Angesicht seines Todes. Johannes, der vierte Evangelist, berichtet das. Jesus betet zu Gott, seinem Vater, im Abendmahlssaal, also in der Nacht seiner Verhaftung, um die Einheit seiner Jünger (vgl. Joh 17,11). Warum tut er das? Er weià doch, wie verschieden sie alle sind. Hat er sie doch einzeln berufen, von den Fischernetzen, vom Zoll, aus ihrer bisherigen Lebenswelt, Ihm nachzufolgen und in Seinem Namen Gottes Liebe zu allen Menschen zu bringen.
Die Einheit seiner Jünger ist Jesus ein Anliegen, weil die Einheit ein Beweis der Glaubwürdigkeit ist. Nur ein Glaubenszeugnis, das einmütig vorgetragen und gelebt und gefeiert wird, ist ein glaubwürdiges Zeugnis vor der Welt. Die Christen können es sich nicht leisten, sich aufzuspalten in verschiedene Parteien, so wie in der Politik sich verschiedene Parteien mit verschiedenen Programmen zur Wahl aufstellen. Christen haben keine unterschiedlichen Programme, sondern das gemeinsame Programm ist ein Name und eine Person: Jesus Christus.
Und darum, so betont der Apostel Paulus, weil Christus nur einer ist, sind wir alle eins in Ihm. Und deswegen sind Aufspaltungen in verschiedene Konfessionen, Glaubensgemeinschaften und Bekenntnisse ein Ãrgernis und ein Hindernis für die Ausbreitung der Heilsbotschaft in dieser Welt. Wenn Christen in aller Welt gemeinsam um die Einheit beten, ist das schon ein ganz wichtiger Schritt hin zur wahren Einheit. Denn die wirkliche Einheit im Glauben wird nicht von uns gemacht oder in Konferenzen beschlossen, sondern sie ist, wie der Glaube selbst, ein Geschenk. Gott schenkt die Einheit, wenn wir inständig darum bitten. Gott schenkt die Einheit, wenn wir uns mit unserer ganz persönlichen Geschichte einbringen in das gröÃere Ganze, in die Gemeinschaft, mit einem anderen Wort gesagt: in die Kirche.
Denn die Kirche â und das ist die schöne Verbindung vom Gebet um die Einheit zum Evangelium von der Berufung der Jünger â die Kirche ist das Fischernetz, das aus ganz vielen Fäden zusammengewoben ist. Die einzelnen Fäden, das sind wir, jeder von uns, in seiner Einzigartigkeit, in seinem persönlichen Glauben und Leben. Aber jetzt geschieht das Einende: indem wir uns verknüpfen lassen und zu einem Netz werden, werden die Fäden zu einem Ganzen. Und dieses Ganze gibt Halt und schenkt Sicherheit: so wie ein Netz, das einen, der in schwindelnder Höhe Kunststücke vorführt, auffängt, wenn er einmal stolpert und in die Tiefe stürzt: Es passiert ihm nichts, denn unten wartet das Netz auf ihn, das ihn hält und rettet.
So ist auch die Kirche das rettende Netz, das hält und auffängt, weil wir uns in diesem Netz miteinander verknüpfen lassen im Glauben. Und so ist auch die Feier des Glaubens, besonders die sonntägliche Eucharistie, der tiefste und wichtigste Ausdruck dieses Glaubens. Die Ãkumene mit den Protestanten und den Orthodoxen ist wichtig. Aber noch wichtiger scheint mir die Ãkumene mit denen in unserer katholischen Kirche zu sein, die sich losgelöst haben von der sichtbaren Gemeinschaft, indem sie die Gemeinschaft mit dem Gottesdienst aufgekündigt haben. Wenn von zehn katholischen Christen in einer Gemeinde acht oder sogar neun keinen besonderen Wert mehr auf die Feier der Sonntagsmesse legen, dann ist das auch eine Spaltung im Glauben, und zwar eine besonders schlimme, die besonders weh tut. [In Duisburg, wo Kirchen zur SchlieÃung anstehen, gingen vor 50 Jahren ungefähr 20.000 katholische Christen zur Sonntagsmesse. Inzwischen ist diese Zahl auf etwa 2000 geschrumpft, also noch ein Zehntel.]
Dann sind auch die Einheit und die Gemeinsamkeit nicht mehr gegeben. - Nur nützt das Jammern darüber nichts, wenn ich nicht bei mir ganz persönlich anfange und das Gebet, das Interesse für die Aufgaben der Kirche und die Liebe zum Gottesdienst immer wieder im eigenen Leben erneuere.
Genau das tun wir in diesem Moment. Das tun Sie, in ihrer Weise und in Ihrer ganz persönlichen Berufung, und das tue ich in meinem Dienst in dieser Gemeinde. Dafür laÃt uns Gott ganz einfach Danke sagen. Daà wir heute wieder dieses Zeichen der Einheit geben. Und ich sage Ihnen heute Danke, daà Sie dieses Zeichen der Einheit geben. Und wir gemeinsam sagen einander Danke und Gott Danke, daà er uns Menschen auf unseren je eigenen Wegen zu sich ruft und uns zusammenknüpft als Seine Kirche.
In der Frühe beten
Haben Sie es gemerkt?
Jesus ist in der Frühe, als es noch dunkel war, aufgestanden, um zu beten.
Das gleiche ist heute hier passiert. Wir â Sie und ich â sind in der Frühe aufgestanden, um zu beten.
Jesus war damals vermutlich ziemlich erschöpft. Er hatte ja einen langen Tag hinter sich. Die Schwiegermutter des Petrus lag krank im Bett, und Petrus hoffte doch sehr, daà Jesus zu ihr kommen und sie vielleicht sogar heilen würde.
Und spät am Abend war, wie Markus in seinem Evangelium schreibt, âdie ganze Stadt vor der Haustür versammelt, und er [Jesus] heilte vieleâ (Mk 1,33 f.). Da war wohl keine Zeit mehr für einen gemütlichen Abend am Kaminfeuer.
Und dennoch steht Jesus früh am Morgen auf, um zu beten. Und er tut das an einem âeinsamen Ortâ. Da, wo er mit seinem und unserem Vater allein ist. Da, wo er ganz hinhören kann und Zwiegespräch führen kann mit dem, der ihn in diese Welt zu den Menschen gesandt hat.
Wenn Bergsteiger einen Sonnenaufgang auf dem Berggipfel erleben wollen, stehen sie in aller Herrgottsfrühe auf.
Sportler wissen, daà die frühen Stunden des Tages die sind, an denen die Leistung am besten abgerufen werden kann.
Aber es geht Jesus nicht um Leistung, es geht um Beziehung. Um die gute Beziehung zu Gott, dem Vater, und zu den Menschen.
Diese gute Beziehung hat ihren Ursprung in seinem Gebet, das er pflegt.
Man könnte denken: Jesus hat das doch alles gar nicht nötig â er ist doch Gottes Sohn, er ist doch schon mittendrin im Leben des Vaters. Alles, was er tut, tut doch der Vater selbst.
Das stimmt, und Jesus selbst hat sein Dasein so gedeutet (vgl. Joh 3,35; 5,19 f.).
Doch Jesus ist auch wahrer Mensch, und als Mensch braucht er beides: die Arbeit und die Ruhe, die Anspannung und die Entspannung, das Atemholen und das Sich-Verausgaben.
Das sind die beiden Pole des menschlichen Daseins, zwischen denen sich auch das Leben Jesu und seine Wirksamkeit verwirklicht hat.
Jesu Leben war nicht nur Aktion, sie war vor allem auch Kontemplation. Bevor er öffentlich in Erscheinung trat, für etwa lediglich drei Jahre, hat er zuvor dreiÃig Jahre in der Verborgenheit einer Familie gelebt. Das war Kontemplation pur, auch wenn er sicherlich im Haushalt und Josef bei der Arbeit mit Hand angelegt hat. Auch wenn er den Beruf des Zimmermanns erlernt und auch ausgeübt hat. Auch dieses verborgene Leben war Teil seiner Sendung, war Teil der Erlösung, und zwar kein unwichtiger.
Wir alle können als Menschen nicht aktiv sein, wenn wir nicht auch immer wieder auftanken und die Energiespeicher unseres Lebens auffüllen mit etwas, was gut ist.
Wir können in unserer Kirche nicht glaubwürdig den Glauben verkünden, wenn wir nicht den Menschen zugleich Zeiten und Orte der Ruhe, der Besinnung, der inneren Einkehr bieten.
Ein solcher Ort ist der Gottesdienst, insbesondere die Feier der Heiligen Messe am Sonntag.
Ein solcher Ort ist auch die Anbetung, die stille Anbetung wie auch die, in der etwas vorgebetet wird.
Ein solcher Ort ist auch das persönliche Gebet, zum Beispiel das Morgen- und Abendgebet oder der Rosenkranz.
Nach dem Konzil wurde in den Gemeinden häufig der Eindruck erweckt, Gebet und Gottesdienst geschähen nur rund um den Kirchturm, in der Versammlung der Gemeinde, in der groÃen Gemeinschaft.
Es wurde manchmal der Eindruck erweckt, Gemeinde und Kirche würden nur so erlebt, wenn viele zusammenkommen und etwas gemeinsam machten.
Infolgedessen wurde leider bei vielen das private Gebet vernachlässigt und das Gebet in der Familie. Gott sei Dank gibt es bei uns noch viele Familien, in denen gebetet wird, und andere Formen, zum Beispiel Maiandachten in einer Nachbarschaft, sind auch lebendig.
Alle, die das pflegen, die persönlich beten, erleben das Gebet als eine groÃe Kraftquelle und als eine Quelle des Segens und der Zuversicht. Und eine solche Quelle ist auch diese heilige Messe an diesem Morgen.
von Pfr. M. Stücker (erstellt: 2017)
Die Bibel wörtlich zu nehmen?
Sind wir Fundamentalisten, wenn wir zur Bibel greifen, wenn wir auf Fragen unseres Lebens eine Antwort suchen?
Vor ein paar Monaten war ich auf einer Versammlung, wo dem Pastor der Vorwurf gemacht wurde, er fördere Gruppen in seiner Gemeinde, die fundamentalistisch seien. Was das bedeuten sollte, wurde denn gleich auch beschrieben: Fundamentalistisch sei einer, der die Bibel wörtlich nimmt.
Auf dem Podium saß nicht der Pastor selbst, dort saßen aber verschiedene Vertreter, auch einer vom Bistum, und zwei von verschiedenen Bewegungen und Gruppen, die man in Verdacht hatte, fundamentalistisch zu sein. - Und die wurden dann auch gleich in die Zange genommen: Was meinen Sie: muß man als Christ die Bibel wörtlich nehmen und wörtlich glauben?
Interessant fand ich, wie alle sofort und eindeutig zu erkennen gaben: Nein, natürlich nicht! Die Bibel muß man nicht wörtlich nehmen. Sie ist ein Buch, das man irgendwie anders verstehen muß.
Vermutlich hätte ich in dieser Situation genauso geantwortet. Doch irgendwas hat mich an dieser Antwort doch gestört, und ich habe überlegt, warum. Warum ist die Antwort: Die Bibel muß man, ja kann man nicht wörtlich nehmen, eine zu einfache Antwort, vielleicht sogar eine Antwort, die in die Irre führt?
Ich glaube, die Antwort liegt in der Botschaft, die wir heute im Evangelium empfangen. Es ist wiederum ein Abschnitt aus der Bergpredigt Jesu. Die Bergpredigt Jesu, eine große Redekomposition, die uns Matthäus überliefert, beginnt mit den Seligpreisungen der Bergpredigt und endet mit dem Gleichnis vom Haus auf dem Felsen. Sie enthält das schöne Doppelwort vom Salz der Erde und vom Licht der Welt, das wir sein sollen, und sie enthält auch das Vaterunser, das Jesus seine Jünger lehrt.
Und heute hören wir: Liebt eure Feinde. Betet für die, die euch verfolgen. (Mt 5,44). Wir können uns fragen: Wie sollen wir diese Aufforderung Jesu verstehen? Nicht etwa wörtlich? Aber wie dann? In einem übertragenen oder weiteren Sinne? Aber was ist hier der übertragene oder weitere Sinn? Ich kann meinen Feind, also den, der mir Böses antut, hassen und ihm Böses wünschen und ihn vielleicht auch ignorieren oder ich kann ihn lieben, ihm Gutes tun, den Kreislauf der Gewalt und des Bösen durchbrechen.
Ich kann entweder das Eine tun oder das Andere. Dazwischen gibt es eigentlich nichts. Ich muß also dieses Wort Jesu wörtlich nehmen oder ich muß es ablehnen oder mich nicht dafür interessieren. Dazwischen gibt es eigentlich nichts.
Das betrifft jetzt die Worte Jesu. Weiter gibt es in der Bibel Geschichtsberichte, es gibt Gebete, es gibt Kommentare zu Königen und Mächtigen der damaligen Zeit, es gibt Prophezeiungen, Mahnungen, Warnungen. Es gibt Trostworte und Berichte von Heilungen und Wundern. Und es gibt Erzählungen wie zum Beispiel die Josephsgeschichte im Alten Testament, die zu den ganz großen Texten der Weltliteratur gezählt wird, zu Recht.
Wie müssen wir diese Texte verstehen? Wörtlich? Oder anders? Wie verstehen Sie einen Text, einen Bericht, eine Geschichte, die Ihnen jemand aufschreibt, den Sie kennen? Von dem Sie wissen, daß er ein echter, ein authentischer Mensch ist? Jeder würde doch darauf antworten: Ich verstehe diesen Text so, wie er gemeint ist. Wie derjenige, die ihn aufgeschrieben hat, ihn verstanden hat. Ich muß den Schreiber, den Autor, ernst nehmen, und ich muß auch die Umstände ernst nehmen, in denen er schreibt: die Nöte, die ihn treiben, die gesellschaftlichen Verhältnisse, die eine Rolle spielen. Der Anlaß, der ihn dazu bringt, das aufzuschreiben, was er für wichtig hält.
Alles das und sicher noch manches mehr kommt zusammen, wenn man etwas, was vielleicht in ferner Zeit aufgeschrieben wurde, wirklich verstehen will.
Wir können es dann versuchen zu verstehen, aber verstehen ist noch nicht glauben.
Ich kann etwas lesen und verstehen, aber ich kann zugleich ablehnen, was ich da lese und verstehe: einen Kommentar, eine Meinung, eine Überzeugung.
Jesus um nun auf die Bergpredigt zurückzukommen - möchte nicht nur gelesen und verstanden werden. Er möchte, daß ich ihm glaube und ihm folge. Daß ich seine Worte ernst nehme. Nicht einfach wörtlich, sondern ernst. Das ist sicher der tiefe Sinn, der in den Worten Jesu liegt. Wir sollen diese Worte als Worte für unser Leben nehmen, damit dann unser Leben gelingt.
Wie hat schon Mark Twain, der große amerikanische Erzähler, einmal gesagt: Mir bereiten nicht die Stellen in der Bibel Schwierigkeiten, die ich nicht verstehe, sondern am meisten die, die ich verstehe.
von Michael Kenkel (erstellt: 2017)
Im Urlaub die Weisheit Gottes erahnen Liebe Schwestern und Brüder im Glauben! Viele von Ihnen waren in den vergangenen Wochen im Urlaub - ich auch. Ich bin mit dem Motorrad quer durch die Alpen gefahren. Es war wunderschön. Und es war wie so oft, und ich hoffe, so etwas haben Sie auch erlebt: sobald ich auf dem Motorrad sitze und durch die Natur fahre, fange ich an zu beten. Nicht, weil ich Angst habe, mich zu verletzen, sondern weil ich dankbar bin für die phantastische Schöpfung, der ich mit dem Motorrad so nahe sein darf. Die Woche davor waren wir mit 38 jungen Leuten aus unserer Gemeinde zu Fuà auf dem Weg nach Rom am pilgern - in diesem Jahr auch durch die Schweiz, über die Berge. Dort war es ähnlich zu erleben: Gottes Schöpfung ist einfach genial - sie ist so wunderbar, so herrlich; diese Weite, diese verschwenderische Vielfalt an Pflanzen und Tieren, Wolkenbildern und Wasserfällen - zeitweise haben wir über 20 gleichzeitig sehen können. Ich meine, wenn man die Natur in dieser Fülle so aus der Nähe erlebt, dann kann man gar nicht anders als erkennen, dass da eine gröÃere Weisheit hinter stecken muss, dass es einen Gott geben muss, der dies alles mit Verstand erschaffen hat. "O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege" - so haben wir es gerade bei Paulus in der 2. Lesung gehört. Er lässt uns mit seinen Worten die GröÃe Gottes erahnen, so wie hoffentlich viele in den letzten Ferienwochen Zeit und Gelegenheit hatten, Gottes wunderbares Wirken in der Schöpfung neu zu erleben. Die weiteren Lesungen des heutigen Sonntags führen diesen Gedanken noch fort. Gottes Weisheit zeigt sich auch darin, wie er diese seine Schöpfung weiter führt. Er übergibt Eljakim den Schlüssel des Hauses David im AT beim Propheten Jesaja, er übergibt Petrus den Schlüssel für das Himmelreich. Und Gott macht deutlich - dieses mein Werk auf Erden - meine Kirche wird nicht untergehen. Du Petrus wirst diese Kirche Gottes auf Erden verantwortlich führen und niemand wird diese Kirche überwältigen. Gottes Wirken auf dieser seiner Erde ist mit der Schöpfung nicht zu Ende. Er hat seine Weisheit und seine Liebe zu uns neu gezeigt in der Hingabe seines Sohnes. Sein Wirken ist auch heute nicht zu Ende. Die Schöpfung, die Kirche, weisen uns auf die Gegenwart Gottes hin. Und auch ein jeder Christ kann die Liebe Gottes weitergeben, so dass auch andere Menschen an uns erfahren: Gott ist lebendig. Amen.
von Pfarrer Michael Kenkel (erstellt: 2016)
Wir feiern die Taufe des Herrn. Jesus zieht los nach 30 Jahren im Elternhaus
und geht ans Werk, Gottes Liebe zu verkünden. Vom Himmel her wird ihm
und den Umstehenden klar gemacht, "Dies ist mein geliebter Sohn - an
Dir habe ich Gefallen gefunden".
In der 2. Lesung, der Apostelgeschichte haben wir es ähnlich gehört
"Gott hat Jesus von Nazaret gesalbt mit dem heiligen Geist und mit Kraft,
wie dieser umherzog, Gutes tat,..."
In der 1. Lesung hören wir ähnliche Worte für den Propheten
Jesaja - auch er wird von Gott erwählt.
Und sie können es sich schon denken: auch Sie sind von Gott geliebt und
erwählt!
Durch die Taufe und die Firmung hat Gott sie gesalbt. Er sagt ihnen zu: "ich habe Dich geschaffen", sie sind gewollt, kein Produkt des Zufalls. Gott hat Gefallen an Ihnen gefunden. Das ist doch Balsam für die Seele. Auch wenn Sie sagen, ach - ich kleines Licht - was kann Gott an mir denn gefallen, was kann ich denn schon leisten. Um Leistung im Irdischen Sinne geht es nicht. Aber Sie haben eine Bestimmung. Gott hat auch sie bestimmt, Licht zu sein, Frieden zu verkünden, Flüchtlingen zu helfen, Christus zu bezeugen - in ihrem jeweiligen Umfeld.
Vielleicht sagen sie: ich hab die letzten 30 Jahre nichts Produktives getan, warum sollte denn jetzt Großes passieren? Weil Gott ihnen was zutraut! So, wie Jesus nach 30 Jahren, so wie Jesaja. Ich habe gerade eine junge Mutter auf die Taufe vorbereitet - vor 3 Wochen eine andere Frau wieder in die Kirche aufgenommen, jungen Studenten die Beichte abgenommen, bei jedem geht es als Erwachsener noch mal neu wieder los, nach 20, 30, 50 Jahren wird der erste Schritt getan. Es ist nie zu spät anzufangen, Gottes Wege zu gehen. Sie können was bewirken, nicht weil sie so toll sind, sondern weil Gott sie erwählt und gesalbt hat. Sie können Zeugnis ablegen für die Liebe Gottes, sie können Gutes tun, sie können es. Gott traut es ihnen zu. Gott hat Sie gesalbt mit Geist und Kraft. Er weiß, was in ihnen steckt: "Mein Erwählter, an ihm hab ich Gefallen" ich habe"meinen Geist auf ihn gelegt" "Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter, an Dir hab ich Gefallen gefunden"
"Ich habe Dich bestimmt Licht für die Völker zu sein." Nicht für uns behalten - für andere. Willkommenskultur gegenüber den Flüchtlingen, wenn es sich hier nicht zeigt, wo denn dann? Hier wird Glaube konkret. Eigentlich müsste jeder von uns etwas zu erzählen haben, wie er geholfen hat: helfe beim Begrüßungsdienst, als Integrationslotse, als Deutschlehrer, hab geholfen, die Wohnung einzurichten, habe den oder die Familie mitgenommen zu unserem Verein, zu unserem Fest, hab ein Fahrrad für ... Aufgearbeitet, habe Fußball mit ... Gespielt. Geben Sie sich möglichst nicht mit Kleiderspenden oder Geldspenden zufrieden. Manchmal kann das die einzige Möglichkeit sein für jemanden zu helfen, meist ist es aber die Unbequemlichkeit oder der mangelnde Mut, auf den Fremden zuzugehen.
Aber nochmal - wir sind nicht die Macher. Gott hat uns seinen Geist gegeben. Gott hat uns gesalbt. Er ist es, der durch uns zu diesen Menschen gehen möchte. "Ich habe Dich bestimmt, Licht für die Völker zu sein."
Gleiche Predigt im Stil eines Poetry-Slammers:
Nach 30 Jahren in Mutters Schoß
zieht Jesus heute los
und lässt sich von Johannes taufen
Alle, die da hingelaufen
hören: "Du bist mein geliebter Sohn -
an Dir habe ich Gefallen gefunden"
Gott steigt vom Thron -
Johannes hat ihm nichtmals die Schuhe gebunden.
Der Vater salbt seinen Sohn mit Geist
und verheißt
schon bei Jesaja, dem Propheten im Alten Testament
dass er für seine Herde brennt
Wie ein Hirt
der die Herde führt
Er trägt die Lämmer auf den Arm.
Gott nimmt sich seines Volkes an.
Auch wir sind getauft
durch Jesu Liebe erkauft
sind nicht nur mit Wasser übergossen
Chrisam ist über uns geflossen,
wir sind gesalbt, von Gott erwählt.
und das zählt.
In der Taufe, in der Firmung wird es noch mal wiederholt
Du bist von Gott gewollt.
Du bist mein geliebtes Kind,
selbst wenn wir nicht wissen, wer wir wirklich sind.
Er hat Gefallen an uns gefunden
egal, wieviel Menschen uns geschunden
haben,
seine Gaben,
seinen Geist sandte er auf Dich herab
seine Liebe er Dir gab
und auch heute noch gibt
weil er Dich immer noch liebt.
Vielleicht sagst Du "Ich"?
Meint er mich?
Was kann Gott an mir denn gefallen
im Vergleich zu den Anderen allen
hab ich doch nichts getan,
mein Leben eher vertan.
Jesus fängt nach 30 Jahren erst an. :-)
Und das kannst auch Du
Gott traut Dir das zu!
Eine junge Mutter aus Raesfeld lässt sich nun taufen
hat den ganzen Haufen
hier kennen gelernt: Kirche, Sakramente, Vater, Sohn und Geist
und glaubt, dass er auch ihr ein neues Leben verheißt.
Oder, vor 3 Wochen
hat eine andere Frau versprochen,
wieder in die Kirche zu kommen,
Sie ist willkommen
nach ihrem Austritt vor vielen Jahren
haben wir sie wieder aufgenommen.
Jungen Studenten habe ich die Beichte abgenommen,
beim Nightfever geschieht das jeden Monat,
überall, wo der Einzelne den Mut hat,
mit Gott neu anzufangen.
Ich bin nicht gefangen
in den Strukturen der Welt.
Vor Gott zählt
dass ich los leg
auf dem Weg
hin zu ihm zu gehen.
Du wirst dann sehen
auch nach 20, 30, 50 Jahren
weiß er noch was mit Dir anzufangen.
Du kannst was bewirken, nicht weil Du so toll bist,
sondern weil Dich seine Liebe küsst.
Gott hat Dich gesalbt und erwählt
und nur das zählt.
Diese Erwählung ist allerdings kein Selbstzweck, Du lebst nicht allein
"Ich hab Dich bestimmt, Licht für die Völker zu sein"
so steht es wieder beim Propheten,
und das heißt, nicht nur beten,
das Licht soll sich auch zeigen in meinem Leben
- die Welt muss nicht erbeben -
aber meine Freunde dürfen schon merken
in meinen Werken,
dass ich Christus liebe.
Manche haben angesichts der vielen Flüchtlinge in unserem Land
Angst um das christliche Abendland
Doch wenn wir deren Elend: Kriege und Verfolgung sehen
und lassen sie vor unseren Grenzen stehen
dann ist es um das Christentum geschehen.
Wir dürfen unseren Bruder, der verfolgt wird
weil er sich zu Christus bekennt
und jeden anderen, der um sein Leben rennt
Doch nicht außen vor lassen,
weil sie nicht zu unserem Stil passen.
Frauen begrabschen an Brust und Po
ist nicht in Ordnung, ob in Köln oder anderswo.
Fremde müssen unsere Gesellschaft verstehen
Rechte von Frauen einsehen.
Doch woher sollen sie es wissen, wenn es nur auf dem Papier steht
und es ihnen keiner vorlebt
Auf der Flucht und im Krieg
hat immer nur der Stärkere gesiegt.
Wir müssen es ihnen zeigen, sie informieren
sie mitnehmen und integrieren
Ein jeder von uns Christen müsste sie willkommen heißen
sie mitreißen
in unsere Gruppen und Verbände
Nachbarschaften, Kirchen wo viele Hände
füreinander da sind
und das Christkind
uns in den Blick nimmt.
Ihr habt es vorhin im Kyrie formuliert
ich wiederhol es, damit es jeder kapiert
Christus, Du sprengst so manchen Kleingeist
das heißt
Er gibt uns Kraft, um zu geben
damit Fremde bei uns leben
können.
Christus hat Dich erwählt, gesalbt
damit Du bald
nicht irgendwann, sondern noch heute
zugehst auf die Leute.
Eigentlich müsste jeder hier etwas zu erzählen haben
von seinen Gaben
und Talenten, die er eingesetzt hat
um den Neubürgern zu helfen mit Rat und Tat.
Der eine hat geholfen, die Wohnung einzurichten
die andere, die Ängste bei Ihnen zu vernichten.
Der eine sie deutsch lehrt
die nächste mit Ihnen zu den Behörden fährt.
Die eine nimmt sie mit zur kfd
der andere zum Kaffee
(tut nicht weh)
Gib Dich nicht zufrieden mit Spenden
ob Geld, Hosen oder Hemden
Manchmal kann das die einzige Möglichkeit sein,
aber gesteh es Dir selber ein
wahrscheinlich ist es Dir zu unbequem,
direkt auf den Fremden zu zu geh'n.
Aber nochmal: Du bist nicht allein
um Licht für die Völker zu sein.
Gott hat Dir seinen Geist gegeben
Er stärkt Dich im Leben
Er gibt Dir Kraft, er geht mit.
Mach Du nur den 1. Schritt
Er hat ihn längst getan
nimmt Dich als sein Kind an.
Er wartet auf Dich,
sehnsüchtig.
Der leere Thron
Mit einigen Firmbewerbern und Erwachsenen sind wir vor zwei Wochen nach Aachen
gefahren. Ziel war zuerst das Bischöfliche Hilfswerk Misereor. Deren
Vertreter haben uns einen sehr guten Einblick in die Arbeit gegeben, und sie
konnten auch die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt und ihren Erfahrungen gut
ansprechen.
Aachen verbinden wir natürlich auch mit den berühmten Printen, aber
was ein wirklicher Touristenmagnet ist, ist der Aachener Dom und dort besonders
die Pfalzkapelle.
Dieser orientalisch anmutende achteckige Bau ist untrennbar mit dem Namen
Karls des Großen verbunden. Der Domführer ließ uns den berühmten
Thronsitz anschauen, der in kaum einem Geschichtsbuch fehlt. In der Weihnachtsnacht
des Jahres 800 wurde bekanntlich Karl der Große in Rom von Papst Leo
III. zum Kaiser gekrönt. Die Kaiserformal lautete: "Romanum gubernans
imperium" - "Herrscher des römischen Imperiums".
Ich habe mich schon als Kind und Jugendlicher immer gefragt, warum dieser
Thron in der Pfalzkapelle so schlicht, ja beinahe grob zusammengefügt
aussieht. Konnten die es damals nicht besser? - Der Domführer gab dazu
eine Erklärung, die ich bis dahin nicht kannte:
Ob je Karl der Große selbst auf diesem Thron gesessen hat, ist nicht
sicher. Der Thron steht, etwas erhöht, auf einem Sockel aus Sandstein,
hinter ihm ist eine Mensa, ein Altartisch.
Was bezweckte der Thron? Um das herauszufinden, muß man den Blick vom
Thron aus an die Decke richten. An der Decke, im Gewölbe, sind prachtvolle
Mosaiken zu sehen, die aber weitgehend rekonstruiert sind, also nicht echt.
Aber was schon im Jahr 800 zu sehen war, ist auch heute zu sehen: Gegenüber
dem Thron sieht man Christus, den Weltenherrscher, den König aller Zeiten,
wie er aus dem Reich seines Vaters zurückkehrt zu uns, den Menschen,
in unsere Zeit, um seine Herrschaft zu vollenden.
Der Thron in der Pfalzkapelle dient also gar nicht einem Menschen, zumindest
nicht in erster Linie, sondern er ist aufgestellt für Christus, für
den Tag seiner Wiederkunft!
Heute feiern wir das Christkönigsfest und bekennen: Christus ist König.
Und als König wird er eines Tages, wenn die Zeiten zu Ende gehen, wiederkommen,
um, wie es im Glaubensbekenntnis knapp und nüchtern heißt, "zu
richten die Lebenden und die Toten". Auf diesen Punkt im Glaubensbekenntnis
stößt der Besucher des Aachener Domes, der sich den Thronsitz und
das Apsismosaik ansieht, auf diesen Punkt des Glaubensbekenntnisses stoßen
auch wir heute, am letzten Sonntag im alten Kirchenjahr, wenn wir dieses Bekenntnis
von neuem feiern.
Aber wie paßt ein solches Bekenntnis noch in unsere Zeit, die die Demokratie
in der Politik und auch in vielerlei kirchlichen Strukturen hochhält?
Die Könige und Kaiser allenfalls noch aus dem Fußball oder aus
wöchentlich erscheinenden Revues kennt, wo Nachfolger alter Adels- und
Königshäuser sich entweder ganz menschlich, wie wir alle eben, oder
hochgradig bizarr verhalten und gebärden?
Und wie paßt das Bekenntnis vom wiederkehrenden König zu einem
Bild von Jesus, der sich mitten unter die Menschen gemischt hat, der ganz
und gar einer von uns sein wollte, und dessen Lebensweg ganz und gar nicht
königlich anmutet?
Und wie paßt eine solche Verkündigung des wiederkehrenden Königs
auf den "Wolken des Himmels" in eine Zeit, in der die Menschen von
der Kirche erwarten, daß sie Antworten und Vorschläge bietet für
drängende Probleme der Umwelt, der Terrorgefahr, des drohenden wirtschaftlichen
Kollaps' auch hier in Europa?
Um es mit einem kurzen Wort zu sagen: Das paßt alles überhaupt
nicht. Es kann auch nicht passen. Jesus Christus bringt nicht ein neues politisches
Programm, und er bringt auch keine Rezepte für ein Miteinander in der
Welt, das endlich harmonisch und glücklich sein kann. - Wie soll man
das verstehen? Was bringt er dann?
Die Antwort auf diese Fragen kann uns wiederum der Thron im Aachener Dom geben
- der leere Thron, der für Christus reserviert ist.
Als der Thron gebaut wurde, damals vor 1200 Jahren, nahm man dazu nicht irgendein
Material. Man nahm Marmor, das aus der Grabeskirche in Jerusalem entnommen
war. Dieser Marmor war ein Geschenk an den neuen Kaiser Karl den Großen.
Dieser Marmor war Zeuge des Geschehens, das für uns, die Christen, die
Mitte unseres Glaubens darstellt: daß Christus für uns Menschen
gestorben und auferstanden ist. Aus dem Ort dieses Geheimnisses, der Grabeskirche
eben, nahm man den Stein, um daraus einen recht schmucklosen Thron zu bauen
und ihn in Aachen aufzustellen.
Der Thron ist also nicht einfach nur ein Thron, ein Sitz, sondern er ist eine
Reliquie: ein Zeugnis für das Ereignis in der Geschichte dieser Welt,
das vor 2000 Jahren die Geschichte umgeschrieben hat und den Königen
und Kaisern dieser Welt eine neue Rolle zugewiesen hat, indem sie daran erinnert
wurden (und werden!), daß es ein anderes Reich gibt, das nicht von dieser
Welt ist.
In diesem Reich herrschen nicht die Gesetze von Macht und Kalkül, von
Einfluß, Glück und Strategie. In diesem Reich herrschen nicht die
Gesetze von oben und unten, von Siegern und Besiegten. - was gilt stattdessen
in diesem Reich, das mit Christus kommt?
In diesem Reich, dem Reich Christi herrscht, gibt es einen Sieger: Christus
hat den Tod besiegt. Das bezeugt der Marmor aus der Grabeskirche, aus dem
Ort, an dem an Ostern die Macht des Todes und der Sünde ein für
allemal besiegt wurde.
In diesem Reich gibt es auch einen Herrscher: Christus, der die Liebe und
die Vatergüte Gottes bringt, er herrscht, weil seine Liebe stärker
ist als aller Haß und alle Feindschaft von Menschen und der widergöttlichen
Mächte des Bösen.
Und das Gericht? Gilt dieser Glaubensartikel wirklich noch? Ist nicht jeder
sein eigener Richter?
Unser Glaube bekennt: Es kommt am Ende der Zeiten zu einem Gericht über
alle und alles. Ein Gericht, das aufdecken wird und erkennen lassen wird,
wo Bosheit und Lüge, wo Unvernunft und Gier Menschen und Gottes Schöpfung
gequält und niedergedrückt haben. Dieses Gericht wird auch aufdecken,
wo selbstlose Liebe und Aufrichtigkeit, Mut und Tapferkeit dazu geführt
haben, daß Menschen aufatmen konnten und zu ihrem Recht kamen.
In diesem Gericht wird all den Menschen Gerechtigkeit widerfahren werden,
deren Schreie niemand gehört, für die sich niemand interessiert,
für die niemand eingetreten ist. Diese Menschen, die Opfer von Willkür
und Gewalt, von Ideologien und Wahn geworden sind: in ihnen werden wir Christus
erkennen, der das Leiden und auch die Sünden der Welt auf sich geladen
hat. Das Gericht, das dies alles aufdecken und die Welt erneuern wird, es
wird die Stunde der Wahrheit sein.
von Klaus Klein-Schmeinck (erstellt: 2012)
Ist Gott gescheitert?
Liebe Schwestern und Brüder, diese Frage müssen wir stellen, dieser
Frage müssen wir uns stellen angesichts des Weihnachstfestes, wie es
heute in unserer Gesellschaft vor uns steht.
Gott kommt in Jesus Christus zu uns Menschen als Mensch. Ein Fest für die Welt. Die Welt feiert dieses Fest - aber so richtig wissen viele nichts mehr damit anzufangen. Jesus, Maria, Josef kommen kaum mehr vor. Statt des menschgewordenen Gottes trifft man viel häufiger auf den Weihnachtsmann. Dieser pauspäckige, gemütliche Dickwanst verstellt den Blick auf die Krippe. Punktsieg an ihn.
Ist Gott gescheitert?
Diese Frage müssen wir stellen, dieser Frage müssen wir uns stellen
angesichts der Weihnachtsevangelien. Auch die sprechen vom Scheitern Gottes.
Maria legte Jesus, den Sohn des allerhöchsten Gottes, in eine schäbige
Futterkrippe und zwar, weil in der Herberge kein Platz für sie war. So
beschreibt es Lukas.
Und Johannes wird noch deutlicher, wenn er ganz offen sagt: Er (Gott) war
in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn
nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Der Großteil unserer Welt hatte mit Gottes Sohn nix am Hut. Sie ließen
ihn im wahrsten Sinne des Wortes außen vor. Nur ein paar arme Hirten
und etwas verstiegene Weise nahmen Notiz von ihm. Sie sahen ein Engelheer
und einen Stern, große Zeichen am Himmel, die auf das Kind in der Krippe
wiesen: auf Gott unter uns.
Die paar Leute? Ziemlich schwache Ausbeute.
Das also soll der allmächtige Gott sein? Da in der Krippe? Dieses Kind
in Windeln?
Seien wir ehrlich: Man muss schon dran glauben, sich darauf einlassen, denn
so richtig zwingend ist das ja nicht.
Aber Gott zwingt niemanden zum Glauben. Zum Glauben gehört Freiheit! Freiheit, sich für oder gegen Gott zu entscheiden.
Und darin liegt wohl die wahre Allmacht Gottes: dass er uns diese Freiheit lässt. Er will uns nicht zwingen, sondern von innen her gewinnen.
Wer anderen die Freiheit nicht lassen kann, ist letztlich schwach. Das sehen
wir nicht zuletzt an den Gewaltregimes dieser Erde. Mit Gewalt und Terror
versuchen sie die Menschen zu etwas zu zwingen. Doch erreichen können
sie die Menschen nicht.
Denken wir zum Beispiel an die ehemalige DDR. Mit einem ganzen Arsenal an
Propagandamitteln, Bespitzelungen, Belohnungen, Bestrafungen und Reiseeinschränkungen
haben die Machthaber versucht ihre Macht über das Volk zu erhalten. Sie
waren mächtig - nach außen hin. Doch die Menschen haben sie nicht
gewinnen können, weil sie ihnen keine Freiheit gaben. Im letzten hatten
sie keine Macht über die Menschen.
Je mehr ich die Freiheit des anderen fürchte, umso mehr versuche ich
seine Freiheit zu beschneiden, um meine Macht nicht zu verlieren.
Je mehr ich die Freiheit des anderen fürchte, umso mehr habe ich Angst,
statt Macht - bin ich schwach, statt stark. Das ist auch bei der Erziehung
so.
Gott ist so groß, so allmächtig, dass er niemanden zwingen muss,
sondern allen die Freiheit lässt. Er hätte alle Macht des Himmels
und der Erde, um uns zu etwas zu zwingen. Aber er ist so mächtig, dass
er dies nicht tut.
"Vielleicht hätten wir sogar vor der Macht, vor der Weisheit eher
kapituliert. Aber er will nicht unsere Kapitulation, sondern unsere Liebe."
(Joseph Ratzinger, Licht das uns leuchtet, Herder 1978)
Liebe Schwestern und Brüder!
Darum wählt er eben diesen Weg der Weihnacht, der von innen her gewinnen
will.
Wie jeder andere Mensch verbrachte unser Herr neun Monate im Schoß
seiner Mutter. Gott will nichts überstürzen, will auch keine Privilegien
und kommt zur Welt wie jeder andere Mensch
Der Sohn Gottes wurde nicht in einer der Metropolen der damaligen Zeit geboren,
nicht in Rom, Jerusalem, Alexandrien - sondern in einem entlegenen Kaff des
Römischen Reiches.
Der Sohn Gottes kam nicht aus einer mächtigen Herrscherdynastie oder
Priesterkaste, er wuchs nicht im Palast oder Tempel auf, sondern er war Kind
einer einfachen Handwerkerfamilie.
Dort, wo Menschen sich groß dünken, sich etwas auf ihre Fähigkeiten, auf ihre Herkunft einbilden, ist wenig Raum für die Größe Gottes. Sicher er kann dort auch wirken. Dennoch hören solche Menschen keine Engel mehr singen. Sie fühlen sich von Gott eher gelangweilt oder bedroht. Sie wollen eben nicht sein Eigentum -Gotte Eigentum - sein. Sie gehören nur sich selber. Und die Welt gehört ihnen sowieso.
Deswegen können sie den nicht aufnehmen, der in sein Eigentum kommt - dann müssten sie sich ja ändern, ihn als Eigentümer anerkennen. Auch wir sind in der Gefahr durch unseren Hochmut im Kleinen und Großen, Gott die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
Gottes Allmacht tritt zutage, wenn er machtvolle Taten vollbringt durch die Kleinen, Schwachen. Gottes Macht ist größer als die unsere. ER vollbringt dann mit seinem Arm machtvolle Taten durch uns Menschen, wenn wir ihn lassen.
Gott vollbringt mit den Kleinen und Schwachen seine Großtaten. Gerade
deshalb ist er ja klein geworden, damit wir nicht vor ihm weglaufen, sondern
auf ihn zugehen.
Das kleine Kind in der Krippe, Gott, ruft uns förmlich, ihm zu helfen.
Im Kind zeigt der Allmächtige sich von uns abhängig, hilfsbedürftig.
"In der Krippe von Bethlehem sagt Christus dir und mir, dass er uns braucht.
(...) Wir werden niemals richtig froh sein, wenn wir Christus nicht wirklich
nachahmen, wenn wir nicht demütig sind wie Er. (...) In einer Krippe,
in Windeln, in einem Stall! Die erlösende Wirksamkeit unseres Lebens
kann sich nur in Demut vollziehen, indem wir aufhören, an uns selbst
zu denken, und uns für die anderen verantwortlich fühlen."
(Josefmaria Escrivà, Christus begegnen 18) Wenn wir innerlich so klein
werden wie dieses Kind in der Krippe, wenn wir als Kinder Gottes leben - dann
hat Gott nicht nur Großes mit uns vor, sondern wird es auch vollbringen:
unser Heil und das Heil der Welt!
Liebe Schwestern und Brüder!
Gott ist sogar so allmächtig, dass unsere Sünden seinen Plan, die
Welt zu retten, nicht verhindern können.
Das ist eine tröstliche Botschaft. Und was für eine.
Gott rechnet mit unserem Mittun. Er schenkt uns dazu die Freiheit. Er zwingt
uns nicht. Aber wir können uns ihm verweigern - im Großen und im
Kleinen.
Angesichts unserer Schwächen und Fehler, unserer Sünden könnten
wir mutlos werden. Gott vertraut auf mich, damit sein Reich komme - und ich,
ich bin ein Versager, bekomme es nicht hin, zerstöre mehr, als ich aufbaue.
Und wieder ist Gott mit seiner Allmacht am Werk: Gott ist größer
als unser Herz, das uns anklagt. Und Gott ist größer als unser
Versagen und Scheitern. Denn Gott ist die Liebe.
Und Liebe pocht nicht auf ihre Rechte, Liebe will dienen!
Der Menschensohn ist nicht auf die Erde gekommen, sich bedienen zu lassen,
sondern um zu dienen. Und wenn Gott uns Menschen dient, dann erlöst er
uns Menschen. Für uns und zu unserem Heil ist er Mensch geworden!
Das Holz der Krippe weist schon hin auf das Holz des Kreuzes. Das in Windeln
gewickelte Kind weist schon hin auf den im Leinentuch bestatteten Herrn. Für
uns hat er gelitten, für uns ist er gestorben und begraben worden.
Er hat alles gegeben, sich klein gemacht, sich aufgerieben für uns. Und
gerade deshalb, hat er das Größte vollbracht: die Erlösung
von Sünde und Tod.
Ist Gott gescheitert?
Liebe Schwestern und Brüder. Dieser Frage haben wir uns zu Anfang gestellt.
Auf dem ersten Blick vielleicht.
Denn wer genauer hinsieht, der merkt, dass der Weihnachtsmann nichts zu verkaufen
hat, weil er nur verkaufen will, nur verkaufen kann. Und kann nicht der Sinn
des Lebens sein.
Als Christen glauben wir, dass an Weihnachten in Christus, der Sinn der Welt zu uns gekommen ist. "Denn was (der Evangelist) Johannes das Wort' nennt, das bedeutet im Griechischen gleichzeitig auch soviel wie: der Sinn. Insofern können wir durchaus auch übersetzen: Der Sinn ist Fleisch geworden.
Aber dieser Sinn ist nicht bloß eine allgemeine Idee, die in der Welt drinnensteckt. Der Sinn ist uns zugewandt. Der Sinn ist ein Wort, eine Anrede an uns. Der Sinn kennt uns, er ruft uns, er führt uns. Der Sinn ist nicht ein allgemeines Gesetz, in dem wir dann irgendeine Rolle spielen. Er ist jedem ganz persönlich zugedacht. Er ist selbst Person: der Sohn des lebendigen Gottes, der im Stall von Bethlehem geboren wurde." (Joseph Ratzinger, Licht das uns leuchtet, Herder 1978)
Ist Gott gescheitert? Wenn er der Sinn Deines Lebens wird, bei Dir sicher nicht!
von Manfred Stücker (erstellt: 2011)
Den Faden nicht zerreißen
„Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ Liebe Mitchristen, diese Worte, die uns von Albert Einstein, dem berühmten Physiker und Mathematiker, überliefert werden, haben sicherlich ihren Reiz. Doch wer sich auf die Zukunft ausstreckt, nimmt, ob er will oder nicht, immer auch die Vergangenheit mit, sei es – negativ gesehen – als Last, oder – positiv gesehen – als Erfahrung und Weisheit. Ganz los kommen wir von der Vergangenheit nicht, das möchte ich versuchen, in einem einfachen Bild deutlich zu machen: Die Linie der Zeit ist in unserem Leben wie ein Faden, der sich durch all die Jahre hindurchzieht. In diesem Faden gibt es manche Knotenpunkte: das sind die Höhepunkte und auch die Verbindungen mit anderen Fäden, mit anderen Lebensgeschichten und Schicksalen. Keiner lebt ja für sich allein. - Und es gibt bei diesem Faden auch manche unentwirrbaren Knäuel und Verschlingungen. Das sind die Probleme, die Schwierigkeiten, die Punkte, an denen uns Leid, Unglück und Schmerz getroffen hat. Diese Knoten und Knäuel gibt es in unserem ganz persönlichen Leben. Sie gibt es aber auch im Leben der Kirche und der Gemeinde. Die Kirche feiert ein Jahr der Priester, um den Dienst der Priester in den Gemeinden und für die Menschen in den großen Zusammenhang zu stellen, daß Christus selbst bei uns sein will, um unser Leben zu teilen und uns zu Gott zu führen.
Auch unsere Gemeinde hat ihren Faden weitergezogen und manche Höhepunkte erleben dürfen: Ich nenne als Beispiele: (Beispiele aus der eigenen Gemeinde nennen!)
Und manche Fäden wurden ausgezogen, um ein Netz für die Zukunft zu knüpfen: (Beispiele nennen: Neugründung von Gruppen, Wahlen zu Gremien, Neubesetzung von Diensten in der Gemeinde, Bauprojekte …)
Aber auch Knäuel haben sich festgesetzt: Ich denke da vor allem an die Tatsache, daß in unserer Gemeinde die Zahl der Sterbefälle und der Kirchenaustritte zusammengenommen deutlich höher ist als die Zahl der Taufen. Das ist sicher ein schwerer, ein schwierig zu lösender Knoten.
Und im Leben des einzelnen? Da könnte jeder von Höhepunkten im letzten Jahr erzählen, aber auch von Hoffnungen, die enttäuscht wurden, von Plänen, die man nicht ganz verwirklichen konnte. Möchte man da nicht manchmal alles hinwerfen und einfach wieder von vorne anfangen? Das neue Jahr gibt ja ein Stück von dieser Hoffnung: wieder neu anfangen können. Aber ganz so ist es ja nicht. Auch im neuen Jahr sind wir immer noch die gleichen Menschen. Mit unserem Lebensfaden in der Hand. Mit seinen Knoten und Knäueln. Die nehmen wir auch mit. Da möchten wir vielleicht gerne das tun, was der Welteroberer Alexander der Große mit dem sogenannten Gordischen Knoten gemacht hat, als es ihm nicht gelang, ihn zu lösen: Er nahm sein Schwert und haute das Seil einfach durch. Somit war der Knoten los. Das Problem war gelöst.
Aber das Seil war damit auch durch. „Ein zerschnittener Knoten bedeutet immer einen zerstörten Faden“ bemerkt darum eine zeitgenössische Schriftstellerin dazu. Sie meint damit: Es gibt beim Faden unseres Lebens nicht die schnelle Radikallösung. Wir müssen den Faden bis zum Ende mitnehmen, ob wir wollen oder nicht.
Manchmal gelingt es uns ja mit Geduld und Geschick, das Knäuel aufzulösen und den Faden wieder in die richtige Länge zu bringen. Oft ist es gut, dazu andere Mitmenschen zu Hilfe zu nehmen. Viele haben in diesem zu Ende gehenden Jahr einen neuen Anfang gewagt. Da geht es ja auch darum, das Knäuel unserer Schuld zu lösen, ohne Gewalt, ohne Wut, mit Feingefühl und zugleich Gelassenheit.
Das wünsche ich Ihnen allen und auch mir: Daß wir unseren Lebensfaden, den ganz persönlichen und auch den der Gemeinde, in der wir leben, mitnehmen in ein hoffentlich gutes neues Jahr - auch wenn uns mancher Knoten oder mancher Knäuel im Faden stören mag. Die Hauptsache ist doch, der Faden ist ganz. Das ist die Hauptsache. Nur die Fäden und die Seile, die ganz sind, können zu einem Netz werden, das uns weiter trägt.
Und die Knoten und Knäuel? Sie sind kein dumpfes Schicksal! In manchen Darstellungen wird ein Mensch gezeigt, der dabei ist, einen schwierigen Knoten zu lösen: Diesmal ist es nicht Alexander der Große mit seinem Schwert, sondern die Gottesmutter mit ihren geduldigen Händen. Sie kann die schwierigsten Knoten lösen, weil sie die Mutter des Erlösers und die Mutter aller Menschen ist. Wenn wir in ein neues Kalenderjahr eintreten, tun wir das im Blick auf ihre Gegenwart und ihre Fürsprache. Sie ist die Knotenlöserin, unsere Fürsprecherin bei ihrem Sohn Jesus Christus.
von Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2011)
Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist Weihnachten, Geburt des Herrn. Dieses Fest ist im Vergleich zu Ostern von anfänglich geringerer Bedeutung in der Kirche gewesen. Das Urfest der Kirche ist Ostern. Von der Auferstehung Jesu her hat sich der christliche Glaube und auch die Kirche gegründet. Jeden Sonntag feiern wir Ostern. Und das seit Beginn der Kirche.
Das Weihnachtsfest kam erst im 4. Jahrhundert zur Geltung. Das römisch-heidnische Fest des unbesiegbaren Sonnengottes wurde überformt von der Erscheinung Jesu in der Welt, der das wahre Licht der Menschen und der Schöpfung ist.
Dass das Weihnachtsfest bei den meisten Menschen emotional das Osterfest überflügelt hat, hat sicherlich mit dem Hl. Franziskus zu tun. Er bekannte wie alle Christen, dass Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich war. Besonders aber verehrte er die Menschheit Jesu. Im Kind in der Krippe war ihm der Emmanuel, der Gott-mit-uns verstehbar geworden. Im Kind ist Gott uns so nahe gekommen, dass wir DU zu ihm sagen können, ohne Scheu, ganz direkt.
Im Jahr 1223 hat Franziskus Weihnachten in dem Örtchen Greccio im Rieti-Tal in Umbrien gefeiert. Er wollte die Freude der Geburt des göttlichen Kindes in Bethlehem sozusagen "hautnah" erleben, nacherleben. Er sagte: "Ich möchte in voller Wirklichkeit die Erinnerung an das Kind wachrufen, wie es in Bethlehem geboren wurde, und an alle Mühsal, die es in seiner Kindheit erdulden musste. Ich möchte es mit meinen leiblichen Augen sehen, wie es war, in einer Krippe liegen und auf dem Heu schlafen, zwischen einem Ochsen und einem Esel."
Diese Heilige Nacht vor gut 780 Jahren ist die Geburtsstunde der Krippe, so wie wir sie kennen. Auf diese Nacht geht letztlich auch unsere wunderbare Krippenlandschaft hier in Kirchhellen zurück, die so viele Menschen erahnen lässt, dass Gott ein Gott-mit-uns ist.
Von Anfang an gehören also Ochs und Esel zur Krippe dazu. Wie auch hier
in der Kirche.
Wahrscheinlich klang dem Hl. Franziskus bei seiner Idee die folgenden Verse
aus dem Buch Jesaja im Ohr:
Seinen Eigentümer erkennt ein Ochse, ein Esel die Krippe seines Herrn;
Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keinen Verstand.
Die Kirchenväter haben diesen Vers häufig so gedeutet: Juden und
Heiden, alle Menschen waren wie Ochs und Esel. Das Kind in der Krippe hat
ihnen aber die Sinne geöffnet: sie konnten ihren Eigentümer nun
mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören: Gott ist nicht mehr
weit weg. Irgendwo in himmlischen Sphären. Gott ist Mensch und schaut
mich mit Kinderaugen an.
Ochs und Esel gelten nicht gerade als die feinsten und klügsten Tiere.
Der Ochse ist eher träge und auch ein bisschen tumb, der Esel störrisch
und dumm.
Und dennoch, sie sind bei Jesus, sie erkennen ihn als Gott. Die meisten Krippendarstellungen
geben den beiden Tieren auch fast schon menschliche Gesichter, die uns wissend
anschauen.
Seinen Eigentümer erkennt ein Ochse, ein Esel die Krippe seines Herrn;
Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keinen Verstand.
Diese Verse können uns allen hier eine Mahnung und auch ein Trost, ja
eine Ermutigung sein.
Denn nicht die weisen Schriftgelehrten Israels auch nicht der mächtige
und reiche König von Jerusalem hatten Erkenntnis, obwohl sie es doch
eigentlich hätten wissen müssen.
Deshalb fragen ja auch die Weisen aus dem Morgenland im Palast nach, was es
mit dem Stern und der Geburt des Kindes auf sich haben möge.
Nein, ausgerechnet Ochs und Esel, die ja nicht gerade als Intelligenzbestien oder edle Tiere gelten, haben Erkenntnis. Sozusagen von Natur aus haben sie den Messias, den Gottessohn erkannt, ihren Herrn. Da, wo sie sind, sind auch die schlichten Hirten, das einfache Paar Maria und Josef, nicht die Mächtigen und Renommierten, die Reichen.
Ochs und Esel mahnen deutlich: da wo Menschen zu sehr auf sich selbst vertrauen,
auf ihre Fähigkeiten, ihre Möglichkeiten, ihre Macht und ihren Reichtum,
wo sie all das an die Spitze ihres Lebens setzen, sehen sie das Wesentliche
nicht, geht ihnen das Entscheidende verloren. Geht auch vieles zugrunde.
Das haben wir in diesem Jahr wieder leider merken müssen: Die Paläste
der Banken und Mächtigen sind auf den Treibsand von Überschuldung
und Geldgier gebaut worden. Nun stehen einige Staaten vor dem Bankrott. Und
viele müssen darunter leiden.
Die Natur im Griff zu haben, meinten auch die Ingenieure von Fukushima. Technischer
Hochmut und die damit verbundene Schlampigkeit führten zur Katastrophe.
Mit Taschenlampen und in Plastiktüten gehüllten Schuhen traten sie
den Folgen des GAUs entgegen, sozusagen nackt.
Die, die sich groß dünken und klug, stehen nun dumm da wie die
Ochsen und wollen leider ihre Fehler wie störrische Esel nicht einsehen.
Seinen Eigentümer erkennt ein Ochse, ein Esel die Krippe seines Herrn.
Auch wir stehen manchmal in unserem Leben wie der Ochs vorm Berg, wissen nicht
wie es weitergehen soll: nach dem Tod eines lieben Menschen, beim Streit in
der Familie, unter dem Druck der Arbeit, nach der niederschmetternden Diagnose...
Und wir begehen in unserem Leben manche Eselei, kleine Fehler und große
Sünden. Wissentlich und unwissentlich.
Doch gerade Ochs und Esel gehören seit Anfang an zur Krippe dazu. Eben
diejenigen, die vor Problemen stehen, leiden müssen, die manchmal orientierungslos
sind und handeln, suchen die Nähe des göttlichen Kindes.
Eben diese Menschen spüren in ihrem Leben, dass sie alleine es nicht
meistern können trotz aller Fähigkeiten und Begabungen.
Sie spüren, dass sie die Stimme ihres Eigentümers hören müssen
- zur Orientierung und zum Trost, zur Ermutigung. Sie merken, dass sie aus
der Futterkrippe ihres Herrn Nahrung benötigen, die stärkt.
Deshalb dürfen wir wie Ochs und Esel die Nähe Gottes suchen. Er sucht ja auch die unsrige, sonst wäre er nicht Mensch geworden. Er ist sich nicht zu schade, sich mit uns Ochsen und Eseln abzugeben. Er ist der Gott-mit-uns. Und wir brauchen uns nicht zu schämen, dass wir ihm nicht viel bieten können. Ihm reicht es, dass wir da sind. Wir müssen ihm nichts beweisen.
Auch im Stall waren Ochs und Esel nur da. Einfach da. Gerne hat das Kind
ihre Gegenwart genossen. Vielleicht haben ihre Körper den kalten Wind
im zugigen Stall abgehalten und ihr Atem das Kind gewärmt.
Ich bin davon überzeugt, wenn wir uns einfach nur einmal so in die Kirche
setzen und beten, eine Kerze anzünden, einfach da sind, wo ER ist - das
ist er im Tabernakel - ihm, wenn man so will, Gesellschaft leisten, dann erfreuen
wir Gott. Und wir uns an seiner Gegenwart.
Wie schön wäre es, wenn dieses Weihnachtsfest uns alle motivieren würde, häufiger Christus in der Kirche zu grüßen - auch nur auf dem Sprung, ohne großen Aufwand. Das zu tun, ist auf jeden Fall mein Vorsatz auch für das kommende Jahr.
Seinen Eigentümer erkennt ein Ochse, ein Esel die Krippe seines Herrn.
Die beiden schauen auf das Kind, das in der Futterkrippe liegt. In ihrer Futterkrippe.
Jesus ist nun ihre Nahrung.
Bethlehem - das heißt "Haus des Brotes".
Dieser Jesus hat sich kleingemacht als Kind in der Krippe. Er macht sich klein
in der Hostie auf dem Altar.
Gottes Sohn in der Krippe bietet sich gleichsam der Welt als Nahrung. Auf
dem Altar schenkt sich Gott uns als Nahrung, die zum wahren Leben führt,
in der Kommunion.
Mit Leib und Blut sehen wir in der Krippe und auf dem Altar. Für uns.
Der Gott-mit-uns.
Mit Leib und Blut hat er sich in diese Welt hineingegeben, mit Fleisch und
Blut sich hingegeben am Kreuz. Und er ist auferstanden.
Das Holz der Futterkrippe und das Holz des Kreuzes sind das Material aus dem
unsere Erlösung geschnitzt ist.
Weihnachten und Ostern kommen so in jeder Heiligen Messe zusammen.
Jede Heilige Messe ist wie Ostern und Weihnachten zusammen. Also besuchen
wir sie.
Weihnachten und Ostern gehören zusammen. Lassen sie uns als österliche und weihnachtliche Menschen leben, als Menschen, die wissen, Gott ist mit uns und für uns. Gerade da, wo wir wie ein Ochs vorm Berg stehen oder Eseleien vollbracht haben.
von Manfred Stücker (erstellt: 2011)
Das Wasser des Lebens
Das kleine Kind, das vor der Geburt im Mutterschoß alles empfängt, was sein Leben erhält, das im wärmenden und schützenden Wasser geborgen ist, ist von alters her Bild und Gleichnis für die Menschheit selbst. Und wir glauben heute, an diesem Weihnachtsfest, daß Jesus, das kleine Kind in der Krippe, mit seinen kleinen Armen die ganze Menschheit umfängt und auf seine kleinen und zarten Schultern die Schuld der Welt auf sich nimmt. Ist das denn wirklich zu glauben? Ist das nicht ein zu großer, ja ein unfaßbarer Gedanke? Das Weihnachtsfest bildete sich aus in einer Zeit, in der die Kirche das Bekenntnis zu Christus, dem Sohn Gottes, neu reflektieren und neu festigen mußte. Christus ist uns geschenkt, daß er den Tod besiegt und uns in seiner Auferstehung neues und unvergängliches Leben in Gott schenkt. Er hat die verschlossenen Tore des Paradieses geöffnet und unser sterbliches Dasein von innen her erneuert und verwandelt, durch die Hingabe seines Lebens an den Vater. So ist Ostern das erste und eigentliche Fest der Christen, das Fest aller Feste, der Grund unserer Hoffnung, die Mitte und das Ziel unseres Glaubens.
Doch wie kann das sein, daß Gott, der doch einer ist, einen Sohn haben soll, der von einer einfachen Frau, von Maria aus Nazareth, geboren wird und als Mensch unter den Menschen lebt? Ist das nicht ein Widerspruch, daß Gott zugleich als Mensch geboren wird, fühlt, empfindet, leidet? Wie kann das sein? Weihnachten lehrt uns, an einen Gott zu glauben, der die Überraschung liebt. – Oder besser gesagt: der uns mit dem Erfindungsreichtum seiner Liebe immer neu überrascht. Weihnachten, so haben uns schon die Kirchenväter und Theologen der frühen Kirche zeigen wollen, will uns helfen, Gott nicht nach unseren Vorstellungen und Maßstäben zu denken, sondern sich einfach von ihm beschenken zu lassen. Weihnachten ist das Fest, an dem wir bekennen, daß der unsichtbare, unendlich große Gott sich unfaßbar klein und gering gemacht hat. Aus der unerreichbaren Höhe seiner Herrlichkeit, aus dem wunderbaren Licht des Himmels kommt er in die Dunkelheit unserer Erde, in das Elend unseres sterblichen Lebens. Wie tut Gott das? Wie schlägt er zu uns die Brücke? Wie kommt er aus der Ewigkeit, die doch unzugänglich ist, in unsere Zeit hinein? Auf diese Frage antwortet der Glaube mit dem Bekenntnis zu Jesus, der in seiner Person Gott und Mensch ist, als Gott Licht vom Licht vor aller Zeit, als Mensch in der Zeit geboren von Maria, der Jungfrau, er ist eins mit Gott, dem Einen, den er uns offenbart und verkündet als den liebenden Vater aller Menschen.
So kommt Gott dem Menschen unendlich nahe. So ist Gott in uns Menschen, so umfaßt und umfängt er unser ganzes Dasein. Aber ist das nicht alles immer noch unbegreiflich? Wie können wir von diesem einen Menschen, Jesus, behaupten und bekennen, in ihm sei Gott am Werk, in ihm erlöse er alle Menschen von ihrem Dasein im Schatten, in ihrer unendlichen Entfernung vom wirklichen Leben? Schauen wir noch einmal auf das Geheimnis der Geburt eines Menschen: Es ist wirklich ein Geheimnis, was sich da abspielt. In der Entstehung, in der Geburt eines kleinen Menschenkindes ist der Mikrokosmos, in dem der Mensch zu seiner Geburt heranwächst, ein Abbild des Makrokosmos, der Schöpfung Gottes. Das Fruchtwasser, in dem das Baby schwimmt, ist Urflut und Wasser, aus dem das Leben kommt. Die Wissenschaft sagt uns, daß die Zusammensetzung des Fruchtwassers ganz ähnlich ist wie der chemische und biologische Aufbau der Weltmeere. Alles Leben kommt aus dem Wasser, so sagen uns die Biologen, die das Entstehen des Lebens erforschen: Im Heranwachsen und in der Geburt eines Kindes wiederholt sich im Kleinen, was Gott als seinen Lebensplan in die große Schöpfung hineingelegt hat.
Für das Baby im Mutterschoß ist die Gebärmutter die schützende Höhle, sein bergendes Zuhause, in dem es alles Nötige bekommt und das er gar nicht verlassen kann und will, zumindest nicht für neun Monate lang. Wehe, wenn dieses Zuhause bedroht wird! Wehe, wenn durch Untersuchungen auf Krankheiten und Behinderungen hin, auf Geschlecht oder mögliche Fehlbildungen, das Leben in Frage gestellt wird! Wohin könnte der Ungeborene sich flüchten? An wen kann er sich wenden? Wer hört seine Bitten, seinen Wunsch nach Leben? Der Mutterschoß ist auf dieser Erde zum gefährdetsten Ort für den Menschen geworden. Wo die Achtung vor der Heiligkeit des Lebens vor der Geburt nachläßt, da wird sie auch nachlassen, wenn es um das Leben nach der Geburt geht, vor allem auch um das Leben vor dem Sterben. Das ungeborene Kind hat aber eine vielgestaltige Verbindung zur Welt: Die Nabelschnur ist die Verbindung zum „Himmel“ des kleinen Kindes, sie ist für ihn die Quelle aller Wohltaten, von ihr empfängt das Kind alle nötigen Gaben, um zu überleben. Zugleich ahnt das Kind schon etwas von der Größe und Weite der Welt, die es umgibt, es nimmt ein schwaches Licht wahr, es hört Stimmen und Musik, es fühlt, wenn der Bauch gestreichelt wird, es spürt die Bewegungen der Mutter.
In diese wunderbare Welt geht Jesus in seiner Menschwerdung hinein und erfüllt den Mikrokosmos des Ungeborenen mit seiner göttlichen Gegenwart und Liebe. Was für ein Geheimnis! Was für ein wunderbarer Gedanke! So geschieht Erlösung! Gott, der den Kosmos geschaffen hat und in seinen Händen hält, er macht den Mikrokosmos des Menschen zu seiner Heimat und zum Ort seiner Offenbarung. Wir können nur staunen über soviel Demut, wir können nur anbeten und dankbar sein über diesen Erfindungsreichtum der Liebe Gottes. Weihnachten schenkt uns einen neuen Blick für das Geheimnis Gottes und zugleich das Geheimnis des Menschen. Seit Weihnachten läßt sich beides nicht mehr voneinander trennen: denn Gott ist einen Bund mit uns Menschen eingegangen, den kein Mensch mehr auflösen kann. Im Lebensweg eines jeden einzelnen Menschen will Jesus gegenwärtig sein und mitgehen. Wieviel Ehrfurcht müssen wir deswegen vor dem Leben haben! Vor dem ungeborenen Leben, vor dem Leben in jeder Phase seiner Existenz! Das Leben der Schwächsten, das Leben der Ungeborenen, der Kranken, der Alten, der Behinderten: es ist heilig, denn Jesus ist in jedem dieser Menschen gegenwärtig.
Anm.: Die Anregung zu dieser Predigt kommt aus einem Artikel von Roland W. Moser, Vorgeburtliche Geborgenheit, PUR-Magazin 12/2011, 20-21, aus der einige Formulierungen wörtlich übernommen sind.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2010)
Das Weihnachtsfest, liebe Schwestern und Brüder, ist einmal das Fest der Kinder par exelance gewesen. Das war es einmal. Natürlich strahlen die Kinderaugen auch noch heute. Mir scheint nur, dass es nun hauptsächlich ein Fest für Erwachsene geworden ist. Das sieht man an den Regalen, den Schaufenstern, den Anzeigen und Werbeblättern.
War es früher die Freude der Großen, die Kleinen zu beschenken, so meine ich feststellen zu müssen, dass es heute hauptsächlich darum geht, dass Erwachsene sich gegenseitig eine Freude machen.
Das liegt wahrscheinlich daran, dass immer mehr Erwachsene keine Kinder kennen, die sie beschenken könnten. Darauf hat der fast alles regierende Markt reagiert.
Unser Land – wie viele andere in Westeuropa auch – hat immer weniger Kinder. Das ist so und wird auch erst einmal so bleiben.
Deutschland vergreist. Kindertagesstätten werden nicht nur wegen der Kosten reihenweise geschlossen. Es gibt schlicht zu wenig Kinder.
Das ist der Politik mittlerweile auch aufgefallen, nachdem der drohende Kollaps der Sozialsysteme von niemanden mehr übersehen werden konnte. Kinder zu kriegen ist zu teuer geworden. Das ist eine der immer wieder angefügten Begründungen des Kindermangels. Aber war das früher anders? Waren Kinder nicht immer teuer, eine finanzielle Belastung? Reiche Länder müssten dann doch eigentlich eher mehr Kinder haben als ärmere? Aber dem ist ja nicht so.
Mütter können den Beruf und die Kindererziehung nicht mehr in Einklang bringen. Ein weiteres vielzitiertes Argument. Deshalb unternimmt man viele Anstrengungen Kindergarten- und Krippenplätze zu vermehren und flexibler zu gestalten. Als Träger von vier Kindertageseinrichtungen weiß unsere Pfarrei, was das heißt. Diesen Dienst wollen wir wohl zur Unterstützung der Familien gerne tun.
Dabei kommen mir aber manchmal Zweifel, ob es dem Großteil der Lösungsansätze wirklich um die Kinder geht. Wichtiger scheinen hier wohl die Belange der Wirtschaft zu sein. Frauen sollen frei sein, um im Berufsleben das Bruttosozialprodukt anzukurbeln. Nichts dagegen.
Nur wenn in einer Gesellschaft als Arbeit ausschließlich anerkannt wird, was auch Geld einbringt, jeder Ansatz zur Entlohnung von Familienarbeit aber mit Schlagworten wie "Herdprämie" oder "Heimchenbonus" abzutöten versucht wird, kann es jedenfalls nicht weit her sein mit einer Wertschätzung von Familie. Und dass Menschen, die eben darauf hinweisen – manchmal auch ungelenk oder provokativ – dass solche Menschen in den Medien mit Dreck beworfen, als unsäglich altmodisch .
Wirtschaftliche und gesellschaftliche Hemmnisse gibt es. Und sie haben ihre Auswirkung auf die Zahl der Kinder. Sicherlich. Aber Probleme dieser Art gab es immer. Elterngeld allein bringt noch keine größere Geburtenziffer, wie die Regierung vor kurzem feststellen musste.
Medizinisch werden die Kinder in unserem Land wie kaum in einem anderen sehr gut betreut. Die Sterblichkeitsrate bei Kindern ist hierzulande gering. Die Abtreibungsrate nach wie vor hoch. Laut Statistischem Bundesamt immer über 110.000 Kinder seit Jahren (also ungefähr einmal ganz Bottrop) und das bei einer hohen Dunkelziffer. 40 Prozent der abtreibenden Frauen waren verheiratet, über 95 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche folgten nach der obligatorischen Beratung.
Das Problem scheint tiefer zu liegen.
Es ist der Mangel an Hoffung verbunden mit dem, was das mit sich bringt: der Verlust an Vertrauen in die Zukunft, Lebenskraft, Kreativität, Poesie und Lebensfreude.
So wie die Ehe ein Akt des Vertrauens, des Sich-Trauens ist, so ist das Kinderkriegen vornehmlich ein Akt der Hoffnung. Hoffnung auf Zukunft für die Welt, in die hinein die Kinder geboren werden.
In diese Welt kann man doch keine Kinder mehr setzten – So sagen viele und denken dabei an Kriege, Klimakatastrophe, globalisierter Ungerechtigkeit. usw. Viele haben keine Hoffnung für diese Welt mehr.
Und tatsächlich, wer seine Hoffnung allein in diese Welt setzt, der wird bald keine Hoffnung mehr für diese Welt haben. Der wird resignieren, stagnieren, leblos die Hände in den Schoß fallen lassen. Hoffnung für die Welt trägt nur der in sich, der seine Hoffnung nicht in die Welt setzt, sondern auf deren Schöpfer.
Gott kennenlernen – den wahren Gott, das bedeutet Hoffnung empfangen.
schreibt Benedikt XVI in seiner Enzyklika „Spe salvi“ – Auf Hoffnung hin. Und damit ist er am Puls der Zeit.
Der Glaube schenkt Hoffnung, weil er uns über diese Welt hinaushebt. Wieder der Papst:
Nicht die Elemente des Kosmos, die Gesetze der Materie, herrschen letztlich über die Welt und über den Menschen, sondern ein persönlicher Gott herrscht über die Sterne, das heißt über das All; nicht die Gesetze der Materie und der Evolution sind die letzte Instanz, sondern Verstand, Wille, Liebe – eine Person. Und wenn wir diese Person kennen, sie uns kennt, dann ist wirklich die unerbittliche Macht der materiellen Ordnungen nicht mehr das Letzte; dann sind wir nicht Sklaven des Alls und seiner Gesetze, dann sind wir frei. ...
Das Leben ist nicht bloßes Produkt der Gesetze und des Zufalls der Materie, sondern in allem und zugleich über allem steht ein persönlicher Wille, steht Geist, der sich in Jesus als Liebe gezeigt hat.
Wer Hoffnung hat, lebt anders, dem ist neues Leben geschenkt worden. Und deshalb vermag er auch neues Leben zu schenken. Aus den Kindern blicken uns nicht nur hoffnungsvolle Augen an, sondern die Hoffnung selbst.
In den Schriften Charles Peguy gibt es eine schöne Stelle – ich habe sie leider nicht mehr so schnell gefunden – darin beschreibt er Glaube, Hoffnung und Liebe wie drei Schwestern, die sich an den Händen haltend einhergehen. In der Mitte ist die Hoffnung. Ein kleines Kind, das die anderen beiden größeren Geschwister zieht. Wenn die Hoffnung stehen bleibt, bleibt alles stehen, heißt das.
Kinder sind Hoffnung. Wo wenig Kinder sind, ist wenig Hoffnung.
Liebe Schwestern und Brüder,
wir haben als Christen Hoffnung. Denn wir feiern heute die Geburt eines Kindes – Gottes Sohn Jesus Christus strahlt uns mit seinen hoffnungsfrohen Augen an. Gott hat Hoffnung für uns, für diese Welt.
Diese Hoffnung ist kein billiger Optimismus, keine Vertröstung nach dem Motto: Wird schon irgendwie.
Diese Hoffnung ist angefochten – am Kreuz schien sie sogar besiegt zu sein – aber sie ist unsterblich, ewig nicht zerstörbar, weil sie die Welt und ihre Schrecken besiegt hat.
Das göttliche Kind in der Krippe ist der Hoffnungsträger – keine politischen Parteien, Ideologien oder esoterische Ersatzreligionen.
Unsere Hoffnung könne wir stärken – gerade auch in der Anfechtung – wenn wir auf das Kind in der Krippe schauen. Die Umstände seiner Geburt waren alles andere als ein hoffnungsvoller Einstieg in die Welt. Statt eines staatlich mitfinanzierten Krippenplatzes hatte Er nur in einer ärmlichen Krippe Platz.
Es gilt, auf dieses Kind zu schauen, mit ihm zu sprechen, auf ihn zu hören, zu beten – dann wird die Hoffnung in uns wachsen.
Das Gebet ist die Schule des Hoffens.
Pflegen wir das Gebet. Persönlich.
Aber auch besonders in der Familie zu Hause. Unsere Hoffnung reicht weiter, wenn wir nicht nur an Weihnachten beten und zur Kirche gehen.
Liebe Schwestern und Brüder.
Weihnachten war das Fest für die Kinder. Kinder sind unsere Zukunft, sind Zeichen der Hoffnung, das alles gut wird und Gott uns trägt und lenkt.
Weihnachten ist das Fest des göttlichen Kindes, das uns reich beschenkt. Es sagt uns ohne Worte: Gott hat Hoffnung für euch und diese Welt.
Dieses Kind streckt uns die Hände entgegen. Ergreifen wir sie und lassen uns von diesem Kind ergreifen.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Die Sportnachrichten dieser Tage sind voll von Wintersport. Die alpinen Weltmeisterschaften sind beendet, da geht es schon mit den nordischen Disziplinen weiter. Auch die Biathleten kämpfen um Gold, Silber oder Bronze. Für diese Medaillen verlangen sich die Sportler sehr viel ab. Ohne ein hohes Maß an Selbstüberwindung und Teamgeist bleibt der erhoffte Erfolg aus. Schon lange vor der eigentlichen Saison bereiten sich die Athleten vor. Meist ziehen sie sich in Trainingslager zurück.
Häufig kämpfen die Wintersportler noch um Ehre und Preisgelder, während mit dem Aschermittwoch die Trainingszeit der Christen beginnt: die Fastenzeit. Ihr Vorbild ist die Zeit Jesu in der Wüste, sein ganz persönliches Trainingslager, wenn man so will.
Das Aschekreuz auf der Stirn ist sozusagen der Startschuss. Ziel ist es aber nicht, Ruhm oder Medaillen oder Pokale zu erringen, sondern fit für Ostern zu werden.
Wie im Trainingslager der Sportler ein genauer Plan vorliegt, was alles angegangen werden muß – Kondition, Schnelligkeit, Sprung- oder Schießtechnik – so legt das Evangelium vom Aschermittwoch (Mt 6, 1-6.16-18) die drei Bereiche fest, in welchen der Christ seine Werte verbessern möchte: Almosen, Gebet, Fasten. Und so umfasst sein Trainingsplan die drei Grundbeziehungen des Menschen: zum Nächsten, zu Gott und zu sich selbst.
Wer Almosen gibt, also etwas von dem Seinigen abgibt, der öffnet sich
auf den Nächsten hin, der denkt nicht nur an sich. So wird der Christ
zu einem guten Teamplayer, der nicht engstirnig auf seinen Ruhm aus ist, sondern
den Erfolg der ganzen Mannschaft im Blick hat. Selbstverständlich ist
er den Mitstreitern gegenüber auf Fairplay bedacht.
Almosen geben kann dann heißen, dem anderen, der in Not ist, durch eine
Spende zu helfen. Oder dem anderen ein Lächeln zu gönnen, der gerade
schlecht gelaunt ist. Oder ihm etwas vom Wertvollsten zu schenken, das er
hat: Zeit. Gerade die österliche Bußzeit lädt uns ein, Kranke
und Einsame zu besuchen, mehr Zeit mit der Familie oder Freunden zu verbringen.
Das Gebet ist – wenn man so will – das ‚mentale Training‘ des Christen. Im Fernsehen sieht man immer wieder, wie in sich versunkene Rodler im Geiste die Strecke abfahren, die vor ihnen liegt. So ist der Sportler in der Lage, die Ideallinie zu verinnerlichen. Im Gebet können wir unseren Alltag vor Gott bringen, mit ihm den besten Weg für unser konkretes Leben suchen und finden. So wie der Rodler sich die kleinsten Unebenheiten und die schwierigsten Kurven merkt, darf der Christ alles mit Gott besprechen – das Große und Kleine, das Schöne und Schwere. Eine feste Zeit und einen festen Ort für das Gebet in der Fastenzeit zu finden, ist sinnvoll. Auch der Sportler zieht sich für das mentale Training vom ganz großen Rummel um ihn herum zurück. Der Anbetungstag an diesem Sonntag ist da eine gute Gelegenheit. Aber auch einfach zwischendurch die Kirche aufzusuchen, ist da sinnvoll.
Ein Sportler kann nicht gewinnen, wenn er sich selber nicht besiegt. Ohne Selbstüberwindung geht kein Konditionstraining.
Auch dem Christen geht innerlich die Puste aus, wenn er stets nur das tut,
was ihm gerade gefällt. Wer sich nur von seinen Neigungen oder Trieben
bestimmen lässt, der wird träge und antriebslos. Dagegen hilft das
Fasten. Wer fastet, verzichtet auf etwas, das ihm lieb geworden ist –
z. B. die Flasche Bier am Abend – oder er kämpft gegen etwas, das
er besser lassen sollte – das kann auch die Flasche Bier am Abend sein.
Durch das Fasten werden wir wieder Herr im eigenen Hause, handeln wir, statt
uns treiben zu lassen.
Sicher verlangt auch das kleinste Fastenopfer immer wieder Anstrengung. Aber
sie lohnt sich. Nicht nur für den, der fastet. Das Fasten kann auch für
andere fruchtbar werden: Das kleine Opfer kann ich Gott als ein Gebet für
bestimmte Personen und deren Anliegen schenken.
Ohne Training kein Sieg. Sportler wissen aber auch, dass es viele andere
Umstände gibt, die den Ausgang des Wettkampfs bestimmen, Dinge auf die
sie keinen Einfluss haben.
Da sind die Windverhältnisse an der Sprungschanze, die Stimmung im Stadion
oder an der Strecke, die Tagesform, das Material der Skier.
Auch der Christ weiß, dass er ein geistliches Leben einüben muss,
damit er innerlich reifen kann. Aber das Entscheidende hat er nicht in der
Hand: die Gnade Gottes.
Und das Tröstliche ist, dass die Gnade Gottes für uns beständig
da ist. Sie ist nicht wechselhaft wie der Wind oder das Wetter. Als Christen
leben wir immer unter den besten Bedingungen. Wir können eigentlich nicht
verlieren, wenn wir wirklich trainieren, weil Jesus für uns schon alles
gewonnen hat. Am Kreuz hat er uns erlöst. Sein Ostersieg ist der entscheidende
für unser Leben.
Die Fastenzeit hilft uns, ihm zu folgen. Er erwartet uns schon voll Freude
am Ziel. Er wird uns keinen Pokal aus Metall überreichen. Sein Siegespreis
ist die Erlösung zum ewigen Leben. Sich dafür in der österlichen
Bußzeit etwas ins Zeug zu legen, lohnt sich.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Tannenbäume liegen auf der Straße zum Abholen bereit, der
Weihnachtsfestkreis ist offiziell mit dem vorigen Sonntag „Taufe des
Herrn“ abgeschlossen.
In den Kaufhäusern wird für Karneval umgerüstet, und nach den
Festtagen hat auch uns der Alltag wieder.
Und Alltag scheint auch beim Täufer Johannes zu herrschen. Wie jeden
Tag tauft er die Umkehrwilligen im Wasser des Jordans. Die Menschen kommen
in Scharen. Sein Wort spricht sie an. Einige sind sogar seine Jünger
geworden und leben eine Zeit lang bei ihm, um von ihm zu lernen.
Auch an diesem Tag, über den das heutige Evangelium berichtet, sind Jünger
in seiner Nähe. Zwei stehen direkt neben ihm.
Wahrscheinlich kümmern sie sich um die Ordnung des Besucherstromes und
assistieren bei den Taufhandlungen.
Doch ganz plötzlich ist es vorbei mit der Routine.
Im Evangelium heißt es dazu nur kurz:
„Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn
und sagte: Seht, das Lamm Gottes!“
Jesus ging also vorüber. Er war unterwegs. Es klingt so, als habe er
nicht die Absicht, dort anzuhalten. Er ging vorüber. - Merkwürdig!
Wer den weiten Weg durch diese Wüstenlandschaft macht, der hat normalerweise
ein Ziel und auch Zeit für einen Stopp und ein Gespräch.
Hier in dieser Einöde ist weit und breit doch nichts – außer
Johannes
und den Pilgern auf dem Weg. Was will uns das heutige Evangelium
also mit dieser Detail-Information erklären?
Jesus ist in Sichtweite, aber er kommt niemand zu nahe. Er ist zwar
der weitaus Größere im Vergleich zu Johannes dem Täufer, aber
er ist nicht sein Konkurrent. Er nimmt ihm nichts weg. Er signalisiert Johannes
nur: Wie du siehst, bin ich jetzt da. Ich bin jetzt bereit für meine
Aufgabe. Ich dränge mich aber bei dir nicht auf. Entscheide du, wie du
darauf reagieren willst!
Und nun sehen wir die innere Größe unseres Pfarrpatrons:
Er bindet seine Jünger nicht an sich, in die er so viel Zeit und Energie
gesteckt hat. Nein, er weist sie hin auf Jesus und lässt sie frei, lässt
sie gehen.
Er muss nicht sein Ego pflegen, sein Ansehen bei den Leuten. Er will nur Bote
und Herold sein für den König, der da kommt. Dafür lebt und
stirbt er. Für das Lamm Gottes lebt und stirbt er.
Und dann beginnt für die beiden Jünger, Andreas und Johannes, das
Abenteuer, Christus zu folgen. Für beide hieß Nachfolge damals
ganz ursprünglich: hinter Jesus herlaufen, ohne mehr zu wissen, als dass
man geschickt worden ist.
Und als er sie entdeckt und sie bei ihm bleiben wollen, setzt Jesus sich nicht
hin und breitet ein Missionskonzept aus oder hält einen Vortrag darüber
welchem Anforderungsprofil seine Jünger entsprechen müssen.
Nein. Schlicht ist die Antwort: Kommt und seht!
Nur wer mitgeht, wird sehen, wer Jesus ist, dass er das Lamm Gottes ist.
Und das wird bestätigt: Die Jünger gingen mit, sahen und blieben.
Liebe Schwestern und Brüder,
diese Berufungsgeschichte der ersten beiden Jünger ist mir sehr kostbar,
weil sie immer wieder neu zu mir spricht. Und mich so manches inne werden
lässt.
Mir wird beim Lesen immer wieder deutlich, dass der Glaube nicht das Fürwahrhalten von Dogmen oder eine Ansammlung von Geboten ist, sondern ein Weg. Christsein ist ein Christwerden, ist ein Jesus nachgehen, ohne zu wissen, was einen erwartet.
Und da gibt es Momente, wo es mir leicht fällt, manchmal falle ich hin
und meistens stolpere ich Jesus hinterher. Aber ich bin hinter ihm. und weiß
ihn vor mir.
Das, was für den einzelnen gilt, gilt auch für die Kirche als Ganze
und auch für unsere Gemeinde: Es gibt kein anderes Konzept, als hinter
ihm her zu gehen, ihn im Blick zu halten. Und gerade deshalb ist die Feier
der Eucharistie so wichtig.
Denn hier hören wir den Ruf: Seht, das Lamm Gottes. Und wir sehen es dann in den Händen des Priesters und können uns so neu ausrichten. Auf IHN hin.
Seht, das Lamm Gottes – Diesen Ruf können wir auch umsetzten, indem wir uns immer wieder in einer Kirche vor dem Tabernakel hinknien oder in die Anbetung gehen. Dann kommen wir zu ihm und sehen, wo er wohnt. Und wir spüren, dass wir bleiben möchten, weil bei ihm sein einfach Trost und Kraft spendet. Aber das spüre ich nur, wenn ich es wirklich tue. Nicht, wenn ich darüber rede oder daran denke.
Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte:
Seht, das Lamm Gottes!
Als Jesus VORÜBERGING – sozusagen im Vorbeigehen geschieht das
Große.
Nicht nur in der Liturgie, auch im ach so flüchtigen Alltag können
wir Jesus begegnen, taucht er auf, ohne sich aufzudrängen. Und da bedürfen
wir oft eines Täufers Johannes, der uns die Augen öffnet und sagt:
Seht, das Lamm Gottes!
Bitten wir unseren Pfarrpatron darum, dass unsere Gemeinde immer wieder auf
das Lamm Gottes, auf IHN hinweist, andere das Eigentliche, das zählt,
vor Augen führt.
Und bitten wir unseren Pfarrpatron darum, dass wir selber Menschen finden
und einander solche Menschen werden, die im richtigen Moment ein Ereignis
aufschlüsseln, damit wir den vorbeigehenden Jesus nicht verpassen.
Ich bin sicher, wenn wir Christus, das Lamm Gottes, im Gottesdienst und in der Anbetung immer wieder aufsuchen, werden wir ihn immer öfter und unerwarteter entdecken.
Es Cristo que pasa – heißt eine Predigtsammlung des Heiligen Josefmaria, die mir sehr wichtig geworden ist, die viel von den kleinen Dingen, der Arbeit, den menschlichen Tugenden und Schwächen, der Familie, der Freundschaft spricht.
Es ist Christus, der vorübergeht.
Heiliger Johannes der Täufer, hilf mir ihn zu entdecken. Immer neu.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Liebe Schwestern und Brüder,
Und die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der göttliche Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.
Das Wort „betroffen“ in der Einheitsübersetzung ist allerdings
sehr schwach. Es erinnert mich immer an das „Betroffenheitsgedusel“
einiger Kreise in den 80er und 90er Jahren, wo jeder und jede über alles
irgendwie ein Stück weit betroffen war.
Die Lutherübersetzung ist hier kräftiger: „Und sie entsetzten
sich“ heißt es da immer wieder, statt „sie waren betroffen“.
Man kann das Wort auch mit „erschrocken“ übersetzen. Das
heißt,
durch die Schrifterklärung Jesu wurde den Menschen mit einem Schlag bewusst,
wie lebendig Gottes Wort ist.
Es ist nicht nur religiöser Zuckerguß auf Kalenderblattniveau.
Es geht tiefer, erschüttert Mark und Bein, wenn man es an sich heranläßt.
Und es ist wirkmächtig.
Dass es eben bei Jesus nicht nur um schöne Worte und nette Sprüche geht, wird dann drastisch nach seiner Predigt deutlich.
In ihrer Synagoge saß ein Mann, der von einem unreinen Geist besessen
war.
Besessener - Dieser Mann ist ein Gefangener. Er ist unberechenbar in der Gewalt
anderer, hat keine Gewalt mehr über sich selbst. Er ist nicht mehr sein
eigener Herr.
Aber was ist da bloß in ihn gefahren? - Als Jesus in seine Nähe
kommt, wird das offensichtlich. Allein die Nähe Jesu wirkt für die
Besatzungsmächte dieses Kranken so bedrohlich, dass sie heftige Reaktionen
zeigen.
Es schreit laut aus dem Mann heraus, wie die Warnung eines in die Enge getriebenen
Wesens: „Hau bloß ab, komm mir nicht zu nahe!“
Im Evangelium ist das so formuliert: „Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen?“
Jesus und die Menschen in der Synagoge hören also, dass da Kräfte am Werke sind, die keineswegs dumm sind. Im Gegenteil, sie sind bestens informiert. Jesus wird ganz korrekt mit „Jesus von Nazaret“ angesprochen. Aber die pure Angst spricht aus der Nachfrage, wozu Jesus gekommen ist.
Was die Menschen ringsum noch nicht erkannt haben, das haben ausgerechnet
diese Mächte längst kapiert: In Jesus begegnet ihnen gerade in diesem
Augenblick derjenige, den sie respektvoll als den „Heiligen Gottes“
betiteln.
Die dunklen Mächte erkennen also die Heiligkeit des Gottessohnes, sie
wissen sehr wohl, dass er der Messias ist. Aber wie man sehen kann, führt
das keineswegs zu freiwilliger Umkehr und zum Glauben, sondern trotz dieses
Wissens lehnen sie Jesus als ihren Herrn und Meister ab.
Da mag vielleicht manch einer denken: Ach, so ist das eigentlich auch bei vielen modernen Menschen, die genug über Jesus wissen, aber ihm noch lange nicht nachfolgen wollen.
Jedenfalls signalisieren die Kräfte, die diesen Mann besetzt und in ihrer Gewalt haben, dass sie diesen Menschen nicht kampflos aufzugeben gedenken. Sie pokern ganz schön hoch und suchen mit lautem Getöse die direkte Auseinandersetzung mit Jesus: „Was haben wir mit dir zu tun…?“ - so schreien sie ihn an.
Das soll heißen: Was du tust, das geht uns nichts an, aber für
dich
gilt auch: was wir tun, das geht dich nichts an! Halte dich also da raus!
Das ist unser Einflussgebiet, nicht deines!
Doch Jesus hat nicht vor, mit ihnen in irgendwelche Verhandlungen einzutreten. Mit dem Bösen schließt man keine Kompromisse und keine Waffenstillstands-Verhandlungen. Wenn man dem auch nur einen Finger reicht, nimmt es garantiert die ganze Hand.
Sabbatruhe hin oder her, hier muss Jesus eingreifen. Die bösen Mächte haben einen Menschen zu ihrem Spielball gemacht. Mit einem einzigen Machtwort aus dem Munde Jesu ist dieser Spuk zu Ende. Ein letztes Mal hat sich das Böse aufgebäumt und den Mann hin- und her geschleudert. Dann verlässt es ihn mit wütendem Gebrüll.
Wir wissen nicht genau, welche teuflischen Mächte diesen Mann so lange gepeinigt haben. Das ist auch nicht die Hauptsache. Das Evangelium selbst formuliert, was hier wirklich wichtig ist: „Da erschraken alle, und einer fragte den andern: Was hat das zu bedeuten? Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet. Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl.“
Das heutige Evangelium stellt es unmissverständlich und für jeden klar: Ja, es gibt das Böse, und das Böse kann furchtbare Macht über Menschen gewinnen.
Uns fällt es nicht schwer, dem zuzustimmen. Wir brauchen nur die Nachrichten zu lesen.
Das Evangelium bestätigt aber nicht nur, dass es das Böse gibt.
Es demonstriert auch, wer wirklich das Sagen hat, auch wenn das leider in
unserem Alltag nicht immer so offensichtlich wird wie hier.
Die Menschen in der Synagoge haben es damals auf den Punkt gebracht: Wer solche
Wundertaten allein durch sein Wort vollbringt, der ist ganz sicher mit göttlicher
Vollmacht ausgerüstet. Ja, diese Tat ist sogar eine verkündete Lehre.
Jesus erteilt ihnen eine Lehre. Bei ihm können sie in die Lehre gehen,
wenn sie ihm nachfolgen.
Die bösen Geister dieses Mannes sind vertrieben.
Er kann aufatmen und ein ganz neues Leben beginnen.
In jeder Taufe und bei der Tauferneuerung in der Osternacht werden auch wir
heutzutage daran erinnert, dass die bösen Mächte keineswegs in Winterschlaf
gegangen sind. Der Teufel macht keinen Urlaub.
Wir sind dann konkret aufgerufen, wachsam zu sein und Widerstand gegen das
Böse zu leisten – in uns und um uns: „Widersagt ihr dem Bösen?...Widersagt
ihr dem Satan?“ heißt es, und von uns allen wird eine klare Absage
erwartet: „Wir widersagen!“
Oft genug möchte man fragen: „Was ist bloß in uns gefahren?“
Das ist wie mit einer chronischen Krankheit, die immer wieder versucht, sich
zum Angriff auf unser Immunsystem zurückzumelden.
Da ist so einiges Unheilvolle und Böse, in uns, in die heutige Gesellschaft,
hineingefahren. Wie viele Süchte besetzen die Menschn heute: Sucht nach
Geld, nach Macht, nach Sex, Alkohol-, Spiel-, ja Internetsucht.
Achten wir als Christen immer darauf, dass diese Quälgeister nicht auch
von uns Besitz ergreifen und uns zu Besessenen machen! Manchmal muß
man mutig sein, und fliehen.
Lassen wir Jesu Wort zu uns sprechen, uns von seinem Wort und Sakrament zum
Leben befreien. Er hat Vollmacht, die bösen Geister und die Unfreiheit
zu vertreiben. Nur Er. Und wir nur mit Ihm.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Liebe Schwestern und Brüder,
Manchmal sind es die kleinen Sätze im Evangelium, die mir besonders
nahegehen.
Manchmal sind es die Randbemerkungen in der Hl. Schrift, die etwas Wesentliches
zum Ausdruck bringen.
So auch im heutigen Evangelium.
Da wird der Gelähmte getragen. Von vier Männern. Sie wollen zu
Jesus. Der Weg ist ihnen aber versperrt. Also steigen sie unter Mühen
auf das Dach des Hauses. Behutsam gehen sie mit ihrem kranken Freund um. kühn,
wie sie das Dach abdecken. Und dann lassen sie den Kranken vorsichtig auf
eine Bahre herunter mit Hilfe einer eilends konstruierten Vorrichtung.
Sie machen sich ganz schön viel Mühe für ihren Freund.
Und in diesem Moment schreibt der Evangelist einen Satz, der mich immer wieder
fasziniert:
Als Jesus IHREN Glauben sah, sagte er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, Deine
Sünden sind dir vergeben.
Als Jesus IHREN Glauben sah - Vom Glauben des Gelähmten wird garnicht
gesprochen, wie sonst: Geh, deine Glaube hat die geholfen.
Nein, als Jesus IHREN Glauben sah - Es geht um den Glauben der Träger.
Weil SIE glaubten, weil SIE alles taten, um ihren Freund vor Jesus zu bringen,
geschah das Wunder, geschah die Heilung.
Als Jesus IHREN Glauben sah - In diesen schlichten Worten wird etwas Wesentliches über die Gemeinschaft der Kirche gesagt.
Wir werden getragen vom Glauben der anderen.
„Stell mal ‘ne Kerze für mich auf. Bete morgen für mich.“
oder „Denk an mich.“ Solche Sätze, so oder ähnlich hat
mit Sicherheit jeder von uns schon einmal gehört oder gesagt. Gerade
vor Examen oder wichtigen Lebensentscheidungen.
Diese Sätze geben auf ihre Art und Weise Zeugnis davon, daß wir
einander im Glauben tragen. Es tut gut zu wissen, daß andere mich mit
ihren Gebeten tragen. Jedenfalls geht das mir so.
Als Jesus IHREN Glauben sah - die vier Männer trugen einen Gelähmten
zu Christus.
Der Kranke konnte sich selber nicht auf den Weg zu Christus machen.
Sich auf den Weg zu Christus machen - in unseren Tagen, in unserem Land mittlerweile
eine ziemliche Seltenheit.
Viele sind lahm geworden im Glauben, machen sich nicht auf, sind desinteressiert,
wollen oder können nicht.
Wir werden getragen. Aber wen tragen wir?
Wir sehen und spüren wie der katholische Glauben in unserem Land verdunstet.
Dieses Phänomen läßt sich selbst in unseren Reihen feststellen,
obwohl die Kirche ja sogar im Namen unseres Dorfes vorkommt.
Wenn uns aber wirklich daran liegt, daß der Glaube an Christus weitergelebt
wird in unserer Pfarrei, in unseren Familien, in unserem Land, weil dieser
Glaube eben heilmacht an Leib und Seele,
wenn uns also wirklich etwas daran liegt, dann ist es unsere Aufgabe, wie
die vier Männer zu handeln: die Gelähmten zu Christus zu führen.
Dazu gehört, daß wir für andere beten. Z. B. für den
Nachbarn, der menschlich top ist, aber vom Glauben nichts hält bzw. weiß.
Oder für den Arbeitskollegen, der nichts gegen die Kirche hat, aber sie
auch das letzte Mal bei seiner Firmung von innen gesehen hat.
Oder für den Vereinskameraden, der sich an einzelnen Punkten des Glaubens
reibt und droht, ihn deshalb ganz zu verlieren.
Die Gelähmten zu Christus zu führen. Dazu gehört auch, Zeugnis vom Glauben zu geben. Z. B. durch Leserbriefe an Presseorgane, die Falsches oder Böswilliges über Gott, Glaube, Kirche berichten.
Das, was in den letzten Tagen und Wochen über den Papst gesagt worden
ist im Zusammenhang mit der Exkommunikation der vier Bischöfe der Pius-Bruderschaft,
war in vielen Punkten eine inszenierte Medienkampagne gegen die Kirche und
den Glauben allgemein.
Sicher, es hat Fehler im Vatikan gegeben. aber niemand hat dort etwas Unrechtes
getan oder tun wollen.
Exkommunikation bedeutet nicht Ausschluß aus der Kirche, sondern Ausschluß
von den Sakramenten und den Rechten und Pflichten als Christ. Und zwar ist
dieser Ausschluß selbst verschuldet. Der Exkommunizierte hat das Tischtuch
mit der Kirche selbst zerschnitten. Er sitzt nicht mehr am gemeinsamen Tisch,
weil er die Tischgemeinschaft nicht mehr will.
Wer dann umkehren will, dem wird der Papst, dem kann der Papst das eigentlich
nicht verweigern. Die vier abtrünnigen Bischöfe dürfen –
wenn sie möchten – nun wieder die Sakramente empfangen. Aber sie
haben nach wie vor keine erlaubte Funktion in der Kirche. Auch die Bruderschaft
Pius X ist noch lange nicht vollkommen in die Kirche aufgenommen.
Wer dies behauptet oder wer meint, dass Benedikt in irgendeiner Weise antisemitisch
sei oder sich gegen das Zweite Vatikanische Konzil stelle, das er ja selbst
mitgeprägt hat, der irrt gewaltig – ob wissend oder unwissend,
der ist bösartig oder schlecht informiert. Kardinal Kasper – ein
bekanntlich sehr besonnener und vermittelnder Mann der Kirche – spricht
angesichts der Mediendebatte ungewöhnlich klare Worte:
Aber die Diskussion, wie sie jetzt in Deutschland läuft, sprengt ja alle
Maßstäbe. Was da zum Vorschein kommt, ist nicht nur Kritik an diesem
oder jenem Verhalten der Kurie, sondern das ist einfach anti-römischer
Affekt und zum Teil einfach blanker Kirchenhass. Man macht den Papst lächerlich,
nach dem Prinzip: Man schlägt den Sack und meint den Esel. Wenn man den
Papst in dieser Weise heruntersetzt, und völlig ungerecht heruntersetzt,
dann richtet sich das nicht nur gegen den Papst, dann richtet sich das gegen
die katholische Kirche. Ich meine, die Katholiken müssten jetzt aufstehen,
müssten sagen: das lassen wir uns nicht gefallen, das ist Intoleranz.
Ich sehe in dem Zugehen des Papstes auf die Piusbrüder einen Akt der
Barmherzigkeit, aber auch vor allem der Klugheit: Wenn die Piusbruderschaft
es nämlich ernst meint mit der Rückkehr in die Kirche, dann ist
sie jetzt am Zug, es zu zeigen. Wenn es ihnen nicht entscheidend und überzeugend
gelingt, dann hat sie sich selber sozusagen zerschlagen.
Diejenigen Gläubigen, die sich den sogenannten Traditionalisten zugehörig
fühlen, sehen ja jetzt auch, was für wirre Ideen ein Teil ihrer
Leute bewegt. Einige wenden sich mit Grausen von den Worten Williamsons ab.
Erste Suspendierungen innerhalb der Bruderschaft haben auch schon stattgefunden.
Die kommende Zeit wird eine Zeit der Reinigung und der Klärung sein.
Für die Piusbrüder und die katholische Kirche. So hoffe ich. Auch
hier können wir mit unserem Gebet einstehen, für den Papst und seine
Mitarbeiter für alle Gläubigen guten Willens.
Als Jesus IHREN Glauben sah - Diese schlichten Worte über die Träger
des Gelähmten schenken Trost und sind ein Anspruch an uns.
Der Trost, getragen zu sein vom Glauben der anderen.
Der Anspruch, die anderen zu Christus zu tragen. Auch die, die uns vielleicht
nicht liegen.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Liebe Schwestern und Brüder,
Die Evangelien sind frohe, heilmachende Botschaft. Wir brauchen sie nur zu
hören und uns dabei gegenwärtig zu halten, dass auch die äußeren
Ereignisse, die das Evangelium erzählt, immer Inneres versinnbilden –
das, was in der Seele zwischen Gott und uns vorgeht. Und dann werden wir ihrer
heilenden Kraft inne.
Es wird Nacht, so hören wir. Jesus und die Jünger fahren in einem
Boot über den See Gennesaret ans andere Ufer hinüber. Markus erzählt
davon auf eine Weise, die uns Winke gibt, worum es ihm eigentlich geht:
nicht vom See Gennesaret spricht er, sondern vom „Meer“, und nicht
von dem Ziel, zu dem Jesus und die Jünger unterwegs sind, sondern bloß
vom jenseitigen Ufer, wörtlich von der „Jenseite“. Die kleine
Szene – das will Markus damit andeuten – ist ein Sinnbild für
unser menschliches Dasein.
Unterwegs sind wir zum jenseitigen Ufer, unterwegs auf dem Meer, über Abgründen und Unwägbarem, wo kein Mensch Fuß fassen und was keiner mit eigener Kraft beherrschen kann; wo wir uns ausgeliefert erfahren.
Ein kleines Boot nur, eine Nussschale trägt uns auf diesem Meer: Nussschale – das ist die Gemeinschaft, in der wir uns geborgen fühlen; die Menschen, die zu uns stehen; auch die eigenen Kräfte, die kleinen, die wir aufbringen manchmal.
So erscheint uns das Leben manchmal: eine riesige, unüberschaubare Aufgabe, für die wir irgendwie kaum gerüstet zu sein scheinen.
Es wird Nacht, die Ruhe kehrt ein. Aber: gerade dann, wenn rings um uns der
Lärm schwindet, wenn es still wird und einsam, dann bricht gar nicht
selten in uns drinnen der Sturm los:
Was wir falsch gemacht haben, quält uns; uns reut, einen Menschen getäuscht,
verletzt, hintergangen zu haben;
den Chancen, die wir selbst mitverschuldet verschenkt haben, trauern wir nach;
Sorgen macht uns, wie es weitergehen soll mit der Last einer Krankheit, dem
Einsamsein, des Versagens, einer Schuld, die auf uns liegt.
Da wird die kleine Nussschale des Lebens nicht nur hin und hergerissen – da schwappt das Meer, dieses unwägbar Gefährliche und Bedrohende, ins Boot hinein. So erfahren wir leibhaft – auf dem Meer der Angst –, wie wenig es braucht, dass wir untergehen. Buchstäblich! Wahrscheinlich kennen das etliche von uns, mehr als man wohl denken möchte. Die Stunden früh zwischen zwei und vier können quälend sein, wenn man nicht schlafen kann vor sorgenvollen, ja angstvollen Gedanken.
Jesus schläft, erzählt Markus.
Trotz des tobenden Sturmes ringsum liegt er auf einem Kissen in tiefem Frieden.
Anders die Jünger: sie geraten in Panik und wecken Jesus auf, dass er
sie rette vor dem Untergang. Er tut das – wie beiläufig beruhigt
er Meer und Wind. Und dabei tadelt er die Jünger: Warum habt ihr solche
Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?
Eben damit spricht Jesus sein eigenes Geheimnis aus – das Geheimnis, wer er ist und warum er sogar Macht über Meer und Wind hat, dass sie ihm gehorchen.
Mit der Frage an die Jünger sagt Jesus nämlich: das tobende Meer und den Sturm, also das Auf und Ab und die Gegenkräfte im Leben erlebt nur der als gefährlich und als Bedrohung, der Angst hat.
Angst ist das Gegenteil von Glaube. Glauben heißt: Ich traue Gott.
Auch dem Glaubenden begegnet Gefahr und manche Widerwärtigkeit. Und immer
wieder wird er darauf gestoßen werden, wie schwach und klein er in Wahrheit
ist.
Nur: wer Gott traut – und so traut wie Jesus –, dem rauben auch der Sturm und das aufgewühlte Meer nicht den Schlaf. Versagen nicht; Schwäche nicht; Not nicht; nicht einmal Schuld. Weil er sich in allem und über alle Abgründe hinweg immer schon und für immer gehalten weiß. Wer glaubt, ist so stark, dass sich Sturm und Wogen der Angst vor ihm legen. Wie vor Jesus, weil er Gott ganz traute. Sein Wort, die Frohe Botschaft vom Gott, der uns trägt, wirkt das Wunder, dass der Sturm in uns still wird.
Sprichwörtlich ist die Ruhe vor dem Sturm. So reden Menschen, die auf dem Sprung sind, weil sie sich ängstigen, was denn nun noch oder schon wieder kommen wird. Wie viel Zeit und Kraft können wir Menschen verschwenden, indem wir uns in den düstersten Farben ausmalen, was alles passieren könnte, wenn dieses einträte und dabei jenes herauskommen könnte... Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber.
Jesus zeigt uns, dass es auch Ruhe nach dem Sturm gibt, ja sogar während
des Sturmes gibt. Wenn ich mich wirklich in Gott festmache, vertue ich meine
Zeit nicht mit Schwarzmalerei.
Sondern ich sehe Jesus bei mir, an meiner Seite. Wenn ich auf ihn blicke,
wie er da steht, ganz ruhig und die Stürme beherrschend, dann werde ich
selber ruhiger. So fasse ich Vertrauen und bekomme eine klaren Kopf, um zu
denken und das zu planen, was vor mir liegt.
Liebe Schwestern und Brüder,
immer wieder in der Auslegungsgeschichte dieses Evangeliums wurde die Nussschale
mit dem Schiff Petri, der Kirche gleichgesetzt. Gerade in Europa spüren
wir, dass die Kirche in schwere Wasser geraten ist. Die Wogen der Welt scheinen
die Kirche zu überfluten.
Ein sorgemachendes Indiz dafür ist der Mangel an Berufungen zum Priesteramt,
aber auch die Not vieler Priester, ihren Dienst am Bord des Schiffes Kirche
zu tun. Das Burn-out-Syndrom breitet sich unter ihnen aus. Manche halten dem
Druck und den Sorgen nicht mehr stand, suchen Zuflucht im Alkohol oder verlassen
gar das Schiff.
Auch aus diesem Grund hat unser Hl. Vater ein Jahr des Priesters ausgerufen, das am vergangenen Freitag begonnen hat und im Juni nächsten Jahres enden soll. Es orientiert sich am 150. Todestag des Hl. Pfarrer von Ars, dem Patron der Priester.
Es wird ein Jahr sein, in dem den Priestern Gelegenheit gegeben werden soll, über ihren Dienst und ihre Identität, ihren Lebensstil nachzusinnen. Ein tieferes Verständnis des eigenen Tuns führt zur Freude.
Gleichzeitig verbindet der Papst dieses Jahr mit der Bitte an die Gläubigen, besonders für die Priester und um Berufungen zum Priesterstand zu bitten. Dazu möchte ich sie von Herzen ermutigen. Als Priester lebe ich vom Gebet der Gläubigen.
Die Situation der Kirche - und des Priesterstandes - macht vielen Sorge, Priestern wie Laien – aber Jesus ist mit an Bord. Blicken wir auf ihn. Und lassen wir ihn wirken. Er kann dem Wind und den Wellen befehlen. Er führt das Schiff und lenkt es zu seinem Ziel. Und er vergisst niemanden an Bord.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus. So haben wir Jesus gerade sprechen gehört.
Jesus hatte die Jünger in die Städte und Dörfer der Umgebung geschickt, damit sie ihm den Weg bereiteten. Es muß ein Stück Arbeit, muß Mühe und Aufregung gewesen sein, denn zum ersten Mal waren sie nicht mehr nur aufmerksame Zuhörer Jesu, sondern selbst Verkünder der Botschaft. Sie kehren zurück - müde zwar, doch erstaunt ob des Gelingens und mit dem Bedürfnis, dem Herrn alles zu erzählen, was sie getan und gelehrt hatten. Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein.
Dieses um allein zu sein deutet an: Nicht nur sie werden die Aussprache mit dem Herrn gesucht haben, auch der Herr mit ihnen: Welche Fragen wird Jesus ihnen dort wohl gestellt haben? Und was wird er ihnen erzählt haben?
Das Evangelium berichtet anschaulich von Jesus und seinen Jüngern: Sie
fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen
und gingen. Diese Bemerkung läßt sich unschwer auf so manche Situation
unseres eigenen Lebens übertragen. Der Alltag kann sehr anstrengend sein,
nimmt man seine Pflichten und Aufgaben wirklich ernst. Deshalb sollen Leib
und Seele in den Zeiten der Entspannung wieder zu Kräften kommen. Wer
das schuldhaft vernachläßigt, schadet nicht nur seiner Gesundheit,
er ist meistens dann auch gereizt, überfordert seine Mitarbeiter, beeinträchtigt
eine motivierende Arbeitsatmosphäre, schadet sein ehernamtliches Engagement
und empfindet Ehepartner, Kinder, Geschwister und Freunde zunehmend als Last.
Deshalb ist Erholung kein Luxus, sondern eine bisweilen schwerwiegende Pflicht.
Wir kehren unserer momentan ungeliebten Arbeit nicht den Rücken, sondern
lassen sie nur ein wenig ruhen und regenerieren unsere physischen und psychischen
Kräfte.
Arbeit und Ruhe müssen in einem gesunden Verhältnis sein. Gerade auch deshalb kämpft die Kirche um den Erhalt des Sonntags. „Der Mensch soll Gott nachahmen sowohl in der Arbeit als auch in der Ruhe, da Gott selbst ihm sein eigenes schöpferisches Tun in der Form der Arbeit und der Ruhe vor Augen führen wollte.“ so hat es Johannes Paul II. in seiner Sozialenzyklika Laborem exercens geschrieben.
In den Staaten des Westens gibt es mittlerweile nicht nur den einen freien
Tag in der Woche. Es gibt das freie Wochenende. Die Arbeitszeiten haben sich
im Vergleich zu vor 100 Jahren fast halbiert. Die freie Zeit – die Freizeit
- ist mehr geworden.
Das ist doch eigentlich gut.
Aber immer mehrklagen darüber, daß der Vergnügungsrummel
auf die Dauer nicht zu Freude, sondern zum Ekel wird. Und andere wissen gar
nicht mehr, was sie mit der vielen Freizeit anstellen sollen. Langeweile der
Arbeit und Langeweile der Freizeit bedingen einander.
Richtiger Umgang mit der Freizeit ist nur aus einer Haltung der Muße
möglich, die mit dem Feiern verwandt ist - wir sprechen ja auch vom »Feierabend«.
Daruaf weist der große deutsche Philosoph Josef Pieper hin. Und weiter
sagt er: Freizeit bedeutet eine »Überschreitung der Arbeitswelt«8
und ihrer Zwänge. Diese Haltung gehört »zu den Grundkräften
der menschlichen Seele«9 und ist eine Gestalt jenes Schweigens, das
eine Voraussetzung ist für das Vernehmen von Wirklichkeit: nur der Schweigende
hört; und wer nicht schweigt, hört nicht. Solches Schweigen ist
nicht stumpfe Lautlosigkeit, nicht totes Verstummen (...).
Die Muße ist nicht die Haltung dessen, der eingreift, sondern dessen,
der sich öffnet; nicht dessen, der zupackt, sondern dessen, der losläßt,
der sich losläßt und überläßt.«1
Die Fähigkeit des Menschen, nicht aufzugehen in den Zwecken und Zwängen des Lebens, ist Teilnahme an der Souveränität und Freiheit Gottes. Denn der Mensch ist der Gipfel des Schöpfungswerkes und nicht so wie das Tier in die Mechanismen des Lebens eingespannt. Der Mensch kann aussteigen. Er muß nicht täglich wie ein Maulwurf die Erde durchwühlen. Wir Christen können in einer stark auf Leistung und Konsum orientierten Gesellschaft das urmenschliche Bedürfnis nach Muße und Entspannung wach halten, nicht allein aus zweckmäßigen Gründen, sondern aufgrund der Würde des Menschen.
Dazu gehört eine christengemäße Art zu feiern, den ursprünglichen Zusammenhang vom jeweiligen Fest und seinem religiösen Sinn zur Geltung zu bringen. Wie trivial werden Weihnachten und Ostern, wenn ihnen der Glaubenssinn fehlt! Und wie verkommen kann ein Sonntag ohne Glauben, der ja mittlerweile für viele zu einem verlorenen Tag geworden ist, weil da Profit verloren geht.
Die Festtage erinnern uns an die Großtaten Gottes, und wir öffnen
uns entspannt und aufnahmefähig dem Wirken der Gnade.
Sich erholen heißt Kräfte sammeln, Hoffnungen beleben, Zukunftspläne
erwägen - kurz: die Art der Tätigkeit wechseln, um dann mit frischem
Schwung zur gewohnten Arbeit zurückzukehren.
Erholung bedeutet nicht, sich eine Zeitlang - im Urlaub oder in den Ferien
- vom Christsein zu suspendieren. Sie kann im Gegenteil uns tiefer mit Christus
verbinden, indem wir uns mehr Zeit zum Gebet nehmen, uns Kirchen anschauen
und dort verweilen. Vielleicht finden wir auch Zeit für ein gutes, religiöses
Buch.
Lassen wir uns vom Herrn einladen, mit ihm allein zu sein.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Schwestern und Brüder!
„Ihr sucht mich, weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden
seid.“ so stellt Jesus ernüchternd fest, nachdem er – wie
wir es am letzten Sonntag gehört haben – 5000 Männer gespeist
hatte.
Sie suchen ihn nicht wegen seiner Lehre, nicht weil er ein Zeichen gewirkt
hat, das offenbart: „Gott ist da.“ Sie suchen Jesus nicht um Jesu
willen, sondern um ihres Magen willen.
Wenn sie an Jesus glauben sollen, dann müsse er sich schon mit einem
neuen Wunder vor ihren Augen beglaubigen. Also noch einmal bitte etwas für
den Magen. Mose hat das ja so auch gemacht, indem er das Manna in der Wüste
und die Wachteln von Gott erbeten hatte.
Es scheint, dass die Menschen damals nichts kapiert haben. Jesus war gut
als Prominenter, der viele anzog. Seine Show wollte man nicht verpassen. Deshalb
kam man mit. Ein Wunder zu sehen, satt zu werden, schien ja auch ganz toll.
Aber deshalb sein Leben ändern, an Gott glauben, Jesus als Jünger
nachfolgen, seine Lehre annehmen... lieber nicht.
Vielleicht erwischen wir uns gerade dabei, wie wir die Menschen von damals innerlich verurteilen. Aber auch heute geht es vielen ähnlich: die Zeremonie der Taufe als Segen Gottes für die Kinder, die Erstkommunion als Anlass für eine tolle Familienfeier, die Kirche als romantischer Ort für eine Hochzeit...ja gerne...
...aber mit den Kindern beten und in der Bibel lesen, mit ihnen und auch
dem Partner sonntags zum Gottesdienst gehen, sich ernsthaft über die
Lehre der Kirche zu informieren und danach zu handeln, sich Zeit nehmen für
das persönliche Gebet ... nee, das muss nicht sein.
Es gibt viele hierzulande – auch in Kirchhellen – die so leben.
Kirche und Jesus – na klar! – aber nur dann, wenn ich etwas davon
habe, wenn es mein Leben verschönert, mir Nutzen bringt... ab und zu
eben, wenn es mir so danach ist, wenn ich das Bedürfnis danach habe usw.
Ich stelle mir die Menschenmenge von damals vor, und ich vermute sie ist
so zusammengesetzt, wie unsere Weihnachtsgottesdienste heute:
wenige, die ganz allein wegen Jesus da sind, ihn als enge Jünger angehören
einige, die einfach mitgekommen sind, weil es die Frau, der Mann, der Freund,
die Familie so will,
einige, weil sie nichts dagegen haben, zu kommen, aber auch nicht wirklich
wissen warum: Schad ja nix!
viele, die offen sind für eine gute Botschaft, die sie erbaulich finden,
die der Atmosphäre wegen kommen... und, und, und...
Liebe Schwestern und Brüder,
ich beklage das gar nicht. Ich beschreibe es einfach.
Der Herr hat die Menge ja auch keiner Prüfung unterworfen, einer Art
Zulassungsexamen, er hat keine Eintrittskarten verkauft oder ein Security-Team
angestellt, die die ganz treuen von den eher lauen Jüngern trennt. Immerhin
sind sie ja da und haben sich z. T. auf die weite Reise gemacht, etwas in
Kauf genommen, um Jesus zu sehen.
Ich werde als Pastor auch niemand einfach mal so wegschicken, weil er oder sie sonst nicht zu treffen ist. Ich werde auch kein Bonuspunktesystem einführen für Sonntagskirchenbesucher, damit sie an Weihnachten einen Sitzplatz bekommen und der ihnen nicht von Gelegenheitschristen weggeschnappt wird. Ich darf auch nicht einfach so Eltern die Taufe ihrer Kinder verweigern oder ein Ehepaar ablehnen, wenn sie mir sagen, dass sie heiraten wollen und dem auch rechtlich nichts im Wege steht.
Ich werde aber bei der Verkündigung, der Katechese, den Gesprächen
keineswegs die Botschaft der Kirche und das Evangelium Jesu verkürzen.
Jesus hat seine Botschaft auch nicht geändert, obwohl viele sie für
viel zu anspruchsvoll hielten. Er hat keine banalen Lebensweisheiten verkündet,
wie es esoterische Autoren tun und damit eine ganze Menge Geld verdienen.
Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.
Das sagt Jesus auch zur Menge.
Es ist das Werk Gottes, dass Menschen an ihn glauben. Das ist nicht das Ergebnis einer supergescheiten Werbestrategie, einer wohldurchdachten Kampagne mit den besten Jüngern als Kompetenzteam. Der Glaube ist nicht machbar. So wie Berufungen zum Priester- oder Ordensstand nicht machbar sind.
Der Glaube ist ein Geschenk. Man kann ihn sich nicht verdienen. Haben sich
die Menschen damals etwa ein solches Wunder der Brotvermehrung verdient?
Haben wir etwa verdient, dass Jesus, der Sohn Gottes sich für uns hat
kreuzigen lassen?
Der Glaube an Jesus ist ein Geschenk, eine Gnade. Wer an ihn glaubt weiß das. Jesus bezeichnet sich selber als das Brot, das der Welt das Leben gibt.
Mit welchen Augen mag Jesus auf die Menge vor ihm geblickt haben, wissend,
dass sie aus den ganz unterschiedlichsten Motivationen gekommen sind?
Er wird sie mit liebenden und hoffenden Augen angeschaut haben:
- liebend, weil er für jeden und jede ans Kreuz gehen wollte, um ihnen
zu zeigen, dass Gottes Liebe zu uns Menschen aufs Ganze geht.
- hoffend, dass die Menschen diese Liebe erkennen und annehmen, sich beschenken
lassen, sich öffnen, damit das Werk Gottes geschieht, dass sie an den
glauben, den er gesandt hat.
Wer weiß denn schon, wie viele sich nach dem Wunder, nach der Begegnung mit Jesus für ihn entschieden haben, an wie vielen sich das Werk Gottes vollzogen hat?
Liebe Schwestern und Brüder,
ich wünsche uns allen in der Kirche – den Geweihten wie den Laien
– diesen Blick Jesu.
Es gibt viele Menschen, die nach einem sinnvollen Leben hungern. Das ist oft
unterschiedlich in den Lebensaltern und –situationen.
Und es ist gut, wenn sie zur Kirche kommen mit ihren Fragen und Sehnsüchten,
die oft verborgen sind. Wenn sie kommen, sind sie immerhin in irgendeiner
Weise offen für de Glauben.
Als Glieder der Kirche dürfen wir dann nicht hämisch oder hochmütig auf diese Menschen herabschauen. Wir haben uns den Glauben auch nicht verdient. Er ist uns geschenkt worden. Für dieses große Geschenk sollten wir dankbar sein und es in seinem ganzen Reichtum hegen und bewahren.
Unsere gelebte Dankbarkeit Gott und auch der Kirche gegenüber – ganz konkret im Alltag und Gottesdienst - kann Menschen offen machen für das Geschenk, das wir schon erhalten haben, für das Werk Gottes, dass wir an den glauben, den er gesandt hat.
Wenn wir nicht dankbar sind, wer denn dann? Gibt es reicher Beschenkte als uns?
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Liebe Schwestern und Brüder!
Im Evangelium hörten wir gerade über die Jünger und Jesus:
„Darauf öffnete er ihnen die Augen für das Verständnis
der Schrift.“
Die Augen öffnen – das heißt: die Augen waren vorher eben nicht offen, zumindest nicht offen genug. Erst durch die Hilfe Jesu wurden die Jünger wirklich zu Menschen mit offenen Augen, zu Sehenden. Im Originaltext steht hier nicht einfach nur „öffnen“, sondern sicher nicht ohne guten Grund die seltene Wortform „dianoigo“ statt „anoigo“.
Ganz streng übersetzt würde das bedeuten: Jesus eröffnete ihnen die Augen. Bei Eröffnung denken wir z.B. an einen Laden, ein Geschäft, eine Gaststätte usw. – Wenn der Besitzer gewechselt hat oder gründlich renoviert wurde, dann wird anschließend neu eröffnet. Oft wird dafür sogar geworben: „Achtung – Neueröffnung!“
Eröffnung, das ist etwas Neues. Öffnen, das geschieht jeden Tag, immer wieder. Aber eröffnen, das geschieht nur, wenn etwas Neues geöffnet wird.
Wir feiern heute den 3. Sonntag der Osterzeit. Ostern – das ist nicht nur ein einmaliges Ereignis, das mit der Auferstehung Jesu abgehakt ist. Das heutige Evangelium erinnert daran, dass Ostern weitergeht, dass Ostern auch ein fortlaufender Prozess ist. Mit Ostern hat sich die Welt grundlegend geändert, denn der Tod hat seinen Stachel verloren.
Ostern – das ist wie ein Loch, wie ein Durchbruch durch eine dicke Wand, die wir Menschen im Gefängnis der Sünde und des Todes nach dem Bauplan des Bösen errichtet hatten.
Der Durchbruch des göttlichen Erbarmens, den die Auferstehung Jesu bewerkstelligt hat, wird nicht wieder zugemauert. Dieser Durchbruch bleibt, und Ostern geht weiter.
Wenn Jesus vielen Jüngern nach Ostern an verschiedenen Orten erschienen ist, dann geschah das nicht einfach nur so. Jesus begegnete ihnen und belehrte sie, damit sie seine Neu-Eröffnung auch deutlich sehen können. Doch nicht nur das, denn sie selbst sollen an andere weitergeben, was sie selbst erfahren durften. Im heutigen Evangelium heißt es dazu nur knapp: „Ihr seid Zeugen dafür.“
Das Wichtigste hat sich Jesus hier bis zum Schluss aufgehoben: Ihr seid Zeugen dafür!
Wenn jemand Zeuge ist, wenn er oder sie etwas gesehen hat, was andere nicht gesehen haben, dann hat derjenige oder diejenige eine wichtige Aufgabe. Wir kennen das z.B. durch Zeugenaussagen vor Gericht, die zur Klärung einer Angelegenheit beitragen, etwa Aussagen zu einem Unfallgeschehen.
Ein Zeuge muss auch bereit sein, mit seinem Namen zu seinen wichtigen Angaben zu stehen, denn es geht um die Wahrheitsfindung und um die Gerechtigkeit.
Ihr seid Zeugen dafür! - Dieser Aufruf Jesu ging nicht nur damals an
die Jünger, sondern er geht seit Ostern immer wieder an jeden, der ihm
nachfolgen will. Lege Zeugnis ab für das, was du im Glauben erfahren
hast. Denn Jesu Ziel ist es, dass alle Völker zu ihm umkehren, damit
bei allen endlich Ostern werden kann.
In unseren Eucharistiefeiern betet die ganze Gemeinde als Zuruf beim Hochgebet:
„Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen
wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“
Verkünden und preisen – diese Aufgaben, die wir für die Heilige Messe selbst so klar formuliert haben, erwartet der österliche Jesus von denen, die seine Jünger sein wollen. Dann erfahren alle von der Neu-Eröffnung!
Liebe Schwestern und Brüder!
Zeugen der Auferstehung zu sein – das ist unser aller Berufung. In besonderem
Maße sollen es die geweihten Diakone und Priester sein. In unserem Bistum
werden an diesem Sonntag drei Männer zu Diakonen, an Pfingsten vier Männer
zu Priestern geweiht. Wir waren damals zwölf. Das war vor elf Jahren.
Ein Rückgang um Dreiviertel.
Liebe Schwestern und Brüder, Berufungen zum Priestertum und auch zum
Ordensstand können wir nicht machen, nicht durch Änderungen der
Zulassungsbedingungen oder durch geschickte Medienkampagnen. Berufungen sind
Geschenke, sind Gnaden und auch Zeichen der Lebendigkeit des Gebetes in der
Kirche.
Ich möchte sie ermutigen, in dieser Osterzeit ganz besonders um geistliche
Berufungen zu beten.
Und darum möchte ich Sie bitten, sich zum Auferstandenen zu bekennen, sein Zeuge, seine Zeugin zu sein. Darauf wartet die Welt, weil es ihr neue Perspektiven eröffnet. Amen.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Evangelium von heute rührt mich immer innerlich wieder an: Es war
das Evangelium, dass bei meiner Erstkommunion vor nun dreißig Jahren
gelesen wurde. „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.“ hat der
Herr sozusagen damals zu uns Jungen und Mädchen gesagt, die ihn zum ersten
Mal empfingen.
Wer einem besonders wichtig ist, mit dem bleibt man gerne und regelmäßig
in Verbindung. Wenn einem an einer Person etwas liegt, dann sorgt man schon
dafür, dass der Kontakt nicht abreißt. Man bleibt im Gespräch.
Liebende tun das selbst dann, wenn das manchmal nur per Telefon geht, eventuell
sogar mit teuren Auslandsgesprächen. Die hohe Telefonrechnung nehmen
sie dafür in Kauf. Liebende wollen zusammenbleiben, so gut das eben machbar
ist.
„Bleiben“ ist auch das Stichwort Jesu im heutigen Evangelium.
Ich habe es nachgezählt: insgesamt 9 mal kommt der Begriff in diesem
Text vor. Nicht das Abschneiden schlechter Reben ist also das Hauptthema,
sondern die feste, andauernde Verbindung, das Bleiben.
Jesus sagt es so: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe
aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt,
so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben…“
Wenn wir die Stelle in der Bibel aufschlagen, sehen wir sofort: nur wenig
später beginnt das Leiden und Sterben Jesu. So dürfen wir die heutige
Aussage Jesu auch als eine eindringliche Aufforderung Jesu an alle verstehen,
die seine Jünger und Nachfolger sein wollen: Bleibt mir treu! Bleibt
mit mir in fester Verbindung!
Genau wie eine Rebe könnt ihr aus euch selbst nicht wirklich Frucht bringen.
Das gelingt dauerhaft nur dann, wenn ihr von mir wie von eurem Weinstock dazu
die nötigen Nährstoffe bekommt.
Jesus fordert von den Seinen also nicht irgendwelche olympiareifen Leistungen,
die sie nur mit zusammengebissenen Zähnen, leidendem Gesichtsausdruck
und körperlich völlig erschöpft erreichen können.
Nein, Christsein und Nachfolge Jesu ist kein Konkurrenzkampf und kein Leistungssport.
Was Jesus erwartet, ist etwas anderes: es ist die Bereitschaft, in Verbindung
zu bleiben, also etwas, das für Liebende das Selbstverständlichste
der Welt ist.
Unsere moderne Welt hat dafür sogar einen englischen Ausdruck parat:
die „Flatrate“. Bekannt wurde der Begriff besonders für Telefon
und Internet. Als Käufer eines „Flatrate“-Tarifes hast du
pauschal das Recht erworben, beliebig oft und beliebig lange zu telefonieren
oder im Internet zu surfen. Früher nannte man das auf gut deutsch einfach
einen Pauschal-Tarif. In einer Pauschale ist alles enthalten, wie bei einem
Pauschal-Urlaub.
Solch eine Jesus-Flatrate sollte der Christ also haben, meint Jesus. Natürlich
genügt nicht das Haben. Es wäre dumm, einen Pauschal-Tarif zu besitzen,
ihn aber nicht zu nutzen. Nein, sagt Jesus, nur wenn ihr dauernd mit mir in
Verbindung steht, werdet ihr gute Frucht bringen.
Das ist fast schon wie bei einem Kind im Mutterleib: Ohne die ständige
Versorgung durch die Nabelschnur wird das Kind nicht wachsen und reifen können.
Für uns Christen ist es also die vordringlichste Aufgabe, mit Jesus in
Verbindung zu bleiben. Das ist überhaupt nichts Anstrengendes. Vielmehr
ist es unter Liebenden die natürlichste Sache der Welt.
Ja, das ist der springende Punkt:
die Liebe! Nur wer Jesus liebt und ihm vertraut, kann auf Dauer in dieser
fruchtbaren Beziehung von ihm leben.
Dabei darf man nicht übersehen, dass man als Jünger Jesu schon
längst in dieser festen Verbindung drin ist, man muss darum also nicht
etwa bitten.
Jesus sagte schließlich: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.“
- Man kann ja logischerweise nur irgendwo bleiben, wenn man schon dort angekommen
ist! Also ist jeder von uns schon in Jesus Christus, und der ist in jedem
von uns. Das Stichwort „Taufe“ sollte hier genügen, um jeden
von uns an den Beginn dieser Verbindung zu erinnern. In jedem Empfang der
Heiligen Eucharistie stärkt der Herr diese Verbindung, indem er ganz
konkret zu uns kommt.
Unsere Aufgabe ist es nicht, darüber zu grübeln, wie wir wohl am
besten Frucht bringen für den Weinberg Gottes. Die Weinreben brauchen
sich nicht um die Frucht zu kümmern, das macht schon der Winzer.
Die einzige Aufgabe der Weinreben ist es, mit dem Weinstock in dauernder Verbindung
zu bleiben, deshalb ja auch die Jesus-„Flatrate“. Dann können
die Jesus-Nährstoffe ungehindert fließen, und nach guten Pflegemaßnahmen
durch den Winzer wird es eine reichliche Ernte geben.
Wir sollten also weder Erbsen noch Trauben zählen, nicht vergleichen
und nicht rechnen. Nicht wir entscheiden, was abgeschnitten wird, sondern
Gott, der Winzer. Überlassen wir das getrost dem Fachmann. Der weiß
sehr genau, was verbrannt werden muss, damit es die anderen Reben nicht gefährdet.
Die französische Philosophin Simone Weil brachte es so auf den Punkt:
„Warum sollte ich mir Sorgen machen? Meine Sache ist es, an Gott zu
denken. Und Gottes Sache ist es, an mich zu denken.“
Es fällt zudem auf, dass Jesus sich an alle wendet, nicht an Einzelne:
„Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.“ - Einen Weinstock mit
nur einer einzigen Rebe habe ich auch noch nicht gesehen. So geht es Jesus
auch hier um die Gemeinschaft seiner Jünger. Gemeinschaft haben wir untereinander,
wenn wir mit IHM in Verbindung bleiben.
Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.
Bleibt in mir, dann werdet ihr, bleibt ihr eine Kirche, die Frucht bringt.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Liebe Schwestern und Brüder!
Ich meine ja, dass in der Schule zu wenig auswendig gelernt wird heutzutage.
Das war zu meiner Zeit leider absolut out. Es schien pädagogisch wohl
nicht wertvoll.
Dabei sind die wenigen Dinge, die ich auswendig können musste, immer
eine Hilfe gewesen, sei es in Latein, in Mathe oder sonstwo.
Ein Gedicht habe ich gelernt, das ich bis heute noch kann. Der römische
Brunnen von Conrad Ferdinand Meyer:
Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.
„Und?“ werden Sie denken „Was hat das jetzt mit dem Evangelium
zu tun? Mit der Messe? Will der Pastor jetzt mit kulturellem Wissen protzen,
oder was?“
Nein, dieses Gedicht kam mir in den Sinn als ich die Lesung aus dem 1. Johannesbrief
gelesen habe, genauer den Satz:
Die Liebe besteht nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Gott
uns geliebt hat.
Was hat das nun mit dem Gedicht vom römischen Brunnen zu tun?
Stellen sie sich einmal vor ihrem inneren Auge den im Gedicht beschriebenen
Brunnen vor.
Er hat drei Schalen, die nach oben hin kleiner werden. Oben entspringt das
Wasser. Ist die obere Schale voll, rinnt das Wasser über den Rand der
Schale nach unten in die nächste. Ist diese voll, läuft das Wasser
in die dritte Schale.
Vielleicht haben sie einen solchen Brunnen schon einmal gesehen. Auf dem Petersplatz
in Rom z. B. stehen zwei ähnliche.
Ich finde das Bild vom überlaufenden Brunnen ein schönes Bild. Nicht nur in natura, sondern auch im übertragenen Sinn. Es erschließt mir etwas vom Leben mit Gott.
Die Liebe besteht nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass
Gott uns geliebt hat.
Am Anfang steht nicht unsere Liebe zu Gott, sondern seine Liebe zu uns.
Das frische, belebende, ja lebendige Wasser fließt von oben hinab in
die noch leere Schale. Für mich ein Sinnbild unseres Herzens, unserer
Seele.
Erst wenn wir uns anfüllen lassen mit der Liebe Gottes, können wir
diese auch weitergeben.
Der Brunnen läuft ja auch erst dann nach allen Seiten über, wenn
er selbst ganz voll von Wasser ist. Darum dürfen wir uns zunächst
einmal erst selbst mit der Liebe Gottes gleichsam volllaufen lassen, bevor
dann diese Liebe überstrahlt auf die anderen Menschen.
Diese Liebe ist auch nicht etwas, das wir produzieren müssten. Das Wasser
schießt ja nach oben heraus, ohne dass das von der Schale abhinge.
Mir sagt das: „Du bist von Gott geliebt, ohne Wenn und Aber. Und wenn
nichts Liebenswertes mehr in dir ist, wenn du dich selber schon nicht mehr
ausstehen kannst, wenn alle mit dem Finger auf dich zeigen, dann gilt das
immer noch, dass Gott dich liebt.“
Der Apostel Paulus schreibt einmal im Römerbrief mit einem jubelndem Unterton: „Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes.“ Es kann mit uns passieren, was will. Gott wird nicht aufhören, uns zu lieben.
Denn so sagt der erste Johannesbrief: „Gott ist die Liebe“ schlechthin! Er ist seinem Wesen nach Liebe. Er kann gar nicht anders, als lieben. Seine Liebe zu uns ist eine übersprudelnde Quelle, die nie versiegt.
Erst, wer sich geliebt weiß, kann andere lieben. Es gab einmal Versuche mit Kinder von inhaftierten Müttern. Einen Teil der Kinder hat man in die besten, schönsten Heime gebracht. Dort wurden sie von gut qualifiziertem Personal betreut. Ein andere Teil blieb bei den Müttern im Gefängnis. Später sollte sich herausstellen, dass die Kinder unter den objektiv schlechteren äußeren Bedingungen – die im Gefängnis – psychisch und physisch den anderen überlegen waren. Die Mutterliebe, die echte Liebe kann niemand ersetzen.
Klammer auf: Ob das unsere ach so modernen Familienpolitiker, die nach Ganztagsbetreuung der noch unter ein Jahr alten Kinder schreien, jemals verstehen werde? Aber vielleicht geht es denen ja auch nicht um die Kinder, sondern um die Wirtschaft, um die Arbeitskraft der Eltern. Klammer zu.
Nur wer sich geliebt weiß, kann andere lieben.
Nur wer sich bedingungslos geliebt weiß, kann andere bedingungslos lieben.
Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für
seine Freunde hingibt. sagt Jesus von sich und über uns.
Als Christen dürfen wir uns bedingungslos geliebt wissen, weil Christus
uns geliebt hat, bis zum Tod am Kreuz und darüber hinaus.
Deshalb konnten auch so viele Heilige die anderen bedingungslos lieben. Denken wir nur an Mutter Teresa: sie hat sogar Menschen mit ihrer Liebe beschenkt, die von Würmern und Maden angefressen an Straßenrand, in der Gosse lagen.
Ihr Herz war kein Rohr, durch das das Wasser der Liebe Gottes ohne Halt hindurchfloss.
Nein, ihre Seele war einer Schale gleich, die erst einmal die Liebe Gottes
aufnahm. Und dann gab sie diese Liebe weiter. Wenn man sie fragte, woher sie
denn die Kraft für all diese Liebesdienste nähme, antwortete sie
immer wieder: aus der täglichen Messe und der Anbetung. Von daher kam
ihr das Wasser des Lebens und der Liebe.
Liebe Schwestern und Brüder!
Machen auch wir unsere Seelen zu Schalen. Öffnen wir uns dem, was Gott
uns schenkt. Nehmen wir uns einmal Zeit, uns von den Worten der Hl. Schrift
oder von der Anwesenheit Jesu im Tabernakel beschenken zu lassen. Lassen wir
uns einfach einmal anfüllen. Einfach so. Ohne irgendetwas zu leisten.
Es wird uns gut tun. Und eben deshalb auch den anderen.
Eine lebendige Ruhe wird uns dann erfüllen. So wie der Brunnen ständig in Bewegung ist, aber eine wundersame Ruhe ausstrahlt.
Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.
Zum Glück habe ich dieses Gedicht einmal auswendig gelernt.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Ein schwieriges Evangelium, liebe Schwestern und Brüder,
das wir da gerade gehört haben.
Schwierig, aber auch erhaben. Geheimnisvoll und hymnisch.
Ganz anders als die Erzählungen von Betlehem, mit Maria und Josef, dem
Jesuskind, den Hirten.
Ja, es ist schwierig. Wahrscheinlich ist dieser Prolog, wie man den Anfang des Johannesevangeliums nennt, so sperrig weil er so grundsätzlich ist:
Im Anfang war das Wort.
Etwas Grundsätzlicheres gibt es wohl nicht als den Anfang. Es geht ja
schließlich um den Grund von allem.
Gerade über den Anfang der Welt machen sich die Menschen so einige Gedanken.
Vor allem Wissenschaftler.
Für viele von ihnen steht der Urknall, der Big Bang am Anfang von allem.
Und es gibt ja auch einige Hinweise, dass diese Theorie von einem Urknall
nicht ohne Fundament in der Realität ist.
Nur steht der Knall wirklich am Anfang?
Damit es knallt, muß ja etwas zum Knallen da sein? Nichts knallt ja
nicht! Was war denn dann vorher da?
Und wie ist dieser Prozeß in Gang gekommen? Was oder wer hat es denn
Knallen lassen?
Fragen über Fragen, die uns kein reiner Naturwissenschaftler beantworten kann. Auch wenn er noch so gelehrt, wortgewaltig und technisch ausgerüstet sein mag: Die Frage nach dem Anfang, kann er nicht vollständig beantworten. Da ist er mit seinem Latein oder Fachchinesisch am Ende.
Im Anfang war das Wort.
Die Menschheit steht staunend vor der Frage nach dem Anfang, vor dem Grund
aller Existenz.
Die Wissenschaft endecht immer wieder Neues und Großartiges. Aber jede neue Entdeckung wirft neue Fragen auf. Egal wohin sich der suchende Mensch wendet.
Die unendliche Weite des Sternenhimmels wird erforscht. Und vieles ist schon erfasst und erreicht worden. Es waren Menschen auf dem Mond und weiß Gott wie viele Satelliten schwirren um die Erde herum. Jetzt will man den Mars weiter erforschen. Auch wenn Beagle II, der auf dem Mars gelandet ist, tatsächlich doch antworten und neue Daten liefern sollte, die Fragen gehen weiter.
Die Unendlichkeit des Mikrokosmos wird erforscht.
Die Atome galten lange als kleinstes mögliche Teilchen, als a-tomos,
als unteilbar eben. Mittlerweile hat man schon das Atom gespalten, in Neutronen,
Protronen, Quarks usw.
Die Gene der Lebewesen werden entschlüsselt. Auch die Gene des Menschen
werden immer besser verstanden. Man kann sagen wo, einige Krankheiten und
Körpermerkmale ihren Sitz auf der DNA haben. Aber jede Entdeckung wirft
neue Fragen auf. Wissenschaftliche Fragen, aber auch ethische.
Im Anfang war das Wort.
Die Wissenschaft hat schon vieles entdeckt.
Aber kein Astronom kann uns die Formel liefern, mit der wir ein Weltall schaffen
können.
Und kein Mikrobiologe hat bisher eine Formel gefunden, die Leben neu schafft.
Im Anfang war das Wort.
So beginnt das Johannes Evangelium.
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
So beginnt die Bibel.
Bereschit bara elohim...heißt es da im hebräischen Urtext.
Das Wort bara, "erschaffen", wird nur Gott zugeschrieben.
Erschaffen kann nur Gott, heißt das.
Erschaffen im Sinne von etwas aus dem Nichts erschaffen. Nur ER ist im strikten
Sinne wirklich kreativ, nur er kann wirklich neues erschaffen.
Gott steht am Anfang von allem. Was Gott will, geschieht. Wenn er spricht:
"Es werde", dann wird es.
Deshalb beginnt Johannes auch mit Im Anfang war das Wort.
Gott allein ist der Schöpfer von allem. Alles andere ist Geschöpf.
Im Anfang war das Wort.
Das macht auch deutlich, das Gott nicht irgendeine Idee ist, ein numinoses
Wesen. Ein Wort wird geformt, gedacht und ausgesprochen von einer Person.
Im Anfang war das Wort.
Das heißt auch, Gott ist eine Person, ein Jemand, kein Etwas. Er ist
nicht nur da, er teilt sich mit.
Und ohne dieses Sich-Mitteilen Gottes, ohne sein lebenschaffendes Wort gibt
es nichts.
Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden
ist.
Ja, Gott teilt sich mit. Jeder, der noch nicht verlernt hat mit offenen Augen durch diese Welt zu gehen, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, und er wird ahnen, dass hinter dieser Welt nicht nur Etwas, sondern ein Jemand steckt. Vielleicht ist das Nicht-Mehr-Staunen-Können das große Problem unserer Tage. Wir sind schon so vollgepumpt mit Eindrücken, wir lassen so wenig an uns ran, wir sind schon fertig, oder meinen es immerhin schon zu sein.
Ich glaube, es war Max Planck, der große Naturwissenschaftler, der einmal so formulierte: "Sehen Sie sich das Auge einer Fliege an. Das kann kein Zufall sein." Für ihn war klar, das hinter all der Vielfalt der Schöpfung der belebten und toten der Wille es Jemand steht: Gott.
Im Anfang war das Wort.
Gott teilt sich mit durch seine Schöpfung. Die Schöpfung ist wunderbar,
unendlich groß, unfassbar.
Aber mehr noch: Gott teilt sich mit in der Schöpfung. Er tritt mit der
Schöpfung in Kontakt, wird ein Teil von ihr.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.
Gott hat die Erde nicht nur geschaffen, um sie sich dann allein zu überlassen.
Nein, er hat sich eingemischt, um sich ihr mitzuteilen, bei ihr zu sein, bei
ihr zu bleiben.
Und das ist erst recht wunderbar, unendlich groß, unfassbar.
Im Anfang war das Wort.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.
Gott steht am Anfang von allem. Weil das so ist, sind wir nicht Spielball
irgendwelcher Mächte des Schicksals, irgendwelchen Naturgesetzen unterworfen
wie Marionetten.
Der, der diese Welt geschaffen hat, ist selbst in diese Welt gekommen.
Der, der Dich erschaffen hat, ist einer geworden wie Du.
Deshalb braucht Dich diese Welt nicht zu ängstigen mit all ihren Fragen, Sorgen, Problemen. Du bist nicht verloren in den Weiten der Galaxien. Du bist mehr wert als die Summe von Aminosäuren.
Der Schöpfer ist bei seinen Geschöpfen. Gott ist bei Dir.
Auch das, ist Weihnachten. Auch das gilt für das neue Jahr.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Liebe Schwestern und Brüder,
die letzten Worte eines Menschen sind oft so etwas wie ein Vermächtnis.
Oft wird erst aus den letzten Worten ersichtlich, was das Leben davor ausgemacht
hat. Darum sind die letzten Worte Jesu, auf Erden, wie sie der Evangelist
Matthäus aufgeschrieben hat, von uns mit besonders wachem Geist zu hören.
Er sagt: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum
geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern;
tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes,
und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß:
Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Das ist eine geballte Ladung an klärender Information und präzisem
Auftrag. Zuerst bestätigt Jesus seine Gottheit. Ihm ist alle Macht gegeben.
Alle Macht im Himmel und auf der Erde. Das Wort „gegeben“ signalisiert
aber auch die innige Verbindung mit seinem Vater. Nicht aus eigener Initiative
heraus, sondern in allerengstem Miteinander innerhalb der göttlichen
Dreifaltigkeit wirkt Jesus. „Ich und der Vater sind eins“, sagt
demgemäß Jesus an anderer Stelle (Joh 10,30). Was immer der Vater
will, das will der Sohn, das will der Heilige Geist.
Da ist absolute Harmonie, für uns unfassbar innige liebende Gemeinsamkeit,
aber auch die vollkommene Macht, die alles im Himmel und auf Erden umschließt
und in Händen hält. Gott ist Liebe und Glück in ewiger Vollendung.
Interessant ist auch, dass Jesus zu den Jüngern sagt: „Darum geht
zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern…“
Dreieinigkeit ist nichts Abstraktes. Gott hat ein Ziel, sonst hätte er
die Welt nicht erschaffen. Gott ist kein Gott, der öfter mal Langeweile
hat und deshalb die Erde von ferne lenkt wie ein Kind sein Fernlenkauto.
Er sitzt auch nicht einsam auf seinem himmlischen Vorstands-Sessel und schüttelt
dabei immer häufiger sein Haupt, wenn er die Menschheit von oben herab
betrachtet.
Die ganze Schöpfung ist von ihm aus überströmender Liebe geschaffen,
und die Menschen sind es erst recht. Jesus sagt ja im heutigen Evangelium,
darum sollten alle Menschen zu seinen Jüngern gemacht werden, weil Gott
über alle wirkliche Macht im Himmel und auf Erden verfügt.
Alle Menschen sollen zu gläubigen Jüngern Jesu werden. Das heißt
doch: Gott hat etwas vor. Jeder Mensch liegt ihm wirklich so sehr am Herzen,
als gäbe es nur ihn oder sie allein auf der ganzen Welt.
Wirklich niemand soll außen vor bleiben, wenn es um den Himmel geht.
Alle sollen das große Los ziehen dürfen, alle sollen das Glück
haben, in Gottes Angesicht sich auf ewig wie im siebten Himmel fühlen
zu dürfen, in seligem Glück ihn und sein Erbarmen lobpreisend.
Um genau das geht es: der dreieinige Gott ist die Liebe in Vollendung. Er
liebt uns so sehr, dass er sein Glück im Himmel mit uns Menschen teilen
möchte. Und das ist ja auch der Himmel: ewige Gemeinschaft mit Gott und
untereinander. Die Hölle ist genau das Gegenteil: Einsamkeit, Verlassenheit
und deshalb tiefe Traurigkeit.
Liebes Jubelpaar, ich weiß ja nicht, ob sie ihre 50jährige Gemeinschaft
in der Ehe als den siebten Himmel ansehen. Aber dass dieses treue Miteinander
etwas ist, für das Sie und wir alle hier freudig danken dürfen,
das ist klar. Den jede Gemeinschaft stärkt und trägt uns. Und sie
gibt einen kleinen Vorgeschmack auf die Gemeinschaft im der Heiligen und mit
und in der Dreifaltigkeit.
Alle Jünger Jesu bekommen im heutigen Evangelium einen ganz konkreten
Auftrag: „…macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie
auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes…“
Bei Gott ist die Erdenzeit also immer auch Erntezeit. Menschen sollen gefischt
werden für das Himmelreich. Alle Menschen sollen von Gott erfahren und
sich dann als Jünger zu ihm bekennen. Durch die Taufe im Namen des dreieinigen
Gottes werden sie dann endgültig seiner Obhut anvertraut.
Manche hören das heute mit gemischten Gefühlen, wenn zur Bekehrung
anderer Menschen aufgerufen wird. Man tut so, als sei das ein schwerer Eingriff
in die Intimsphäre fremder Menschen. Doch es gibt hier keinen Spielraum
für Verharmlosung und Abschwächung. Jesus meint es wirklich so:
Aufgabe der Jünger, also auch heute Aufgabe der Kirche und damit unsere
Aufgabe ist es, so vielen Menschen wie möglich den Weg zu Gott aufzuzeigen.
Natürlich gilt das Sprichwort: Gebranntes Kind scheut das Feuer. Es ist
traurig und wahr, dass im Namen der Mission im Laufe der Jahrhunderte auch
viel Unrecht geschehen ist. Dazu gehört z.B., dass Menschen mit Gewalt
zu Christen gemacht wurden, wie wir das auch von anderen Religionen kennen.
Wir neigen heute dazu, es jedem selbst zu überlassen, was er glaubt oder
nicht glaubt. Das klingt menschenfreundlich und tolerant. Man kommt niemanden
in die Quere und erwartet auch von anderen, gefälligst in Ruhe gelassen
zu werden. Schließlich sind wir doch keine Zeugen Jehovas, die zu zweit
von Haus zu Haus gehen und übrigens auch beim Pastor klingeln. Oder gar
bei Klarissenschwestern.
Was da so tolerant klingt, ist es in Wirklichkeit aber nicht. Wie sind wir
selbst denn zum Glauben gekommen? Na sicher – durch andere Menschen,
die uns diesen Weg gezeigt haben. Was wäre wohl aus uns geworden, wenn
die Generationen vor uns gedacht hätten wie so viele heute? Was wäre
wohl aus uns geworden, wenn nicht im Laufe der Jahrhunderte so viele ihren
Glauben an den liebenden Gott sogar mit ihrem Leben bezeugt hätten?
Und wenn ich jemanden liebhabe, möchte ich ihm dann nicht das Schönste
schenken. Weil wir andere lieben, möchten wir sie mit dem Glauben beschenken.
Das heißt natürlich nicht, dass wir sie damit erpressen oder gewaltsam
vereinnahmen wollen.
Liebes Goldpaar, der Glaube hat auch Ihr Eheleben reich beschenkt. Sie haben
gespürt, dass es Gott gibt, der sie einander geschenkt hat, der sie getragen
und zusammenhalten ließ – gerade da, wo es schwer wurde. Diesem
Gott zu danken, sind Sie hierher gekommen. So ist Ihre Ehe ein schönes
Zeugnis vor der Welt, dass der Gott, der die Liebe ist, den Liebenden auf
Erden nahe ist.
Jesu sehnlichster Wunsch ist es, möglichst vielen seiner so geliebten
Menschen Anteil an seiner Freude, an der Gemeinschaft mit der Dreifaltigkeit
zu schenken. Unsere Aufgabe ist es, mit Gottes Hilfe das Evangelium zu verbreiten
und Wegweiser für andere zu sein.
Den schönsten Schluss für diese Predigt hat übrigens Jesus
heute selbst gesprochen. Sicher hat er dabei auch daran gedacht, wie leicht
wir Christen mutlos werden können, statt Flagge zu zeigen.
Seine Zusage sollten wir darum nie vergessen. Jesus verspricht allen seinen
Jüngern: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende
der Welt.“
Diesen tröstlichen und Mut machenden Satz sagt der Herr gerade auch Ihnen,
liebes Jubelpaar Hasebrink, zu. Jetzt bei Ihrem Fest. Dass er bei Ihnen bleibe
alle Tage, dazu spende ich Ihnen nun den Segen.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Liebe Schwestern und Brüder!
Das ist mein Leib, das ist mein Blut für euch.
So hat Jesus gestern im Abendmahlsaal über Brot und Wein gesprochen. Seinen Leib und sein Blut hat er den dort versammelten Aposteln gegeben.
Heute auf Golgotha am Kreuz gibt er wirklich seinen Leib und sein Blut hin.
Hingegeben, ja geschlachtet als Opfer hängt er am Kreuz vor den Toren
Jerusalems, während im Tempel die Lämmer für das Paschafest
geschlachtet werden.
Während das eigentliche Erlösungsopfer geschieht, wird noch immer
der Vorausdeutung dieses Opfers gefeiert.
Jesus gibt seinen Leib, sein Fleisch wirklich hin. Sein Blut läßt
er wirklich vergießen. Das im Abendmahlsaal angekündigte, erfüllt
sich auf dem Kalvarienberg.
Im Film „Die Passion Jesu“ von Mel Gibson wird das plastisch dargestellt.
Als Jesus die Worte über das Brot und den Wein spricht, wird eingeblendet,
wie er ans Kreuz genagelt wird.
Die Eucharistie ist Opfer, sie ist unblutige Vergegenwärtigung des Erlösungsopfers am Kreuz. Durch seine Wunden sind wir geheilt.
Uns Menschen heute ist es irgendwie unangenehm und unverständlich geworden, vom Opfer zu sprechen, das erlöst. Die brutale Tat am Kreuz ist uns irgendwie zuwider, erscheint zu sperrig. Hätte der Herr nicht eine andere Möglichkeit gehabt seine Liebe zu uns zu zeigen und die Erlösung zu bewirken? So fragen viele Menschen heute.
Aber gerade im Opfer wird die Liebe deutlich, im Sich-Hingeben mit Leib und Blut.
Schauen wir auf unseren Alltag:
Verliebte nehmen alle möglichen Opfer auf sich, um einander zu sehen,
zu begegnen, zu beschenken: Anstrengende Reisen, kostspielige Geschenke...
Eltern opfern für ihre Kinder Zeit, Geld, Bequemlichkeit, Schlaf...
Menschen, die sich einer guten Sache verschrieben haben, opfern auch vieles
für eben diese Sache.
Jesus opfert sich ganz, mit Leib und Blut, für uns. Seine Liebe zu uns
kennt keine Grenzen. Bei uns Menschen kommt die Opferbereitschaft oft an Schmerzgrenzen,
an Punkte, wo unsere Liebe vielleicht nicht auszureichen vermag. Jesus überschreitet
sie.
Von jedem Kruzifix herab sagt uns Jesus: „Egal, was passiert: Ich liebe
Dich, ich gebe alles für Dich, ich habe schon alles gegeben für
Dich: Meinen Leib und mein Blut. Meine ausgestreckten Arme zeigen Dir, dass
Du mir bedingungslos kostbar und willkommen bist: Komm, lass Dich erlösen.“
In früheren Zeiten – möglicherweise, weil die körperlichen Opfer größer, sichtbarer, selbstverständlicher waren, als in unserer Gesellschaft, die Leiden und Leidende am liebsten abschiebt – in früheren Zeiten wurde unbefangener, plastischer, ja poetischer über die Erlösung durch das Opfer Christi am Kreuz gesprochen.
So zum Beispiel in einer Arie der Johannespassion von Johann Sebastian Bach.
Dort wird der von der Geißelung blutige Rücken Jesu mit dem Himmel
verglichen, an dem der Regenbogen des Bundes nach der Sintflut erschien.
In der Arie singt die Tenorstimme:
Erwäge, wie sein blutgefärbter Rücken
In allen Stücken
Dem Himmel gleiche geht,
Daran, nachdem die Wasserwogen
Von unsrer Sündflut sich verzogen,
Der allerschönste Regenbogen
Als Gottes Gnadenzeichen steht!
Uns ist eine solche Sprache fremd geworden. Sie gehört aber zum Schatz der Christenheit, der Frömmigkeit.
Das ist mein Leib, das ist mein Blut für euch.
Zur christlichen Frömmigkeit gehört der Begriff des Opfers, sofern
er von Liebe getragen ist. Darauf geht Papst Benedikt in seiner Enzyklika
„Spe salvi“ ein, wenn er schreibt:
Noch eine für die Dinge des Alltags nicht ganz unerhebliche kleine Bemerkung
möchte ich anfügen.
Zu einer heute vielleicht weniger praktizierten, aber vor nicht allzu langer
Zeit noch sehr verbreiteten Weise der Frömmigkeit gehörte der Gedanke,
man könne die kleinen Mühen des Alltags, die uns immer wieder einmal
wie mehr oder weniger empfindliche Nadelstiche treffen, "aufopfern"
und ihnen dadurch Sinn verleihen. In dieser Frömmigkeit gab es gewiß
Übertriebenes und auch Ungesundes, aber es ist zu fragen, ob da nicht
doch irgendwie etwas Wesentliches und Helfendes enthalten war. Was kann das
heißen: "aufopfern"?
Diese Menschen waren überzeugt, daß sie ihre kleinen Mühen
in das große Mitleiden Christi hineinlegen konnten, so daß sie
irgendwie zu dem Schatz des Mitleids gehörten, dessen die Menschheit
bedarf. So könnten auch die kleinen Verdrießlichkeiten des Alltags
Sinn gewinnen und zum Haushalt des Guten, der Liebe in der Menschheit beitragen.
Vielleicht sollten wir doch fragen, ob solches nicht auch für uns wieder
zu einer sinnvollen Möglichkeit werden kann.
Vielleicht kann uns diese Anregung in der kommenden Zeit begleiten:
Da, wo mir etwas Unangenehmes widerfährt, wo ich auf Leid und Widerwärtigkeiten stoße, will ich mich mit Jesus verbinden. Er hat das ganze Kreuz getragen, gelitten FÜR UNS. Daran hat er immer gedacht, das war sein grundlegendes Motiv, dazu war er auf die Welt gekommen.
Wir könnten, wenn uns ein Kreuz aufgelegt wird, ein Kreuz widerfährt,
dieses tragen FÜR ANDERE, indem wir versuchen, es gut zu tragen - mit
einem Lächeln vielleicht, nicht griesgrämig, still - und so können
wir es in ein Gebet verwandeln für bestimmte Menschen, bestimmte Anliegen.
„Herr, ich weiß nicht, warum mir dies jetzt so widerfährt,
aber ich will es annehmen für diesen Menschen, so wie Du das Kreuz für
uns angenommen hast.“
So verwandeln wir unangenehme Dinge in Akte der Liebe.
Ein uns vielleicht etwas fremd erscheinender Weg. Aber es ist ein Weg vieler
Heiliger. Es ist auch der Weg Jesu.
Das ist mein Leib, das ist mein Blut für euch.
Jesus hat sich ganz geopfert für alle. Für alle. Für alle wollen
wir nun beten, dass sie sich von der erlösenden Liebe am Kreuz beschenkt
werden und sich beschenken lassen.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Liebe Schwestern und Brüder,
das Titelbild der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23. Juli diesen Jahres
zeigte ältere Inder mit blankem Oberkörper, teils mit Schnurbart
und Turban, die futuristische Brillen auf der Nase tragen. Der Bildunterschrift
konnte man entnehmen, dass es sich um Männer handelt, die mit besonderen
Augengläsern die Sonnenfinsternis anschauten, die sich im Juli in Asien
darbot.
Vielleicht können Sie sich noch an den August 1999 erinnern. Damals, vor nunmehr 10 Jahren, gab es auch in Europa für wenige Minuten gar keine Sonne mehr. Anfang August 1999 ereignete sich die letzte totale Sonnenfinsternis, die wir in unseren Gefilden mitansehen konnten. Die nächste wir für uns 2081 sichtbar sein.
Was wurde damals ein Rummel um diese totale Sonnenfinsternis gemacht. Was
hat dieses Naturschauspiel in den Menschen nicht alles ausgelöst. Ich
war damals Kaplan in Epe.
Die Gefühle pendelten zwischen Weltuntergangs- und Jahrmarktstimmung,
zwischen Panik und Party hin und her. Ich kann mich noch gut daran erinnern,
was damals in den Schulen, in denen ich unterrichtete los war. Diese Sonnenfinsternis
und die nahe Jahrtausendwende waren für Hobbyastrologen und selbsternannte
Unheilspropheten eine wunderbare Kombination.
Der Mond versperrte für ein paar Minuten unseren Ausblick auf die Sonne.
Dieses Zeichen am Himmel hat - allen Unkenrufen zum Trotz - an unserem Leben
nichts geändert. Weder ging die Welt unter, noch ist eine Zeitenwende
eingetreten.
Das einzige was sich verändert hatte, waren die Kontostände der
Solarbrillenhersteller, die in rauen Mengen abgesetzt wurden.
Von einem großen Zeichen am Himmel war auch in der Lesung aus der Offenbarung
des Johannes die Rede.
Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne
bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf
Sternen auf ihrem Haupt.
Seit jeher sieht die Kirche in dieser Beschreibung eine Anspielung auf Maria,
die Gottesmutter.
Dieses Bild wollen wir in dieser Gebetsnacht, die unter dem Leitmotiv „Königin,
aufgenommen in den Himmel“ steht, näher anschauen:
Maria, der Welt entrückt, uns entzogen, fern von den Menschen.
Maria als Himmelskönigin, als mächtige Herrscherin, mit göttlichem
Glanz.
Eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen
und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.
Hat dieses Zeichen am Himmel Bedeutung für unser Leben, für unseren
Glauben? Oder ist es auch nur eine effektvolle, interessante aber eben vorübergehende
Erscheinung wie die Sonnenfinsternis in 1999 oder in 2009?
Was will uns dieses Bild zeigen? Was will die Anrufung der Königin, aufgenommen
in den Himmel besagen?
Zwei Aspekte möchte ich aufgreifen. Aspekte, die mir wichtig sind. Es gäbe sicherlich noch viele andere.
Da wäre zum einen, die Aussage, daß es sich lohnt, auf Gott zu vertrauen.
Als junge Frau empfängt Maria die Botschaft, daß sie vom Hl. Geist
überschattet den Messias gebären soll.
Sie antwortet „Mir geschehe, wie Du es gesagt hast.“
Das ist der wichtigste Satz, den ein Mensch auf dieser Erde je gesprochen
hat. Er ist der Beginn unserer Erlösung in Jesus Christus.
„Mir geschehe“ antwortet sie, und nicht etwa: „Ich werde
das tun. Ich kann das. Das vermag ich zu leisten.“
„Mir geschehe.“ Darin liegt eine große Demut.
„Mir geschehe.“ Es ist, als ob sie sagen will: „Ich kenne
deinen Willen nicht. Ich weiß nicht, was du von mir in Zukunft verlangst.
Aber ich vertaue dir. Deshalb traue ich dir mein Leben an.“
Und dieses Leben hat seine Vollendung gefunden.
Ihr Vertrauen auf Gott, ihre Hingabe an den Willen Gottes auf Erden ist belohnt
worden: Mit dem ewigen Leben im Himmel.
Auch wir sind aufgerufen, unser „Mir geschehe wie Du es gesagt hast!“
zu sprechen. Auch uns ist dann himmlischer Lohn verheißen.
Früher warf man der Kirche vor, die Menschen mit dem Himmel zu vertrösten und von den Problemen auf der Erde abzulenken – Karl Marx schimpfte über den Glauben, es sei „Opium fürs Volk“. Heute besteht die Gefahr, den Himmel aus dem Blick zu verlieren, der Glaube wird dann zur rein horizontal ausgerichteten Ethik, zu einem Piep-Piep-Piep-ich-hab-dich-lieb-Ringelrein politisch korrekter Gutmenschen. Da, wo der Glaube den Himmel aus den Augen verliert, verliert er seine innere Tiefe, seinen Trost, seinen Reichtum. Da, wo die Menschen den Himmel aus dem Blick verlieren, sucht man kein Heil, sondern nur Problemlösungen, findet man keinen Heiland mehr, sondern nur noch Problemlöser oder innerweltliche Messiasse a là Obama.
Mit ihrer Seele und mit ihrem Leib ist Maria in den Himmel aufgenommen worden.
Das ist der Glauben der Kirche seit alters her. Das Fest ihrer Himmelfahrt
wird schon seit dem frühen fünften Jahrhundert gefeiert. Papst Pius
XII. erhob diese Lehre zum Dogma, zur von Gott offenbarten Glaubenswahrheit.
Und hier liegt der zweite Aspekt des heutigen Festes, der mir am Herzen liegt.
Die Dogmatisierung der leiblich Aufnahme Mariens in den Himmel erfolgte am
1. November 1950.
5 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.
5 Jahre nach einem beispiellosen Gemetzel unter den Menschen.
5 Jahre nachdem Abermillionen Menschen ihr Leben lassen mußten. Sinnlos.
Der Wert des Menschen, seine Würde war angesichts des grausamen Krieges
in Frage gestellt. Die Kirche damals hörte diese Frage. Ja, sie stellte
sich selber dieser Frage.
Und sie findet in der Aufnahme Mariens in den Himmel eine Antwort:
Die Würde des Menschen ist unbeschreiblich groß. Jeder Mensch ist
vor Gott unendlich kostbar.
Maria, die Schwester aller Menschen, ist mit Leib und Seele in den Himmel
aufgenommen worden.
Sie ist beredtes Zeichen dafür, daß der ganze Mensch, mit Leib
und Seele, in seiner Würde unantastbar ist.
Die Opfer von Krieg, Terror und Gewalt sind nicht verloren. Auch wenn wir
sie nicht zählen können, auch wenn wir nicht alle ihre Namen kennen,
Gott kennt ihre Zahl und ihre Namen. Bei ihm sind sie geborgen.
Auch alle, die in dieser Stunde leiden müssen, sei es an Leib oder Seele,
vergisst er nicht.
Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne
bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf
Sternen auf ihrem Haupt.
Es lohnt sich, auf Gott zu vertrauen.
Für Gott ist jeder Mensch unendlich kostbar.
Das sagt mit dieses Zeichen am Himmel. Das sagt mir die Anrufung und das Fest
von Maria, die aufgenommen ist in den Himmel.
Wenn das meine Sicht der Dinge ist, wenn ich sozusagen mit dieser Brille auf Maria schaue, dann kann sich etwas in meinem Leben ändern, indem ich mein „Mir geschehe, wie Du, Gott, es gesagt hast!“ spreche, indem ich jeden Menschen als Kind Gottes behandle.
Die Sonnenfinsternis 1999 war ein Jahrhundertereignis ohne Folgen. Ebenso
wie die diesjährige Verfinsterung der Sonne.
Auf Maria, das Zeichen am Himmel, zu schauen und davon zu lernen, das hätte
Folgen für unser Jahrhundert und darüber hinaus.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Jedem ist es schon einmal passiert, jene Szene zu beobachten, wo der Fahrer
im Auto sitzt und zwei oder drei andere mühsam anschieben und ergebnislos
versuchen, dem Auto Geschwindigkeit zu verleihen, damit es wieder losfahren
kann. Sie halten ein, wischen sich den Schweiß ab und schieben weiter
an…
Dann plötzlich ein Lärm: Der Motor springt an, das Auto fährt,
und die, die anschoben, bleiben mit einem Seufzer der Erleichterung stehen.
Das ist ein Bild dafür, was im christlichen Leben passiert. Durch ständiges, mühevolles Anschieben kommt man weiter, ohne große Fortschritte zu machen. Und dabei steht uns ein enorm machtvoller „Motor“ zur Verfügung: „die Kraft aus der Höhe“, die nur darauf wartet, in „Gang gesetzt“ zu werden. Das Pfingstfest sollte uns helfen, diesen „Motor“ und die Methode zu entdecken, ihn in Gang zu bringen.
Der Bericht der Apostelgeschichte beginnt mit den Worten: „Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort.“
Diesen Worten entnehmen wir, dass es vor Pfingsten schon ein Pfingsten gegeben haben muss. Es gab mit anderen Worten bereits im Judentum ein Pfingstfest, und während dieses Festes ereignete sich die Herabkunft des Heiligen Geistes.
Das christliche Pfingsten ist nicht zu verstehen, ohne das jüdische Pfingsten in Betracht zu ziehen, das ersteres vorbereitet hat.
Im Alten Testament gab es zwei Interpretationen des Pfingstfestes. Am Anfang
war es das Fest der sieben Wochen, das Erntefest, als Gott das erste Getreide
dargebracht wurde; später aber – und ganz gewiss zur Zeit Jesu
– kam dem Fest eine neue Bedeutung zu:
Es war dann das Fest der Übergabe des Gesetzes auf dem Berg Sinai, das
Fest des Bundes.
Wenn der Heilige Geist ausgerechnet an dem Tag auf die Kirche herabkommen will, an dem in Israel das Fest des Gesetzes begangen wird, will das besagen, dass der Heilige Geist das neue Gesetz ist, das geistliche Gesetz, das den neuen und ewigen Bund besiegelt; ein Gesetz, das nicht mehr auf Steintafeln geschrieben steht, sondern auf Tafeln aus Fleisch: den Herzen der Menschen.
Diese Überlegungen lassen sofort eine Frage aufkommen: Leben wir unter dem alten Gesetz, oder unter dem neuen? Erfüllen wir unsere religiösen Pflichten aus Zwang, aus Angst oder Gewohnheit, oder vielmehr aus einer inneren Überzeugung heraus – weil wir davon „angezogen“, begeistert sind? Nehmen wir Gott als Vater oder als Gebieter wahr?
Ich möchte mit einer Geschichte schließen. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts wanderte eine Familie aus Süditalien in die Vereinigten Staaten aus. Da sie nicht genügend Geld hatten, um das Essen in einem Restaurant zu bezahlen, nahmen sie sich Reiseproviant mit: Brot und Käse. Als die Tage und Wochen verstrichen, vertrocknete das Brot und verschimmelte der Käse. Der Sohn hielt es schließlich nicht mehr aus und weinte nur noch. Die Eltern nahmen das wenige Geld, das sie noch hatten, und gaben es ihm, damit er ins Restaurant gehen könnte, um etwas zu sich zu nehmen. Der Sohn ging, aß und kehrte unter Tränen zu seinen Eltern zurück: „Was denn? Wir haben alles ausgegeben, um dir ein gutes Essen zu zahlen, und du weinst immer noch?“ – „Ich weine, weil ich entdeckt habe, dass eine Mahlzeit pro Tag im Restaurant im Preis inbegriffen war und wir die ganze Zeit über Brot und Käse gegessen haben.“
Viele Christen gehen durchs Leben, indem sie „Brot und Käse“
essen – ohne Freude und ohne Begeisterung –, während sie
in einem geistlichen Sinn gesprochen jeden Tag alles mögliche Gute genießen
könnten, all das, was „im Preis, Christ zu sein, inbegriffen“
ist.
Das Geheimnis, die Erfahrung dessen zu machen, was Johannes XXIII. „ein
neues Pfingsten“ nennt, heißt: Gebet.
Es können die auswendig gelernten Gebete sein, oder die vielen guten
Gebete und Lieder im Gotteslob , die wirklich einen Schatz darstellen, aber
auch – und vielleicht mangelt es uns da manchmal an Mut oder Zeit –
die freien, aus dem Herzen mit den eigenen Worten formulierten.
Auf jeden Fall: Dort „funkt es“, so dass der Motor anspringt!
Jesus hat verheißen, dass der himmlische Vater den Heiligen Geist denen
geben wird, die darum bitten (Lk 11,13). Bitten wir also!
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Zweimal, liebe Schwestern und Brüder, ist im Evangelium nach Lukas, das wir in der Hl. Nacht hören, von den Windeln Jesu die Rede.
Von Maria wird nach der Geburt Jesu berichtet: Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.
Den Hirten wird von den Engeln gesagt, dass sie zum Zeichen für die Geburt des Messias ein Kind finden werden, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liege.
Windeln für den menschgewordenen Sohn Gottes. Ein in Windeln gewickeltes Kind als Zeichen, dass der Retter der Welt da ist. Ist das nicht ziemlich banal, ja peinlich?
Und kämen Sie auf die Idee nach Aachen zu wallfahren, um die Windel Jesu als Reliquie zu verehren. Denn darum geht es auch bei der berühmten Aachener Heiltumsfahrt, die seit dem 13. Jahrhundert und im siebenjährigen Turnus stattfindet. Ist das nicht eigenartig, peinlich für uns aufgeklärte Menschen von heute?
Ich weiß nicht, ob die ausgestellten Textilien in Aachen wirklich die historischen Windeln Jesu sind. Aber darum geht es auch nicht. Ich weiß aber, dass die Windeln ausdrücklich im Evangelium des Lukas genannt werden. Und das kann nicht ohne Belang für uns und unseren Glauben sein.
Für mich wird darin deutlich, wie konkret, wie leibhaftig Gott Mensch geworden ist. Er ist wirklich in unsere Niederungen hinabgestiegen. Jesus war ganz Gott, aber eben auch ganz Mensch, selbst die allermenschlichsten Bedürfnisse waren ihm nicht fremd.
Er wird auch gefroren haben als Kind im Stall. „Liegt als armes Kind im Stall, Herrscher über Weltenall“ singen wir gerne und voll Inbrunst in einem Weihnachtslied. Für Maria und Joseph hieß das, dass sie dem Herrscher der Welt ganz weltlich helfen, beistehen mussten. Maria hat ihm die Windeln angelegt. Und Joseph wird - ebenfalls seit 14. Jahrhundert in der Kunst – ganz realistisch als einer dargestellt, der sich um die beiden – Mutter und Kind - kümmert.
„Josef, lieber Josef mein, hilf mir wieg‘n mein Kindelein“, hören wir in einer beliebten alten Volksweise Maria zu Joseph sagen. Und natürlich tut er es.
Als guter Hausmann sieht man ihn auf Gemälden sich krümmen und das Herdfeuer mit dem Mund pustend anfachen. Manchmal sieht man ihn sogar kochend am Feuer hocken. Oder er zieht sich seine Beinlinge aus – wenn man so will – seine langen, warmen Kniestrümpfe, um sie als zusätzlich wärmende Decke über das Kind in der Krippe zu legen. Irgendwie niedlich wirken diese Ausdrucksformen der Weihnachtsfrömmigkeit. Und Joseph wirkt da etwas zu schlicht. Da wird Joseph der heilsgeschichtlichen Sternstunde irgendwie nicht gerecht. Müsste der nicht jetzt das Kind anbeten, statt Feuer zu machen und zu kochen und vielleicht sogar noch den Stall auszufegen. Jedenfalls scheint Joseph keine große religiös hoch erleuchtete Gestalt zu sein.
Aber damit steht der Patriarch Joseph aus dem Neuen Testament in einer Reihe mit den Patriarchen des Alten Bundes. Das findet jedenfalls Papst Benedikt XVI., wenn er schreibt: „Religionsgeschichtlich gesehen sind Abraham, Isaak und Jakob keine großen Persönlichkeiten.“ Im Vergleich mit den großen und erhabenen asiatischen Religionsstiftern – wie z. B. Buddha – „erscheinen die Träger der Geschichte des Glaubens beinahe pöbelhaft. Das wegzudeuten hieße genau den Anstoß wegdeuten der auf das Besondere und Einzigartige der biblischen Offenbarung hinführt. Dieses Besondere und Ganz-Andere liegt darin, dass Gott in der Bibel nicht wie bei den großen Mystikern geschaut, sondern als der Handelnde erfahren wird. ... Und dies wiederum liegt daran, dass hier nicht der Mensch in eigener Aufstiegsbemühung...das Göttliche an seinem Ort auffindet, sondern es gilt das Umgekehrte: dass Gott den Menschen mitten in den weltlichen und irdischen Zusammenhängen sucht, dass Gott, den von sich aus niemand entdecken kann, auch der Reinste nicht, seinerseits den Menschen nachgeht und in Beziehung zu ihm tritt. “ Soweit der Papst.
Wer Christ werden, sein will – so deute ich das – muss keine religiösen Kunststücke vollbringen. Wir brauchen uns nicht durch irgendwelche Meditationstechniken – die auch ihren Wert haben – in Ekstase zu versetzten, um mit Gott in Kontakt zu treten.
Nein, der Alltag, so wie er auf mich zukommt, ist der Ort, wo Gott auf mich zukommt, indem er mich vor Entscheidungen und in Situationen hineinstellt. Wie handle ich dann? Höre ich auf die Stimme meines Gewissens, die ja die Stimme Gottes in mir ist? Setze ich die Gebote und Weisungen Gottes und seiner Kirche dann in die Tat um? Erfülle ich meine Pflichten und Freuden, ertrage ich das Leiden aus Liebe zu Gott?
Gott fragt uns jeden Augenblick ganz konkret. Und wir können nicht anders, als ganz konkret zu antworten. Ein Vers aus dem Lied „Freude schöner Götterfunken“ lautet: „Seid umschlungen Millionen, dieser Kuss der ganzen Welt.“ Für einige Gutmenschen ist das sozusagen die Lebensdevise geworden. Als Christen sehen wir das etwas anders: nicht die Millionen sollen umschlungen werden, sondern der Mann, der gerade vor mir auf dem Schnee ausgerutscht ist, dem aufgeholfen werden muss. Nicht der Kuss der ganzen Welt ist der wichtige, sondern vielleicht der in der Familie, für das Kind oder den Partner, der Trost braucht.
Das kann uns das Bild des Hl. Joseph lehren: Im tätig bemühten, still dienenden, aber auch im überforderten, ermüdeten und manchmal umständlichen, ja komisch wirkenden Joseph können wir uns alle wiederfinden: Nicht die religiöse Persönlichkeit, die spirituell, ausgefeilten Techniken zählen, sondern der Gehorsam gegenüber dem göttlichen Anruf und Auftrag in der oft banalen Alltäglichkeit.
Gott braucht keine Menschen, die Außergewöhnliches, Menschenunmögliches vollbringen, sondern Christen, die das Gewöhnliche, Menschenmögliche aus Liebe zu ihm und im Gehorsam gegen ihn tun.
Das können uns auch die Windeln Jesu lehren. Ihre Erwähnung im Evangelium ist für mich so etwas wie ein Signalwort, so als ob Jesus mir sagen wollte: „Du Mensch, siehe, wie sehr ich Mensch geworden bin. Genau so einer wie Du. In allem bin ich Dir gleich geworden außer in der Sünde. Ich bin Gottes Sohn und komme auf die Erde und teile mit Dir Deinen Alltag. Und ich möchte, dass Du mit mir Deinen Alltag teilst. Weil ich Mensch geworden bin, kannst auch Du ein Mensch werden, der Gott gefällt und Glückseligkeit erlangt. Du musst nicht viel tun: höre auf die Gebote, lese in der Hl. Schrift, bete und feiere zumindest die sonntägliche Messe- und Du wirst sehen, dass ich Dir dann überall im Alltäglichen begegnen werde. So werden Dir die Augen geöffnet für das Große, dass ich in meiner Menschwerdung an Euch getan habe: Ich werde Mensch, damit ihr im Menschlichen Gott findet und erlöst werdet.“
Liebe Schwestern und Brüder,
in Jesus ist Gott ganz konkret Mensch geworden. Er hat sich festgelegt damals auf einen Jungen in Betlehem, in einem Kaff am Randes des Römischen Weltreiches. So wie Josef und Maria ihm ganz konkret in kleinen Dingen beistanden, so können auch wir ihm nahe sein im Klein-Klein dieser Welt. Wenn wir diesem Ruf des Kindes, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt, entsprechen dann wird wahr, was die Engel sangen: Ehre Gott in der Höhe und Friede den Menschen.
von Pfr. Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Zweimal, liebe Schwestern und Brüder, ist im Evangelium nach Lukas, das wir in der Hl. Nacht hören, von den Windeln Jesu die Rede.
Von Maria wird nach der Geburt Jesu berichtet: Sie wickelte ihn in Windeln
und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie
war.
Den Hirten wird von den Engeln gesagt, dass sie zum Zeichen für die Geburt
des Messias ein Kind finden werden, das in Windeln gewickelt in einer Krippe
liege.
Windeln für den menschgewordenen Sohn Gottes. Ein in Windeln gewickeltes
Kind als Zeichen, dass der Retter der Welt da ist.
Ist das nicht ziemlich banal, ja peinlich?
Und kämen Sie auf die Idee nach Aachen zu wallfahren, um die Windel Jesu als Reliquie zu verehren. Denn darum geht es auch bei der berühmten Aachener Heiltumsfahrt, die seit dem 13. Jahrhundert und im siebenjährigen Turnus stattfindet. Ist das nicht eigenartig, peinlich für uns aufgeklärte Menschen von heute?
Ich weiß nicht, ob die ausgestellten Textilien in Aachen wirklich die
historischen Windeln Jesu sind. Aber darum geht es auch nicht.
Ich weiß aber, dass die Windeln ausdrücklich im Evangelium des
Lukas genannt werden. Und das kann nicht ohne Belang für uns und unseren
Glauben sein.
Für mich wird darin deutlich, wie konkret, wie leibhaftig Gott Mensch geworden ist. Er ist wirklich in unsere Niederungen hinabgestiegen. Jesus war ganz Gott, aber eben auch ganz Mensch, selbst die allermenschlichsten Bedürfnisse waren ihm nicht fremd.
Er wird auch gefroren haben als Kind im Stall. "Liegt als armes Kind im Stall, Herrscher über Weltenall" singen wir gerne und voll Inbrunst in einem Weihnachtslied. Für Maria und Joseph hieß das, dass sie dem Herrscher der Welt ganz weltlich helfen, beistehen mussten. Maria hat ihm die Windeln angelegt. Und Joseph wird -ebenfalls seit 14. Jahrhundert in der Kunst - ganz realistisch als einer dargestellt, der sich um die beiden - Mutter und Kind - kümmert.
"Josef, lieber Josef mein, hilf mir wieg'n mein Kindelein", hören
wir in einer beliebten alten Volksweise Maria zu Joseph sagen. Und natürlich
tut er es.
Als guter Hausmann sieht man ihn auf Gemälden sich krümmen und das
Herdfeuer mit dem Mund pustend anfachen. Manchmal sieht man ihn sogar kochend
am Feuer hocken. Oder er zieht sich seine Beinlinge aus - wenn man so will
- seine langen, warmen Kniestrümpfe, um sie als zusätzlich wärmende
Decke über das Kind in der Krippe zu legen.
Irgendwie niedlich wirken diese Ausdrucksformen der Weihnachtsfrömmigkeit.
Und Joseph wirkt da etwas zu schlicht. Da wird Joseph der heilsgeschichtlichen
Sternstunde irgendwie nicht gerecht. Müsste der nicht jetzt das Kind
anbeten, statt Feuer zu machen und zu kochen und vielleicht sogar noch den
Stall auszufegen. Jedenfalls scheint Joseph keine große religiös
hoch erleuchtete Gestalt zu sein.
Aber damit steht der Patriarch Joseph aus dem Neuen Testament in einer Reihe
mit den Patriarchen des Alten Bundes. Das findet jedenfalls Papst Benedikt
XVI., wenn er schreibt: "Religionsgeschichtlich gesehen sind Abraham,
Isaak und Jakob keine großen Persönlichkeiten." Im Vergleich
mit den großen und erhabenen asiatischen Religionsstiftern - wie z.
B. Buddha - "erscheinen die Träger der Geschichte des Glaubens beinahe
pöbelhaft. Das wegzudeuten hieße genau den Anstoß wegdeuten
der auf das Besondere und Einzigartige der biblischen Offenbarung hinführt.
Dieses Besondere und Ganz-Andere liegt darin, dass Gott in der Bibel nicht
wie bei den großen Mystikern geschaut, sondern als der Handelnde erfahren
wird. ... Und dies wiederum liegt daran, dass hier nicht der Mensch in eigener
Aufstiegsbemühung...das Göttliche an seinem Ort auffindet, sondern
es gilt das Umgekehrte: dass Gott den Menschen mitten in den weltlichen und
irdischen Zusammenhängen sucht, dass Gott, den von sich aus niemand entdecken
kann, auch der Reinste nicht, seinerseits den Menschen nachgeht und in Beziehung
zu ihm tritt. " Soweit der Papst.
Wer Christ werden, sein will - so deute ich das - muss keine religiösen Kunststücke vollbringen. Wir brauchen uns nicht durch irgendwelche Meditationstechniken - die auch ihren Wert haben - in Ekstase zu versetzten, um mit Gott in Kontakt zu treten.
Nein, der Alltag, so wie er auf mich zukommt, ist der Ort, wo Gott auf mich zukommt, indem er mich vor Entscheidungen und in Situationen hineinstellt. Wie handle ich dann? Höre ich auf die Stimme meines Gewissens, die ja die Stimme Gottes in mir ist? Setze ich die Gebote und Weisungen Gottes und seiner Kirche dann in die Tat um? Erfülle ich meine Pflichten und Freuden, ertrage ich das Leiden aus Liebe zu Gott?
Gott fragt uns jeden Augenblick ganz konkret. Und wir können nicht anders, als ganz konkret zu antworten. Ein Vers aus dem Lied "Freude schöner Götterfunken" lautet: "Seid umschlungen Millionen, dieser Kuss der ganzen Welt." Für einige Gutmenschen ist das sozusagen die Lebensdevise geworden. Als Christen sehen wir das etwas anders: nicht die Millionen sollen umschlungen werden, sondern der Mann, der gerade vor mir auf dem Schnee ausgerutscht ist, dem aufgeholfen werden muss. Nicht der Kuss der ganzen Welt ist der wichtige, sondern vielleicht der in der Familie, für das Kind oder den Partner, der Trost braucht.
Das kann uns das Bild des Hl. Joseph lehren: Im tätig bemühten,
still dienenden, aber auch im überforderten, ermüdeten und manchmal
umständlichen, ja komisch wirkenden Joseph können wir uns alle wiederfinden:
Nicht die religiöse Persönlichkeit, die spirituell, ausgefeilten
Techniken zählen, sondern der Gehorsam gegenüber dem göttlichen
Anruf und Auftrag in der oft banalen Alltäglichkeit.
Gott braucht keine Menschen, die Außergewöhnliches, Menschenunmögliches
vollbringen, sondern Christen, die das Gewöhnliche, Menschenmögliche
aus Liebe zu ihm und im Gehorsam gegen ihn tun.
Das können uns auch die Windeln Jesu lehren. Ihre Erwähnung im Evangelium ist für mich so etwas wie ein Signalwort, so als ob Jesus mir sagen wollte: "Du Mensch, siehe, wie sehr ich Mensch geworden bin. Genau so einer wie Du. In allem bin ich Dir gleich geworden außer in der Sünde. Ich bin Gottes Sohn und komme auf die Erde und teile mit Dir Deinen Alltag. Und ich möchte, dass Du mit mir Deinen Alltag teilst. Weil ich Mensch geworden bin, kannst auch Du ein Mensch werden, der Gott gefällt und Glückseligkeit erlangt. Du musst nicht viel tun: höre auf die Gebote, lese in der Hl. Schrift, bete und feiere zumindest die sonntägliche Messe- und Du wirst sehen, dass ich Dir dann überall im Alltäglichen begegnen werde. So werden Dir die Augen geöffnet für das Große, dass ich in meiner Menschwerdung an Euch getan habe: Ich werde Mensch, damit ihr im Menschlichen Gott findet und erlöst werdet."
Liebe Schwestern und Brüder,
in Jesus ist Gott ganz konkret Mensch geworden. Er hat sich festgelegt damals
auf einen Jungen in Betlehem, in einem Kaff am Randes des Römischen Weltreiches.
So wie Josef und Maria ihm ganz konkret in kleinen Dingen beistanden, so können
auch wir ihm nahe sein im Klein-Klein dieser Welt. Wenn wir diesem Ruf des
Kindes, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt, entsprechen dann wird
wahr, was die Engel sangen: Ehre Gott in der Höhe und Friede den Menschen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Liebe Gemeinde!
Wir haben soeben zwei Strophen des Liedes O Haupt voll Blut und Wunden von Paul Gerhard gesungen. Ich darf vielleicht sagen, dass ich dieses Lied schon als Kind als das schönste Lied der Fastenzeit empfunden und am liebsten gesungen habe. Da ist als erstes schon die wunderbar zu Herzen gehende Melodie, die Hans Leo Haßler im Jahre 1601 komponiert hat. Sie steigt im zweiten Teil der Strophen zu wehmütigen Höhen auf, die eindringlich mit den zugehörigen dramatischen Strophenteilen korrespondieren, um anschließend wieder abzusteigen zum Ausgangston, in dem sich Klage und Hoffnung ausdrücken.
Inhaltlich gesehen, ist das Lied ein Christuslied, genauer ein Passionslied, eine Liedgattung, die im 17. Jahrhundert reichlich benutzt wurde. Man muss dabei bedenken, dass dieses Jahrhundert das Jahrhundert des 30-jährigen Kriegs war und das Jahrhundert vieler Krisen und Nöte wie Pest, Teuerung, Hunger und religiöse Verunsicherung. Was taten die Menschen in solchen schweren Zeiten? Feinfühlige Menschen, wie es Dichter nun mal sind, reagierten oftmals mit einer Vertiefung des religiösen Lebens; sie erkannten gerade im 17. Jahrhundert die Vergänglichkeit und die Eitelkeit aller Dinge dieser Welt und besannen sich auf DEN, der jenseits der Zeit und jenseits des Todes steht, auf GOTT. Sie entdeckten den Mensch gewordenen Gottessohn neu, Jesus, den Geschundenen und Gepeinigten, den, der alle diese Nöte selbst erfahren hat, um sie mit uns zu teilen.
Der Dichter spricht in der ersten Strophe gleich den Herrn an, aber nicht direkt, sondern sein edelstes Körperteil, sein Haupt. Er weiß, dass dieses Haupt, dieses Gesicht, das größte Geschenk Gottes an uns ist, dass uns wie Paulus sagt auf diesem Antlitz Jesu der göttliche Glanz entgegenstrahlt (2 Kor 4,6); er erinnert sich, daß Jesus gesagt hat: Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen (Joh 14,9). Und es ist sehr wahrscheinlich, dass der Dichter unser heutiges Evangelium vor Augen hat, wenn er von dem edlen Angesichte spricht, vor dem sonst alle Welt erzittert im Gerichte. Aber dann erschüttert er uns gleich mit dem größtmöglichen Kontrast, den wir uns denken können: Was ist aus diesem Haupt, aus diesem Angesicht geworden? Was haben die Menschen damit gemacht? Kein Glanz, keine Ehre, keine Erinnerung an das göttliche Geheimnis, das uns in diesem Menschen offenbart ist, sondern im Gegenteil: Blut und Wunden, Schmerz, Spott und Hohn, schändliche Zurichtung, Entstellung, sogar Dornenkrönung!
Ich erinnere mich, dass ich schon als Kind von diesem Text zusammen mit der die Aussage unterstreichenden Melodie zutiefst beeindruckt und erschüttert war. Wie ist so etwas möglich, dass ausgerechnet der beste Mensch, der je auf Erden gelebt hat, ja der Sohn Gottes selbst, so geschmäht und geschändet wurde? Warum hat er sich das gefallen lassen? Warum hat er sich nicht so gezeigt, wie er sich bei der Verklärung den Jüngern dargestellt hat? Hätten die Soldaten dann nicht abgelassen von ihrem bösen Treiben und wären auf die Knie gefallen, wie es sich vor dem Herrn geziemt? Was mögen die Jünger, die Freunde Jesu empfunden haben, was vor allem seine Mutter, als sie ihn so sehen mussten? Und dann die Frage: Was empfinden wir heute? Lassen wir uns noch anrühren von diesem Schmerz beladenen Antlitz, oder gehen wir leichtfertig darüber hinweg?
Die Menschen im 17. Jahrhundert hatten sicher mehr Sorgen als wir heute, sie waren der täglichen Bedrohung des Todes ausgesetzt. Es mag paradox erscheinen aber sie sangen dieses Lied und andere Passionslieder sehr gern. Es war für sie leicht, sich in diesem geschundenen Christus wiederzuerkennen, sie besangen sozusagen ihr eigenes Geschick. Sie klagten ihr eigenes Leid heraus und gewannen gerade dadurch Kraft und Mut für ihr Leben. Denn dadurch wussten sie: Gott steht auf meiner Seite; er schaut nicht nur zu, wie wir langsam zugrundegehen, sondern er erleidet all dies mit. Im zerschlagenen Antlitz Jesu schaute sie der mitleidende Gott an. Und es war nicht ein ohnmächtiger Gott, der sie anschaute, sondern der Herr über Leben und Tod, derselbe, der auf dem Berg der Verklärung Jesus als seinen geliebten Sohn offenbart hatte: Auf ihn sollt ihr hören! Liebe Schwestern und Brüder!
Die Betrachtung des Leidens Jesu hat die Menschen seit jeher zu einer vertieften Frömmigkeit geführt, zu einem stärkeren Glauben und zu dem erneuerten Willen, auf Christus zu hören. Diese Betrachtung hat immer wieder verzagten Menschen neuen Mut gegeben und sie gestärkt in ihren Kämpfen des Alltags. Darum die Anregung, diese Fastenzeit zu nutzen, Jesus als dem Leidenden ins Auge zu sehen, seinen Kreuzweg mitzugehen (sei es montags hier in der Kirche, sei es zu Hause während einer stillen Stunde), seinen schmachvollen Tod zu bedenken, von dem wir glauben, dass er nicht sinnlos war, sondern der große Sieg über die Mächte des Todes und der Sünde.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Liebe Gemeinde!
Ewig leben - wer möchte das schon? Diese Überschrift fordert vermutlich bei einigen von Ihnen Widerspruch heraus; andere denken aber vielleicht: Ja, was soll ein unbegrenztes Leben denn auch anderes sein als langweilig und unerträglich? Gewiss, wir alle kennen den Durst nach Leben. Er wird sehr anschaulich im heutigen Evangelium beschrieben. Jesus, der vom Laufen in der Hitze durstig geworden ist, bittet die Frau am Jakobsbrunnen um Wasser. Doch sehr bald kommt er vom leiblichen Durst auf den geistigen Durst zu sprechen, er spricht vom lebendigen Wasser, das den Durst endgültig stillt, weil es ewiges Leben schenkt. Doch die Frau versteht Jesus anfangs noch nicht genau. Ihr Interesse ist zwar geweckt, aber sie meint, Jesus spreche von einer Art Wunderwasser, dessen Besitz das mühsame Wasserschöpfen überflüssig macht. Und in gewisser Weise hat sie Jesus damit ja auch richtig verstanden nur dass sie den symbolischen Sinn dieser Rede nicht erfasst. Es geht Jesus nicht ums Trinken und die damit verbundene Erhaltung des irdischen Lebens, es geht ihm vielmehr um ein Leben, das keinen Mangel mehr kennt, das aus der Fülle schöpft und sich nie erschöpft das ewige Leben. Lassen wir vorerst noch alle Zweifel beiseite, ob es ein solches Leben geben kann und ob es auch erstrebenswert wäre; dass wir uns alle nach einem Leben in Fülle sehnen das dürfte unbestritten sein. Der irdische Durst zeigt es deutlich: Weil wir den Mangel des Lebens spüren und auffüllen wollen, darum haben wir Durst, haben wir Hunger, begehren wir Dinge zum Lebensunterhalt, sorgen wir vor, sparen wir Geld usw. All diese Tätigkeiten wären sinnlos, wenn es uns dabei nicht ums Leben ginge, genauer: um Auffüllung des vielfältigen Mangels, den das irdische Leben mit sich bringt. Aber es geht um noch mehr: Der am tiefsten erfahrene Mangel betrifft die Not unserer Einsamkeit. Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. (Gen 2,18) Keiner kann ohne die Gemeinschaft anderer Menschen bestehen. Nicht nur deshalb, weil man auf die Hilfe anderer angewiesen ist, sondern auch deshalb, weil man sich danach sehnt, sein Leben mit anderen zu teilen, es an einen anderen in Liebe zu verschenken. Ein Leben ganz ohne Liebe verkümmert, ist kein Leben, ist im Grunde schon tot. Doch die Erfahrung der Liebe macht uns erst recht bewusst, dass wir die Endlichkeit des Lebens niemals akzeptieren können. So ruft Nietzsche einmal aus: Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit. Und Gabriel Marcel sagt: Die Liebe sagt: Du wirst nicht sterben! - Und weiter: Die Annahme, der geliebte Mensch sei im Tod vernichtet, kommt einem Verrat oder Treuebruch gleich. Wer die Erfahrung tiefer Liebe gemacht hat, der wird Gabriel Marcel zustimmen. Schlimmer als der eigene Tod ist der Tod des geliebten Menschen. Damit kann ich mich niemals abfinden, auch wenn ich vom Schicksal gezwungen werde, mich von geliebten Menschen endgültig zu verabschieden. Ich werde nur um so lauter schreien: Wo sind sie hin? Sie können doch nicht einfach weg sein! Soviel zum Durst nach Leben, nach Ewigkeit. Papst Benedikt weist in seiner Enzyklika darauf hin, dass das ewige Leben bereits beim Taufritus thematisiert wird. Bei der Frage nämlich: Was gibt dir der Glaube? erfolgt die Antwort: Das ewige Leben. Das heißt, das ewige Leben hat immer etwas mit dem Glauben an Gott zu tun. Das ist nun nichts Überraschendes, denn nirgends sonst wird über ein ewiges Leben gesprochen als in der Kirche oder in anderen Religionsgemeinschaften. Aber dieser Zusammenhang ist wichtig, denn wenn wir ihn nicht beachten, verstehen wir gar nicht richtig, was mit dem ewigen Leben gemeint ist und was nicht. Der Papst bedenkt denn auch die Zweifel, ob ein ewiges Leben wirklich erstrebenswert sein kann und wirft die Frage auf: Wollen wir das eigentlich ewig leben? Und er stellt fest: Ewig endlos weiterzuleben scheint eher Verdammnis als ein Geschenk zu sein. Hierzu zitiert eine Grabrede des Bischofs Ambrosius: Der Tod gehörte zwar nicht zur Natur, aber er ist zu Natur geworden. Gott hat ihn nicht von Anfang an vorgesehen, sondern hat ihn als Heilmittel geschenkt [...] Der Übertretung wegen ist das Leben des Menschen von der täglichen Mühsal und von unerträglichem Jammer gezeichnet und so erbärmlich geworden. Ein Ende der Übel musste gesetzt werden, damit der Tod wiederherstelle, was das Leben verloren hat. Unsterblichkeit wäre mehr Last als Gabe, wenn nicht die Gnade hineinleuchten würde. Die Abschaffung des Todes würde der Menschheit jedenfalls keinen Segen bringen, sondern sie in einen unmöglichen Zustand versetzen. Der Papst spricht darum von einer inneren Widersprüchlichkeit unserer Existenz selbst: Einerseits wollen wir nicht sterben,... Aber andererseits möchten wir doch auch nicht endlos so weiterexistieren, und auch die Erde ist dafür nicht geschaffen. Was wollen wir also eigentlich? Wir müssen dieses Rätsel auflösen können, sonst bleibt die Rede vom ewigen Leben unbefriedigend und wertlos. Papst Benedikt meint sogar, das Wort ewiges Leben sei ein irritierendes und ein ungenügendes Wort. Denn bei ewig denken wir an Endlosigkeit, und die schreckt uns; bei Leben denken wir an das von uns erfahrene Leben, das wir lieben und nicht verlieren möchten, und das uns doch zugleich immer wieder mehr Mühsal als Erfüllung ist, so dass wir es einerseits wünschen und zugleich doch es nicht wollen. Wir sehen: Solange wir die irdische Erfahrungsebene nicht übersteigen, können wir das Rätsel nicht lösen. Die geschaffene Welt ist der Zeit unterworfen und darum endlich und alles andere als ewig. Nur Gott ist ewig. Aber wir kennen Gott nicht, wir können ihn uns nicht vorstellen. Ewigkeit ist nicht unendlich lange Zeit und doch stellen wir sie uns genau so vor. Ewigkeit ist vielmehr Fülle, ist Gegenwart, die nicht verfliegt, sondern die bleibt. Der ewige Gott muss auf nichts warten, denn er besitzt alles in Fülle schon jetzt, nicht erst in Zukunft. Aber ihm wird auch nichts durch die Zeit aus seiner Gemeinschaft, aus seiner Gegenwart gerissen für ihn gibt es keine Vergangenheit. Gott will uns Anteil an seiner ewigen Gegenwart schenken das wäre für uns ewiges Leben. Auch wenn wir uns das nicht vorstellen können, so können wir uns doch immerhin aus der Zeitlichkeit, in der wir gefangen sind, herausdenken. Dann können wir ahnen, dass Ewigkeit nicht eine immer weitergehende Abfolge von Kalendertagen ist, sondern etwas wie der erfüllte Augenblick, in dem uns das Ganze umfängt und wir das Ganze umfangen. Der Papst beschreibt den Übergang in das ewige Leben als den Augenblick des Eintauchens in den Ozean der unendlichen Liebe, in dem es keine Zeit, kein Vor und Nachher mehr gibt. Leben in Fülle statt Leben in gestückelter Form. Immer neues Eintauchen in die Weite des Seins, ständige Überwältigung von der Freude das ist ewiges Leben. Wenn man das wenigstens ahnungshaft verstanden hat, kann man das ewige Leben dann noch ablehnen? Jesus verkündet es der Frau mit den Bildworten: Das Wasser, das ich ihm gebe, wird in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt. In der Eucharistie bekommen wir davon einen Vorgeschmack, ein Unterpfand. Aber die Vollendung bleibt außerhalb unserer Vorstellung: Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. (1 Kor 2,9)
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Liebe Gemeinde!
Liebe und Tod bestimmen unser Leben existentiell. Wir verdanken uns der Liebe unserer Eltern, wir gehen selbst Beziehungen ein und finden Freunde, die wir lieben. Kein Mensch kann leben ohne Beziehungen: ohne einen anderen Menschen zu lieben und selbst geliebt zu werden. Nur in gelebten Beziehungen wird unser Leben lebenswert und doch liegt darin zugleich eine tiefe Quelle des Schmerzes, denn wir können keinen Menschen unbegrenzt lange festhalten. Der Tod macht immer wieder einen Strich durch unsere Rechnung, durch unsere Liebe.
Wann immer wir dem Tod begegnen, erhebt sich die bedrängende Frage: Was ist das für ein Gott, der uns das Leben schenkt, aber nur auf Zeit? Der es uns doch wieder wegnimmt? Wir reden manchmal von Gottes Hand: Wir ruhen all in Gottes Hand... Doch dann wird der Zweifel stark: Sind Gottes Hände vielleicht kalt, erbarmungslos und schrecklich? Warum sind diese Hände manchmal so fordernd, warum nehmen sie uns weg, was wir selber doch so gern in den Händen behalten hätten?
Wir können dieser Frage nicht ausweichen, wenn ein Mensch, den wir geliebt haben, stirbt. Warum? so fragen wir dann. Wo warst du, Gott? Wärst du hier gewesen, dann wäre dieser Mensch nicht gestorben.
Was ist die Antwort Gottes auf diese Frage? Er hat sie in seinem Sohn gegeben. Jesus selbst musste diese vorwurfsvolle Frage anhören angesichts des Todes seines Freundes Lazarus. Er hat Lazarus wirklich geliebt so wie ein Mensch eben einen anderen lieben kann. Und darum war er im Innersten erregt und erschüttert. Jesus hat geweint über den Tod seines Freundes. Gott weint in seinem Sohn über das Schicksal des Todes, das Trennung und endgültigen Abschied bedeutet. Er bleibt nicht teilnahmslos daneben stehen, er durchlebt selber dieses Dunkel der Verlassenheit. Ja, er ist selber in die tiefste Finsternis hinabgestiegen bis hin zum verzweifelten Aufschrei: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Denn er will uns das Schicksal nicht einfach von oben herab diktieren: Ich weiß schon, was für euch gut ist.... Jesus kostet es selbst aus, dass der Wille des Vater oft unerbittlich ist, scheinbar gnadenlos, aber er betet: Nicht mein, sondern dein Wille geschehe.
Jesus begegnet dem Tod seines Freundes kurz vor seinem eigenen Todesschicksal. Seine Erregung wächst, denn er steht der Macht gegenüber, gegen die er gesendet ist. Die Liebe begegnet ihrem größten Feind, dem Tod. Und hier soll sich ein erstes Mal zeigen, dass die Liebesmacht größer ist als der Tod. Jesus ruft mit gewaltiger Stimme: Lazarus, komm heraus! In der Tiefe seines Geistes geht ein Kampf vor sich, ein Kampf, der deswegen so heftig ist,
-
weil es nicht nur um den Tod allein geht, sondern um die Sünde, die den Tod gebiert und im Tode herrscht,
-
weil die Sünde noch schwerer zu besiegen ist als der Tod,
- und weil sie den Opfertod des Gerechten einfordert. Jesus weiß genau, dass er auf diesen Gigantenkampf zugeht, den Kampf der Liebe mit der Sünde, die sein Leben kosten wird.
Und in Vorwegnahme dieses Kampfes, der schließlich zum Sieg über Tod und Sünde führen wird, kann Jesus den Lazarus zum Leben erwecken: Lazarus, komm heraus!
Darum kann er auch zu Marta das großartige Offenbarungswort sprechen: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Er sagt nicht: Ich wirke die Auferstehung, ich gebe das Leben er sagt: Ich bin. Jesus offenbart sein Geheimnis: dass er das Leben selber ist, der wahre Sohn Gottes, der das Leben in sich hat und der es freiwillig geben kann, um es wieder zu nehmen (vgl. Joh 5,26; 10,18).
Antworten wir auf diese Offenbarung mit unserem Glaubensbekenntnis zu Jesus so wie Marta, die sagte: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Liebe Gemeinde!
Als ich neulich mit Grundschulkindern über unseren Osterglauben gesprochen habe, war mir u.a. wichtig zu erfahren, was denn in den Augen der Kinder diesen Glauben plausibel erscheinen lässt und was ihn eher fragwürdig macht. Als stützendes Element wurde u.a. empfunden, dass die Ostergeschichten in der Bibel aufgeschrieben wurden denn das schriftliche Zeugnis gibt der Sache Objektivität; anders als bloßes Hörensagen setzt es sich der Nachprüfung aus und scheut diese auch nicht. Schwer glaubwürdig erschien einigen Kindern jedoch die Behauptung, dass da einer wirklich von den Toten auferstanden sei denn so etwas passiert doch sonst nicht. Und wenn es denn tatsächlich passiert ist, warum ist Jesus den Jüngern nur eine Zeitlang erschienen und dann nicht mehr? Die beiden Punkte gehören zusammen: das Aufhören der Erscheinungen des auferstandenen Herrn und die schriftliche Aufzeichnung des Geschehens. Das heutige Evangelium thematisiert geradezu diese Zeit des Umbruchs von unmittelbarer Begegnung mit Jesus hin zu anderen Formen seiner Gegenwart in der Kirche. Es ist selber schon ein Nachtrag zum eigentlich fertigen Johannesevangelium. Dieses hatte nämlich mit den Worten geschlossen: Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen. (Joh 20,30f) So als ob das Aufgeschriebene nun doch nicht ganz ausreichte, hat ein zweiter Schreiber, wohl ein Schüler des Evangelisten, von einer weiteren Ostererscheinung Jesu berichtet. Dahinter mag ein ähnliches Bedürfnis stecken, wie ich es von den Grundschulkindern erfahren habe: Jesus soll nicht aufhören, sich seinen Freunden leibhaftig als der Auferstandene zu bekunden! Er soll nicht aufhören, sie in ihrem Alltag aufzusuchen und ihnen dort den Lichtblick von Ostern her zu schenken, den sie brauchen, um im Glauben festzustehen und treu zu bleiben. Dieser Wunsch ist völlig in Ordnung und angemessen. Er spiegelt sich schon in der Einladung der Emmausjünger: Herr, bleibe bei uns, denn es wird bald Abend, und der Tag hat sich schon geneigt. (Lk 24,29) Und der Wunsch ist vor allem dann brennend, wenn der Alltag der Christen mühsam, ermüdend und frustrierend ist. Darum geht es nämlich in unserem Evangelium zuerst. Die Fischer unter den Aposteln gehen ihrer Arbeit nach und fangen keinen einzigen Fisch. Wer das Johannesevangelium kennt, weiß, dass mit dieser Aussage ein symbolischer Sinn verbunden sein muss: Gemeint ist der kirchliche Dienst der Apostel, ihr Bemühen, Menschenfischer zu sein, und ihr sich rasch abzeichnender Misserfolg. Die Kirche ist wie ein Schiff mit Petrus als dem Steuermann aber ohne die Gegenwart ihres Herrn Jesus Christus richtet sie nichts aus. Aber die Gegenwart Jesu ist nicht mehr so unzweifelhaft erfahrbar wie an Ostern. Jesus steht am Ufer, doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war (Joh 21,4). Dass er es ist, wird erst deutlich, als er ihnen zu einem wunderbar reichen Fischfang verhilft und ihnen dann das Brot und den Fisch zu essen gibt. Auch hier werden wir an die Geschichte der Emmausjünger erinnert, die den Herrn erkannt hatten, als er ihnen das Brot brach. (Lk 24,35) Die Erinnerung an das Letzte Abendmahl wird geweckt, und es wird klar, dass Jesus fortan in dieser neuen Form unter den Seinen gegenwärtig sein will: im Mahl von Brot und Wein, das die Jünger zu seinem Gedächtnis begehen. Warum wählt Jesus diese Form, um seine österliche Gegenwart in der Kirche erfahrbar werden zu lassen? Warum kommt er unserem Wunsch nach massiver Berührbarkeit nicht weiter entgegen? Die Antwort darauf ist zweigeteilt: Erstens kommt er ja unserem Wunsch nach leiblicher Gegenwart tatsächlich entgegen, denn die Eucharistie ist ja materiell und nicht bloß geistig; Jesus erscheint in ihr in den Grenzen von Raum und Zeit, ja, er bleibt in allen Kirchen gegenwärtig, er schaut uns vom Tabernakel aus an und lässt sich von uns freilich unter der Gestalt und dem Zeichen des Brotes anschauen und ansprechen. Aber und das ist der zweite Teil der Antwort die Wirklichkeit des Auferstandenen ist nicht von dieser Welt, sie ist jenseitig, himmlisch. Es gibt keinen ungebrochenen Zugang aus dieser Welt in die des Himmels, dazu ist Wandlung nötig, eine Wandlung, die normalerweise erst im Tod erfolgt, ausnahmsweise aber bereits an den Gaben von Brot und Wein geschieht. Der Leib des Auferstandenen ist verklärt, er ist kein Teil dieser vergänglichen Welt. Wir können diesen Leib Jesu nicht in unsere Welt ziehen, wir müssen uns vielmehr von Jesus aus dieser Welt gleichsam herausziehen lassen in seine Welt. Die Eucharistie ist gerade die Speise, die uns verwandelt in Menschen, die des ewigen Lebens fähig und würdig sind. Der Wandlung von Brot und Wein in Jesu Leib und Blut muss unsere innere Wandlung folgen, unsere Angleichung an die Gesinnung Jesu. Nehmt und schmeckt das Brot des Lebens, nehmt und schmeckt das Brot und lebt!
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Liebe Schwestern und Brüder,
immer wieder gibt es Diskussionen über den Glauben – sei es in
der Familie, in der Schule, unter Freunden, unter Gelehrten.
Die Argumente werden hin und her geschoben, reflektiert und hoffentlich auch
ernst genommen. Nur ein Argument wird oft gar nicht angehört oder sogar
es wird angefeindet. Das Argument „Ich glaube, weil es die Kirche so
sagt. Ich gehorche, weil es die Kirche so sagt.“ Da wird derjenige,
der dieses Argument vertritt entweder mitleidig oder vorwurfsvoll angeschaut.
Gehorsam! So was.
"Gehorsam" hat so einen Beigeschmack von Militär und Sekte: Da werden Anweisungen erteilt, die ich auszuführen habe, egal ob das vernünftig ist oder nicht. "Gehorsam" klingt immer ein bisschen nach "blind gehorchen"; so als wenn man sein eigenes Gehirn ausschaltet. Manche werfen der Kirche vor, es gehe in ihr um Kadavergehorsam. Nur: Kadaver können nicht gehorchen – die sind schon tot.
Und doch wünschen wir uns Gehorsam.
Kinder zum Beispiel überblicken noch nicht die ganze Wirklichkeit und
sämtliche Folgen ihres Tuns. Deshalb muss jemand, der einen besseren
Überblick hat, für sie vorausschauen und ihnen bestimmte Dinge verbieten
und zu anderen Dingen auffordern. Kinder gehorchen (wenn sie gehorchen), weil
sie guten Grund haben, ihren Eltern zu vertrauen.
Sobald wir aber meinen, selbst alles zu überblicken, lehnen wir es ab, dass jemand für uns vorausschaut - und verweigern den Gehorsam. Man sieht es auch bei den Jugendlichen, die darauf bestehen, keine Kinder mehr zu sein: Gehorsam zu sein ist ein Zeichen von Unmündigkeit. Selbst zu entscheiden, ist ein Zeichen für Unabhängigkeit und Erwachsensein.
Dabei ist es uns dann manchmal egal, ob wir die Wirklichkeit tatsächlich so gut überblicken, dass wir allein zurecht kommen. Lieber fallen wir ab und zu mal kräftig auf die Nase, als dass wir unsere Unabhängigkeit wieder an den Nagel hängen und Gehorsam üben.
Im Grunde ist das ja auch gut so. Nicht erwachsen werden und das Denken und die Verantwortung lieber anderen zu überlassen, ist gefährlich. In dieser Welt ist es eine unausweichliche Pflicht, Erwachsen zu werden.
In Gottes Welt allerdings gelten andere Maßstäbe. In der Lesung aus der Apostelgeschichte heißt es ganz am Schluss: «Auch eine große Anzahl von Priestern nahm gehorsam den Glauben an». Und Jesus selbst hat gesagt: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder!» Und Paulus sagt es einmal „Der Glaube kommt vom Hören“ also vom Hinhorchen, Gehorchen, das Gehörte annehmen.
Dabei geht es nicht in erster Linie darum, unsere eigene Ansicht aufzugeben und - weil Gott es uns sagt - einfach anderer Meinung zu sein. Kind Gottes zu sein, heißt ja nicht, das wir aufhören sollen zu denken. Das haben die Priester in der Lesung ja auch nicht getan.
Sondern dass wir begreifen, dass unser Denken eben nicht alles umfasst, dass vieles noch außerhalb unseres Horizontes liegt. Es geht darum, dass wir durch den Gehorsam lernen, uns mit Leib und Seele (und unserem Denken und Erkennen) auf den zu verlassen, der eine größere Sicht auf diese Welt halt.
Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, dass diese Welt gottlos
und unerlöst ist. Im Irak werden wahllos Menschen getötet, und in
Deutschland legen Politiker einfach ein Verfallsdatum für die Menschenwürde
fest (Nichts anderes ist letztlich bei dem Stammzellengesetz passiert). Der
Papst klagt über die Kinderschändungen in Amerika und klagt auch
Glieder der Kirche an.
Hat Gott versagt? Ist die Osterbotschaft vom Sieg über den Tod nicht
widerlegt?
«Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!» sagt Jesus. Es ist gerade ein Zeichen unserer Kindschaft und unseres kindlichen Gehorsams, dass wir dieses Wort nicht nur hören, sondern daran unseren Glauben festmachen. Euer Herz lasse sich nicht verwirren! Ganz einfach deshalb, weil Gott es gesagt hat; auch wenn die Welt ganz anders aussieht. Einfach glauben, dass Jesus selbst das Leben ist. Einfach Gott zu vertrauen - genauso wie ein Kind: «Papa hat gesagt, alles wird wieder gut.»
Gehorsam sein heißt nicht, seinen Verstand ausschalten, sondern Gott zu vertrauen. Wir haben keine andere Garantie als seine Zusage, sein Wort. Dort, wo wir nicht mehr weiter wissen oder aller Anschein gegen das Gute spricht, Gott zu vertrauen - das ist guter, kindlicher Gehorsam.
Liebe Schwestern und Brüder, echter und guter Gehorsam gehört zum Glauben dazu; aber er ist keine Last oder eine Einschränkung. Es ist die Freiheit der Kinder Gottes. Und Kinder Gottes sind wir seit der Taufe. Und das feiern wir gerade auch in der österlichen Zeit.
Amen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Liebe Gemeinde!
Das heutige Evangelium gehört zu den sogenannten Abschiedsreden Jesu kurz vor seinem schweren Leidensweg. Jesus lässt sich tief ins eigene Herz schauen. Philippus bittet ihn: Herr, zeige uns den Vater¸ das genügt uns. Es ist die Sehnsucht nach Gott, die in diesem Wort anklingt. Philippus nennt Gott den Vater, weil Jesus ihn so genannt hat. Gott ist der Vater! Gott liebt uns, wie ein Vater seine Kinder liebt. Gott ist nicht ein abstraktes Prinzip, sondern er ist eine Person, die liebt und zwar in unendlicher Intensität. Jesus antwortet: Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. (Joh 14,9) Das ist eine wirklich überraschende Aussage: Gott hat in Jesus ein menschliches Gesicht bekommen, in den Worten, in den Gesten und in den Taten Jesu wird Gott selbst ansichtig. Denn so führt Jesus weiter aus: Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist? Weil Jesus wirklich der Sohn Gottes ist, darum ist er in seiner menschlichen Natur auch das lebendige Bild Gottes, darum strahlt auf seinem menschlichen Antlitz der göttliche Glanz wider. Wer Jesus hat, der hat Gott, und wer Gott hat, der hat alles.
Aber nun geht Jesus weg, er verlässt die Seinen, indem er sich dem Tod ausliefert. Wird ihnen damit auch Gott genommen, sind sie anschließend wieder allein, auf sich gestellt, in Gottesfinsternis? Das ist die immer neue Anfechtung für die Gläubigen in der Kirche, die große Herausforderung unseres Glaubens, die uns glücklicherweise schon hier in der allerersten Zeit der Kirche bereits bewusst gemacht wird. Aber nicht nur das, wir erhalten auch die Antwort auf diese Anfechtung, wieder eine äußerst überraschende Antwort. Zunächst der Zweifel, den der skeptische Thomas äußert: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst; wie sollen wir dann den Weg kennen? Wenn Jesus tot sein wird, dann lebt er vielleicht in der jenseitigen Welt weiter das glauben seine Jünger schon ohne weiteres. Aber wo ist die Verbindung dieser Welt mit der unsrigen? Welcher Weg führt uns dorthin? Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken? An wen soll ich mich halten, wenn derjenige, an den ich mich bisher gehalten habe, aus meinem Gesichtskreis gerückt ist?
Jesus antwortet nicht, indem er sagt: Ich zeige euch den Weg. Ihr müsst da und da lang gehen. Jesus erteilt dem Thomas nicht eine Lehre, die dann aufgeschrieben wird, damit sie späteren Generationen weiter verkündet wird jedenfalls ist das nicht seine erste Absicht. Er antwortet vielmehr: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. (Joh 14,6) Das heißt, er wirft seine ganze Person in die Waagschale. Nicht irgendeine Lehre führt hin zum Vater, sondern Jesus selbst, Jesus in Person. Christliches Leben ist nicht in erster Linie ein Leben, das sich an einer bestimmten Lehre ausrichtet, es bedeutet vielmehr: mit Jesus Christus auf dem Weg sein.
Das schließt ein, was Jesus an anderer Stelle ausführt: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt. (Mt 28,20) Jesus bleibt in seiner Kirche gegenwärtig, er bleibt bei uns, gerade dann, wenn es Abend, wenn es dunkel wird. Er geht nicht weg, sondern er kommt wieder, um die Seinen zu sich zu holen, damit auch sie dort sind, wo er jetzt ist. Wenn wir das hören, denken wir vielleicht zuerst an das Leben nach dem Tod: Jesus holt die Verstorbenen zu sich in die himmlischen Wohnungen. Das ist sicher richtig und ein großer Trost für alle, die um einen lieben Verstorbenen trauern oder die Angst vor dem eigenen Tod haben. Aber Jesus meint auch, dass er die Seinen auch schon im irdischen Leben nicht allein lässt. Wir müssen nicht erst sterben, um Jesus zu begegnen. Nein! Schon in diesem Leben ist Jesus bei uns, er schenkt uns seine Gemeinschaft und zwar zuerst und vor allem in der Eucharistie, im Brot, das lebt und Leben spendet.
Gestern habe ich mit einer Frau gesprochen, die das nicht glauben kann und die insofern dem Apostel Thomas ähnlich ist, der auch immer zuerst sagt: Wie soll das möglich sein? Das kann doch gar nicht sein! Das glaube ich nicht. Das ist doch nur Brot! Wie kann das der Leib Jesu sein? Darauf habe ich geantwortet: Sehen Sie hier meine Hand. Sie könnten auch sagen: »Das ist doch nur Fleisch, das ist nur Physik und Chemie. Wie können Sie sagen, das sei Ihre Hand?« Aber das sagen Sie nicht, denn dieses Geheimnis macht Ihnen keine Schwierigkeit, dass ein Stück Materie zugleich die Erscheinungsform einer Person ist. Und doch ist die Eucharistie etwas ganz Ähnliches: Ein Stück Materie ist verwandelt und dadurch zur Erscheinungsform der Person Jesu Christi geworden. Er präsentiert sich uns Menschen in dieser Gestalt. Wo liegt da die Schwierigkeit? In der Verwandlung? Aber bei der Auferstehung wurde doch auch Materie verwandelt: der Leichnam Jesu nämlich wurde auferweckt und verklärt in eine himmlische Wirklichkeit, die nicht von dieser Welt ist und doch in dieser Welt erscheinen konnte. Wenn Gott ein solches Wunder möglich ist, dann muss man ihm auch zugestehen, das andere Wunder wirken zu können: die Wandlung von Brotmaterie in eine himmlische Wirklichkeit, in der uns Jesus höchstpersönlich begegnen kann, ja, in der er sich uns hingibt und schenkt.
"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben", sagt Jesus. Seine Worte sind Licht und Wahrheit, sie künden uns den einzigen Weg zum Heil, den Weg, der Jesus selber ist, den Weg, der zum Leben führt schon heute, jeden Tag und in Ewigkeit.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt." Der erste Petrusbrief ermutigt uns zum Zeugnis – wenn wir gefragt werden.
Na schön, so könnten wir schlussfolgern, solange ich nicht gefragt werde, brauche ich also auch nicht Zeugnis zu geben. Geht ja auch schließlich keinen was an, was ich glaube.
Ist das wirklich so? Nach der Hoffnung gefragt, die sie erfüllt – das werden sicherlich nur diejenigen, die durch diese Hoffnungsfülle auffallen, denen man ihre Hoffnung ansieht. Etwas, von dem ich erfüllt bin, kann ich schlechterdings nicht verbergen, ohne mich zu verstecken.
Was ist denn mit dir los – bist du verliebt? So fragen wir einen Menschen,
dem auf dem Gesicht geschrieben steht, was ihn umtreibt.
Was ist denn mit dir los – glaubst du an Gott? So müssten uns die
Menschen fragen, denen wir begegnen, weil wir eben anders leben können
als diejenigen, die keine Hoffnung haben.
Wir könnten also den Satz aus dem Petrusbrief ergänzen und sagen: Antworte jedem, der nach dem Grund der Hoffnung fragt, die dich erfüllt und lebe so, dass du nach dem Grund deiner Hoffnung gefragt wirst! Dieser Grund unserer Hoffnung, das ist Jesus Christus und seine Liebe zu uns und zu jedem Menschen.
Liebe aber kann nicht für sich bleiben. Es liegt im Wesen der Liebe,
dass sie weitergeben und dass sie den Geliebten erfreuen will.
„Wenn ihr mich liebt," so sagt der Auferstandene deshalb seinen
Jüngern, „werdet ihr meine Gebote halten."
Zuerst die Liebe, dann die Gebote, denn das oberste Gebot ist das der Liebe,
der Liebe zu Gott und zu dem Menschen.
Und umgekehrt gilt: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist
es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden,
und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren."
Der Vater wird uns lieben. Das ist nicht nur eine religiöse Leerformel.
Das ist eine Zusage des Herrn. Liebe aber ist spürbar. Wenn wir uns auf
Gott einlassen, werden wir seine Liebe spüren!
Welcher Mensch aber wünscht sich nicht, geliebt zu werden. Und was tun
Menschen nicht alles, um Liebe, um Anerkennung, Angesehenwerden, Zuneigung
zu erfahren.
Und wie groß ist dann nicht selten die Enttäuschung, wenn das,
was man unter Liebe verstanden hat, sich wieder auflöst, weil Geld, Erfolg
oder einfach so ein Gefühl auf neue Wege lockt, die dann nicht selten
bald wieder verlassen werden.
Gottes Liebe ist da anders. Sie will uns nicht blenden, sie meint wirklich mich, sie nimmt mich vollkommen an – und was sie verlangt, das Halten der Gebote, dazu gibt sie selbst die Mittel und die Befähigung.
Es heißt nicht: Wenn ihr mich liebt, müsst ihr meine Gebote halten,
sondern Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.
Wenn Sie ihre Frau oder ihren Mann wirklich lieben, müssen Sie nicht
bei ihr oder ihm bleiben, sondern sie werden beieinander bleiben.
Worum wir uns also bemühen müssen, ist zuerst die Liebe. Denn die
Gebote richten sich nach dem Wesen des Geliebten und des Liebenden, also nach
dem Wesen Gottes.
Wenn wir in der Liebe Gottes bleiben wollen, können wir gar nicht anders
als die Gebote halten, denn nur dann leben wir wirklich in Gemeinschaft mit
ihm – und diese Gemeinschaft ist es letztlich, die unser Glück
ist.
Das also muss man an uns Christen ablesen können. Dass wir Geliebte
und Liebende sind. Und dass unser Maßstab kein Geringerer ist als Gott
selbst.
Das ist ein hoher Anspruch. Es ist auch kein theoretischer, sondern ein praktischer.
Aber manchmal habe ich den Eindruck, als wenn wir vorher schon abwinken und
sagen: Das ist doch unmöglich, das geht doch nicht, schließlich
sind wir ja nur arme kleine Sünderlein.
Jesus denkt offenbar anders von uns. Er zwingt uns nicht, Liebe zwingt nie,
aber er lädt uns ein, es wenigstens zu versuchen.
Ganz konkret: Beten wir wieder. Ob morgens, abends, zum Essen, wenn wir froh
oder traurig sind – halten wir Kontakt zu dem, der uns helfen will,
in der Wahrheit zu leben.
Suchen wir die Nähe Jesu in den Sakramenten, vor allem in der Eucharistie
am Sonntag. Bitten wir ihn ehrlich, dass er uns an die Hand nimmt und führt
auf dem Weg der Hoffnung.
Und wenn wir dann gefragt werden: Was machst du eigentlich, dass du so voller Liebe leben kannst, wenn wir dann nach dem Grund unserer Hoffnung gefragt werden, dann dürfen wir uns freuen und bereitwillig Rede und Antwort stehen, damit immer mehr Menschen den Weg zurück finden zur Liebe des Vaters.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Liebe Gemeinde!
(Vorbemerkung: Die nachstehende Predigt ist meine letzte Sonntagspredigt in der Pfarreiengemeinschaft Nordkirchen. Ich bedaure es sehr, nun vorerst keine Predigten mehr ins Netz einstellen zu können, waren diese doch für viele ein Stück geistliche Nahrung. Ich wünsche allen mir über dieses Medium verbundenen Christen Gottes Segen und die Erfahrung seiner Liebe. Beten wir füreinander. Axel Schmidt)
Liebe Gemeinde!
Eric Butterworth erzählt folgende erstaunliche Begebenheit: Ein Professor ließ seine Soziologiestudenten in die Slums von Baltimore gehen, um Fallgeschichten zu 200 Jugendlichen zu sammeln. Die Studenten wurden gebeten, eine Bewertung über die Zukunft eines jeden Jungen zu schreiben. In jedem Fall schrieben die Studenten: Er hat keine Chance. 25 Jahre später stieß ein anderer Soziologieprofessor auf die frühere Studie. Er ließ seine Studenten das Projekt nachvollziehen, um zu sehen, was mit diesen Jungen passiert war. Mit Ausnahme von 20 Jungen, die weggezogen oder gestorben waren, erfuhren die Studenten, dass 176 der verbliebenen 180 einen mehr als ungewöhnlichen Erfolg als Anwälte, Doktoren und Geschäftsleute erlangt hatten. Der Professor war überrascht und beschloss, die Angelegenheit weiter zu verfolgen. Glücklicherweise lebten alle Männer in der Nähe, und er konnte jeden einzelnen fragen: Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg? Jeder von ihnen antwortete: Es gab eine Lehrerin. Die Lehrerin war noch am Leben, also machte er sie ausfindig und fragte die alte, aber noch immer aufgeweckte Dame, welche magische Formel sie benutzt habe, um diese Jungen aus den Slums herauszureißen, hinein in erfolgreiche Leistungen. Die Augen der Lehrerin funkelten, und auf ihren Lippen erschien ein leises Lächeln: Es ist wirklich einfach, sagt sie. Ich liebte diese Jungen.
In diesem Fall war es eine einfache Lehrerin, die durch ihre tiefe, ehrliche Liebe Hunderten von jungen Menschen eine Zukunft gegeben hatte, eine Zukunft, die die Wissenschaftler ihnen von vornherein abgesprochen hatten. Daraus ziehe ich den Schluss: Güte und Liebe sind in der heutigen Zeit nicht weniger möglich und nötig wie zu allen anderen Zeiten. Vielleicht denken Sie, diese Lehrerin hatte einfach eine außerordentliche Kraft, die ein normaler Mensch nicht besitzt. Also hat mir die Geschichte nichts zu sagen. So reden und denken Feiglinge, die sich nicht trauen, das Beispiel eines anderen Menschen an sich herankommen zu lassen. So denken die Geizigen, die ihre Talente für sich behalten wollen. Aber die Liebe hat eine eigenartige Struktur: Anders als beim Geld, das, einmal ausgegeben, anschließend verschwunden ist, gilt für die Liebe: Wer Liebe ausgibt, hat nachher mehr Liebe und irgendwann eine derartig große Kraft zum Lieben, dass er Ähnliches bewirken kann wie diese Lehrerin.
Man muss nur damit anfangen. Mit einem schlichten Vorsatz für den heutigen Tag und die Woche: Von heute an will ich die Menschen, die mir begegnen, so ansehen, dass ich etwas finden kann, was sie mir liebenswert macht! Ich will nicht aufhören, danach zu suchen, und dann will ich dieser als liebenswert erkannten Person meine Gegenliebe entgegenbringen, mein freundliches Lächeln, mein aufmunterndes Wort, meinen Dank für ihre Gegenwart.
Mutter Teresa drückt es so aus:
Verbreite Liebe, wo immer du hingehst: zuerst in deinem eigenen Haus. Gib deinen Kindern Liebe, deiner Frau oder deinem Mann, deinem Nachbarn von gegenüber... Lass nie jemanden zu dir kommen, ohne ihn besser und glücklicher wieder gehen zu lassen. Sei der lebendige Ausdruck von Gottes Güte; Güte in deinem Gesicht, Güte in deinen Augen, Güte in deinem Lächeln, Güte in deinem warmen Gruß.
Vgl. Jack Clanfield Marc Victor Hansen: Hühnersuppe für die Seele. Geschichten, die das Herz erwärmen. Augsburg: Bechtermünz, 2002.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Im Evangelium hören wir Johannes den Täufer, der Jesus aller Welt
vorstellt und dabei ausruft:
„Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“
Das Lamm ist in der Bibel - genauso wie in einigen Kulturen - das Symbol der Unschuld, denn es fügt keinem ein Leid zu; Leid kann ihm nur angetan werden. In Fortführung dieser Symbolik wird Christus im ersten Petrusbrief „das Lamm ohne Fehl und Makel“ genannt: Es „wurde geschmäht, schmähte aber nicht; (es) litt, drohte aber nicht.“ Jesus ist mit anderen Worten der Unschuldige schlechthin; der Unschuldige, der leidet.
Es ist gesagt worden, dass der Schmerz der Unschuldigen „der Fels des
Atheismus“ sei. Nach Auschwitz stellte sich dieses Problem in noch schärferer
Weise: Die Bücher und Dramen, die zu diesem Thema geschrieben wurden,
sind unzählbar.
Eine Theologie nach Auschwitz musste sogar herhalten.
Man scheint in einem Prozess zu sein und die Stimme des Richters zu vernehmen,
der dem Angeklagten befiehlt aufzustehen. Der Angeklagte ist in diesem Fall
Gott beziehungsweise der Glaube.
Was kann der Glaube auf all dies antworten?
Es ist vor allem notwendig, dass wir alle, Gläubige und Nichtgläubige,
eine Haltung der Demut annehmen. Denn wenn der Glaube nicht imstande ist,
Schmerz und Leid zu „erklären“, so ist es noch weniger die
Vernunft. Die meisten Ideologien haben nicht mehr geschafft, als den anzuklagen,
an den sie nicht glauben: Gott.
Das Leid der Unschuldigen ist zu rein und zu geheimnisvoll, als dass es in unsere armseligen Erklärungsversuche aufgenommen werden dürfte. Jesus selbst, der sicher mehr erklären konnte als unsereins, wusste angesichts des großen Schmerzes der Witwe von Naim und der Schwestern des Lazarus nichts Besseres zu tun als zu weinen.
Schwestern und Brüder,
die christliche Antwort auf das Problem des Leidens der Unschuldigen liegt
in einem Namen: Jesus Christus!
Jesus ist nicht gekommen, um uns gelehrte Erklärungen zum Schmerz zu
geben, sondern er ist gekommen, um ihn still auf sich zu nehmen. Und indem
er ihn auf sich genommen hat, hat er ihn von innen her verwandelt: Aus einem
Zeichen der Verfluchung hat er aus ihm ein Instrument der Erlösung gemacht.
Ja, mehr noch: Er hat den Schmerz zum Wertvollsten gemacht, zum Größten
dieser Welt!
Und damit hat er die Maßstäbe dieser Welt verrückt. Nicht
die Starken und Mächtigen, sind stark und mächtig.
Es wäre beruhigend und normal, einen starken Gott zu haben. Einen Löwen,
der sich für uns einsetzt und alle zum Schweigen bringt, die uns Böses
wollen. Einen Gott, der unsere Schwachheit durch seine Stärke ausgleicht,
zu dem wir aufschauen können. Ein Supermann wie im Comicheft, wie bei
der Scientology-Sekte.
Nur: Wir haben nicht einen solchen Gott. Von unserem Gott heißt es im
heutigen Evangelium: Seht, das Lamm. Das schwache, absolut friedliche Lamm
ist das Wappentier Gottes. Der Löwe, der brüllend umher geht, ist
in der Bibel nämlich das Bild des Bösen.
Unser Gott ist deshalb aber kein Schwächling. Es ist schließlich
die höchste Macht Gottes, dass er lieben kann. Und keine Liebe weigert
sich, für den Geliebten zu leiden. Das Lamm zeigt an, dass Gott, der
Schöpfer, damit einverstanden ist, das erste Opfer seiner Schöpfung
zu werden.
Jesus aber hat nicht nur dem unschuldigen Leid Sinn verliehen; er hat ihm auch neue Macht verliehen, eine geheimnisvolle Fruchtbarkeit. Schauen wir doch, was aus dem Leiden Christi erwachsen ist: die Auferstehung und die Hoffnung für das ganze Menschengeschlecht!
Richten wir unseren Blick aber auch auf das, was um uns herum geschieht. Wie viele Energien und heldenhafte Haltungen werden z. B. dank der Annahme eines behinderten Kindes, das für Jahre ans Bett gefesselt ist, bei Eheleuten freigesetzt! Wieviel unerwartete Solidarität zeigt sich in ihrem Umfeld! Wieviel Fähigkeit zu lieben, die andernfalls unerkannt geblieben wäre!
Das Wichtigste aber, wenn man vom Leid unschuldiger Menschen spricht, ist
nicht, es zu erklären.
Das Wichtigste ist,
es nicht durch unsere Taten und Unterlassungen zu vergrößern.
Und damit, dieses Leid nicht anwachsen zu lassen, ist es noch lange nicht getan. Man muss auch versuchen, das vorhandene Leid zu lindern! Angesichts eines kleinen Mädchen, das vor Kälte zitterte und vor Hunger weinte, rief ein Mann eines Tages in seinem Herzen zu Gott: „O Gott, wo bist du? Warum tust nichts für dieses unschuldige Kind?“ Und Gott antwortete ihm: „Gewiss habe ich etwas für es getan: Ich habe dich geschaffen!“
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Liebe Gemeinde!
In jeder heiligen Messe ruft der Priester vor der Kommunion: Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt! Dieses Wort ist für uns schon zu einer festen Formel geworden, auf die wir ganz automatisch antworten: Herr, ich bin nicht würdig... Heute haben wir diesen Ausruf im Johannesevangelium gehört. Ursprünglich kommt er aus dem Munde Johannes des Täufers, um Jesus zu bezeichnen. Konnten seine Jünger damals verstehen, was er damit sagen sollte?
Die Frage ist schwer zu beantworten. Einige Theologen meinen, der Evangelist hätte diese Worte Johannes in den Mund gelegt, ähnlich wie der berühmte Maler Matthias Grünewald etwas gemalt hat, was historisch so nicht möglich gewesen ist und dennoch eine tiefe Aussage darstellt: er hat nämlich Johannes den Täufer in die Kreuzesszene hineingestellt; dort zeigt er mit einem übergroßen Finger auf den Gekreuzigten, während er sagt: Seht das Lamm Gottes!
Wie auch immer ob der Täufer selbst den Satz gesprochen hat oder ob ihn erst der spätere Evangelist formuliert hat wir werden dadurch jedenfalls hingewiesen auf die Reinheit des weißen Lammes, die im Kontrast zur dunklen Last der Sünde steht. Ein Jude wird beim Stichwort Lamm an eine Stelle im Prophetenbuch Jesaja (53,4-12) gedacht haben, in dem es vom sog. Gottesknecht heißt, dass er stumm wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt wurde, dass er die Sünde der Menschheit trägt und dass wir durchs seine Wunden geheilt sind.
Wir können aus dem Bild vom Lamm aber noch mehr lernen. Zu Weihnachten haben wir die Botschaft gehört: Der Herr der Welt nur ein Kind. Heute erfahren wir: Der Erlöser der Welt nur ein Lamm. Ein Bild der Schwäche verglichen mit den kraftvollen, herrschaftlichen Wappentieren, z.B. Löwe und Adler, mit denen sich die Mächtigen dieser Erde schmücken.
Eine rabbinische Geschichte erzählt, wie Gott sich freute, als er alles sah, was er erschaffen hatte. Die Tiere zogen in langer Prozession an Gott vorüber: die einen mit Stoßzähnen ausgestattet, andere mit Krallen oder Panzern. Alle hatten ihre Waffen. Aber abseits stand ganz traurig noch ein anderes Tier. Ängstlich starrte es auf die Büffel und Nashörner, die Schlangen und Tiger, die Löwen und Krokodile: ein Lamm. Es kam sich ganz verloren vor, denn es hatte nichts, womit es sich hätte wehren können. Warum gibst du ihnen so viele Waffen? fragte das Lamm den Schöpfer und fügte vorwurfsvoll hinzu: Du weißt doch, was sie Schlimmes damit anrichten können. Da sagt Gott zum Lamm: Auch dir habe ich Waffen gegeben, die Waffen des Friedens: Geduld, Demut und Hingabe.
Das Lamm Gottes heute mit den Waffen des Friedens steht es nicht auf verlorenem Posten in unserer Ellenbogengesellschaft? Es kann keine Zähne zeigen; das Lamm hat keine Krallen, die packen und zerreißen, keine Pranken, die zuschlagen und zerschmettern. Alles das hat es nicht aber dafür besitzt es eine Fähigkeit, die allen menschlichen Rüstungen weit überlegen ist: Es nimmt hinweg die Sünde der Welt. Gut, dass es das Lamm Gottes gibt!
Wir sollen heute wieder neu erahnen, dass es eine ganz andere Möglichkeit gibt, unsere Konflikte zu lösen, als zugespitzte Worte, Waffen und kugelsichere Panzer. In seiner Wehrlosigkeit liegt seine Stärke.
Dieses Zeichen spricht heute mehr Menschen an, als wir vielleicht glauben. Als Papst Johannes Paul II. krank und schwach war, da gewann er eine ungeahnte neue Sympathie. Auch der jetzige Papst ist ganz auf die Überzeugungskraft seiner Worte angewiesen; er hat keine Legionen und auch sonst nur wenige äußerliche Macht- und Druckmittel. Das wurde in den letzten Tagen wieder offensichtlich, als eine Minderheit von Professoren und Studenten an der Sapienza-Universität durch ihre Proteste dafür sorgte, dass der Papst dort nicht, wie vorgesehen war, eine Rede halten konnte. Ein Skandal, dem der Papst nichts entgegenzusetzen hatte; er gab nach und sagte den Termin ab. Nun hat er seine Rede per Post an die Universität geschickt, und sie wurde dort auch öffentlich verlesen und von den Anwesenden mit Applaus bedacht. Die Worte werden auf die Dauer mehr bewirken, als politischer Druck es vermocht hätte. Dazu passt, was der Papst am Schluss seiner Rede gesagt hat:
Die Gefahr der westlichen Welt um nur davon zu sprechen ist heute, dass der Mensch gerade angesichts der Größe seines Wissens und Könnens vor der Wahrheitsfrage kapituliert. Und das bedeutet zugleich, dass die Vernunft sich dann letztlich dem Druck der Interessen und der Frage der Nützlichkeit beugt,
Der Druck der Interessen hatte den Papst aus der Universität vertrieben und mit ihm den Mahner der Wahrheitssuche. Aber nicht größerer Druck wird die Wahrheit des Evangeliums befördern, sondern die Tugenden des Lammes: Geduld, Demut und Hingabe. Das gilt im großen und im kleinen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Ich möchte heute ein paar erläuternde Worte zur Lesung sagen. In der Gemeinde von Korinth berufen sich einzelne Personen und Gruppen auf Autoritäten, die zueinander in Widerspruch stehen. Im Glauben und Leben der Gemeinde ist eine Spaltung entstanden. Paulus ist davon zuhöchst beunruhigt und greift mit seinem Brief in das gespannte Geschehen ein.
Einige Mitglieder der Gemeinde berufen sich auf einen gewissen Apollos. Dieser war wohl ein gebildeter Mann aus Alexandria (vgl. Apg 18,24ff), der vor allem auf die eigene Einsicht baute und der als Nachfolger des Paulus eine Zeit lang die Gemeinde geleitet hatte. Dem stand Kephas gegenüber, vermutlich ist Petrus gemeint. Auf ihn beriefen sich diejenigen Kreise, die man heute in die fundamentalistische Ecke rücken würde. Drittens gab es eine Gruppe, die sich auf Paulus berief, nicht zuletzt natürlich, weil er ja die Gemeinde gegründet hatte.
Paulus lehnt jedoch jeden Personenkult ab. Er weiß, dass es in der Natur des Menschen liegt, Cliquen zu bilden und sich von anderen abzugrenzen. Darum spielt er auch nicht die einen gegen die anderen aus, wie es unerleuchtete Seelsorger tun, die sich selber so sehr in den Mittelpunkt stellen, dass es ihnen egal ist, wenn sich ganze Gruppen der Gemeinde abwenden Hauptsache, sie bekommen von anderer Seite genügend Beifall! Vielmehr baut Paulus ganz auf die Kraft der Gnade, die wiederum aus der Verkündigung des Kreuzes Christi erwächst. Der innerste Kern des Glaubens ist das Kreuz Jesu Christi, und dieser Kern schmiedet die Gläubigen zusammen. Denn Jesus Christus war es, der für alle das Kreuz getragen hat das kann man weder von Paulus noch von Apollo oder Petrus sagen.
Die Gemeinde lebt nicht vom persönlichen Charme eines Verkünders oder von seinen intellektuellen Vorzügen oder von sonst einer Eigenschaft, die ihn auszeichnet. Sie lebt ganz und gar aus der Kraft der Gnade, die Christus uns durch sein Kreuz erworben hat. Man kann nicht leugnen, dass die unterschiedlichen Charaktere der Seelsorger die Gläubigen in ganz unterschiedlicher Weise ansprechen oder eben auch abstoßen. Was dem einen gefällt, findet der andere unmöglich. Was dem einen hilft, ist für den anderen unverständlich oder verzichtbar. Das ist nicht zu ändern, ist vielleicht auch gar nicht so schlimm, wenn wir uns nur darauf besinnen, was Kirche eigentlich ist: die im Herrn versammelte Gemeinschaft der Glaubenden. Denn dann könnten wir besser verstehen, dass die unterschiedlichen Charakter in der Kirche ein Reichtum sind und kein Übel.
In diesem Sinne sei uns die Mahnung des Apostels ein Ansporn: Im Namen Jesu Christi, unseres Herrn: Seid alle einmütig, und duldet keine Spaltungen unter euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung. (1 Kor 1,10)
von Manfred Stücker (erstellt: 2008)
Was ist eigentlich wichtig?
Unsere Zeitungen und Nachrichten sind voll von Antworten auf diese Frage.
Die einen sagen: Wichtig ist der soziale Friede. Rentner und arbeitende Menschen,
die die Wirtschaft stützen, sie sollen in Frieden miteinander leben können.
Familien müssen ein Auskommen haben, damit Kinder nicht ein Armutsrisiko
werden. Andere sagen: Die Verteilung der Rohstoffe ist das große Thema
der Zukunft. Das Öl für Autos und Maschinen, vor allem auch das
saubere Wasser wie das und manches mehr allen Menschen zur Verfügung
steht, das wird das große Thema sein. Noch wieder andere sagen: Das
Klima und der Schutz der Natur und ihres Reichtums muß unser erstes
Anliegen sein. Wir sind doch Teil der Natur, und wenn es dieser Erde, ihrem
Klima und den Arten im Tier- und Pflanzenreich schlecht geht, dann geht es
uns allen schlecht. Und so geht es weiter, und auch in der Kirche gibt es
die gleiche Frage und die Auseinandersetzung darum: Was ist wichtig? Was kommt
zuerst? Was können wir dazu sagen? Welche Antwort können wir geben?
Ich möchte behaupten: Die Antwort, die wir geben sollten, die brauchen wir uns gar nicht mehr zu überlegen. Darüber müssen wir gar nicht noch lange nachdenken. Die Antwort, die geben wir jetzt. In diesem Moment. Indem wir uns versammelt haben zum Lob Gottes, zum Gottesdienst, zur Feier des Sonntags. Damit verwirklichen wir das Wort Jesu aus der Bergpredigt, wo er sagt: Euch aber muß es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen (vgl. Mt 6,33).
Dieses aber Euch aber, es läßt
uns aufmerken. Viele Probleme und Fragen gibt es in der Welt und in der Kirche.
Diese Dinge sind alle wichtig. Oder wollte einer meinen, die Natur, die Schöpfung,
in der wir leben, wäre unwichtig und wir brauchten uns darum nicht zu
kümmern? Nein, auch das ist wichtig, sehr wichtig sogar.
Christen kennen hier freilich das aber. Dieses aber
bezeichnet das Vorrangige. Jesus nennt es das Reich Gottes und seine
Gerechtigkeit. In der Bergpredigt und im Matthäusevangelium kommen
diese Worte immer wieder vor. Letztlich wird hier auf das erste Gebot Gottes
Bezug genommen. Dort heißt es: Du sollst keine anderen Götter
neben mir haben (Ex 20,3; Dtn 5,7).
In diesem Gebot kommt zur Sprache, was Israel erfahren hat: Wenn das Volk
sich wirklich Gott zugewandt hat, wenn es bereit war, ihn zu hören und
seinen Weisungen zu folgen, dann war es gut. Dann lebte das Volk im äußeren
und inneren Frieden. Dann hatte es vor Gott und vor den anderen Völkern
einen Namen, der groß war.
Wenn Israel aber eigene Wege ging und begann, Gott und seine Weisungen zu
vergessen, wenn jeder anfing, nur an sich selbst und seinen eigenen Vorteil
zu denken dann waren damit Abstieg und Verfall vorprogrammiert.
Die Propheten mahnten darum immer wieder zur Umkehr und warnten die Menschen
und stellten ihnen die Folgen vor Augen leider meistens erfolglos.
Auch in unserer kirchlichen Situation brauchen wir neuen Mut, uns neu zur
Mitte hinzuwenden. Wenn Kirchen und Kindergärten geschlossen werden,
wenn gespart werden muß und die Prognosen uns sagen, daß wir in
der Kirche Zeiten entgegengehen, in denen vieles neu überlegt werden
muß, dann können wir uns dieser Frage nicht verschließen:
Was ist eigentlich wichtig? Worauf kommt es an?
Der neue Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, hat einen Hirtenbrief
zu Pfingsten verfaßt, in dem es um genau diese Frage geht. Seine Gedanken
sind sehr bedenkenswert, nicht nur für Limburg, sondern auch für
uns. Ich habe deshalb dem Vorstand des Pfarrgemeinderates empfohlen, daß
wir gemeinsam diesen Brief lesen und uns fragen, was das für uns bedeuten
kann.
Wir haben auch in unserer Kirche viele Fragen und Probleme. Die müssen
angegangen und besprochen werden. Und es müssen Lösungen gefunden
werden. Aber alles läuft ins Leere und hängt in der Luft, wenn wir
nicht wissen, woher unser Glaube lebt und wohin er uns führt.
Bevor Programme entwickelt und Projekte ins Leben gerufen werden, müssen
wir uns vergewissern, wer wir als Kirche sind und was wir glauben, wenn wir
uns zum dreifaltigen Gott, zum Vater, zum Sohn, und zum Heiligen Geist, bekennen.
Bevor wir uns über Gottesdienstzeiten und über Veranstaltungen unterhalten
und wo was stattfinden soll, müssen wir uns vergegenwärtigen, was
im Gottesdienst überhaupt geschieht und wer es da ist, der uns ruft und
zusammenbringt.
Unser Glaube hat eine Mitte und ein Gesicht: Jesus Christus. Und unser Kirchesein
lebt ganz Wesentlich von dem Glauben, daß Er, Christus, auferstanden
ist und lebt. Unser Glaube ist österlicher Glaube. Und der zeigt sich
am tiefsten und dichtesten in der österlichen Versammlung, in der Eucharistie
am Sonntag. Hier haben wir die Mitte, hier haben wir den Ausgangs- und Zielpunkt.
Die heilige Messe ist nicht eine Veranstaltung in einer Reihe
neben anderen. Dann wäre alles gleich gültig, und damit würde
letztlich alles gleichgültig. Dann verliert alles seinen Wert, wenn es
nicht mehr die Mitte gibt.
Wenn wir uns kümmern um diese Mitte, wenn wir uns rufen lassen zur österlichen
Versammlung um den Altar, wenn wir einstimmen in das Lob Gottes, dann haben
wir sicher schon ein gutes Stück von dem verstanden, was Jesus meint,
wenn er sagt: Euch aber muß es zuerst um das Reich Gottes und
um seine Gerechtigkeit gehen (vgl. Mt 6,33).
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
„Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt.“ Die schweren Lasten – sie begleiten unser Leben. Mal sind es mehr, mal weniger. Die alten und kranken Menschen können ein Lied davon singen, aber auch die Berufstätigen an den immer stressiger werdenden Arbeitsplätzen.
„Ich werde euch Ruhe verschaffen“, sagt Jesus. Was meint er damit? Wie macht er das? Ich nenne vorerst nur einen Aspekt, den ich selbst schon oft erfahren habe. Oft ist es mir schon vorgekommen, daß ich abends kurz vor der Messe total erschöpft war, am Ende meiner Kraft und voller Bitterkeit, daß ich noch lange keine Ruhe finden werde, weil es nach der Messe gleich mit irgendeinem Termin weitergeht. An solchen Tagen kommt es mir so vor, als könnte ich nicht einmal mehr die Messe andächtig feiern. Und dann – wenige Minuten nach Beginn der Eucharistie – fällt alles von mir ab und ich spüre eine aus den Tiefen heraufsteigende Erquickung, eine ungeahnte Kraft, so daß ich mich nach einer halben Stunde ganz erfrischt fühle. Ich habe das schon oft erlebt, es ist nicht gelogen und nicht übertrieben. Es ist jedes Mal wie ein Wunder – eine echte Bestätigung des Wortes Jesu: „Ich werde euch Ruhe verschaffen“. Hierin liegt auch einer der Gründe, warum ich die Feier der Messe niemals als Arbeit bezeichnen oder selbst so ansehen würde. Wenn ein Priester die Messe als Arbeit betrachtet und sie so behandelt wie andere Termine auch, dann stimmt etwas nicht mit seinem Berufsverständnis.
Gott sei Dank gibt es hier in St. Johannes eine Reihe von Gläubigen, die gern zur Werktagsmesse kommen und dort Erquickung von der Ruhelosigkeit ihres Alltags suchen. Jeder, der die Messe andächtig mitfeiert, hilft mir und den anderen, im Gottesdienst wirklich zu Gott zu finden und von ihm Kraft zu beziehen.
Natürlich verschafft Jesus Ruhe nicht allein durch die Feier der Eucharistie, auch wenn es dort in einer besonders dichten Weise spürbar wird. Jesus ist ja unser Freund und hat unser Bestes im Blick, so daß jede echte Begegnung mit ihm den Charakter der Erquickung trägt, so wie uns ja auch jede Begegnung mit einem lieben Menschen bereichert und erfreut. Nicht daß er uns die Lasten, die wir oft so schmerzlich spüren, abnimmt. Aber er hilft uns, sie besser tragen zu können, er trägt sie gleichsam mit uns und hat unglaublich viel Verständnis mit uns, wenn wir uns trostlos fühlen und die Last am liebsten abwerfen würden. So sagt er: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.“ Das Joch, von dem er spricht, ist die Art zu leben, die er uns selbst vorgelebt hat, ist die freie Hingabe an den anderen Menschen. Die Dinge werden leichter, wenn sie mit Sinn erfüllt sind, die Pflichten drücken weniger, wenn wir beginnen, sie gern zu tun.
Von Jesus können wir etwas lernen, was wirkliche Lebenshilfe ist, so daß wir Ruhe finden für unsere unbehauste Seele. Ich kann dies jetzt nicht umfassend ausführen, nur einige Streiflichter werfen. Ein wichtiger Punkt ist, daß Jesus immer bereit ist, unsere Klagen anzuhören und Verständnis zu zeigen, auch dann, wenn alle anderen Menschen ihr Mitgefühl bereits zurückgezogen haben. Jesus wird nie sagen, er habe selbst schon Sorgen genug, er habe keine Zeit für uns oder Wichtigeres zu tun. Seit 2000 Jahren wartet er im Tabernakel auf uns – kann es einen deutlicheren Ausdruck für seine Güte, Milde und Geduld geben?
Ein zweites: Jesus macht uns Mut, das, was wir ändern können, auch
wirklich zu ändern, während er uns andererseits Gelassenheit gibt,
das Unabänderliche zu ertragen. Wie oft jammern wir zwar über dies
und das, rühren aber keinen Finger, um es zu ändern!
Ich gebe nur ein Beispiel: die vielen Einladungen und gesellschaftlichen Anlässe,
die uns angetragen werden und die doch aufgrund ihrer ins Unermeßliche
angestiegenen Häufigkeit mehr Streß als Freude bereiten. Ich höre
sehr oft Menschen darüber klagen, es kommt mir aber so gut wie nie zu
Ohren, daß irgend jemand sein Verhalten ändert und die Feiern auf
die Hälfte reduziert. Es fehlt an Mut. Wer sich zuerst und vor allem
an Jesus hält, wird spüren, wie ihm Mut zuwächst, wird es leichter
finden, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich Freiräume zu
schaffen. Das Joch Jesu drückt nicht, und seine Last ist leicht.
Einen dritten Gedanken hat der hl. Franz von Sales in seinem Büchlein Philothea geäußert. Gott, so sagt er, hat uns von Ewigkeit her genau das Kreuz zugemessen, das wir tragen können. Er hat es uns angemessen, zugeschnitten, unseren Verhältnissen angepaßt. So ist unser Kreuz nicht zu schwer. Gott, der uns von Ewigkeit her kennt und liebt, hat es uns zugemutet. Der Wille Gottes paßt genau zu uns, weil er ganz persönlich um unser ganzes Leben weiß. Denn Gottes Liebe ist nicht nur eine allgemeine Liebe zum Menschengeschlecht insgesamt, sondern auf jeden ganz persönlich ausgerichtet. Sie berücksichtigt meine konkrete Lebenssituation und bezieht meine Vergangenheit und meine Zukunft mit ein. Auch in diesem Sinne ist das Joch Jesu nicht drückend und seine Last vergleichsweise leicht.
Das Leben wird leichter, wenn wir Jesus daran teilnehmen lassen. Nur scheinbar gewinnen wir, wenn wir die Religion, die Bindung an Gott, abstreifen. Die Welt, die uns von Gott fernhalten will, verspricht uns Freiheit, hält aber nicht Wort. Das Joch Christi dagegen macht frei, weil es uns für die Liebe zurüstet und ungeahnte Freude mit sich bringt.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Schwestern und Brüder!
Schick doch die Menschen weg...
Wir können dieses Wort der Jünger verstehen. Da sind 5000 Männer
– Frauen und Kinder nicht eingeschlossen. Sie sind Jesus gefolgt, wollen
ihn hören, hängen an seinen Lippen. Sie sind so fasziniert, daß
sie darüber die Zeit vergessen.
Und die Jünger sitzen vermutlich nahe beim Herrn. Und irgendwie sonnen
sie sich im Glanze Jesu: „Er kommt an. Und wir gehören zu ihm.“
denken sie sogar etwas stolz.
Aber nun droht Ungemach. Die Stimmung könnte bald kippen, wenn auf einmal
Hungergefühle bei den Menschen aufkommen. Es ist schließlich schon
spät. Die Sache ist nicht so ganz geheuer:
„Am besten wir werden die Leute los. Das wird Jesus verstehen. Wir können
uns doch nicht um die alle da kümmern...“
Und so sagen sie es Jesus: Schick doch die Menschen weg...
Das klingt vernünftig in unseren Ohren.
Und umso unverständlicher ist die Antwort: Gebt ihr ihnen zu essen!
„Ja, spinnt der denn? Ist Jesus jetzt völlig übergeschnappt?
Leidet Jesus unter Realitätsverlust?“ mag der eine oder andere
der Jünger gedacht haben.
In ihrer Fassungslosigkeit ringen die Jünger nach Worten, um Jesus den
Ernst der Lage zu verdeutlichen:
Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische bei uns. Das reicht kaum für
die Zwölf. Erst recht nicht für über 5000 Menschen.
Doch Jesus fordert die paar Brote und Fische ein: Bringt sie her!
Und ein großes Wunder geschieht. Etwas, was noch niemals geschehen ist.
Etwas Unvorstellbares: ...und alle aßen und wurden satt. Mehr noch,
es blieben sogar zwölf Körbe übrig. Wenn Gott gibt, schenkt
er im Übermaß.
Schwestern und Brüder!
Das Evangelium des heutigen Sonntags beschreibt nicht nur ein großes
Wunder Jesu, das seine Göttlichkeit bezeugt.
Das Evangelium beinhaltet auch eine große Lehre für uns, die uns
Mut machen will.
Das Wunder Jesu war nur möglich, weil die Jünger das wenige, was sie hatten, ihm gegeben haben. In seinen Händen wurde es verwandelt. Ohne die Gabe – eine eher beschämend kleine Gabe – hätte der Herr die 5000 nicht gespeist.
Am Ende seines irdischen Wirkens, kurz vor der Himmelfahrt, gibt Jesus seinen
Jüngern den Auftrag: Geht hinaus in alle Welt und macht alle zu meinen
Jüngern!
Dieser Auftrag ist noch größer und verrückter als das Gebt
ihr ihnen zu essen!
Aber die Jünger haben diesen Auftrag angenommen, trotz der eigentlichen
Aussichtslosigkeit. Aber spätestens seit der Speisung der 5000 und der
Auferstehung Jesu wußten sie: wenn wir das einsetzen, was wir haben
und es IHM in die Hände geben, dann geschieht Großes und Unvorstellbares.
Für mich ist es ein Wunder, daß diese Zwölf der Ursprung der
Verkündigung sind und diese bis heute fortdauert, auf allen Kontinenten
in den entlegensten Orten.
Der Auftrag der Mission trifft auch uns heute. Wir alle, die wir hier sitzen, wissen, daß es viele um uns herum gibt, die mit Glaube und Kirche eigentlich nichts mehr am Hut haben. Sie hungern letztlich nach Sinn und Heil.
Gebt ihr ihnen zu essen! – so lautet der Ruf Jesus auch heute an uns. Erzählt ihnen von Gott, führt sie wieder zum Glauben, macht die Müden wieder wach und gebt den Mutlosen neue Hoffnung.
Schick doch die Menschen weg... ist häufig unsere Haltung. „Sei doch froh, daß ich hier in der Kirche sind. Das ist doch schon was. Die anderen sind viel zu viele, an die komme ich nicht dran, mir fehlen sowieso die Voraussetzungen, die anderen zu überzeugen. Ich habe schließlich keine Theologie studiert. Reden kann ich auch nicht. Es hat doch keinen Zweck.“
Sicher, es wird wenige große Missionare unter uns geben. Aber jede
und jeder von uns kann seinen kleinen Teil tun, sein Brot, seinen Fisch beisteuern
und Jesus in die Hand geben.
Es geht nicht darum große pastorale Pläne zu entwerfen, sondern
vielleicht einmal jemanden anzusprechen; ihm zu sagen, daß wir für
ihn beten; einladen, mal mitzukommen. Oder einfach nur darum beten –
im Stillen und beständig – daß der eine oder die andere den
Weg zum Glauben und in die Kirche finden möge.
Das klingt wenig. Aber tun wir es wirklich? Legen wir so unsere kleinen Gaben
in die Hände Jesu? Er ist es, der das Wunder tun wird. Nicht wir.
Aber er vertraut auf unsere Mitarbeit. Wir müssen ihm nur unsere Initiativen,
Gebete und guten Werke schenken. Und er wird den Hunger nach Sinn, Liebe und
Glauben in vielen Menschen stillen können.
Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische bei uns.
Bringt sie her!
und alle aßen und wurden satt
Amen.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön – heißt
es in einem Lied.
Liebe Schwestern und Brüder,
die Jünger im Evangelium, haben zumindest eine sehr bewegte Seefahrt,
ob sie so schön war? Immer hin gerieten sie in Seenot
Wir haben da aber nicht nur einen Fall von Seenot (Seenot mit Doppel-e),
sondern es ist auch ein Fall von Seh-Not (Seh-Not mit h).
Denn um das richtige Sehen geht es hier auch. Und um die Konsequenzen daraus.
- Als die Jünger so jämmerlich schreien, weil sie annehmen, da komme
ein Gespenst auf sie zu, nähert sich Jesus auf dem See gehend. Doch ganz
offensichtlich sehen sie ihn nicht richtig vor lauter Schreckensbildern in
ihren Köpfen, vor lauter Sorgen in dem Sturm. Jesus ergreift die Initiative
und redet ihnen ruhig zu: „Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet
euch nicht!“
Wie reagieren die Jünger, die im Boot hocken und Todesangst haben, auf
die Worte Jesu? Atmen sie einmal ganz tief durch und brechen dann in Jubel
aus? Staunen sie, dass alle Macht von Wind und Wetter Jesus nichts anhaben
kann?
Nein, so ist es nicht. Sie sehen, und sie sehen doch nicht. Sie kriegen ihren
Kopf nicht frei. Die düsteren Gedanken lassen keinen klaren Blick zu.
Das kommt uns auch sehr bekannt vor. Der Ruf Jesu, Vertrauen in ihn zu haben,
prallt an Verängstigten einfach ab. Ja, die Jünger und wir heute,
wir fürchten uns in den schlimmen Stürmen, die so plötzlich
über uns hereinbrechen in unserem persönlichen Leben!
Auch über die Kirche. Wohin soll das alles noch führen, dieser Abschwung.
Einer jedoch tanzt aus der Reihe. Petrus hört und sieht den Herrn wie
alle anderen. Er hat auch Angst wie alle anderen. Aber als einziger überwindet
er seine Angst. Das zeichnet Petrus aus. Im richtigen Moment erfasst er die
Lage. Er nimmt allen Mut zusammen und ant-
wortet: „Herr, wenn du es bist, so befiehl, daß ich auf dem Wasser
zu dir komme.“
Es heißt im Originaltext sogar nicht „wenn du es bist“,
sondern „da du es bist“. Petrus hat ihn also erkannt. Als einziger.
Gleich wird er wieder etwas übermütig, wie wir das von ihm schon
kennen.
Alle Achtung! Petrus traut sich was. Er dürfte als Fischer ja am besten
wissen, dass Wasser keine Balken hat. Er wird auch schon öfter bei ungeschickten
Manövern im kalten Wasser gelandet sein. - Petrus traut sich was. Er
setzt ein Signal: Ja, ich habe verstanden, Herr, dass ich dir absolut vertrauen
kann. Wenn du das willst, kann ich sogar wie du über das Wasser gehen.
Ich tue es aber nur, wenn du es mir befiehlst!
Sprich nur ein Wort! - So wird Petrus zum Aussteiger.
Jesus hat wirklich nur ein einziges Wort gesagt, und das heißt: „Komm!“
Was für ein schönes Zeugnis gläubigen Vertrauens!
Bei dieser Übung im Sturm riskiert Petrus immerhin sein Leben. Die anderen
dagegen sitzen stumm und starr im Boot. Wir wissen nicht, was gerade genau
in ihren Köpfen vorgeht, aber solch ein Vertrauen haben sie jedenfalls
nicht. Ja, sie sehen und sehen doch nicht!
Petrus dagegen verlässt sich mit seiner ganzen Existenz darauf, dass
das Wort Jesu ihn tragen kann. Bei ihm jedenfalls hat das Brotwunder an den
5000 seinen Glauben gestärkt. Davon haben wir am letzten Sonntag gehört.
Petrus richtet seinen Blick fest auf Jesus. An ihm orientiert er sich. Jesus
ist sein Ziel. So klettert Petrus über den Bootsrand und geht los. Ganz
schön verrückt, oder?
Jesus hat schon gewusst, warum er Petrus zum Felsen machte, auf den er seine
Kirche bauen wollte. Petrus sieht jetzt nicht den Sturm und die Probleme,
sondern er sieht den Herrn. Das gibt ihm Kraft.
Petrus ist schon ganz in der Nähe Jesu und hat es fast geschafft, da bekommt er Angst vor der eigenen Courage. Plötzlich wendet er seinen Blick für einen Moment von Jesus ab und sieht die aufgepeitschten Wellen. Mit einem Schlag wird ihm bewusst, wir riskant sein Manöver ist. Es kommt, wie es kommen musste: Petrus beginnt unterzugehen.
Die Bibel beschönigt das nicht. Menschliches Versagen ist nicht nur ein Thema in den Nachrichtensendungen, sondern auch in der Bibel. Petrus soll hier nicht lächerlich gemacht werden, und die Sitzenbleiber im Boot auch nicht. Die Bibel sagt: Ja, genau so sind wir Menschen!
Irgendwie tut Petrus uns sogar leid. Fast hätte er es geschafft. Und nun diese Blamage vor seinen Leuten! So lange er nur Augen für Jesus hatte, war alles gut. Petrus hat sein Ziel kurz aus den Augen verloren, doch er hat dazugelernt. In seiner Not ruft er nicht etwa seine Kollegen um Hilfe. Petrus, der für eine Sekunde schwach geworden ist, erinnert sich an sein Ziel und ruft: “Herr, rette mich!“
Jesus packt sofort beherzt zu. Er „ergriff ihn“, heißt es. In Sekundenbruchteilen ist Petrus gerettet. Jesus hält Petrus keine Strafpredigt. Erst greift er ihm im wahrsten Sinne des Wortes unter die Arme, und dann bestätigt er Petrus nur, dass es sein mangelnder Glaube war, der ihn beinahe versinken ließ. „Du Kleingläubiger“ - so nennt ihn Jesus in diesem Moment. Wenn der Glaube das Leben tragen soll, dann darf er nicht klein sein. Kleingläubigkeit, also Glaube auf kleiner Flamme, das ist weder Fisch noch Fleisch, weder hü noch hott.
Petrus erfährt hier ganz handfest: den Glauben gibt es nur in der großen
Portion, nicht als Appetithäppchen für zwischendurch.
Wie sagt der Volksmund so treffend: Wer A sagt, der muss auch B sagen.
Also: Wer etwas beginnt, der muss es auch zu Ende bringen, wenn er Erfolg
haben will. Sonst kann er es gleich bleiben lassen. Für den Glaubensweg
des Petrus und für unseren gilt das allerdings auch. Also bitte nicht
kurz vor dem Ziel aufgeben!
Ja, der vollmundige Petrus hat für einen Moment versagt. Es ist, wie
wenn er bei einem großen Sprung gestürzt wäre. Aber dieses
Hinfallen, dieses Versinken hindert Petrus nicht, sich schnell wieder zu besinnen.
Daran erinnert auch eine bekannte Redewendung: Hinfallen ist keine Schande,
aber liegen bleiben!
Petrus bleibt nicht liegen. Er rappelt sich sofort wieder auf. Sein Hinfallen
war eine Folge seines mutigen Einsatzes; daher belächelt oder verspottet
ihn auch niemand wegen seines Reinfalls. Er ist der einzige, der mutig genug
war, alles auf eine Karte zu setzen. Jetzt ist er auch mutig genug, seine
Hilflosigkeit zuzugeben, indem er schreiend bittet: „Herr, rette mich!“
Jesus bringt Petrus sofort ins sichere Boot, und dann lässt auch schon
das Unwetter nach. Die Gefahr ist vorüber. Jesus ist da, wenn es darauf
ankommt, und die bedrohlichen Mächte sind verstummt. Petrus ist um eine
handfeste Erfahrung reicher, welche die anderen nur als Zuschauer miterleben
konnten.
Versagt haben sie auch, sogar mehr als Petrus.
Sie haben schon aufgegeben, bevor sie überhaupt angefangen haben, auf
Jesus zuzugehen. Aber ihr Versagen springt nicht so direkt in unser Auge.
Zu schnell gilt das Interesse bei vielen nur der Person des Petrus.
Zum Schluss werden auch die Sitzenbleiber im Boot munter. Sie sehen Jesus
von Angesicht zu Angesicht, und sie sind beschämt. Es heißt im
Evangelium:
„Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig,
du bist Gottes Sohn.“
Kein Wort der Kritik ist von Jesus zu hören. Er kennt seine Leute, und
sein liebendes Herz ist groß. Lange hat es gedauert, bis bei ihnen endlich
der Groschen gefallen ist. Was beim so beeindruckenden Brotwunder nicht gelang,
das gelingt am Ende einer grauenvollen Sturmnacht.
Ihnen gehen die Augen auf aus Ihrer Seh-Not:
Sie erkennen jeder für sich, wer Jesus wirklich ist.
Und sie tun das einzig Richtige, was dann zu tun ist: sie werfen sich demütig
vor ihm nieder. „Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!“ - Vergessen
wir das nicht, wenn unser persönlicher Seesturm kommt.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
In der heutigen Kultur und Gesellschaft gibt es etwas, was uns in das Verständnis des Evangeliums dieses Sonntags einführen kann. Es handelt sich um die Meinungsumfrage. Man wendet sie praktisch überall an, vor allem aber im Bereich der Politik und der Wirtschaft.
Auch Jesus wollte eines Tages die Meinungen sondieren.
Nach seiner Ankunft im Gebiet von Cäsarea Philippi, das heißt der
nördlichsten Region Israels, wendet sich Jesus in einer Verschnaufpause,
in der er mit den Jüngern allein ist, unvermittelt mit der Frage an sie:
„Für wen halten die Leute den Menschensohn?“
Es hat den Anschein, dass die Apostel auf nichts anderes gewartet hätten,
als endlich alle Stimmen zu Wort kommen zu lassen, die von Jesus gesprochen
haben.
Sie antworten: „Die einen für Johannes den Täufer, andere
für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten.“
Jesus aber ist nicht daran interessiert, den Grad seiner allgemeinen Popularität,
seiner Beliebtheit zu messen. Sein Ziel ist ein ganz anderes. Deshalb drängt
er sie: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“
Diese zweite und unerwartete Frage bringt die Apostel völlig durcheinander. Schweigen und Blicke kreuzen einander. Während zu lesen ist, dass die Apostel auf die erste Frage gemeinsam, gleichsam im Chor antworteten, steht das Verb nun in der Einzahl. Nur einer antwortete – Simon Petrus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“
Zwischen den beiden Antworten steht ein abgrundtiefer Graben, eine „Bekehrung“.
Um zu antworten, genügte es vorher, sich umzuschauen und die Meinungen
der Leute gehört zu haben.
Nun aber müssen sie in sich hören und eine ganz andere Stimme vernehmen,
eine Stimme, die nicht vom Fleisch und vom Blut kommt, sondern vom Vater,
der im Himmel ist. Und sie müssen sich persönlich dieser Stimme
stellen.
Es gilt nicht sich hinter dem anonymen „man“ zu verstecken. Deshalb
sagen wir im Credo ja auch: „Ich glaube“ – nicht „man
glaubt“.
Petrus stellt sich persönlich dieser Stimme in ihm. Petrus wird Gegenstand
einer Erleuchtung „von oben“.
Es handelt sich nach dem Evangelien um die erste klare Anerkennung der wahren
Identität Jesu von Nazareth, den ersten öffentlichen Akt des Glaubens
an Christus in der Geschichte!
Denken wir an das Kielwasser, das ein schönes Schiff im Meer hinter sich lässt. Es breitet sich in dem Maß aus, in dem das Schiff weiterfährt, bis es sich am Horizont verliert. So ist es mit dem Glauben an Jesus Christus. Er ist wie das Kielwasser, das sich in der Geschichte ausgebreitet hat, bis es die „äußersten Grenzen der Welt“ erreicht hat. Aber er beginnt bei einer Spitze, und diese Spitze ist der Glaubensakt des Petrus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Jesus benutzt ein anderes Bild, das die Stabilität stärker hervorhebt als die Bewegung, ein nach oben statt in die Horizontale ausgerichtetes Bild: Fels, Gestein: „Du bist Petrus – der Fels –, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.“
Jesus ändert den Namen Simons, wie es in der Bibel immer dann getan
wird, wenn einem eine neue wichtige Mission übertragen wird: Er nennt
ihn Kephas, Felsen. Der wahre Fels, der „Eckstein“, ist und bleibt
er selbst, Jesus. Einmal auferstanden und in den Himmel aufgefahren, ist dieser
„Eckstein“ zwar gegenwärtig und wirksam, aber unsichtbar.
Es bedarf eines Zeichens, das ihn repräsentiert, das in der Geschichte
diesen „unerschütterlichen Grund“, der Christus ist, sichtbar
und wirksam macht.
Und dies wird Petrus sein, und nach ihm derjenige, der ihn vertritt, der Papst,
der Nachfolger des Petrus, als Oberhaupt des Apostelkollegiums.
Dabei ist wichtig, dass Jesus sagt: „Du bist Petrus – der Fels –, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.“
Die Kirche ist Seine Kirche. Sie gehört nicht uns. Wir machen Kirche nicht. Immer dann wenn ich Priester sprechen höre „meine Pfarrei“ oder Gläubige „mein oder unser Pastor“ – immer wenn ich das höre, werde ich vorsichtig: die Kirche ist nicht unsere Besitz, sie ist die Kirche Jesu. Und ihm dienen wir.
Und nur da wo wir auf Petrus, den Fels hören, wo wir in Einheit mit
dem Hl. Vater handeln und denken, können wir sicher sein, daß wir
der Kirche Jesu dienen. Da wo Gemeinden und Priester sich von Petrus abwenden
und eigene Liturgien, eigene Moralvorstellungen, eigene Dogmen haben, wird
die Kirche statt weltweit und groß, provinziell und eng.
So wie zu Jesus, müssen wir auch ganz persönlich Stellung zur Kirche
nehmen: „Ich glaube an die heilige katholische Kirche“.
Kehren wir nun aber zur Meinungsumfrage zurück. Die Umfrage Jesu vollzieht sich, wir haben es gesehen, in zwei Momenten, und sie enthält zwei Grundfragen. Erstens: „Für wen halten die Leute mich?“, und zweitens: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“
Jesus scheint dem, was die Leute über ihn denken, nicht viel Bedeutung
beizumessen; ihn interessiert, was seine Jünger denken. Er spornt sie
an mit seiner Frage: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“
Er gestattet es nicht, dass sie sich hinter den Meinungen anderer verstecken;
er will, dass sie ihre eigene Meinung zum Ausdruck bringen.
Die Situation wiederholt sich fast auf genau gleiche Weise heute. Auch heute
haben „die Leute“, die öffentliche Meinung, ihre Vorstellung
von Jesus. Jesus ist Mode. Schauen wir auf das, was in der Welt der Literatur
und des Schauspiels passiert. Es vergeht kein Jahr, in dem nicht ein Roman
oder ein Film mit einer eigenen deformierten und entsakralisierenden Meinung
über Christus herauskommt. Der Fall „Sakrileg“ von Dan Brown
war der aufsehenerregendste und findet viele Nachahmer.
Heute gibt es auch jene Menschen, die den halben Weg zurückgelegt haben: diejenigen, die – wie die Menschen der damaligen Zeit – Jesus für „einen der Propheten“ halten. Als faszinierenden Menschen stellt man ihn neben Sokrates, Gandhi, Tolstoj. Ich bin sicher, dass Jesus diese Antworten nicht verachtet, da von ihm gesagt wird, dass er „das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen wird“. Er versteht es also, jede ehrliche Anstrengung des Menschen wertzuschätzen. Es ist dies aber eine Antwort, die nicht einmal der menschlichen Logik standhält. Gandhi oder Tolstoj haben nie gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, oder: „Wer den Vater und die Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.“
Bei Jesus kann man nicht auf halbem Wege stehen bleiben: Entweder ist er
derjenige, der zu sein er behauptet, oder er ist kein großer Mensch,
sondern der verrückteste Spinner der Geschichte. Es gibt keine Mittelwege.
Es gibt Gebäude und Strukturen aus Metall (eine davon ist, glaube ich,
der Eiffelturm in Paris), die so gebaut sind, dass alles zusammenbricht, wenn
man sie an einem gewissen Punkt berührt oder ein gewisses Element entfernt.
Ein solches Gebäude ist der christliche Glaube, und der neuralgische
Punkt, von dem ich spreche, ist die Gottheit Jesu Christi.
Lassen wir aber nun die Meinungen der Leute beiseite und kommen wir zu uns
Gläubigen.
Es reicht nicht, an die Gottheit Christi zu glauben. Sie muss auch bezeugt
werden! In der Kirche Jesu Christi. In Einheit mit dem Nachfolger Petri, dem
Papst.
Wer den Glauben kennt und nicht Zeugnis für den Glauben ablegt, ja ihn
gar verbirgt, der trägt vor Gott eine größere Verantwortung
als jener, der diesen Glauben nicht besitzt.
In einer Szene von Claudels Drama „Der gedemütigte Vater“ fragt ein wunderschönes, aber blindes jüdisches Mädchen in Anspielung auf die doppelte Bedeutung von Licht ihren christlichen Freund: „Ihr, die ihr seht, was habt ihr mit dem Licht gemacht?“
Das ist eine Frage, die sich an uns alle richtet, die wir uns als Gläubige stellen sollten. Immer wieder..
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Liebe Schwestern und Brüder!
Es heißt heute im Evangelium wieder einmal ausdrücklich, dass Jesus ein Gleichnis seinen Jüngern erzählte. Er richtet sich also an Menschen, die ihm schon nachfolgen, so wie Sie und ich.
Gläubige Christen brauchen offensichtlich immer wieder eine Nachhilfestunde Jesu in Sachen Glauben. Unmittelbar vor unserer heutigen Bibelstelle ist es ausgerechnet Petrus, der (in Mt 19,27) fragt: „Du weißt,wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Was werden wirdafür bekommen?“
Das ist die Frage, die sehr viele Christen immer wieder beschäftigt:
Was werde ich dafür bekommen? Ein Leben lang halte ich mich an die Gebote
und verzichte auf manche Gelegenheit, mir das Leben bequemer zu machen. Ich
spende – wie heute für die Caritas-, ich engagiere mich in der
Pfarrei, ich gehe regelmäßig zum Gottesdienst, ich bete.
Also bin ich auch so etwas wie ein Arbeiter der ersten Stunde, der im Weinberg
des Herrn arbeitet und sich dabei manchmal ganz schön abrackern muss.
Da interessiert mich natürlich schon, was ich dafür bekomme. Was
habe ich nach meinem Tod davon?
Rechnet Gott mir meinen Fleiß, meinen Verzicht und meine Geduld auch
wirklich an? - Mit anderen Worten: Rentiert sich mein Einsatz überhaupt?
Hier genau setzt Jesus mit dem heutigen Gleichnis an. Er belehrt uns über die besonderen Spielregeln im Himmel. Es heißt: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer…“ - Die Geschichte, die dann folgt, ist uns allen wohlbekannt. Aber einfacher wird sie dadurch nicht.
Da bekommen die, die nur eine Stunde gearbeitet haben einen Denar. Mit einem
Denar konnte man damals eine Familie für einen Tag ernähren.
Und die, die länger gearbeitet haben, bekommen auch einen Denar.
„Da begannen sie, über den Gutsherrn zu murren…“
Das lassen sie sich nicht bieten! Sie beschweren sich: Das ist einfach ungerecht!
Wir haben in der brütenden Hitze stundenlang geschuftet und bekommen
trotzdem nicht mehr. So haben wir nicht gewettet, Herr Gutsbesitzer! Wir wollen
mehr Geld!
Und mal ehrlich – Wir sind auch auf ihrer Seite. Da muß eine Gewerkschaft
her, eine neue Tarifpolitik.
Und der Gutsbesitzer? Er hält dem Anführer der Murrenden eine Standpauke:
„Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denár
mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will dem letzten ebensoviel
geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will?
Oder bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?“
Das ist Klartext, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt!
Anstelle von „bist du neidisch“ sollte man auch genauer übersetzen.
Wörtlich heißt es: Ist dein Blick böse?
Darum geht es Jesus. Es geht um den bösen Blick. Der ist für das Himmelreich völlig untauglich. Dieser Blick auf den anderen ist es, der die Menschen immer wieder in Katastrophen stürzt. Immer wieder schildert auch die Bibel, wie Menschen so vom Neid zerfressen werden, dass sie furchtbare Dinge tun, so wie Kain, der seinen Bruder Abel erschlug. So zählt man den Neid mit gutem Grund zu den klassischen sieben Todsünden. Er ist wie ein ekliges Eitergeschwür, dass sich immer weiter ausbreitet, meistens sogar unter dem Vorwand der Gerechtigkeit.
Gerecht wollen es die ersten Arbeiter im Weinberg haben, und Gerechtigkeit erwarten wir auch im Leben. Unsere Gerichtsverfahren werden mehr und mehr, denn immer mehr Menschen ziehen vor Gericht, um ihr gutes Recht einzuklagen. Das ist auch in Ordnung so, damit niemand durch Machenschaften anderer einen großen Schaden erleiden muss.
Doch wer Gerechtigkeit vom Herrn verlangt, der sollte sich erst einmal selbst
prüfen. Will ich wirklich Gerechtigkeit? Gerechtigkeit weltweit? Will
ich gerechterweise mein Einkommen zu einem Drittel abgeben und selbst am Existenz-Minimum
leben, wie andere das ihr Leben lang aushalten müssen? Will ich denen
in der 3.Welt, die in
Gefahr sind, wegen bei uns geradezu lächerlichen Krankheiten zu sterben,
mit aller Kraft und meinem Geld helfen? Will ich wegen der Gerechtigkeit meinen
Job aufgeben, weil wir als Paar Doppel-verdiener sind, während junge
Leute jahrelang in der Warteschleife sind, um vielleicht gerade meinen Job
zu bekommen?
Will ich dafür kämpfen, dass die Afrikaner, die unter Einsatz ihres
Lebens in kleinen, überfüllten Booten nach Europa kommen, ihre
Chance bekommen, dem Elend zu entfliehen?
Das ließe sich beliebig und sehr unangenehm fortsetzen. Gerechtigkeit?
Wollen wir wirklich Gerechtigkeit? Seien wir vorsichtig und sehr, sehr leise
mit dem Ruf nach Gerechtigkeit! Er könnte uns im Halse steckenbleiben!
Meistens ist es eher so, daß wir auf andere neidisch sind oder ihnen
weniger gönnen als uns.
In seinem Gleichnis vom Himmelreich erinnert uns Jesus daran. Es ist, als
wollte er uns eindringlich warnen: Verlangt von Gott um Himmelswillen keine
Gerechtigkeit für euch!
Seid ihr so sicher, dass ihr wirklich so gut abschneidet, wenn es nur knallhart
nach Schema F zugeht bei Gott?
Glaubt ihr wirklich, ihr hättet euch den Himmel verdient? Glaubt ihr
wirklich, ihr könntet mit Gott schlaue Geschäfte machen? Vielleicht
tausend Gebete für einen Platz im Himmel?
Mit diesem Gleichnis mahnt Jesus gerade diejenigen, die zu den fleißigen
Arbeitern im Weinberg Gottes gehören: Hört auf mit euren Himmels-Berechnungen!
Hört auf mit dem Schielen nach anderen!
Vergleicht euch nicht mit anderen. Denn der Vergleich ist vom Teufel –
sagen die Alten.
Es ist eine Beleidigung Gottes, was ihr da treibt. Ihr unterstellt ihm, so
zu rechnen wie ihr auf der Erde. Seid froh und glücklich, dass dies im
Himmel nicht so ist! Und lernt, anderen etwas von Herzen zu gönnen.
Gott ist eben nicht ungerecht! Seine Gerechtigkeit hat aber eine andere Grundlage
als die irdische. Bei ihm kommt noch vor der Gerechtigkeit die göttliche
Barmherzigkeit und die Überfülle seiner Liebe.
Wenn ihr euren bösen Blick mal ablegt, dann seht ihr das auch. Der Blick
Gottes ist voller Liebe und Zärtlichkeit, voller Güte und Sorge
um seine geliebten Menschenkinder.
Dann seht ihr auch, dass Gott in seiner unergründlichen Güte jedem
das schenkt, was er braucht, den einen Denar des Lebens, den Denar des ewigen
Lebens!
Es sich rentiert sich, mit dem Herrn in seinen Weinberg mitzugehen. Denn das ist auch klar: Wer nicht mitgehen will, wer dankend abwinkt, der ist auch nicht bei der Lohnauszahlung dabei. Traurig ist nur, wenn da welche sind, die wie im Gleichnis bisher von niemandem zur Arbeit angeworben wurden.
Trainieren wir unseren Blick und geben unseren Kollegen auf den Marktplätzen
der Welt den Tipp: Kommt mit uns in den Weinberg des Herrn. Es lohnt sich!
Der Lohn ist nicht gerecht, denn er ist die Erfüllung. Und die gibt es
nur ganz und nicht nach Tarif.
Diesen Lohn sollten wir einander gönnen können.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Zöllner und Dirnen kommen eher in das Reich Gottes als ihr"
Diesen Satz spricht Jesus zu Menschen, die eine hohe Position in der Öffentlichkeit
einnehmen, die hohes Ansehen genießen, die Verantwortung für das
ganze Volk tragen, zu denen man aufschaut, deren Wort etwas gilt, die Religion
und deren Ordnung hochhalten.
Damals war das wohl eine echte Provokation, die Schriftgelehrten so anzugreifen.
Heute ist man allerdings an Provokationen gewöhnt und es fehlt unter
den Leserzuschriften einer Tageszeitung kaum eine, welche mit ähnlich
harten Worten mit der Kirche ins Gericht geht und sich dabei sogar auf Jesus
beruft.
Zudem sind Bestrebungen im Gange, den "Stand" der Prostituierten
aufzuwerten und als ganz normalen "Dienstleistungsberuf" anzuerkennen.
Man kann heute oft hören, dass Jesus auch auf deren Seite stand. Wir
dürfen allerdings auch fragen: Sollten wirklich die sogenannten Biedermänner,
die wie die Zöllner damals die Ehrlichen und Gutgesinnten skrupellos
um ihr sauer Verdientes bringen, und die Frauen aus dem Rotlichtmilieu, die
ihren Körper verkaufen, noch dafür belohnt werden? Vor allem „entschuldigen“
diese Leute nicht vor allem die Freier, die Unzucht treiben? Wollen da vielleicht
einige unter dem Mantel der „Menschlichkeit“ ein unmenschliches
Gewerbe aufrechterhalten?
Wer sich gerne auf Jesus beruft, sollte nicht übersehen, dass die Dirnen dem Johannes, dem Mann mit der harten Lebensweise, geglaubt haben. Jesus geht es um die radikale Wandlung der Einstellung, um die persönliche Umkehr, nicht um die Umkehrung der moralischen Normen.
Die viel beschworene Umkehr ist allerdings nicht nur eine Sache des guten Willens. Es ist ein Prozess in uns selbst vergleichbar einem Sturm, der uns aufwühlt, dem Wirken des Salzes in den Speisen, des Sauerteigs im Mehl, dem Wachsen der Saat auf dem Acker. Es ist etwas, was wir nicht selbst machen, sondern was mit uns geschieht. Es tritt nur dann am ehesten ein, wenn wir verunsichert sind, den Boden unter den Füßen verloren haben, wenn wir nicht mehr weiter wissen, wenn uns bewusst ist, dass wir Hilfe brauchen. Genau in einer solchen Situation sind wir mit unserem Innersten verbunden und dessen Kräfte kommen in Bewegung. Da brauchen wir keine Ablenkung, weil sie uns nichts mehr bedeutet. Menschen in Krisen sind für jede Hilfe dankbar und für Neues aufgeschlossen. Für viele öffnet sich in einer schwierigen Lebenssituation oft nach recht schmerzlichen Erlebnissen die Welt des Glaubens.
Jesus sieht in den Zöllnern und Dirnen eher das Elend, das ihre Lebensgeschichte bestimmt, als die verwerfliche Tat. Gerade aber das schwere Schicksal wurde bei denen, die Jesus erwähnt, Anlass zur Umkehr. Wer nur vom Leben bestätigt wird, wer in guter Position und sattem Wohlstand lebt, wer sich im Religiösen nichts vorzuwerfen braucht, hat keinen Grund, sich in Frage stellen zu lassen und Neues, Ungewohntes zu suchen.
Ganz anders ist es bei Menschen, die am Rande des Zusammenbruchs sind und alle Kräfte auf das bloße Überleben konzentrieren müssen. Im Evangelium nach Lukas wird uns eine Frau geschildert, die als Sünderin bezeichnet wird, also zu denen gehört, die Jesus lobt. Es ist etwas vom Mut der Verzweiflung, wenn sie es wagt, sich vor der versammelten Festgesellschaft Jesus zu nähern und sich den durchbohrenden, missbilligenden Blicken der anwesenden, ehrenwerten Männer auszusetzen.
Es geht ihr um das Ganze; das eigene Elend ist ihr Antreiber zum letzten Einsatz. Aus diesem Impuls sind ihr Weinen und ihre Gesten der Hingabe zu verstehen. Es mag wohl gewesen sein, dass sie in der Nähe Jesu eine überströmende Dankbarkeit und ein Glück verspürte, das sie buchstäblich fassungslos machte.
Das gute Beispiel der Sünderin oder auch des verlorenen Sohnes besteht darin, dass sie sich der Dunkelheit ihres Lebens stellten, die Frau beim vornehmen Gastmahl, der junge Mann im Schweinestall. Die Umkehr, die Jesus meint, beginnt nicht bei den gewaltsamen Vorsätzen, sondern beim demütigen Blick ins Innere. Wer der eigenen Bedürftigkeit nicht mehr ausweicht, weckt die Kräfte, die ein neues Leben beginnen lassen.
Die eigene Bedürftigkeit entdecken wir aber nur, wenn wir uns Ruhe gönnen
und Zeit nehmen, wenn wir mutig genug sind, uns nicht mit allem volldudeln
zu lassen, sondern zu erspüren, was in uns eigentlich los ist. In der
Stille - vor Gott – ohne Ablenkung – da spüre ich, was in
mir los ist.
Es beginnen die Herbstferien. Vielleicht finden wir ja einmal Zeit, in uns
zu schauen. Zum Beispiel in Stille vor dem Tabernakel.
Der nächste Sonntag zumindest, der Erntedanksonntag, macht deutlich wie bedürftig wir sind: ohne Gott hätten wir nichts.
Eine Umkehr im Sinne Jesu wäre allein schon, dafür wirklich dankbar zu werden. Und es in einer Kultur des Tischgebetes zu verwirklichen.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Liebe Schwestern und Brüder!
Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!
Diese Worte aus der Lesung an die Philipper sind sozusagen wie gemacht für das Erntedankfest.
Bitte und Dank. Darum geht es Paulus.
...bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!
Beides, Bitten und Dank, sind Ausdruck menschlicher Tugend.
Ich meine nicht das „Sag mal, bitte!“, „Man sagt Danke!“,
das uns unsere Eltern als Kinder beigebracht, vielleicht manchmal sogar eingebläut
haben. Da geht es nämlich um Höflichkeit und guten Ton. Das ist
wichtig.
Tiefer aber gehen die Bitte und der Dank bei Paulus.
...bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!
Es geht ihm um das Bitten und Danken der Menschen Gott gegenüber. Denn
wer dies ehrlich tut, tut Großes, nämlich wahrhaft Menschliches.
Wer Gott bittet, der weiß sich als Mensch, der überhebt sich nicht zum Übermenschen oder gar zu einem Gott. Wer Gott bittet, der ist weise, weil er die Wahrheit anerkennt und einübt: Gott ist Gott, ich bin ein Mensch. Von Gott stamme ich. Er ist das Ziel meines Lebens. Er ist der Geber aller Gaben. Ohne ihn, ist nichts.
Wer Gott dankt, der sieht sein Leben, alles, was er zum Leben braucht –
Nahrung, Kleidung, gelungene menschliche Beziehungen – nicht als etwas
Selbstverständliches an.
All das wird ihm zum Geschenk. Wird ihm zur Gnade, um einmal das alte Wort
für die Geschenke Gottes an uns zu nutzen. Wer dankt, ist offen für
die anderen, den anderen.
Der Mensch, der Gott bittet und dankt, steht im rechten Verhältnis zu
sich selbst und zu Gott. Er lebt in gesunder Form die Tugend der Demut. Wieder
so ein altes aber tiefes Wort, wie das von der Gnade.
Demut heißt: anerkennen, dass ich das bin, was ich bin – ein Mensch
– ohne darüber zu klagen, dass ich nicht mehr, größer
bin – ein Gott.
Demut ist gelebter Realismus.
Das Gegenteil von Demut ist der Hochmut. „Hochmut kommt vor dem Fall.“ Sagt der Volksmund zu Recht. Der Hochmütige denkt sich eben höher, größer, als er in Wahrheit ist. Die Realität wird ihn dann irgendwann von seinem Sockel stoßen und er fällt.
Der Hochmütige meint, er kann alles, darf alles, ja ihm gehöre alles. Er kennt keine Selbstbescheidung. Bitten und Danken muß er nichts und niemanden, da er sich alles erlauben kann und alles vermag. Aus eigener Kraft. Der Hochmütige wird so leicht zum Hochnäsigen und auch Raffgierigen: Er kann alles, ihm gehört ja alles.
Hochmut kommt vor dem Fall.
Dieses Sprichwort kam mir in den letzten Tagen immer wieder in den Sinn, wenn
ich die Schlagzeilen über den Bankencrash las öder hörte. Die
Banken, die da gefallen sind, waren sie nicht von Chefs und Mitarbeitern geblendet,
die in ihrem Hochmut raffgierig und ohne Maß agierten? Sie sind von
ihrem Hohen Roß gestürzt und leider reißen sie viele –
auch kleine und unschuldige Leute – mit in die Tiefe. Und dann besitzen
sie die Frechheit auch noch staatliche Hilfspläne einzufordern. Darum
gebeten haben die nicht. Danken dafür werden die erst recht nicht.
Ich will nicht böse sein: aber manchmal wünschte ich einem solchen Bankenboss, der mit unsichtbaren Milliarden anderer sein riskantes Geschäft gemacht hat, dass er jetzt ganz konkret am eigenen Leib spürt, wie das ist, wenn man kaum das Nötige zum Leben hat. Vielleicht würde der eine oder andere sich bekehren. Realistisch werden. Demütig eben.
...bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!
Das ist unsere Haltung am heutigen Tag. Wir sind realistisch und demütig
genug, Gott für die Gabe dieser Ernte zu danken und für eine gute
künftige zu bitten
Wir machen uns nichts vor. Wir wissen, daß wir in den barmherzigen Händen
Gottes sind. Wir selber allein könnten uns nicht tragen.
Wir fühlen uns deshalb nicht geknechtet oder gedemütigt. Vielmehr wissen wir uns geborgen und handeln, ohne uns zu überheben. Das gibt uns die nötige Gelassenheit für das Leben.
Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Das liebe Geld, schon wieder das liebe Geld.
Schwestern und Brüder,
die Nachrichten sind voll von dem Wort Finanzkrise. Wir fragen und sorgen
uns, wo denn das ganze Geld geblieben ist. Und wird es schwindelig, wenn wir
hören, wie da mit Milliarden herumgeworfen wird. Irgendwie ist das ganze
beklemmend.
Und hier in der Kirche, wovon ist im Evangelium die Rede? Wieder vom Geld. Da will man sich erbauen, etwas abschalten in der Nähe Gottes, Kraft finden – und schon wieder hat uns der Alltag wieder.
So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!
Es ist einer der so bekannten Sätze aus der Hl. Schrift, der uns heute
trifft.
Jesus sagt ihm denen, die ihm eine Falle stellen wollen.
Dem verhassten römischen Kaiser Steuern zu bezahlen, war etwas unendlich
Schreckliches für die gläubigen Juden damals.
Sie warteten auf die Ankunft des Messias, der ganz konkret und direkt in Israel
herrschen sollte und so Israel zum größten, mächtigsten Land
werden lassen würde. Da tat es besonders weh, sich einzugestehen, das
man eine nicht sonderlich bedeutende Provinz eines Reiches war, dass man unterworfen
und besetzt war, dass man eben steuerpflichtig war, statt Steuern erheben
zu können.
Jede Steuerzahlung war also nicht nur eine finanzielle Einbuße –
Experten gehen von einem Steuersatz von 40% aus, den die Juden zu zahlen hatten
– nein, jede Steuerzahlung war eine Demütigung:
man mußte bezahlen, weil man eben zu den Unterworfenen zählte,
nicht zu den Herrschenden,
man durfte nur mit dem römischen Denar bezahlen, die eigene Währung
galt nichts,
man mußte somit letztlich Unreines berühren, im Tempel gab es eine
eigene Währung, daher auch die Geldwechsler, vermutet man.
Die Münze selbst aber mußte jeden Juden die Zornesröte ins
Gesicht treiben. Auf ihr stand um das Abbild des Kaisers herum geschrieben:
Kaiser Tiberius, des göttlichen Augustus anbetungswürdiger Sohn.
Für einen Juden ein Greuel. Erstens gibt es nur einen Gott, den Gott
Israels. Ein Kaiser ist niemals Gott.
Und außerdem macht man sich kein Bildnis von Gott, auch nicht auf einer
Münze.
Angesichts dieser Situation spürt man die Gerissenheit der Frage an
Jesus, ob es erlaubt sei, dem Kaiser Steuern zu zahlen.
Würde er antworten, dass man dem Kaiser die Steuern bezahlen sollte,wäre
er bei den gläubigen Juden unten durch. Niemand würde mehr auf einen
solchen Rabbi hören, der mit dem JA auch die Fremdherrschaft der Römer
akzeptiert. Er könnte also einpacken, wenn er JA sagte. -
Wenn Jesus allerdings NEIN sagte und sich gegen die Steuerzahlung aussprechen
würde, dann würde er sofort von den Anhängern des Herodes bei
den Römern angeschwärzt. Die sofortige Verhaftung wegen des Verdachtes,
ein Aufrührer zu sein, wäre ihm sicher.
So in die Enge getrieben hofften die Pharisäer Jesus, diesen unbequemen
Jesus, loszuwerden.
Aber nichts da. Jesus geht als Sieger aus dieser brenzligen Situation hervor.
Nicht nur, dass er sich die Münze zeigen läßt – damit
veranlasst er die Pharisäer sich ja unrein zu machen: sie müssen
die Münze anfassen und zugeben, dass sie die Steuer zahlen
– nein, sein Satz: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und
Gott, was Gott gehört! hilft ihm nicht nur aus der Klemme, sondern spricht
eine Wahrheit aus, die bis heute gilt.
„Bezahlt eure Steuern, dem der sie erhebt. Er hat das Sagen und ein Anrecht darauf. Die Herrscher dieser Welt kommen und gehen. Gott aber gehört nicht euer Geld, sondern euer Herz. Denn er bleibt.“
Liebe Schwestern und Brüder,
ich kenne keinen, der gerne Steuern bezahlt. Weder damals wie heute. Steuern
wurden gezahlt, um Anliegen der Allgemeinheit, die ein Einzelner nicht übernehmen
kann, zu finanzieren: Die Sicherung der Grenzen durch die Armee, den Bau von
Wasserleitungen, Handelswegen und dem Gerichtswesen.
Das gleiche gilt natürlich auch für unsere heutige Gesellschaft: Steuern, die wir zahlen, sind nicht (in erster Linie) das Privateinkommen der Bundeskanzlerin, sondern dienen auch uns selbst. Steuerbetrug ist immer ein Betrug am Mitbürger und letztlich eine Schädigung der eigenen Bürgerrechte. Zu diesen Bürgerrechten gehört aber auch, daß wir durch Wahlen und Eingaben die Rechtmäßigkeit und Angemessenheit von Steuern mitbestimmen wollen. Manche Abgabe ist für manchen zu hoch, manche Verwendung nicht zu akzeptieren, z. B. wenn Steuergelder für Abtreibungen verwendet werden sollten.
Dem Kaiser sollten wir darüber hinaus nicht nur Geld geben, sondern unsere Bereitschaft, an den gesellschaftlichen Aufgaben mitzuarbeiten. Die positive Gestaltung der Gesellschaft ist Bürgerpflicht. Und wir Christen tragen viel dazu bei und haben auch viel dazu beizutragen, damit nicht menschenverachtende Ideologen dies tun.
Was aber ist das, was Gott gehört? - Das, was wir Gott geben sollten,
ist genausowenig wie die staatliche Steuer ein Privatvergnügen des Allmächtigen.
Mehr sogar noch: Im Gegensatz zu unseren hochrangigen Politikern braucht Gott
nichts von uns - gar nichts. Er ist nicht darauf angewiesen, dass wir ihm
sein Dienstwagen finanzieren - er ist doch schon überall.
Es ist noch mehr wie beim Staat: Was wir Gott geben sollen, dient letztlich
uns selbst. Wenn mit unserem Geld "Gotteshäuser" finanziert
werden, dann sind es letztlich Häuser für die Menschen - in denen
sie Gott begegnen können. Gott braucht kein Dach über den Kopf -
aber wir brauchen einen Ort, an dem wir mit Gott unter einem Dach sein dürfen.
Was wir Gott noch geben können - die Einhaltung der Gebote, die Nächstenliebe,
die Feier der Sakramente - dient auch letztlich uns selbst.
So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!
Und noch etwas lässt uns diese Antwort Jesu tiefer erkennen. Kaiser und
Gott sind verschieden und nicht zu verwechseln.
Da wo aber das Geld zum Gott wird, also zum Götzen, da geht diese Trennung
auseinander und führt zum Chaos. Letztlich liegt in der Vergötzung,
der Anbetung des Profites, der Gewinnmargen, der Spekulation mit anderer Leute
Geld der eigentliche Grund der Finanzkrise. Da wo Raffgier herrscht statt
echter Frömmigkeit, geht alles den Bach runter. Dem einen oder anderen
Banker wünsche ich, daß er die Folgen seiner Götzenverehrung
am eigenen Leib bzw. auf seinem Konto spürt. So, daß er daraus
lernt.
So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!
Wir sind jetzt hier, um Gott zu geben, was ihm gehört: unser Lob und
Dank. Beschenkt werden wir dadurch. Was für ein Geschäft.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Liebe Schwestern und Brüder!
„Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.“ so lautet der Kehrvers des Liedes aus dem Gotteslob Nr. 106.
„Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.“
Das ist das, wonach wir Menschen uns sehnen. Egal ob wir alt oder jung, gesund
oder krank, Mann oder Frau, weiß oder schwarz sind.
Wir sehnen uns nach dem Heil, weil um uns so vieles unheil ist.
Da tobt der Krieg an vielen Ecken der Welt.
Da erkrankt ein lieber Mensch aus der Verwandtschaft oder Bekanntschaft.
Da gehen Ehen und Familien zu Bruch.
Da fühlt sich der eine oder andere innerlich leer, ausgebrannt.
Da weiß jemand nicht, warum er überhaupt noch leben soll, da ihm
alles sinnlos erscheint.
Wir sehnen uns nach dem Heil. Genauer, wir sehnen uns nach einem, der alles heil machen kann. Nach dem, den wir mit dem etwas aus der Mode gekommenen Wort Heiland nennen.
Die Sehnsucht, das Heil, den Heiland zu sehen, verschlug Johannes den Täufer
in die Wüste. Dort wollte er sich ganz auf die Ankunft des Messias bereiten.
Und er wollte die Menschen wachrütteln durch seine Predigt, dass auch
sie dem Herrn den Weg bereiten.
Im Evangelium hören wir, wie der Täufer im Gefängnis Jesus fragen lässt: Bist Du der, der kommen soll? Bist Du wirklich der Heiland?
Jesus lässt ihm ausrichten:
Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören...
Ja, ich bin der Heiland. In meiner Gegenwart werden die Menschen gesund, heil,
an Leib und Seele.
Ist dieser Jesus wirklich der Heiland, der, der kommen soll?
Diese Frage stellen uns Christen jene Menschen, die nicht an ihn glauben.
Auch viele Christen, angefochten von einer unheilen Welt, fragen sich das.
Unser Lied antwortet auf diese Fragen ähnlich, wie es Jesus tat.
In der 3. und 4. Strophe heißt es:
Aus Gestein und Wüstensand werden frische Wasser fließen; Quellen
tränken dürres Land, überreich die Saaten sprießen.
Blinde schaun zum Licht empor, Stumme werden Hymnen singen, Tauben öffnet
sich das Ohr, wie ein Hirsch die Lahmen springen.
Aber stimmt das denn? Wo sehen wir denn Quellen aus dem Wüstensand entspringen? Wo singen denn die Stummen, wo springen denn die Lahmen?
Es gibt solche außerordentlichen Wunder. In Lourdes z. B. Oder bei den Heiligsprechungsprozessen werden solche unerklärlichen Ereignisse festgestellt. Da ist Gott am Werk. Da bricht das ewige Heil mit Macht in die unheile Gegenwart auf der Erde.
Aber es gibt auch weniger aufsehenerregende Wunder, die deutlich machen, dass Christus wirklich der Heiland aller Welt ist.
Ich durfte während meines Studiums in Freiburg erleben, wie aus einem
verhärteten Herzen und einer verwüsteten Seele Ströme lebendiger
Liebe flossen.
Da war ein Mann, der zwei Menschen auf dem Gewissen hatte. Mit einem Bombenanschlag
riss er zwei Ausländer aus dem Leben. Verurteilt. Lebenslänglich.
Im Gefängnis kam er mit dem katholischen Seelsorger, bei dem ich wohnte,
zusammen. Angesichts der Botschaft Jesu erkannte er seine tiefe Schuld. Er
bekehrte sich.
Nicht nur, dass er seine Schuld und seinen Glauben in Kunstwerken verarbeitete,
nein, er wurde zu der Vertrauensperson für alle im Gefängnis: wenn
es zu Streit kam, vermittelte er zwischen den Insassen, den Wärtern,
dem Anstaltsleiter.
Der Beamte, der ihn bei Freigängen begleiten musste, wurde sein Freund.
Ich habe nie wieder jemanden gesehen, der so wie er um die eigene Schuld wusste. Ich habe aber auch nie wieder jemanden gesehen, dessen Augen soviel Dankbarkeit ausstrahlten, weil er sich trotz der Schuld von Gott geliebt wusste. Aus dem Mörder ist ein Mensch geworden, der wirklich lieben kann.
Ich weiß von einer Frau, die im sowjetischen Kommunismus groß geworden ist. Ihre kommunistische Überzeugung schwankte mit der Zeit. Die Welt war ihr irgendwie unheimlich geworden. Sie suchte nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält, nach einer Heimat. Viele Jahre trug sie diese Fragen in sich. Blind war sie, ihre Lebenskraft wie gelähmt.
Eines Tages, als sie zufällig eine Kirche betrat, spendete der Priester den Segen. Sie sah die knienden Gläubigen. Und wie von selbst kniete auch sie nieder. Auf einmal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Dieser Gott war es, den sie suchte. Mittlerweile ist sie eine bekannte Autorin christlicher Bücher.
„Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.“
Das ist die Verheißung, die wir uns gegenseitig mit dem Lied 106 zurufen.
Uns und auch den Suchenden.
Vielleicht überlegen Sie in den nächsten Tage auch einmal, wo sie
so etwas erlebt haben. Bei anderen. Bei Ihnen selbst.
Das kann eine Kraftquelle sein für ein Leben in einer unheilen Welt: zu wissen, dass es diesen Heiland wirklich gibt. Und dass er wirkt.
Um darüber nachzudenken, um die Gegenwart des Heilandes in der Welt zu entdecken braucht man Ruhe, eine Wüste. Wie Johannes. Versuchen Sie sich doch diesen Raum in der kommenden Woche zu erkämpfen. Trotz, gerade wegen der Hektik dieser Tage...
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Liebe Schwestern und Brüder!
Geht es Ihnen manchmal auch so? Denken Sie auch schon mal bei sich:„Also,
lieber Gott, wenn Du jetzt ein richtiges Wunder machen würdest, dann
könnte ich richtig glauben. Irgendeine mächtige Tat von Dir, die
alle sehen, und alle könnten gar nicht anders als an Dich glauben.“
Ja, das wär’s doch: So ein richtiges Wunder, vor aller Augen.
Nun, dieses Experiment hat Gott schon mehrmals durchgeführt. Er hat
schon vor aller Augen Wunder gewirkt. Er hat immer wieder in das Leben der
Menschen, in das Weltgeschehen eingegriffen. Nur blieb der Erfolg leider aus.
Schauen wir nur auf das Evangelium von heute.
Da heilt Jesus einen Blindgeborenen. Einer, der nie sehen konnte, kann durch das Wirken Jesu auf einmal sehen. Ein Wunder. Ein wirkliches Wunder. Da müssten doch die Umstehenden zum Glauben kommen. Von Wegen.
Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet, blindgeboren zu sein, überhaupt blind war.
Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet sehend geworden zu sein, auch der ist, der am Straßenrand saß und bettelte, oder ob es sich lediglich um einen Doppelgänger handele.
Da wird gezweifelt ob derjenige, der behauptet, blindgeboren und geheilt worden zu sein, ein zuverlässiger Zeuge in eigener Sache sein kann, schließlich war die Blindheit in den Augen der Menschen damals eine göttliche Strafe für Sünder. Und kann man Sündern vertrauen? Erst recht Asozialen und Bettlern?
Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet blindgeboren und geheilt worden zu sein, überhaupt sagen kann, was und wie es geschehen ist. Er war doch blind. Er hat den Heilenden ja nicht einmal gesehen.
Da wird gezweifelt, dass eine Heilung an diesem Tage habe stattfinden können, wo doch am Sabbat verboten ist, sich die Hände durch einen Teig schmutzig zu machen.
Das Experiment mit dem Wunder ist gescheitert. Jedenfalls bei einem Großteil der Menschen. Gut, der Blindgeborene selbst und vielleicht einige wenige andere, aber sonst...?
Woran ist dieses Experiment gescheitert? Am Wunder selbst kann es nicht gelegen haben. Das war eindeutig, zwingend.
Nun das Experiment mit dem Wunder ist an denen gescheitert, die aufgrund des Wunders hätten zum Glauben finden können.
Sie waren nicht bereit, ein Wunder anzunehmen.
Sie konnten sich nicht vorstellen, dass Gott seine Macht ausgerechnet so demonstrieren
wollte. An einem Sabbat, an einem Bettler, so ganz ohne Glanz und Gloria...
Wunder? Ja! Aber bitte nach unseren Kriterien und Vorstellungen.
Vielleicht hatten die Menschen damals auch verlernt, mit Wundern zu rechnen? Vielleicht war ihnen der Gedanke, dass Gott in unser Leben, in das Weltgeschehen eingreifen könnte, gänzlich verlorengegangen? Und weil sie mit dem Eingreifen Gottes nicht mehr rechneten, merkten sie es auch nicht mehr.
Wir merken, liebe Schwestern und Brüder, mit dem Wunder allein ist es nicht getan. Wir müssen schon bereit sein, Wunder sehen und anerkennen zu wollen.
Gott will niemanden zum Glauben zwingen. Das kann er auch nicht. Denn Glauben
verlangt Freiheit.
Gott greift aber in unser Leben ein durch Wunder und wunderbare Fügungen.
Das muss keine Heilung von Blindheit sein. Es genügt manchmal schon,
dass mir gerade derjenige über den Weg läuft, der mir in dieser
Situation helfen kann. Es liegt an uns, ob wir offen dafür sind. Es liegt
an uns, ob wir sie wahrhaben wollen.
Wunder gibt es immer wieder, heißt es in einem Schlager.
Wunder gibt es immer wieder, so sagt auch die Kirche. Sie erkennt immer wieder
nach langen Untersuchungen merkwürdige, aufsehenerregende Geschehnisse
als Wunder an: z. B. Heilung von Kranken, Erscheinungen der Gottesmutter oder
anderer Heiliger.
Die Kirche rechnet mit Wundern, rechnet mit dem Eingreifen Gottes und seiner
Heiligen in unsere Welt und Zeit.
Indem sie Wunder untersucht und anerkennt, will sie die Gläubigen daran
erinnern, dass Gott zu uns spricht, ihm unser Leben nicht egal ist.
Indem die Kirche diese Wunder aber auf das sorgfältigste untersucht und
nur einen Bruchteil der vermeintlichen Wunder und Erscheinungen offiziell
anerkennt, will sie uns Gläubigen aber auch vor einer Wundesucht warnen.
Es gibt Menschen, die von einer vermeintlichen Marienerscheinung zur nächsten
jagen. Immer auf der rastlosen Suche nach dem religiösen Thrill, nach
dem spirituellen Happening.
Es gibt auch Menschen, die Wunder, Wallfahrtsorte und alles, was damit zu
tun hat, als groben Unfug und reine Geschäftemacherei ablehnen.
Die einen verlieren sich dann in einer wunderbaren Scheinwelt, verlieren den Bezug zur Realität, werden weltfremd. Vor lauter vermeintlichen Wundern, sehen sie die eigentlichen Wunder nicht.
Die anderen wiederum versperren sich einen Zugang zu Gott, indem sie Gott sozusagen das Recht absprechen, in unserer Welt, in das eigene Leben einzugreifen durch Zeichen und Wunder.
Überspitzt gesagt: Die einen hätten die Heilung des Blindgeborenen gar nicht wahrnehmen können, weil sie gerade auf dem Weg zu einer großartigen Gotteserscheinung mit ca. zweieinhalbtausend Menschen waren. Drei Sterne sollen auch vom Himmel fallen. Was ist dagegen schon so eine einfache Heilung. Dafür hat man doch keine Zeit.
Die anderen hätten der Heilung des Blinden jegliche Realität abgesprochen. Schließlich hätte Gott sie ja vorher fragen können, bevor er so etwas tun will. Wo kommen wir denn da hin.
Das Experiment mit dem Wunder.
Es scheitert nicht an Wundern. Es kann scheitern an unserer Bereitschaft,
das Eingreifen Gottes wahrzunehmen und wahrhaben zu wollen.
Das Experiment mit dem Wunder.
Es geht weiter. Rechne ich mit Gott? Jetzt...
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Sonntag nach Pfingsten hat den Namen „Dreifaltigkeitssonntag“.
Eine jüngst geführte Umfrage hat an den Tag gelegt, dass nicht einmal
die Hälfte der Deutschen Wissen, was wir an Pfingsten feiern. Gut, dass
bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, eine Umfrage zur Dreifaltigkeit
und deren Bedeutung zu machen. Vermutlich wären zwei Drittel der Deutschen
– der Christen einschließlich – überfordert.
Gewiß, die Lehre von der Dreifaltigkeit oder die Trinitätslehre,
ist eines der kompliziertesten Materien im Theologiestudium. Da geht es um
das filioque oder die hypostatische Union oder sonst welche abstrakten Begriffe.
Die Dreifaltigkeit scheint ein Gebiet für Spezialisten zu sein. Was hat
der normale Christ, der kein Theologieprofessor ist damit zu schaffen?
Nun eine ganze Menge. Ständig haben wir die Dreifaltigkeit im Mund, z.
B., wenn wir das Kreuzzeichen machen, das Glaubensbekenntnis sprechen oder
Kirchenlieder singen. Da ist ständig die Rede von Vater, Sohn und Heiligem
Geist. Wir sind sogar auf den Namen des dreifaltigen Gottes getauft worden.
Das unterscheidend Christliche unserer Religion ist unser Glaube an die Dreifaltigkeit.
Und dennoch: das eigentlich Entscheidende, das Normale – die Dreifaltigkeit
– ist uns Christen irgendwie flöten gegangen. Wir haben uns mit
allem möglichen beschäftigt, kaum aber damit, was wesentlich ist
und trägt.
Das ist unserer Gesellschaft auch passiert. Z. B. bei der Familie. Sie ist
der Ort, aus dem heraus die Gesellschaft wächst und Bestand haben kann.
Die Familie war aber in der Politik ein Stiefkind. Viel wichtiger schien es
für sogenannte gleichgeschlechtliche Paare, die die Würde der Ehe
und der Familie untergraben, rechtliche Verbesserungen zu erzielen. Glücklicherweise
steht mittlerweile das Wohl der Familie wieder auf der politischen Tagesordnung,
weil man gemerkt hat – zu spät gemerkt hat – dass ohne sie
unsere Gesellschaft ausstirbt und unerträglich wird. Leider wird das
Thema aber auch immer mehr zum Feld persönlicher Profiliersucht.
Liebe Schwestern und Brüder,
bleiben wir bei der Familie. Sie bietet uns einen guten Ansatz, das Entscheidende
des heutigen Festes zu verstehen. Ich wage den kühnen Satz, dass die
Dreifaltigkeit unsere Familie ist, in der wir leben und aufwachsen, in der
wir in der Wahrheit erzogen werden und Kraft für unser Leben gewinnen.
Der eine und dreifaltige Gott, an den wir glauben, ist Beziehung. Der Vater
liebt den Sohn, der Sohn den Vater und die Liebe der beiden ist der Hl. Geist.
Die drei sind eins, vollkommene Liebe. Und Liebe will sich mitteilen, will
wachsen. Deshalb hat Gott die Welt erschaffen und uns. Und er will, dass wir
mit und in ihm Leben. Deshalb hat er seinen Sohn gesandt.
Gott ist in Jesus als Mensch zu uns gekommen. So sind wir seine Brüder
und Schwestern geworden. Und auch untereinander sind wir Brüder und Schwestern,
weil wir den einen Vater, den einen Bruder haben.
Aber mehr noch: wir sind nicht nur Brüder und Schwestern. Wir sind sogar
Söhne und Töchter Gottes! Jesus hat uns seinen Geist gegeben. In
der Taufe und in der Firmung, vor allem aber auch in der Eucharistie werden
wir mit Christus eins.
Durch die Sakramente der Kirche, in denen der Hl. Geist wirkt und lebt, werden
wir sozusagen von der Dreifaltigkeit adoptiert, Teil der himmlischen Familie.
Und dieses große Geschenk wollen wir ja am Gemeindetag in den Blick
nehmen.
Als Adoptivkind erhält man dann den Namen der Familie und hat das Recht
auf das Erbe. Auch wir tragen einen Familien Namen „Christen“-
„Kirche“ und uns ist das Erbe verheißen, dass Christus erworben
hat, das ewige Leben.
Kinder die adoptiert werden, kommen oft aus schwierigen und dunklen Verhältnissen,
aus zerrütteten und verwahrlosten Familien hierzulande oder als Waisen
oder Opfer von Armut in anderen Ländern. Die Adoption ist für diese
Kinder oft die einzige Rettung. Und immer wieder höre ich von der tiefen
Dankbarkeit solche Kinder ihren Adoptiveltern gegenüber. Sie sind dankbar,
weil sie sich gerettet, geachtet, geliebt fühlen. Sie wissen auch um
die Opfer und Schwierigkeiten, die eine Adoption für die Eltern mit sich
bringen kann. Sie wissen oft auch, dass sie sich nicht immer so dankbar gezeigt
haben, wie sie es eigentlich sollten.
Sicherlich, es gibt auch auf Erden auch Adoptiveltern, die ihre Zöglinge
schlecht behandeln. Doch in unserer himmlischen Adoptivfamilie kommen die
Probleme allein von uns, den Adoptivkindern. Oft zeigen wir uns undankbar
dem dreifaltigen Gott gegenüber, manchmal wollen wir unsere Sippschaft
verleugnen, die Kirche, oder benehmen uns unseren Schwestern und Brüdern
gegenüber schlichtweg ungezogen. Dabei wissen wir zuinnerst, dass wir
der Zugehörigkeit zur Dreifaltigkeit eigentlich alles verdanken: dass
bei uns nicht Sünde und Tod, sondern Vergebung und Leben das letzte Wort
haben. Sie sind sozusagen unser familiärer „Stallgeruch“.
Schwestern und Brüder, wir werden von unserer Adoptiv-Familie nie verstoßen.
Unser himmlischer Vater hat unendliche Geduld mit uns. Er ist Barmherzigkeit
und mütterliche Liebe. Das wird gerade auch im Sakrament der Beichte
immer neu erfahrbar.
Sie erneuert die Familienbande mit der Dreifaltigkeit. Dann wird auch die
Eucharistie wieder zu einem frohen Mahl für alle. Auch am Tisch zuhause
in unseren Häusern können wir oft erst zusammenkommen, wenn wir
uns versöhnt haben, mit den Geschwistern und vor den Eltern.
Schwestern und Brüder, ich weiß, diese Gedanken sind angesichts
der Größe des Geheimnisses der Dreifaltigkeit ein Nichts. Mir helfen
sie aber immer wieder, etwas von dem Geheimnis für mein Leben fruchtbar
zu machen. Ich hoffe Ihnen auch einige Anregungen zur Betrachtung zu geben.
Ich jedenfalls bin froh, ein solches Adoptivkind zu sein.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Weisen aus dem Morgenland gehen in die Knie vor dem Jesus Kind.
Und sie geben ihm Geschenke.
Beide Handlungen der Weisen sind Zeichen, weisen über sich hinaus.
Wer vor jemanden in die Knie geht, erkennt an: Du bist größer,
mächtiger als ich. Die weisen gehen vor dem Kind Jesus anbetend in die
Knie, weil sie in ihm den Größten und Mächtigsten sehen und
bekennen wollen: Gott.
Gold, Weihrauch und Myrrhe sind bezeichnende Geschenke. Gold steht für die Macht und den Glanz des Königs. Weihrauch wird zur Ehre Gottes verbrannt und geopfert. Myrrhe wurde als Balsam für den verstorbenen, menschlichen Leib verwendet. Die Geschenke der Weisen - Gold, Weihrauch und Myrrhe- bezeichnen so Jesus als den König der Welt, wahrer Gott und wahrer Mensch.
Liebe Schwestern und Brüder,
wir brauchen Zeichen, damit wir eine tiefe Wahrheit entdecken und ausdrücken.
Denn wir sind Menschen mit Sinnen. Ganzheitlich wollen wir spüren, schmecken,
riechen, sehen, hören. Das gesprochene Wort allein reicht uns nicht.
Es reicht uns vor allem nicht, wenn wir lieben.
Liebende sagen meist„Ich liebe Dich.“ mehr durch ihre Taten und
Gesten als durch ihre Worte.
Und die Liturgie der Kirche sagt in all ihrer Feierlichkeit und überlieferten
Form, dass wir Gott lieben und uns von ihm geliebt wissen.
Wie die Weisen handeln auch wir. Wir sind zusammengekommen, um das Hl. Messopfer zu feiern. Die Gesten und Gebärden, die goldenen Gefäße und die prächtigen Gewänder, der feierlich geschmückte Kirchenraum sind auch bezeichnend: Sie zeigen, dass wir nicht uns und unsere Gemeinschaft hier im Raum feiern, sondern unseren Gott. Die Liturgie der Kirche ist der sinnenhafte Ausdruck unseres Glaubens, dass Gott in Jesus Christus unter uns wohnte und in den Gestalten von Brot und Wein eben dieser Jesus mit Leib und Blut unter uns ist und sich uns schenkt.
Wer sich in einen Menschen verliebt, dem fehlen oft die Worte, auszudrücken, was er empfindet. Deshalb greift er zu Geschenken, Küssen, Umarmungen und auch zu Liedern. Die Liebe ist DAS Thema der Musik, ob alt oder neu.
Gerade deshalb hat die Musik und das Lied seinen festen Platz in der Liturgie.
Ein großer Kenner und Liebhaber der Musik ist Papst Benedikt. Von ihm
stammen folgende Worte:
...von Anfang an hat zur Heiligen Messe die Musik, das Singen, gehört.
Wenn der Mensch vor Gott steht, reicht ihm das bloße Reden nicht aus.
So wie ganz allgemein Liebe und Leid die Grenzen der bloßen Worte sprengen
und einen Ausdruck suchen, der auch das Unsagbare einbegreift, so ist es auch
in der Begegnung mit Gott, in der der Mensch sich selbst überschreiten
will.
Während das Beten Israels auch die Instrumente, die Stimmen der Schöpfung,
zu Hilfe gerufen hatte, um Gott angemessen zu antworten, hat die Kirche zunächst
aus vielerlei Gründen nur die menschliche Stimme für würdig
gehalten, ihre Freude an Gott und ihr Ringen mit Gott auszudrücken.
So ist der gregorianische Choral entstanden, dessen innere Reinheit und Leuchtkraft
uns auch heute ganz unmittelbar die Gegenwart Gottes spüren lässt.
Im Mittelalter, in der Welt der Kathedralen, fing man an, nach noch mehr und
nach Größerem zu suchen: Es entstand die Polyphonie.
Zur Orgel als einer Synthese der Stimmen der Schöpfung traten nun auch
die verschiedenen Instrumente. Alles sollte aufgeboten werden, um Gott zu
lobpreisen. Von da an sahen es die großen Meister der Komposition als
eine ihrer höchsten Möglichkeiten an, dem Gotteslob in der Liturgie
der Heiligen Messe musikalische Gestalt zu geben, Messen zu komponieren, gleichsam
ihre Meisterschaft Gott selbst zu Füßen zu legen und dabei zugleich
der Gemeinschaft der betenden Menschen zu dienen.
Liebe Schwestern und Brüder,
gerade an den vergangenen Feiertagen haben wir immer wieder gespürt,
wie gut es tut, dass wir Gott mit Liedern preisen können.
In dieser Woche hören wir auch die Orgeln unserer Pfarrei beim Festival
OrgelPlus erklingen.
Unsere Pfarrgemeinde ist reich, wenn wir auf die Kirchenmusik schauen:
10 Chöre und eine Instrumentalgruppe singen und spielen regelmäßig
in unseren Kirchen. Immer wieder kommen andere als Gäste hinzu.
Es ist eine bunte Vielfalt.
Die kirchenmusikalische Vielfalt bei uns ist – so hoffe ich doch –
Ausdruck dafür, dass wir als Pfarrgemeinde sozusagen sprachlos werden
angesichts der Größe und Güte Gottes und nicht anders können
als ihn vielstimmig zu preisen.
Sie ist Ausdruck dafür, dass wir Gott lieben und uns von ihm geliebt
wissen.
Sie ist eine große Hilfe, wie der Papst es ausdrückt: der Gemeinschaft
der betenden Menschen zu dienen., weil sie nicht zur eigenen Ehre erklingt,
sondern zur Ehre Gottes.
Liebe Schwestern und Brüder,
...da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze
hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. steht es
von den Weisen in der Schrift.
Wir bringen unserem Gott unseren Gesang und unsere Musik als Gabe. Als Liebeslieder.
Wir danken allen in unserer Pfarrei, die sich in der Kirchenmusik engagieren
und uns so helfen, unsere Sprachlosigkeit zu lösen und uns zu öffnen
für den Gott, der in Jesus Christus uns heute erschienen ist. Amen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Liebe Gemeinde!
Im Evangelium haben wir gerade gehört, was damals geschehen ist. Aus dem fernen Morgenland kamen weise Leute, Magier, Sterndeuter wir könnten auch sagen: Wissenschaftler und fragten nach dem neugeborenen König der Juden, dem sie huldigen wollten. Ein Stern hatte ihnen nämlich die Geburt dieses Königs angekündigt. Wie man heute mit guten Gründen vermutet, war es eine seltene Sternkonstellation, nämlich ein Zusammentreffen der Planeten Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische, was nur etwa alle 800 Jahre eintritt. Für die babylonische Sternkunde ist Jupiter der Stern des Weltenherrschers, Saturn der Stern Palästinas; das Sternbild der Fische war für sie ein Zeichen für die Endzeit. Daraus konnte man sich nach der damaligen Wissenschaft nur folgenden Reim machen: Der endzeitliche Weltenherrscher wird in Palästina geboren. Um diesen Weltenherrscher zu sehen, traten also die Sternkundigen aus dem Osten die 1000 km lange Reise an. Das war ganz gewiss kein touristisches Unternehmen, sondern eine sehr beschwerliche Expedition. Nur Menschen, die von einer tiefen Sehnsucht geleitet sind, echte Gottsucher, die ihr unruhiges Herz spüren, werden sich auf einen derart langen und ungewissen Weg machen. Nur sehr wenige Menschen spüren, dass sie zeit ihres Lebens Pilger und Wanderer zwischen zwei Welten sind, dass sie auf der Erde nur eine befristete Heimat haben und darum Ausschau halten müssen nach einem, der ihnen ewige Heimat bieten kann. Diese Sehnsucht, verbunden mit ihrer Wissenschaft hatte sie nun überraschenderweise nicht zu einem Königssohn im Palast, sondern zu einem unscheinbaren Kind in einer Krippe geführt. Im Evangelium heißt es dazu: Als sie das Kind und seine Mutter erblickten, fielen sie nieder und beteten es an. Doch gerade diese überraschende Huldigung weist auf den eigentlichen Sinn des heutigen Festes hin, den Höhepunkt, auf den alles zustrebt: Jesus finden und ihn als Gott verehren. Darum auch die Geschenke, die die Sterndeuter mitgebracht haben: Gold aller Glanz dieser Welt soll Jesus gehören! Weihrauch aller Ruhm soll zu Gott emporsteigen! Myrrhe unser Leben soll im Tod in Jesus aufgehen. Durch die Gaben drücken die Sterndeuter aus, dass sie gefunden haben, was sie suchten, dass ihre Unruhe gestillt ist: sie können glauben und im Glauben Ruhe finden. Sie verschenken sich selbst an das Kind mit allem, was sie sind und haben. Sie haben Gottes Liebe in ihrem Herzen gespürt und nun schenken sie sich ganz und gar an Gott zurück. So soll es auch in unserem Leben sein daran erinnert uns dieses Fest. Was wir an Weihnachten gefeiert haben, soll nun nach außen sichtbar werden, soll in unserem Leben aufscheinen und wie ein Funke auf andere überspringen. Was ist denn ein Christ überhaupt? Einer, der in die Kirche geht? Einer, der etwas für gute Zwecke spendet? Gewiss, aber das ist noch zu oberflächlich gesehen. Ein Christ ist einer, der Gottes Liebe im Herzen trägt, der daraus froh wird, der sich deswegen wohltuend von den anderen Leuten unterscheidet, die mit einem missmutigen Gesicht durch die Welt laufen und an allem und jedem etwas auszusetzen haben. Ein Christ ist einer sauber geputztem Fensterscheibe vergleichbar, durch die die Sonne in diese Welt hineinscheint, die Sonne der Liebe Gottes. Ein Christ das ist einer, der weiß, dass er Kind Gottes ist, beschenkt mit einer unermesslich hohen Würde. Ein Christ kann deswegen gar nicht anders als Gottes Liebe in seinen menschlichen Worten und Gesten an andere weiterzugeben. Er strahlt die Liebe aus aus seinen Augen, aus seinem Lachen, aus seinen Umarmungen, ja, auch aus seinen Tränen des Mitleids etwa für einen, der leidet. Ein Christ ist wie ein lebendiges Evangelium, an dem die Menschen, ohne selbst in die Bibel schauen zu müssen, die Frohe Botschaft ablesen können. Das ist unsere wahre Berufung als Kinder Gottes! Denken Sie nicht, das ist zu schwer, das ist zu ideal gedacht, wer schafft das schon?! Mit menschlicher Kraft ist das natürlich nicht zu schaffen. Es ist eine Gnade. Aber Gnade heißt nicht, dass man sie nicht bekommen kann. Gnade ist ein Geschenk von Gott, das jeder bekommt, der darum bittet. Nur wir bitten wohl zu wenig darum. Wir sollten uns nicht mit Mittelmäßigkeit begnügen, die vergleichbar ist mit einem total verschmutzen Glas, durch das nur wenig Sonnenlicht dringt. Bitten wir heute Gott um die Gnade, aus unserem Glauben froh zu werden und die Freude der Weihnachtszeit widerzuspiegeln!
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Liebe Schwestern und Brüder,
dass wir heute die Weihe einer Kirche zu Rom feiern, dass dieses Fest sogar
die Texte des Sonntag verdrängt, zeigt die Wichtigkeit dieses Festes.
Da die Lateranbasilika der erste offizielle Amtssitz des Papstes war –
ungefähr tausend lang – stellt uns dieses Fest mitten hinein in
die Weltkirche. Wir sind durch unseren Glauben mit allen Schwestern und Brüdern
aller Zeiten und Orte verbunden.
Da die Lateranbasilika das gleiche Patronat besitzt wie unsere Pfarrkirche,
können wir auch an die Weihe dieser Kirche denken.
Wir begehen die Erinnerung an den Weihetag der Kirche mit einem Fest. Liturgisch wird das mit großer Feierlichkeit getan. Aber auch im weltlichen Bereich gibt es Feste: Die Kirchmeß-Feier, wie man den Weihetag im Deutschen auch nennt – ist der Ursprung einer jeden Kir-mes.
Der Weihetag der Kirchen soll also nicht vergessen werden. Denn ein solcher Weihetag erinnert uns an Wesentliches unseres Glaubens. Aber an was?
Ich möchte nun einen Prediger zu Wort kommen lassen, der in Rom am Weihetag der Lateranbasilika gesprochen hat. Sein Names ist Cäsarius von Arles. Die Predigt ist ca. 1500 Jahre alt. Aber von bleibendem Wert.
„Durch die Güte Gottes dürfen wir heute den Weihetag dieses Gotteshauses mit Freude und Jubel begehen. Der wirkliche und lebendige Tempel jedoch müssen wir selber sein.
Dennoch feiern die christlichen Völker mit Recht das Fest der Mutterkirche.
weil sie wissen, dass sie durch diese Kirche im Geist wiedergeboren wurden.
(...) Die erste Geburt gebar uns für den Tod, die zweite rief uns zum
Leben zurück.
Vor der Taufe, meine Lieben, waren wir alle Tempel des Teufels, nach der Taufe
wurden wir Tempel Christi.
Wenn wir aufmerksamer über das Heil unserer Seele nachdenken, erkennen
wir auch, dass der eigentliche und lebendige Tempel Gottes wir selber sind.
Gott wohnt nicht bloß in dem, was von Menschenhand gemacht ist, und
nicht in einem Haus aus Holz und Stein, sondern vor allem in der Seele, die
nach dem Bild Gottes geschaffen und von der Hand des Künstlers selbst
gebildet ist. Der heilige Apostel Paulus sagt: Gottes Tempel ist heilig, und
der seid ihr.
Christus kam und warf den Teufel aus unserem Herzen hinaus, um in uns für sich einen Tempel zu schaffen. Nach Kräften wollen wir darum mit seiner Hilfe daran arbeiten, dass ihm in uns nicht durch böse Taten Unrecht geschieht. (...)
Wenn wir daher, meine Lieben, mit Freuden den Gedächtnistag des Gotteshauses feiern wollen, dürfen wir den lebendigen Tempel Gottes nicht in uns durch böse Werke zerstören. Wie wir die Kirche vorfinden wollen, wenn wir zu ihr kommen, geradeso müssen wir unsere Seele bereiten.“
Liebe Schwestern und Brüder,
ein schönes Bild ist das. Wir wollen unsere Seele sauber halten, wie
wir unsere Kirche in Ehren halten, damit sie ein Ort sein kann, in dem man
Christus begegnen kann.
Als Menschen sind wir aber nicht nur reine Geistwesen, wir haben auch unseren Leib und unsere Sinne.
Und als solche werden wir im Alltag oft und oft über Gebühr in Anspruch genommen: im Beruf, durch die Medien, in der Gesellschaft. Alles muß sich rechnen, muß sich lohnen. Da geraten wir auch als Christen in Gefahr, unsere Seele mit allem möglichen „zu zumüllen“, so daß der Herr darin keinen Raum mehr findet. Unsere Seele bedarf so des Öfteren einer Tempelreinigung.
Und dazu helfen uns die Gotteshäuser, die ja dem alltägliche Gebrauch entzogen sind. Die Kirchen werden als sakrale, geweihte Räume um so lebensnotwendiger – sagt der große deutsche Philosoph Josef Pieper
„je mehr der Absolutheitsanspruch des bloß Nutzenden die gesamte Existenz mit Beschlag zu belegen droht. Desto mehr bedarf der Mensch, um eines wahrhaft menschlichen Lebens willen, dieser Chance, aus dem akustischen und optischen Getöse (kaufe dies, trinke das, iß jenes, wähle den, amüsiere dich hier, demonstriere für oder gegen), aus diesem pausenlosen Angeschrienwerden immer wieder hinaustreten zu können in einen Raum, in welchem Schweigen herrscht und also wirkliches Hören möglich wird und das Vernehmen der Realität, auf welcher unser Dasein ruht und aus der es sich immerfort nährt und erneuert.“
Liebe Schwestern und Brüder,
wir dürfen sehr froh sein, daß wir in unserem Dorf so schöne
Kirchen und Kapellen haben. Wir sind dankbar für unsere Pfarrkirche,
die auch vielen Nicht-Kirchhellenern ein Anziehungspunkt ist.
Es ist gut zu wissen, daß sich die Kirchhellener immer wieder einsetzen,
wenn es um den Erhalt und Unterhalt der Kirche geht.
Indem wir nämlich als Pfarrgemeinde unsere Kirchen offenhalten, halten
wir in gewissem Sinne den Himmel offen.
Der Kirchbau erinnert uns daran, daß Gott unter uns wohnt und in uns
wohnen will.
Der heutige Festtag macht deutlich, daß Gott in dieser Welt Raum hat,
daß er in den Herzen der Menschen einziehen will, damit sie das Leben
haben und es in Fülle haben.
Gott will Raum gewinnen in uns. Dann wird er Raum gewinnen in der Welt, weil
die Menschen ihm durch uns begegnen.
Wir sind der Tempel Gottes. Wenn wir die Botschaft dieses Festtages ernstnehmen,
dann erkennen wir auch unseren Auftrag auf dieser Erde, den ein Kirchenvater
einmal so zusammengefasst hat:
„Was die Seele für den Leib, das ist die Kirche für die Welt.“
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Liebe Gemeinde!
An der Jahreswende legt es sich nahe, auf das vergangene Jahr zurückzublicken und zugleich gute Vorsätze für das Neue Jahr zu machen. Ich bin nun im fünften Jahr Pastor hier in St. Pankratius. Was hat dieses Jahr aus der seelsorglichen Perspektive gebracht? Zunächst ein paar Zahlen: 25 Kinder wurden von ihren Eltern zur ersten heiligen Kommunion geführt (für viele war dies auch die letzte). 27 Jugendliche sind gefirmt worden. 14 Kinder wurden getauft. Trauungen gab es keine. 5 Mitglieder unserer Gemeinde haben den Kirchenaustritt erklärt. 17 Personen sind gestorben. Im gleichen Zeitraum hat der Kirchenbesuch in erschreckend hohem Ausmaß abgenommen, und das in dem Jahr, in dem der Pfarrgemeinderat sich den Kirchenbesuch als Jahresthema vorgenommen hat. Eine wesentliche Folge ist der ebenfalls erhebliche Rückgang der Kollekte für die eigene Gemeinde: Waren es bisher rund 4.500 Euro, die jährlich für die Pfarrgemeinde gespendet wurden, so sind im Jahre 2007 nur noch 3000 Euro zusammengekommen, d.h. 35 % weniger. Dennoch möchte ich an dieser Stelle zunächst allen ein Wort des Dankes sagen, die im letzten Jahr ehrenamtlich in unserer Gemeinde mitgearbeitet haben. Manche haben sehr, sehr viel Freizeit geopfert, um das Gemeindeleben zu erhalten oder zu verlebendigen. Ohne diese vielen Dienste im einzelnen aufzählen zu können, darf ich als Pastor wohl sagen, dass es gerade diese Mitarbeit ist, die unsere Gemeinde lebendig erhält. Was ich selber dazu tun konnte, war vergleichsweise wenig. Haben Sie alle herzlichen Dank und geben Sie diesen Dank auch weiter! Ich muss aber auch mit allem Nachdruck darauf hinweisen, dass unsere Gemeinde ohne die großzügige Spende der Kirchenbesucher ihre vielfältigen Aufgaben nicht erfüllen kann. Die Kirchensteuerzuweisungen werden in den nächsten Jahren weiter zurückgeschraubt. In Capelle ist nicht einmal mehr Geld für den nötigen Kirchenanstrich da. An diesen Punkt werden auch wir bald kommen, wenn die Kollekten nicht wieder besser werden. Was viele übrigens nicht wissen: Es sind vorwiegend die Nichtkirchgänger, welche durch ihre Kirchensteuer den Betrieb der Gemeinden finanzieren. Der Großteil der Kirchenbesucher zahlt hingegen überhaupt keine oder nur sehr geringe Kirchensteuer. Wenn diese dann nur ein paar Cent in das Kollektenkörbchen werfen was ist das dann anderes als Geiz? Ich weiß, dass alles teurer wird und das Geld knapper. Aber nicht jeder hier gehört zu den Armen. Lassen Sie sich bitte im kommenden Jahr nicht lumpen! Der erste Tag des Jahres ist im liturgischen Kalender der Gottesmutter gewidmet. Diese Erklärung des 1. Januar zum Hochfest der Gottesmutter ist ein Aufruf zur Besinnung auf das Wesentliche unseres Glaubens, ein Aufruf zur gelassenen Gläubigkeit, gleichsam eine Medizin gegen die Gottvergessenheit und die übertriebene Zukunftsangst, die daraus entsteht. Wenn wir heute (morgen) auf Maria blicken, beten wir darum, dass ihr Glaube, ihre Fürsprache und ihr Segen das neue Jahr bestimmen mögen. Wir Christen können trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge gelassen in das Neue Jahr gehen, weil wir nicht alles selbst machen müssen; wir wissen: Gott hat schon an der Menschheit gehandelt, er hat in der Fülle der Zeit an Maria gehandelt, die uns den Heiland geboren hat. Jesus, der Sohn Gottes, hat uns freigekauft, damit wir Kinder Gottes werden (Gal 4,5) und das Reich Gottes erben. Das ist die große Gabe, die uns Gott geschenkt hat. Es ist ein geistiges Kapital, mit dem wir wuchern können und sollen. Ich wünsche mir sehnlich, dass wir Christen in Deutschland dieses Geschenk im kommenden Jahr mehr würdigen als im vergangenen. Von Maria heißt es, dass sie alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte und darüber nachdachte (Lk 2,19). In dieser Haltung kann sie uns ein Vorbild sein: Wir unterliegen heutzutage einer Dauerberieselung, die kaum jemandem noch Zeit zum Nachdenken lässt. Ständig strömen Nachrichten und Neuigkeiten auf uns ein, die Flut der Bilder und Worte reißt uns mit und macht uns wehrlos gegen Manipulation. Dagegen hilft die Meditation des Wortes Gottes, die stille Einkehr im Gebet. Die einfachste Weise, zur Ruhe zu kommen, ist immer noch die Mitfeier der Heiligen Messe, denn wem gelingt es schon zu Hause, eine halbe Stunde still zu werden und zu meditieren? Klagen wir nicht über den Rückgang der Gottesdienstbesucher, sondern nehmen wir uns vor, selber das Gebet und die Feier der Messe im Neuen Jahr wieder wichtiger zu nehmen! Dann wird für uns das Neue Jahr ein gutes Jahr in St. Pankratius werden!
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Liebe Gemeinde!
Das Osterfest war ursprünglich ein jüdisches Fest, es hieß Pascha, Vorübergang des Herrn. Man gedachte des Auszugs aus Ägypten und der erschütternden letzten Plage, vor der Gott sein Volk verschont hatte. Denn ihre Türpfosten waren mit dem Blut des Lammes bestrichen worden: dieses Blut war das Zeichen ihrer Rettung.
Bis heute ist es beim jüdischen Paschamahl Sitte, dass der jüngste Sohn den Vater fragt: Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen? Und der Vater erzählt dann die lange Geschichte von Gott, dem Schöpfer und dem, der Abraham berufen hat, vom Volk Israel, das in Ägypten versklavt wurde und schließlich vom Auszug aus Ägypten durch die mächtige Hand Jahwes und vom Durchzug durch das Rote Meer.
Wenn der Herr vorübergeht und eingreift, dann ist nachher alles anders als vorher. Die Veränderung kann massiv äußerlich erfahrbar sein wie beim Vorübergang des Herrn an den ägyptischen Häusern oder beim Durchzug durch die Wasser des Roten Meeres. Sie kann aber auch wie bei Elija die Seele betreffen und sich nur durch ein sanftes, leises Säuseln bemerkbar machen; die äußeren Naturerscheinungen sind dann allenfalls Vorboten für die eigentliche und tiefe Veränderung, auf die es Gott ankommt, auf den Trost der Seele, die Bekehrung des Herzens: Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. (1 Kön 19,11-12)
Auch wir haben in den letzten zwei (drei) Tagen den Vorübergang des Herrn gefeiert. Die Osternacht ist der Höhepunkt. Was würden wir antworten, wenn uns einer fragte: Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen? Können wir darauf überhaupt antworten? Daran entscheidet sich, ob wir wahrhaft Christen sind.
Die Liturgie der Osternacht hilft uns, den Unterschied zu erkennen. Mitten in der Feier braust plötzlich die Orgel wieder auf, die Glocken läuten, das Licht wird entzündet. Nach der Lesung der alttestamentlichen Texte wird uns das unterscheidend Neue verkündet: das Neue Testament, die Frohe Botschaft. Das jüdische Pascha kennt nur die Erinnerung an den Vorübergang des Herrn und die Verschonung der Juden aufgrund der mit Blut bestrichenen Türpfosten. Die christliche Osternacht geht darüber hinaus: der Herr geht nicht nur vorüber, sondern er kommt auf die verzweifelten Jünger zu. Er dokumentiert seine Macht nicht mit einem Schreckensbild der Verwüstung, sondern er macht sich selbst zum Lamm, dessen Blut die Gläubigen heiligt. Die Verschonung, die er erwirkt, betrifft nicht das leibliche Leben, sondern die Gewissenslage der Seelen, sie wird nicht auf Zeit, sondern für die Ewigkeit gewährt.
In jener Osternacht hat eine grundlegende Veränderung die Welt ergriffen. Die (heutige) Ostersequenz beschreibt sie unter dem Bild eines Kampfes: Tod und Leben stritten im Kampf, wie nie einer war; der Fürst des Lebens erlag dem Tod; zum Leben erstanden triumphiert er als König. Vom Ostersieg sprechen auch viele Osterlieder. Auch das Exsultet, das Osterlob, benutzt eine entsprechende Ausdrucksweise: Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und aus der Tiefe als Sieger emporstieg. Hierzu passt auch, dass Matthäus von einem gewaltigen Erdbeben berichtet, vom Auftreten eines furchterregenden Engels sowie davon, dass die Wächter begannen vor Angst zu zittern und wie tot zu Boden fielen. (Mt 28,4) Aber wie schon bei Elija sollte klar sein, dass die äußeren Erscheinungen nur die Vorboten des tieferen Geschehens sind. Wenn der Herr vorüber geht, dann kann das tatsächlich Angst und Schrecken mit sich bringen, aber die Herzen werden damit noch nicht erreicht. Die Wächter haben nicht zum Glauben gefunden, ebenso wenig die Pharisäer, die Jesus ans Kreuz gebracht haben. Überhaupt kann niemand zum Glauben finden, der nur an sich und den eigenen Vorteil denkt, der nicht wenigstens einen Funken Liebe in sich hat. Man muss schon lieben, um die Erfahrung machen zu können, dass die Liebe stärker ist als der Tod. Man muss sich wecken lassen, um dem Auferweckten zu begegnen. Im Bild gesagt: Wer schwimmen lernen will, der darf nicht wasserscheu sein.
Um dieses Bild ein wenig weiter auszumalen: Der moderne Mensch ist wasserscheu in religiösen Dingen. Er sagt: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Das fängt schon bei der Taufe an: Viele wünschen die Taufe für ihr Kind, aber sie sehen gar nicht ihre eigene Verantwortung für die religiöse Erziehung dem Kind gegenüber. Sie scheuen den Einsatz, das entschiedene JA zu Gott, zum Glauben, zur Kirche. So bleibt es bei einer Unentschiedenheit, die die Bibel auch Lauheit nennt: weder warm noch kalt. Kann ja nicht schaden Aber mit dem pflaumenweichen Kann ja nicht schaden bringt man nichts zustande. Auf so etwas baut man keinen Lebensentwurf. Auf diese Weise haben die ersten Jünger nicht zum Glauben gefunden, und so haben sie ihn auch nicht empfohlen.
Vielleicht denken Sie: Ja, wenn ich damals dabei gewesen wäre, dann könnte ich fester und entschiedener glauben. Aber so!? Wer weiß, ob das alles wirklich stimmt. Ist ja auch schon so lange her Noch einmal: Wer wasserscheu ist, wird niemals schwimmen lernen. Wer wie Pilatus fragt: Was ist Wahrheit? und bloß sein eigenes Lebensinteresse verfolgt, der wird nie die Wahrheit finden. Wer aber schon angefangen hat, sein eigenes Wohl hintanzusetzen um der Wahrheit und der Liebe willen, der kann dem Auferstandenen begegnen: An dem geht Jesus nicht nur vorüber, sondern dem zeigt er sich vielleicht ähnlich wie damals dem Elija gleichsam im sanften, leisen Säuseln, das auf dem Grunde der Seele zu spüren ist, ausgelöst z.B. durch die Mitfeier der Osterliturgie, nicht weniger aber auch durch die Begegnung mit einem wahrhaft gläubigen Christen.
Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen? Das war die Frage des jüdischen Kindes. Jesus hat zwar auch mit seinen Jüngern das Paschamahl gefeiert, aber er hat das zeichenhafte Geschehen dann in seiner Person erfüllt; er hat dem Zeichen auch Taten folgen lassen und es so in Wirklichkeit umgesetzt. Seit der Osternacht hat der Tod seine endgültige Macht verloren; der Auferstandene lebt und kann jedem begegnen, der nicht wasserscheu ist. Im letzten Buch der Bibel heißt es: Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir. (Offenbarung 3,20) Wenn er anklopft, dann sollten wir ihn auch hereinlassen!
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Zur Weihnachten steht das Kind Jesus sozusagen im Mittelpunkt. Am letzten Tag der Weihnachtszeit öffnet sich unser Blick auf den hin, der Jesus seine Sohn gesandt hat: auf Gottvater.
Einige haben in der Kirchengeschichte ein Bild vom Vatergott entworfen, das
mehr dem Bild eines Tyrannen ähnelt. Da wird Gott zu einem Vater, der
nur darauf aus ist, seine Kinder für ihre Fehler und Sünden zu bestrafen,
der Katastrophen, Epidemien und Gewalt über die böse Welt ausschüttet.
Gottvater ist aber kein Tyrann.
Andere haben aus dem barmherzigen Vater so eine Art lieben Onkel gemacht.
Schon fast treudoof vergibt dieser Vater allen alles, weil er ja ach so gut
und so lieb ist. Warum sich dann noch um Gebote kümmern, warum sich dann
noch etwas von der Kirche sagen lassen?
Gottvater ist auch kein lieber Onkel.
Liebe Schwestern und Brüder.
Bei der Taufe Jesu sagt der Vater:
Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.
Der Vater liebt den Sohn.
Jemanden lieben - das hat nichts mit dem zu tun, was uns Herz-und-Schmerz-Serien
im Fernsehen suggerieren wollen.
Jemanden lieben - Das heißt wollen, daß jemand ist.
„Ich liebe dich!“ heißt: „Ich will, daß du bist,
daß du mit mir bist. Ich will dich, so wie du bist. Mit all den guten
und weniger guten Seiten an dir. Mit all den Möglichkeiten und Grenzen,
die du hast.“
Der Vater liebt seinen menschgewordenen Sohn. Und in seinem Sohn liebt er
uns.
Bei unserer Taufe hat er zu jedem, zu jeder von uns gesagt: „Du bist
mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter.“
Er liebt uns so, wie wir eben sind, ganz menschlich. Vor Gott dürfen
wir wirklich die sein, die wir sind: Menschen, mit all den guten und schlechten
Seiten, mit unseren Möglichkeiten und Grenzen.
Jesus selbst stellte sich damals in die Reihe derer, die auf die Taufe des
Johannes warteten. Diese Taufe war eine Taufe der Umkehr. Die, die sich taufen
ließen, bekannten, daß sie Sünder waren. Jesus stellte sich
damals also in die Reihe der Sünder.
Er selbst war kein Sünder. Aber er hat uns damit gezeigt, daß sein
Vater auf unserer Seite steht.
Das heißt nicht, daß Gott die Sünde will. Nein, er verabscheut
die Sünde. Aber er liebt die Sünder.
Er ist eben nicht Tyrann, eben nicht ein lieber Onkel.
Er ist ein erbitterter Feind der Sünde und ein wahrer Freund der Sünder.
Eben davon spricht das Sakrament der Taufe.
Die Taufe schenkt uns neues Leben, weil sie uns von der Sünde und vom
Tod befreit. In der Taufe wird uns die Schuld vergeben und wir werden von
der Erbsünde befreit.
Das Wort Erbsünde ist aus der Mode gekommen. Viele wissen nichts mehr damit anzufangen. Sünde kann man doch nicht vererben.
Ich erkläre diese Realität gerne mit einer Apfelkiste.
Stellen sie sich mal eine Kiste auf dem Markt vor. Voll mit den schönsten
und saftigsten Äpfeln. Wunderschön grün und frisch.
Da kommt jemand und legt einen Apfel, mit einer kleinen faulen Stelle unten
links in die Kiste.
Wenn nichts geschieht, wird bald die ganze Kiste nur noch voll fauler Äpfel
sein. Obwohl der kleine faule Apfel nicht mit allen Äpfeln in der Kiste
in Berührung kam, nur mit eins, zwei vielleicht, hat er die ganze Kiste
sozusagen vergiftet. Nur wenn man die anderen Äpfel gut schützt,
quasi imprägniert, bleiben sie resistent.
Diese faulige Atmosphäre ist sozusagen ein Bild für die Erbsünde.
Seit dem ersten Mal, dass sich ein Mensch gegen Gott entschieden hat, ist
in dieser Welt der Wurm drin. Schauen wir uns nur um in dieser Welt. Und in
diese faulige Atmosphäre werden wir hineingeboren, obwohl wir doch eigentlich
nichts dafür können. Erst recht nicht die kleinen Kinder.
Und wir würden darin untergehen, gäbe es nicht die Taufe. Sie ist – wenn man so will – eine Imprägnierung gegen die moderige, zum Tode neigende Atmosphäre der Sünde in und um uns. Die Beichte erneuert diesen Schutz, wenn er aus eigener Schuld leck geschlagen ist. Und wieder hört der Getaufte dann die tröstenden Worte Gottvaters: „Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter.“
Schwestern und Brüder,
Gregor von Nazianz schrieb einmal ein Loblied auf die Taufe:
„Die Taufe ist die schönste und herrlichste der Gaben Gottes ...
Wir nennen sie Gabe, Gnade, Salbung, Erleuchtung, Gewand der Unverweslichkeit,
Bad der Wiedergeburt, Siegel, und nach allem, was besonders wertvoll ist.
Gabe, denn sie wird solchen verliehen, die nichts mitbringen; Gnade, denn
sie wird sogar Schuldigen gespendet;
Taufe, denn die Sünde wird im Wasser begraben;
Salbung, denn sie ist heilig und königlich (wie die, die gesalbt werden);
Erleuchtung, denn sie ist strahlendes Licht;
Gewand, denn sie bedeckt unsere Schande;
Bad, denn sie wäscht;
Siegel, denn sie behütet uns und ist das Zeichen der Herrschaft Gottes“
Der Getaufte ist damit hoffnungsfroher Realist:
Wer sich von diesem Sakrament beschenkt weiß, weiß ganz klar:
„Sünde und Schuld gehören zu meinem Leben, zu dieser Welt
unausweichlich dazu. All dem kann ich nicht enfliehen. Ich spüre es in
mir und um mich herum.“
Er weiß aber auch mit dieser Realität umzugehen.
Er wird nicht versuchen, seine Schuld zu verdrängen.
Er wird sich nicht so leicht von der Traurigkeit über die eigene Sündhaftigkeit
lähmen lassen. Oder blauäugig meinen, der Mensch macht schon alles
gut, wie viele aus der Aufklärung entstandenen Ideologien.
Die Sünde verdrängen - sich von ihr lähmen lassen: Möglicherweise
ist das häufiger der Grund, warum Menschen die Couch des Psychiaters
aufsuchen.
„Du bist mein geliebter Sohn. Du bist meine geliebte Tochter.“
Das ist die Botschaft, die uns zu Schwestern und Brüdern, zur übernatürlichen
Familie der Kirche macht.
„Du bist mein geliebter Sohn. Du bist meine geliebte Tochter.“
Das ist die Botschaft des heutigen Festes, das die liturgische Weihnachtszeit
beendet.
Auf seine Weise faßt Dietrich Bonhoeffer diese Botschaft zusammen:
Der Menschgewordene ist das unergründliche Geheimnis der Liebe Gottes
zu Welt. Gott liebt den Menschen. Gott liebt die Welt. Nicht einen Idealmenschen,
sondern den Menschen, wie er ist; nicht eine Idealwelt, sondern die wirkliche
Welt. ... Gott tritt auf die Seite des wirklichen Menschen und der wirklichen
Welt gegen alle ihre Verkläger.“
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Liebe Gemeinde!
Petrus steht heute im Mittelpunkt der Lesung aus der Apostelgeschichte. Er ist soeben in das Haus des römischen Hauptmanns Kornelius aus dem palästinensischen Caesarea eingekehrt und hat erfahren, dass Gott auch die Heiden mit der Gabe des Heiligen Geistes beschenken will was für einen Juden schwer vorstellbar war.
Darum ruft Petrus aus: Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist. (Apg 10,34f) Und dann fasst er in knappen Worten das Evangelium zusammen: Ihr wisst, was im ganzen Land der Juden geschehen ist, angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat: wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm. (Apg 10,37f) Petrus lässt das Evangelium mit der Taufe Jesu durch den Täufer Johannes beginnen. In der Tat bei diesem Ereignis öffnete sich der Himmel: Gott wendet sich den Menschen wieder freundlich zu, indem er Jesus mit dem Heiligen Geist und mit Kraft salbt (wie es heißt). Das äußerlich sichtbare Zeichen ist die Abwaschung mit dem Jordanwasser, innerlich geschieht etwas, das die Bibel mit einer Salbung vergleicht, also mit der Auftragung einer Substanz, die sofort unter die Haut eindringt und ihre heilende und stärkende Wirkung entfaltet. Der so Gesalbte der Christus/ Messias hört innerlich die Stimme des Vaters im Himmel: Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe. (Mt 3,17)
Mit diesem Akt beginnt in der Tat die Erlösung der Menschheit. Nicht Jesus wird erlöst, er ist ja bereits der geliebte Sohn des Vaters, die Menschen dürfen nun hoffen, in Jesus ihren Erlöser gefunden zu haben. Und zwar nicht nur die Juden, sondern alle Menschen aller Völker und aller Zeiten.
Doch das mussten die Apostel erst einmal kapieren. Petrus musste eine ganze Zeit vom Geist Gottes bearbeitet werden, bis er sich überhaupt in das Haus des heidnischen Hauptmann begab. Für Juden war es nämlich ein unreiner Ort, den man nicht betreten durfte. Die Heidenmission begann also erst, als Petrus den Kornelius und seine Familie taufte. Das Evangelium ging von nun an von den Juden zu den Heiden, von Jerusalem nach Rom.
Wir wissen, dass sich nicht alle Heiden darüber so freuten wie der römische Hauptmann Kornelius. Einige reagierten mit Unverstand, andere mit Widerstand und Verfolgungen. Es gab abwartendes und spöttisches Interesse, und es gab religiöse Aufgeschlossenheit.
Wie steht es mit den Menschen heute, die ungetauft sind? Sind sie mit den Heiden damals vergleichbar? Die bloße Tatsache, dass sie nicht getauft sind, macht sie noch nicht zu Heiden. Ein Heide ist ein Mensch, der vorchristlichen Göttervorstellungen anhängt, der versucht, die Macht der Götter durch gewisse Gegenleistungen zu sichern; diese sind teils magischer, teils moralischer Art. Er stellt sich die jeweilige Gottheit nicht als ein moralisches oder gar liebendes Wesen vor, sondern als eine höhere Macht, die man allerdings durch bestimmte Verehrungsformen gnädig stimmen kann. Solche Heiden gibt es in der modernen westlichen Welt fast gar nicht mehr. Die heutigen Ungläubigen sind keine Heiden, sondern sie sind religiös unmusikalisch, wie Habermas es in einem Gespräch mit Kardinal Ratzinger formuliert hat. Wären sie doch nur richtige Heiden! Dann könnte die christliche Verkündigung sie überraschen und zum Nachdenken bringen. Denn dem Heiden gegenüber ist das Evangelium wirklich genau das, was der Name besagt: Frohe Botschaft. Es sagt: Gott ist ein Gott der Liebe! Er interessiert sich für dich! Er will nicht dein äußerliches Opfer, sondern er will dich zum Freund haben. Er wartet nicht, bis du dies und das geleistet hast, sondern er geht dir entgegen, ja, er trägt sogar deine Sünden an deiner Stelle.
Der moderne ungläubige oder religiös unmusikalische Mensch kennt diese Antwort des Christentums. Er hat sie zur Kenntnis genommen und aufgeteilt; die eine Hälfte hat er behalten, die andere vergessen. Behalten hat er den Teil des Evangeliums, das ihm sagt: Du, Mensch, bist unendlich wichtig. Vergessen hat er den Teil, in dem es heißt: Du sollst Gott fürchten und tun, was recht ist! (Vgl. Apg 10,35) Vergessen hat er also gerade den Teil, der für die Heiden selbstverständlich war.
Was ist an die Stelle dieser Überzeugung getreten, an die sich Heiden wie Christen über Jahrhunderte erinnert haben? Der Glaube an den Fortschritt von Wissen und technischer Macht! Dieser Glaube macht den Menschen religiös unmusikalisch, denn er ist selbst eine Ersatzreligion. Alles, was die Religion dem Menschen verheißt, soll sich der Mensch selber verschaffen können: durch Wissenschaft, Technik und Fortschritt.
Diese Ersatzreligion ist freilich schon seit längerem ins Wanken geraten. Statt Segnungen bringt der technische Fortschritt vielerorts nur Probleme, Rückschläge und sogar Katastrophen. Auch politisch und wirtschaftlich können wir feststellen, dass die von Gott losgelöste Vernunft die Menschheit keineswegs weitergebracht hat. Sie hat lediglich die Macht einiger weniger gestärkt auf Kosten der großen Mehrheit.
Darum ist es nur eine Frage der Zeit, dass die Menschen aufwachen aus diesem Wahn, sich selber erlösen zu können, der immer mehr zum Alptraum wird. Der Philosoph Habermas hat dies erkannt; einstweilen leidet er noch unter seiner fehlenden religiösen Musikalität. Wie damals Petrus hat Kardinal Ratzinger sich nicht gescheut, mit dem Ungläubigen zu reden.
Gott ist geduldig, er kann warten. Er sendet seinen Geist, wohin es ihm gefällt. Für alle Zeiten bleibt bestehen, was wir in der Lesung gehört haben: Für Gott ist in jedem Volk willkommen, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist. (Apg 10,35)
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Eis der Antarktis dünn wie nie
Bauer sucht Frau – 4 verliebt, 5 alleine
Europa – Größte Rezession in der Nachkriegszeit erwartet
Manager von Tokio Hotel – Natürlich singt Bill live
In Betlehem wir Jesus Christus geboren.
Boris Becker – Neue Frisur! Alte Freundin?
Selbstmord eines Kranken im britischen Fernsehen ausgestrahlt
Gundis Zambo macht das Dschungelcamp schön
Zwangsurlaub bei deutschen Autobauern – Retten die Milliardenhilfen
Liebe Schwestern und Brüder,
haben Sie es gemerkt:
In den Schlagzeilen dieser Tage geht die Nachricht von der Geburt Christi
fast unter.
Zwischen den Nachrichten über Boris, Bill und BMW fällt die Botschaft
von Betlehem kaum auf.
Die Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen sind voll mit Schlagzeilen.
Solche Schlagzeilen spiegeln etwas vom Seelenzustand einer Gesellschaft wider.
Zum einen werden wir mit Belanglosigkeiten bombardiert, z. B. über den
Tagesablauf von kameraüberwachten Spießbürgern in einem Wohncontainer
oder viertklassigen Stars im australischen Dschungel.
Nachrichten, die die Welt wahrhaftig nicht braucht, und die an Inhaltslosigkeit
fast nicht zu unterbieten sind.
Zum anderen werden wir durch viele Nachrichten auch im Innersten beunruhigt.
Wie sicher ist unser Wirtschaftssystem? Haben wir blind auf den Konsum gebaut
und geht jetzt alles den Bach runter?
Kommt der Klimaschutz unter die Räder oder gar zu spät? Schlägt
die Natur zurück?
Was ist mit mir, wenn ich alt werde? Tragen dann noch die Sozialsysteme? Tötet
man demnächst die Leidenden, weil die Gesellschaft kein Leid mitansehen
will?
Belanglosigkeit und tiefe Beunruhigung.
Beides prägt die Schlagzeilen unsere Tage.
Beides prägt die Gemütsverfassung unserer Gesellschaft.
Dazwischen nun die Botschaft des heutigen Tages, die Botschaft von Weihnachten: Gott wird Mensch in Jesus Christus.
Gott wird Mensch auf der Erde. In Jesus Christus teilt Gott unser Schicksal.
Wenn Gott unser Leben auf Erden lebt in seinem Sohn, dann kann dieses Leben
der Menschen nicht belanglos sein.
Die Botschaft von Weihnachten mahnt uns, unser Leben ernst zu nehmen.
Weil Gott unser menschliches Leben gelebt hat, können wir unser Leben nicht mit Belanglosigkeiten vertun, wenn wir wirklich menschlich leben wollen.
Angesichts des Kultes der um die Bewohner von Wohncontainern und Dschungelcamps oder heiratswilligen Bauern getrieben wird, habe ich die Befürchtung, dass aus dem einstigen Land der Dichter und Denker ein Land der Spinner und Spanner zu werden droht.
Denn die Stars und Sternchen der künstlichen Medienwelt, sind alles
andere als Vorbilder; erst recht keine Helden, an denen man sein Leben ausrichten
könnte.
Vorbildlich leben diejenigen, die in ihrem konkreten Lebensumfeld ihren Mann
oder ihre Frau stehen. Und nicht in einem konstruierten Wolkenkuckucksheim.
Helden dieser Tage sind diejenigen, die sich bemühen, ihren Glauben
zu leben und zu bekennen. Und das tagtäglich auch über Weihnachten
hinaus, allen inneren und äußeren Anfechtungen zum Trotz.
Helden dieser Tage sind diejenigen, die gewissenhaft ihrer Arbeit nachgehen
und sich zudem ehrenamtlich für die Gesellschaft engagieren, die nicht
nur sich sehen, sondern auch das Ganze und die anderen.
Helden dieser Tage sind die Väter und Mütter, die in der Ehe zueinanderstehen
und sich gemeinsam um die Kinder kümmern.
Jesus Christus ist schließlich auch nicht in einer Scheinwelt aufgewachsen,
sondern in der konkreten Welt Palästinas, unter ärmlichen Umständen,
in einem von den Römern besetzten Landstrich, unter Pharisäern,
politischen Mitläufern und religiösen Schwärmern.
Den größten Teil seines Lebens hat er arbeitend, als Zimmermann
verbracht.
Gerade deshalb ist seine Botschaft für uns von Belang. Die Flucht in
die Welt der Belanglosigkeiten aus Spass-TV und Regenbogenpresse ist alles
andere als christlich. Das nämlich ist „Opium fürs Volk“.
Nicht der Glaube.
Die Botschaft von Weihnachten lautet: Gott wird Mensch in Jesus Christus.
Wenn Gott unser Leben teilt, dann sind wir ihm wichtig. Wenn er, der Ewige,
in unsere Zeit hinabsteigt, dann ist ihm nicht gleichgültig, was aus
uns wird.
Auch daran erinnert uns das Weihnachtsfest. Und das kann uns Halt geben angesichts
der Nachrichten, die uns zu Recht beunruhigen.
Auch wenn die politischen und wirtschaftlichen Systeme, unser Staat ins Wanken
geraten sollte. Gott ist da für uns.
Sein Reich ist ein ewiges Reich und steht allen offen. Und seine Kirche hat
– wenn auch unter Verfolgung – viele Staats- und Gesellschaftsformen
überlebt. Selbst die Nazis und die Kommunisten konnten seine Kirche nicht
vernichten.
Auch wenn Katastrophen uns gefährden sollten.
Gott ist da für uns.
In all den bedrohlichen Szenarien, die sich uns darstellen, dürfen wir
darauf vertrauen, dass Gott es ist, der unsere Welt trägt und lenkt.
Er lässt seine Schöpfung nicht ins Leere fallen. Die vergängliche
Welt hat nicht das letzte Wort, denn Christus hat diese Welt besiegt. Für
uns.
Auch wenn die Würde des Menschen und das Recht auf Leben mit Füssen
getreten wird. Gott ist da für uns.
Mord, Krieg, Terroranschläge, Abtreibung, Euthanasie – all das
scheinen Anzeichen dafür zu sein, dass uns Menschen das Maß verloren
geht. Wir selber spielen uns immer mehr zu Herren über Leben und Tod
auf. Die Würde des einzelnen Menschen wird immer mehr in Frage gestellt.
Bei Gott aber ist niemand vergessen. Unsere Namen sind in seine Hand geschrieben.
Er wird uns nicht aus seiner Hand fallen lassen. Für jede, für jeden
einzelnen von uns ist er Mensch geworden, um jeden einzelnen, jede einzelne
von uns zu erlösen.
Die Botschaft von Weihnachten lautet: Gott wird Mensch in Jesus Christus.
Er ist nicht umsonst für uns Mensch geworden. Er hat sich nicht ohne
Sinn erniedrigt. Durch seine Menschwerdung hat er uns erlöst, damit wir
nicht unser Heil in einer halt- und heillosen Welt suchen.
Die Botschaft von Weihnachten bewahrt uns davor, dass unser Leben in Belanglosigkeiten
dahindümpelt.
Die Botschaft von Weihnachten schenkt uns Hoffnung, wo andere verzweifeln,
weil sie sich allein an vergängliche Güter festmachen.
In Betlehem wird Christus geboren. Gott ist da für uns.
Was für eine Nachricht...
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)
Liebe Gemeinde!
Jahr für Jahr hören wir am Weißen Sonntag das Evangelium vom sog. ungläubigen Thomas. Und fast jeder kann im Schlaf das Wort Jesu aufsagen: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Ich möchte dieses Wort heute in einen aktuellen Zusammenhang stellen, nämlich in die Debatte um das Lebensrecht von Menschen, die noch nicht oder nicht mehr über Kommunikationsfähigkeit verfügen, konkret also von Kleinkindern und demenzkranken Menschen.
In dieser Debatte kann es nämlich wahre Blindheit geben, sogar unter hochgebildeten Professoren. Hierzu gehört der australische Philosoph Peter Singer, der davon ausgeht, nur das sei wirklich, was man objektiv feststellen kann. In diesem Punkt ist er ganz mit dem sogenannten ungläubigen Thomas einig. Daraus hat er aber eine erschreckende moralische Konsequenz gezogen: Gefragt, was eine Person ausmacht, beruft er sich auf objektiv feststellbare Merkmale wie Selbstbewusstsein, Selbstkontrolle, Sinn für Vergangenheit und Zukunft und die Fähigkeit, mit anderen Personen zu kommunizieren. Wer darüber verfügt, der ist in den Augen von Singer eine Person, wer darüber nicht verfügt, der ist keine Person. Also wäre zum Beispiel ein Schimpanse eine Person, nicht aber ein Embryo, nicht ein Säugling und auch nicht ein geistig schwer Behinderter. Genau das vertritt Peter Singer seit Jahren schon und hat darüber hinaus gemeint, dass Wesen, die keine Personen sind, nur ein eingeschränktes Lebensrecht besitzen. So hat er den empörenden Satz geschrieben: Das Leben eines neugeborenen Kindes ist weniger wert als das eines ausgewachsenen Schweins. Solche Behauptungen hat er anscheinend am Schreibtisch und auf Kongressen aufgestellt, also weit entfernt von der Wirklichkeit und rein theoretisch.
Aber dann geschah etwas, das dem Erlebnis des Thomas an Ostern vergleichbar ist. Seine Mutter erkrankte an Alzheimer, sie wurde dement. Nach Singers eigener Definition war sie nun keine Person mehr. Dennoch organisierte er einen Pflegedienst, der 24 Stunden für seine Mutter bereit stand. Als man ihn auf den Widerspruch zu seiner Theorie ansprach, bekannte Singer in einem Interview: Ich denke, dass diese Sache mir die Augen dafür geöffnet hat, dass diese Dinge sich für Menschen als sehr schwierig darstellen, die von diesen Problemen betroffen sind. Vielleicht ist es schwieriger, als ich früher dachte, weil es etwas anderes ist, wenn es sich um deine eigene Mutter handelt. Auch wenn sich Singer um ein klares Bekenntnis herumdrückt, zeigt doch seine Praxis, dass ihm wirklich die Augen geöffnet wurden: Es gibt Dinge, die kann man nicht direkt mit Augen sehen, und dennoch sind sie wirklich, realer sogar noch als so manche objektiv feststellbaren Tatsachen.
Solcherart ist die menschliche Person als eine lebendige und geistige Ganzheit. Dem analytischen Blick des Wissenschaftlers ist dieses Ganze nicht zugänglich, und doch ist es da und wird schon vom kleinen Kind unmittelbar geschaut sogar als Erstes, noch bevor es die Welt nach und nach auch in ihren Einzelteilen erfasst. Das Kind sieht seine Mutter als eine Einheit und Ganzheit, es sieht eine Person, und zwar eine ganz besondere Person, einen Menschen, der es lieb hat und sich ihm zuwendet. Das Kind sieht mit einem einzigen Blick eine geistige Gestalt, und es nimmt mit demselben Blick wahr, wie ihm die Mutter gerade zugewandt ist: freundlich bestätigend oder abweisend, tadelnd oder ermunternd, fröhlich oder besorgt. Irgendwann wenn das Kind dann erwachsen geworden ist und von unserer Gesellschaft dazu verführt worden ist, nur das für existent zu halten, was man wissenschaftlich beweisen kann, wird das anfangs so Offenkundige plötzlich problematisch, und das alte Vertrauen wird von Zweifel zerstört.
Dann kommt der Spruch auf: Ich glaube nur, was ich sehe. Dieses Motto vertrat auch der Apostel Thomas. Er suchte sicheres Wissen und hielt darum das Detail für wichtiger als das Ganze: die Wundmale als Identifikationsmerkmale seines Herrn und Meisters Jesus Christus. Heute hätte er einen genetischen Fingerabdruck zur Identitätsfeststellung gefordert. Ich möchte diese kritische Einstellung nicht in Bausch und Bogen verwerfen; aber sie hat doch ihre Grenzen, und die sollte man erkennen.
Und das hat Thomas dann auch getan, und darum ist von ihm im Evangelium überhaupt die Rede. Denn nachdem Jesus sich auf seine Forderung einließ und mit nur leichtem Tadel bedachte, da verließ Thomas seinen Standpunkt der Absicherung und bekannte weit mehr, als er selber sicher wissen konnte: Mein Herr und mein Gott! Er drang damit zur Person vor, zum Geheimnis Jesu, das niemals in Wissen aufgelöst werden kann, das sich aber dem zeigt, der bereit ist, die begegnende Wirklichkeit ernstzunehmen und die eigene Denkweise daran zu messen und gegebenenfalls zu korrigieren, anstatt schon vorher wissen zu wollen, was es geben kann und was nicht. So wurde Thomas auch ein Vorbild für all diejenigen, die den Sprung des Vertrauens wagen
Liebe Gemeinde! Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Ich gewinne diesem Wort Jesu heute einen Sinn ab, der das Seligmachende des Glaubens in den Vordergrund rückt. Wer durch das Sehen und exakte Wissen zum Geheimnis der Wirklichkeit vorstoßen will, der hat einen beschwerlichen Weg vor sich, einen Weg, der dauernd zum Umkehren nötigt, einen Weg, der auf den längsten Strecken ein Irrweg ist. Wie selig ist da derjenige, der im Vertrauen auf den immer größeren Gott und auf Seine Zeugen von solchen Umwegen befreit ist! Aber wie dumm ist derjenige, der weder selber sehen will (weil das zu anstrengend ist) noch denen glaubt, die gesehen haben, sondern ausgerechnet denen sein Ohr zuneigt, die zwar sehen wollen, aber nicht sehen!!! Wie dumm ist der wissenschaftsgläubige Mensch!
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Nun hat die Adventszeit wieder begonnen, und schon seit Wochen sehen wir in den Geschäften die Weihnachtsartikel, werden uns in der Werbung in aufdringlicher Weise alle möglichen Artikel angepriesen, hören wir von allen Ecken und Enden bis zum Überdruss Weihnachtslieder. Es gibt viele, die sagen, dass sie diesen ganzen Rummel leid sind, dass die schöne Adventszeit ihnen gar nicht mehr so schön vorkommtwie vielleicht früher einmal. Aber wie ein chinesisches Sprichwort sagt es ist besser, ein Licht anzuzünden als über die Finsternis zu schimpfen. Das haben wir eben gemacht, als wir den Adventskranz entzündet haben. Und das haben Sie gemacht, als Sie sich entschlossen haben, in die Kirche zu gehen. Und als Sie den Kirchenraum betreten haben, da ist Ihr Blick sicher sogleich auf das wunderbare Chorwandgemälde gefallen. (Vielleicht haben Sie ja wie ich gestaunt, was für eine künstlerische Ader unsere Frauen da entfaltet haben.)
Vielleicht wissen einige von Ihnen, dass der Priester Sieger Köder ursprünglich dieses adventliche Bild gemacht hat. Er hat ihm den Titel gegeben: Ein Reis wird hervorgehen aus dem Stumpf Isais. Dieser Satz stammt aus dem Buch Jesaja, aus einem der großen Verheißungstexte wir haben ihn gerade gehört. Der Stumpf Isais, das ist die zerschlagene Dynastie Davids; Isai war der Vater Davids. Er wird hier genannt, weil der Prophet die Neuordnung da ansetzen lässt, wo es noch keine Verderbnis gab, also beim Vater Davids, nicht bei dem zwar großen König, aber doch auch schon in Sünde gefallenen Menschen. Dass die davidische Dynastie untergehen wird, hat der Prophet ein paar Kapitel zuvor mit folgenden Worten angekündigt: Bis die Städte verödet sind und unbewohnt, die Häuser menschenleer, bis das Ackerland zur Wüste geworden ist... Sie werden schließlich vernichtet, wie bei einer Eiche oder Terebinthe, von der nur der Stumpf bleibt, wenn man sie fällt. (Jes 6,11.13) Dieses Bild vom Baumstumpf hat der Maler aufgegriffen und eindrucksvoll dargestellt. Man sieht noch das Blut am gefällten Holz: Es ist das Blut der vielen gefallenen Juden, die dem Ansturm der Babylonier hilflos ausgeliefert waren. Die abgestorbenen Arme des toten Baumstumpfs ragen wie ein Flehruf zum Himmel, als würden sie rufen: O komm, o komm, Emmanuel, mach frei dein armes Israel. In hartem Elend liegt es hier, in Tränen seufzt er auf zu dir. Rings um den Baumstumpf ist schwarze Dunkelheit. Sie steht für die Zeit der Unterdrückung der Juden in Ägypten und in Babylon, unter der Herrschaft der Perser, Mazedonier und später der Römer, aber ganz generell auch für alle dunklen Seiten im Leben. Doch die Finsternis wird von oben her aufgebrochen: Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht, über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf. Das ist die dritte Jesajastelle (9,1), die der Maler hier aufgreift. Wir hören sie immer in der Heiligen Nacht. Denn sie kündet die Geburt des Messias an. Aber schauen wir noch einmal zum Baumstumpf: Mitten zwischen den toten Armen wächst eine Rose. Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. (Jes 11,1) aus einem toten Stamm entsteht Leben. Gott schafft dieses neue Leben. Israel darf wieder hoffen. Mag die Nacht noch so dunkel sein, das Licht leuchtet in der Finsternis (Joh 1,5). Mag der Tod scheinbar endgültig sein die Kraft der Rose ist stärker. Sie wächst aus dem Tod, überwindet den Tod. So verbindet Sieger Köder in einem Bild die drei entscheidenden adventlichen Texte des Jesajabuches. Wir dürfen es nun in den kommenden Wochen anschauen und uns davon inspirieren lassen. Dass wir nicht über die Finsternis schimpfen, sondern ein Licht anzünden bzw. das Licht betrachten, das Gott in die Welt gesandt hat, damit sie nicht im Dunkeln bleibt und zugrundegeht. Beklagen wir nicht, dass wir in der Adventszeit soviel Stress haben! Nutzen wir vielmehr die Zeit, um unsere Hoffnung zu entflammen. Schauen wir dieses Hoffnungsbild immer wieder an; es sagt uns: Du, Mensch, fürchte dich nicht! Du bist mein. Ich der Herr, bin dein Gott, dein Befreier. Fürchte dich nicht. Denn ich bin mit dir. (Jes 43, 1.3.5) Die Rose soll ein Zeichen dafür sein, wie teuer du Gott bist, wie sehr Gott dich liebt.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Wir sind in einer bewegten Zeit. Mobilität wird großgeschrieben in unserer Gesellschaft. Sie gilt als Voraussetzung für beruflichen Erfolg, blühendes Geschäft und Spaß in der Freizeit. Überhaupt sind viele von uns unterwegs. Fortbewegungsmittel gehören zu unserem täglichen Leben: Fahrrad oder Flugzeug, Bahn oder Bus und vor allem das Auto, das ein bekannter Zeitkritiker als das rollende Sakrament der Moderne bezeichnet hat (P. Sloterdijk). Unterwegssein heißt aber noch nicht viel. Es gibt auch eine leere Bewegung, eine Betriebsamkeit, die im Grunde zu nichts führt. Von einem jüdischen Rabbi ist uns die folgende Weisheit überliefert: Wenn einer Vorsteher ist, müssen alle nötigen Dinge da sein, ein Lehrhaus und Zimmer und Tische und Stühle, und einer wird Verwalter, und einer wird Diener und so fort. Und dann kommt der böse Widersacher und reißt das innerste Pünktlein heraus. Aber alles andere bleibt wie zuvor, und das Rad dreht sich weiter, nur das innerste Pünktlein fehlt. Der Rabbi hob die Stimme: Aber Gott helfe uns, man darfs nicht geschehen lassen! Unser Problem ist nicht so sehr dies, den Betrieb an sich auf Touren zu halten, sondern darüber zu wachen, dass das innerste Pünktlein nicht abhanden kommt. Ohne es ist die Last nicht zu halten, und die Katastrophe wird um so größer, je schneller es rotiert. Die Frage ist: Wohin sind wir unterwegs? Wo ist das Ziel? Wonach streben wir? Welche Wege gehen wir als Menschen und als Christen? Auf dem Weg sind wir also in einem anderen, tieferen Sinn. Wir alle sind, durch unser Leben, durch unseren Glauben, auf dem Weg zu Gott. Mit vielen Bildern macht es die heilige Schrift immer wieder deutlich: Du zeigst mir den Pfad zum Leben; Er leitet mich auf rechten Pfaden; muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir. In der Geburt des Erlösers, auf die wir uns vorbereiten, und in seiner Gnade ist uns nicht nur ein äußerer Wegweiser gegeben, sondern ein innerer Helfer und Weggefährte, der uns auf dem Weg zur letzten Wahrheit unseres Lebens schon hier und jetzt führt, der uns in alle Wahrheit einführt. Nicht Betriebsamkeit und allgemeine Mobilität ist das Entscheidende, sondern der Aufbruch zu Gott. Wichtiger als alle geographischen Wege sind die Wege des Glaubens: der Weg zum Nächsten und der Weg zu Gott. Johannes der Täufer will auf den rechten Weg bringen, er will mobil machen. Er rüttelt auf, er bringt in Bewegung, er mahnt zum Aufbruch, damit wir so dem lebendigen Gott begegnen. Seine Botschaft ist markiert durch die Rufe: Kehrt um! ... Tut Buße!... Bringt Frucht hervor!... Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Das Wort Bereitet dem Herrn den Weg!, das von Jesaja stammt, meinte zu seiner Zeit: Gott hat sein Volk in der Verbannung in Babylon nicht verlassen; deswegen geht es darum, Jahwe in der Wüste voller Hoffnung von neuem einen Weg zu bereiten. Ja er selbst wird in der Einöde Pfade bereiten und für eine triumphale Rückkehr nach Jerusalem alle Berge zu Wegen machen. Bereitet dem Herrn den Weg!, so heißt es nun neu und definitiv bei Johannes dem Täufer, denn Gott kommt nun in seinem Sohn zu uns und geht in ihm endgültig seinen Weg zu uns Menschen. Ich bin der Weg! wird daher Christus rufen. Dieser Weg ist nicht nur Bild, nicht nur Weisung, er ist Person, in ihm haben wir Zutritt zum Vater. Der Advent macht uns den Wegcharakter unseres Lebens besonders deutlich. Er ist wesentlich Gottes Weg zu uns und unser Weg zu ihm. Wir gehen ihn gemeinsam mit der ganzen Kirche, aber er ist auch ein unübertragbar persönlicher Weg. Es gilt immer neu, einen Aufbruch auf Gott hin zu wagen, statt in bequemer Weise irgendwo stehen zu bleiben. Gott kommt auf uns zu wir gehen auf Gott zu. Um dem Herrn den Weg zu bereiten, müssen wir uns selber auf den Weg machen. Sie haben sich heute auf den Weg zur Kirche gemacht. Auch in der Woche können Sie auf Gott zugehen, indem Sie auf andere Menschen mit Liebe und Freundlichkeit zugehen.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
O komm, o komm, Emmanuel!
So, liebe Schwestern und Brüder, beginnt das Lied, das uns heute als
Grundlage für die Predigt dienen soll. Sie finden es unter der Nummer
902 im Gotteslob.
O komm, o komm, Emmanuel!
Emmanuel – das heißt: Gott mit uns.
Einen nahen, gegenwärtigen Gott erfleht dieses Lied. Die Melodie hat
etwas Sehnsüchtiges. Ja, es scheint sehr dringend, sehr notwendig zu
sein, das etwas geschieht. Die Schmerzgrenze ist erreicht, vielleicht sogar
überschritten.
Wer ist es denn, der hier so fleht? Und warum?
Mach frei dein armes Israel. In hartem Elend liegt es hier, in Tränen
seufzt es auf zu dir.
Es ist das Volk Gottes, das sich am Boden fühlt, niedergedrückt
ist. Elend. Tränen. Israel scheint am Ende zu sein. Die, die Gottes Volk
sind können nicht mehr. Sie fühlen sich von Gott in Stich gelassen.
Sie brauchen seine Hilfe. Allein kommt sie nicht mehr weiter.
Niedergedrückt, am Ende, hilflos ausgeliefert, am Boden zerstört. Von Gott verlassen.
So fühlen wir uns Menschen auch manchmal.
Da wird die Krankheit zu einer innerlichen Zerreißprobe.
Da lässt eine schlimme Diagnose eine Welt in sich zusammenbrechen.
Da löst der Tod eines lieben Angehörigen tiefe Trauer aus.
Da verspürt man Angst angesichts der Rede von Klimakatastrophe.
Da ist man sprachlos angesichts der traurigen Fälle von sterbenden und
verwahrlosten Kindern.
Und ich glaube, ja ich weiß, dass sich viele in diesen Momenten auch
von Gott verlassen fühlen.
"Wie kann Gott das zulassen, Herr Pastor?"
"Warum ausgerechnet ich?"
"Was können denn die Kinder dafür?“
Ja, es gibt Grund zu klagen. Ja, manchmal ist es wirklich zum Weinen.
Vermutlich haben wir alle schon einmal innerlich rebelliert gegen das Elend und Unglück, das wir am eigenen Leibe erfahren oder bei anderen miterleben mussten.
Vielleicht haben wir uns auch schon mal mit dem lieben Gott angelegt, ihm
mal richtig deutlich unsere Meinung gesagt:
"Sieh dir das doch mal an, Gott. Das darf doch wohl nicht wahr sein:
Meine Krankheit ... sein Tod ...das Elend überall ... die Katastrophen
im Fernsehen: Das kann doch wohl nicht wahr sein? Wie kannst du das nur zulassen?"
Schwestern und Brüder,
unser Lied ermuntert uns dazu, all den Kummer, die Sorgen, den Frust in uns
ernst zu nehmen und sozusagen herauszuschreien. Es Gott vor die Füße
zu werfen, es ihm ans Herz zu legen, es ihm hinzuhalten. Wie immer man es
auch nennen mag.
Unser Lied ermuntert uns letztlich zu beten. Mit ganzem Herzen. Ganz ehrlich.
Ohne Redeverbot.
Wir brauchen vor Gott aus unserem Herzen keine Mördergrube zu machen.
Was raus muss, muss raus.
So lehrt uns auch das große Gebetbuch der Bibel, das Buch der Psalmen
mit seinen großen Klage- und Bittpsalmen.
Das Gebet ist heilsam. Es verschafft Ruhe. Und auch in der größten Trostlosigkeit vermag es Halt und Hoffnung zu geben.
Das Gebet ist heilsam. Aber nicht, weil es ein irgendwie gearteter psychologischer Trick ist. Es ist auch kein psychotherapeutischer Automatismus.
Nein, das Gebet ist heilsam, weil es mit dem Heiland verbindet, mit dem Gott-mit-uns, mit dem Emmanuel.
Wer betet, wer vor Gott klagt, der rechnet noch mit Gott.
Wer sich innerlich mit Gott anlegt, ihn anklagt, der ist nicht ungläubig,
nein, der glaubt an Gott. Deswegen ruft er ihn ja an. Auch wenn er ihn im
Moment nicht versteht.
Der Glaube ist eine Beziehung. Zwischen mir und Gott.
Und so wie Menschen miteinander kommunizieren, reden müssen, so bedarf
der Glaube auch des Sprechens miteinander.
Wir sprechen zu Gott, in dem wir zu ihm beten. Nicht nur dann, wenn es etwas
zu beklagen gibt, aber auch dann.
Gott spricht zu uns durch sein Wort, durch die Feier der Sakramente und durch
die Zeichen der Zeit, durch Begegnungen in unserem Leben.
Um für diese Sprache Gottes offen, empfänglich zu sein, bedürfen
wir auch des Gebetes.
Liebe Schwestern und Brüder,
viele werden jetzt vielleicht denken: Beten ist ja schön und gut, aber
was bringt es? Erhört Gott denn meine Bitten überhaupt?
Es ist wahr:
· Das Gebet heilt nicht die Krankheit, wie eine Tablette.
· Das Gebet macht die unheilvolle Diagnose nicht ungeschehen.
· Das Gebet gibt mir den Toten nicht zurück.
· Das Gebet kann nicht das Weltklima ändern oder uns Menschen
die Verantwortung nehmen.
· Aber das Gebet heilt den Kranken, weil er sich in der Krankheit
von Gott getragen weiß, der in seinem Sohn selber gelitten hat.
· Das Gebet heilt diejenige, die eine schlimme Diagnose erfahren hat,
weil es ihr hilft, die Angst zu tragen, ohne zu verzweifeln, so wie der Herr
im Ölgarten die Angst vor dem kommenden Tod überwunden hat.
· Das Gebet heilt die Trauernden und Verstorbenen, weil durch das Gebet
die Hoffnung auf die Auferstehung Trost und Halt gibt. Das Leben geht weiter
für die Trauernden und für den Toten, aber anders, verwandelt.
· Das Gebet schenkt Trost, weil es Hoffnung schenkt, dass im letzten
alles gut wird. -> Spe salvi
O komm, o komm, Emmanuel!
Dieser Ruf ist nichts anderes als die Sehnsucht, dass Gott bei uns sein möge,
egal, was geschieht.
Dieser Ruf ist immer ein Zeichen echten Glaubens, der vielleicht im Moment
angefochten scheint.
Dieser Ruf verbindet uns mit Gott, der die Macht hat zu heilen, was verwundet
ist.
O komm, o komm, Emmanuel!
Liebe Schwestern und Brüder,
vielleicht kann Sie dieser Gebetsruf ja in der kommenden Woche begleiten.
Als ein Stoßgebet, das Sie offen macht für das Weihnachtsfest,
das sie spüren lässt, dass ER, der Emmanuel, wirklich mit Ihnen
ist.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Wir hören heute im Evangelium die Frage des Täufers: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten? Es ist eine Frage, die damals den Täufer brennend bewegt hat, und müsste eigentlich auch die Frage sein, die für uns an erster Stelle steht.
Doch zuerst zum Täufer: Er ist am Tiefpunkt seines Lebens angelangt: seine Wirkmöglichkeit ist am Ende, er ist gefangen und gefesselt im dunklen Kerker des Herodes. Die feige Schwäche des Herodes hat ihn dorthin gebracht. Und was hat sich geändert? Was hat seine mutige Predigt genützt? Nichts, so scheint es. Was er verkündet hat, ist anscheinend immer noch nicht Wirklichkeit geworden: Noch ist die Erde nicht mit Feuer getauft, die Spreu nicht vom Weizen getrennt; Herodes regiert und nicht der von Gott Gesandte. War seine Bußpredigt, war sein unermüdlicher Einsatz also umsonst, sein Leben sinnlos? Muss Johannes jetzt verzweifeln an seiner Lage, an Jesus, den er doch als den Größeren, den Retter verkündet hat?
Jesus gibt die Antwort. Er tut es mit einem Hinweis auf die Prophezeiung des Propheten Jesaja (Lesung): Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet. Konnte diese Antwort Johannes an seinem Tiefpunkt neue Hoffnung geben? Konnte sie ihm helfen, an Jesus keinen Anstoß zu nehmen wie Jesus sagt: Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt?
Wir müssen dabei die skeptische Nachfrage im Ohr behalten: Oder müssen wir auf einen anderen warten? Johannes fragt ja deshalb, weil er die prophetischen Verheißungen kennt, weil sein ganzes Leben von diesen Verheißungen gespeist war und weil er Jesus als den angekündigt hat, der diese Verheißungen erfüllt. Sollte er sich etwa getäuscht haben? Genau auf diese Frage antwortet Jesus, wenn er den Propheten Jesaja zitiert und feststellt: Jetzt ist es erfüllt. Mit mir ist das Verheißene eingetreten.
Freilich es ist anders eingetreten, als Menschen es sich erdacht hatten, auch anders, als Johannes es sich vorgestellt hatte. Jesus ist nicht gekommen mit der Wurfschaufel in der Hand, als der Vollstrecker des Zorngerichts Gottes, sondern allein mit der Waffe der Barmherzigkeit. Er hat nicht mit königlicher Macht das Römerregime hinweggefegt und den ehrlosen, fiesen und feigen Schmarotzer Herodes entmachtet Grund genug für viele Juden, Anstoß an ihm zu nehmen. Aber er hat dennoch, ja viel mehr noch die alten Verheißungen erfüllt, indem er allen, den Armen zuerst, die Barmherzigkeit Gottes geschenkt hat, an Leib und Seele, durch Heilungen und durch Sündenvergebung.
Johannes der Täufer wird dies sehr gut verstanden haben, die Antwort Jesu hat seinen Blick erweitert und ihn aus seinen Zweifeln befreit.
Doch was ist mit uns heute? Auch für uns kann die Stunde kommen, wo alle unsere Hoffnungen zerplatzen, unsere Erwartungen zunichte werden, wo unser Glaube durch Schicksalsschläge so sehr geprüft wird, dass wir vielleicht denken: Habe ich mein ganzes Leben aufs falsche Pferd gesetzt? Ist Jesus vielleicht gar nicht derjenige, der Rettung und Heil bringt? Müssen wir noch auf einen anderen warten?
Die meisten Christen in Europa kennen Jesus von Nazareth von Jugend an; er stellt für sie kein Neuigkeits- und Überraschungserlebnis dar. Ihre Erinnerung an Jesus ist jedoch zumeist nivelliert, verkitscht, verweht. Darum suchen viele heute das ganz Andere, Neue. Ihnen geht es wie Johannes dem Täufer in seiner Gefängniszelle, der in den Zweifel geraten ist, ob der Messias vielleicht noch gar nicht gekommen ist.
Wie kommt es zu solchem Zweifel? Der Zweifel nährt sich von falschen Bildern, die man sich von Gott und seinem Messias macht; wenn der wahre Jesus in einer Weise verfälscht, verkitscht und übermalt wird, dass der kritisch denkende Zeitgenossen befremdet und abgestoßen wird. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt. sagt Jesus. Dieser Anstoß hat manchmal mit der Art der Verkündigung zu tun, z.B. wenn gesagt wird: Wenn ihr nur genügend betet, dann wird Gott euch schon erhören so als ob Gott unser Wunscherfüllungsgehilfe wäre. Oder wenn der Ernst aus dem Evangelium herausgeschnitten wird, wenn so getan wird, als wäre alles easy, locker und leicht und in Wahrheit will man es bloß bequem und gemütlich haben. Oder wenn sich die christliche Gemeinde zu sehr angepasst hat an den Stil dieser Welt, wenn die Christen sich nicht mehr durch ihren Lebensstil von den Nichtgläubigen unterscheiden, wenn sie so leben, als ob es Gott nicht gäbe. Wenn dies geschieht, nehmen die kritisch Denkenden Anstoß. Die Jugendlichen werfen ihren Glauben weg, die Entrechteten und Leidenden wenden sich anderen Heilslehren zu.
Das dürfen wir nicht geschehen lassen! Wir müssen bei unserer eigenen Einstellung zu Jesus beginnen und sie erneuern. Die wichtigste Voraussetzung hierfür ist das ehrliche Eingeständnis, dass die Erde uns keine ewige Heimat bietet, dass wir also angewiesen sind auf einen Retter, der von oben kommt.
In acht Tagen singen wir wieder: Christ, der Retter ist da! Wir wollen es mit echter Überzeugung singen und nicht nur aus Gefühlsduselei. Treffen wir darum unsere Entscheidung für Christus neu jetzt in dieser Messfeier und in den kommenden Tagen!
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Liebe Schwestern und Brüder,
seit einigen Jahren gibt es im Fernsehen sogenannte Casting-Shows, bei denen
sich junge Talente (und solche, die sich dafür halten) einem Millionenpublikum
präsentieren. Die meisten haben jahrelang für diesen Wettkampf um
die Gunst einer Jury und der Zuschauer hart gearbeitet, aber nur ganz wenigen
ist ein wirklicher Durchbruch als Star gelungen wie etwa dem Handy-Verkäufer
Paul Potts, dessen umwerfender Gesangs-Auftritt viele zu Tränen rührte
und der nun die halbe Welt als Operntenor bereist.
Von einem Casting unter ganz anderen Vorzeichen erfahren wir im heutigen Evangelium zum vierten Adventssonntag. Gott selbst ist es, der hierbei einziges Mitglied der Jury ist. Man konnte sich auch nicht bei ihm bewerben, sondern Gott hat in seiner Weisheit selbst Ausschau nach einer geeigneten Kandidatin gehalten. Von ihm allein ging die Initiative aus. Gesucht war eine Jungfrau, die nach Gottes Urteil würdig war, seinen Sohn als Kind zur Welt zu bringen.
Bei Gott geht es anders zu. Er sucht die Kandidatin aus und kürt sie.
Und er hat ganz andere Kriterien, als sie die Bohlens dieser Welt haben. Einmal
ganz abgesehen davon, dass er die Kandidaten nicht anpöbelt und niedermacht,
wie dieser doch wohl eher drittklassige blonde Popmusiker –
bei Gott findet alles im Stillen statt, ohne große Show. Aber dafür
mit Tiefe.
Gott sendet seinen Engel in ein Städtchen in Galiläa namens Nazaret,
damals mit weniger als 200 Einwohnern ein verschlafenes Nest und so unbedeutend,
dass es nirgendwo im Alten Testament erwähnt ist. Wir würden vielleicht
dazu sagen: dunkelste Provinz.
Nazaret ist etwa 100 km und damit vier Tagesreisen von der Hauptstadt Jerusalem
entfernt. Durch eine ausgeprägte Hanglage bestand die Mehrzahl der dortigen
Wohnhäuser damals aus ausgebauten Höhlen, die es dort zahlreich
gab.
Das ist weit entfernt vom Glamour des Showbiz.
Bei Gott geht es anders zu.
Während bei den Castingshows Menschen etwas leisten müssen, sich
hinstellen müssen, in dem Bewußtsein: Ich kann das. Ich mach das.
Ich bin klasse –
Sagt die Kandidatin Gottes: Mir geschehe.
Bei Gott geht es nicht um Macht, Leistung, Glänzenwollen oder –können,
bei ihm siegt, wer dient, wer ertragen kann, in den Hintergrund tritt, damit
der eigentliche Star glänzen kann.
Bei Gott geht es anders zu.
Groß ist bei Gott nicht der, der zum eigenen Ruhm sich bewirbt, sondern
die, welche ihr Leben in den Dienst aller Menschen, in dem Dienst am Heil
aller Menschen stellt.
Die Größe eines Menschen hängt nicht von seiner Macht ab, meist ist es zerstörerische und egoistische Macht – die Größe eines Menschen hängt von seiner Liebe, seiner Hingabe, seiner Teilhabefähigkeit ab.
Bei Gott geht es anders zu.
Ein Star oder sogenannter Superstar (oder was man dafür hält) muß
sicherlich etwas können. Aber gerade die Sieger von Castingshows sind
mittlerweile gut geplante, vermarketet Produkte.
Der Erfolg läßt sich kalkulieren
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Ich möchte den heutigen 4. Advent noch einmal zum Anlass nehmen, mit Ihnen das Altarbild zu betrachten. Wir sehen den toten Baumstumpf und die Rose. Spontan kommt mir dabei in den Sinn: Das passt doch gar nicht zusammen. Hier sind Gegensätze zusammengestellt: Tod und Leben, Symbole von Vergänglichkeit und Ewigkeit. Das spannungsgeladene Bild ist ein Bild auch für den Widerspruch, der in der menschlichen Existenz liegt: Wir sind eingebunden in den Kampf ums Dasein und stehen insofern notgedrungen in der Konkurrenz mit den anderen. Aber wir sind auch Geistwesen, ausgestattet mit Vernunft und Liebe und tragen eine Friedens¬sehnsucht in uns, die keine Konkurrenz kennt. Einerseits unterliegen wir dem Gesetz des Stärkeren, andererseits dem der Barmherzigkeit. Einerseits liegt es in unserer biologischen Natur, dass wir sterben müssen, andererseits hegt jeder die Hoffnung auf Unsterblichkeit. Dieser Widerspruch ist in der Welt. Er gibt der Menschheit ein Rätsel auf, auf das schon viele Lösungsversuche gegeben worden sind. Ich nenne nur zwei: Platon hat das Rätsel auflösen wollen, indem er das materielle Leben abgewertet hat. Wenn der Tod aus der Materie kommt, dann ist auch nur der Geist wert zu leben, dann ist der Tod die befreiende Loslösung des Geistes aus dem Gefängnis des Körpers. Ganz andersherum argumentiert die moderne Biologie: Der Geist ist nach ihr aus der Materie herausentwickelt gemäß den Gesetzen vom Daseinskampf und vom Survival of the fittest. Darum gibt es auch gar keine echte Liebe, sondern es gibt nur die vitalen Interessen. Also ist die Sehnsucht nach Unsterblichkeit sinnlos. Die Bibel löst das Rätsel jedoch anders. Sie fragt tiefer nach dem Grund des Widerspruchs in der Schöpfung. Sie schlägt den Knoten nicht durch und begeht keinen denkerischen Kurzschluss, sondern sie hält die Spannung aus. Sie sagt: Die Konkurrenz und der Kampf ums Dasein sind nicht ursprünglich. Gott hat den Tod nicht gemacht. (Weish 1,17) Und wenn das so ist, dann kann Gott den Tod auch wieder aufheben. Symbol dafür ist die Rose: Gott pflanzt auf dem toten Baumstumpf eine Rose und gibt so ein Zeichen für den Neu-Anfang, für die neue Schöpfung. So sehen wir in diesem Bild sowohl das Rätsel als auch die Auflösung. Die Rose ist das Zeichen der Liebe. Die Liebe kommt von oben: Sie ist nicht von dieser Welt, die Liebe, die mich am Leben hält, oh, ohne dich wärs schlecht um mich bestellt. Denn sie ist nicht von dieser Welt, die Liebe, die mich am Leben hält, oh, ohne dich wärs schlecht um mich bestellt. Warum kommt die Liebe von oben? Weil sie Eigenschaften besitzt, die in dieser Welt sonst nicht vorkommen. Die Welt ist bestimmt von Egoismus, vom Kampf und vom Recht des Stärkeren, vom Ellenbogen. Das sehen wir jetzt z.B. wieder an der Mindestlohndebatte, die verlogener nicht sein kann. Da wollen die einen die Löhne drücken, um den Profit der Aktionäre zu steigern; die anderen wollen an die politische Macht und suggerieren den Wählern, sie könnten durch ihre Stimmabgabe ihren Lohn erhöhen was eine Irreführung ist. Doch ganz gleich, wer das spricht: Immer dreht es sich um das eine: Macht und Geld ums Überleben auf Kosten der anderen. Die Liebe stört in diesem Diskurs sie wird ins Private abgeschoben. Das Leben wird offenbar nicht durch die Liebe bestimmt, sondern durch Geld und Macht. Darum ist es wahr: Die Liebe ist nicht von dieser Welt. Der Apostel Paulus hat damals zwei Fragen gestellt: Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? (Röm 10.14) Wir müssen heute folgende ganz verwandten Fragen stellen: Wie sollen die Menschen auf einen göttlichen Erlöser hoffen, wenn sie gar nicht auf die Idee kommen, dass es eine andere Hoffnung geben könnte als die auf den ökonomischen und technischen Fortschritt? Und woher sollen sie diese Idee haben, wenn ihnen alle Welt einredet, dass das Leben nicht mehr ist als ein zeitlich befristeter Kampf ums Dasein? Das ist in der Tat der Punkt, wo wir ansetzen müssen: Woher kommt diese Idee, die im Symbol der Rose auf dem toten Baumstumpf dargestellt ist? Sie wird von vielen belächelt als romantische Träumerei, von anderen zynisch verachtet als Vernebelung des Geistes. Und nicht wenige waren früher einmal von dieser Idee beseelt, wurden aber so oft enttäuscht, dass sie sie nun gewaltsam aus ihrer Seele herausgerissen haben und seitdem ihr Leben hassen und am liebsten wegwerfen würden. Was Not tut, ist eine Infragestellung und Widerlegung dieser Stimmen. Für manche genügt es vielleicht, das Altarbild einfach wirken zu lassen, um dann zur Zustimmung zu kommen: Ja, so ist es, die Liebe ist nicht von dieser Welt, die Liebe, die mich am Leben hält. Wer darüber hinaus Vernunftgründe sucht, sich dieser Einsicht anzuschließen, der möge einmal die Logik der Zyniker in Augenschein nehmen. Wie argumentieren die denn eigentlich? Und dann sieht man sehr bald, dass hier immer aus der Machtperspektive argumentiert wird: Ein einzelnes Ich oder eine kleine Gruppe möchte sich ihr Überleben auf Kosten der Allgemeinheit sichern. Die Botschaft an die anderen lautet entweder einschmeichelnd: Schließt euch unserem Denken an, dann bekommt ihr vielleicht auch etwas von dem Kuchen mit! Oder sie kommt mit Einschüchterungen daher: Wagt es bloß nicht, unser Denken zu kritisieren! Wir haben die ganze Macht von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf unserer Seite! Also fügt euch und haltet still! Doch was ist eine solche Rede wert? Nichts! Alle, die so sprechen, werden genauso sterben, wie diejenigen, die dadurch überredet oder eingeschüchtert werden sollen. Der Psalmist hat dafür folgende Worte: Warum toben die Völker, warum machen die Nationen vergebliche Pläne? Die Könige der Erde stehen auf, die Großen haben sich verbündet gegen den Herrn und seinen Gesalbten. «Lasst uns ihre Fesseln zerreißen und von uns werfen ihre Stricke!» Doch er, der im Himmel thront, lacht, der Herr verspottet sie. Dann aber spricht er zu ihnen im Zorn, in seinem Grimm wird er sie erschrecken: «Ich selber habe meinen König eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg.» (Ps 2,1-6) Liebe Gemeinde, lassen wir uns nicht einschüchtern! Lassen wir uns nicht die Hoffnung rauben, die uns so viele Jahre schon getragen hat! Hören wir nicht auf die lauten Stimmen, die doch nur von ihrem eigenen Vorteil gespeist sind! Sondern hören wir wieder auf die leise Verheißung der Bibel, die uns verkündet: Immanuel Gott ist mit uns! Gott hat den Tod nicht gemacht, Gott hat die Konkurrenz und den Unfrieden nicht gemacht, sondern Gott will, dass alle leben und in Frieden und in Fülle leben. Das ist unsere Hoffnung.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Es ist schon wieder Advent. Man mag es nicht glauben. Aber es ist so.
Heute beginnt damit für uns auch ein neues Kirchenjahr. In diesem neuen Jahr werden uns an den Sonntagen besonders das Evangelium nach Matthäus begleiten.
Das hervorstechendste Wort des Evangeliums dieses ersten Adventssonntags lautet: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt… Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.“
Manchmal fragt man sich, warum Gott uns etwas derartig Wichtiges wie die Stunde seines Kommens verborgen hält, die für einen jeden von uns im einzelnen mit der Stunde des Todes zusammenfällt.
Die traditionelle Antwort lautet: „damit wir wachsam seien und ein jeder glaubt, dass dies zu seinen Tagen geschehen kann“ (Hl. Ephräm der Syrer).
Der Hauptgrund aber ist, dass Gott uns kennt. Er weiß, welch schreckliche Angst wir hätten, kennten wir die genaue Stunde im Vorhinein und müssten wir zusehen, wie sie sich langsam, aber unvermeidlich nähert.
Gerade das ist es auch, was bei bestimmten Krankheiten die meiste Furcht einflößt. Zahlreicher sind heute die Menschen, die an plötzlichen Herzkrankheiten sterben, als jene, die an so genannten schweren unheilbaren Krankheiten leiden. Und dennoch: Wie viel mehr ängstigen diese Krankheiten, scheinen sie uns doch die Unsicherheit zu nehmen, die es uns gestattet zu hoffen.
Die Ungewissheit der „Stunde“ darf uns nicht dazu bringen, gedankenlos
zu leben, sondern als Menschen, die wachsam sind.
Nimmt das liturgische Jahr seinen Anfang, so geht das weltliche Jahr zu Ende. Dies ist eine sehr gute Gelegenheit, um eine Überlegung über den Sinn unserer Existenz anzustellen.
Im Herbst lädt uns die Natur selbst dazu ein, über das Vergehen der Zeit nachzudenken. Was der Dichter Giuseppe Ungaretti über die Soldaten im Schützengraben auf dem Carso während des Ersten Weltkriegs sagte, gilt für alle Menschen: „Man ist wie im Herbst auf den Bäumen die Blätter.“ Das heißt: Man kann von einem Moment auf den anderen fallen. So sagt Dante Alighieri: „Die Zeit vergeht, und der Menschen wird dessen nicht gewahr.“
Ein Philosoph der Antike brachte diese grundlegende Erfahrung in einem Satz zum Ausdruck, der bis heute berühmt geblieben ist: „panta rhei – alles fließt“. Im Leben ist es wie beim Fernsehen: Die Programme folgen rasch aufeinander, und das neue löscht das ältere. Der Schirm bleibt derselbe, die Bilder aber wechseln.
So ist es mit uns: Die Welt bleibt, wir aber gehen einer nach dem anderen. Von allen Namen, Gesichtern, Nachrichten, die die Zeitungen und Fernsehsendungen von heute anfüllen – von mir, von dir, von uns allen –, was wird davon in ein paar Jahren oder Jahrzehnten bleiben? Nichts. Der Mensch ist nichts anderes als „ein von der Welle auf dem Strand des Meeres geschaffenes Zeichen, das von der nachfolgenden Welle ausgelöscht wird“.
Sehen wir zu, was uns der Glaube zur Tatsache, dass alles vergeht, zu sagen hat. „Die Welt und ihre Begierde vergeht; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit“ (1 Joh 2,17). Es ist da also jemand, der nicht vergeht – Gott –, und es besteht die Möglichkeit, dass auch wir nicht gänzlich vergehen. Wenn wir den Willen Gottes tun, das heißt glauben, bei Gott sind.
In diesem Leben sind wir wie Menschen auf einem Floß, das durch die Strömung eines reißenden Flusses auf das offene Meer hinaus getrieben wird, von dem es keine Rückkehr gibt. In einem bestimmten Moment kommt das Floß an die Nähe des Ufers. Der Schiffbrüchige sagt: „Jetzt oder nie!“, und springt ans Festland. Was für eine Erleichterung, wenn er den Felsen unter seinen Füßen spürt! Das ist das Gefühl, das oft derjenige hat, der zum Glauben kommt. Aber er muß springen.
Die heilige Teresa von Avila hat als eine Art geistliches Testament das bekannt Wort hinterlassen : „Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken. Alles vergeht, Gott allein bleibt.“
Liebe Schwestern und Brüder.
Das ist auch die Hoffnung, die unser Leben trägt und unser Handeln und
Denken durchprägen sollte. Von dieser Hoffnung, dass Gott bleibt und
dass wir bleiben, wenn wir uns an ihm festmachen – von dieser Hoffnung
spricht die gestern veröffentlichte Enzyklika Benedikt XVI.
Das ist die Botschaft eines jeden ersten Adventssonntages. Das Kommen Christi
als Herr der Welt – nicht als Kind in der Krippe – steht da im
Vordergrund.
Auf IHN, seine Barmherzigkeit und Liebe zu hoffen – das ist eine adventliche
Haltung, die uns nicht nur in diesen Tagen vor dem Weihnachtsfest gut zu Gesichte
steht.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Das Ereignis der Verklärung nimmt eine ganz wichtige Stelle im Leben Jesu und seiner Jünger ein; darum nimmt Jesus auch drei Zeugen mit auf den Berg. Bevor Jesus seinen Leidensweg beginnt, sollen seine Jünger erfahren, welche Herrlichkeit ihm eigentlich zukommt und auf welches Ziel er zusteuert, wenn auch durch den Tod hindurch. Jesus weist auf seine Auferstehung voraus, damit der Glaube der Jünger gefestigt werde und sie so nicht irre werden, wenn sie ihn später werden leiden sehen.
Im zweiten Petrusbrief wird an das Geschehnis erinnert: Denn wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe. Er hat von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit empfangen; denn er hörte die Stimme der erhabenen Herrlichkeit, die zu ihm sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe. Diese Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren. (2 Petr 1,16-18)
Die Verklärung auf dem Berg erweckt zuerst ein Gefühl des Geborgenseins, sodann Staunen und Furcht. Die Jünger sind fasziniert und erschrocken zugleich. Das ist ganz angemessen für eine Gotteserscheinung, denn Gott ist das mysterium fascinosum et tremendum, das faszinierende Geheimnis, das zugleich erzittern läßt. Diesen majestätischen Aspekt Gottes haben wir heute zu sehr abgeblendet, indem wir nur das Nette und Niedliche an Gott herausgestellt haben. Von der unendlichen Erhabenheit Gottes, von seiner majestätischen Größe, Herrlichkeit und Macht, von seiner absoluten Heiligkeit machen wir uns kaum noch eine Vorstellung. Damit geht aber eine ungeheure geistige Verarmung einher und eine falsche Selbstsicherheit, die leicht dahin führen kann, was Paulus im Brief an die Philipper so ausdrückt: Man lebt als Feind des Kreuzes Christi, alles dreht sich um Essen und Trinken und irdische Vergnügen. Daß nicht der Bauch unser Gott wird, das ist nicht zuletzt der Sinn des Fastens. Doch verstehen kann diese Anstrengung nur, wer begriffen hat, wer Gott in Wahrheit ist: der absolut heilige, Ehrfurcht gebietende Herr des Himmels und der Erde.
Das haben damals die drei Jünger verstanden und nie wieder vergessen. Die Begegnung mit der umwerfenden Wirklichkeit Gottes, die alles Bekannte in den Schatten stellt, hat sie gerüstet für die kommende Zeit, die keineswegs einfach war.
Nutzen wir diese Fastenzeit, um auch uns zu rüsten für die Aufgaben des Lebens. Auch wenn wir nicht wie die Apostel zum Martyrium berufen sind, so sollen doch auch wir Zeugnis ablegen für unseren Glauben an Jesus Christus, was mitunter viel Mut kostet. Darüber hinaus erwarten jeden von uns früher oder später allerlei Leiden oder Krankheiten, die wir besser überstehen können, wenn unsere Beziehung zu Gott vertraut und gefestigt ist. Die Verklärungsepisode wird uns nicht zuletzt auch deshalb heute verkündigt, damit wird Mut fassen und Kraft schöpfen für die Arbeit der Selbstdisziplin, zu der wir aufgerufen sind. Wir dürfen sicher sein: Alle Mühe dieses Lebens lohnt sich, keine Träne ist umsonst geweint, denn Gott hat denen Großes bereitet, die ihn lieben. (Vgl. 1 Kor 2,9)
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Stellen Sie sich vor, ein Vater hat einen Sohn, der auf die schiefe Bahn geraten ist. Er hat Geld gestohlen und verjubelt, wurde erwischt und muß jetzt den Schaden wiedergutmachen. Der Vater bürgt für ihn, nimmt einen Kredit auf und bezahlt die Schuld seines Sohnes. Der Sohn verspricht ihm hoch und heilig, von nun ein rechtschaffenes Leben zu führen. Aber es dauert nicht lange, da beginnt er, sich wieder mit seinen schlechten Freunden zu treffen und die Nähe seines Vaters zu meiden. Es kommt zur Aussprache. Der Sohn sieht seine Schuld ein, ändert aber sein Leben nicht. So geht es lange Zeit.
Können Vater und Sohn auf Dauer so weiterleben? Oder muß der Vater dem Sohn nicht irgendwann eine Frist setzen: Dies ist deine letzte Chance! Wenn du sie nicht nutzt, mußt du gehen?
Das ist eine ernst gemeinte Frage, nicht nur ein Gleichnis. Können Menschen auf Dauer eine Gemeinschaft bilden, wenn auch nur einer von ihnen ständig die Liebe verletzt und nur egoistisch seinen eigenen Vorteil sucht? Nehmen wir an, es ist wirklich nur einer der Störenfried. Wird er nicht den Frieden der ganzen Gemeinschaft zerstören? Wir werden wohl sagen müssen: Das gibt es gar nicht, daß nur einer sich falsch verhält und alle anderen richtig; jeder hat seinen eigenen Anteil am Unfrieden, an der Lieblosigkeit. Aber wenn es wirklich so sein sollte, daß alle gut sind bis auf einen, dann muß der Schlechte sich bessern; ansonsten kann er nicht bei den anderen bleiben.
Um es kurz und bündig zu sagen: Eine Ewigkeit mit Bösen zusammen
zu sein, wäre die Hölle. Himmel dagegen ist, wo nur die Liebe regiert.
Nun ist Gott die Liebe selbst. Wir sind es gewohnt, uns Gott so vorzustellen,
daß er keine Probleme hat mit den Sündern. Egal was Menschen auch
anstellen, sie finden immer einen gnädigen Gott. Das ist zwar richtig,
aber nur die eine Seite der Wahrheit! Richtig daran ist, daß Gott jedem,
auch dem größten Sünder eine Chance gibt und solange
er lebt, immer wieder eine Chance. Falsch aber ist, zu denken, das bedeute,
eine Umkehr sei also gar nicht nötig. Jesus sagt es im Evangelium gleich
zweimal in äußerster Klarheit: Ihr alle werdet genauso umkommen,
wenn ihr euch nicht bekehrt. Nicht die einzelne Sünde ist für
Gott ein Problem, sondern die fehlende Bereitschaft, sich davon wirklich abzuwenden.
Die Botschaft des heutigen Evangeliums ist eindeutig: Da werden Galiläer von Pilatus grausam ermordet; 18 Menschen finden den Tod beim Einsturz eines Turms. Wie soll man das verstehen? Verlockend und eingängig ist die Volksmeinung: Das Unglück ist die Strafe für begangene Sünden. Also: Sie waren selbst schuld. Die anderen, die nicht getroffen wurden, können sich sicher wähnen. Doch Jesus sagt kategorisch: Nein! Solche Katastrophen sind niemals Zeichen der Schuld der Betroffenen. Denn wenn schon von Schuld gesprochen werden soll, dann muß man sagen: alle sind schuldig, ohne Ausnahme. Keiner kann sich sicher wähnen, solange er sich nicht aufrichtig von seiner eigenen Schuld abkehrt. Und zwar jetzt gleich, nicht irgendwann in der Zukunft.
Jesus sagt es im Gleichnis: Für den Feigenbaum ist es höchste Zeit, die Frucht zu bringen, die man ungeduldig von ihm erwartet. Dabei ist es eine besondere Gnade, daß der Weingärtner noch um Aufschub für ihn bittet, daß er sogar den Boden umgräbt und düngt, wo der Baum doch eigentlich schon seine Chance erhalten und verspielt hatte.
Offenbar sieht Jesus sich selbst in der Rolle des Weingärtners. Er hat Mitleid mit dem Feigenbaum, der ein Bild ist für die Stadt Jerusalem, die ihn und seine Botschaft ablehnt. So ruft er einmal aus: Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt. Darum wird euer Haus (von Gott) verlassen. (Lk 13,34) Er sieht voller Trauer den Untergang der Stadt voraus: Als Jesus näher kam und die Stadt sah, weinte er über sie und sagte: Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt. Jetzt aber bleibt es vor deinen Augen verborgen. Es wird eine Zeit für dich kommen, in der deine Feinde rings um dich einen Wall aufwerfen, dich einschließen und von allen Seiten bedrängen. Sie werden dich und deine Kinder zerschmettern und keinen Stein auf dem andern lassen; denn du hast die Zeit der Gnade nicht erkannt. (Lk 19,41ff)
Diese Worte Jesu gehen auch uns an. Jedem einzelnen ist die Chance zur Umkehr gegeben, aber keiner kann wissen, wie lange die Frist noch währt. Wir sind nicht besser als die Bewohner von Jerusalem. Aber wir sollen und wir können es sein wenn wir die Gnade Gottes annehmen, die uns angeboten wird, nämlich jetzt. Jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist er da, der Tag der Rettung. (2 Kor 6,2)
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Angesichts des großartigen Gleichnisses von heute könnten wir uns einmal die Frage stellen: Wem gleiche ich zur Zeit am meisten: dem Vater, dem jüngeren oder dem älteren Sohn? Oder wir können auch umgekehrt fragen: Wem dieser drei bin ich am wenigsten ähnlich, mit welcher Verhaltensweise habe ich die größten Schwierigkeiten?
Ich schlage diese kleine Besinnungsübung vor im Hinblick auf die Ausstrahlung unserer Gemeinde nach außen. Gewiß hat dieses Gleichnis Jesu auf die Hörer aller Zeiten eine ungeheure Anziehungskraft ausgeübt, die hier erzählte Barmherzigkeit des Vaters zieht fast jeden unwiderstehlich an. Umgekehrt stößt die Hartherzigkeit und Sturheit des älteren Sohnes ab. Vermutlich war die Erfahrung solchen Verhaltens von seiten der führenden Juden für Jesus überhaupt der Anstoß, dieses Gleichnis zu erfinden. Er war traurig und enttäuscht, statt Begeisterung vorwiegend Empörung über seine Predigt zu erfahren. Man ließ ihn unmißverständlich wissen, daß man auf ihn und seine Botschaft gut verzichten konnte.
Auf diesen Punkt kommt es mir heute an. Genau dasselbe erleben wir Christen heute nämlich auch: daß man uns nicht hören will, daß man gut auf unsere Botschaft verzichten und ohne sie ganz gut leben kann. Was aber ist der Grund, daß wir diese Ablehnung erfahren? Es gibt hier nämlich die drei Möglichkeiten: weil die Mehrzahl der Christen sich so wie Jesus verhält und sich darum bei den Mächtigen, besonders den Ausbeutern und Kapitalisten verhaßt macht; oder weil sie sich wie der jüngere Sohn verhält und durch moralischen Tiefstand abstößt; oder weil sie sich wie der ältere Sohn verhält und ein Bild der Umbarmherzigkeit abgibt.
Vielleicht denken Sie jetzt, es gibt auch noch viele ganz andere Gründe, die in meiner Aufzählung nicht vorkommen, z.B. daß die Leute ganz einfach desinteressiert sind an religiösen Fragen, ohne daß dies mit dem Verhalten der Christenheit zusammenhängen muß. Das will ich nicht bestreiten, denn es gibt Zeiten in der Geschichte, da ist in der Tat weniger Offenheit für die Religion gegeben als zu anderen Zeiten. Das haben wir auch nicht in der Hand. Aber das soll uns nicht von der grundsätzlichen Prüfung unserer Frage abhalten, zumal es durchaus Anzeichen dafür gibt, daß wir derzeit vor einer Wende hin zu mehr religiösem Interesse stehen. Gerade dann aber ist es von um so größerer Wichtigkeit, daß wir Christen ein Bild nach außen abgeben, das einlädt und nicht vor den Kopf stößt.
Um es einmal so zu sagen: das Scheitern, das Jesus erleben mußte, hatte einen edlen Hintergrund und letztlich hatte es die besten Folgen. Denn das Kreuz ist Zeichen des Sieges, das Blut der Martyrer ist der Same für neue Christen . Wer bei seinen Mitmenschen nicht ankommt, weil er Zeuge der Barmherzigkeit des Vaters ist, der ist auf der besten Seite und muß sich keine Vorwürfe machen. Dieses Zeugnis ist heute gewiß nicht leicht, leben wir doch in einer Gesellschaft, die den Menschen immer mehr nach seiner Leistungsfähigkeit beurteilt, in der den Müttern empfohlen wird, ihr Kind in eine Krippe zu geben, damit sie bald wieder arbeiten gehen können, während andererseits vielen Arbeitswilligen die Türen verschlossen werden. Geld regiert die Welt, für Barmherzigkeit ist nicht einmal mehr im Raum der Kirche Platz. Da klingen sehr schnell die biblischen Worte wie hohle Phrasen, vor allem in den Ohren der Verlierer. Aber auch diejenigen, die auf der Gewinnerseite stehen, sind von Angst um ihren momentanen Vorteil besetzt und von daher kaum imstande, sich den Verlierern in wirklicher Barmherzigkeit zuzuwenden.
Die schwache Ausstrahlung unseres Glaubens nach außen kann also damit zusammenhängen, daß die Mehrzahl der Christen dem Vater in unserem Gleichnis zu unähnlich ist bzw. daß es zu wenige Vorbilder der Barmherzigkeit gibt. Sie kann freilich auch darin ihren Grund haben, daß in unseren Reihen zu viele verlorene Söhne und Töchter sind, die bei den Außenstehenden das Urteil aufkommen lassen: Die sind ja auch nicht besser! Und schließlich könnte es sein, daß ein Großteil von uns mit der Zeit selbstgerecht und hartherzig geworden ist wie der ältere Sohn. Ganz gleich wie ein jeder diese Besinnungsfrage für sich beantwortet, das heutige Gleichnis gibt uns den entscheidenden Anstoß für eine Vertiefung unserer Praxis als Christgläubige: Wir alle leben von der Barmherzigkeit und brauchen sie wie die Luft, die wir atmen. Nichts zieht den Menschen mehr zur christlichen Botschaft als die Güte und Barmherzigkeit Gottes. Sie schenkt uns Wert und Würde, die heute so sehr angegriffen und mit Füßen getreten werden. In unserer Gesellschaft leiden so viele unter dem Gefühl, wertlos zu sein oder ihre Würde verloren zu haben: z.B. Frauen, die nicht arbeiten können, genauso auch solche, die arbeiten müssen und ihr Kind in staatliche Obhut geben; unglücklich Verheiratete, die sich scheiden lassen, wie auch solche, die zusammenbleiben. Jeder sieht sich kollektiver Kritik und Abwertung ausgesetzt, kaum einer hört ein aufrichtendes und ermutigendes Wort. Sollte da unser Evangelium nicht aktuell sein?
Eine Welt ohne Barmherzigkeit ist ein kalter Ort. Sie allein hilft uns, unser Leben zu bejahen, gerade wenn es gebrochen oder von Unzulänglichkeit und Scheitern gezeichnet ist. Gott sagt sein JA zu uns und schenkt uns damit eine unverlierbare Würde. Seine Barmherzigkeit zieht uns an. Möge sie auch andere anziehen, weil sie sie an uns und durch uns erfahren!
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne" heißt es. Und es stimmt vom Anfang her lässt sich vieles erst recht verstehen.
Ohne den Anfang mitbekommen zu haben, kann man einen Fernsehkrimi nicht verstehen.
Es ist oft entscheidend für menschliche Beziehungen wie und wo sie angefangen
haben.
"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne."
Das Evangelium heute spricht auch von einem Anfang.
Zum ersten Mal nämlich wirkt Jesus ein Wunder. der Hochzeit zu Kanaa.
Zum ersten Mal offenbart er sich vor der Welt als der Messias, der Herr.
Welcher Zauber diesem Anfang innewohnt, dieser Frage wollen wir heute ein
wenig nachgehen.
Jesus wirkt das Wunder während einer Hochzeit.
So eine Hochzeit damals in Palästina dauerte zwischen drei und sieben
Tagen. Das ganze Dorf und die komplette Verwandtschaft der Brautleute sind
versammelt.
Jesus ist dabei. Mittendrin im Leben der Menschen. Er schließt sich
nicht aus, dünkt sich nicht besser als die anderen. Er nimmt teil an
der Freude der Menschen.
Ihm ist nicht egal, was um ihn herum geschieht. Die anderen sind ihm nicht
egal.
Und auch deren Sorgen im Alltag sind ihm nicht egal.
Mich berührt es immer wieder, dass das erste Wunder Jesu keine Aufsehen
erregende große Heilung oder Dämonenaustreibung war. Nein, er hilft
einem in Verlegenheit geratenem Brautpaar und einem Wirt aus der Patsche.
Wein fehlt. Das Fest würde sehr traurig enden.
Das verhindert der Herr durch sein Wunder. Ihm ist es egal ob die Gäste
vielleicht zu viel getrunken oder der Wirt zu wenig einkalkuliert hat.
Er hilft ganz unscheinbar. Keiner weiß eigentlich am Ende, woher die
sage und schreibe 600 Liter guten Weines kommen. Außer Jesus und Maria.
Vielleicht noch die Diener, die das Wasser geschöpft haben...
Das ist das erste Zauberhafte, was ich in der ersten Wundertat Jesu finde: Ich und meine alltäglichen Sorgen sind ihm nicht egal. Er will sogar, dass ich mich freuen kann.
Der zweite Zauber der dem Anfang zu Kanaa innewohnt, ist die Tatsache, dass der Herr auf unsere Mithilfe baut.
Er, der Sohn Gottes, der Herrscher über Himmel und Erde- ER hätte doch schlicht und einfach so Wein in die großen Krüge befördern können.
Aber nein, erst müssen die Diener Wasser herschleppen.
Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser. Und sie
füllten sie bis zum Rand.
Die Diener müssen das alltägliche, normale Wasser heranschleppen, damit es verwandelt wird in den außerordentlichen Wein der Freude.
Unser Alltag, der oft ja so langweilig, eintönig, freudlos erscheinen
mag, kann verwandelt werden, kann außerordentlich, ja ein Genuß
werden.
Wie die Diener sollten auch wir versuchen, die Krüge bis zum Rand zu
füllen, unser Bestes zu geben, da wo wir sind, sei es am Schreibtisch,
am Herd, im OP, im oder in der Werkstatt.
Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, große Dinge zu beginnen. Es reicht dem Herrn ja das Wasser.
Vielmehr dürfen wir die kleinen Schlusssteine nicht vergessen, den einen Brief eben doch noch zu Ende schreiben; das eine Gewürz doch noch zu verwenden, auch wenn man die neue Packung aus dem Keller holen muß, den Kollegen doch noch um Rat vor diesem Eingriff fragen, dieses eine Werkstück so herstellen, als wäre es für einen selbst. Es geht eben darum, die Krüge bis zum Rand zu füllen.
Das können wir unserem Herrn anbieten, den gut gelebten Alltag. Er soll,
er wird etwas daraus Großes machen.
Die Diener haben zwar die Krüge bis zum Rand gefüllt, das Wasser
in Wein verwandelt hat aber allein der Herr.
Die Diener haben ihre Pflicht getan und dann alles von Christus erwartet,
ohne zu wissen, was er denn eigentlich mir der riesigen Menge an Wasser vorhat.
So lehrt uns das Wunder zu Kanaa eine Maxime für unser christliches Leben, die der Hl. Benedikt einmal so prägnant formuliert hat:
Betet, als ob alles von Gott abhinge,
und arbeitet, als ob alles von euch abhinge.
Pause – Wiederholung
Wenn wir uns das vornehmen zu tun, dann können Wunder geschehen. Kleine
Wunder, ohne großes Spektakel.
Jesus hat nicht ein Wort über das Wasser gesprochen, geschweige denn
irgendwelche Gebärden gemacht.
Es werden aber Dinge geschehen, die uns wie Wunder vorkommen, weil plötzlich der graue Alltag gar nicht mehr so grau scheint, weil das schale Wasser auf einmal nach köstlichem Wein schmeckt.
Der treue Dienst, die gutgemachte Arbeit der Diener und der Beistand Gottes
haben ein Fest vor der totalen Pleite gerettet, Freude verbreitet. Alle konnten
den Wunder-Wein verkosten.
Unser ehrliches Bemühen und Verrichten kann im Verein mit unserem aufrichtigen
Gebet viele menschliche Unstimmigkeiten ausräumen und eine frohe Stimmung
verbreiten. Ale verkosten dann die liebende Macht unseres Herrn.
Denn alle werden es irgendwie spüren, dass ER mittendrin ist, bei uns
ist. Wie damals bei Hochzeit zu Kanaa.
Wie zauberhaft wäre dann unsere Welt...
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Als man den Kirchenvater Hieronymus fragte, wie die Hochzeitsgesellschaft von Kana eine solche Weinmenge trinken konnte, da gab er zur Antwort: Von diesem Wein trinken wir noch heute!
Damit gibt der große Theologe um das Jahr 400 zu verstehen, daß uns diese Geschichte erzählt wird, um uns etwas über die Weise zu sagen, wie Gott sich zu uns Menschen verhält bis heute. Das berichtete Wunder steht nicht zufällig am Anfang des Johannesevangeliums: es ist das erste öffentliche Zeichen Jesu und will seine Herrlichkeit zur Erscheinung bringen. Es hat darum auch eine Verwandtschaft mit dem Weihnachtsgeschehen und der Taufe Jesu, die wir am letzten Sonntag gefeiert haben. So heißt es im Stundenbuch der Kirche in einem Gebet am Hochfest Erscheinung des Herrn: Drei Wunder heiligen diesen Tag: Heute führt der Stern die Weisen zum Kind in der Krippe. Heute wurde Wasser zu Wein bei der Hochzeit. Heute wurde Christus im Jordan getauft, uns zum Heil, Halleluja!
Das Wunder von Kana markiert den Beginn des öffentlichen Auftretens Jesu und ist wie eine grandiose Ouvertüre, in der Vieles vom späteren Wirken Jesu schon aufleuchtet. Das Evangelium beginnt mit einem Mangel: Der Wein ist ausgegangen. Wir müssen dabei wissen, daß Wein immer auch eine symbolische Bedeutung hat und für Freude und Fest steht. An Freude mangelt es also, obwohl Menschen zusammengekommen sind, um zu feiern und sich zu freuen. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, daß wir das auch kennen: Wir sind eingeladen, aber die Stimmung ist öd. Außer lauter Musik und wilder Zecherei gibt es nichts. Freude läßt sich nicht verordnen und nicht machen. Und das gilt nicht nur für Feste, sondern auch für das Zusammenleben überhaupt. Der Mangel an Freude ist eine allgemeine Erscheinung, eine Not, die wir alle kennen und x-mal erlebt haben. Freilich haben wir auch schon unsere Methoden gefunden, damit umzugehen: z.B. reichlich Alkohol konsumieren oder andere Versuche, den Mangel durch Konsum oder blinde Aktivität aufzufüllen. Es gibt Leute, die fahren Hunderte von Kilometern mit dem Auto, nur um ihre trübe Stimmung zu vertreiben.
Wir sollten das, was hier über Jesus berichtet wird, nicht mit solchen Ersatzmitteln verwechseln! Jesus bringt keinen Ersatz, sondern die echte Wirklichkeit, kein Surrogat, sondern wahre Fülle. So sagt er es später: Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. (Joh 101,10) Und interessant ist, wie er den Wein beschafft, nämlich über die Wasserkrüge, die dazu dienten, daß sich die Leute wuschen, wie das Gesetz es vorschrieb. Diese Art der Reinigung wird nun ebenfalls verwandelt und durch etwas Besseres ersetzt: Die Wasserkrüge werden zu Weinbehältern, die rituelle Waschung weicht den Sakramenten, die in der neuen Zeit gegeben sind, vor allem Taufe und Eucharistie. Die äußere Reinigung, die das Gesetz gefordert hat, geht in die innere Reinigung über, an der wir in der Eucharistie Anteil gewinnen. Von diesem Wein trinken wir noch heute!
Wir tun es immer dann, wenn wir zu Christus kommen und aus seiner Fülle empfangen, was vor allem in der Messe geschieht. Die Teilnahme an der Eucharistie ist ein Heilmittel gegen die Freudlosigkeit, die auch uns Christen zu schaffen macht. Natürlich nicht die bloße körperliche Anwesenheit ohne innere Teilnahme. Vielmehr die echte Mitfeier, d.h. das aktive Zuhören, das Mitsingen, das Einschwingen in die Hingabebewegung Jesu zum Vater, die sich z.B. im Gebet des Hl. Nikolaus von Flüe niederschlägt:
Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir. Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir. Aus diesem Gebet spricht eine Haltung, die Maria, die Mutter Jesu in vollendeter Form besessen hat. Darum hat sie auch den wichtigen Vermittlungsdienst leisten können, ohne ihren eigenen Willen über Gottes Willen zu stellen. Sie wurde nicht traurig, als Jesus ihre Bitte nicht sofort erfüllte, sondern fand vielmehr ihre Freude im schlichten Dienen, das in jenem Moment vor allem im zurückhaltenden Warten bestand und im Wort: Was er euch sagt, das tut!. Und gerade so machte sie das Wunder möglich.
Das heutige Evangelium stellt uns Maria als Vorbild vor Augen. Könnten doch auch wir so still und zurückhaltend warten und auf den Herrn vertrauen! Könnten doch auch wir unseren Eigenwillen zurücknehmen und den Willen des Vaters annehmen! Dann wären wir viel gelassener und weniger mißmutig. Wir können das lernen: auf unsanfte Weise durch das Leben, auf milde Weise aber durch die eingeübte Mitfeier der Eucharistie.
Davon spricht das heutige Gabengebet: Herr, gib, daß wir das Geheimnis des Altares ehrfürchtig feiern; denn sooft wir die Gedächtnisfeier dieses Opfers begehen, vollzieht sich an uns das Werk der Erlösung.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Der Evangelist Lukas beginnt sein Evangelium mit einer interessanten Vorbemerkung. Sie macht deutlich, wozu er den Bericht über das Leben Jesu überhaupt verfaßt, welche Informationen er dazu eingeholt und welche Zeugen er befragt hat. So erfahren wir, wie wir seine Ausführungen verstehen sollen.
Wir fragen manchmal: Sind die neutestamentlichen Berichte auch wahr? Während in früheren Zeiten hieran überhaupt kein Zweifel war und man eine solche Frage schon für skandalös hielt, scheint es heute von einem kritischen Geist zu zeugen, wenn man die biblischen Erzählungen ins Reich der Legende verweist. Es handle sich nicht um Geschichte, sondern nur um Geschichten.
Doch Lukas will offensichtlich nicht bloße Geschichten erzählen, so wie auch der Autor des 2. Petrusbriefes klarstellt. Denn wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe. (2 Petr 1,16) Dasselbe Wort von den Augenzeugen verwendet auch Lukas in seiner kurzen Vorbemerkung. Am Anfang der Überlieferungen, die Lukas gesammelt hat, müssen Augenzeugen stehen, damit sein Bericht auch zuverlässig und glaubwürdig ist.
Freilich ist das geschriebene Evangelium nicht ein vom Himmel gefallenes Dokument, in dem uns Wort für Wort haarklein und detailgetreu berichtet wird, was Jesus gesagt und getan hat. Vielmehr ist es in einem Überlieferungsprozeß entstanden, der insbesondere drei Etappen umfaßt:
1. Das irdische Leben Jesu
Jesus hat selbst nichts geschrieben, nur mündlich gelehrt. Dabei wandte er vielfach eine Sprachtechnik an, die es sehr erleichterte, das Gesagte im Gedächtnis zu behalten, vor allem Bilder, Gleichnisse, rhythmische Wiederholungen sowie Parallelismen und Antithesen, z.B. Die Ersten werden die Letzten sein, und die Letzten die Ersten. (Mt 20,16) Solche Sätze prägen sich ein wie markige Werbesprüche, und die Apostel, die sie häufiger hörten, brauchten sie gar nicht aufzuschreiben, sondern konnten sie ohne Mühe im Gedächtnis behalten.
2. Die mündliche Predigt der Apostel
Bald nach der Auferstehung und Himmelfahrt Jesus begannen die Apostel damit, überall von Jesus zu predigen. Sie schöpften aus ihren reichen Erfahrungen mit Jesus und erzählten das Erlebte natürlich so lebendig wie möglich, d.h. nicht in der Absicht, eine genaue historische Abfolge vom Leben Jesu zu geben, sondern betonten mal dies, mal jenes, je nach dem, was für die Hörer gerade nützlich erschien, um im Glauben gestärkt zu werden. Nicht die Oberfläche der Geschehnisse war ihnen wichtig, sondern der tiefe Sinn, der dahinter steckte und den sie nach Ostern klar erkannt hatten. Ob es 4000 oder 5000 Männer waren, die Jesus bei der Brotvermehrung gespeist hat oder ob es solcher Wunder mehr als eines gegeben hat, war ihnen nicht wichtig und kann darum heute auch nicht mehr entschieden werden.
3. Die geschriebenen Evangelien
Ungefähr 30 Jahre nach dem Tod Jesu begannen einige Autoren, die apostolische Predigt, die auf mündlichem Weg zu ihnen gelangt war, schriftlich festzuhalten. Vermutlich gab es zu der Zeit schon einige kleinere schriftliche Sammlungen von Einzelberichten. Lukas erwähnt, daß es viele waren, die es bereits unternommen haben, erste Zusammenfassungen in schriftlicher Form abzufassen. Einige dieser Berichte hat er vor sich, anderem ist er selber genauer nachgegangen, von Grund auf, wie er sagt, um es vom Anfang der Überlieferungskette her, d.h. von den Augenzeugen zu verifizieren. Selbstverständlich mußte er für sein Werk in den literarischen Stoff selbst stark gestaltend eingreifen: durch Auswahl des Besseren oder Wichtigeren und Auslassung des Nebensächlichen; durch Einpassung in eine sinnvoll erscheinende Ordnung, die nicht unbedingt die chronologische sein mußte; durch eine Färbung und Gewichtung nach persönlicher Vorliebe und im Hinblick auf den Leserkreis. Während z.B. Matthäus, der für Judenchristen schrieb, viele Zitate aus dem Alten Testament einbaute, um zu beweisen, daß sie in Jesus erfüllt sind, mußte Markus, der für Heidenchristen schrieb, die jüdischen Gebräuche, z.B. die Reinigungsvorschriften eigens erklären. Lukas schreibt vor allem für die Armen und Geringen, und darum liegt ihm die Herausstellung der Barmherzigkeit Gottes am Herzen, worin eine eine gute Nachricht für die Armen sieht (Lk 4,18). Sein Evangelium betont ferner stärker als die anderen das Wirken des Heiligen Geistes, den er erwähnt, wenn Matthäus einfach nur vom Guten spricht. (Lk 11,13; Mt 7,11)
Solche Differenzen zwischen den Evangelien schmälern nicht deren fundamentale Wahrheit. Sie zeigen nur, daß sie keine historischen Bücher im modernen Sinn sind, keine detaillierte, aber im übrigen langweilige Chronologie von Geschehnissen, die mit uns nichts zu tun hätten. Gerade weil das Berichtete den Hörer unbedingt angeht, also auch für uns heute über den großen Zeitenabstand hoch bedeutsam ist, darum konnten sich auch die Evangelisten nicht neutral und distanziert zurückhalten, sondern mußten ihren eigenen Glauben mit in ihr Werk einbringen, ihre glühende Liebe und Hingabe, ihre Freude und ihr Engagement.
Das Neue Testament ist etwas Einmaliges in der Weltliteratur. Religiöse Tiefe und historische Zuverlässigkeit treffen hier zusammen, wie es sonst nirgends der Fall ist. Wir Christen brauchen uns mit unserer Bibel vor niemandem zu verstecken. Wir sind nicht auf irgendwelche klug ausgedachten Geschichten hereingefallen!
Vgl. Klaus Berger: Sind die Berichte des Neuen Testamentes wahr? Ein Weg zum Verstehen der Bibel. Gütersloh 2002.
Vgl. Bernhard Wenisch: Geschichten oder Geschichte? Theologie des Wunders. Salzburg 1981.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Ich möchte heute zwei Fragen besprechen. 1. Warum werden die Landsleute Jesu in Nazareth so wütend auf ihn? Was erklärt ihren Stimmungsumschwung? Und 2. Was können wir tun, damit wir nicht von der Miesmacherei angesteckt werden?
Der Schlüssel zur Antwort auf die erste Frage steckt in der Bemerkung: Ist das nicht der Sohn Josefs? Das heißt: Was kann er uns schon Neues sagen? Wenn Jesus diese Einschätzung stehengelassen hätte, dann hätte er seine Sendung verraten. Er hätte sich in die viel zu engen Schubladen der Leute einsperren lassen, und man hätte ihn fortan nur nach Menschenart angesehen. Seine eigentliche Botschaft aber hätte keine aufnahmebereiten Hörer mehr finden können.
Andererseits wußte Jesus, daß die Einschätzung der Leute letztlich aus ihrem Neid stammte, der nach der Regel verfährt: Also schloß er messerscharf, daß nicht sein kann, was nicht sein darf. Der neidische Mensch mißgönnt dem anderen Menschen seine Überlegenheit und seine Erfolge; überhaupt alles, was herausragt, ist ihm ein Dorn im Auge, und er muß es schlecht machen und niederhalten. Wenn ich diese Fähigkeit schon nicht habe, dann soll sie auch kein anderer haben, dann darf sie keiner haben, räsoniert er im stillen und schmiedet Pläne, wie er den vermeintlichen Konkurrenten zur Strecke oder wenigstens ins Wanken bringen kann. So dachten damals auch die Landsleute Jesu, die sich mit seiner neuen Rolle nicht anfreunden wollten. Der gefühlte Neid hielt Jesus vermutlich davon ab, in seiner Heimatstadt Wunder zu wirken, denn damit hätte er diesen nur noch vergrößert. Aber auch so war der Neid schon schlimm genug, er vergiftete das Klima in der Synagoge derart, daß alle weiteren Erklärungen Jesu nur noch Aggression erzeugten. Die Wahrheit hatte an jenem Tag keine Chance. Die spätere Passion Jesu zeichnet sich schon ab.
Nun zur zweiten Frage: Wie schützen wir uns vor dem verbreiteten Virus der Miesmacherei und den vielen negativen Gefühlen, die in uns und um uns herum wirksam sind? Offensichtlich bietet nicht einmal die Kirche einen durchgreifenden Schutz, war es doch damals eine Synagoge, in der sich die Aggressionen hochschaukelten, und sind es auch heute nicht selten Inhaber hoher politischer wie auch kirchlicher Ämter, die aus Mißgunst und Neid Intrigen spinnen und ihre mißliebigen Parteifreunde oder Mitbrüder verunglimpfen, demütigen und verleumden.
In der Gemeinde von Korinth etwa hat es Auswüchse dieser Art gegeben, Paulus beklagt sie eingehend in seinem Brief. Da gibt es eine Reihe von Leuten, die sich einbilden, was Besseres zu sein, vor allem deshalb, weil sie sich im Besitz gewisser Gnadengaben oder Charismen wähnen, die sie vor den anderen auszeichnen. Sie wollen diese Gaben aber nicht in den Dienst der Gemeinde stellen, sondern nur in ihrem kleinen Club pflegen, und so provozieren sie eine Spaltung der Gemeinde. Kurz: Sie wollen nicht dienen, sondern bewundert werden. Paulus legt seine ganze Persönlichkeit in die Waagschale, um gegen diese Aufgeblasenheit und Eitelkeit anzugehen.
Den Höhepunkt seiner Ausführungen bildet das Hohelied der Liebe, in dem er den Maßstab aufzeigt, an dem alle Gaben der Menschen gemessen werden müssen. Die Liebe ist demnach der Weg, der alles übersteigt. Sie ist der einzige Weg, der zum Ziel führt, während alles andere nicht ausreicht: weder die tiefste Erkenntnis noch die heroischste Ethik. Ich kann noch so glänzende Fähigkeiten haben, wenn ich nur mich selbst suche, nur mich verwirklichen will, dann laufen meine Begabungen ins Leere. Ich kann noch so fromm tun, noch so fromme Predigten halten, wenn es mir dabei nur um meine Selbstdarstellung geht, dann wächst daraus kein Segen. Ich kann alles verschenken, wenn es mir dabei nur darum geht, von den anderen bewundert zu werden, dann nützt mir das nichts. Ja, ich könnte selbst als Martyrer sterben, wenn dahinter nur eitle Ruhmsucht stünde, hätte ich nichts davon. Die Liebe ist der Prüfstein. An der Liebe entscheidet sich alles. Ohne Liebe ist alles nur klingende Schelle und lärmende Pauke viel Lärm um nichts.
Die Liebe war der Beweggrund Gottes, in die Welt zu kommen und sie zu retten. Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. (Joh 3,16) Alle, die mit der Aufgabe betraut sind, diese Liebe Gottes vor der Welt zu leben und zu verkünden, müssen diesen Dienst selber aus Liebe und in Liebe tun, sonst sind sie keine Boten Gottes und reden nur aus sich selbst: aus ihrer Verachtung der anderen Menschen, ihrer Fehler, ihrer Wohlstandskultur, ihrem Mißbrauch der Macht oder der Natur. Solche Motive sind weit entfernt vom Niveau der christlichen Predigt. Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. (1 Kor 13,4)
So ist die Liebe auch der wirksamste Schutz gegen mögliche Verhärtung und gegen die Gefahr, vom allgemeinen Mißmut angesteckt zu werden. Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf. (1 Kor 13,7) Die Liebe ist ein Höhenweg, der alles übersteigt. Wer sich auf diesen Weg einläßt, der sucht nicht sich selbst, sondern Gott. Der sucht nicht sich selbst, sondern den anderen. Darum hört wahre Liebe niemals auf, denn sie ist nicht nur der Weg zum Ziel, sondern auch das, was uns am Ziel erwartet: uneingeschränkte, ewige und selig machende Liebe.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Wenn die Meßfeier auf ihren Höhepunkt zusteuert, ruft der Priester uns auf: Erhebet die Herzen! Natürlich meint diese Aufforderung nicht, daß sich nun alle erheben sollen, auch wenn dies dazu gehört. Vielmehr sollen von nun an alle in das Geheimnis Gottes eintreten, und zwar mit ganzem Herzen, Willen und Verstand.
In diesem Augenblick sind wir in einer ähnlichen Lage sind wie der Prophet Jesaja bei seiner Berufungsvision. Die Lesung erzählt, wie Jesaja Gott begegnet ist: er, der unwürdige, kleine Mensch dem heiligen, unnahbaren Gott. Deshalb ruft er aus: Weh mir, ich bin verloren, ich bin ein Mensch mit unreinen Lippen. Er erfährt den unendlichen Abstand zu Gott, seinem Schöpfer, und seine eigene Unwürdigkeit angesichts der Heiligkeit Gottes. Und so läßt ihn der Gesang der Engel erschauern, die rufen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt.
Genauso stehen wir vor Gott, und deshalb wiederholen wir ja in jeder Messe diesen Lobpreis der Engel, besser: wir stimmen in ihn ein, nachdem wir unsere Herzen zu Gott hin erhoben haben und unmittelbar vor der Wandlung stehen, d.h. dem Augenblick, wo Gott in unsere Mitte herabsteigt und Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu verwandelt. Müßten wir dann nicht eigentlich auch sagen: Weh mir, ich bin verloren?
Das ist der erste Teil der unheimlichen Begegnung zwischen dem Propheten Jesaja und Gott. Dann kommt ein Engel mit einer glühenden Kohle in der Hand und berührt damit den Mund des Propheten, um seine Schuld zu tilgen. Es geschieht etwas anscheinend sehr Schmerzhaftes wer möchte schon seinen Mund an eine glühende Kohle halten? , aber zugleich auch etwas Befreiendes, das die Lage des Propheten entscheidend verändert: Gott erscheint nicht mehr als der Erdrückende, Gefährliche und Bedrohliche, sondern als der Bittende und Fragende: Wen soll ich senden? Wer geht in unserem Auftrag?
Jagt uns Gott Schrecken ein? Müssen wir vor Gott Angst haben? Die Frage kommt aus einer schiefen Perspektive und kann uns darum in die Irre führen. Wir sollten besser anders fragen: Haben wir es manchmal nötig, erschreckt zu werden? Kann es für uns heilsam sein, daß wir aufgerüttelt werden aus einer falschen Sicherheit? Wenn ich z.B. auf der Autobahn fahre und langsam eindöse, für Sekunden das Bewußtsein verliere muß ich da nicht aufgeschreckt werden, um nicht ins Verderben zu fahren? So ist es auch mit unserem religiösen Leben und mit der Praxis der Gottesdienstfeier: sie kann zur Routineangelegenheit werden eine Gefahr, die besonders die Priester ständig bedroht. Und auch unser Leben: Wie oft stecken wir in einer unfruchtbaren Selbstgefälligkeit, die uns für Gottes Ruf taub macht? Da kann ein Erschrecken sehr wohl heilsam sein, wenn es auch weh tut wie eine glühende Kohle.
So ist es auch Petrus und seinen Freunden gegangen, als sie Zeuge des wunderbaren Fischfangs wurden. Schlagartig wurde ihnen bewußt, wie klein und unwürdig sie waren im Vergleich zu dem erhabenen Herrn, der sogar über die Fische Macht hatte. So rief Petrus aus: Herr, geh weg von mir, ich bin ein Sünder. Das Erschrecken war nötig und heilsam, weil sie sonst nie auf die Idee gekommen wären, Jesus auf seinem Weg zu folgen und wie er Menschenfischer zu werden.
So sehen wir: Das Erschrecken ist das notwendige Durchgangsstadium zum neuen Selbstbewußtsein, das Gott uns schenkt, wenn er einem jeden von uns sagt: Ich brauche dich. Ich will dich senden, für meine Dienste einspannen.
So ruft uns Gott auch heute. Zum Beispiel wenn Katechetinnen gesucht werden für die Kommunionvorbereitung oder die Firmvorbereitung oder Leute für den Vorstand in KAB oder Frauengemeinschaft. Weh mir, ich bin verloren, mögen einige Eltern gedacht haben, als sie die vor ihnen stehende Aufgabe als Katechetinnen bedacht haben. Aber die Frage Wen soll ich denn senden? hat sie ermutigt zu sagen: Hier bin ich, sende mich! Und siehe da: Es geht, und zwar gut, wie ich fest annehme. Der Heilige Geist wirkt in den Herzen der Kommunionkinder, weil einige Eltern ihre Mitarbeit angeboten haben.
Es ist ein Wunder, das sich täglich wiederholt und angesichts dessen wir immer wieder singen können und dürfen: Heilig, heilig, heilig...
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Immer wieder wird gesagt, der Wohlstand sei schuld daran, daß so viele Menschen nicht mehr glauben. Das scheint mit Jesu Warnung übereinzustimmen: Weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten! Sollten wir also wünschen, arm zu sein?
Ich glaube nicht, daß irgend einer, der hier sitzt, so etwas wünscht. Wir können mit den Seligpreisungen und Weherufen Jesu ja auch nicht so umgehen, als gäben sie uns konkrete Normen des Handelns vor. Es handelt sich vielmehr um Jesu ureigene Empfindungen angesichts der Situation der Menschen um ihn herum. Jesus drückt seinen Schmerz aus, weil ihm die Hartherzigkeit seiner Zeitgenossen weh tut und ihn auf den Kreuzweg des Leidens geführt hat, aber auch, weil er die bösen Folgen für die Menschen voraussieht. So sagt Jesus zu den Frauen, die ihn beweinen: Ihr Frauen von Jerusalem weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder! Denn es kommen Tage, da wird man sagen: Wohl den Frauen, die unfruchtbar sind, die nicht geboren und nicht gestillt haben. (Lk 23,29)
Tun uns die Herzenshärte unserer Mitmenschen und unsere eigene Gefühlskälte in ähnlicher Weise weh? Tut uns der Unglaube weh? Warum sollte er uns denn wehtun? Ich glaube nicht, daß es am Wohlstand liegt, daß so viele Menschen in Westeuropa in religiösen Dingen so gleichgültig geworden sind. Sonst wäre nicht verständlich, warum die mindestens ebenso wohlhabenden US-Amerikaner bis heute ihren Glauben nicht nur sehr hoch schätzen, sondern auch mehrheitlich den Gottesdienst besuchen ungefähr 36 % jeden Sonntag. Ich schließe daraus: Es tut den Erwachsenen in Westeuropa viel weniger weh als denen in den USA, daß Gott in ihrem Alltag nicht vorkommt und daß ihre Kinder religiösen Hunger leiden. Sie sorgen sich um alles Mögliche: Ausbildung, Kleidung, Sport, Musik, Theater, usw., aber kaum um das einzig Wichtige.
Warum ist der Glaube das Wichtigste? Der Visionär Friedrich Nietzsche zeigt es uns anhand der Folgen des Unglaubens, den er freilich selbst herbeigewünscht hat:
Wohin ist Gott? Ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir dies gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? Müssen nicht Laternen am Vormittage angezündet werden?
Liebe Gemeinde! Der Unglaube kettet die Erde von ihrer Sonne los, so daß sie fortwährend in eine grauenhafte Kälte und Dunkelheit stürzt. Das Grauen hat unsere Gesellschaft schon seit längerer Zeit erfaßt. Unsere Kinder erfahren immer weniger Liebe und Geborgenheit, statt dessen werden sie immer früher in den Daseinskampf gezogen, in dem das Recht des Stärkeren gilt. Sollte das die einzige Erfahrung sein, die ihr Leben grundlegend bestimmt?
Der Pfarrgemeinderat hat neulich beschlossen, sich mit dieser Situation nicht abzufinden. In den nächsten Monaten werden wir mit verschiedenen Aktionen für den Glauben und den Gottesdienst werben. Aber bitte denken Sie jetzt nicht: Gut, daß der Pfarrgemeinderat endlich mal was tut. Denn an dieser Aufgabe müssen wir alle mitwirken. Wir können uns nicht auf den Lorbeeren früherer Zeiten ausruhen. So wie mir mal ein Mann gesagt hat: Unsere Oma geht ja jeden Tag in die Kirche; das ist doch das beste Vorbild für meine Kinder. Wobei er das Entscheidende übersehen hat: das eigene Vorbild. Wenn wir es nicht selber tun, dann springt kein Funke über, mögen da noch so viele sein, die in unserer Verwandtschaft ein frommes Leben führen.
Liebe Gemeinde! Wir müssen wieder entdecken, welchen unvergleichlichen Wert der Glaube hat und warum wir alle mit höchster Intensität wünschen sollten, daß keines unserer Kinder zum Atheismus verführt wird. Wenn wir dies erkannt haben, dann werden wir auch sehen, daß es beim bloßen, wenn auch dem intensivsten Wunsch nicht bleiben kann, sondern daß Taten folgen müssen, wenn es uns mit dem Wunsch ernst ist.
Als der atheistische Philosoph Voltaire starb, da sagte die Krankenschwester, die dabei war: Für alles Geld Europas möchte ich keinen Ungläubigen mehr sterben sehen.
Tut Ihnen die Vorstellung nicht weh, daß Ihre Kinder und Enkel womöglich einen ähnlich schrecklichen Tod haben wie Voltaire, ja daß sie schon ihr ganzes Leben als sinnlos und grausam erfahren müssen? Aus dem Weh folgt der Ruf nach Heilung. Wer Zahnschmerzen hat, geht zum Zahnarzt. Wem der Unglaube weh tut, der kehrt zu Gott zurück.
So müssen wir alle uns bekehren, umwenden, zu Gott zurückkehren, damit der Fluch des Unglaubens von uns genommen wird. Konkret bedeutet das, daß wir die Symbole für Gottes gegenwärtige Liebe wieder zum Sprechen bringen und in unseren Alltag zurückholen, z.B. das Tischgebet, das Kreuz, das Weihwasser, vor allem aber die rechte Feier des Sonntags, der nicht allein durch Ausschlafen und gemeinsames Familienfrühstück bestimmt sein darf.
Bei alledem darf uns nicht die Angst aufhalten, daß unsere Nachbarn und Arbeitskollegen uns vielleicht die kalte Schulter zeigen: Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, wenn sie euch beschimpfen und euch in Verruf bringen um des Menschensohnes willen. Freut euch und jauchzt an jenem Tag; euer Lohn im Himmel wird groß sein!
Gallup-Umfrage, März 2000. Danach gehen weitere 24 % einmal im Monat in die Kirche.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Die heutige Schriftlesungen führen uns den Tod vor Augen, den Abgrund, vor dem wir Menschen stehen und der uns Angst machen kann, der uns traurig und verzweifelt macht und uns den Halt nimmt. Demgegenüber erfahren wir heute: Der Tod ist nur die vorletzte Wirklichkeit. Die letzte Wirklichkeit ist das Leben, das Leben in Person.
Jesus begegnet einem Beerdigungszug. Eine Frau, die bereits ihren Mann verloren hat, beklagt nun auch noch den Tod ihres einzigen Sohnes. Jesus macht keinen Bogen um sie, er schottet sich nicht ab und sucht keine Ausflüchte. Er geht vielmehr auf diese Frau zu und tröstet sie: Weine nicht! Und dann zeigt er ihr, daß er Macht sogar über den Tod besitzt: Er erweckt den Toten wieder zum Leben und gibt ihn seiner Mutter zurück. Damit gibt er ein gewaltiges, aufrüttelndes, ja geradezu furchterregendes Zeichen der Hoffnung und führt so lebendig vor Augen, daß die alten Prophezeiungen vom Reiche Gottes sich zu erfüllen beginnen: Alle Tränen sollen einst abgewischt werden, wenn Gott endlich alle widergöttlichen Mächte beseitigt hat.
Was aber kann dieser Text für uns heute bedeuten? Er ist geeignet, unseren Glauben an Gott zu stärken, der das Leben selbst ist. Dadurch gewinnt ferner unsere Hoffnung wieder festen Grund, unsere Hoffnung auf ein Leben jenseits des Todes. Vor allem aber werden wir zur tätigern Liebe ermutigt, konkret zum Mitleid: Das Leid und die Trauer der anderen sollen uns zu Herzen gehen, wir sollen für ihren Schmerz unsere Augen öffnen und nicht wegschauen.
Die Episode des heutigen Evangeliums könnte die Überschrift tragen: Der Herr hatte Mitleid. Ja, sein Mitleid war so groß, daß er etwas tat, was eigentlich erst Ostern geschehen sollte. Aber Jesus konnte angesichts seines übergroßen Mitleides nicht so lange warten.
Wenn wir ihn schon nicht nachahmen können in seiner wunderbaren Totenerweckung, so können wir es doch im Mitleid. Aber das ist gar nicht so leicht. Man möchte keine Fehler machen und kein falsches Wort sagen. Darum schweigen wir so oft und meiden die Trauernden. Aber für dieses ist es dann doppelt schlimm, müssen sie dann doch denken, daß sie auch noch von ihren Freunden im Stich gelassen werden.
Anteilnahme ist darum eine Kunst, denn die vielen gut gemeinten Worte sind schon tausendmal zur Phrase erstarrt, und viele sind da sehr empfindlich und wollen solche Worte nicht hören. Aber andererseits: Wer diese schwierige Lage mit einem trauernden Menschen aushält und Anteil nimmt, der tut ein sehr gutes Werk und ein sehr nötiges. Denn er hält demjenigen den Himmel offen, für den sich gerade alles verschlossen hat, für den, der an nichts mehr glauben und auf nichts mehr hoffen kann. Der Trost eines Freundes kann hier die Rettung sein, sein Mitleid das einzige Licht.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Nicht auszurotten ist der Hang des Menschen, über abwesende Dritte zu reden und insbesondere über deren wirkliche oder vermeintliche Fehler herzuziehen. Warum tun die Menschen das so gerne? Die anderen? Nur die anderen? Oder sollte ich mich selbst lieber gleich mit einschließen?
Daß solcher ehrabschneiderische Tratsch nicht okay ist, fällt uns nur selten auf, meistens haben wir dabei sogar ein gutes Gewissen. Woran liegt das? Ich denke, es liegt daran, weil wir tief in unserem Unterbewußtsein spüren, daß wir keineswegs völlig okay sind, daß unser moralischer Zustand ungefestigt ist und daß es viele Schwachstellen gibt, die besser nicht ans Tageslicht kommen sollten; wir verdrängen sie. Und eine sehr wirksame Methode der Verdrängung besteht in der Wegwendung der Aufmerksamkeit auf die Schwächen und Fehler anderer. So räsonieren wir gerne ungefähr so: Solange es noch Menschen gibt, die schlechter sind als ich, brauche ich mir um mich selbst keine Sorgen zu machen, und habe ich keinen Grund, mich zu ändern und zu bekehren.
Jesus hat im Beispiel vom Pharisäer und Zöllner im Tempel diese selbstgerechte Denkweise treffsicher auf den Punkt gebracht: Gott, ich danke dir, daß ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. (Lk 18,11) Ganz genauso denkt auch der Pharisäer Simon, bei dem Jesus zum Essen eingeladen ist und der ganz sicher kein schlechter Mensch war, vielmehr ein zu Recht angesehener Mann. Ihm war gar nicht aufgefallen, daß er es an den gebührenden Höflichkeitserweisen Jesus gegenüber hatte fehlen lassen. Da kam ihm die Frau gerade recht, die vermutlich stadtbekannte Sünderin, die in wunderbarer Weise von seinen eigenen Versäumnissen ablenken konnte. Ich vermute, daß in ganz ähnlicher Weise den CSU-Politikern Beckstein und Huber und die außereheliche Affäre des Gesundheitsministers zupaß kam, um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen.
Aber wichtiger noch als die moralische Frage nach Schuld und Entschuldigung ist die theologische Frage nach unserem Stand vor Gott. Im Beispiel vom Pharisäer und Zöllner sagt Jesus: Ich sage euch: Der Zöllner kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden. (Lk 18,12) Dem Pharisäer Simon gibt er eine ähnliche Lehre: Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie (mir) so viel Liebe gezeigt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe. (Lk 7,47)
Jesus wird nicht müde, ein Bild von Gott zu zeichnen, das es wirklich verdient, Frohe Botschaft genannt zu werden. Die Sünderin hat Jesus vermutlich schon vorher erlebt: als wortgewaltigen Prediger, als barmherzigen Helfer in der Not und als eine Persönlichkeit mit einer Ausstrahlung, die gerade die in ihrem Selbstwertgefühl zutiefst erniedrigten Sünder anzog und sie erkennen ließ, daß er ihr Leben grundlegend wenden konnte. Wir können uns ausmalen, was die Begegnung mit diesem Mann für sie bedeutete: Endlich einer, der sie annimmt, der sie nicht wegstößt, der ihr wieder Hoffnung gibt, aus der Verlorenheit ihrer Existenz herauszukommen! Jedenfalls erfaßte diese Frau in der Begegnung mit Jesus, daß die Liebe, von der die Schriftgelehrten in blutleeren Worten und abstrakten Prinzipien redeten, ohne sie in der Praxis zu üben, wirklich existiert und daß sie tatsächlich schöner und erhebender ist als die Art von Liebe, der sie sich bisher hingegeben hatte.
Da erwacht ihr Glaube und leitet nun die ganze Leidenschaft und Liebeskraft dieser Frau in ganz neue Bahnen. Sie durchbricht alle Schranken der Zurückhaltung und nähert sich Jesus beim Gastmahl, um ihm ihre dankbare Liebe zu zeigen. Obwohl ihr Vorhaben zutiefst peinlich und anstößig ist, führt sie es aus und nimmt die damit verbundene Demütigung in Kauf, und Jesus, dessen Freiheit durch keine falschen Rücksichten gebunden ist, läßt es geschehen, womit er schon wortlos andeutet, daß er die Liebe dieser Frau annimmt. Jesus bleibt souverän, obwohl er spürt, was in Simon vorgeht, daß dieser nun auch über ihn schlecht denken wird. Feinfühlig lenkt er das Gespräch von der Frau ab und versachtlicht es, und so schützt er sehr geschickt die Intimsphäre der Frau. Er gibt zu verstehen: Ihre Schuld und Reue gehen keinen von euch etwas an.
Das Gleichnis von den beiden Schuldnern soll den theologisch geschulten Pharisäer zur Einsicht führen, daß Gottes Barmherzigkeit bald größer, bald geringer ist je nach der Größe der Schuld, daß sie aber immer ein Geschenk ist und als solches dankbare Gegenliebe erweckt. So lädt er den Pharisäer ein, einzustimmen in die dankbare Freude der Frau, ähnlich wie der Bruder des verlorenen Sohns sich freuen soll, daß der Verlorene wiedergefunden wurde.
Aber diese Art zu denken, ist neu und ungewohnt für Simon und neu auch noch für uns Christen heute. Schadenfreude ist auch für uns noch die reinste Freude, und Freude über die Umkehr eines Sünders fast nur aus den Heiligenviten bekannt.
Die Botschaft Jesu ist nie nur theoretisch gemeint. Sie betrifft unser Handeln, sie appelliert an unsere Liebe. Sucht nicht, vor den anderen als Gerechte dazustehen, indem ihr mit Fingern auf andere zeigt und euch an ihrem Schaden freut, sondern handelt wie Jesus, indem ihr die Schuld der anderen zudeckt und euch nur über das, was gut ist, freut!
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Wenn ein Kind geboren wird, ist es immer ein Zeichen, daß Gott lebt. Diese indische Weisheit leuchtet in der Erzählung des heutigen Evangeliums neu auf. Wir feiern selten den Geburtstag eines Heiligen, fast immer seinen Todestag, als den Geburtstag für den Himmel. Nur bei zwei Heiligen feiern wir auch den irdischen Geburtstag für diese Welt: bei Maria (am 8. September) und am heutigen Tag das Geburtsfest Johannes des Täufers. Denn diese beiden Menschen waren nicht nur außerordentlich heilig, sondern ihre Geburt hat uns auch Gottes Heil näher gebracht. Als sie geboren wurden, da wurde der Menschheit ein neuer Anfang des Heils geschenkt. Im Anfang ist das Ganze und seine Vollendung schon keimhaft grundgelegt. So sieht es jedenfalls die Heilige Schrift. Das zeigt auch der Name Johannes: Jahwe ist gnädig. Das neu geborene Kind soll nicht so heißen wie sein Vater; sein neuer Name soll anzeigen, daß sich Jahwe in diesem Kind auf neue Weise seines Volkes erbarmt.
Den Geburtstag Johannes des Täufers feiern wir sechs Monate vor dem Geburtsfest Christi, am 24. Juni. Darin besteht ein tiefer Sinn: Am Tag der Sommersonnenwende, da, wo die Mittagshöhe der Sonne ihren höchsten Punkt erreicht hat, soll das Geburtsfest des Johannes auf den Triumph des Lichtes Christi hinweisen. Von nun an werden die Tage wieder kürzer. Darin sah der hl. Augustinus eine kosmische Bestätigung für das Johanneswort: Dieser Jesus muß wachsen, ich aber muß kleiner werden.
Was aber war die Sendung des Täufers? Warum war Johannes so wichtig für Gottes Erlösungsplan? Darauf kann in zweifacher Weise geantwortet werden: historisch und theologisch.
1. Die historische Bedeutung des Täufers. Sie ergibt sich aus seinem Tun. Johannes war ein wahrer Prophet, wie ihn Israel lange nicht mehr gesehen hatte. Schon die außergewöhnlichen Umstände seiner Geburt ließen die Frage aufkommen: Was wird wohl aus diesem Kind werden? Tatsächlich war die Hand des Herrn mit Johannes, dessen Leben so radikal anders war, daß er die Aufmerksamkeit des ganzen Volkes auf sich zog. Seine Umkehrpredigt war so gewaltig, daß sich viele Menschen dem Taufritus unterzogen, den er eigens erfunden hatte. Die Leute fragten einander und ihn selbst, ob er nicht vielleicht der angekündigte Messias sei. Doch Johannes sagte immer wieder: Ich bin es nicht. Nach mir kommt einer, der stärker ist als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. (Mt 3,11)
Das Wirken des Täufers war von eminenter Bedeutung für Jesus von Nazareth. Er war in der Tat dessen Wegbereiter. Ohne sein Zeugnis wäre Jesus vermutlich nicht so schnell bekannt geworden. Viele der Jünger des Johannes folgten bald Jesus nach mit vollem Einverständnis des Täufers: Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes! Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus. (Joh 1,36f)
2. Lamm Gottes! Dieses Symbolwort, das wir in jeder hl. Messe verwenden, leitet zur theologischen Bedeutung dieses letzten Propheten des Alten Bundes über. Seht das Lamm Gottes, rief Johannes damals aus und zeigte auf Jesus. Matthias Grünewald, der Maler des berühmten Isenheimer Altarbildes, hat sich von diesem Wort inspirieren lassen und den Täufer unter dem Kreuz Jesu positioniert mit einem langen Finger, der auf den Gekreuzigten weist, weil er alle vorchristlichen Opfer in sich vereinigt und überbietet wie ein Lamm, das für die Sünden der Menschen geschlachtet wird. Dieses Bild stellt keine Historie dar, denn Johannes war schon tot, als Jesus am Kreuz hing. Grünewald malt Heilsgeschichte, Glaubensgeschichte. So stellt er auch unter dem Kreuz das Lamm dar, dessen Blut in den Kelch fließt und auf die Eucharistie hinweist: Durch Christi Wunden sind wir geheilt. (Jes 53,5)
Der Täufer ist der Fingerzeig Gottes. Sein großer Finger weist auf Christus hin: Dieser muß wachsen, d.h. in unserem Leben größer werden, wir müssen kleiner werden, d.h. wir müssen unser eigenes Ich zurücknehmen, um Platz zu schaffen für den, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat. (Gal 2,20)
3. Wer ist heute Fingerzeig Gottes in der Welt? Wer weist heute hin auf die Bedeutung der Eucharistie, in der uns Christus als das geopferte Lamm begegnet und in der wir das ewige Leben haben? Im Pfarrgemeinderat machen wir uns seit Monaten Gedanken darüber, wie wir unseren Mitmenschen die Feier der Heiligen Messe am Sonntag ans Herz legen können. Aber ich spüre die Resignation nur zu gut, und auch ich bin manchmal tief enttäuscht über die sich ausbreitende Mißachtung der Sonntagsmesse. Da denke ich manchmal: Wofür sich noch anstrengen? Wenn die Leute lieber schlafen und verschiedenen Freizeitaktivitäten nachgehen wollen was regen sie sich dann auf, wenn vielerorts Kirchen geschlossen werden? Müssen wir uns wundern, wenn in einer solchen Zeit niemand mehr Priester werden will?
Sein Name sei Johannes: Jahwe ist gnädig. Das heutige Fest soll uns die Resignation nehmen und neue Zuversicht geben, daß unsere Mühe nicht vergeblich ist. So wie jedes neugeborene Kind von Gottes Güte kündet, so erinnert uns die Geburt des Täufers an die große Macht Gottes, der stärker ist als alle menschliche Bequemlichkeit und Verblendung.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt,
taugt für das Reich Gottes.
Liebe Schwestern und Brüder,
dieses Wort werden Sie vermutlich gut kennen, es zumindest schon einmal gehört
haben.
Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt,
taugt für das Reich Gottes.
Der Herr bedient sich hier eines Bildes aus dem Alltag der landwirtschaftlich
geprägten Welt des damaligen Israels.
Für uns, die wir doch eher städtisch geprägt sind, leuchtet dieses Bild auf Anhieb nicht ein. Und wenn wir an das Pflügen denken, kommen uns wohl eher die Traktoren mit ihren gewaltigen, schweren Pflügen in den Sinn, die die Erde scheinbar wie Butter durcharbeiten.
Damals, zur Zeiten Jesu, war das anders. Der Pflug wurde meist von einem Rind gezogen. Und der Pflug selbst war aus Holz, vielleicht auch einmal aus Metall. Er war aber niemals sonderlich schwer. Deshalb musste der Bauer sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Pflug legen, um ihn sozusagen schwer zu machen, damit er die nötige Tiefe gewann, um den Boden wirklich gut bearbeiten zu können.
Wenn der Bauer sich aufrichtete, verlor das Pflügen an Tiefe. Diese Arbeit verlangte vom Bauern also vollkommene Aufmerksamkeit ohne Kompromisse.
Einer, der die Hand an den Pflug legte und zugleich zurückschaute, riskierte also an Gewicht und Tiefe zu verlieren, seine Arbeit um den Ertrag zu bringen.
Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt,
taugt für das Reich Gottes.
Jesus wendet dieses Bild auf die Menschen an, die ihm nachfolgen wollen, auf
diejenigen, die für das Reich Gottes taugen wollen.
Er wendet auf uns Christen an.
Unser Glaube soll Tiefe haben, soll die Erde für die Saat bereiten,
soll sichtbare Spuren hinterlassen, damit das Reich Gottes Gestalt annehmen
kann in unserem Leben und im Leben unserer Gesellschaft.
Dazu bedarf es des ganzen Einsatzes. Wie der Bauer sich mit seinem ganzen
Gewicht auf den Pflug legen muss, so verlange der Herr von uns, dass wir uns
mit unserer ganzen Person der Nachfolge Christi verschreiben. Halbheiten nützen
weder dem Bauern, noch dem Glaubenden.
Man kann nicht nur ein bisschen glauben, das, was man gerade passend, nett
findet.
Man kann auch nicht nur zu bestimmten Zeiten glauben, dann, wenn einem so
feierlich zumute ist, wenn man gerade das Bedürfnis danach hat.
Wer glauben will, wer mir nachfolgen will, sagt Jesus, der muß es mit Haut und Haar wollen, der muß sich ganz mir überlassen. Anders geht es nicht. Andernfalls wird der Glaube flach, ohne Tiefe, hinterlässt keine Spuren.
Vielleicht ist dieser fehlende Wille, es ernst mit dem Glauben zu machen, auch Ursache dafür, dass das einst "christliche Abendland" nun eine Verfassung hat ohne Gottesbezug, ohne Hinweis auf die christlichen Wurzeln. Die Gläubigen, die Kirche, die christlichen Politiker haben scheinbar zu wenig Gewicht in diesem Europa.
Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt,
taugt für das Reich Gottes.
Das Bild sagt auch, dass der Glaube nicht rückwärtsgewandt ist.
Es gilt nicht zurückzuschauen, sondern voranzugehen.
Nicht das, was war, soll uns beschäftigen, sondern das, was kommt, und das, was zu tun bleibt.
In unserer Zeit ist die Versuchung groß, zurückzublicken. Wie oft höre ich es, wie sich die Älteren erinnern, wie voll damals die Kirchen waren, wie präsent die Kirche in der Gesellschaft war, wie viel man in der Familie gebetet hat. Und manchen überkommt eine gewisse Nostalgie: So müsste es wieder sein, so wie damals.
So verständlich diese Regungen sind, sie helfen im Heute nicht weiter. Die Kirche, die Gesellschaft der 50er, 60er Jahre ist nicht die Kirche, nicht die Gesellschaft in 2007. Aber in dieser Welt 2007 gilt es, dem Glauben Gewicht zu geben. Das heißt nicht, dass man das Gute und Bewährte vergisst und über Bord wirft. Es will in der Sprache von heute gesagt werden.
Wenn man so will, muss die Kirche heute aktuell sein. Das heißt nicht,
dass sie sich dem Zeitgeist anpassen muß. Denn: Aktuell ist nicht das,
was eine Gesellschaft gerade will, sondern aktuell ist vielmehr das, was eine
Gesellschaft braucht.
Die Kirche muß nach vorne schauen. Das kann sie voll Hoffnung und Vertrauen,
weil ihr der Herr den Rücken stärkt.
Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt,
taugt für das Reich Gottes.
Was für die Kirche als Ganze gilt, hat auch Bedeutung für den einzelnen
Christen. Denn manchmal kann es sein, dass uns unsere Vergangenheit zu sehr
beschäftigt, dass wir zu sehr an unsere Fehler und Sünden denken.
Wir sollen aber nicht zurückschauen auf das, was war, sondern nach vorne
schauen, auf das, wozu wir berufen sind.
Der vietnamesische Kardinal van Thuan hat das einmal sehr schön ausgedrückt:
Die Heiligen haben eine Vergangenheit. Die Sünder eine Zukunft.
Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt,
taugt für das Reich Gottes.
Sich ganz und gar auf das Abenteuer des Glaubens einlassen, ohne Wenn und
Aber, ohne Mittelmäßigkeit. Und dabei hoffnungsfroh und zuversichtlich
in die Zukunft sehen.
So taugen wir für das Reich Gottes. So werden wir das, was die Kirche
heilig nennt, treue Diener und Dienerinnen des Herrn.
So kann unser Leben Spuren hinterlassen, aus denen Gutes erwachsen kann, so
wie auf einem gut durchpflügten Feld das Getreide wächst und gedeiht.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Zur Freiheit sind wir befreit und berufen das hat uns die heutige Lesung in Erinnerung gerufen und dazu die Mahnung ausgegeben: Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch! (Gal 5,13) Wir haben es mit einem ganz zentralen Punkt der Verkündigung des heiligen Paulus zu tun, einem Punkt, der allezeit aktuell ist. Was ist damit aber gemeint?
Wie nimmt man sich die Freiheit als Vorwand für das Fleisch? Wenn man seinen egoistischen Launen freien Lauf gewähren will und dazu die gegebene Freiheit mißbraucht. Beispiele gibt es genug: Kinder, die spät abends heimlich fernsehen; Jugendliche, die die sturmfreie Bude ausnutzen; Verheiratete, die bei Kegelausflügen über die Stränge schlagen; Angestellte, die während der Arbeitszeit privat telefonieren und im Internet surfen usw. Zu alledem ist die Freiheit nicht da. Paulus setzt betont dagegen: Dient einander in Liebe! Die Freiheit ist für die Liebe da, und Liebe ist wesentlich wechselseitiger Dienst.
Nun wird der eine zustimmen und sagen: Genau so ist es! und ein anderer wird sagen: Das ist mir zu hoch! Ein bloßes Ideal, das keiner erreicht. Gewiß sieht die Welt meistens anders aus: Die Menschen wollen einander nicht dienen, zumindest nicht umsonst, sondern dabei wenigstens etwas verdienen. Aber es dürfte auch klar sein, daß der pure Egoismus selbstzerstörerische Folgen hat. Paulus drückt dies drastisch so aus: Wenn ihr einander beißt und verschlingt, dann gebt acht, daß ihr euch nicht gegenseitig umbringt. (Gal 5,15) Der Egoismus hat keinen Bestand, denn er ist parasitär: er lebt von der Bereitschaft anderer, dem Gemeinwohl zu dienen, einer Bereitschaft, die er aber selber nicht aufbringt; darum wird eine durch und durch egoistische Welt zugrundegehen. Anders die Liebe: sie führt kein Schmarotzerdasein und lebt nicht auf Kosten anderer, sondern im Gegenteil: Wer seine Freiheit für die Liebe einsetzt, der stellt seine eigenen Interessen zurück, um anderen das Leben zu ermöglichen und zu erhalten. Das tun die Eltern für ihre Kinder, die Eheleute füreinander, die ehrenamtlich Engagierten für ihren Verein oder ihre Gemeinschaft um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Wir wissen aber, daß wir noch sehr weit vom Idealzustand entfernt sind: Erstens müßten alle Menschen und Menschengruppen so handeln, also auch z.B. die Lehrer für ihre Schüler, die Chefs für ihre Angestellten, die Reichen für die Armen und sicher müßten auch umgekehrt die Schüler ihre Lehrer achten, die Angestellten ihre Chefs und die Armen ihre Wohltäter. Davon aber kann nur sehr begrenzt die Rede sein. Und zweitens mischt sich auch in die Liebe der Erstgenannten immer das hinein, was Paulus das Fleisch nennt, also Egoismus, Eifersucht, Neid, Streitlust, Arroganz, Selbstgerechtigkeit oder Ungeduld, so daß selbst in den Familien keine heile Welt ist, und auch die Kirche geht hier nicht mit bestem Beispiel voran.
Viele haben daraus für sich den Schluß gezogen, daß die Menschen eben schlecht sind, also müsse jeder das Beste für sich daraus machen. Ich denke an so viele Griesgrame und Übellaunige, die ständig über andere Menschen meckern und herziehen, denen nichts gut genug ist, die aber selbst kaum einen Finger rühren, damit das Leben besser wird. Sie haben den Kampf aufgegeben. Ihre ganze ständig geäußerte Empörung gegen die böse Welt macht nur denjenigen, die sich um das Gute bemühen, das Leben unnötig schwer und nimmt ihnen die Kraft und den Mut.
Bin ich vielleicht schon in Gefahr, mich der Fraktion der Nörgler anzuschließen? Dann sollte ich mir unbedingt folgende Frage vorlegen: Wie liebenswürdig erscheinen mir die anderen Menschen? Sehr wenig oder gar nicht? Denn es gilt die Regel: Je mehr man liebt, desto liebenswürdiger erscheinen einem die anderen. Freilich gilt auch das Umgekehrte: Je mehr wir lieben, desto liebenswürdiger erfahren uns die Mitmenschen. Allein unsere gelebte Liebe kann andere Menschen anstecken und für das Gute begeistern. Allein so werden sie nach dem Geist fragen, der uns leitet.
Dieser Geist ist der Heilige Geist, der Geist, der uns zu Kindern Gottes macht und so von aller Knechtschaft befreit. Wer die Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes (Röm 8,21) erfahren hat, dem liegen Intoleranz und Fanatismus fern. Es ist eine ständige Versuchung der Christen, wenn sie die Macht dazu haben, den Glauben und die Gerechtigkeit des Reiches Gottes gewaltsam durchzusetzen. So wollen Johannes und Jakobus angesichts der verweigerten Gastfreundschaft Feuer auf ein samaritisches Dorf fallen lassen. Jesus muß sie zurechtweisen. (Lk 9,55)
Freiheit und Liebe sind Früchte des Heiligen Geistes. Als solche müssen sie erbetet sein. Sie sind indessen nicht minder Frucht einer guten Erziehung und guter Vorbilder. Der eine zieht den andern mit nach oben oder nach unten. Zur Freiheit hat uns Christus befreit! Ihr seid zur Freiheit berufen.Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe!
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
„Freut euch darüber, daß eure Namen im Himmel verzeichnet
sind.“ Mit diesen Worten wendet sich Jesus an jene 72 Jünger, die
er ausgesandt hat, damit sie ihm in die Städte und Dörfer vorhergehen,
in die er selber kommen will.
Die Jünger sind gerade eben zurückgekommen, denn sie haben ihren
Auftrag erfüllt und konnten in Jesu Namen viel Großes und Wunderbares
wirken: Sie heilten Kranke, verkündeten das Evangelium vom Reich Gottes
und trieben Dämonen aus.
Es ist verständlich, daß sie nun bei ihrer Rückkehr voll Freude
von ihren Erfahrungen und Erlebnissen erzählen. Sie sind stolz auf ihre
„Erfolge“.
Jesus hört sich das alles geduldig an.
Dann aber belehrt er sie darüber, daß sich die Jünger all
das Große nicht selber zuzuschreiben haben. Sie sind ja gesandt worden
und haben in der Vollmacht dessen gewirkt, der ihnen den Auftrag gegeben hat.
Ihre Kraft kommt von Gott allein. Der himmlische Vater hat im Heiligen Geist
seinen Sohn in diese Welt gesandt; und der Sohn – Jesus Christus –
sendet die aus, die er erwählt hat: die Apostel, die Jünger sowie
alle, die an sein Wort glauben.
Die Jünger dürfen jetzt nicht beim Äußeren stehenbleiben,
so großartig ihr Wirken auch war. Wesentlich ist nicht, daß ihnen
die „Geister gehorchen“, sondern daß sie von Gott geliebt
und erwählt sind, daß sie berufen sind, ins Reich Gottes einzutreten,
daß ihre Namen „im Himmel verzeichnet sind“.
Liebe Brüder und Schwestern!
Von uns hat niemand die Gabe der Krankenheilung und des Wirkens von Wundern
erhalten – und wenn dies so wäre, dann müßte dies von
der Kirche erst geprüft werden –, wir dürfen aber die Worte
Jesu an die Jünger in gewissem Sinn auch auf uns anwenden, wenn er sagt:
Freut euch, daß eure Namen im Himmel verzeichnet sind!
Gottes Wille ist unser Heil, unsere Rettung. Dazu ist ja der Sohn Gottes Mensch
geworden, und dafür ist er gestorben und auferstanden, um uns zu erlösen
von allem Bösen.
Unsere Welt ist keine „heile“ Welt: es gibt die Sünde, das
Leid, den Tod. Doch die Macht des Bösen ist ein für allemal gebrochen
durch das Heilswerk des Erlösers, das er in Macht und Herrlichkeit vollenden
wird, wenn er wiederkommt am Ende der Zeiten. Auch uns wurde das Reich Gottes
verkündet
Und wir sind bereits eingetreten in dieses Reich durch die heilige Taufe,
die wir empfangen haben. Freuen wir uns also, daß wir gleichsam jetzt
schon „Himmelsbürger“ sind! Im Glauben gehören wir zu
Jesus Christus, und diese Gemeinschaft verbindet uns auch untereinander in
der von Christus gestifteten und vom Heiligen Geist geleiteten Kirche.
Freut euch, daß eure Namen im Himmel verzeichnet sind!
Liebe Schwestern und Brüder, mal ehrlich:
Freuen Sie sich wirklich darüber? Haben Sie sich jemals darüber
gefreut? Kommt Ihnen das überhaupt einmal in den Sinn: Hurra, der Herr
hat mich erlöst.
Den Christen wird oft vorgeworfen, dass sie nicht einen sonderlich frohen,
erlösten Gesichtsausdruck haben. Und das stimmt auch wirklich zum Teil.
Es gibt Vertreter des Christentums, des Katholizismus, die alles andere als
Freude ausstrahlen, vielmehr ständig mosern, gegen den Papst, die Bischöfe,
den Pastor usw.
Ihnen ist die christliche Freude verlorengegangen, weil sie sich zuwenig von
der eigentlichen Botschaft des Evangeliums und der Kirche beeindrucken lassen
und sich fast ausschließlich auf Nebenschauplätzen austoben.
Wir aber, wir sollten den Rat des Herrn hören und ernstnehmen:
Freut euch, daß eure Namen im Himmel verzeichnet sind!
Als ich die Pilger unserer Gemeinde aus Lourdes wiederkommen gesehen habe,
da sah ich diese Freude aus den Augen blitzen. Diese Freude kam vom gemeinsam
erlebten Gebet zusammen mit den anderen aus der Gruppe und den Kranken und
all den Pilgern aus der ganzen Welt. Ich hoffe, dass die jungen Christen,
mit denen ich gleich im Anschluß an die Messe nach Assisi wallfahren
werde, ähnlich froh heimkehren werden.
Blicken wir noch einmal zurück auf die zweiundsiebzig Jünger, die
Jesus ausgesandt hat! Welche Aussichten hat ihnen Jesus gegeben? Durften sie
mit vorbehaltloser Anerkennung von Seiten der Menschen rechnen? Keineswegs!
Die einen würden das Wort Gottes annehmen, die anderen es ablehnen und
womöglich auch die Boten des Evangeliums schlecht behandeln. Der Jünger
steht nicht über seinem Meister. Wie sie ihn verfolgt haben, so werden
auch seine Jünger verfolgt werden. Wie sein Wort Aufnahme findet, so
dürfen auch die Verkünder des Evangeliums Gehör und Annahme
erwarten.
Wir alle, liebe Brüder und Schwestern, sollen durch unser Leben Zeugen
der frohen Botschaft des Glaubens sein, die uns anvertraut worden ist. Es
gehört mitunter Mut und Zivilcourage dazu, sich zum Glauben zu bekennen,
wo dies aufgrund sogenannter „political correctness“ nicht erwünscht
ist. Wenn wir aber nicht eintreten für die Werte, die uns als Christen
verbinden, wer wird dann unsere Gesellschaft gestalten? Die Wölfe unter
die wir gesandt worden sind, schlafen nicht. Der Teufel macht keinen Urlaub.
Eine „Zivilisation der Liebe“ läßt sich nur aufbauen
auf dem Fundament des christlichen Glaubens, der nicht nur mit den Lippen
bekannt wird, sondern auch in die Tat umgesetzt werden soll. Glaube und Leben
müssen eine Einheit bilden!
Haben wir keine Angst, denn Gott ist bei uns. Seine Liebe trägt uns und
wirkt in den Herzen der Menschen, die Gott im Heiligen Geist anruft, seine
Botschaft im Glauben anzunehmen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Homo homini lupus der Mensch ist für den Menschen ein Wolf, so hat der Philosoph Thomas Hobbes gesagt und damit gemeint, daß die Menschen einander feindlich gegenüberstehen, weil sie um ihr Überleben kämpfen müssen und jeder dabei des anderen Konkurrent ist. Diese Wolfsnatur des Menschen lasse sich zwar zähmen, indem die Menschen sich einer höheren Autorität unterwerfen, die sie vor gegenseitigen Übergriffen schützt. Aber dennoch bleibe der Mensch im Grunde seines Wesens egoistisch und friedlos.
Ich glaube nicht, daß Hobbes damit das Wesen des Menschen richtig bestimmt hat, aber ganz unrecht hatte er wohl auch nicht. Im Licht der Bibel gesehen, trifft seine Beschreibung auf den Menschen zu, so weit er von der Sünde bestimmt ist. Sie kommt jedoch an ihre Grenze, sobald es um die Erlösung geht. Für Hobbes kann die Wolfsnatur nicht geheilt, sondern allenfalls gebunden und eingeschränkt werden. Das Evangelium Jesu Christi verkündet uns dagegen die Hoffnung auf einen Frieden, der aus einem erneuerten Herzen des Menschen kommt: nicht einen, wie die Welt ihn gibt. (Vgl. Joh 14,27)
Zwischen der Welt mit ihrem wolfsähnlichen, unfriedlichen Verhalten und dem Reich Gottes als dem Inbegriff des Friedens gibt es keinen kontinuierlichen Übergang, denn beide sind durch einen Gegensatz getrennt. Darum sendet Jesus seine Jünger mit den Worten aus: Ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe. Hier die Wölfe, d.h. diejenigen, die sich mit Gewalt und gegen die anderen das Überleben sichern wollen, dort die Schafe, d.h. jene, die ihr Leben allein von Gott erwarten und darum keine irdische Feindschaft mehr kennen. Ein ungleicher Kampf, möchte man meinen, von vornherein aussichtslos für die Schafe! Und doch stehen wir hier vor dem Geheimnis der Erlösung, das Thomas Hobbes anscheinend nicht kannte oder jedenfalls völlig verkannt hat. Der Apostel Paulus, der ungefähr 25 Jahre nach dem Kreuzestod Jesu seinen Brief an die Galater geschrieben hat, erklärt, wie das Kreuz Jesu tatsächlich die entscheidende Wende gebracht hat: die Wende in seinem eigenen Leben und die geschichtliche Wende zu einer neuen Epoche, die seitdem nach Christi Geburt gezählt wird.
Er schreibt: Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. Denn es kommt nicht darauf an, ob einer beschnitten oder unbeschnitten ist, sondern darauf, daß er neue Schöpfung ist. (Gal 6,14f) Die Welt ist für den Apostel tot, die alte Welt nämlich, in der die Menschen einander Wolf sind, die Welt, die sich nicht um Gott und seinen Willen kümmert, sondern nur um sich selbst. Dagegen steht die neue Schöpfung, die Gott eingeleitet hat, indem er Jesus, den Gekreuzigten, auferweckt hat. Auf diese neue Schöpfung kommt es allein an, denn nur sie hat auf ewig Bestand, während die alte friedlose Welt sich selbst zugrunderichtet. Für den Gegensatz von alter Welt und neuer Schöpfung gilt das Wort Jesu: Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es gewinnen. (Lk 17,33) Wer Wolf bleiben will, wird als Wolf sterben. Wer sich aber wie ein wehrloses Lamm den Händen Gottes anvertraut, der wird zwar wie alle anderen aus dem irdischen Leben scheiden, um dann jedoch das Leben in Fülle haben. (vgl. Joh 10,10)
Die neue Schöpfung ist freilich noch nicht in ihrer vollendeten Gestalt sichtbar, denn sie ist mit der alten gleichsam vermischt. Alte und neue Schöpfung sind wie Unkraut und Weizen durcheinander gemischt. Unsere Gesellschaft enthält neben den christlichen Werten, die sie über Jahrhunderte durchsäuert haben, noch viel Rücksichtslosigkeit, Brutalität und Ungerechtigkeit. Und auch in jedem einzelnen kämpfen gleichsam zwei Seelen in der Brust.
Die Aussendungsrede Jesu gibt uns eine Regel an die Hand, wie wir mit dieser Spannung am besten umgehen. Das erste, was die ausgesandten Jünger tun sollten, war, den Häusern, in die sie kamen, Frieden zu wünschen. Und wenn dort ein Mann des Friedens wohnt, wird der Friede, den ihr ihm wünscht, auf ihm ruhen. (Lk 10,6) Zwar gibt es auch Ablehnung und Mißerfolg, aber wo Menschen für die Botschaft der Liebe eine gewisse Aufnahmebereitschaft zeigen, da wirkt der Segen wie eine Kraft, die die Wirklichkeit positiv verändert. Der Friede ist kein unerreichbares Fernziel, denn wir Christen sind mit dem österliche Frieden Christi beschenkt und werden es immer neu: Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden geben ich euch (Joh 14,27). Der Friede Christi kann und soll von uns, seinen Jüngern, ausströmen wie Wasser aus der Quelle, wie der Strahl aus der Sonne. Nicht immer erreicht er sein Ziel, oft versickert unsere Friedfertigkeit in der Bosheit der Umwelt, manchmal zischt es auf, wie wenn Feuer von Wasser getroffen wird. Aber oft erreicht er auch sein Ziel, kommt an und zeigt seine umwandelnde Kraft. So wie ein Lächeln fast unwiderstehlich ein anderes Lächeln herausfordert, so ruft der Christ, der im Frieden Christi ruht, bei seinen Mitmenschen ein freundliches Echo hervor.
Ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe. Jesus ist uns vorangegangen als das Lamm, das unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet wurde. Seine wehrlose Ohnmacht war das größte Zeichen seiner Liebe. Er hat uns damit den schlimmsten Teil der Friedensmission abgenommen. Seitdem hat die Friedensbotschaft in aller Welt Gehör gefunden und ihre verwandelnde Kraft entfaltet. Wenn wir nur ein kleines bißchen Ehre haben, dann müßte uns dies herausfordern zu einem eigenen Zeugnis des Friedens in der sicheren Hoffnung, daß dieses Werk alle Anstrengung lohnt.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Liebe Schwestern und Brüder,
wenn man eine Umfrage machen würde, welches denn wohl das bekannteste Gleichnis sei, das Jesus erzählt hat, dann würde neben dem Gleichnis vom verlorenen Sohn bzw. dem barmherzigen Vater sicherlich auch das Evangelium von heute genannt werden: Der barmherzige Samariter.
Selbst jene, die mit der Kirche sozusagen nichts am Hut haben, kennen großteils diesen Teil der Hl. Schrift. "Ein barmherziger Samariter zu sein" ist in die bildhafte Sprache des Alltags eingegangen. Große Künstler haben sich dieses Themas angenommen, z. B. Vincent van Gogh, der auf eindrucksvolle Weise darstellt, wie der Samariter denjenigen auf sein Reittier setzt, der unter die Räuber gefallen war.
Der Barmherzige Samariter ist uns sympathisch: er sieht die Not, hat Mitleid
und hilft selbstlos und tatkräftig.
Der Barmherzige Samariter: das ist auch das Idealbild für alle in der
Pflege und Medizin beschäftigten.
Insofern ist die Botschaft des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter klar
und einfach: Der wichtigste Mensch ist der, dem du gerade begegnest. Der wichtigste
Moment ist jetzt. Die wichtigste Tätigkeit ist die, in der du jetzt Gutes
tun kannst.
Doch ich glaube, das Gleichnis hat auch noch eine andere Dimension, eine Tiefendimension.
Es ist wie eine Muschel, die man im Meer finden kann. Man öffnet die
Muschel, und wenn man Glück hat, ist darin eine Perle, etwas Wertvolles
und Schönes, auf das es ankommt. Und eine solche Perle können wir
auch im Gleichnis finden. Schauen wir einmal genauer hin:
Da ist dieser Mann, von dem wir weder wissen, was er beruflich macht, noch,
wie alt er ist und was er vorhat. Wir wissen nur, daß er von Jerusalem
kommt und nach Jericho will. Das heißt: Man kann annehmen, daß
es sich um einen frommen Mann handelt, um einen, der den Tempel besucht und
ein Opfer dargebracht hat. - Ein solcher Mann ist in den Augen des Gesetzeslehrers,
der Jesus in das Gespräch verwickelt hat, sofort sympathisch. Man könnte
denken: dieser Mann, der da unterwegs ist und überfallen wird, in dem
kann ich mich wiederfinden! Ja, dieser Mann - der bin ich selbst! Genau das
will Jesus hier: daß der Hörer des Gleichnisses sich mit diesem
Mann, der da unter die Räuber fällt, identifiziert! Daß er
sagt: Ja, das bin ich!
Genau darum geht es Jesus. Die drei Figuren, die jetzt auftauchen - der Priester,
der Levit, schließlich der Mann aus Samarien - sie zeigen durch ihr
praktisches Verhalten: nicht der, von dem ich es vielleicht am ehesten erwarte,
weil er mein Verwandter, mein Stammesgenosse oder mein Verbündeter ist,
sondern der, der mir helfend zur Seite steht, der ist es, der sich mir als
mein Nächster erweist!
Was tut also Jesus? Er dreht die Frage des Gesetzeslehrers um. Der Gesetzeslehrer
wollte ja wissen: Wie komme ich in den Himmel? - Eine berechtigte Frage, eine
Frage, die zeigt, daß es ihm um's Ganze geht. Jetzt aber zwingt ihn
Jesus, sich in die Rolle des verletzten, blutenden, ausgeraubten Mannes zu
versetzen, der da im Staub liegt und dem die eigenen Mitmenschen nicht helfen!
Was könnte das denn anderes bedeuten, als daß Jesus sagen will:
Du Mensch, der du überlegst, was du selber tun kannst, um in den Himmel
zu kommen, du mußt dir erst einmal bewußt sein, wer du eigentlich
bist! Du mußt dir bewußt sein, daß du selber geschlagen,
ausgeplündert und blutend daliegst - durch die Sünde, der du dich
ausgeliefert hast, durch die Macht des Bösen, die dir alles genommen
hat, was dir wichtig und heilig war!
Und wenn du das erkannt hast, wer du bist und was du hast, dann dankst du
für den Menschen, dem du bisher aus dem Weg gegangen und für den
du nicht viel übrig gehabt hast, weil er aus Samarien kommt. Er wird
jetzt für dich ganz wichtig, denn er rettet dein Leben, er hebt dich
auf sein Reittier, er bringt dich in die Herberge, wo man für dich sorgt
und du dich erholen kannst!
Ich bin sicher, daß Jesus genau an dieser Stelle von sich selber spricht.
Er spricht vom barmherzigen Samariter. Und in der Gestalt dieses Mannes aus
Samarien will Jesus selbst erkannt werden. Warum können wir das annehmen?
Darauf gibt es zwei Antworten: Einmal, weil Jesus weiß, daß er
eines Tages von seinen eigenen Glaubensbrüdern ausgestoßen, verraten
und ausgeliefert wird, daß man mit ihm nichts mehr zu tun haben will.
- Und zum anderen, weil dieses Gleichnis im Lukasevangelium kurz nach der
Stelle kommt, wo es heißt, daß Jesus sich entschließt, nach
Jerusalem zu gehen: Jerusalem - da wird er verworfen werden, da wird er auch
auferstehen und seine Sendung vollenden.
Und auf diesem seinen Weg nach Jerusalem begegnet er uns, die wir durch die
Sünde kraftlos geworden sind und wie Ausgeraubte am Boden liegen. Er
lindert unsere Schmerzen mit dem Öl der Sakramente. Er nimmt uns mit
in die Herberge, wo wir ausruhen können: ein wunderbares Bild für
die Kirche und den Gottesdienst, der uns zu uns selbst und zum lebendigen
Gott kommen läßt.
Und so ist dieses Gleichnis wirklich eine Perle und ein Schatz, der uns anvertraut
ist, damit wir Jesus, den wahren Samariter, finden und durch ihn leben.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Immer wieder kommen Menschen an meine Tür, die von mir Hilfe erwarten, meistens finanzieller Art. Selten habe ich diese Bettler mit leeren Händen weggeschickt nur dann, wenn sie in kurzer Zeit allzu häufig gekommen sind, unverschämt waren oder ganz offensichtliche Lügengeschichten erzählt haben. Aber auch wenn ich Grund habe zu glauben, daß sie mir etwas Unwahres erzählen, gebe ich ihnen meistens etwas. Allerdings bin mir ich nicht immer sicher, daß das richtig ist.
Oft fällt mir die heutige Beispielgeschichte ein, und dann frage ich mich, ob sie überhaupt anwendbar ist auf solche Betteleien. Etwas anderes ist es beispielsweise, wenn ich mit dem Auto an einem Unfall vorbeifahre und keiner ist da, der erste Hilfe leistet. Dann bin ich gefordert ganz egal, was für wichtige Termine ich habe. Ich muß anhalten und den Verletzten beistehen, so gut ich kann.
Wo ist der Unterschied? Ich sehe zwei wichtige Unterschiede: 1. in der Dringlichkeit der geforderten Hilfe und 2. in meinen eigenen Möglichkeiten zu helfen. Die Bettler auf der Straße oder an meiner Haustür haben keine erste Hilfe nötig; sie sind zwar in einer sehr bemitleidenswerten Lage, aber nicht in Lebensgefahr. Manchmal erwecken sie nicht einmal Mitleid, sondern eher das Gegenteil: Zorn und Empörung, weil sie so unglaublich dreist sind. Und zum zweiten: die Spaziergänger, die an den Bettlern vorbeigehen, und die Hausbewohner, die angebettelt werden, wären völlig überfordert, wenn sie verpflichtet wären, den vielen Elendsgestalten zu helfen.
Was folgt daraus? Eine ganz wichtige Regel der Moral, daß nämlich unsere Verantwortung begrenzt ist, und zwar begrenzt durch unsere eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Nicht alle Menschen sind uns gleich nah; einige sind weit weg außerhalb unseres Verantwortungsbereichs, andere stehen uns näher und wieder andere stehen uns am nächsten.
Da unsere Möglichkeiten begrenzt sind, ist auch unsere Verantwortung begrenzt. Wir können nicht allen Armen und Kranken auf dieser Welt helfen, und darum müssen wir es auch nicht. Wir sollen da helfen und Gutes tun, wo Menschen uns wirklich nahe sind, d.h. vor allem in der Familie, am Arbeitsplatz und in der Kirchengemeinde.
Das ist die eine Lehre, die ich aus dem heutigen Evangelium ziehe. Sie entlastet mich und macht mich gerade dadurch frei für andere Werke der Liebe, Werke der Übergebühr, wie man sie auch genannt hat.
Denn davon handelt das Evangelium auch und gibt mir noch diese zweite Lehre: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. (Mt 25,40) Wenn ihr das tut, was über Pflicht und Schuldigkeit hinausgeht, dann seid ihr wirklich Kinder Gottes und habt keine enge Krämerseele. An der Bereitschaft zu solcher Liebe hat man in zwanzig Jahrhunderten die Christen erkannt. Also an einer Liebe, die weder fragt: Was bekomme ich dafür?, noch sich gezwungen sieht, weil Pietät und Anstand ein entsprechendes Verhalten gebieten.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die Bettler an der Tür zurückkommen. Nicht selten verfahren diese nach einem ziemlich schäbigen Argumentationsmuster: Sie wollen mir einreden, daß ich als Pfarrer ja wohl durch mein Amt oder wenigstens durch Sitte und Anstand gehalten sei, ihnen großzügig Geld zu geben. Sie nutzen damit mein Amt aus und halten meine Freundlichkeit für selbstverständlich. Entsprechend undankbar treten sie auf. Das ist eine Verhaltensweise, die ich auch in anderem Zusammenhang schon öfter beobachtet habe: Da wird einem Menschen großzügig Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt, und anschließend sagt dieser nur halbherzig Dankeschön; statt dessen gibt er seinem Helfer zu verstehen, daß sich sein Verhalten ja eigentlich von selbst verstehe. Darf man etwa von einem Christen nicht Liebe erwarten? Wenn einem solches gesagt wird, kann selbst der geduldigste und freundlichste Mensch die Beherrschung verlieren! Das sind tiefe Nadelstiche, die dem liebenden Samariter die Freude an der guten Tat echt versauern.
Es wird oft gesagt, daß unsere Gesellschaft kälter geworden ist. Ich glaube auch, daß das zutrifft. Aber das liegt nicht nur daran, daß es weniger Menschen gibt, die bereit sind, wie der barmherzige Samariter über Gebühr Gutes zu tun; es liegt auch an der empörenden Undankbarkeit, die den zum Guten bereiten Menschen entgegengebracht wird. Ich habe kein Recht, über die kalte Welt zu schimpfen, wenn ich nicht selbst Licht und Wärme in meiner Umwelt verbreite.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Glücklich der Mensch, der einen Schatz hat! Stimmen Sie mir zu? Haben Sie selbst einen Schatz? Ist es Ihr Ehepartner, sind es Ihre Kinder, gibt es einen besonderen Gegenstand, den Sie als Ihren Schatz betrachten, oder ist es Ihr Ansehen, Ihre Stellung, Ihr Beruf?
Oder wissen Sie gar nicht genau, ob es etwas gibt, was es wert ist, Ihr Schatz genannt zu werden? Müssen Sie erst überlegen, Pro und Contra abwägen? Jedenfalls haben wir soeben ein Kriterium gehört, durch das sich Schätze auszeichnen: Wo dein Schatz ist, das ist auch dein Herz. Glücklich der Mensch, der einen Schatz hat, denn er hat etwas, an das er sein Herz hängen kann. Nichts ist auf die Dauer nämlich schlimmer als ein leeres, unerfülltes Herz, ein Herz, das zwar zur Liebe geschaffen ist, aber nicht wirklich lieben und sehnen kann.
Das Herz ist der Sitz unseres Fühlens und Liebens, nicht nur ein Organ, das unseren Körper mit Blut versorgt, sondern eines, das all unserem Denken, Reden und Tun eine Seele gibt, es durch und durch mit kraftvollen Gefühlen durchströmt und unser Dasein mit tiefem Erleben füllt. Eine Maschine ist ein Ding ohne Herz: sie fühlt nichts, ersehnt nichts, bangt nicht, hofft nicht, hängt sich an nichts, kennt keinen Schatz. Mag sie auch noch so gut funktionieren sie verdient unseren Respekt nicht. Wie anders ist doch der Mensch, vor allem wenn er sein ganzes Herzblut in seine Tätigkeit steckt und wenn er sein Herz an die wirklich hohen Güter verliert, an die, die es wert sind!
Cor dare sein Herz geben, das ist das lateinische Wort (credere) für glauben. Der Hebräerbrief sagt es so: Feststehen in dem, was man erhofft, überzeugt sein von Dingen, die man nicht sieht. (Hebtr 11,1) Nicht bloß mit dem Verstand eine unsichtbare Sache für möglich oder sogar wahr halten, sondern einen Schatz im Herzen haben, nämlich den wahren und einzigen Schatz, den Ewigen Gott, und für diesen Schatz alles tun und alles hingeben. Alles meinem Gott zu Ehren in der Arbeit, in der Ruh. Abraham verließt um dieses Schatzes willen seine Heimat und zog in die Fremde, ja, er war sogar bereit, seinen innig geliebten Sohn zu opfern. Das ist Glaube!
Das ist sicher auch ein Ideal, das uns heute vor Augen gestellt wird, während wir zugleich wissen, daß wir weit davon entfernt sind. Denn wir tragen den Schatz in zerbrechlichen Gefäßen (2 Kor 4,7), unser Wissen und Verstand ist mit Finsternis umhüllet, wir tun uns schwer damit, den wahren Schatz von den vielen anderen wertvollen Dingen zu unterscheiden. Wir sind nicht ohne weiteres geneigt, das Unvergängliche mehr zu lieben als das Vergängliche. Und darum können wir die Aufforderung Jesu auch nicht genauso wörtlich nehmen wie Franziskus oder Antonius, die ihre ganze Habe verkauften, um den Schatz im Himmel zu gewinnen.
Wir können es nicht, und wir müssen es auch nicht. Aber auch für uns gilt die Devise: Macht euch Geldbeutel, die nicht zerreißen. Das ist, finde ich, einer der genialsten Sprüche, die Jesus eingefallen sind. Gerade weil die allermeisten von uns darauf angewiesen sind, Geld zu haben und zu sparen, um sich und die Angehörigen zu versorgen, gerade deshalb brauchen wir ein Korrektiv, das uns davor bewahrt, das Geld als den Schatz zu betrachten, an den wir unser Herz hängen. Denn in der Tat hat das Geld ja eine Reihe Merkmale, die auch einem Schatz zu eigen sind: Es kann nahezu jedem Mangel und jeder Bedürftigkeit abhelfen, fast alle Not lindern, und so verheißt es Glück und Sicherheit für die Zukunft. Darum zieht es auch das Menschenherz so magisch an und läßt es nicht los, auch wenn der Wohlstand ein Maß erreicht hat, das man sich vorher nicht einmal erträumt hat. So wird das Geld zum Götzen, zum Mammon. Es befreit zwar von Sorgen, aber um den hohen Preis, daß das Herz am Ende ganz eng und versklavt ist. Ein seltsamer Schatz!
Damit es gar nicht erst so weit kommt, sollen wir regelmäßig die Mahnung beherzigen, uns Geldbeutel zu machen, die nicht zerreißen, und uns einen Schatz zu verschaffen, der nicht abnimmt (Lk 12,33). Die Währung, die Jesus hier im Blick hat, ist die Liebe, die Hingabe, das Wohltun, das Abgeben, Teilen und Spenden. Die Liebe ist nämlich das einzige Gut auf dieser Erde, das wächst, indem es austeilt. Sie ist darum eigentlich nicht mehr von dieser Welt, sondern kommt aus einer anderen Welt. Die Liebe ist das einzige Gut, das unser Herz wahrhaft sättigt, ohne einen schalen Nachgeschmack zu hinterlassen. Gewiß haben Sie es in Ihrem Leben schon erfahren, daß die Freude am Schenken größer sein kann als die am Beschenktwerden. Wie viele Geschenke zieren unsere Wohnungen aber welches davon ist schon ein echter Schatz? Wo Sie aber einmal Ihr Herz verschenkt haben, da haben Sie einen Schatz gewonnen, oder sollte ich mich irren?
Wir können wohl nicht in alle Tätigkeit unser Herzblut investieren. Aber damit uns nicht das Blut in den Adern gefriert und andere uns nur noch als Eisblock erfahren, sollten wir die Währung der Liebe wenigstens in kleineren Portionen ausgeben: jeden Tag und unbeirrt von den Undankbarkeiten unserer Mitmenschen. Auch diese tragen ja den Schatz in zerbrechlichen Gefäßen und brauchen immer wieder einen Anstoß zur Überwindung des eigenen Egoismus; vielleicht hilft ihnen heute gerade unser erster Schritt.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Überraschend unbequem ist der Jesus des heutigen Evangeliums, liebe
Schwestern und Brüder!
Nicht von der Liebe zum Nächsten oder dem Frieden untereinander oder
der Seligkeit der Barmherzigen spricht er, sondern vom Zwietracht, Streit,
Entzweiung.
Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung.
Wer nur diesen Satz liest oder hört, der kann es mit der Angst zu tun
bekommen. Mit einer Angst vor Gottesstreitern, die in der Nachfolge Jesu ohne
Rücksicht auf Verluste alles Nichtchristliche, ja alle Nichtchristen
ausrotten wollen.
Vielleicht kommt dem einen oder der anderen die Phantasie von christlichen
Fundamentalisten, die wie die z. Zt. wütenden Islamisten Terror und Schrecken
verbreiten. Jesus ein Kriegstreiber?
Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage
ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung.
Dieser Satz ist sperrig und seine Botschaft irritiert. Wenn man diesen Satz
isoliert liest. Was sagt er aber aus, wenn man ihn im Sinnzusammenhang liest,
zusammen mit den Worten davor und danach? Was sagt er aus, wenn man ihn vor
dem Hintergrund des ganzen Lebens und der Botschaft Jesu liest?
Jesus ist kein Kriegstreiber. Er war niemals ein Feldherr, der seine Truppen
mit Waffengewalt gegen Andersgläubige geführt hat. Das hat Mohammed
getan, aber nicht Jesus.
Das Wort Jesu ruft uns nicht auf, mit Brutalität gegen alles Nichtchristliche
oder gegen die Nichtchristen um uns vorzugehen.
Ihm geht es vielmehr um unser Inneres. Einen inneren Feldzug sollen wir führen gegen das Unchristliche, Nichtchristliche in uns. Es geht ihm um unsere Entscheidung: für oder gegen IHN. Ganz oder gar nicht.
Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. sagt ER.
Das Element Feuer ist in der Sprache der Bibel ein Bild für das Wirken,
die Anwesenheit Gottes. Als Feuersäule geht er dem Volk Israel in der
Wüste voran. Im Feuer, das brennt aber nicht verbrennt, offenbart es
sich dem Mose. Das Feuer von oben verzehrt das Opfer des Abraham.
Das Feuer ist aber auch Bild für die Prüfung, die Reinigung, die
Entscheidung. Mit einer glühenden Kohle wird die Zunge Jesajas von Engeln
gereinigt. Oft spricht die Schrift davon, dass Menschen wie Gold im Feuer
gereinigt werden müssen.
Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich,
es würde schon brennen.
Der Herr will, dass wir uns für IHN entscheiden. Ganz Feuer und Flamme
für IHN sind. Für IHN, der wie er sagt mit einer Taufe getauft werden
muss. Er meint damit sein Kreuz.
„Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe“ überliefert der Kirchenvater
ein Wort Jesu, das nicht zur Bibel gehört.
Wer Jesus nahe sein will, muss sich entscheiden. Und das ist nicht immer leicht. Jesus ist ja nicht einer, der mit schönen Kalendersprüchen daherkommt. Für fromme Allgemeinplätze und nette Benimmregeln ist er nicht ans Kreuz geschlagen worden. Er starb am Holze des Kreuzes, weil er sich als der Sohn Gottes offenbarte.
„Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe“ – An Jesus scheiden sich die Geister. Und deshalb auch die Menschen. Wer sich für Christus entscheidet, erntet nicht unbedingt Applaus. Es kann sein, dass sich Menschen von ihm abwenden, dass Freundschaften infrage gestellt werden, dass es auch zuhause zu Konflikten kommt. Darauf geht der Herr deutlich ein, wenn er sagt: Denn von nun an wird es so sein: Wenn fünf Menschen im gleichen Haus leben, wird Zwietracht herrschen: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei.
Wer sich für Christus entscheidet – und damit auch für seine Kirche – kann nicht nur mit Zustimmung rechnen. Gerade in einer Zeit, wo man das Religiöse einzuebnen versucht in ein esoterisches Wohlgefühl oder zu pädagogisieren versucht, als sei Religion nur eine Art wohlfeile Moral für Gutmenschen. Diese Form der unverbindlichen Religiosität scheint mit in unseren Tagen vorherrschend zu sein, eine Art kleinster gemeinsamer Nenner, nach dem Motto: Irgendwie glauben wir doch alle an den einen Gott.
Ein Christ aber, glaubt nicht irgendwie an einen Gott. Er sieht das Antlitz Gottes in Jesus Christus. Und jeder, der in die Augen Jesu schaut, muß sich entscheiden: für oder gegen ihn. Damit einher geht die Entscheidung für die Kirche, seinen mystischen Leib.
Vielen scheint eine solche feste Haltung unmöglich zu sein. Deshalb
tut es gut, spornt es an, auf Menschen zu blicken, die sich entschieden haben.
Es tut gut sich ein Vorbild an den Heiligen und Seligen zu nehmen.
An ihnen hat mich immer wieder fasziniert, dass sie, nachdem sie sich ganz
für Christus entschieden hatten, innerlich frei waren, um für das
wirklich Gute einzutreten. Ich denke da z. B. an Mutter Teresa, an Thomas
Morus, an Elisabeth von Thüringen oder auch an die Gründerin des
Ordens unserer Schwestern in Grafenwald, an Magdalena Postel.
Aber ist das was für uns? Nehmen wir da den Mund nicht etwas zu voll, wenn wir uns mit Heiligen messen wollen?
Die Antwort gibt die Lesung aus dem Hebräerbrief:
Da uns eine solche Wolke von Glaubenszeugen umgibt, wollen auch wir alle Last
und die Fesseln der Sünde abwerfen. Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf
laufen, der uns aufgetragen ist, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber
und Vollender unseres Glaubens; er hat angesichts der vor ihm liegenden Freude
das Kreuz auf sich genommen, ohne auf die Schande zu achten, und sich zur
Rechten von Gottes Thron gesetzt.
Das Vorbild der Heiligen und Seligen - die nicht vom Himmel gefallen, sondern auf der Erde gewachsen sind – kann uns ein Ansporn sein, es ihnen gleichzutun. Zumindest uns zu bemühen.
Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe. – Für Christus und seine
Kirche brennen – das ist Heiligkeit.
Und es ist ein offenes Geheimnis, dass es Weltkrisen gibt, weil es an Heiligen
mangelt.
Es liegt auch an Ihnen, Dir und mir und der Art, wie wir unseren Glauben ernstnehmen, ob sich etwas zum Guten wendet oder nicht.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Vermutlich haben Sie schon mal etwas von den amerikanischen Fernsehpredigern gehört. Sie erreichen hohe Einschaltquoten und können sich durchaus mit den kommerziellen Fernsehshows messen. Sie sind erfüllt von guter Laune, sie feiern den Überfluß und sie bieten den Menschen genau das, was sie sehen und hören wollen. Sie tun damit wahrscheinlich ziemlich genau das Gegenteil von dem, was Jesus getan hat, denn Jesus hat den Menschen nicht das geboten, was sie wollten, sondern nur das, was ihnen nottat. Das heutige Evangelium gibt uns da ein eindrucksvolles, ja bestürzendes Beispiel.
Vielleicht sind wir schon zu sehr von der geruhsamen Fernseh-Welt eingelullt, daß wir für diese Worte gar kein Verständnis mehr aufbringen. Und doch haben sie über die Jahrhunderte ihr Echo gefunden und Menschen aus falschen Bahnen geworfen hinein in eine lebendige Beziehung zu Christus. So der berühmte Philosoph Blaise Pascal, in dessen Rock man nach seinem Tode die folgenden Worte auf einem Zettel eingenäht fand:
Feuer, Gewißheit, Gewißheit, Empfindung, Freude, Friede, Vergessen der Welt und aller Dinge, ausgenommen Gott.
Ja, Pascal und viele andere haben es erfaßt, was Jesus wollte, nämlich Feuer auf die Erde werfen, das Feuer der göttlichen Liebe, den Heiligen Geist! Mit Leidenschaft gegen Gleichgültigkeit und Trägheit ankämpfen trotz allen Widerstands, ja, Widerstands bis zum Tod! Wenn unsereins, besonders aber die Fernseh-Leute von Liebe sprechen, dann spürt man wenig von innerer Glut, von Entschiedenheit und der unbeirrbaren Bereitschaft, allen Widerständen entgegenzutreten. Im Fernsehen werden uns überwiegend erotische Hochglanz-Bilder präsentiert, lächelnde, vor Gesundheit strotzende Stars, die allseits beliebt sind und von Moral wenig verstehen, geschweige denn praktizieren. Da ist kein Feuer, weder heiß noch kalt, sondern es weht eine laue Luft, eine unentschiedene Beliebigkeit und zugleich eine naive Weltfremdheit, die alles als Unterhaltung und Amüsement aufnimmt, aber keine Ernsthaftigkeit kennt.
Das Feuer der Liebe Christi kommt aus einer ganz anderen Welt. Es drängt zur Entscheidung, und wen es in Brand gesetzt hat, der kann gar nicht anders, er muß dieses Feuer weitergeben, zugleich aber der satten Seichtheit des bloßen Zeitvertreibs entsagen. Da kann es schon mal passieren, daß ein Jugendlicher seinen Eltern sagt: Ich will Priester werden und die Eltern sind bestürzt, in weitaus größerer Aufregung, als wenn er ein uneheliches Kind gezeugt hätte. Eine solche Situation meinte Jesus beispielsweise, als er davon sprach, daß er nicht Frieden, sondern Spaltung bringen wollte nicht weil er etwas gegen Harmonie und Eintracht hatte, sondern weil das Feuer der Liebe es nicht duldet, wenn man es mit der Gemütlichkeit der Gartenlaube zu ersticken sucht.
Oft habe ich allerdings das Gefühl, die geruhsame Gartenlauben-Mentalität habe schon so sehr von uns Christen Besitz ergriffen, daß es gar nicht mehr dazu kommt, daß junge Menschen daraus ausbrechen und dem Feuereifer Christi nachstreben wollen. Wie froh wäre ich, sagt Jesus, das Feuer wäre schon entfacht. Müssen wir uns diese Sehnsucht Jesu nicht zu eigen machen und alles daran setzen, daß unsere Kinder und natürlich zuerst auch wir selbst von der Liebe Jesu in Brand gesetzt werden?
Bei meiner Primiz hat ein guter Freund gepredigt und dabei u.a. das Stichwort gebraucht: Ihr müßt Kohlen nachlegen, sonst geht der Ofen aus. Der Feuerofen der Liebe Gottes, der seit der Taufe in unseren Herzen brennt, braucht immer wieder neue Kohlen, die ihn neu entflammen. Das Feuer kann erkalten, gewiß. Aber wir können diesem Feuer auch wieder neue Nahrung geben, gleichsam Kohlen ins Feuer werfen. Und wie macht man das?
- Jesus suchen im Gebet und in der Lektüre der Bibel. Er selbst war es, der den Jüngern den Sinn der Schrift erschloß, und er erschließt sich dort auch uns.
- Jesus suchen in seiner Gemeinde, seiner Kirche. Jeder kann dem anderen ein zweiter Christus sein. Freilich nur unvollkommen, facettenhaft. Aber so ist es. Schauen Sie auf Ihre Mitchristen in diesem Sinne, lassen Sie sich von den positiven Seiten der Anderen mitreißen, anstatt nach negativen zu suchen und über sie herzufallen. Unsere Kirche heute leidet ja wohl vor allem daran, daß der eine dem andern zunächst mal etwas Schlechtes unterstellt und das Gute nicht anerkennen will. Wieviel Kraft geht dadurch verloren, wieviel Enttäuschung wird so provoziert, wieviel Kälte bricht so in die Kirche ein!
Öffnen wir uns dem Originalton der Stimme Jesu Christi, der uns aufruft, ihm allein zu vertrauen und seiner Liebe mit Entschiedenheit nachzufolgen.
Vgl. Neil Postman:Wir amüsieren uns zu Tode. Frankfurt 1988, S. 149.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Schwestern und Brüder!
„Die Hölle gibt es doch gar nicht!“ oder „Die Hölle
ist leer!“
So höre ich viele Menschen reden. Auch viele Christen.
Die Menschen glauben zwar größtenteils daran, dass es nach dem Tode irgendwie weitergeht;
aber den Glauben daran, dass im Jenseits die Guten von den Bösen geschieden werden, die einen in den Himmel, die anderen an einen Ort der ewigen Verdammnis kommen – diesen Glauben verweisen die meisten Menschen –eben auch viele Christen- in das Reich der Legenden.
Nun, an einer gewissen Ablehnung des Gerichtsgedanken ist auch etwas Richtiges
dran:
Ein Glaube der sich nur an Gott und an das Gute hält, weil man Angst
hat, in der Hölle zu landen, ist ein nicht sehr befreiender Glaube.
Gott und den Menschen soll man lieben, weil beide liebenswert sind, und nicht
allein, weil sonst das ewige Feuer droht.
Eine Ehe, die nur aufrechterhalten wird, weil sonst Unterhaltszahlungen drohen,
ist keine echte Ehe mehr, erst recht keine Liebe.
Dennoch: Das Leben aus der Sicht des berühmten Karnevalsliedes „Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel“ zu beurteilen hat verheerende Folgen.
Das wäre ein Freibrief für jeden und jede, das zu tun, wonach es
einem gerade gelüstet. Nach dem Motto:
Ob ich kaufe oder stehle, ob ich die Wahrheit sage oder lüge, ob ich
töte oder das Leben der anderen achte, ist ja egal:
Zum Schluss komme ich ja ohnehin in den Himmel.
Der barmherzige Vater im Himmel degeneriert dann zum treudoofen Onkel.
Ein Glaube, der ein Gericht ablehnt, nimmt unser Leben dann nicht wirklich
ernst.
Sowohl das Leben der Heiligen und Seligen, als auch das Leben, der Hitlers
und Stalins aller Zeiten.
Aber auch Ihr Leben und das meinige nimmt eine solche Haltung nicht ernst.
Machen wir uns nichts vor:
Es gibt so etwas wie das persönliche Gericht eines jeden Menschen vor
Gott.
Bei Gericht dürfen wir nicht daran denken, dass dort ein willkürlicher
Despot sitzt und nach Lust und Laune verurteilt. Ein Richter nimmt sorgfältig
auf, was war und ist. Danach entscheidet er.
Denn Gott nimmt unser Leben ernst. Er nimmt das ernst, was wir sind und was
wir tun.
Das ist keine Drohung, keine Drohbotschaft, mit der ich Ihnen Angst einjagen
will.
Das ist eine Frohbotschaft, die die Liebe Gottes zu uns Menschen ausdrückt.
Nur wer wirklich liebt, nimmt den Geliebten auch wirklich ernst.
Es ist Gott eben nicht egal, was wir tun und wie wir leben, so wie es Eltern nicht egal sein kann, was ihre Kinder tun und wie sie leben.
Gott nimmt uns ernst.
Nichts anderes hat Jesus, unser Herr, immer und immer wieder gesagt.
Zum Beispiel beantwortet er die Frage aus dem Evangelium heute: „Herr,
sind es nur wenige, die gerettet werden?“
indem er auf den Ernst des Lebens verweist: „Bemüht euch mit allen
Kräften, durch die enge Tür zu gelangen!“
Es geht Jesus nicht darum, stur und leblos irgendwelche Gebote einzuhalten, um mit einer weißen Weste durchs Leben zu kommen.
Es geht ihm darum, dass wir auf das unbedingte JA! der Liebe Gottes zu uns mit einem ebenfalls unbedingten JA! zu Gott antworten. Darauf kommt es am Ende an. Nicht mehr. Nicht weniger.
Aber dieses JA! gilt es einzuüben. Und dazu helfen uns die Gebote Gottes,
die Gottes- und die Nächstenliebe.
Wir müssen dieses JA! schon hier und jetzt leben. Wir können dieses
JA! nicht auf die Ewigkeit verschieben. Dann ist nämlich die Türe
zu, und wir stehen draußen.
Wessen Leben immer nur aus halbherzigen „JA, irgendwie schon“,
„JA, morgen“ „JA, vielleicht“ bestanden hat,
oder wessen Leben eine ganze Reihe von bewussten, deutlichen und ausdrücklichen
„NEIN!“ beinhaltet hatte, für den wird es unter Umständen
in der Ewigkeit zu spät sein. Dann nämlich ist die Tür ein
für alle mal verriegelt. Das ist die Botschaft des heutigen Evangeliums.
Liebe Schwestern und Brüder!
Noch einmal: Dies ist keine Drohbotschaft.
Das Evangelium endet ja schließlich mit einer hoffnungsfrohen Vision:
Aus allen Himmelsrichtungen kommen Scharen von Menschen, die im Reich Gottes
zu Tische sitzen, die also „Drin“ sind.
Übrigens hat die Kirche nie gesagt, wer in der Hölle sei, sondern
nur die Seligen und Heiligen genannt, von denen wir glauben, dass sie schon
im Himmel sind.
Für uns Christen gilt, dass wir die begründete Hoffnung auf einen „Freispruch“ haben, weil Jesus Christus selbst für uns eintritt. Schließlich ist er genau darum Mensch geworden, um für uns einzutreten. Und mit einem solchen Anwalt können wir das Gericht wirklich bestehen
Wenn wir uns bemühen, dann dürfen wir – egal, ob es uns immer
gelingt oder vielleicht auch nicht- uns auch getrost auf die Barmherzigkeit
Gottes verlassen.
Bemühen müssen wir uns aber schon: „Müht euch mit allen
Kräften, durch die enge Tür zu gelangen.“
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Ein erfolgreicher Vertreter verliert wegen Alkohol am Steuer seinen Führerschein und damit auch seine Arbeit; er kann die monatlichen Zinsen und Tilgung für seinen Neubau nicht mehr bezahlen, verliert auch noch sein Haus und sackt ein paar Stufen ab. Seine früheren Freunde gehen ihm nun öfter aus dem Weg, seine drei Kinder werden von ihren ehemaligen Freunden geärgert, weil sie sich die angesagten Klamotten nicht mehr leisten können. Und Sprüche kann er sich genug anhören: Das kommt davon, wenn man zu hoch hinaus will! Man sollte auch nicht soviel trinken! Und ein ganz aktuelles Beispiel: Ein Politiker und Bürgermeisterkandidat hat seinen Lebenslauf gefälscht und unrechtmäßig vorgegeben, einen Doktortitel zu besitzen. Kurz vor der Wahl fliegt seine Hochstapelei auf. Er muss seine Kandidatur zurückziehen, verliert alle Anerkennung und muss mit einem Strafverfahren rechnen. Die neue Existenz, die er sich gerade aufzubauen im Begriff war, ist ein Scherbenhaufen.
Zwei Streiflichter durch unsere Welt, beliebig lassen sich ähnliche Beispiele finden. Wer zu stehen meint, der gebe acht, dass er nicht fällt, mahnt schon der Apostel Paulus (1 Kor10,12). Und der Volksmund sagt: Hochmut kommt vor dem Fall. Das ist die eine Seite: Wer zu den Ersten gehört hat, kann plötzlich auf der Verliererseite stehen, auf dem letzten Platz. Aber rechtfertigt das die Häme und Schadenfreude der anderen? Das ist die andere Seite: Mit Hinweis auf den eigenen guten Leumund neigen wir Menschen dazu, andere zu verachten, die aus welchem Grund auch immer auf einen der letzten Plätze abgerutscht sind. Es ist immer leicht, die Fehltritte anderer aufzudecken und sich darüber zu erheben, aber wir sollten, bevor wir das tun, das Wort Jesu bedenken: Ja, es gibt Letzte, die Erste sein werden, und es gibt Erste, die Letzte sein werden.
Dieses Wort Jesu wie auch sein Bildwort von der engen Tür sind eine Mahnung an uns, jeden Tag umzukehren. Herr, Herr sagen allein genügt nicht, auch nicht die regelmäßige Mahlgemeinschaft mit Jesus bei der Heiligen Messe und das Hören der Verkündigung, denn wir sollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit (1 Joh 3,18). Bemüht euch mit allen Kräften!, sagt Jesus, denn die Umkehr, die von uns gefordert ist, ist schwer, und auch uns gilt die Mahnung: Wer zu stehen meint, der gebe acht, dass er nicht fällt.
Das Wort Jesu von den Ersten und den Letzten hat diese zwei Seiten: Mahnung für diejenigen, die sich allzu sicher wähnen, und Trost für diejenigen, die verzweifelt sind. Jesus ist weit davon entfernt, ein Schwarz-Weiß-Bild zu zeichnen, das es uns ermöglichen würde, die Menschheit in Gute und Böse einzuteilen und schnell unseren Platz auf der Seite der Guten zu finden. Es soll uns vielmehr helfen, beide Seiten in uns selbst zu entdecken: den Hochmut zu bändigen und der Verzagtheit mit Mut zu begegnen.
Jesus nennt keine Zahlen, wie viele Menschen gerettet werden. Das hätten wir vielleicht gerne, um uns eine Sicherheit zu verschaffen und uns dann auf unseren Lorbeeren ausruhen zu können. Gegen ein solches Missverständnis setzt Jesus das Wort von der engen Tür. Nicht um damit zu sagen, dass die Chance, gerettet zu werden, gering ist, sondern um uns vor trügerischer Selbstsicherheit zu bewahren.
Das Bildwort von der Tür sagt doch zuerst dies: Die Tür steht für alle offen; Gott will, dass alle gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. (1 Tim 2,4) Die Frage ist nur: Schätzen wir das auch recht ein? Schätzen wir uns selber richtig ein? Ich meine damit: Sehen wir, dass wir selber zuerst der Gnade Gottes bedürfen, und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder? Wenn ich die Fehler anderer so klar erkenne, sind mir meine eigenen genauso bewusst? Wenn ich mich unter den Ersten wähne, halte ich das dann für mein Verdienst? (Oder bin ich vielleicht nur bisher nicht erwischt worden?)
In einem Hochgebet heißt es: Wäge nicht unser Verdienst, sondern schenke gnädig Verzeihung. Das ist die richtige Haltung vor Gott, und wer sie einnimmt, der wird sich schwerlich über einen anderen Menschen erheben, ihn verurteilen oder abschreiben. Wenn wir diese Haltung einnehmen, können wir immer wieder Trost, Kraft und Mut gewinnen und eine Geborgenheit in Gott erfahren, die unser Glaube in erster Linie schenkt. Und dann ist es auch selbstverständlich und leicht, diese Aufrichtung des Glaubens auch anderen zuzugestehen, gerade den vermeintlich Letzten. Sonst kehrt sich das Verhältnis von Ersten und Letzten leicht um.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Die Schriftlesungen des heutigen Sonntags empfehlen eine Tugend, die heute nur selten genannt wird und für viele sogar negativ besetzt ist: die Demut. Viele verstehen unter Demut oft nur ihr Zerrbild: sie haben einen schwachen, mit Minderwertigkeitskomple-xen beladenen Typ vor Augen oder einen schmierigen Kriechertyp, deren falsche Be-scheidenheit vorwiegend dazu dient, ihrer eigenen Verantwortung aus dem Weg zu gehen. In Wahrheit geht es jedoch um das Ideal des Menschen, der sich selbst recht ein-zuschätzen weiß und sich nichts auf seine Charaktereigenschaften, Titel und Erfolge ein-bildet.
Der hl. Pfarrer von Ars hat gesagt: Die Demut ist das Fundament aller anderen Tugen-den. Wenn sie uns fehlt, nützen uns alle anderen Tugenden nichts.
Das klingt übertrieben. Wir können es aber nachvollziehen, wenn wir uns das entge-gengesetzte Laster vergegenwärtigen, den Hochmut oder Eigendünkel. Unsre Sprache hat dafür noch weitere Ausdrücke: Überheblichkeit, Arroganz, Hybris, Eitelkeit und Aufgeblasenheit. Es gilt zwar erstens: Kein Fehler macht einen anderen so unbeliebt wie der Hochmut. Aber andererseits gibt es auch keinen Fehler, den wir so schwer bei uns selbst bemerken. Je hochmütiger wir selber sind, um so weniger fällt es uns auf, aber um so mehr verdammen wir den Hochmut bei anderen. Je mehr ich selbst im Mittelpunkt stehen will, um so mehr ärgert es mich, wenn ein anderer sich in den Mittelpunkt stellt. Je mehr ich mich in meiner eigenen Überlegenheit über andere sonne, um so mehr trifft es mich, wenn ein anderer seine Überlegenheit über mich herausstellt, mich von oben herab behandelt oder mich zurücksetzt.
Der Hochmut lebt wesensmäßig von der Konkurrenz, vom Vergleich mit anderen; er ist das Vergnügen, anderen überlegen zu sein. Er verlangt nach Wettbewerb und kennt darum keine Grenzen. Der Hochmut macht die Menschen untereinander zu Feinden, ja, er ist die Feindschaft schlechthin. Er ist der Hauptgrund für alles Elend in jedem Volk und jeder Familie. Er ist ein geistiger Krebs, der den letzten Rest von Liebe, von Zufrie-denheit und sogar von gesundem Menschenverstand zerstört. Dies sehen wir heute z.B. an einer Unterart des Hochmuts, der Eitelkeit und dem Körperkult. Studien der letzten vierzig Jahre belegen, dass die Zufriedenheit der Menschen mit ihrem eigenen Aussehen dramatisch gesunken ist, gerade weil für die Selbstverschönerung ein immer höherer Aufwand betrieben wurde. Je mehr man investiert, um so größer sind die Chancen, un-zufrieden zu sein.
Wo der Hochmut die Herzen der Menschen bestimmt, da herrscht eine Hackordnung, die keine Rücksicht kennt. Jeder benutzt den anderen als Mittel zur eigenen Selbststei-gerung, als Trittbrett um höherzukommen. Die anderen werden klein gemacht, damit man selbst als der Größere dasteht. Das gibt es schon bei Kindern, in Jugendgruppen, nicht selten auch in Ehen und Familien. Ins Maßlose gesteigert, ist der Hochmut das Strukturprinzip der Hölle.
Wir dürfen nicht verkennen, dass auch wir selbst infiziert sind von Hochmut und Selbst-herrlichkeit. Wir haben im Herzen böse Antriebe. Aber wir können auch auf gute Erfah-rungen zurückblicken: Wenn wir z.B. ganz selbstvergessen beim anderen waren und die Sorge um unser eigenes Ich gar keine Rolle spielte ging es uns da nicht besser als bei anderen Gelegenheiten, wo wir uns fast zwanghaft mit anderen vergleichen mussten und ständig das Gefühl hatten, zu kurz zu kommen? Haben wir es nicht schon wieder-holt erlebt, dass andere Menschen uns gerade dann sympathisch fanden, wenn wir uns bescheiden zurückgehalten haben, anstatt unsere Person in den Vordergrund zu schie-ben? Zeigt uns also nicht die Selbstbeobachtung, dass der Hochmut in der Tat Unzufrie-denheit und Unfrieden erzeugt?
Jesus sagt prägnant: Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst er-niedrigt, wird erhöht werden. Damit will er keine rein menschliche Klugheitsregel aufstel-len, in dem Sinne, wie Friedrich Nietzsche das Wort verdreht hat: Wer sich selbst er-niedrigt, will erhöht werden. Vielmehr meint er den ewigen Ausgleich durch den gött-lichen Richter, wie es im Spruch heißt: Gott tritt den Stolzen entgegen, den Demütigen aber schenkt er seine Gnade. (Jak 4,6; 1 Petr 5,5) Doch das ewige Gericht zeichnet sich schon in diesem Leben ab: die Hochmütigen sind unbeliebt und voller Verbitterung, und allein die wahrhaft demütigen Menschen haben nicht nur viele Freunde, sondern auch ein frohes Herz wie Maria, die von sich sagt: Meine Seele preist die Größe des Herrn, denn auf die Demut seiner Magd hat er geschaut. (Lk 1,46.48)
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Am letzten Sonntag habe ich über die Demut und ihren Gegensatz, den Hochmut, gesprochen. Heute möchte ich den Faden wieder aufnehmen und ein anderes Gegensatzpaar bedenken, das aus der Reihe der so genannten sieben Todsünden genommen ist: die Trägheit bzw. ihren positiven Gegensatz, den Starkmut.
Hierzu möchte ich anknüpfen an den Vergleich, den Jesus im heutigen Evangelium anstellt: Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen? Wer das Ziel will, der muss auch die Mittel wollen. Das aber ist keineswegs selbstverständlich; vielmehr kommt es immer wieder vor, dass man eine Sache zwar eigentlich haben will, aber man hat keine Lust, das dazu Nötige einzusetzen. So würden viele gern mit dem Rauchen aufhören, aber sie scheuen die Entzugserscheinungen. Oder jemand würde gern Englisch sprechen können, aber er sieht sich gegen die Arbeit an, die er investieren müsste. Beispiele gibt es genug, die das illustrieren, wogegen Jesus sich wendet.
Dass wir es hier mit der Trägheit zu tun haben, leuchtet vermutlich leicht ein. Was aber ist die Trägheit eigentlich, und warum wird sie von den Theologen als eine der sieben Haupt- oder Todsünden angesehen? Wenn wir die Trägheit beschränken würden auf Faulheit und Bequemlichkeit, dann ließe sich das allerdings nicht einsehen. Warum sollte der Müßiggang aller Laster Anfang sein? Nicht die Muße ist schlecht, und auch die Neigung zur Bequemlichkeit ist noch keine Sünde; aber die Geisteshaltung, die sich dahinter verbirgt oder verbergen kann, hat tatsächlich etwas an sich, das direkt gegen Gott gerichtet ist, und darum geht es bei dem Laster, das die Alten acedia genannt haben und das sowohl Trägheit als auch Traurigkeit einschließt. Gemeint ist die Verweigerung von Anstrengung, insbesondere von geistiger Anstrengung und zwar aus einem Gefühl der Traurigkeit und Verzagtheit heraus, das Sören Kierkegaard als Verzweiflung der Schwachheit bezeichnet hat. Wer von dieser Verzweiflung der Schwachheit befallen ist, wagt es nicht mehr, er selbst zu sein; er weigert sich, sein eigenes Wesen und seine Berufung anzunehmen: sie ist ihm zu hoch und zu schwer, denn sie mutet ihm eine Würde zu, die ihm eben als Zumutung erscheint, als etwas, für das er sich zu schwach fühlt Verzweiflung der Schwachheit. Das gibt es bei Erwachsenen und sogar schon bei Kindern. Neulich war ich in der Grundschule, um für den morgigen Familiengottesdienst zu werben. Daraufhin sagte mir ein Junge: Das ist nichts für uns. Wir schlafen immer bis halb 10. Entscheidend war die Verachtung, die in seinen Worten lag: Wie kann man nur so blöd sein, für den Gottesdienst früher aufzustehen? Wie können Sie mir bloß eine solche Überwindung zumuten? Ich frage mich dagegen entsetzt: Wie kann man nur seine Kinder schon in so jungen Jahren zu solch erbärmlicher Trägheit und Respektlosigkeit erziehen?
Der Mensch, der von Trägheit geprägt ist, weicht seiner Berufung aus, er geht sich selbst aus dem Weg und verliert sich in Ablenkungen jeder Art. Er ist wie Jona, der vor Gott fliehen will, damit er den schweren Auftrag nicht ausführen muss. Die Berufung zu einem ewigen Leben bei Gott macht ihn nicht froh, sondern ärgert ihn, so wie er überhaupt über alles unzufrieden und nörglerisch ist. Weil er sich nicht vorstellen kann und will, dass es Freude an Gott gibt, kann er nicht mehr danken. Im Extremfall wird er depressiv und lebensüberdrüssig. Wenn Gott ihm schon das Leben geschenkt hat, so räsoniert er, dann müsse er ihm die Erfüllung dieses Lebens gefälligst in den Schoß legen, anstatt ihn aufzufordern, an seiner Vervollkommnung selbst zu arbeiten.
Von hier aus verstehen wir vielleicht besser, warum der hl. Thomas von Aquin die Trägheit das Kopfpolster Satans genannt hat. Vielleicht kommen wir sogar dahin, wenigstens ansatzweise die schockierenden Sätze Jesu aus dem heutigen Evangelium zu verstehen: über das Geringachten von familiären Banden, Leib und Leben im Vergleich zum Reich Gottes, das Jesus als unmittelbar nahe gekommen ansah. Wer dieses Ziel so klar im Blick hatte wie Jesus, der musste nun auch die Mittel ergreifen, die zu ihm hinführten und alles andere hintanstellen: Nur wer das wollte, der konnte Jünger Jesu sein und mit ihm eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft bilden. Bloßes kraftloses Wünschen hilft nichts, wenn das Ziel durch allerlei Hindernisse verstellt ist. Da muss man die Hindernisse ausräumen! Wer das nicht tun will, sondern untätig herumsteht und andere machen lässt, der arbeitet dem Ziel entgegen.
Im Grunde ist das klar. Anstößig für uns ist eher die Übertragung dieser Forderungen Jesu auf die ganze Gemeinde, für die weder klar ist, dass die Welt jeden Augenblick untergehen kann, noch, dass familiäre Beziehungen dem Reich Gottes im Weg stehen. Aber will der Evangelist die Forderung Jesu wirklich buchstäblich auf seine Gemeinde und sogar auf alle späteren Gemeinden übertragen? Es geht doch wohl eher um die geistige Haltung und Konsequenz, von denen wir unser Handeln bestimmen lassen sollen je nach den Umständen mal so, mal so, aber eben überzeugt, unbeirrt und mit frohem und starkem Mut. D.h. wenn man z.B. spürt, dass die Blutsbande ein Hindernis für den Glauben sind, dann muss man sich davon befreien; oder wenn man merkt, dass die weltliche Karriere oder das Luxusleben nach und nach die Religiösität ersticken, dann muss man sich nach Alternativen umsehen; wer diese Konsequenz fürchtet, ruht sich auf dem Kopfkissen des Teufels aus.
Der Trägheit und der geistigen Unlust ist die Tugend der Tapferkeit oder des Starkmutes entgegengesetzt. Wie gewinnt man Starkmut? In erster Linie durch mentales Training, durch das Betrachten des geistig Edlen und Schönen, also u.a. auch durch das, was wir hier im Gottesdienst tun: Kontemplation Gottes und seiner Herrlichkeit, für die es sich lohnt, sich anzustrengen. Auch die Betrachtung der Hässlichkeit der feigen Bequemlichkeit kann uns aufrütteln: Mir nach spricht Christus, unser Held, mir nach, ihr Christen alle. Ein böser Knecht, der still kann stehn, sieht er voran den Feldherrn gehen.
Vgl. Heiko Ernst: Wie uns der Teufel reitet. Von der Aktualität der 7 Todsünden. Berlin: Ullstein, 2006, 183.
Am letzten Sonntag habe ich über die Demut und ihren Gegensatz, den Hochmut, gesprochen. Heute möchte ich den Faden wieder aufnehmen und ein anderes Gegensatzpaar bedenken, das aus der Reihe der so genannten sieben Todsünden genommen ist: die Trägheit bzw. ihren positiven Gegensatz, den Starkmut.
Hierzu möchte ich anknüpfen an den Vergleich, den Jesus im heutigen Evangelium anstellt: Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen? Wer das Ziel will, der muss auch die Mittel wollen. Das aber ist keineswegs selbstverständlich; vielmehr kommt es immer wieder vor, dass man eine Sache zwar eigentlich haben will, aber man hat keine Lust, das dazu Nötige einzusetzen. So würden viele gern mit dem Rauchen aufhören, aber sie scheuen die Entzugserscheinungen. Oder jemand würde gern Englisch sprechen können, aber er sieht sich gegen die Arbeit an, die er investieren müsste. Beispiele gibt es genug, die das illustrieren, wogegen Jesus sich wendet.
Dass wir es hier mit der Trägheit zu tun haben, leuchtet vermutlich leicht ein. Was aber ist die Trägheit eigentlich, und warum wird sie von den Theologen als eine der sieben Haupt- oder Todsünden angesehen? Wenn wir die Trägheit beschränken würden auf Faulheit und Bequemlichkeit, dann ließe sich das allerdings nicht einsehen. Warum sollte der Müßiggang aller Laster Anfang sein? Nicht die Muße ist schlecht, und auch die Neigung zur Bequemlichkeit ist noch keine Sünde; aber die Geisteshaltung, die sich dahinter verbirgt oder verbergen kann, hat tatsächlich etwas an sich, das direkt gegen Gott gerichtet ist, und darum geht es bei dem Laster, das die Alten acedia genannt haben und das sowohl Trägheit als auch Traurigkeit einschließt. Gemeint ist die Verweigerung von Anstrengung, insbesondere von geistiger Anstrengung und zwar aus einem Gefühl der Traurigkeit und Verzagtheit heraus, das Sören Kierkegaard als Verzweiflung der Schwachheit bezeichnet hat. Wer von dieser Verzweiflung der Schwachheit befallen ist, wagt es nicht mehr, er selbst zu sein; er weigert sich, sein eigenes Wesen und seine Berufung anzunehmen: sie ist ihm zu hoch und zu schwer, denn sie mutet ihm eine Würde zu, die ihm eben als Zumutung erscheint, als etwas, für das er sich zu schwach fühlt Verzweiflung der Schwachheit. Das gibt es bei Erwachsenen und sogar schon bei Kindern. Neulich war ich in der Grundschule, um für den morgigen Familiengottesdienst zu werben. Daraufhin sagte mir ein Junge: Das ist nichts für uns. Wir schlafen immer bis halb 10. Entscheidend war die Verachtung, die in seinen Worten lag: Wie kann man nur so blöd sein, für den Gottesdienst früher aufzustehen? Wie können Sie mir bloß eine solche Überwindung zumuten? Ich frage mich dagegen entsetzt: Wie kann man nur seine Kinder schon in so jungen Jahren zu solch erbärmlicher Trägheit und Respektlosigkeit erziehen?
Der Mensch, der von Trägheit geprägt ist, weicht seiner Berufung aus, er geht sich selbst aus dem Weg und verliert sich in Ablenkungen jeder Art. Er ist wie Jona, der vor Gott fliehen will, damit er den schweren Auftrag nicht ausführen muss. Die Berufung zu einem ewigen Leben bei Gott macht ihn nicht froh, sondern ärgert ihn, so wie er überhaupt über alles unzufrieden und nörglerisch ist. Weil er sich nicht vorstellen kann und will, dass es Freude an Gott gibt, kann er nicht mehr danken. Im Extremfall wird er depressiv und lebensüberdrüssig. Wenn Gott ihm schon das Leben geschenkt hat, so räsoniert er, dann müsse er ihm die Erfüllung dieses Lebens gefälligst in den Schoß legen, anstatt ihn aufzufordern, an seiner Vervollkommnung selbst zu arbeiten.
Von hier aus verstehen wir vielleicht besser, warum der hl. Thomas von Aquin die Trägheit das Kopfpolster Satans genannt hat. Vielleicht kommen wir sogar dahin, wenigstens ansatzweise die schockierenden Sätze Jesu aus dem heutigen Evangelium zu verstehen: über das Geringachten von familiären Banden, Leib und Leben im Vergleich zum Reich Gottes, das Jesus als unmittelbar nahe gekommen ansah. Wer dieses Ziel so klar im Blick hatte wie Jesus, der musste nun auch die Mittel ergreifen, die zu ihm hinführten und alles andere hintanstellen: Nur wer das wollte, der konnte Jünger Jesu sein und mit ihm eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft bilden. Bloßes kraftloses Wünschen hilft nichts, wenn das Ziel durch allerlei Hindernisse verstellt ist. Da muss man die Hindernisse ausräumen! Wer das nicht tun will, sondern untätig herumsteht und andere machen lässt, der arbeitet dem Ziel entgegen.
Im Grunde ist das klar. Anstößig für uns ist eher die Übertragung dieser Forderungen Jesu auf die ganze Gemeinde, für die weder klar ist, dass die Welt jeden Augenblick untergehen kann, noch, dass familiäre Beziehungen dem Reich Gottes im Weg stehen. Aber will der Evangelist die Forderung Jesu wirklich buchstäblich auf seine Gemeinde und sogar auf alle späteren Gemeinden übertragen? Es geht doch wohl eher um die geistige Haltung und Konsequenz, von denen wir unser Handeln bestimmen lassen sollen je nach den Umständen mal so, mal so, aber eben überzeugt, unbeirrt und mit frohem und starkem Mut. D.h. wenn man z.B. spürt, dass die Blutsbande ein Hindernis für den Glauben sind, dann muss man sich davon befreien; oder wenn man merkt, dass die weltliche Karriere oder das Luxusleben nach und nach die Religiösität ersticken, dann muss man sich nach Alternativen umsehen; wer diese Konsequenz fürchtet, ruht sich auf dem Kopfkissen des Teufels aus.
Der Trägheit und der geistigen Unlust ist die Tugend der Tapferkeit oder des Starkmutes entgegengesetzt. Wie gewinnt man Starkmut? In erster Linie durch mentales Training, durch das Betrachten des geistig Edlen und Schönen, also u.a. auch durch das, was wir hier im Gottesdienst tun: Kontemplation Gottes und seiner Herrlichkeit, für die es sich lohnt, sich anzustrengen. Auch die Betrachtung der Hässlichkeit der feigen Bequemlichkeit kann uns aufrütteln: Mir nach spricht Christus, unser Held, mir nach, ihr Christen alle. Ein böser Knecht, der still kann stehn, sieht er voran den Feldherrn gehen.
Vgl. Heiko Ernst: Wie uns der Teufel reitet. Von der Aktualität der 7 Todsünden. Berlin: Ullstein, 2006, 183.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Liebe Schwestern und Brüder,
Neben zwei anderen Gleichnissen hören wir heute im Evangelium die Erzählung
vom verlorenen Sohn oder dem barmherzigen Vater.
Wir kennen dieses Gleichnis. Es ist uns seit Kindestagen vertraut. Oft haben
wir es gehört.
Es gibt eine Unmenge an Schriften, Meditationen und Erklärungen dazu. Häufig wurden Szenen aus diesem Gleichnis auch gemalt. Ein ganz besonders bekannte Beispiel stammt von Rembrandt, das die Rückkehr des Sohnes in die Arme des Vaters auf ergreifende Weise illustriert.
Wir wollen gleich das Evangelium in seiner ganzen Länge hören.
Anschließend möchte ich nur wenige Deutungen geben.
Das Wichtigste wird sein, dass wir alle dieses Gleichnis auf uns und in uns
wirken lassen. Es wir uns im Inneren anrühren, so wie es schon viele
Menschen bewegt hat.
Während des Evangeliums können Sie sitzen bleiben
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn zeigt,
wer wir sind,
was die Sünde ist,
wer Gott für uns ist.
Im verlorenen Sohn sehen wir uns, uns und unsere Freiheit.
Aus freiem Willen lässt sich der Sohn seinen Erbteil auszahlen.
Aus freiem Willen verlässt er das Haus des Vaters.
Aus freiem Willen verschleudert er sein Geld.
Aber es gilt auch:
Aus freiem Willen kehrt der Sohn zurück, kehrt er um.
Wir können uns entscheiden: dafür oder dagegen.
Wir unterliegen zwar manchen Zwängen, aber wir sind keine Marionetten.
Weil wir frei sind, uns zu entscheiden, tragen wir Verantwortung für
unser Leben, für das Gute und das Böse, das wir tun.
Um unseren Willen in die richtige Richtung zu lenken, müssen wir immer
wieder das tun, was auch der verlorene Sohn getan hat: Innehalten, in sich
gehen, an den Vater denken.
Freilich sollte eine solche Gewissenserforschung nicht nur dann geschehen,
wenn wir schon am Boden zerstört sind, sozusagen am Schweinetrog. Nein,
wir sollten jeden Tag uns ein paar Minuten dafür nehmen. Z. B. vor dem
Schlafengehen oder in der Mittagspause.
Am Tiefpunkt angelangt erkennt der Sohn seinen Fehler:
Er hat die Geborgenheit, Sicherheit und Liebe bei seinem Vater aufgegeben.
Er hat nur noch sich selbst, seine Begierden, seine Lust, sich zu zerstreuen,
gesehen.
Er wollte, dass es niemand über ihn gibt, er wollte sich selbst genügen.
Zu meinen "Ich reiche mir. Ich habe niemanden nötig. Ich weiß
allein am besten, was gut ist." – das zu meinen, heißt mit
anderen Worten, sein zu wollen wie Gott.
Nur er genügt sich selbst. Nur er hat niemanden nötig. Nur er weiß,
was gut, was böse ist.
Das aber nicht anerkennen zu wollen, heißt sich selber zu einer Art
Gott zu erheben: Das ist die Sünde.
Die Sünde trennt uns vom Vater. Die Sünde drückt uns an den
Boden, weil wir uns überfordern:
Wir sind nur Menschen, wir sind keine Götter!
Der Sohn hat sich vom Vater getrennt. Aber der Vater hat sich nie von seinem
Sohn losgesagt.
Als der Sohn reumütig zurückkehrt, wird er vom Vater freudig aufgenommen.
Ja, er gibt ihm alles zurück. Dem neidischen Bruder macht der Vater deutlich:
Was wir feiern ist sozusagen eine Wiederauferstehungsfest. Dein Bruder war
tot und nun lebt er wieder.
Durch unsere Sünden sagen auch wir uns mehr oder weniger von Gott los. Aber er bleibt unser barmherziger Vater. Wenn wir umkehren und bereuen, dann wird er uns vergeben, egal was geschehen war.
Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen
Sünder der umkehrt.
Auch wir werden dieses Auferstehungsfest miterleben. Wir können es miterleben
in jeder Beichte. In diesem Sakrament werden wir, die wir uns von Gottvater
getrennt haben, wieder aufs neue und noch stärker mit ihm vereint. Das
Sakrament der Versöhnung ist daher das Sakrament der Freude. Freude darüber,
dass die heilbringende Gemeinschaft zwischen mir und Gott wiederhergestellt
ist.
Liebe Schwestern und Brüder,
das Gleichnis vom verlorenen Sohn bzw. vom barmherzigen Vater – es ist
wohl eines der schönsten und tiefsten der Hl. Schrift. Lassen Sie seine
befreiende Botschaft in Ihnen wirken. Vielleicht hilft dieses Gleichnis uns
allen, dass wir unser Bemühen um eine gute Gewissenserforschung verstärken,
dass wir das Sakrament der Buße, die Beichte neu entdecken und in Anspruch
nehmen.
Dann wird schon heute im Himmel bei den Engeln Feststimmung sein. Und wir werden mit innerer Freude erfüllt werden.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Ein beliebter und erfolgreicher Hochschullehrer, glücklich verheiratet mit zwei wohlgeratenen Kindern, fährt zu einem Klassentreffen und kehrt davon völlig verändert zurück: Seine ehemaligen Klassenkameraden haben ihm von ihren verschiedenen Karrieren und Erfolgen erzählt, und seitdem nagt der Neid an dem bis dahin glücklichen und zufriedenen Mann. Seine wohlgeordneten Verhältnisse kommen ihm plötzlich mittelmäßig und langweilig vor, sein Gehalt erschient ihm lächerlich im Vergleich zu dem seiner früheren Mitschüler, obwohl einige viel dümmer als er waren. Warum haben die anderen, was ich nicht habe? So viele Jahre schon strenge ich mich an und gönne mir kaum eine Pause doch wie wenig wird das honoriert. Aber die trüben Tassen und Versager die schöpfen überall den Rahm ab. Der Professor wird vom Neidgefühl so zerfressen, dass er zu einem Psychiater gehen muss.
So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. (Lk 15,29f) Aus dem Lamento des älteren Sohnes im Gleichnis spricht der Neid, eine der sieben Wurzelsünden, eine Sünde, die ihre eigene Strafe im Gepäck hat, denn sie macht wie keine andere Sünde einsam und unzufrieden. Der ältere Sohn will am Fest nicht teilnehmen, der Professor kann sich seines Lebens nicht mehr freuen. Der Neid frisst seinen eigenen Herrn. Er sticht, nagt und frisst, ist wie ein Wurm in uns und redet uns immer wieder ein, dass wir zu kurz kommen und benachteiligt werden. Wie steht es mit Ihrer Lebensfreude?
Kain neidet Abel die Gunst Gottes, Geschwister belauern einander, ob der andere vielleicht mehr bekommt: mehr zu essen, mehr Aufmerksamkeit, mehr Zuwendung. Als meine kleinen Nichten in Kanada sprechen lernten, war ein Ausruf von Anfang an im Repertoire: Me too ! Ich auch! Wenn ein Kind ein Spielzeug haben will, das einem anderen gehört wie oft hört es dann: Nein, damit will ich jetzt selbst spielen. Die Botschaft ist klar: Das sollst du nicht haben, du sollst nicht in den Genuss von dem kommen, was mir zusteht. Die Angst, selber zu kurz zu kommen, wandelt sich sogleich in Missgunst: Was ich nicht habe, soll der andere auch nicht haben.
Unsere moderne Konsumwelt setzt diesen Neid voraus und lebt von ihm. Permanent stimuliert die Werbung unsere Wünsche, damit wir inmitten des Überflusses das Gefühl haben, uns fehle etwas, wir hätten noch nicht, was uns glücklich machen kann.
Aber der Neid ist nicht harmlos. Den neidischen Menschen selbst verkrüppelt er und wühlt in ihm viele andere negative Gefühle auf: Traurigkeit und Missgunst. Der neidische Mensch sucht einen Ausgleich für das eigene Unglück und findet ihn in der Herbsetzung der beneideten Menschen: (der da, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat) oder in der Schadenfreude, in Rache durch Intrigen oder Denunziation. Im Extremfall führt der Neid zu Ressentiment und Hass, wie wir am Beispiel Kains sehen können, aber auch z.B. Hitlers, der seinen mangelnden Erfolg mit tiefem Hass auf die beneideten Juden kompensierte und in vielen Deutschen und Österreichern auch willige Neidgenossen fand.
Wie gehen wir mit aufkommendem Neid um? Der Professor, den ich eingangs erwähnt habe, konnte seinen Neid überwinden, indem er mit Hilfe des Psychiaters aufhörte, ständig auf die Besitztümer der anderen zu schauen, und sich stattdessen bewusst machte, wie viel er selbst hatte und wie gut es ihm doch eigentlich ging. Er lernte, seinen eigenen Selbstwert wieder durch das zu definieren, was er Positives geleistet und erreicht hatte, und nicht durch den Vergleich mit anderen. Überhaupt ist das Sich-Vergleichen die Wurzel von Neidattacken. Man kann es auch übertreiben mit dem Vergleichen, vor allem dann, wenn die Maßstäbe, die man dabei setzt, unpassend sind. Wenn man das Vergleichen schon nicht lassen kann, dann sollte man sich auch gleichsam nach unten vergleichen: mit Menschen, denen es schlechter geht, und davon gibt es bekanntlich mehrere Milliarden.
Zweitens sollte man sich überlegen, was einen Menschen denn in Wahrheit zufrieden macht: Sind es denn wirklich Besitz, Geld, Freizeit und Status? Sind wir neidisch, weil wir unglücklich sind, oder unglücklich, weil wir neidisch sind? Macht nicht vielmehr das Bewusstsein glücklich, lieben zu können und selbst geliebt zu sein, vor allem von Gott, der spricht Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Ist es nicht Dummheit und schnöde Undankbarkeit, das zu vergessen?
Und drittens kann es auch helfen, sich einmal zu überlegen, was es den Menschen denn womöglich gekostet hat, um die Position zu erreichen, für die ich ihn beneide. Vielleicht hat er hart arbeiten müssen und auf Freizeit, Bequemlichkeit und Beliebtheit verzichtet während ich selber all das zur Genüge hatte und weiterhin habe.
Der ältere Sohn im Gleichnis hat seinen Bruder wegen der Barmherzigkeit beneidet, die ihm der Vater geschenkt hat. Ob er aber bereit gewesen wäre, mit ihm zu tauschen und all die Demütigungen zu ertragen, die dieser erlebt hat? Ob er selbst wohl verloren, ja seelisch tot sein wollte? Und wenn nicht wie kann er dann neidisch sein?
Vgl. Heiko Ernst: Wie uns der Teufel reitet. Von der Aktualität der 7 Todsünden. Berlin: Ullstein, 2006, 69f.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Liebe Schwestern und Brüder,
dieses Evangelium ist schon irgendwie komisch. Es scheint, als ob da ein anderer Jesus auftritt, einer den wir so nicht kennen.
Jedenfalls dieser eine Satz wirkt auf mich – und vielleicht auch auf Sie – zumindest befremdlich:
Und der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters und sagte:
Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die
Kinder des Lichtes.
Was soll das? Will der Herr uns zu regelrechtem Betrug aufrufen?
Selbst der Hl. Augustinus fragt: "Warum hat uns der Herr dieses Gleichnis erzählt?"
Und er gibt sich und uns eine Antwort, die weiterführt:
"Nicht um den Diener als nachahmenswertes Vorbild hinzustellen, sondern
um hervorzuheben, dass er Vorsorge für die Zukunft traf, und um die Christen
zu beschämen, denen eine solche Entschlossenheit fehlt."
Und der Diener reagiert ja wirklich entschlossen. Allerdings erst kurz vor Toreschluß und in einer sehr fragwürdigen Weise. Kurz bevor er entlassen wird, betrügt er seinen Arbeitgeber, um sich Freunde für das Leben später zu kaufen. Geschickt mit egoistischem Kalkül. Schlau aber ungerecht.
Und in seiner Entschlossenheit, für seine Zukunft zu sorgen, sollen
wir dieses Kind dieser Welt zum Vorbild nehmen. Auch vor uns steht nämlich
ein dringender Termin, ein Wendepunkt.
Den verdrängen wir aber gerne. Ich meine unseren Tod.
Dieses Gleichnis fragt uns nach unserer Entschlossenheit, für unsere
ewige Zukunft zu sorgen.
Und wie der untreue Verwalter das Geld seines Arbeitgebers zur Verfügung
hatte, so haben auch wir Materielles und Immaterielles treuhänderisch
zu verwalten, um unsere Zukunft vorzubereiten:
All das nämlich, was uns Gott geschenkt hat: unseren Besitz, all die
irdischen Güter und unsere charakterlichen Anlagen und Talente.
Damit gilt es zu wirtschaften. Aber nicht auf Kosten von Betrug und Hinterziehung
oder Bestechung.
Es gilt, das in die ewige Zukunft zu investieren, was unser irdisches Leben
ausmacht.
Und dabei gibt es eine Regel:
Nicht das, was ich für mich behalte, was ich mit Händen und Klauen
verteidige, werde ich mitnehmen. Nein, das Totenhemd hat keine Taschen.
Ich werde das in der Ewigkeit besitzen, was ich auf Erden weggegeben habe.
Ich habe von Gott Talente geschenkt bekommen, damit ich durch sie andere beschenke.
Mir sind irdische Güter anvertraut, damit ich sie gut verwalte.
Das ist die christliche Sicht der Dinge dieser Welt. Sie sind nicht Selbstzweck, sondern sie sind Mittel, um mein Leben zu gestalten, es den anderen angenehmer zu machen und dadurch Gott zu loben.
"Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommen, Gott, von Dir. Wir
danken Dir dafür." So lautete das erste Tischgebet, das ich gelernt
habe.
Und es ist wahr: Alles Gute kommt von Gott, ist anvertraut, geschenkt. Und
unser Umgang damit zeigt, ob wir dem Schenkenden, nämlich unserem Schöpfer,
dafür dankbar sind.
Deshalb ermahnt uns der Herr im Evangelium:
Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen,
und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen.
Wenn ihr im Umgang mit dem ungerechten Eigentum nicht zuverlässig gewesen
seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? Und wenn ihr im Umgang
mit dem fremden Gut nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann
euer wahres Eigentum geben?
Wir sehen, dass der Herr sozusagen einen direkten Zusammenhang zwischen Himmel
und Erde sieht: Wie Du gelebt hast auf Erden, hat Einfluß auf Dein ewiges
Leben.
Wie Du mit den geschenkten irdischen Gütern und Talenten umgehst, das
ist auch relevant für das größte Geschenk, das dich erwartet:
der Himmel.
Gerade deshalb ist das Christentum keine Weltflucht, wie wir sie in so vielen
ostasiatisch angehauchten Meditationsreligionen feststellen müssen.
Nein, der Christ zieht sich nicht in eine spirituelle Scheinwelt zurück,
sondern er nimmt die Welt und die Gesellschaft um sich herum sehr ernst. Er
setzt sie nicht absolut, aber er vernachlässigt sie auch nicht. Man könnte
sagen: Für ihn gibt es nicht nur den Himmel oder nicht nur die Erde.
Für ihn gibt es den Himmel durch die Erde.
Der Herr weist darauf hin, dass wir auch die kleinsten Dinge zuverlässig
verwalten sollen. Es geht nicht darum, Großartiges, Aufsehenerregendes
zu gründen oder zu vollbringen. Es geht um die Aufmerksamkeit für
das, was jetzt, im Moment dran ist:
· Den unangenehmen Anruf jetzt zu machen und nicht auf den Sankt Nimmerleinstag
zu verschieben.
· Das Auto jetzt in die Werkstatt zu bringen, bevor sich dieses komische
Geräusch zu einem großen Schaden entwickelt.
· Die vom Arzt verordnete Therapie pünktlich und gewissenhaft
zu erfüllen, damit mein Leib nicht unnötig Schaden nimmt.
· Bei der nächsten Gelegenheit, das bürgerliche Recht und
die christliche Pflicht wahrzunehmen und zu wählen, egal wie das Wetter
und die Laune gerade so ist.
Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den
großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch
bei den großen.
Wenn ihr im Umgang mit dem ungerechten Eigentum nicht zuverlässig gewesen
seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? Und wenn ihr im Umgang
mit dem fremden Gut nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann
euer wahres Eigentum geben?
Mir scheint, das am Anfang sperrige Evangelium hat es in sich, damit jeder
und jede von uns in sich geht, damit jeder und jede von uns sich die Fragen
stellt:
Wie setzte ich all das ein, was der Herr mir geschenkt hat? Nehme ich diese
Welt ernst, weil Gott ernst nehme und den Himmel?
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Am heutigen Caritas-Sonntag haben wir die übliche Leseordnung abgeändert und passend zum Jahresthema das Evangelium von der Kindersegnung ausgesucht. Das Thema ist aktuell: Wir haben die weltweit niedrigste Geburtenquote in der Bundesrepublik mit 1,36 Kindern je Frau. 2005 sank die Geburtenzahl auf den niedrigsten Stand seit 1946.
Viele Zeitgenossen wollen keine Kinder. Sie sehen in ihnen eine Last und ein Armutsrisiko. Andere empfinden Kinder als Störenfriede. Gewiss gibt es immer noch viele junge Paare, die Kinder wollen und Kinder bekommen. Aber inzwischen gibt es neue Probleme, die zum Teil erheblich sind. Mittlerweile gilt jedes siebte Kind in Deutschland als arm und sozialhilfebedürftig. Die Zahl ist in erschreckendem Ausmaß gewachsen. Dazu kommt oft eine geistige Armut, die Kinder daran hindert, sich entsprechend ihren Veranlagungen zu entfalten und menschenwürdig aufzuwachsen.
Aber auch auf der anderen Seite des Spektrums gibt es Probleme, die von Pädagogen und Soziologen mit Sorge wahrgenommen werden: Kinder, die wie Prinzen und Prinzessinnen behandelt werden, die verwöhnt und verzärtelt werden und kaum jemals Grenzen gezeigt bekommen. Kinder brauchen die Eltern als Gegenüber und als Maß, an dem sie sich orientieren können. Sie brauchen Normen und Werte, die ihrem natürlichen Egoismus eine Grenze setzen. Weil auch Kinder sündigen und Fehler machen können, brauchen sie eine feste Hand, damit sie zu charakterfesten Menschen heranreifen können. Doch die wird ihnen oft vorenthalten.
Ein weiterer Punkt: Durch den Pisa-Schock scheint das ganze Schulsystem in Frage gestellt zu sein. Kinder sollen früher eingeschult und in nur 12 Jahren zum Abitur geführt werden. Das stellt schon die Kleinen unter enormen Stress. Elfjährige müssen inzwischen 34 Unterrichtsstunden pro Woche zur Schule, d.h. oft dreimal nachmittags und anschließend noch Hausaufgaben machen. Man raubt den Kindern die schönste Zeit ihres Lebens und wozu? Dass man ihnen dann, wenn sie ihre Schulkarriere in Siebenmeilenstiefeln hinter sich gebracht haben, sagt: Wir brauchen euch nicht, wir haben keine Ausbildungsplätze für euch und auch keine Arbeit.
Jesus begegnet Kindern anders. Als seine Gefährten Kinder von ihm fernhalten wollen, um ihn zu schützen, da reagiert er unwillig und verärgert: Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Sie sind besondere Menschen! Und er nimmt sie in die Arme und segnet sie. Er schätzt die Kinder nicht, weil sie dies und das geleistet haben, sondern weil sie von Gott geliebt und gewollt sind; weil sie wertvoll sind. So erinnert uns Jesus heute daran: Kinder sind besondere Menschen. Sie verdienen geliebt zu werden, weil sie ein Wert sind, der alle Anstrengungen und Mühen rechtfertigt.
Für unsere Gesellschaft dagegen ist das Kind oft Konsumgut geworden, das man sich je nach Lust und Finanzlage leistet oder nicht. Und es wird schon sehr früh von der Wirtschaft als Konsument wahrgenommen und umworben, von der Politik als zukünftiger Leistungsträger und Steuerzahler. Nur nicht als Mensch, als einmaliges und unverwechselbares Du mit Wert und Würde, die von Gott stammen.
Diese Erkenntnis aus dem Glauben ist noch etwas anderes als die augenblicklich in den Medien beschworene Sorge über die demographische Entwicklung und die Überalterung der Gesellschaft. Die Politik und bestimmte gesellschaftliche Gruppierungen sind wach geworden. Sie sorgen sich um die Zukunft. Aber es geht dabei vorrangig ums zukünftige Geld, das die Politiker übrigens schon ausgegeben haben, indem sie immer neue Schulden aufgehäuft haben, und nun vor einem doppelten finanziellen Engpass stehen. Um die verhängnisvolle Entwicklung zu stoppen oder gar umzukehren, werden ein weiteres Mal finanzielle Umschichtungen gefordert, um jungen Paaren mehr Anreize zu geben, Kinder in die Welt zu setzen: mehr Kindergeld; kostenlose Ganztagsbetreuung in Kindertagesstätten; steuerliche Besserstellung der Familien
Das sind vermutlich richtige und auch sehr überlegenswerte Vorschläge. Aber glauben wir nicht, dadurch die Freude am Kind und den Mut zum Kind spürbar und nachhaltig stärken zu können! Das Problem ist doch die Grundeinstellung zum Kind und die muss sich ändern. Das Kind darf nicht länger als Hindernis auf dem Weg in die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit empfunden werden. Im Gegenteil: Gerade das Kind hilft auf dem Weg der Persönlichkeitsentfaltung. Das können uns die vielen Ehepaare sagen, die sich nach einem Kind sehnen, aber keins bekommen können. Das Kind muss uns wieder für sich gewinnen durch das, was es ist: ein Geschenk, das reich macht und das Leben bereichert.
Jesus zeigt sich nicht nur als Freund der Kinder, sondern sagt sogar gegen unseren Prestige- und Leistungskult: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. (Mk 10,15) Das Reich Gottes kann nämlich nicht durch Anstrengung und Leistung erworben werden, es ist ein Geschenk für den, der glaubt. Es kommt uns von oben entgegen, wir müssen nur Herz und Hände öffnen. Das Kind kann uns da ein Vorbild sein, denn es schaut auf, während wir Erwachsenen meist auf andere herabschauen. Aufschauen ist eine Blickrichtung, die Gott, den Vater, wahrnehmen lässt und das Herz mit Vertrauen erfüllt. Jesus selbst hat uns diese Blickrichtung vorgelebt, indem er immer wieder zum himmlischen Vater aufschaute, ihm dankte und seinen Segen auf die Menschen herabrief. Mit seiner ganzen strahlenden Existenz war Jesus auf den Vater ausgerichtet und eben darum auch den Menschen so herzlich zugewandt. Wer wie ein Kind das Aufschauen übt, der wird nicht auf andere herablassend niederschauen und der wird auch nicht bloßer Zuschauer sein, den das Elend dieser Welt nicht berührt.
Ein Lied von Kathi Stimmer-Salzeder kann uns das Jahresmotto der Caritas Mach dich stark für starke Kinder! vielleicht noch ein wenig näher bringen:
1. Kinderaugen - große Augen, voller Staunen, weit und hell.
Wie ein Spiegel aller Liebe, die sie spüren, die sie sehn.
Kinderaugen - Hoffnungsaugen, immer wieder voller Glauben
Tränen sind wie Regen, der befreit, aufgefangen von Geborgenheit.
[Refrain:]
Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind,
dem wird es verloren gehn.
Denn Gottes Reich ist denen versprochen, die wie Kinder sind,
denn Gottes Reich ist denen versprochen, die wie Kinder sind.
2. Kinderhände weiche Hände, voller Kraft und doch so
zart,
wenn sie streicheln, wenn sie fassen, das, was zu begreifen ist.
Kinderhände starke Hände, kämpfen gegen Widerstände
und sind von Vertrauen angerührt, wenn sie eine Hand voll Liebe führt.
3. Kinderlachen welch ein Lachen! Pflanzt sich fort, macht gut
und froh.
wie ein Speicher voller Sonne, welch ein Reichtum - Herzlichkeit.
Kinderlachen Wunderlachen, kann in Herzen Frieden machen.
Menschenwege finden einen Sinn, geben sie sich diesem Wunder hin.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Ein Viertel der Menschheit verbraucht drei Viertel der Energie auf dem Globus, während der Mehrheit der restlichen drei Viertel gerade einmal ein Viertel der weltweit zu vorhandenen Energie zu Verfügung steht.
Mit den Millionen-Etats der europäischen Fußballclubs ließen
sich die Haushalte zahlreicher afrikanischer Staaten sanieren.
Während Hamilton und Co Milliarden Dollar auf den Rennstrecken dieser
Welt verfahren, haben Abermillionen von Menschen nicht einmal die Möglichkeit,
sich ein kleines Auto zu leisten.
Während bei uns Hunderttausende von Euros ausgegeben werden, damit Frauen ihre Haut zum x-ten Mal straffen und Männer keine Glatze mehr haben müssen, entbehren die meisten Menschen dieser Welt einer medizinischen Grundversorgung.
Liebe Schwestern und Brüder,
das sind nur wenige Schlaglichter auf den Zustand unserer Welt.
Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete
und Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte.
Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen
Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt,
was vom Tisch des Reichen herunterfiel.
Unsere Welt ist die Welt dieses Reichen und des Lazarus.
Wir sind die Reichen. Der weitaus überwiegende Teil lebt aber wie Lazarus.
Das sollten wir uns hier in Deutschland immer wieder einmal vor Augen führen,
wenn wir in die aktuellen Klage-Litaneien einstimmen: Wir klagen nämlich
auf ziemlich hohen Niveau.
Oder, wie es mir einmal ein afrikanischer Mitbruder halb im Scherz, halb ernst
sagte: "Wir in Afrika, hätten gerne Eure Probleme. ... Dann ginge
es uns nämlich wesentlich besser als jetzt."
Damit will ich die Krise, in der sich unser Land (trotz Aufschwungbewegung)
befindet, nicht schönreden. Aber etwas relativieren will ich sie schon.
Es liegt eine Art depressiver Schleier auf unserer Gesellschaft: Alles wird
schlimmer. Immer mehr Kürzungen, Einsparungen. Ja, es gibt sogar eine
steigende Tendenz zur Armut.
All das wiegt umso schwerer, weil wir das seit sage und schreibe sechzig
Jahren nicht mehr gewohnt sind. Seit der Stunde Null, also nach Ende des Krieges
1945, ging es ja nur bergauf. Die Bundesrepublik war das Wirtschaftswunderland.
So stark, dass es sogar die neuen Länder im Osten sanieren konnte, ohne
total bankrott zu gehen.
Sage und schreibe sechzig Jahre lang ging es nur aufwärts, gab es immer
nur ein Mehr, ab und zu mal ein Weniger.
Seit einigen Jahren nun ist die Waage hin zum Weniger umgekippt. Das spürt
jeder von uns, nicht nur diejenigen, die von Hartz IV betroffen sein werden.
Auch die Kirche merkt das deutlich.
Wie soll man dieser Entwicklung begegnen? Die einen rufen nach einem Staat, der eingreift. Die anderen wollen alles dem freien Markt überlassen. Wenn man so will ist der "kalte Krieg" zwischen Kapitalisten und Kommunisten nun auf rein sozio-ökonomischer Ebene wieder ausgebrochen.
Was sagt da die Kirche? Sie setzt weder auf die eine noch auf die andere Seite. Ihr grundlegendes Prinzip heißt auf diesem Feld der Gesellschaft: Subsidiarität.
Hinter diesem Prinzip verbirgt sich – einfach gesprochen – dass
jeder erst einmal für sich selbst verantwortlich ist. Wenn aber jemand
aus eigenen Kräften seine Situation nicht in den Griff bekommen kann,
hilft ihm die Solidargemeinschaft. Aber erst dann.
Diese Grundlinie katholischer Soziallehre bewahrt den Einzelnen davor, Opfer
eines ungebremsten, kalten Kapitalismus zu werden. Gleichzeitig will sie die
nötige Eigeninitiative gegen einen alles kontrollierenden Staatsapparat
verteidigen.
Mir scheint, dass sich unsere Gesellschaft zu sehr auf den Staat verlassen
hat. Der konnte – als es ihm noch gut ging – mit Vergünstigungen
um sich werfen von denen andere Nationen nur geträumt haben.
Auch wenn es hart klingt, so meine ich doch richtig feststellen zu können,
dass wir in der Bundesrepublik über unsere Verhältnisse gelebt haben.
Wir haben uns an viele Annehmlichkeiten gewöhnt. Jetzt aber heißt
es auch wieder zurückstecken zu können. Und das tut weh.
In einer gewissen Weise hat sich hier erfüllt, was der Prophet Amos
in der Lesung sehr drastisch ausdrückt.
Weh den Sorglosen und den Selbstsicheren.
Ihr liegt auf Betten aus Elfenbein und faulenzt auf euren Polstern.
Zum Essen holt ihr euch Lämmer aus der Herde und Mastkälber aus
dem Stall. Ihr grölt zum Klang der Harfe, ihr wollt Lieder erfinden wie
David. Ihr trinkt den Wein aus großen Humpen... und sorgt euch nicht
über den Untergang.
Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt. Eine neue Bescheidenheit
täte uns gut. Das ist das, was wir neu lernen müssen.
Das Prinzip der katholischen Soziallehre, die Subsidiarität weist dazu
einen guten Weg – in Deutschland, Europa und für die gesamte Weltwirtschaft,
die aus den Fugen geraten ist.
Noch ist unsere Gesellschaft eher der reiche Mann als der arme Lazarus. Das
sollten wir nicht vergessen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Wir haben nichts in die Welt mitgebracht, und wir können auch nichts aus ihr mitnehmen. Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, soll uns das genügen. Wer aber reich werden will, gerät in Versuchungen und Schlingen, er verfällt vielen sinnlosen und schädlichen Begierden, die den Menschen ins Verderben und in den Untergang stürzen. Denn die Wurzel aller Übel ist die Habsucht. Nicht wenige, die ihr verfielen, sind vom Glauben abgeirrt und haben sich viele Qualen bereitet. (1 Tim 6,7-10)
Das sind Worte des alternden Apostels Paulus an seinen Schüler Timotheus. Paulus hat seine Erfahrungen mit Menschen gemacht, die der verfluchten Sucht nach dem Geld verfallen sind: Sie werden von ihrer Gier aufgefressen, verlieren alle Freude an Gott, haben kein Mitgefühl mehr mit ihren Mitmenschen und stürzen unweigerlich ins eigene Verderben. Dabei ist es eigentlich so leicht, die entscheidende Einsicht zu gewinnen, die dem Strudel der Habgier entkommen lässt: Du kannst nichts mitnehmen, das letzte Hemd hat keine Taschen. Aber irgendwie kann man dieses Wissen doch auch wieder verdrängen, es wirkt jedenfalls kaum.
Darum ist es von Zeit zu Zeit nötig, die ernsten Aussagen der Bibel zu den Gefahren der Geldgier neu ins Bewusstsein kommen zu lassen. Die Habsucht ist ein Götzendienst, sagt der Epheserbrief (5,5). Weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten. (Lk 6,24) Und noch drastischer: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. (Mt 19,24) Diese sprichwörtlich gewordene Warnung stützt sich auf das rätselhafte Phänomen, dass die Habsucht sich nie begnügen kann, sondern schier unersättlich immer weiter giert und rafft. Wo das Raffen und Anhäufen zum Selbstzweck geworden ist, da haben Vermögen und Besitz ihre ursprünglich positive Rolle verloren und sind zum Mammon geworden, zum Götzen, der den Habgierigen kontrolliert und schikaniert. Nicht er besitzt die Dinge, sondern sie besitzen ihn!
Das Evangelium führt uns diese psychologische Dynamik eindringlich vor Augen: Der reiche Mann denkt offenbar nicht daran, seinen opulenten Reichtum mit dem armen Lazarus zu teilen, ja, nicht einmal, ihm wenigstens etwas von den Resten zu geben. Mit welchen Ausreden mag er sich vor den Pflichten zu drücken versucht haben, die das Alte Testament allen Begüterten gegenüber den Armen klar auferlegt hat, denn Eigentum verpflichtet? Z.B. Wenn bei dir ein Armer lebt, dann sollst du nicht hartherzig sein und sollst deinem armen Bruder deine Hand nicht verschließen. (Dtn 15,7) Oder in prophetischer Warnung bei Amos: Hört dieses Wort, die ihr die Schwachen verfolgt und die Armen im Land unterdrückt. Ihr sagt: Wir wollen den Kornspeicher öffnen, das Maß kleiner und den Preis größer machen und die Gewichte fälschen. Wir wollen mit Geld die Hilflosen kaufen, für ein paar Sandalen die Armen. Sogar den Abfall des Getreides machen wir zu Geld. Beim Stolz Jakobs hat der Herr geschworen: Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen. (Am 8,4-7)
Jeder ist sich selbst der Nächste, das Hemd ist mir näher als der Rock, wer nichts hat, ist selber schuld und viele andere Sprüche gehen um, um der Verpflichtung des Eigentums auszuweichen. Aber es sind nur die Ausflüchte des Geizigen, dem schon der Gedanke ans Teilen weh tut.
Da ist es schon ein Skandal, wenn nicht nur in der Werbung, sondern auch sonst im öffentlichen Leben der Geiz als Tugend gepriesen wird. Anstatt den knickrigen Haltefest wenigstens mit Spott zu bedenken, wird sein krankhaftes Jagen nach Schnäppchen auch noch als nachahmenswert und geil hingestellt. Doch der Geiz ist Ausdruck einer tief sitzenden Angst, die das Leben ersticken lässt und schlechte Laune, Missmut und Bosheit gebiert. Der geizige Mensch ist klein, bitter und hässlich.
Die ökonomischen und politischen Folgen der Habsucht sind keineswegs rosiger. Gewiss ist es wahr, dass das Besitzstreben die Gesellschaft wohlhabend gemacht hat. Wenn es um den eigenen Grundbesitz und den eigenen Erfolg geht, strengen sich die Menschen mehr an, als wenn sie nur für das Allgemeinwohl arbeiten müssen. Aber es ist ein Irrtum, dass die blanken egoistischen Interessen der Reichen wie von unsichtbarer Hand den Wohlstand auch der Armen befördern, wie Adam Smith vor über 200 Jahren behauptet hat und wie der Neoliberalismus es heute wieder behauptet. In Wahrheit werden im globalisierten Kapitalismus die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Die Verlierer im Kampf ums Dasein werden immer mehr ausgegrenzt, man nennt sie sogar abfällig den unvermeidlichen Bodensatz. Eine unbeschreibliche Gefühllosigkeit hat die Menschen ergriffen, nicht nur die 800.000 Millionäre in Deutschland, sondern alle sozialen Schichten, soweit sie von der demokratisierten Habsucht infiziert sind.
Jesus malt im Gleichnis das Schicksal des Habsüchtigen nach dem Tode aus. Es ist töricht, seine Lehre als Drohbotschaft zu verunglimpfen und totzuschweigen. Unser Leben auf der Erde ist endlich, nach dem Tod beginnt das ewige Leben, dessen Unendlichkeit unsere besten Kräfte jetzt schon mobilisieren sollte. Das letzte Hemd hat keine Taschen. Wir können nichts mitnehmen. Einzig unsere guten Taten nehmen wir mit. Sie sind gleichsam die Währung, mit der im Reich Gottes gehandelt wird. Mit der praktischen Nächstenliebe bauen wir an unserer Zukunft.
Heiko Ernst: Wie uns der Teufel reitet. Von der Aktualität der 7 Todsünden. Berlin: Ullstein, 2006, 121.
Liebe Gemeinde!
Der reiche Bauer, von dem wir im Evangelium gehört haben, hätte für die reiche Ernte eigentlich ein großes Dankopfer darbringen müssen. Aber Danke zu sagen, war wohl nicht seine Sache. Worum es ihm ging, fasst er prägnant im Selbstgespräch zusammen: Ruh dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens! (Lk 12,19)
Doch Jesus nennt dieses Denken Narrheit. Wer nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist (Lk 12,21), ist ein Narr, denn er hat nicht begriffen, dass unser Dasein auf der Erde begrenzt ist und dass sich darum nicht alles ausschließlich um dieses irdische Leben drehen darf. Vielmehr kommt es darauf an, vor Gott reich zu sein, denn Gott ist unser Ziel, und unser Leben hier auf der Erde ist gedacht als Weg zu Gott, als Einübung in die ewige Liebe.
Diejenigen Haltungen, die den Menschen von seinem ewigen Ziel abbringen, nennt die Theologie Todsünden. Von der Habgier habe ich am letzten Sonntag gesprochen, sie ist auch im heutigen Evangelium Thema. Dass aber auch die Unmäßigkeit im Essen und Trinken, die Völlerei, zu dieser Gruppe von todbringenden Sünden gehört, ist nicht ohne weiteres einsichtig. Wem soll denn der unmäßige Esser schaden außer sich selbst? Ist er nicht eher ein friedlicher und geselliger Zeitgenosse, der keiner Fliege etwas zuleide tut?
Essen und Trinken sind keineswegs etwas Schlechtes, und auch der damit verbundene Genuss soll nicht madig gemacht werden. Davon zeugen die vielen biblischen Vergleiche des Gottesreiches mit einem Hochzeitsmahl. Wie sonst hätte Jesus ausgerechnet Brot und Wein zu den Zeichen seiner eucharistischen Gegenwart in der Kirche machen können? Aber hier wie auch im Falle des Geldes liegt der Haken in der Verkehrung der rechten Ordnung, Vergötzung genannt. Der Apostel Paulus weiß ein Lied davon zu singen. Im Brief an die Philipper schreibt er: Viele - von denen ich oft zu euch gesprochen habe, doch jetzt unter Tränen spreche - leben als Feinde des Kreuzes Christi. Ihr Ende ist das Verderben, ihr Gott der Bauch. (Phil 3,18f) Wir leben nicht, um zu essen und zu genießen, sondern wir essen und trinken, um zu leben, und wir leben, um lieben zu können: Gott und die Menschen. Wenn diese Ordnung verdreht ist, dann kommt der Mensch vom rechten Weg ab. Noch einmal Paulus: Die Speisen sind für den Bauch da und der Bauch für die Speisen; Gott wird beide vernichten. (1 Kor 6,13) Das klingt drastisch, ist aber heilsame Wahrheit. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Jenseitsglauben und Konsumverhalten: Wenn es nur dieses eine Leben gibt, muss ich möglichst viel davon mitbekommen. Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot, schreibt der Apostel Paulus. (1 Kor 15,32) Die Gier nach Leben kennt dann kein Maß. Wenn man seine Identität nicht von Gott her erwartet und erhofft, sucht man sie im Kaufen, Konsumieren und Einverleiben.
Doch die Maßlosigkeit im Konsum wirkt auch zurück auf die spirituelle Dimension des Menschen: Wer immer nur an Essen, Trinken und Genießen denkt, der hat keinen Blick mehr für die Schönheit der Schöpfung, sondern nur mehr für den Genuss, den sie verspricht. Die Völlerei zerstört und verschlingt alles, was sie berührt. Zurück bleiben verwüstete Buffets, leer gefressene Tafeln und Berge von Abfall, Essensresten und Unrat. Hinzu kommen meist noch unzählige Mengen an Papier, Pappe und Plastik, die unsere Müllberge ins Gigantische wachsen lassen und Zeugnis geben von ökologischer Maßlosigkeit einerseits und Gedankenlosigkeit und Hartherzigkeit gegenüber den Hungernden andererseits.
Der maßlose Konsum stört somit nicht nur das Gottesverhältnis, sondern auch das Verhältnis zum Nächsten. Wer sich der Fressgier ergeben hat, ist egoistisch und selbstbezogen. Er neigt zur Verschwendung und verliert die Ehrfurcht vor den Schöpfungsgaben, verliert die Dankbarkeit und die Solidarität mit den zahllosen Hungernden dieser Erde.
Freilich hat die Völlerei heute ein anderes Gesicht als zu den Zeiten, als die Lebensmittel überall knapp und nur den Reichen in Fülle zugänglich waren. Heute kann sich fast jeder Deutsche mit den besten Speisen mehr als satt essen. Wurde früher der Dicke beneidet, weil er offensichtlich reich war, so ist es heute beinahe umgekehrt: Die Reichen sind schlank und die Armen sind dick. In allen Schichten der Gesellschaft sind wir fast permanent mit Essen beschäftigt, es ist geradezu zur Obsession geworden. In unserer Überflussgesellschaft werden unseren Augen nahezu ständig irgendwelche verführerischen Nahrungsmittel dargeboten: Süßigkeiten, Kuchen, Salzgebäck, Chips, Snacks usw. Und wenn wir es auch meistens schaffen, zu widerstehen, lassen wir unserem Appetit doch spätestens bei einer der zahllosen Einladungen ungehemmten Lauf. So sind wir inzwischen so weit gekommen, dass Essen und Trinken als Bedrohung erfahren werden, als Risikofaktoren, die das Leben verkürzen, statt es zu erhalten. Wenn Essen und Trinken früher eine Art Ersatzreligion sein konnten, so gilt dies heute für die Gesundheitsmoral. Neuerdings schreiben Theologen Bücher wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult. Aber es ist wieder nur die alte Vergötzung des Bauches, die hier die theologische Kritik herausfordert. In jedem Fall wird an die Stelle der wahren Religion ein Ersatz geschoben, der den Menschen auf seine animalische Stufe reduziert und seine geistige Dimension ignoriert.
Der reiche Bauer im Gleichnis hätte für seine reiche Ernte Gott danken und seinen Reichtum mit anderen teilen sollen, dann wäre er vor Gott reich und kein Narr gewesen. Damit sind uns zwei Stichwörter gegeben, die uns erinnern, wie wir uns gegen die Verführung zur gierigen Unmäßigkeit wappnen können: Dankbarkeit und Solidarität. Wer vor und nach dem Essen Gott dankt und um seinen Segen bittet, der macht sich den Wert der Schöpfungsgaben bewusst und bewahrt seinen Geist davor, im rein sinnlichen Genuss zu versinken. Wer noch dazu der Armen und der Hungernden gedenkt, der wird schwerlich zuviel essen. So schickte auch Tobit angesichts der reich gedeckten Tafel seinen Sohn los, um einen Armen aus dem Kreis der gottesfürchtigen Juden einzuladen. (Tob 2,1f) Gelebte Solidarität mit den Hungernden ist in jedem Fall ein wirksameres Mittel gegen die Völlerei als 1000 Diäten.
Vgl. Manfred Lütz: LebensLust. Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult. München: Pattloch, 2002.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
In jener Zeit sagte Jesus den Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.
Liebe Schwestern und Brüder,
durch die Liturgie der Kirche spricht Jesus auch heute zu uns. Das was er
seinen Jüngern damals sagte ist nicht passé, vorbei, vergangen,
ohne Bedeutung für das Heute.
Jedes Wort des Herrn ist auch an Dich und mich gerichtet. Jetzt, hier in Grafenwald, in der Kirche Hl. Familie sagt er zu jedem und jeder von uns, dass wir allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.
Warum sollen wir beten?
Beten heißt, mit Gott reden, Gott preisen, Gott danken, Gott bitten.
Wer betet, lebt sein Leben mit Gott. Er rechnet mit Gott.
Wer betet, sagt letztlich: "Gott ist Gott. Niemand anders. Ich bin nicht
Gott. Ich bin Mensch."
Wer betet, ist also ein Realist, wenn man so will.
Derjenige, der Gott aus dem Blick verliert, macht oft Dinge, Personen oder
sich selbst zum Gott, zum Mittelpunkt und Ursprung des Lebens. Aber damit
täuscht er sich selbst, lügt sich in die Tasche, verdrängt
die Wirklichkeit.
Schlimmer noch: Wenn der Mensch sich selbst zum Gott macht, dann wird er
unmenschlich den anderen gegenüber. Dann wird der barmherzige Vater oft
durch einen grausamen Despoten ersetzt. Das sieht man an den gottlosen Regimes
des Nationalsozialismus oder des Kommunismus.
Wenn der Mensch sich selber zum Gott macht, zum Maß aller Dinge, dann
überfordert er sich gnadenlos selbst. Er stößt an seine Grenzen.
Er läuft ständig Gefahr, diese Grenzen zu überschreiten und
dann die Kontrolle zu verlieren. Denken wir nur an die Möglichkeiten
aber auch Gefahren der Gentechnik. Der Mensch steht heute ständig unter
Strom, weil er immer Angst haben muss, dass eine Maschine stehen bleibt, ein
Kraftwerk in die Luft geht und so weiter.
Da, wo der Mensch sich selbst zum Maß aller Dinge, zum Gott macht,
da verliert er seine Mitte, ja letztlich sich selbst.
Nur mit Gott ist der Mensch wirklich Mensch.
"Nur wer Gott kennt, kennt auch den Menschen" sagte Romano Guardini.
Viele Probleme unserer Welt, unserer Gesellschaft rühren aus einer Gottvergessenheit. Gerade Westeuropa ist gott-los geworden, wir haben ihn irgendwie verloren. Und damit auch das richtige Maß.
In jener Zeit sagte Jesus den Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.
Durch das Gebet lernen wir Gott tiefer kennen. Und damit auch uns.
Deshalb ist es auch die Kirche, die vieles über den Menschen sagen kann
und zu sagen hat.
Wohlgemerkt die betende Kirche, nicht diejenige, die sich auf äußerliche
Planungen, Sitzungen und Pastoralpapiere beschränkt.
Einer, der diese betende Kirche repräsentiert ist der Heilige Vater. Er selbst ist ein großer Beter. Deshalb hat er der Welt auch einiges zu sagen. Ich durfte das noch vor kurzem erfahren, zusammen mit einigen Pilgern aus Kirchhellen. Wir waren in Rom. Bei der Audienz.
Man wirft ihm dabei häufig vor, nicht aktuell, nicht up to date zu sein. Dabei vergessen die Kritiker, dass nicht das aktuell ist, was eine Gesellschaft gerade will, sondern aktuell ist vielmehr das, was eine Gesellschaft gerade besonders benötigt.
Der Papst steht im Blick der Weltöffentlichkeit. Er gilt als eine moralische Autorität. Er wird nicht müde, die Opfer von Krieg, Ungerechtigkeit und Rücksichtslosigkeit zu benennen und sie so vor dem Totschweigen zu bewahren. Gerade auch deshalb hat er Paul Josef Cordes zum Kardinal erhoben. Dieser Deutsche ist seit Jahren Chef von „Cor unum“ und weiß wie kaum ein anderer Bescheid über die schreckliche Not unzähliger Menschen. Ich kann mich an eine Begegnung mit ihm entsinnen. Das war vor drei Jahren. Mit Tränen in den Augen erzählte er von dem was er zwei Tage zuvor in Dafur sehen musste.
Liebe Schwestern und Brüder.
Damals haben Aaron und Hur dem Mose die Arme gehalten, damit der Kampf gegen
die Amalekiter gewonnen werden kann. Unser Gebet heute soll unserem Heiligen
Vater unter die Arme greifen, damit nicht die Kultur des Todes und des Hasses
obsiegt.
In jener Zeit sagte Jesus den Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie
allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.
Vielleicht kann dieses Wort ein Ansporn sein, über Ihr persönliches
Gebetsleben nachzudenken und es möglicherweise neu zu ordnen, zu erweitern.
Das Beten lässt uns Gott erkennen.
Das Beten lässt uns uns selber besser erkennen.
Das Beten ist ein Mittel gegen ein gottvergessenes und damit unmenschliches
Leben.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Das Gleichnis des heutigen Sonntags möchte ich zum Anlass nehmen, über den Zorn zu sprechen und damit ein vorletztes Mal die sieben Wurzelsünden zu thematisieren. Der ungerechte Richter muss den Zorn der Witwe fürchten, und darum gibt er ihr schließlich nach. Witwen galten im Alten Testament als Inbegriff der Hilflosigkeit, sie waren arm, isoliert und hatten keine Machtmittel, ihre Interessen durchzusetzen. Sie konnten höchstens an das Mitleid der Einflussreichen appellieren, doch das war eine höchst unsichere Stütze. Schon damals waren die Mächtigen der Gesellschaft der Versuchung zu Korruption und Amtsmissbrauch ausgeliefert, und keineswegs waren alle gottesfürchtig und fromm. Jesus wählt ausdrücklich das Beispiel eines Richters, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm (Lk 18,2).
Nun kommt es ihm im Gleichnis darauf an, zu erörtern, wie barmherzig und gerecht Gott im Vergleich zu den Menschen ist, die manchmal sogar trotz ihrer Schlechtigkeit anderen Gutes tun, so wie hier der Richter. Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wieviel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn bitten. (Mt 7,11) Mir kommt es heute dagegen darauf an, den gefürchteten Zorn der Witwe als Auslöser für das Nachgeben des Richters zu betrachten. Wäre es richtig und in Ordnung, wenn sie dem ungerechten Richter ins Gesicht schlüge? Gibt es einen gerechten, gar einen heiligen Zorn? Und warum ist Zorn dann eine Todsünde?
Dass es gerechten Zorn gibt, steht außer Frage. Denn es gibt Unrecht, empörendes Unrecht, und der angemessene Affekt darauf ist Zorn. Er kann eine edle Emotion sein, wenn er von einem edlen Menschen ausgeht. Eins der bekanntesten Beispiele ist die Vertreibung der Händler und Wechsler aus dem Tempel. Aber auch im Alltag ist manchmal Zorn nötig und angemessen, denn er verschafft Gehör, wenn man sonst überhört würde, er wirkt reinigend und klärend, nicht selten etwa im engen Familienkreis, wo Gefahr besteht, dass einer die Ohren auf Durchzug geschaltet hat.
Aber wir wissen alle, dass der Zorn sehr häufig ausartet und gänzlich unangemessene Formen annimmt: als blinde Wut, zerstörerischer Jähzorn und Aggressivität, ferner als kalter Ärger, schwelender Groll und giftige Rachsucht. Er kann zu ohnmächtiger Wut ausufern, über die eigene Machtlosigkeit noch rasender werden als über den eigentlichen Auslöser. Dann führt er zur Weißglut, in Raserei und sinnloses Toben. Aber auch wenn er sich äußerlich zügeln lässt, kann der Zorn den Menschen innerlich vergiften und verbittern, kann krank machen, vor allem herzkrank oder auch depressiv. Wie viele andere Sünden hat der Zorn die eigene Strafe im Gepäck.
In der modernen Gesellschaft scheint der Zorn eine ganz besondere Verbreitung gefunden zu haben: die Kriminalitätsrate steigt weiterhin bedrohlich, Gewaltausbrüche gegen Kinder lassen uns erschrecken, Schulhöfe werden zu Schauplätzen von Mobbing und Gewalt, bis dahin, dass Amokläufer sie in blutige Schlachtfelder verwandeln; auf Straßen und Autobahnen grassiert die Aggression, Road-Rage genannt, der Terrorismus ist ein weltumspannendes Problem geworden, das tagtäglich Hunderte von Menschenleben fordert. Und nicht zu vergessen: die Grundstimmung in unserem Land ist mürrisch und missmutig, die Leute kriegen beim geringsten Anlass einen dicken Hals, sie ärgern sich über alles und sie verklagen einander, was das Zeug hält.
Allein diese kurze Aufzählung dürfte einen weiteren Beweis unnötig machen, dass der Zorn wirklich eine schlimme Sünde ist und die Wurzel von Elend und Grauen in der Welt. Doch was ist der Grund für die Zunahme der Aggression, und was kann der einzelne dagegen machen? Der Apostel Jakobus schreibt dazu: Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten? Doch nur vom Kampf der Leidenschaften in eurem Innern. Ihr begehrt und erhaltet doch nichts. Ihr mordet und seid eifersüchtig und könnt dennoch nichts erreichen. Ihr streitet und führt Krieg. (Jak 4,1f) Neid, Begehren, Eifersucht, ja auch die übrigen Wurzelsünden sind oft Auslöser von Aggression, also vor allem auch Hochmut und Habgier. Kaum ein Krieg wurde geführt, ohne dass die fehlgeleitete Leidenschaft eines einzelnen oder einer Gruppe am Anfang stand.
Diese psychischen Ursachen werden zum Teil durch bestimmte Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens verstärkt. So haben wir unser Leben in den letzten Jahrzehnten zunehmend verrechtlicht und dadurch ein sehr hohes Anspruchsdenken geschaffen. Was man früher als unvermeidlichen Schicksalsschlag hingenommen hat, das wird heute als ungerecht empfunden, und man sucht immer einen Schuldigen und einen, der für das Unglück bezahlt. Meistens ist dies der Staat, manchmal auch ein einzelner Mensch: der Arzt, die Krankenschwester, der Kollege oder wer immer. Auch der verbreitete Groll gegen Gott kommt aus einem übersteigerten Anspruchsdenken.
Ein zweites kommt hinzu: Der moderne Mensch ist in vieler Hinsicht zum Einzelkämpfer geworden, herausgelöst aus den engen Bindungen an eine Gemeinschaft, hochgradig individualisiert und auf sich selbst zurückgeworfen. Das führt zu verzerrter Wahrnehmung der Wirklichkeit, wie man am Beispiel des Autofahrers gut sehen kann. Da er in seinem Fahrzeug aus Blech und Glas eingekapselt ist und nicht wissen kann, was in den anderen Fahrern vor sich geht, neigt er leicht dazu, diese anderen als Feinde anzusehen, die ihm absichtlich die Vorfahrt nehmen, oder als Idioten, die nicht Auto fahren können. Diese Neigung, über die anderen zu urteilen und ihnen alles Mögliche, vor allem Schlechtes zu unterstellen, ist nicht nur beim Autofahren anzutreffen, sondern auch sonst im Alltagsleben. Paul Watzlawik hat diese Unterstellungsmanie in seinem Bestseller Anleitung zum Unglücklichsein meisterhaft karikiert:
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und da bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht's mir wirklich. - Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er «Guten Tag» sagen kann, schreit ihn unser Mann an: «Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!»
Wenn man die Ursachen einer Verfehlung kennt, dann kann man sie auch leichter vermeiden. Gegen den zuletzt erwähnten Unterstellungswahn hilft das Gespräch, vor allem das eigene Zuhören. Zuhören ist vielleicht die wichtigste Fertigkeit, um Ärger vorzubeugen. Wer zuhört, weiß: Die anderen haben auch ihre Probleme, und sie sind keineswegs alle bösartig und streitsüchtig. Die Besserwisser, die nicht zuhören können, sind in hohem Maße herzinfarktgefährdet. Dem entspricht der Rat des Apostels Jakobus: Denkt daran, meine geliebten Brüder: Jeder Mensch soll schnell bereit sein zu hören, aber zurückhaltend im Reden und nicht schnell zum Zorn bereit. (Jak 1,19) Ein zweites Heilmittel gegen die Aggressivität sind Toleranz und Vergebungsbereitschaft: Die anderen so lassen können, wie sie sind, sie nicht anders haben wollen das spart sehr viel Ärger. Und wenn sie uns tatsächlich einmal etwas Böses angetan haben, dann wird der Zorn am besten durch Vergebung abgebaut. Wer Vergangenes vergangen sein lassen kann, der hat mehr Kraft für die Gegenwart und Zukunft. Das empfiehlt auch der Apostel Paulus: Lasst euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen! Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen. (Eph 4,26)
Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein. Vom Schlechten des Guten oder Hekates Lösungen. München: Piper Verlag, München, 1986, 40f.
Vgl. Heiko Ernst, 166.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Der Herr ist der Gott des Rechts. (Sir 35,15) Dieser Satz aus der heutigen Lesung ist Frohe Botschaft. Frohe Botschaft vor allem für die, die unterdrückt, ausgebeutet, verfolgt und an den Rand gedrängt sind. Für die Unterdrücker und Ausbeuter dagegen ist der Satz eher bedrohlich, denn er bedeutet, dass die von Menschen errichteten Unrechtsstrukturen in dieser Welt nicht von ewiger Dauer sind, dass Gott vielmehr dazwischentritt und sein Recht durchsetzt.
Am heutigen Weltmissionssonntag sollten wir die Gelegenheit nutzen, uns einmal in die Lage der armen und unterdrückten Völker zu versetzen, die von Bürgerkriegen heimgesucht werden oder in denen eine brutale Zwei-Klassen-Gesellschaft herrscht. Was kann den Menschen dort echte Hoffnung geben? Leere Versprechungen haben sie schon zur Genüge gehört. Der Glaube an das Gute im Menschen ist ihnen gründlich ausgetrieben worden was bleibt da noch? Nur eins kann ihnen Hoffnung geben: der Glaube an den gerechten Gott, der ihr Schreien hört und sie aus ihrem Elend rettet und zwar nicht etwa ein bloß gepredigter Glaube, sondern ein Glaube, der von den Verkündern durch und durch gelebt, bezeugt, vielleicht sogar bis zum Blutvergießen bezeugt wird. Nur die Kirche, die den mächtigen Unterdrückern mutig entgegentritt, mit ihnen nicht gemeinsame Sache macht, sondern klar und eindeutig für Gerechtigkeit eintritt, kann in ihrer sonst so hoffnungslosen Welt Hoffnung geben und den Lebensmut der Menschen neu entfachen und stärken.
Mission ist die Fortsetzung der unermüdlichen Predigttätigkeit Jesu: Den Armen verkündete er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen Freiheit, den Trauernden Freude. Freilich beschränkt sich die Frohe Botschaft Jesu nicht auf die Verkündigung einer rein innerweltlichen Freiheit und Gerechtigkeit. Das heutige Evangelium spricht von einer viel tiefer gehenden Befreiung, nämlich von der Befreiung von Schuld. Und auch hier hat die Frohe Botschaft zwei Seiten: Dieser Mann ging gerechtfertigt nach Hause, jener nicht. Was dem reuigen Sünder froh- und freimachende Botschaft ist, das ist dem selbstgerechten Pharisäer Mahnung und Anklage. Nur wer vor Gott eingesteht, dass seine Hände leer sind, der hört das befreiende Wort von der Sündenvergebung. Wer sich dagegen in Selbstgerechtigkeit gefällt, der verweigert die Solidarität mit den andern Menschen und wird genau deswegen von Gott nicht gerechtfertigt.
Was bedeutet das für uns? Eine Geschichte von Martin Buber kann uns eine Verstehenshilfe geben: Ein Rabbi sagt von sich selbst: Ich bin sicher, der kommenden Welt teilhaftig zu werden. Wenn ich vor dem obern Gericht stehe und sie mich fragen: Hast du nach Gebühr gelernt?, werde ich antworten: Nein. Dann fragen sie wieder: Hast du nach Gebühr gebetet?, und ich antworte desgleichen: Nein. Und sie fragen zum dritten: Hast du nach Gebühr Gutes getan? Und ich kann auch diesmal nicht anders antworten. Da sprechen sie das Urteil: Du sagst die Wahrheit. Um der Wahrheit willen gebührt dir ein Anteil an der kommenden Welt.
Wenn wir so ehrlich vor Gott sind, dann werden wir solidarisch mit den anderen Menschen, auch mit denen, die ganz anders sind als wir. Dann können wir nicht mehr so leicht sagen: Ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin wie dieser Punkt-Punkt-Punkt dort. Zöllner gibt es keine mehr, aber es gibt den Jugendlichen, der eine Riesendummheit begangen hat, das Paar, dessen Ehe zerbrochen ist, den Arbeitskollegen, der des Diebstahls überführt wurde usw. Wenn ich auf einen Menschen mit dem Finger zeige, dann zeigen drei Finger auf mich selbst. Das Gebet des Zöllners kann uns helfen, ehrlicher uns selbst gegenüber zu werden: Gott, sei mir Sünder gnädig. So ein Gebet verändert uns selbst und dann auch die Menschen um uns herum. Wenn heute überhaupt etwas den Lichtstrahl der Frohen Botschaft in die Herzen der Menschen trägt, dann ist es die tiefe demütige Ehrlichkeit, die keinen Fehler nur beim anderen sieht, sondern immer zuerst bei sich selbst, die sich einfühlen kann in die Beschämung des Überführten und die darum die Fehler anderer nicht aufdeckt, sondern diskret zudeckt. Wäre die Welt nicht viel schöner und lebenswerter, wenn die Menschen solche Milde an den Tag legten?
Damit sind wir beim Anliegen des Weltmissionssonntags: Die sanfte Wahrheit von Gottes Güte und Milde möge sich überall auf der Welt verbreiten und alle Selbstgerechtigkeit vertilgen, die doch nur Ausgrenzung, Hass, Fanatismus und sogar Terrorismus zur Folge hat!
Dieses Anliegen kann und soll sich freilich auch in unserer Spendenbereitschaft ausdrücken. Was wir hier nicht tun können, das tun die Missionare in den verschiedensten Ländern der Welt. Sie brauchen dafür Geld das wissen wir , und sie brauchen auch unsere Unterstützung im Gebet. Wenn unser Gebet nicht zuerst um die eigenen Interessen kreist, sondern zur Fürbitte für andere wird, ist es Ausdruck unserer hochherzigen Gesinnung und insofern auch das lebendigste Zeichen unserer Freiheit als Kinder Gottes, unserer Freiheit, vom eigenen Ich absehen zu können, um so alles im größeren Horizont der Liebe zu sehen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Wir schütteln leicht über das Verhalten anderer den Kopf, wenn es uns fremdartig und lächerlich erscheint. So wird es auch bei den Einwohner von Jericho gewesen sein, als sie den Oberzöllner Zachäus auf den Baum steigen sahen. Und doch kann man sein Verhalten verstehen, ja, man kann die ganze verkorkste Lebensgeschichte des Zöllners unter einen Schlüsselbegriff fassen und so verstehen. Zachäus wollte angesehen und anerkannt sein. Und darin glich er fast allen anderen Menschen, nur dass nicht alle mit denselben Mitteln danach streben.
Das erste Mittel, das Zachäus einfiel, war Reichtum und Besitz. Ich denke, da unterschied er sich noch nicht so sehr von den meisten anderen Menschen. Aber aus welchen Gründen auch immer ergriff er ausgerechnet den Beruf des Zollpächters, und damit hatte er zwar eine Karriere als Reicher sicher, aber Ansehen konnte er dadurch nicht erwerben. Die Zöllner vollzogen im Auftrag der ungeliebten Besatzungsmacht die römische Abgaben- und Steuerhoheit. Aber sie waren nicht nur Finanzbeamte des verhassten Kaisers, sondern trieben auch noch die Steuern übergebührlich in die Höhe, und niemand konnte ihnen das verwehren. Dies taten sie, weil ihr eigenes Einkommen an die Höhe der von ihnen eingetriebenen Abgaben abhängig war. Sie konnten zwar nicht den Staat durch Steuerhinterziehung betrügen, aber den Steuerzahler durch überhöhte Zölle.
Vermutlich ist der Gedanke, durch Reichtum glücklich zu werden, zu verlockend, um ihn nicht auszuprobieren, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Aber wenn man dann in die Jahre kommt, merkt man irgendwann, dass es ohne gesellschaftliche Anerkennung nicht geht. Und die hatte Zachäus mitnichten, im Gegenteil, er gehörte zu den meistgehassten Leuten seiner Zeit, die Zöllner wurden oft in einem Atemzug mit Dirnen, Sündern und Heiden genannt. Wie konnte Zachäus, der vermutlich alles andere als dumm war, die nötige Anerkennung gewinnen? Und von wem konnte er sie bekommen?
Ich kann mir vorstellen, dass solche Fragen in vielen Köpfen herumspuken. Wie viele Zachäus-Existenzen gibt es in unserem Land? Wohlhabende Leute, die irgendwann merken, dass sie aufs falsche Pferd gesetzt haben, die bereuen, dass sie in jungen Jahren sich haben bestechen, verlocken oder korrumpieren lassen?! Die vielleicht mit ihrer Beziehung gescheitert sind, weil ihnen die Karriere wichtiger war, oder die mit ihrer Gesundheit dem Geld hinterhergelaufen sind und sich nun gezwungen sehen, mit ihrem Geld der Gesundheit hinterherzulaufen Manche haben nicht einmal mehr Verwandte, die etwas von ihnen wissen wollen
Zachäus jedenfalls bekommt eine zweite Chance, und er ergreift sie auch. Als er hört, dass Jesus in die Nähe kommt, steigt er auf einen Baum, um ihn von dort aus auf jeden Fall sehen zu können. Genau weiß er nicht, wer dieser Jesus ist und ob es sich überhaupt lohnt, nach ihm Ausschau zu halten. Aber die innere Unruhe treibt ihn nach draußen und nach oben auf diesen Baum. Vielleicht kann man dies vergleichen mit den heutigen Weltjugendtreffen und anderen Großveranstaltungen, zu denen Menschen strömen, um einer tief innen gespürten Sehnsucht nach Heilung und Liebe zu folgen.
Zachäus wird von Jesus tatsächlich gesehen, aber nicht nur das: Jesus hat gleich für ihn den rechten Blick und das rechte Wort. Er lässt sich von ihm einladen und schenkt ihm so eine Anerkennung, die Zachäus schon seit Jahren von niemandem mehr bekommen hat. Je mehr er Jesu grenzenlose Güte spürt, um so leichter fällt es ihm, seinen bisherigen Lebensentwurf zu korrigieren und einen Neuanfang zu wagen.
Zachäus wird so der Prototyp des bekehrten Sünders. Sein verletztes Leben wird geheilt, nun kann er sich wieder vor den anderen sehen lassen und sich durch ein moralisch integres Handeln selbstverdiente Anerkennung erwerben. Solches geschieht auch heute etwa bei Weltjugendtagen, es sollte und müsste aber auch im christlichen Gemeindealltag möglich sein. Es muss gar nicht so spektakulär sein. Ein einfaches Wort der Anerkennung gegenüber dem anderen, über dessen Verhalten man den Kopf schütteln möchte, kann dazu den Anfang machen. Wer wie Jesus einfühlend und gütig den rechten Blick und das rechte Wort findet, der kann eine Folge von Ereignissen initiieren, die ungeahnt positive Wirkungen haben: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Schwestern und Brüder!
Da spricht das Jesus von der Endzeit, vom Ende, verbreitet Endzeitstimmung
im heutigen Evangelium. Seuchen, Kriege, Erdbeben, Verfolgungen seien nur
deren Vorboten. Starker Tobak. Einige sehen darin nur Drohbotschaft statt
Frohbotschaft.
Von ganz anderem spricht Paulus in seinem Brief an Thessalonicher. Da wird
keine Drohkulisse des letzten Tages aufgebaut, sondern es geht schlichtweg
um Allerweltskram. Um die tägliche Arbeit und um den täglichen Lebensunterhalt
der Christen, die in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihr selbstverdientes
Brot zu essen haben.
Auch das passt dem einen oder der anderen nicht. Im Gottesdienst, muß
es doch um Höheres gehen, der Gottesdienst soll uns doch erbauen unseren
Alltag irgendwie erheben aus seinem Trott.
Beide Stellen der Heiligen Schrift, die uns heute die Liturgie vorlegt, scheinen verbindungslos nebeneinander zu stehen. Endgericht und Alltag. Beide passen nicht nur vielleicht einigen nicht, sondern sie scheinen gar nicht zusammen zu passen. Auf dem ersten Blick.
Doch die Kirche ist in Ihrer Liturgie sehr weise. Wenn wir tiefer schauen passen gerade diese Lesung und das Evangelium zusammen. Sie sind miteinander verwoben, weil Sie uns nämlich die christliche Lebenshaltung vor Augen führen.
Schwestern und Brüder!
Die Christen der frühen Gemeinde in Thessaloniki lebten in der Naherwartung,
sie glaubten, dass das was im Evangelium beschrieben wird, bald eintritt.
Sie vermuteten, dass sie das Kommen Christi am letzten Tag noch persönlich
erleben würden. Paulus dachte das übrigens auch.
Einige aus der Gemeinde sagten sich: „Wenn das Ende nahe ist, was bringt mir dann noch meine Arbeit, mein Alltag. Auf den besonderen Augenblick am Ende der Zeit muß ich auch mit besonderem Tun vorbereiten. Was soll ich mit einem ordentlichen Leben angesichts des außerordentlichen Endes?“ Und so kam es, das einige aus der Gemeinde, sich wohl in ein religiöses Schwärmertum flüchteten, den Alltag Alltag sein ließen und mit der Welt, wie sie war nicht mehr am Hut hatten.
Freilich, wollten sie schon irgendwie versorgt werden, was zu essen haben.
Und so lagen sie anderen Gemeindemitgliedern wohlmöglich auf den Taschen.
Auf diese Situation geht Paulus ein, wenn er schreibt:
Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.11 Wir hören aber, daß
einige von euch ein unordentliches Leben führen und alles mögliche
treiben, nur nicht arbeiten.12 Wir ermahnen sie und gebieten ihnen im Namen
Jesu Christi, des Herrn, in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihr selbstverdientes
Brot zu essen.
Paulus selbst hatte so gehandelt. Er hatte während seiner Predigtreisen immer wieder in seinem Handwerk gearbeitet, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und das, obwohl er ebenfalls dachte, das Kommen Christi sozusagen live mitzuerleben.
Schwestern und Brüder!
In einem Punkt hat sich Paulus geirrt: Das Ende der Welt, der Letzte Tag lässt
immer noch auf sich warten.
Daß er kommen wird, wissen wir. Das ist eindeutiges Zeugnis der Schrift.
Da hilft kein Herumdeuteln. Wir wissen nur nicht wann. Es könnte auch
gleich, jetzt, in drei Jahren, in drei Jahrzehnten sein. Es könnte auch
während unser Lebenszeit sein.
Das hat zur Folge, dass wir sozusagen wie die frühen Christen in der
Erwartung des Endes Leben sollen. Darum ruft uns der Herr ja immer wieder
zur Wachsamkeit auf, damit uns der Tag nicht unvorbereitet trifft.
In einem anderen Punkt ist uns Paulus Vorbild und Orientierung: Er zeigt
uns, wie wir als Christen in dieser Welt leben, auch wenn wir um deren Ende
wissen und um das Gericht.
Die christliche Lebenshaltung besteht darin, unserer Arbeit nachzugehen. Den
Alltag, wie er ist, anzunehmen. Unsere Pflichten zu erfüllen. Und zwar
in Ruhe.
Gott gab jedem Ding dieser Welt nämlich nicht nur das Sein, sondern
auch Sinn. In der Wirklichkeit – und nur dort: in der realen von Gott
erschaffenen Welt – werden wir den Sinn des Lebens finden. Und zu dieser
Wirklichkeit gehört die Arbeit. Von Anfang an. Sie ist nicht etwa Folge
der Erbsünde, sondern schon vor dem Sündenfall gibt der Schöpfer
dem Menschen den Auftrag, die Erde durch Arbeit zu gestalten.
Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden,
damit er ihn bebaue und hüte. heißt es im Buch Genesis.
Als Christen flüchten wir uns nicht in die Scheinwelten der Massenmedien
und virtuellen Räume;
betäuben wir unsere Sinne nicht mit Drogen, um der Realität zu entfliehen;
setzten wir nicht auf religiöse Praktiken, die uns in Trance oder Ekstase
versetzen.
Weltflucht ist die Sache der Christen nicht. Aber Moment, gibt es da nicht die Orden, die diese Welt verlassen? Gibt es nicht die Tage der Einkehr, Exerzitien, so wie ich gerade welche hinter mir habe?
Nun, die Orden – selbst die radikalsten im Christentum – haben
eines immer verbindlich: jeder und jede muß arbeiten. Die Arbeit der
Benediktiner hat unseren Kontinent gestaltet.
Und Tage der Einkehr sind nicht Weltflucht, sondern Umkehr zur Welt hin. Sie
bewahren uns, den alltäglichen „Ach wenn doch“-Versuchungen
nachzugeben: „Ach wenn ich doch einen anderen Beruf hätte“,
„Ach wenn ich doch eine andere Frau hätte“, „Ach wenn
ich doch besserer Gesundheit wäre.“, „ach wenn, ach wenn,
ach wenn...“
Tage und Zeiten der Einkehr – so auch jede Hl. Messe – helfen
uns die Welt so zu sehen, wie sie ist. Und sie auch so, wie sie ist, zu umarmen.
Und genau das ist Nachfolge Christi. Die Welt umarmen, ja leidenschaftlich
lieben.
Denn Sie ist aus Gottes guten Händen gekommen. Wir haben sie verunstaltet.
In ihr hat Jesus, der Sohn Gottes, gelebt. Dreißig Jahre hat er verborgen
in Nazareth gelebt, wie einer von uns.
Und er hat diese Welt und uns so sehr geliebt, dass er sie sogar erlöst
hat.
Liebe Schwestern und Brüder,
ruhig unserer Arbeit nachgehen, den Alltag annehmen, wie er gerade ist und
kommt – das ist die beste Art und Weise als Christ zu leben. Diese Welt
bereitet uns auf die kommende vor. Und in dieser Welt können wir, wenn
wir aufmerksam sind, schon einen Vorgeschmack der kommenden verkosten. Nur
wer diese Welt flieht, wird die kommende verlieren.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Am Ende des Kirchenjahres werden uns immer wieder die ernsten Worte vom Ende der Welt und den Schrecken, die damit verbunden sind, zugemutet. Schon die Jünger fragen: Wann wird das geschehen? Doch Jesus sagt ihnen nur anspornend: Seht euch vor, lasst euch nicht irreführen. Er spricht nicht als Wahrsager, sondern als Prophet, als Weisheitssager. Und der Sinn der Prophetie ist nicht die wortwörtliche Erfüllung, sondern die Umkehr der Menschen, auf dass die vorausgesagten Ereignisse gerade nicht eintreffen. Die Mahnung richtet sich an die Menschen aller Zeiten: Sehr euch vor, lasst euch nicht irreführen. Haltet euch bereit.
Das sind ernste Gedanken, die uns am Volkstrauertag beschäftigen, wo wir der vielen Toten und Opfer der unzähligen Kriege gedenken. Aktuell gedenken wir in Südkirchen auch derjenigen, die am vergangenen Sonntag vom Unglück betroffen wurden: des lebensgefährlichen verletzten Mirko, seiner Eltern und Angehörigen und aller, die seelisch in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Der schreckliche Vorfall zeigt uns: Was sonst nur an fernen Orten geschieht, kann plötzlich auch bei uns eintreffen; wovor wir uns sicher dünken, das kann uns dennoch ereilen. Wir kennen nicht den Tag und die Stunde. Unser Leben ruht auf unsicherem Boden.
An solchen Tagen und bei solchen Geschehnissen wird uns bewusst: Die Welt ist nicht in Ordnung. Sie ist durcheinander geraten. Sie hat sich von Gott losgelöst, seit der Mensch von Anbeginn die Schöpfungsordnung durchbrochen hat und seine eigenen Wege gehen wollte. Die Folge der Sünde sind die zahllosen Streitigkeiten, Kriege und inzwischen sogar Umweltkatastrophen. Das sollen wir ganz realistisch bedenken und mutig zur Kenntnis nehmen.
Aber damit ist der Sinn der Weissagung Jesu noch nicht ausgeschöpft. Das Evangelium bleibt nicht bei der Beschreibung der üblen Zustände stehen, sondern öffnet den Blick für die Überwindung des Bösen: Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen. Es gibt eine Versuchung, wankend zu werden, zu resignieren und zu denken, das Böse sei stärker als das Gute. Dieser Versuchung gilt es mit aller Kraft zu widerstehen, denn sie stammt vom Bösen, der die Guten verblenden und schwächen will. Doch das Gegenteil ist wahr: Gott ist immer stärker als das Böse, und am Ende wird das Gute allein Bestand haben. Bis dahin müssen wir freilich warten, aushalten und kämpfen. Jeder kann und muss seinen Teil dazu beitragen, dass das Böse nicht überhandnimmt. Keiner darf sich in die Schmollecke verziehen und sich der Tatenlosigkeit hingeben.
Das Ende des einzelnen Menschen wie auch das Ende der Welt ist immer Ankunft der Herrschaft Gottes und Jesu Christi. In diesem Sinne haben wir auch im Eingangslied gesungen: Komm, Herr Jesu, komm, führ die Welt zum Ende, dass der Tränenstrom sich in Freude wende. Dieses Ende ist alles andere als schrecklich, vielmehr das Ende allen Schreckens.
Wer dies im Glauben annimmt, wird nun keineswegs die Flucht aus der Welt antreten und nur noch darauf warten, bis endlich der Tod kommt. Einem solchen Missverständnis tritt der Apostel Paulus gebieterisch entgegen: Wir hören, dass einige von euch ein unordentliches Leben führen und alles mögliche treiben, nur nicht arbeiten. Wir ermahnen sie und gebieten ihnen im Namen Jesu Christi, des Herrn, in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihr selbstverdientes Brot zu essen. (1 Thess 3,11f) Das Ende, auf das wir zugehen, soll uns nicht lähmen, sondern anspornen. Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde, heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn er kommt, heißt es in einem Lied. Heute noch können wir aus vergangener Schuld etwas Gutes machen, heute noch können wir einen Groll begraben und neue Herzlichkeit ausstrahlen.
Die Zustände in unserer Gesellschaft sind kein Schicksal. Wir haben es in der Hand, wie unsere Umwelt aussieht, jedenfalls zu einem Teil. Jeder kann etwas tun, in der Summe ist es viel. Wenn wir uns auf den Wert der Gemeinschaft besinnen und uns nicht aus der Solidarität miteinander begeben, dann sind wir stark. Die Kraft der Gemeinschaft haben wir am Dienstag beim Gottesdienst wieder erfahren. Vergessen wir das nicht!
Jesus ruft uns heute zu: Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das ewige Leben gewinnen. Dafür lohnt es sich. Amen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Um uns selbst zu erkennen, kann es mitunter nützlich sein, uns in eine andere Person zu versetzen. Der Apostel Petrus lädt uns dazu heute förmlich ein. Als er zu seinen Freunden sagt: Ich gehe fischen, da brennt in ihm noch die Erinnerung an seine schmähliche Verleugnung. Was tun mit solchen unangenehmen Erinnerungen? Am besten verdrängen durch handfeste Arbeit, durch Tun dessen, was man gewohnt ist, bei dem man nicht nachdenken muß.
Aber die Rechnung will nicht aufgehen: Nicht einmal die Fische tun, was sie sollen. Alles geht schief. Alles ist umsonst. Die ganze Welt hat sich gegen mich verschworen. Ist es nicht so? Petrus ist verzweifelt, traurig, beschämt. Er fühlt sich schmutzig, müde, überfordert, weiß nicht mehr weiter. Selbst die Nähe seiner Freunde kann ihn nicht aus seiner Trübsal herausreißen; er bleibt auf sein Ich zurückgeworfen, fühlt sich einsam und leer. So wird es langsam Tag, und man muß zusehen, daß man nach Hause kommt.
Doch in dem Moment passiert etwas: Ein Fremder steht am Ufer es erscheint alles irgendwie unwirklich er möchte etwas zu essen haben dabei haben sie doch nichts. Und dann fordert er sie noch auf, die Netze erneut auszuwerfen. Warum sie es tun, ist ihnen selbst nicht ganz klar. Vielleicht erinnern sie sich an die Zeit, die ihnen so lange zurückzuliegen scheint, an die wunderbare Zeit, als es noch Wunder gab, als Jesus noch quicklebendig unter ihnen war. Doch als das Wunder wieder passiert, da weiß Petrus: es ist der Herr. Die Schamröte schießt ihm ins Gesicht, er will nur noch ins Wasser, um abzuwaschen, was er angerichtet hat, nicht wiedergutmachen kann und gerade dabei war, zu vergessen.
Er taucht wieder aus dem Wasser auf, fängt sich, bekommt wieder etwas Sinnvolles zu tun: er kann das Netz an Land ziehen und die Fische herausholen. Ihre Zahl ist anscheinend bedeutungsvoll. Aber das berührt Petrus im Augenblick nicht. Er stillt seinen Hunger und genießt die Gegenwart seines Meisters: alles wie früher! Wenigstens für eine Zeit darf er so empfinden, doch dann muß er das gefürchtete Gespräch führen. Aber der Meister macht ihm keine Vorwürfe. Er fragt ihn nur: Liebst du mich? Die Antwort ist sehr abgewogen: Ja, Herr, du weißt Sein eigenes Wissen ist ihm nicht mehr geheuer, seit er so großspurig gesagt hat: Mein Leben will ich für dich hingeben (Joh 13,37) und dann so jämmerlich versagt hat. Dreimal allerdings fragt Jesus ihn so, denn dreimal hat Petrus ihn aus Furcht verleugnet. So wird die Schuld endgültig getilgt, und die Erinnerung daran ist nicht mehr belastend. Fortan kann Petrus Mitleid haben mit allen anderen, die schwach werden. Denn das muß er, soll er doch nun das höchste Amt antreten, das Jesus zu vergeben hat: Weide meine Lämmer, hüte meine Schafe, weide meine Schafe. Die jungen Lämmer soll er lehren und stärken, die Schafe tapfer führen und die eigensinnigen erwachsenen Schafe weiden.
Was wäre aus Petrus geworden, wenn sein Meister nicht der große Pädagoge gewesen wäre, der er war? Wenn Jesus aus Enttäuschung einen anderen, z.B. den treuen Johannes zum Ersten der Apostel erwählt hätte? Vermutlich wäre Petrus dann trübselig geworden, bitter und verschlossen. Wieder einer mehr von denen, die vom Leben enttäuscht wurden, ohne Hoffnung und ohne Perspektive. Aber so ist es eben nicht gekommen! Ostern bedeutet nicht nur das Ereignis der Auferstehung Jesu, es bedeutet viel mehr: der glimmende Docht wird neu zum Brennen gebracht, der gefallene Mensch aufgerichtet, die vergangene Schuld wird in das Vermögen zu höchster Einfühlsamkeit und Barmherzigkeit gewandelt.
So könnte und sollte es auch bei uns sein: Mensch, wer du auch bist, höre die Stimme des Meisters, der dich nach deiner Liebe fragt! Es ist derselbe, der dich aus der Lethargie weckt, dir einen Auftrag gibt vielleicht nicht, ein Netz einzuholen, vielleicht aber, ein Fahrrad zu reparieren oder ein Buch auszuleihen. Laß dir nicht von den Fehlern der Vergangenheit alle Zukunft verbauen! Ergreife die Chance und antworte wie Petrus: Du weißt, Herr, du weißt alles. Du weißt, daß ich dich liebe.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Wir sind doch keine Schafe! Bleib mir weg mit dem Bild vom guten Hirten! So mögen manche denken, die sich als mündige Christen und nicht als zu hütende Schafe angesprochen wissen wollen.
Andererseits hat wohl jeder Mensch eine Seite an sich, die man seine schwache Seite nennen könnte, jeder sehnt sich mehr oder weniger stark nach Geborgenheit, nach Orientierung und Angenommensein. Unsere Welt ist kompliziert geworden, sie verlangt immer mehr das erwachsene, mündige und kritische Denken, sie ist immer schwerer zu durchschauen. Während wir Menschen auf der einen Seite dieser Anforderung gewachsen zu sein bemüht sind, suchen wir suchen auf der anderen Seite nach einem Raum oder einer Gruppe, wo wir angenommen sind, wo wir ganz einfach Mensch sein dürfen, ohne daß man uns nach Leistung und Verdienst fragt. Diese Sehnsucht wird vom Bild des guten Hirten angesprochen.
Dazu muß man wissen, dass ein Hirte in Palästina zur Zeit Jesu großes Ansehen genoß. Das Land war nämlich weitgehend unwirtlich, das Gras war spärlich, und die Herde mußte ständig von einem Platz zum anderen überwechseln. Es gab keine Schutzmauern, und so war die ständige Anwesenheit des Hirten unter der Herde erforderlich.
Im Alten Testament hat sich Gott selbst als Hirte seines Volkes bezeichnet. Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen (Ps 23,1). Auch die Führer des Volkes Israel erhalten den Titel Hirte, aber sie werden daran auch gemessen und von Fall zu Fall auch kritisch beurteilt. So von Ezechiel, der ihnen ins Stammbuch schreibt: So spricht Gott, der Herr: Weh den Hirten Israels, die nur sich selbst weiden. Müssen die Hirten nicht die Herde weiden? Ihr trinkt die Milch, nehmt die Wolle für eure Kleidung und schlachtet die fetten Tiere; aber die Herde führt ihr nicht auf die Weide. Die schwachen Tiere stärkt ihr nicht, die kranken heilt ihr nicht, die verletzten verbindet ihr nicht, die verscheuchten holt ihr nicht zurück, die verirrten sucht ihr nicht, und die starken misshandelt ihr. (Ez 34,2-4) Und dann folgt die Verheißung: Denn so spricht Gott, der Herr: Jetzt will ich meine Schafe selber suchen und mich selber um sie kümmern. (Ez 34,11) Diese soll sich mit dem künftigen Messias erfüllen: Wie ein Hirt führt er seine Herde zur Weide, er sammelt sie mit starker Hand. Die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er behutsam (Jes 40,11). Dieses Bild des vollkommenen Hirten findet seine volle Verwirklichung in Christus. Er ist der gute Hirte, der sich auf die Suche nach dem verlorenen Schaf macht; er hat mit dem Volk Mitleid, weil er in ihm Schafe ohne Hirten erkennt (vgl. Mt 9,36).
Der Abschnitt des heutigen Evangeliums hebt einige Charakteristiken des guten Hirten hervor. Zunächst wird gesagt, dass der Hirte und seine Schafe sich bestens kennen: Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir. Während in bestimmten Nationen Europas die Schafe in erster Linie wegen ihres Fleisches gehalten werden, werden sie in Israel vor allem wegen ihrer Wolle und ihrer Milch gezüchtet. So blieben sie jahrelang in der Gesellschaft des Hirten, der schließlich den Charakter jedes einzelnen Schafes kannte und es mit einem Kosenamen rief.
Ebenso kennt Jesus seine Jünger. Er kennt sie beim Namen, was für die Bibel heißt: in ihrem innersten Wesen. Er liebt sie mit einer persönlichen Liebe, die einen jeden so erreicht, als wäre er der einzige, der vor ihm steht.
Der Abschnitt aus dem Evangelium sagt uns noch etwas über den guten Hirten. Er gibt sein Leben hin für die Schafe, und keiner wird sie seiner Hand entreißen. Diese enge Verbundenheit mit dem Hirten wird sogar dreimal wiederholt: Was uns Jesus durch sein Opfer am Kreuz und seine Auferstehung schenkt, ist bereits ewiges Leben, und wer es empfängt und nicht ablehnt, der kann nie mehr zugrundegehen, es kann ihn niemand der Hand Jesu entreißen, und es kann ihn auch niemand der Hand Gottes, des Vaters, entreißen.
Angesichts dieser starken Verheißung können wir allen selbsternannten Führern der Menschheit gelassener begegnen; also denjenigen, denen an den Schafen nichts liegt, die vielmehr nur ihr Schäfchen ins Trockene bringen wollen, d.h. die nur an sich selbst denken. Solcherart sind heute etwa zahlreiche Menschheitsbeglücker im Fernsehen, die sich einbilden, den Zuschauern ihre Sicht der Dinge aufdrängen zu müssen. Es ist gefährlich, wenn Menschen sich als Lehrmeister der Menschheit aufspielen. Da werden Führer leicht zu Verführern. Dann braucht es eine starke Gegenkraft, die uns davor bewahrt, von solchen Leuten nicht ins Verderben gerissen zu werden.
Leider müssen wir zugeben, daß wir vor dem anderen Menschen, der sich als Wolf gebärdet, mehr Furcht haben als vor Gott. Menschenfurcht ist aber das Kennzeichen der bezahlten Knechte, der schlechten Hirten. Unser Vorbild sollte indessen Christus sein, der gute Hirte, der keine Furcht hatte weder vor dem Tod noch vor sonst einer irdischen Macht.
Am heutigen Sonntag betet die Kirche um geistliche Berufe, d.h. darum, daß sich immer wieder junge Menschen bereit finden, dem Ruf Jesu zu folgen und in seine Nachfolge zu treten als gleichfalls gute Hirten, die sich um die ihnen anvertrauten Christen wahrhaft sorgen und sich für sie einsetzen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Im Evangelium haben wir von dem neuen Gebot gehört, das Jesus uns gegeben hat: einander zu lieben, so wie er uns geliebt hat. Über Liebe zu reden ist leicht, sie zu üben und zu tun aber schwer.
Wir geben zwar ohne weiteres zu, jedenfalls im allgemeinen, daß es uns an Liebe mangelt. Aber wir lassen uns nicht gern fragen: Und was willst du daran ändern? Eine solche Frage würde leicht Ärger auslösen. Denn den Mangel an Liebe empfinden wir nicht als Makel, unsere Mittelmäßigkeit erschreckt uns nicht.
Hinzu kommt, daß wir uns von anderen nicht sagen lassen wollen, daß uns ein wenig mehr Liebe wohl anstünde. Schon wenn ein anderer nur leise andeutet, mich darüber belehren zu können, was ich denn aus Nächstenliebe zu tun oder zu lassen hätte, reagiere ich empfindlich mit Abwehr und Zorn. Was bildet der oder die sich eigentlich ein? Und weil ich das weiß, tue ich mich auch schwer damit, anderen Empfehlungen zu geben, wie sie das Gebot der Nächstenliebe konkret umsetzen könnten oder sollten.
Nun sagt aber Jesus, daß unsere Liebe so groß sein soll, daß sie als Erkennungszeichen dient und eine Empfehlung für andere ist. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt. Die Liebe soll anderen zum Motiv für ihre Bekehrung werden, sie soll unsere Gesellschaft durchsäuern und menschlicher machen.
Ich kenne Christen hier in unserer Gemeinde, die genau das tun. Sie setzen sich für ihre Mitmenschen ein, strahlen sie an und schenken ihnen Zeit und Zuwendung. Das ist wunderbar. Was mich dabei jedoch bedrückt, ist die Undankbarkeit, die sie vielfach erfahren müssen. Ihre Liebe wird wie etwas Selbstverständliches erwartet und angenommen, ja geradezu gefordert. Selten ein Wort des Dankes, noch seltener der spürbare Erfolg, die Seele des anderen ein wenig zum Besseren umgeformt zu haben, aus einem Griesgram jedenfalls für eine kurze Zeit einen frohen Menschen gemacht zu haben. Strahlen Sie mal einen muffeligen Menschen an es ist fast so wie bei einem Schwarzen Loch: alles Licht wird aufgesaugt, es kommt nichts zurück. Fragen Sie denselben Menschen anschließend, ob er sich an etwas Gutes in jüngster Zeit erinnern kann: ihm wird nichts einfallen.
Wie soll sich da die Verheißung Jesu erfüllen: Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt? Wie kann man da ein liebender Mensch bleiben? Wie in der Liebe gar noch wachsen?
Das Geheimnis besteht darin, die wahre Quelle der Liebe aufzusuchen und von ihr zu trinken. Allein Jesus kann den Durst nach vollkommener Liebe stillen: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke ! (Joh 7,37) Wer sich von der Liebe Jesu ergreifen läßt, der wird nach und nach an der Wurzel seiner Seele geheilt und zu einem liebenden Menschen umgestaltet werden. Es ist ein Geheimnis, das nur demjenigen offensteht, der sich darauf einläßt, der sich auf die Suche begibt, weil er sich nicht satt und selbstzufrieden mit Halbheit und Oberflächlichkeit begnügt. Mutter Teresa zum Beispiel hat dieses Geheimnis entdeckt und aus ihm gelebt. Sie verrät uns, aus welcher Quelle sie ihre schier unerschöpfliche Liebe bezieht:
Die Tätigkeit der Schwestern, alles was wir tun, ist einzig und allein die Frucht des Gebetes, die Frucht unserer Einheit mit Jesus in der Eucharistie. Dank dieser Einheit ist es uns möglich, uns dem Dienst an den Aussätzigen, den Sterbenden, den Kindern, denen die unerwünscht sind, und anderen Menschen hinzugeben. Wenn wir abends nach Hause kommen, halten wir eine Stunde lang Anbetung. Das ist der größte Schatz der Missionarinnen der Nächstenliebe.
Wir sollten uns nicht von der Nörgelei und vom Griesgram unserer Zeit beirren lassen. Nach wie vor lassen sich andere Menschen von der Liebe berühren und verändern. Doch wir müssen immer zuerst bei uns anfangen und unser eigenes Herz an den Quell der Liebe bringen. Von anderen Liebe zu fordern, die man selbst nicht bereit ist zu geben, ist erbärmlich und schnöde.
Noch einmal Mutter Teresa:
Denke nicht, daß Liebe, um wahrhaftig zu sein, außerordentlich sein muß. Notwendig ist nur, unablässig zu lieben. Wie kann eine Lampe brennen ohne unablässige Zufuhr kleiner Öltropfen?
Liebe Freunde: Was sind unsere Öltropfen in unseren Lampen? Es sind die kleinen Dinge des Alltags: die Freude, die Großherzigkeit, die kleinen guten Taten, die Demut und die Geduld. Ein einfacher Gedanke an jemand anderes. Unsere Art still zu sein, zuzuhören, zu vergeben, zu reden und zu handeln. Das sind die wahren Öltropfen, die unsere Lampen unser ganzes Leben hindurch lebhaft brennen lassen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Der Text, den wir gerade im Evangelium gehört haben, wird das Hohepriesterliche Gebet genannt. Jesus betet zum Vater in seiner besonderen Rolle als Mittler zwischen Gott und den Menschen, eben als Priester, als Hoherpriester. Das Gebetsanliegen Jesu ist vor allem die Einheit der Christen: Sie - d.h. wir - sollen eins sein nach dem Vorbild der Einheit zwischen Gott Vater und seinem Sohn.
Es ist ein ausgesprochen schöner Text, er gewährt uns einen tiefen Einblick in das innere Leben Gottes, in das innige Verhältnis, das Jesus zu seinem himmlischen Vater hatte. Aber wenn ich Sie jetzt fragen würde, ob Sie mir auch nur einen Satz wiederholen könnten, gäbe es vermutlich kaum jemanden, der dazu in der Lage wäre. Das ist nicht als Vorwurf gesagt, vielmehr geht es mir selber ja auch so, daß ich beim Zuhören eines schwierigen Textes nicht recht mitkomme, womöglich ganz aussteige und dann das Ganze als langweilig empfinde.
Bleiben wir da mal kurz stehen: Was ist Langeweile? Wann kommt sie auf? Zum Beispiel: Jemand erzählt uns etwas, das uns überhaupt nicht interessiert. - Oder: Wir haben keine Beschäftigung, und die Zeit, die wir gerne mit etwas füllen möchten, ist wie ein leeres Gefäß. - Oder: Jemand erzählt uns etwas schon zum 10. Mal. Das kennen wir alles schon.
Das sind drei verschiedene Formen der Langeweile:
die Verbindungslosigkeit einer Sache mit uns selber
die Leere, Ungefülltheit, fehlende Gespanntheit
die Öde des immer Selben, das fehlende Neue, Überraschende.
Warum kommt uns die Schriftlesung und auch das Beten in der Kirche manchmal langweilig vor? Weil es mit uns nichts zu tun zu haben scheint. Weil wir das alles schon mal gehört haben, es ist doch nichts Neues. Weil wir selber nichts erwarten, unser Denken ist leer.
Bevor ich mit dem Theologiestudium anfing, dachte ich: Das muß
ja ungemein langweilig sein! Aber es dauerte nur ein paar Wochen, da war
ich fasziniert von dem Vielen, das ich lernte, was mir neu war und was
mir neue Horizonte für mein Leben aufschloß. Kurz darauf stieß
ich auf folgende Sätze, die mich herausforderten:
Denke nicht wie ein Spießer. - Mache dein Herz weit,
weltweit, katholisch. Flattere nicht wie eine Henne, wenn du wie ein Adler
aufsteigen kannst.
Dein Leben darf kein fruchtloses Leben sein. - Sei nützlich.
- Hinterlasse eine Spur. Leuchte mit dem Licht deines Glaubens und deiner
Liebe. - Entzünde alle Wege der Erde mit dem Feuer Christi, das du
im Herzen trägst.
Wären doch dein Verhalten und deine Worte so, daß
jeder, der dich sieht oder mit dir spricht, unwillkürlich dächte:
Der da beschäftigt sich mit dem Leben Jesu."
Das ist es, dachte ich mir. Eine Spur hinterlassen, andere faszinieren, begeistern. Erst einmal selber begeistert sein von diesem Jesus Christus, und dann alles Spießertum ablegen und ein weltweites Herz gewinnen.
Sehnen wir uns nicht nach solchen Menschen? Solchen, die leuchten, die wirklich ein Vorbild sind und die den Glauben neu würzen und aus seiner spröden Erstarrung befreien? Jesus war ein solcher Mensch, und die Apostel wurden es durch ihn, und deren Nachfolger wieder durch sie usw. Mut bekamen sie durch Jesus, Selbstvertrauen, Kraft und Ausstrahlung, Hoffnung und genug Impulse zu guten Werken. Sie wuchsen über sich selbst hinaus, weil sie ihr Spießertum abgelegt hatten dank ihres festen Vertrauens auf Jesus. Das ist das Gegenteil von Langeweile und Chips-Essen vor der Flimmerkiste, das ist Leben pur, Spannung bis zum letzten Atemzug.
Das ist das Leben eines Christen.
Es kommt auf die Einstellung an, die wir einer Sache entgegenbringen. Bibel oder Gottesdienst werden von dem als langweilig empfunden, der gar nicht erst den Versuch macht, diese Dinge an sich herankommen zu lassen. Wie viele haben mit dem Erwachsenwerden auch ihre kindhafte religiöse Wißbegierde abgelegt und meinen, alles Wesentliche schon zu kennen!? Aber so ist es eben nicht. Wer sich offen hält für Gottes Heiligen Geist, der kann jeden Tag etwas Neues und Überraschendes erleben beim Beten, beim Mitfeiern des Gottesdienstes, beim Lesen der Bibel.
Zum Beispiel der Text heute: Er sagt uns das absolut Unerwartete: Wir können und sollen in die Einheit des Vaters mit seinem Sohn mit hineingenommen werden. Wir dürfen am innersten Leben der göttlichen Dreifaltigkeit Anteil erhalten. Es ist die Herrlichkeit. Es ist mehr als schön. Es ist wunderbar, erstaunlich, unbegreiflich, total umwerfend.
Wenn wir es doch begriffen!!!
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Wir feiern alle Heiligen zusammen. Wie ist es überhaupt zu diesem Fest gekommen? In Rom waren während der Christenverfolgungen viele Martyrer in den Katakomben begraben worden. Später wurden die Gebeine dieser Verstorbenen als Reliquien verehrt, und es entwickelte sich deswegen sogar eine eigene Art von Kriminalität, der Reliquienraub: Die Gebeine waren vor Dieben nicht mehr sicher. So mussten sie in Sicherheit gebracht werden. Dies geschah im Jahr 609 unter Papst Bonifatius IV., der die Gebeine karrenweise in das Pantheon brachte, den ehemaligen Allgöttertempel, der nun dem Gedenken aller Heiligen geweiht wurde. Das Volk erschauderte beim Anblick so vieler Gebeine der Heiligen, so dass man sich entschloss, ein Fest eigens zu Ehren aller Heiligen einzuführen.
Was aber ist ein Heiliger? Streng genommen gibt es keine heiligen Menschen, nur Gott ist heilig. Aber der Mensch kann von Gott geheiligt werden. Er kann, so wie ein dunkles Stück Eisen, das feurig wird, wenn es ins Feuer gelegt wird, vergöttlicht werden, wenn er ganz in Gott eingetaucht ist. Dies geschieht in der Taufe. Aber wir wissen: das ist nur der Anfang, gleichsam der Same, der sich nun weiter entfalten kann und soll, damit er Frucht bringt. Dieses Wachstum in Glaube und Liebe ist ganz auf Gottes Gnade zurückzuführen, aber es hängt auch vom freien Mitwirken des Einzelnen ab.
Einige Menschen sind da leuchtende Beispiele, und die nennen wir dann heilig. Aber was für ein Bild haben wir von den Heiligen? Ich fürchte, es ist nicht immer derart, dass wir uns von ihrem Leben angezogen und fasziniert fühlen. Es gibt schiefe Vorstellungen von ihnen: dass sie irgendwie traurige Gestalten sein müssen, die von allen irdischen Freuden nichts wissen wollen, weil sie ganz und gar auf das Jenseits hin leben. Oder dass sie so abgehoben sind vom normalen Leben, dass sie uns sowieso nichts zu sagen haben. Gerade von den berühmten Heiligen denken wir oft so, etwa vom hl. Franziskus oder von der hl. Elisabeth, deren Armutsideal uns beinahe erschreckt, dass wir unwillkürlich denken müssen: Das ist kein Weg für mich.
Hier möchte ich nun sagen: Gewiss das mag sein, dass kaum jemand so radikal auf seinen Besitz verzichten kann wie die genannten beiden. Aber: Heiligkeit ist kein bestimmtes Programm, keine genau festgelegte Lebensform, sondern eine intensive Verbundenheit mit Gott, die sich im Alltag so oder so äußern kann ganz verschieden, je nach den Zeitumständen und den charakterlichen Eigenarten eines Menschen. Darum ist es auch gut, alle Heiligen auf einmal in den Blick zu nehmen, damit auch die Vielfalt, in Heiligkeit zu leben, bewusst wird. Es gab heilige Bettelmönche wie heilige Könige, heilige Priester und heilige Eheleute, sogar Kinder, die heilig gesprochen wurden. Gemeinsam war ihnen nur das eine: dass Jesus Christus die Mitte ihres Lebens war. Oder anders gesagt: Dass sie sich ihrer Gotteskindschaft bewusst waren und daraus lebten. Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es.
Leben aus der Kindschaft Gottes. Das ist ganz leicht und dann auch wieder eine schwere Herausforderung. Nur wer sich geliebt weiß, kann selber Liebe schenken. Das gilt für die Erziehung der Kinder, und es gilt für unsere christliche Lebensführung. Je tiefer Gottes Liebe in unsere Herzen eindringt, um so mehr werden wir davon ergriffen und umgestaltet. Ich bin sicher: auch in dieser Gemeinde gibt es Menschen, die ganz tief von Gottes Liebe berührt sind und an deren Augen dies aufscheint. Sie fallen nicht unbedingt auf, aber sie schenken ihren Mitmenschen dadurch Hoffnung und Trost. Sie sind die wahren Stützen der Gemeinde.
Und das geheime Gesetz, das Gott in unsere Natur gelegt hat, wird an ihnen beispielhaft erfahrbar: Glücklich wird nicht der, der viel hat, sondern der, der viel gibt. Oder wie Jesus es ausdrückt: Selig, die arm sind vor Gott, die Barmherzigen, die reinen Herzens sind, die Frieden stiften denn ihnen gehört das Himmelreich.
Das bedeutet freilich nicht, dass den von Jesus so charakterisierten Menschen nichts Böses mehr widerfährt. Kind Gottes sein muss keineswegs immer Spaß machen. Es kann auch weh tun und Mühe bereiten. Ja, oft scheint es geradezu so, als würde Gott ausgerechnet denen, die ihn am meisten lieben, das Schlimmste zumuten. Die Standhaftigkeit ist denn auch oft, die die Heiligen auszeichnet. Mit dem Blick nach oben die Füße fest auf dem Boden der Wirklichkeit, gehen sie ermutigt durch Gottes Liebe ihren Weg. Das sind die Heiligen. Das ist auch heute faszinierend.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Wenn Kinder in eine neue Schulklasse kommen, dann fragen sie einander zuerst nach dem Namen. Der Name ist ein Zeichen für die einmalige Persönlichkeit. Man möchte nicht mit einem anderen verwechselt werden. Darum kann es für Kinder auch belastend sein, wenn mehrere in ihrer Klasse den gleichen Namen tragen.
Nun hört man immer wieder, die großen Weltreligionen würden im wesentlichen denselben Gott verehren, ob dieser nun Jahwe, Allah oder sonstwie heiße. Der Name sei doch nebensächlich es gebe schließlich nur einen Gott.
Ist der Name, mit dem wir Gott nennen, tatsächlich nebensächlich? Oder verbirgt sich hinter dieser Meinung eine Verwechslung, die wir unter Menschen keineswegs entschuldigen würden? Wenn ich in den Fernen Osten reise, wo ich die Menschen kaum unterscheiden kann, wäre es dann nicht ein großer Fehler, zu sagen, daß alle gleich aussehen? Sollte ich mir nicht vielmehr Mühe geben, die Unterschiede wahrzunehmen und jedem einzelnen in seiner Besonderheit gerecht zu werden?
Als Mose im brennenden Dornbusch Gott erschien, da frage Mose als erstes nach dem Namen, den er den Israeliten als Gottesnamen nennen sollte. Und er erhielt zur Antwort: Ich bin der Ich-bin-da: Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. (Ex 3,14f) Gott hat dem Mose seinen Namen genannt, das heißt, er ist herausgetreten aus der Verborgenheit, er hat sich uns Menschen gezeigt und hat uns angesprochen. Der Name Jahwe ist das Zeichen für die unendlich reiche Persönlichkeit dieses Gottes, der mit den Menschen eine Geschichte angefangen und in Jesus Christus, seinem Sohn, in innigster Weise vertieft hat. Gott will Mit-Liebende so hat es einmal ein großer Theologe ausgedrückt.
Demgegenüber hat z.B. der Name Allah eine ganz andere Bedeutung. Zunächst einmal ist er nicht als Eigenname zu verstehen, sondern besagt schlicht der Gott. Zweitens wird von diesem Gott bei jedem Gebetsruf gesagt: Er ist Allah, der EINE Allah, der Immerwährende, ER zeugt nicht und ist nicht gezeugt und nichts ist ihm gleich. Noch klarer sagt es der Koran (4, 171): Darum glaubt an Allah und seine Gesandten und sagt nicht [von Allah, daß er] dreifaltig [sei]! Allah ist nur ein einziger Gott. Er ist darüber erhaben, einen Sohn zu haben.
Das heißt, mit dem Glauben an Allah verträgt es sich nicht, ihn als Vater, Sohn und Heiligen Geist zu bekennen. Allah kann nicht der Gott und Vater Jesu Christi sein.
Diese Erkenntnis ist freilich noch äußerst dürftig von Gott nur zu wissen, daß sein Name gleichsam ein Programm ist, eine Botschaft. Es kommt vielmehr darauf an, diese Botschaft auch zu kennen, den Gott immer besser kennenzulernen, der sich uns in Jesus Christus geoffenbart hat. Und wir hören heute im Evangelium, daß die kurze Zeit des irdischen Lebens Jesu nicht ausgereicht hat, die Menschen mit Gott, dem Vater, bekannt zu machen. Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Erst wenn der Geist der Wahrheit kommt, wird er sie nach und nach in die ganze Wahrheit einführen.
Es ist so wie bei flüchtigen Bekanntschaften: Man kennt einander nur ganz oberflächlich, man kann sich leicht irren und den einen mit dem anderen verwechseln. Erst wenn man sich über längere Zeit hinweg kennt und eine gemeinsame Geschichte erlebt hat, kennt man den anderen wirklich. So hat uns Jesus damals einen Blick auf die vielen Facetten seiner Persönlichkeit werfen lassen, aber es bedurfte doch eines langen Nachdenkens, bis seine Jünger verstanden, wer er war und was es z.B. bedeutete, als er sagte: Ich und der Vater sind eins. (Joh 10,30)
Das heutige Fest Dreifaltigkeit macht uns in besonderer Weise deutlich, daß Gott in sich selbst lebendig ist und innere Bezüge aufweist, weil er die Gemeinschaft von Vater, Sohn und Geist ist. In Ewigkeit geht aus dem Vater der Sohn hervor, und aus der gegenseitigen Liebe beider entspringt der Heilige Geist. Indem Gott sein Wesen ausspricht, zeugt er den Sohn. Indem Gott Vater und Sohn einander lieben, hauchen sie den Heiligen Geist.
Doch es sind nicht drei Götter, sondern drei Personen, die nur ein einziges Wesen besitzen. Die Verschiedenheit zerstört die Einheit nicht, so wie auch verschiedene Stimmen in einer harmonischen Melodie eine Einheit bilden. Die einzelne Stimme gewinnt an Schönheit, wenn sie mit anderen Stimmen zusammenklingt. Gott Vater spaltet sich nicht auf, wenn er den Sohn zeugt und mit diesem den Geist haucht. Ihre Einheit ist durch eine unvorstellbare Liebe geprägt, an der wir Menschen Anteil erhalten sollen. Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Geist, der uns gegeben ist (Röm 5,5).
Wir könnten wir diesen unendlich liebenden Gott verwechseln mit einem Gott, der lediglich Unterwerfung fordert?!
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Es waren einmal drei weise Könige, die wohnten in einem fernen Land, im Morgenland...
Unser Evangelium beginnt nicht so, nicht mit es war einmal, sondern mit einer geschichtlichen Zeitangabe: Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem geboren worden war... Und dennoch glaube ich ist für viele die Geschichte, die im Evangelium berichtet wird, wie ein Märchen. Schön, ergreifend, wunderbar, um sie Kindern zu erzählen, aber nicht als wahre Begebenheit ernst zu nehmen.
Ist das schlimm? Oder ist es gleichgültig, solange nur irgendein Sinn aus dem Evangelium gezogen wird? Zum Beispiel die gute Tradition, daß in diesen Tagen Kinder durch die Straßen ziehen, verkleidet als die Heiligen Drei Könige, um den Segen Gottes in die Häuser zu tragen. Ist das nicht eine wundervolle Anwendung des Evangeliums?
Ich werde niemals sagen, daß das Dreikönigssingen etwas Schlechtes sei oder daß es nichts mit dem Evangelium zu tun habe. Aber wenn das alles wäre, was wir heute sinnvollerweise aus dem Evangelium entnehmen können, dann wäre das doch sehr bedenklich. Bedenklich in dem Sinne, daß wir etwas zu bedenken hätten. Neu nachzudenken nämlich über Wahrheit und Geschichte, und das heißt über den Sinn unseres Lebens.
Ich möchte dieses Bedenken so beginnen: Als ich ungefähr 18 Jahre alt war, wollte ich wissen, was die Wahrheit ist. Was ist Wahres dran an der Bibel, am Glauben der Kirche, speziell an der Gottessohnschaft Jesu Christi und seiner Auferstehung? Zu jener Zeit waren meine beiden Brüder vom Glauben abgefallen und fühlten sich seit Jahren schon als Atheisten. Eines ihrer Hauptargumente war skeptischer Art: Es gibt so viele Religionen und noch mehr Meinungen woher sollen wir wissen, daß ausgerechnet die katholische Kirche die Wahrheit kennt? Ein sehr schlagendes Argument, nicht wahr? Es ist beunruhigend, wenn man es überhaupt an sich herankommen läßt. Aber ich wollte es wissen. Das erste große Ereignis, das mich einer Antwort näher brachte, war eine Tagung mit dem Thema: Der Atheismus als politisches Problem. Fünf Referenten sprachen dort fünf Tage lang über ihre Forschungen. Der erste war ein Historiker, der mit Max Horkheimer kurz vor dessen Tod einen Briefwechsel geführt hatte und berichtete, wie Horkheimer (einer der Begründer der Frankfurter Schule) eine Sehnsucht nach dem ganz Anderen spürte und die politisch gravierenden Folgen des wachsenden Atheismus zu fürchten begann. Das war 1973. Mit diesen Ausführungen war nur ein kleiner Teil der Antwort gegeben, sozusagen der Abgrund aufgerissen, vor dem jeder steht, der keinen Glauben hat, und vor dem die Gesellschaft steht, wenn nur noch eine Minderheit gläubig ist.
An den kommenden Tagen sprachen zwei Philosophen, ein Theologe und ein Naturwissenschaftler. Sie trugen so faszinierend vor, daß wir jungen Leute bis spät abends, ja sogar bis in die Nacht hinein zuhörten und fragten und diskutierten. Jede radikale Frage war erlaubt und dabei wurde mir klar, daß das Christentum auf jeden Fall die größten Köpfe auf seiner Seite hat.
Es würde zu weit führen, mein langes Suchen und Fragen im einzelnen darzustellen. Im nachhinein betrachtet, waren es die begnadetsten Jahre meines Lebens. Ich hatte gesucht und gefunden. (Übrigens nicht nur ich allein, sondern unter anderen auch einer meiner Brüder.) Und damit bin ich wieder bei den Weisen aus dem Morgenland. Was ist das Besondere an diesen Leuten? Sie hatten einen Stern aufgehen sehen, den sie als Vorboten eines neuen Königs deuteten nach den strengen Kriterien ihrer damaligen Sternwissenschaft. Der Einwand zählt nicht, daß diese Wissenschaft aus heutiger Sicht veraltet ist. Wenn Gott überhaupt etwas durch Zeichen sagen will, dann muß er an das Verständnis der Menschen anknüpfen, an das tatsächlich verfügbare Verständnis. Er muß seine Zeichen in den Horizont des menschlichen Verstehens einfügen, sonst sprechen sie nicht. Also hat Gott diese Sternkonstellation verfügt, die nach damaliger Wissenschaft als Zeichen gedeutet werden mußte. Vermutlich sogar, ohne irgendein Naturgesetz außer Kraft zu setzen. Aber es war ein Zeichen für die, die sehen konnten.
Aber wichtiger ist, was die Sterndeuter taten. Sie machten sich nämlich auf den Weg, auf die Suche. Sie wollten vom Zeichen zum Bezeichneten finden, zum neu geborenen König selbst. Sie suchten die Wahrheit und scheuten weder Zeit noch Mühe. Wie viele Einwände mußten sie sich wahrscheinlich vorher anhören:
- Es gehen viele Sterne auf. Woher wollt ihr wissen, daß dieser Stern gerade etwas so Besonderes sein soll? Oder:
- Ihr habt doch alles, was ihr braucht. Ihr habt Geld, Kleidung und jeden Luxus. Wozu wollt ihr diese beschwerliche Reise machen? Oder:
- Ihr könnt nicht gehen; ihr werdet gebraucht. Denkt an eure Familien: Wir müssen noch dieses Haus bauen und jenes Geschäft tätigen. Später, ja später habt ihr vielleicht Zeit für derartige Spinnereien..."
Wir dürfen heute nicht sagen: Es war einmal... Es kann und soll auch heute so sein. Wir haben es nicht mit einem Märchen zu tun, sondern mit Wahrheit und Geschichte, die jeden einzelnen angeht. Dazu noch ein paar Anmerkungen.
Ich bin davon überzeugt, daß die meisten Menschen in Deutschland sehr wohl wissen, daß Geld und Besitz nicht das Wichtigste im Leben sind, ja, daß sich viele und wohl von Jahr zu Jahr immer mehr Menschen nach dem ganz Anderen, nach der Wahrheit sehnen. Haben sie keinen Stern, der ihnen Zeichen gibt? Doch sie haben ihn, nämlich die Kirche. Sichtbar für alle, die sehen wollen, aber auch vielen Fragen und Einwänden ausgesetzt:
- Es gibt viele Religionen. Woher wollt ihr wissen, daß die christliche Kirche gerade etwas so Besonderes sein soll? Oder:
- Ihr habt doch alles, was ihr braucht. Ihr habt Geld, Kleidung und jeden Luxus. Wozu wollt ihr diese beschwerliche Suche nach der Wahrheit machen? Oder:
- Ihr könnt nicht auf die religiöse Suche gehen; ihr werdet gebraucht. Denkt an eure Familien: Wir müssen noch dieses Haus bauen und jenes Geschäft tätigen. Später, ja später habt ihr vielleicht Zeit für derartige Spinnereien...
Hinzu kommen noch ganz verdrehte Gedanken, die vor allem solche bewegt, die aus christlichem Elternhaus stammen, aber den Glauben verloren haben:
- Ist es nicht egal, was der einzelne glaubt? Hauptsache, er ist glücklich. Oder:
- Hauptsache, man ist ein guter Mensch.
Gute Menschen waren die Sterndeuter auch vorher schon. Aber weise wurden sie erst, nachdem sie gesucht und gefunden hatten. Und glücklich wird man auch erst, wenn man die Wahrheit gefunden hat.
Darum möge sich jeder in diesem Jahr vornehmen, neu nach der Wahrheit zu suchen und dabei Orientierung an dem Stern zu nehmen, den Gott bis zum Ende der Zeiten aufleuchten läßt, an der einen, heiligen, allumfassenden und apostolischen Kirche.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Was hat Jesus Neues gebracht? So fragen viele immer wieder, und eine einfache Antwort scheint nicht ohne weiters auf der Hand zu liegen. Der Theologe Franz Mussner hat ein lesenswertes Büchlein zu dieser Frage herausgebracht. In 15 Kapiteln gibt uns der Gelehrte Auskunft über das Neue, das Jesus gebracht hat. Das ist für uns deshalb so wichtig, weil wir immer wieder in der Gefahr stehen, die Botschaft Jesu für altbekannt zu halten und eher nach etwas anderem Ausschau halten, das unseren Drang nach Neuem befriedigen könnte. Zu dem Neuen, das Jesus in die Welt gebracht hat, gehört die neue Sicht des Menschen, die Paulus in seinem Kolosserbrief beschreibt. Wir haben daraus soeben einen Abschnitt gehört. Gleich der erste Satz ist wegweisend: Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen. (Kol 3,12) Neu ist an diesem programmatischen Satz, dass hier nicht mit einer Aufforderung begonnen wird, nicht mit einem Gebot, sondern mit einer Feststellung. Die christliche Ethik ist immer Antwort auf die vorausgehende Liebe Gottes zu uns. Zuerst sind wir geliebt von Gott seit Ewigkeit; alles andere ist Antwort auf diese überraschende Wahrheit. Wenn Sie sich einmal fragen: »Warum bin ich überhaupt auf der Erde?«, dann ist das die Antwort: Ich bin, weil ich geliebt werde. Das Hauptwort im heutigen Lesungstext ist auserwählt: Gott hat jeden einzelnen von uns seit Ewigkeit aus einer unendlichen Fülle von Möglichkeiten quasi auserwählt noch bevor die Schöpfung war. Paul Gerhardt drückt dies so aus: Da ich noch nicht geboren war, da bist du mit geboren, und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt, erkoren. Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wolltest werden. Die nächste Frage, die man sich dann stellen kann, lautet: »Wozu bin ich auf der Erde?, was ist meine Bestimmung?« Die Antwort darauf lesen wir in den folgenden Versen. Paulus spricht bildhaft vom neuen Gewand, das wir nun gleichsam anziehen sollen, indem wir bestimmte Grundhaltungen in uns ausbilden, die zum christlichen Leben gehören, eben zum Neuen, das mit Jesus in die Welt gekommen ist. Kurz: Wir sollen als neue Menschen leben, indem wir auf Gottes Liebe antworten. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld. Jesus gibt das Maß für den neuen Menschen vor, das Maß, das hier in fünf Grundhaltungen aufscheint. Zuerst aufrichtiges Erbarmen: Diese Haltung hat Jesus vorgelebt und in seiner Bergpredigt ausdrücklich genannt: Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden. (Mt 5,7) Eine Eigenschaft, die die Bibel immer zuerst Gott zugesprochen hat, soll der neue Mensch verwirklichen, und er kann es, weil er von Gott geliebt ist. Dann als zweites die Güte: Sie ist auf das Gute gerichtet, das es in jedem Menschen gibt, sie sieht es, stellt es heraus, lobt es und stärkt es durch gutes Zureden, Aufmunterung und Ansporn. Ein Lehrer, eine Erzieherin ist gütig zu nennen, wenn er bzw. sie die Fehler und Schwächen beim anderen zudeckt, nachsieht, den anderen vor der Beschämung schützt und jede schlimme Etikettierung im Keim verhindert und statt dessen die gute Seite hervorkehrt und verstärkt. Fehlt uns diese Güte nicht allenthalben? Drittens die Demut: Für diese Haltung hatte die heidnische Antike noch nicht einmal ein Wort so fremd und neu ist dieser Mut zum Dienen, den Jesus gezeigt und wärmstens empfohlen hat. Er ist das Gegenteil des Personenkults, die Bedingung für echte Gemeinschaft. Vor allem in einer gefallenen Welt, in der jeder immer wieder schwach wird und Fehler macht, kann es ohne Demut keinen Neuanfang geben, sondern nur Trotz, Verachtung und Ausgrenzung. Viertens die Milde oder Sanftmut. Sie öffnet sich dem Nächsten friedlich und gewaltlos, ohne ihm zu nahe zu treten, ohne ihn zu übermächtigen. Sie verzichtet nicht nur auf Gewalt, sondern sogar auf ihr eigenes Recht, sie schlägt dem anderen die Wahrheit nicht um die Ohren, sondern hält sie ihm hin wie einen Mantel, in den er hineinschlüpfen kann. Schließlich fünftens die Geduld oder Langmut. Das griechische Wort (makrojumi1a) besagt soviel wie ein weites Herz haben. Gott hat unendlich viel Geduld mit uns, er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte (Mt 5,45) weil er geduldig ist mit euch und nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass alle sich bekehren. (2 Petr 3,9) Menschen mit einem engen Herzen regen sich über alles auf; es muss alles nach ihren Vorstellungen gehen, sonst werden sie unerträglich. Darum mahnt der Apostel: Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! (Kol 3,13) Die Krone und Wurzel dieser fünf Grundhaltungen ist die Liebe. Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht. (Kol 3,14) Das griechische Wort Agape meint nicht die Liebe, die auf die eigene Lust bedacht ist, sondern diejenige, die das Gute für den Nächsten will, die Verantwortung übernimmt und zum Verzicht bereit ist, wenn das Heil des anderen es erfordert. Die Heilige Familie wird uns heute als Maß für ein christliches Familienleben vorgestellt, denn in ihr sehen wir die genannten Grundhaltungen in Vollkommenheit verwirklicht. Wir sollten aus ihr keine konkreten politischen Ideale ableiten, aber es spiegelt sich das christliche Menschenbild in ihr. Wer nach erzieherischen Idealen fragt, sollte auf Maria und Josef schauen, die ihrem Sohn aufrichtiges Erbarmen, Güte, Demut, Milde und Geduld vorgelebt haben, so dass dieser Gefallen fand bei Gott und den Menschen (Lk 2,52) und später seinem Messias-Amt gewachsen war.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“
So, liebe Schwestern und Brüder, rügen die zwei Engel die Apostel, die Christus nachschauen, der in den Himmel auffährt.
„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum
Himmel empor?“
Das ist aber doch natürlich, dass sie ihm nachschauen. Ihm, der in den
Himmel aufgenommen wird. So ein Spektakel sieht man schließlich nicht
alle Tage.
„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum
Himmel empor?“
Sicherlich liegt in den Blicken der Apostel auch etwas Wehmut und Schmerz
über den Abschied von ihrem Herrn. Wie wird es weitergehen, ohne IHN
an der Seite zu haben? Solche Fragen können lähmen, den Blick verengen.
„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum
Himmel empor?“
Dieser Ruf der Engel soll zu einem Perspektivenwechsel bei den Jüngern
führen. Sie sollen die Welt mit neuen Augen sehen, jetzt, wo der Herr
im Himmel ist.
Das Leben Jesu hilft uns die Welt mit neuen Augen zu sehen.
Er hat unser menschliches Leben geteilt. In allem war er uns gleich, außer
der Sünde.
All das, was wir Menschen auf Erden erleben, hat der Sohn Gottes auch erlebt:
Geburt, Kindheit, Lernen, Arbeit, Tränen, Schweiß, Angst, Liebe,
Freude, Leiden, Tod.
All das ist ihm nicht fremd.
Und deshalb hat all das auch mit Ihm, mit dem Sohn Gottes zu tun. Und deshalb
können wir auch in all dem, was diese Welt ausmacht Ihm, Gott nämlich,
begegnen. In dieser Welt können wir Ihm dienen.
Diese Welt, dieser Planet Erde, unser Alltag – das sind die Orte, wo
wir als Christen, als Jünger Jesu leben und leben sollen.
Und diese Welt, diesen Planeten Erde, unseren Alltag können wir uns nicht
aussuchen.
Die Himmelfahrt Jesu hilft uns die Welt mit neuen Augen zu sehen.
Die Welt ist zwar der Ort, der uns Menschen zugewiesen ist, aber es gibt ein
Mehr. Wenn Jesus die Erde verlässt und zu seinem Vater in den Himmel
auffährt, dann liegt darin auch für uns eine Verheißung. Das
Tagesgebet der Messe drückt diese mit folgenden Worten aus:
In der Himmelfahrt Deines Sohnes, hast Du den Menschen erhöht. Schenke
uns das feste Vertrauen, dass auch wir zu der Herrlichkeit gerufen sind, in
die Christus uns vorausgegangen ist.
Diese Welt, die vergeht, dieser Alltag, der manchmal so zermürbend sein
kann – das ist nicht alles.
All das Leid, die Sorgen, die Trauer und Angst, die einem begegnen –
das ist nicht alles.
Es gibt ein Mehr, ein ewiges, herrliches Mehr, das all unsere Vorstellungskraft
übersteigt.
Ein Mehr, in dem wir von allem, was uns hier unten einengt und bedrängt,
befreit werden, in dem unsere Sehnsucht nach glücklichem Leben gestillt
wird.
Ein Mehr, in dem wir endlich die sein können, die wir in Wahrheit sind.
Deshalb ist die christliche Religion eben nicht "Opium für das Volk".
Wir Christen müssen nicht mit Rauschmitteln in eine andere Welt fliehen.
Wir Christen sind nüchterne, realistische Menschen, die ihrer Hoffnung
auf eine erlöste Welt in dieser unerlösten Welt Ausdruck verleihen,
in Taten, Worten und Gebeten.
„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum
Himmel empor?“
Die Engel treiben die Jünger an, nicht wie Salzsäulen stehen zu
bleiben, sondern sich aufzumachen.
Sich aufzumachen in die Welt, in der sie leben. In der auch Jesus gelebt
hat.
Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.
Damit alle diese Welt sehen, wie sie in Wirklichkeit ist: kostbar aber endlich.
Damit allen die neue, wunderbare Perspektive eröffnet wird: es gibt ein
ewiges Leben, das unsere Sehnsucht stillt.
Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.
Das ist der Auftrag der Jünger in dieser Welt. Unser Auftrag als Christen.
In uns will Christus weiterleben. Unsere Münder, unsere Hände sollen
seine Botschaft weiterführen. Jeder, jede von uns ist dazu berufen, ein
anderer Christus, ja Christus selbst zu sein.
Wenn wir so mit Christus vereint sind, uns jetzt und hier bemühen, sein Leben weiterzuleben, werden wir auch sein Leben im Himmel in der Herrlichkeit des Vaters erleben.
Christi Himmelfahrt lässt uns so die Welt mit neuen Augen sehen: Als
den Ort, wo wir das Leben Jesu weiterführen sollen.
Und als den Weg, der uns zur wahren Freude führt.
Als Christ in dieser Welt zu leben, lohnt sich.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?
Diese Frage beschäftigte die Apostel ganz besonders. Sie hatten seit Ostern Jesus immer wieder gesehen, und sie konnten sich nichts anderes vorstellen, als daß Jesus sich nun bald als der Messias offenbaren und das ehemalige Reich wiederherstellen würde. Sie wären dann so etwas wie Minister unter der Regierung Jesu, ihres Herrn.
Doch es kommt dann anders: Jesus geht in die himmlische Herrlichkeit ein, kehrt dorthin zurück, von wo er gekommen war und läßt die Seinen scheinbar allein zurück. Nach all den freudigen Ereignissen von Ostern war das wieder ein ernüchterndes Erlebnis. Aber Jesus geht nicht einfach weg, sondern kündigt die Sendung des Heiligen Geistes an, dessen Kraft seine Jünger erfüllen wird. Er erklärt sogar: Es ist gut für euch, daß ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden. (Joh 16,7) Der Heilige Geist ist die große Gabe des auferstandenen und erhöhten Herrn an seine Kirche. Ohne diesen Beistand und Tröster bleibt alles menschliche Tun der Vergeblichkeit ausgeliefert; es wird durchkreuzt, hintertrieben und zerstört. Menschliche Reiche, selbst die mächtigsten, wie das römische Kaiserreich oder die kommunistische Herrschaft der Sowjetunion, zerfallen und werden durch junge, frischere Kulturen abgelöst. Die Kirche wäre schlecht beraten, wenn sie auf rein menschliche Kräfte setzte statt auf die Kraft des Heiligen Geistes, wenn sie anstelle ihrer ureigenen Sendung Ministersessel bevorzugte.
Es ist nichts Neues, wenn ich darauf hinweise, daß es dennoch immer wieder die Versuchung gegeben hat, den kirchlichen Dienst auf irdische Machtstrukturen zu gründen, und nicht nur die Versuchung, sondern auch das entsprechende ungeistliche Verhalten. Und auch nicht nur im Großen, sondern ebenso im Kleinen. Denn Hand aufs Herz wer wünscht sich heute nicht vollere Kirchen? Wer würde für dieses Ziel nicht auch den Sozialdruck früherer Zeiten als nützliches Mittel in Kauf nehmen?
Doch Jesus verspricht nichts dergleichen. Der Heilige Geist genügt. Er wird den Jüngern helfen, Zeugen zu sein in Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.
Ebenso genügt auch uns der Heilige Geist. Er wird uns helfen, Zeugen zu sein für das Evangelium. In den folgenden Tagen sind wir eingeladen, besonders um den Heiligen Geist zu beten. Denn ohne sein lebendig Wehn kann im Menschen nichts bestehn, heißt es in der Pfingstsequenz. Allein der Heilige Geist kann uns den Weg weisen in unserer unübersichtlichen Zeit und unser Denken neu auf Gott ausrichten. Er allein kann uns Geschmack an Gott geben, eine Neigung zum Gebet und zum christlichen Dienst. Ohne diese Neigung können wir andere nicht überzeugen, sind wir eben keine Zeugen des Evangeliums.
Feiern wir in diesem Sinne Eucharistie und freuen uns an der Muße, die uns das heutige Fest gewährt!
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Einen guten Rutsch wünschen sich die Leute heute (gestern), d.h. einen guten Anfang, denn das meint das hebräische Wort rosch, das wir zu Rutsch verballhornt haben. Jedes neue Jahr ist in der Tat ein Anfang, und den ersten Tagen wohnt ein besonderer Zauber inne, der Zauber des Unberührten und Neuen, der Reiz des Unbekannten und Verlockenden.
All die Hoffnungen und Befürchtungen, die wir im Herzen tragen, bringen wir vor Gott, der die Zeiten kennt. Was immer da vor uns steht der entscheidende Anfang ist bereits gemacht, das erfahren wir heute in der Lesung. Denn Gott ist auf die Erde gekommen und hat die Zeit zur Heilszeit gemacht, hat einen Neuanfang gesetzt, den niemand mehr rückgängig machen kann. Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, damit wir die Sohnschaft erlangen. (Gal 4,4f)
All unsere menschlichen Anfänge ruhen auf diesem göttlichen Anfang. Darum ist es angemessen, den ersten Tag im Jahr der Muttergottes zu weihen, weil wir ihr den neuen Anfang, den Gott mit der Menschheit gemacht hat, verdanken. Weil sie Ja gesagt hat zu Gottes Plänen, konnten diese Wirklichkeit werden. Durch ihren Glauben ist das Tor zum Himmel wieder geöffnet worden. Darum wird sie Mutter der Glaubenden und Mutter der Kirche genannt.
Über ihre Glaubenshaltung wird im heutigen Evangelium eine kurze Bemerkung gemacht, die wir nicht achtlos übergehen sollten: Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach. (Lk 2,19) Sie begriff nicht alles, was da geschehen war, aber sie versuchte es zu verstehen, indem sie es in ihrem Herzen bewahrte. Nicht nur in ihrem Gedächtnis, nicht nur mit ihrem Verstand! Das Herz ist der Sitz der Gefühle und Affekte, das Vermögen des Willens und der Liebe. Maria setzte ihre ganze geistige Kraft ein, um das Geschehen, das Gott gewirkt hatte, in rechter Weise würdigen zu können. So wie sie ihren Sohn neun Monate unter ihrem Herzen getragen hatte und mit ihm schwanger ging mit ihrer ganzen Liebeskraft und Zuneigung , so trug sie nun das Gehörte und Gesehene in ihrem Herzen, um davon ganz erfüllt und durchdrungen zu werden. Dieses Nachdenken und Meditieren hat nicht nur neun Monate gedauert, sondern ihr ganzes Leben; und auf diese Weise hat Maria eine Weisheit erlangt, die selbst Salomo nicht besaß, ist sie zum Sitz der Weisheit geworden.
Wie kann das Jahr 2007 zu einem guten Jahr werden? Die meisten meinen, dazu müßten wir mehr Geld haben, eine bessere Wirtschaft, eine funktionierende Gesundheitsversorgung usw. Doch dies alles kommt erst an zweiter Stelle, wenn es überhaupt kommt. Zuerst ist Weisheit vonnöten, ein Urteilsvermögen, das die Dinge ins rechte Licht zu stellen vermag und das die Rangfolge der Werte beachtet. Solche Weisheit fällt nicht vom Himmel und läßt sich auch nicht in einem Volkshochschulkurs mal eben so nebenbei erwerben. Sie ist die Frucht langen Nachdenkens und Meditierens, und zwar über die zentralen Geschehnisse der Geschichte, über das, was Paulus die Fülle der Zeit nennt.
Der Dichter Friedrich Spee beschreibt dieses Nachdenken in einfachen Worten: In seine Lieb versenken will ich mich ganz hinab. Das kann jeder, dazu braucht man kein Studium, dazu braucht man nur eine Geisteshaltung, wie Maria sie uns exemplarisch vorgelebt hat. Der Barockdichter Paul Gerhardt hat sie in dem folgenden Vers zusammengefaßt:
Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen;
und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen.
O daß mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer,
daß ich dich möchte fassen.
Ihr inniger Glaube hat Maria zu einem tiefsinnigen und weisen Menschen gemacht. Am Neujahrstag sollen wir sie uns zum Vorbild nehmen, damit auch wir an Tiefe und Weisheit gewinnen. Dann rutschen wir nicht einfach ins nächste Jahr hinein, sondern fangen es auch gut an und dürfen die Hoffnung haben, daß Gott alles, was er mit uns zusammen anfängt, auch zu einem guten Ende führt.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Dann ging Petrus nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war.
Liebe Schwestern und Brüder!
Ein eigenartiger Schluss des Osterevangeliums. Jedenfalls empfinde ich das
so.
Wäre nicht ein Petrus, der voll Freude ausruft: „Christus ist erstanden!“
angebrachter.
Statt eines überschwänglich jubelnden Petrus begegnet uns ein nachdenklicher,
sich wundernder Petrus.
Das Ende dieses Evangeliums hat nichts von der Freude, von dem Halleluja,
von der Feierlichkeit unserer Osterliturgie, die wir gerade feiern.
Das leere Grab war für ihn erst einmal schwer zu verkraften.
Das leere Grab wirft für ihn erst einmal alles über den Haufen.
Das leere Grab lässt in ihm Fragen aufsteigen:
Was bedeutet die Botschaft der Engel: Er ist nicht hier, er ist auferstanden?
Wer ist dieser Jesus, dem ich gefolgt bin, der mein Leben verändert hat,
den ich verraten habe, der hier beerdigt lag? Wer ist er wirklich?
Später ist Petrus das alles klar geworden. Spätestens seit der
Sendung des Hl. Geistes weiß er, was Auferstehung bedeutet, wer Jesus
Christus wirklich ist.
Nach Pfingsten nämlich wird er zum ersten großen Prediger der Frohen
Botschaft von der Auferstehung der Toten. Als erster Papst bekennt er vor
der Welt, dass Jesus Christus, der Herr der Welt, der Herr über Leben
und Tod ist.
Anlässlich dieses Osterfestes, anlässlich der Botschaft vom leeren
Grab stellen auch wir uns mit Petrus die Fragen:
Was ist Auferstehung? Und wer ist dieser Jesus?
Was ist die Auferstehung?
Bei Umfragen unter Christen wurde vor kurzem deutlich, dass weiß Gott
nicht der Großteil an eine Auferstehung Jesu und der Toten glaubt. Bei
vielen ist auch ein falsches oder zu kurzes Verständnis über dieses
Glaubensgeheimnis anzutreffen.
Es gibt Menschen, Christen, die die Auferstehung mit der Wiedergeburtslehre,
der Reinkarnation ostasiatischer Religionen verwechseln oder vermengen.
Die Reinkarnation setzt voraus, dass wir mehrere Leben auf Erden haben. Je
nach dem vorherigen Leben werde ich als Mensch oder Tier oder sonst etwas
wiedergeboren.
Diese Wiedergeburt ist aber eine Bestrafung. Ziel ist es, nicht mehr an die
Erde gebunden zu sein, sondern in das Nichts, in das Nirwana einzugehen.
Wir Christen glauben hingegen, dass wir nur ein Leben auf dieser Erde haben, in dem wir uns auf den Himmel vorbereiten. Und dieser Himmel ist kein Nichts, sondern wir werden darin als ganze Menschen, mit verklärten Leib und geläuterter Seele auf ewig leben. Außerdem ist uns die Erde als Gabe von Gott geschenkt worden: Auf ihr zu leben ist trotz aller Mühsal eine Gnade und keine Bestrafung. Nein, mit Reinkarnation hat das leere Grab nichts zu tun.
Was ist die Auferstehung?
Jesus lebt in seiner Botschaft weiter, sagen viele. Das, was er gelehrt hat,
ist lebendig in der Kirche. Die Sache Jesu geht weiter.
Sicherlich, die Lehre Jesu wird weitergetragen von Generation zu Generation. Ähnlich wie die Erinnerung an liebe Verstorbene in uns weiterlebt. „In unseren Herzen lebst du weiter“ heißt es dann oft auf Totenzetteln. Das Gedächtnis der Toten zu pflegen, ist gut und wertvoll.
Aber das ist nicht die ganze Wahrheit, an die wir glauben.
Jesus Christus lebt nicht weiter, weil die Kirche ihn verkündet.
Vielmehr gilt: Die Kirche verkündet Jesus Christus, weil er wirklich
lebt.
Der Herr lebt in der Herrlichkeit des Vaters, als der Auferstandene, auch
wenn die Kirche ihn nicht mehr auf Erden verkünden sollte.
Unsere lieben Verstorbenen leben in der Ewigkeit, auch dann wenn sich keiner
mehr an sie erinnert.
Es wäre schrecklich, wenn wir nur in den Herzen der anderen weiterleben
würden. Was, wenn Menschen einsam gelebt haben und keiner sich ihrer
erinnert? Was, wenn die Menschen, die sich eines Verstorbenen erinnern, selber
sterben?
Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist
auferstanden!
In diesen Worten der Engel ist kurz zusammengefasst, was wir Christen glauben:
Jesus, der Gekreuzigte, lebt als der Auferstandene nicht hier in dieser Welt
oder nur in unserer Erinnerung, sondern er lebt wirklich beim Vater. Deshalb
ist das Grab auch leer.
Wer ist dann dieser Jesus?
Er ist nicht nur ein Prediger der Liebe Gottes. Er ist nicht nur ein guter
Mensch. Er ist nicht nur einer, der sich der Armen und Kranken annahm. Er
ist nicht nur ein Wunderheiler. Er ist nicht nur unser Bruder.
Dieser Jesus ist all das, aber er ist noch viel mehr:
Er ist der Sohn Gottes, er ist der menschgewordene Gott. Er ist der Herr über
Leben und Tod. Er ist das Leben.
Unser Herr spricht:
Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, wird leben, auch
wenn er stirbt; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht
sterben.
Gott hat sich mit uns Menschen in seinem Sohn Jesus Christus sosehr verbunden, dass er in ihm unseren Tod gestorben ist. Und er hat sich in ihm sosehr mit uns Menschen verbunden, dass wir an seinem ewigen Leben Anteil erhalten, an seiner Auferstehung.
Wer sich an Christus festmacht wird wirklich auferstehen. Wie er. Auf ewig.
Wer sich von ihm lossagt, wird sterben, tot sein. Auf ewig.
Wer ist dieser Jesus?
Er ist der Herr. Herr über Leben und Tod.
Wenn wir wirklich leben wollen, wenn wir wirklich auferstehen wollen, dann kommen wir an ihm nicht vorbei.
Wir müssen uns entscheiden, wenn wir auf sein leeres Grab schauen.
Für oder gegen ihn.
Dann ging Petrus nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen
war.
Liebe Schwestern und Brüder!
Petrus hat sich den Fragen gestellt: Was ist Auferstehung? Wer ist dieser
Jesus?
Er glaubte und verkündete: Auferstehung heißt wirklich als ganzer
Mensch auf ewig zu leben. Jesus ist der Herr über Leben und Tod.
Petrus hat sich entschieden. Für ihn.
Und er wird dann mit all den anderen gejubelt haben: Halleluja!
Und er wird dann mit all den anderen den Glauben an die Auferstehung und an
Christus, den Sohn Gottes vor der Welt bekannt haben.
Folgen wir dem Aufruf des verstorbenen Papstes Johannes Paul II. In der Osternacht
2005 konnte er nicht mehr selber predigen. Seine Worte verlas Kardinal Ratzinger.
Worte, die ein Vermächtnis sind an uns, an Sie, an Dich, an mich:
„Lasst uns aufwachen aus unserem müden, schwunglosen Christentum!
Erheben wir uns und folgen wir Christus, dem wahren Licht, dem wahren Leben.
Amen!“
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Es gibt kein Fest der Christenheit, das derartig faszinierend ist und eine ähnlich reichhaltige Liturgie aufweist wie das Osterfest, insbesondere die Feier der Osternacht. Vermutlich gibt es aber auch kaum ein anderes Fest, dessen Inhalt Anlaß zu so vielen Zweifeln, Mißverständnissen und Neudeutungen gegeben hat wie das Osterfest.
Herz und Verstand werden beide angesprochen, aber für manchen stehen beide im Gegensatz. So stemmt sich Goethes Faust mit seinem Verstand gegen die Osterbotschaft: Was sucht ihr mächtig und gelind, ihr Himmelstöne mich im Staube? Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Andererseits ist er zutiefst unglücklich und trostbedürftig, und gerade dem Selbstmord entronnen, ruft er aus: O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder, die Träne quillt, die Erde hat mich wieder.
Dieses Gegeneinander von Glaube und Unglaube, Hoffnung und Verzweiflung hat auch schon die ersten Osterzeugen bestimmt, so die Frauen, die am Ostermorgen zum Grab kamen, um den Leichnam ihres geliebten Herrn zu salben, so auch Petrus und die anderen Apostel, Thomas und die Emmausjünger. Die Frauen, die statt des erwarteten Leichnams Jesu zwei Engel am Grab vorfanden, waren geschockt und schauten zu Boden. Doch die Frage der Engel holt sie aus ihrer Erstarrung heraus und ruft sie zur Entscheidung: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?
Diese Frage hallt durch die Jahrhunderte, und immer wieder werden Menschen durch sie aufgerüttelt und mit dem Kern unseres Glaubens neu konfrontiert. Die Frauen suchen Jesus, aber sie suchen ihn an der falschen Stelle, im Grab nämlich, bei den Toten. Das war ganz verständlich und überhaupt nicht zu tadeln, denn schließlich waren sie ja Zeugen seiner grausamen Hinrichtung gewesen. Und doch suchten sie am falschen Ort, und sie hätten es besser wissen können, wenn sie sich an die Worte ihres Meisters erinnert hätten: Der Menschensohn muß den Sündern ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen. Ja, das hatte Jesus so vorausgesagt aber konnten sie es in diesen traurigen Stunden noch in lebendiger Erinnerung haben? Die Trauer hatte ihnen die Kehle zugeschnürt und die Erinnerung blockiert; ihr Glaube an Jesus war der Verzweiflung gewichen. So suchten sie Jesus nicht unter den Lebenden.
Und es dauerte einige Zeit, bis sie ihre Depression überwunden hatten und das Wort der Engel nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich aufgenommen hatten. Daß Jesus tatsächlich lebte und nicht bei den Toten weilte das mußten sie erst einmal gegen die bedrückende Erfahrung der vergangenen Tage anglauben. Da mußten sie ihre ganze seelische Kraft aufbringen, und die allein hätte auch nicht ausgereicht, das wissen wir von Thomas, der Ostern nicht dabei war und dem deshalb der Augenschein fehlte, um das wahrhaft Unglaubliche glauben zu können. Es widersprach ja jedem gesunden Menschenverstand, daß ein Toter wieder lebendig wurde, und da schien es viel plausibler, das Gerede von der Auferstehung Jesu als Wunschdenken abzutun und sich mit dem Tod abzufinden.
Das gilt zu jeder Zeit, auch heute. Ich weiß nicht, wie viele Menschen den Lebenden nach wie vor bei den Toten suchen, aber es sind vermutlich viele. Ich nenne nur zwei Gruppen von Menschen. Da sind zum einen die Menschen, die sich an die Wissenschaft halten und argumentieren: Der Tod gehört zu den unabänderlichen Tatsachen des Lebens. Alle müssen sterben, und wer gestorben ist, dessen Leben ist unwiderruflich zu Ende ausnahmslos. Dies ist ein ehernes Gesetz der Natur, gegen das man sich am besten nicht auflehnt. Wer dennoch von einem ewigen Leben träumt, der beweist damit nur, daß er der Wahrheit nicht ins Auge sehen kann; er ist im Grunde zu bemitleiden oder zu verachten. Wer so denkt, der sucht die Wahrheit bei den Toten, denn er hält sich in seiner Wissenschaftsgläubigkeit nur an die sterbliche Materie und sieht diese als maßgebend für die ganze Wirklichkeit an. Aber warum soll sich die geistige Welt an die Gesetze der vergänglichen Materie halten? Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?
Zum zweiten sind da die vom Leben Enttäuschten. Sie denken: Es lohnt sich nicht, sich für andere einzusetzen, denn Undank ist der Welten Lohn. Jede gute Tat versinkt in Vergessenheit, aber das Recht des Stärkeren setzt sich gegen alles durch. Das Böse ist ein Teufelskreis, das Gute hat da keine Chance. Was ist Wahrheit? so fragt nicht nur Pilatus, sondern so fragen alle Zyniker und die Machtmenschen. So wenig wie Jesus dem Pilatus geantwortet hat, so wenig gibt es eine theoretische Antwort auf diese resignierte Frage. Man kann höchstens die Gegenfrage stellen: Was suchst du den Lebenden bei den Toten? Gewiß gibt es den Teufelskreis des Bösen, aber die Liebe kann ihn durchbrechen, und sie hat ihn immer wieder durchbrochen. Statt Pilatus eine Antwort auf die Frage Was ist Wahrheit? zu geben, hat Jesus ein praktisches Zeugnis für die Wahrheit, die er in Person ist, gegeben, und zwar ganz konsequent bis zum Äußersten. So hat er gezeigt: Wahrheit ist Liebe, und Liebe ist Wahrheit. Das Böse ist demgegenüber die Unwahrheit, es ist nur für eine gewisse Frist stärker, langfristig aber wird es vergehen. Ja, der Tod selbst ist nichts anderes als der Untergang all dessen, das nicht in der Wahrheit und in der Liebe ist. Wer nur das Böse sieht und die Vergeblichkeit des Guten, der sucht noch bei den Toten.
Wende also deinen Blick, starre nicht wie das Kaninchen auf die Schlange, sondern laß dir sagen, daß alles Böse endlich ist, Gottes Liebe aber unendlich! Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein. (Eph 5,14) Suche den Lebenden nicht mehr bei den Toten, sondern suche ihn dort, wo der Teufelskreis des Bösen schon durchbrochen wurde! Denn so spricht der Herr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. (Joh 11,25) Laßt uns diese freudige Botschaft mit nach Hause nehmen: O Jesu, all mein Leben bist du, ohne dich nur Tod.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
Das Weihnachtsfest, liebe Schwestern und Brüder, war einmal das Fest
der Kinder par exelance. Das war es einmal. Mir scheint, dass es nun hauptsächlich
ein Fest für Erwachsene geworden ist. Das sieht man an den Regalen, den
Schaufenstern, den Anzeigen und Werbeblättern.
War es früher die Freude der Großen, die Kleinen zu beschenken,
so meine ich feststellen zu müssen, dass es heute hauptsächlich
darum geht, dass Erwachsene sich gegenseitig eine Freude machen.
Das liegt wahrscheinlich daran, dass immer mehr Erwachsene keine Kinder kennen, die sie beschenken könnten. Darauf hat der fast alles regierende Markt reagiert.
Unser Land – wie viele andere in Westeuropa auch – hat immer weniger Kinder. Das ist so und wird auch erst einmal so bleiben, auch wenn im vergangenen Jahr mehr Kinder geboren wurden als die Jahre zuvor.
Deutschland vergreist. Kindertagesstätten werden nicht nur wegen der Kosten reihenweise geschlossen. Es gibt schlicht zu wenig Kinder.
Das ist der Politik mittlerweile auch aufgefallen, nachdem der drohende Kollaps der Sozialsysteme von niemanden mehr übersehen werden konnte.
Kinder zu kriegen ist zu teuer geworden. Das ist eine der immer wieder angefügten Begründungen des Kindermangels. Aber war das früher anders? Waren Kinder nicht immer teuer, eine finanzielle Belastung? Reiche Länder müssten dann doch eigentlich eher mehr Kinder haben als ärmere? Aber dem ist ja nicht so.
Mütter können den Beruf und die Kindererziehung nicht mehr in Einklang
bringen. Ein weiteres vielzitiertes Argument.
Deshalb unternimmt man viele Anstrengungen Kindergarten- und Krippenplätze
zu vermehren und flexibler zu gestalten.
Als Träger von vier Kindertageseinrichtungen weiß unsere Pfarrei,
was das heißt. Diesen Dienst wollen wir wohl zur Unterstützung
der Familien gerne tun.
Dabei kommen mir aber manchmal Zweifel, ob es dem Großteil der Lösungsansätze wirklich um die Kinder geht. Wichtiger scheinen hier wohl die Belange der Wirtschaft zu sein. Frauen sollen frei sein, um im Berufsleben das Bruttosozialprodukt anzukurbeln. Nichts dagegen.
Nur wenn in einer Gesellschaft als Arbeit ausschließlich anerkannt wird, was auch Geld einbringt, jeder Ansatz zur Entlohnung von Familienarbeit aber mit Schlagworten wie "Herdprämie" oder "Heimchenbonus" abzutöten versucht wird, kann es jedenfalls nicht weit her sein mit einer Wertschätzung von Familie. Und dass Menschen, die eben darauf hinweisen – manchmal auch ungelenk oder provokativ – dass solche Menschen in den Medien mit Dreck beworfen oder gar bei laufender Kamera des Studios verwiesen werden, stimmt mich mehr als nachdenklich.
Wirtschaftliche und gesellschaftliche Hemmnisse gibt es. Und sie haben ihre Auswirkung auf die Zahl der Kinder. Sicherlich. Aber Probleme dieser Art gab es immer.
Das Problem scheint tiefer zu liegen.
Es ist der Mangel an Hoffung verbunden mit dem, was das mit sich bringt: der
Verlust an Vertrauen in die Zukunft, Lebenskraft, Kreativität, Poesie
und Lebensfreude.
So wie die Ehe ein Akt des Vertrauens, des Sich-Trauens ist, so ist das Kinderkriegen vornehmlich ein Akt der Hoffnung. Hoffnung auf Zukunft für die Welt, in die hinein die Kinder geboren werden.
In diese Welt kann man doch keine Kinder mehr setzten – So sagen viele und denken dabei an Kriege, Klimakatastrophe, globalisierter Ungerechtigkeit. usw. Viele haben keine Hoffnung für diese Welt mehr.
Und tatsächlich, wer seine Hoffnung allein in diese Welt setzt, der wird bald keine Hoffnung mehr für diese Welt haben. Der wird resignieren, stagnieren, leblos die Hände in den Schoß fallen lassen.
Hoffnung für die Welt trägt nur der in sich, der seine Hoffnung
nicht in die Welt setzt, sondern auf deren Schöpfer.
Gott kennenlernen – den wahren Gott, das bedeutet Hoffnung empfangen.
schreibt Benedikt XVI in seiner Enzyklika „Spe salvi“ –
Auf Hoffnung hin. Und damit ist er am Puls der Zeit.
Der Glaube schenkt Hoffnung, weil er uns über diese Welt hinaushebt.
Wieder der Papst:
Nicht die Elemente des Kosmos, die Gesetze der Materie, herrschen letztlich
über die Welt und über den Menschen, sondern ein persönlicher
Gott herrscht über die Sterne, das heißt über das All; nicht
die Gesetze der Materie und der Evolution sind die letzte Instanz, sondern
Verstand, Wille, Liebe – eine Person. Und wenn wir diese Person kennen,
sie uns kennt, dann ist wirklich die unerbittliche Macht der materiellen Ordnungen
nicht mehr das Letzte; dann sind wir nicht Sklaven des Alls und seiner Gesetze,
dann sind wir frei. ...
Das Leben ist nicht bloßes Produkt der Gesetze und des Zufalls der Materie,
sondern in allem und zugleich über allem steht ein persönlicher
Wille, steht Geist, der sich in Jesus als Liebe gezeigt hat.
Wer Hoffnung hat, lebt anders, dem ist neues Leben geschenkt worden. Und
deshalb vermag er auch neues Leben zu schenken.
Aus den Kindern blicken uns nicht nur hoffnungsvolle Augen an, sondern die
Hoffnung selbst.
In den Schriften Charles Peguy gibt es eine schöne Stelle – ich
habe sie leider nicht mehr so schnell gefunden –darin beschreibt er
Glaube, Hoffnung und Liebe wie drei Schwestern, die sich an den Händen
haltend einhergehen. In der Mitte ist die Hoffnung. Ein kleines Kind, das
die anderen beiden größeren Geschwister zieht.
Wenn die Hoffnung stehen bleibt, bleibt alles stehen, heißt das.
Kinder sind Hoffnung. Wo wenig Kinder sind, ist wenig Hoffnung.
Liebe Schwestern und Brüder,
wir haben als Christen Hoffnung. Denn wir feiern heute die Geburt eines Kindes
– Gottes Sohn Jesus Christus strahlt uns mit seinen hoffnungsfrohen
Augen an. Gott hat Hoffnung für uns, für diese Welt.
Diese Hoffnung ist kein billiger Optimismus, keine Vertröstung nach dem
Motto: Wird schon irgendwie.
Diese Hoffnung ist angefochten – am Kreuz schien sie sogar besiegt zu
sein – aber sie ist unsterblich, ewig nicht zerstörbar, weil sie
die Welt und ihre Schrecken besiegt hat.
Das göttliche Kind in der Krippe ist der Hoffnungsträger –
keine politischen Parteien, Ideologien oder esoterische Ersatzreligionen.
Unsere Hoffnung könne wir stärken – gerade auch in der Anfechtung
– wenn wir auf das Kind in der Krippe schauen. Die Umstände seiner
Geburt waren alles andere als ein hoffnungsvoller Einstieg in die Welt. Statt
eines staatlich mitfinanzierten Krippenplatzes hatte Er nur in einer ärmlichen
Krippe Platz.
Es gilt, auf dieses Kind zu schauen, mit ihm zu sprechen, auf ihn zu hören,
zu beten – dann wird die Hoffnung in uns wachsen.
In seiner Enzyklika nennt der Papst das Gebet eine Schule des Hoffens.
Pflegen wir das Gebet. Persönlich.
Aber auch besonders in der Familie zu Hause. Unsere Hoffnung reicht weiter,
wenn wir nicht nur an Weihnachten beten und zur Kirche gehen.
Liebe Schwestern und Brüder.
Weihnachten war das Fest für die Kinder. Kinder sind unsere Zukunft,
sind Zeichen der Hoffnung, das alles gut wird und Gott uns trägt und
lenkt.
Weihnachten ist das Fest des göttlichen Kindes, das uns reich beschenkt.
Es sagt uns ohne Worte: Gott hat Hoffnung für euch und diese Welt.
Dieses Kind beten wir an. Diesem Kind vertrauen wir uns an. Voller Hoffnung.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Jahr für Jahr hören wir die wunderbare Geschichte von der Geburt des Jesuskindes, und wir hören sie immer wieder gern. So geht es vermutlich den meisten heute nacht (heute morgen): sie sind freudig gestimmt und voller guter Erwartungen. Das neu geborene Kind weckt in uns Menschen den Beschützerinstinkt, es vertreibt die Härte aus unserem Alltag und rührt uns zu zärtlichen Gefühlen. Doch wir sollten bei diesen Gefühlen nicht stehen bleiben. Schauen wir auf das diesjährige Altarbild, das Frauen nach einer Vorlage des Priesters und Künstlers Sieger Köder gestaltet haben! Am vierten Adventssonntag habe ich dazu gesagt, dass dieses Bild uns das Rätsel des Menschen vor Augen führt und zugleich schon die biblische Lösung des Rätsels andeutet. Das Rätsel besteht im Widerspruch, der in unserem Leben waltet: Wir stehen in Konkurrenz mit den anderen und müssen ums Überleben kämpfen und zugleich sehnen wir uns nach Frieden, nach Aufhebung der Konkurrenz. Wir müssen sterben und wollen doch ewig leben. Wir unterliegen einerseits dem Gesetz des Stärkeren und andererseits dem der Barmherzigkeit. Dieser Widerspruch schlägt uns in dem Bild entgegen: der tote Baumstumpf und darauf die Rose; die Dunkelheit und mitten drin das helle Licht, das von oben herabscheint. Nicht nur das Rätsel wird uns hier dargestellt, sondern auch bereits die Auflösung. Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart. Wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht. Mit Jesse ist Isai gemeint, der Vater des Königs David: Aus der niedergegangenen davidischen Dynastie soll ein neuer Spross hervorgehen mit dichterischer Freiheit hier unter dem Bild der Rose vorgestellt. Und dieser Spross, diese Rose ist Maria bzw. ihr Sohn Jesus: Das Röslein, das ich meine, davon Jesaja sagt, ist Maria, die reine, die uns das Blümlein bracht. Aus Gottes ewgem Rat hat sie ein Kind geboren und blieb doch reine Magd. Das heißt: Als Maria ihren Sohn Jesus zur Welt gebracht hat was wir eben heute mit den Christen auf der ganzen Welt feiern , da hat sich die alte Verheißung erfüllt, da ist der Retter geboren, auf den die Welt bis dahin voller Sehnsucht gewartet hat. Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß; mit seinem hellen Scheine vertreibts die Finsternis, wahr Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide, rette von Sünd und Tod. Ich sagte, dass damit auch schon die Auflösung des Rätsels gegeben ist. Was ist durch das neu geborene Kind in der Krippe anders geworden? Wenn ich diese Frage vor 2000 Jahren dem König Herodes gestellt hätte, so hätte dieser vermutlich gedacht: »Ich weiß nicht. Aber vielleicht macht mir dieses Kind bald Konkurrenz und erhebt Anspruch auf meinen Thron.« Und er hätte damit nur gezeigt, dass er nichts verstanden hat. Wie übrigens so viele damals und heute. Aus dem Fluch von Konkurrenz, Kampf und Krieg befreit nicht einer, der ebenfalls in diesen Kategorien denkt. Das hieße den Teufel mit Beelzebub austreiben. Dieses Denken hat den Herodes dazu gebracht, eine Unzahl von kleinen Kindern in Bethlehem zu töten, und es bringt die heutigen Herodesse an den Schaltstellen der politischen und wirtschaftlichen Macht immer wieder neu dazu, zu drohen, zu erpressen, zu diffamieren, mundtot zu machen oder gar zu töten und zu morden. Was ist durch das neu geborene Kind in der Krippe anders geworden? Dass Gott in die Welt eingreift, indem er gerade nicht den Weg der Macht und Gewalt wählt, sondern den Weg der Erniedrigung und Armut, den Weg der wehrlosen Liebe, die nicht droht und übermächtigt, sondern bittet und einlädt. Das ist die eigentliche Überraschung, die uns Jahr für Jahr neu in Staunen versetzen sollte. Aber nicht nur überraschend ist diese Botschaft, sondern auch tröstend für jeden, der an der Ungerechtigkeit dieser Welt zu verzweifeln droht. Denn wir wissen ja, dass es nicht bei dem Zeichen geblieben ist, welches das kleine Kind aussendet, das zwar nicht alle, aber doch sehr viele Herzen erweichen kann, sondern dass Jesus später konsequent diesen Weg der Liebe weitergegangen ist. Jesus war kein Softie, der uns etwa zuruft: Lach doch, Gott liebt dich! Das hätte niemanden überzeugt weder damals noch heute. Nein, Jesus hatte eine überragende Ausstrahlung und Autorität, eine Ehrfurcht gebietende Persönlichkeit und eine überlegene Argumentationskraft, die seine Gegner in den Schatten stellte. Aber Jesus hat diese seine menschlichen Fähigkeiten einzig und allein für den Dienst an den Menschen eingesetzt, zum Schutz für die Verachteten und Entrechteten, die Niedrigen und Geringen, auch für die Sünder. Jesus hatte vor niemandem Angst, denn er wusste sich in der Hand seines Vaters sicher geborgen, er kannte keine Konkurrenz, sondern kündete einen umfassenden Frieden im Reiche Gottes, das mit ihm angebrochen war. Wieso ist dieser Friede in der Person Jesu schon gekommen? Was hat sich geändert, seit Jesus auf der Erde war? Es hat doch seitdem immer wieder Kriege und Streitigkeiten gegeben! Jesus war der erste, der die Gewalt der Bosheit freiwillig an seinem eigenen Leib ausgehalten und getragen hat. Wie ein Lamm hat er die Sünden getragen und dadurch gerade weggenommen. Als er sich dem Kreuzesurteil unterwarf, hat er den Teufelskreis der Gewalt gebrochen und einen neuen Anfang ermöglicht, einen neuen Weg, eine neue Lebensweise, welche nach und nach die Welt verändert hat. Alle, die sich Jesus im Glauben angeschlossen haben, sind durch die Jahrhunderte hindurch den neuen Weg der Liebe gegangen, haben sozusagen überall, wo tote Stümpfe waren, neue Sprosse der Hoffnung gepflanzt wie sähe die Welt ohne diese vielen überzeugten Christen, ohne die Heiligen aus? Wir sollten nicht so oft klagen: »Warum ist noch so viel Elend in dieser Welt?« Sondern eher ausrufen: »Wie schlimm könnte es sein ohne den christlichen Glauben und die christliche Liebe!« In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Geschichte vom jungen Mann, der im Traum einen Laden betritt. Hinter der Theke steht ein Engel. Er fragt den Engel: »Was verkaufen Sie, mein Herr?« Der Engel antwortet freundlich: »Alles, was Sie wollen.« Der junge Mann beginnt aufzuzählen: »Dann hätte ich gern das Ende aller Kriege in der Welt, bessere Bedingungen für die Randgruppen der Gesellschaft, Beseitigung der Elendsviertel in Lateinamerika, Arbeit für die Arbeitslosen, mehr Gemeinschaft und Liebe in der Kirche und. .. und ...« Da fällt ihm der Engel ins Wort: »Entschuldigen Sie, junger Mann, Sie haben mich falsch verstanden. Wir verkaufen keine Früchte, wir verkaufen nur den Samen.« Das Altarbild zeigt uns nicht, wie eine Rose die Stelle des Baumstumpfs einnimmt, sondern wie sie auf ihm wächst. Eine Änderung und Verbesserung der Welt ist nicht anders möglich als durch das geduldige Wachsen und Reifen des Guten, durch den Samen des guten Vorbildes, das nach und nach das Denken und Handeln der Menschen umformt. Gott hat in seinem Mensch gewordenen Sohn Jesus Christus dazu den Anfang gemacht. Weihnachten gibt das frohe Hoffnungssignal, dass die Welt nicht im Dunkel versinken wird, sondern vom Licht verwandelt wird. Weihnachten ermutigt uns, selber den Weg der Liebe zu gehen, nicht einzustimmen in der Klagelied der Unzufriedenen und nicht mitzumachen beim allgemeinen Hauen und Stechen, der verbreiteten Selbstbedienungsmentalität zu widerstehen und die eigene Kraft einzusetzen für den Dienst am anderen Menschen, wie Jesus und die Heiligen es uns vorgelebt haben.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2007)
„Ach, hören Sie doch auf, Herr Kaplan, die Jugend glaubt doch
an nichts mehr.“
„Glauben – schön und gut. Aber wie die Kirche mit den Frauen
umgeht. Nein, Danke!“
„Natürlich gehe ich zur Kirche. Ich bin gläubig. Aber warum
ich beichten soll, das sehe ich irgendwie nicht ein.“
„An einen Gott kann ich glauben, an einen, der die Welt erschaffen hat.
Aber daß Jesus der Sohn Gottes ist, daran zu glauben, fällt mir
schwer.“
Solche und ähnliche Sätze höre ich häufig als Kaplan.
In diesen Sätzen, liebe Schwestern und Brüder, geht es um Zweifel.
Ganz sicher sind jetzt unter uns auch einige, die Zweifel in sich tragen,
was Gott, Glaube und Kirche anbelangt.
Aber dürfen die hier im Gottesdienst sein. Das ist doch nur was für
richtig fest Glaubende. Oder etwa nicht?
Nun, im Glauben zu zweifeln, heißt noch lange nicht, nicht zu glauben.
„Viele Zweifel sind noch lange kein Unglaube.“ Hat Kardinal Newmann
gesagt.
Wer Zweifel in sich trägt, wer nicht alles kommentarlos hinnimmt, wer
sich nicht mit glatten Formeln zufrieden gibt, zeigt, dass ihm der Glaube
wichtig ist. So wichtig, dass er ihn auch tiefer, gewisser verstehen will.
Wer zweifelt, der sucht und fragt.
Deshalb ist ein Zweifler kein Ungläubiger.
Und auch zweifelnde Gläubige haben ihren Platz in der Kirche.
Davon spricht das heutige Evangelium.
Da ist Thomas, genannt Didymus –Zwilling. Er gehört zu den Jüngern. Ja, er gehört gar zu den Zwölf, also zum engsten Kreis um Jesus.
Und er hat Zweifel, ob das alles stimmt, was die anderen über die Auferstehung
Jesu sagen.
Er hat Zweifel und sucht nach Antworten, will Gewissheit.
Er will im wahrsten Sinne des Wortes begreifen, dass der Auferstandene auch
der Gekreuzigte sei. Deshalb will er seine Hände in die Wundmale Jesu
legen.
Diese Zweifel, die seinen Glauben an Jesus zutiefst erschüttert haben müssen, sagt er offen seinen Mitbrüdern, denen, die glauben.
Und dann kommt ein Satz im Evangelium, den ich sehr bemerkenswert finde:
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war
dabei.
Thomas war dabei. Die Jünger haben Thomas nicht aus ihrer Gemeinschaft
verbannt. Die Glaubenden haben den Zweifler nicht verstoßen. Nein, Thomas
war dabei.
Das wird nicht ohne Spannung gewesen sein. Auf der einen Seite die euphorischen
Zeugen der Auferstehung, auf der anderen Seite der Zweifler. Schließlich
zweifelt Thomas ja nicht nur am Glauben, er zweifelt ja auch die Glaubwürdigkeit
der anderen an. Der eine oder andere wird Thomas nicht sonderlich grün
gewesen sein.
Und dennoch heißt es: Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei.
Das heißt für uns: Auch diejenigen, die am Glauben zweifeln, die
kritische Fragen stellen, die auch andere und ihren Glauben infrage stellen,
gehören zur Kirche.
Sie gehören dazu, wenn sie sich wirklich um Antworten bemühen, wenn
ihre Fragen echt sind, ihre Zweifel keine Ablehnung des Ganzen, sondern eine
Suche nach dem Ganzen des Glaubens sind.
Gerade junge Christen stellen ihre Fragen und Anfragen. Für viele ältere
ist das ein Ärgernis oder eine tiefe Sorge.
Ärgernis, weil die Jugendlichen nicht fraglos das tun, was die Älteren
tun.
Sorge, weil die Älteren befürchten, dass die Jüngeren sich
von Gott und Kirche endgültig wegbewegen.
Die junge Generation hat das Recht, zu hinterfragen, Zweifel an Bestehendem zu erheben. Ansonsten wäre es keine Jugend. Die kritische Auseinandersetzung mit der Welt gehört zum Erwachsenwerden dazu. Und ich persönlich bin froh, wenn sich Jugendliche in unseren Tagen überhaupt den Fragen nach Gott, Glaube und Kirche annehmen. Das zeigt zumindest, dass ihnen diese Fragen am Herzen liegen.
Aber nicht nur die junge Generation hat das Recht, zu hinterfragen. Jeder von uns sollte freimütig seine Fragen stellen, seine Zweifel äußern können. Niemand sollte dem anderen deshalb den Kopf abreißen oder ihn verunglimpfen.
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war
dabei.
Thomas ist trotz seiner Zweifel bei den Jüngern geblieben. Und in ihrer
Mitte ist er dem Auferstandenen begegnet. Seine Zweifel schwanden. Er konnte
gläubig bekennen: Mein Herr und mein Gott.
Hätte Thomas die Gemeinschaft der Jünger verlassen, wäre es
dazu nicht gekommen. Die Kirche ist und bleibt der Ort, wo wir unsere Fragen
stellen können und sollen. In ihr finden wir die Antworten, auch wenn
sie uns manchmal nicht sofort einleuchten. Oder wir uns schwer mit ihnen tun.
In der Gemeinschaft der Kirche haben alle Platz, die ehrlich suchen und fragen. In der Gemeinschaft der Kirche können sie –wie Thomas- Christus begegnen, Zweifel möglicherweise ausräumen.
Vielleicht nehmen Sie folgende Fragen mit nach Hause:
Wo habe ich Zweifel im Glauben? Wo bin ich ein Thomas?
Wo suche ich meine Antworten? In der Kirche?
Wann habe ich das letzte Mal mit jemandem darüber gesprochen und mit
wem? Was hat mich gehindert, darüber zu sprechen?
Kenne ich einen wie den Thomas? Nehme ich in mit in die Gemeinschaft der Jünger,
in die Kirche?
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Wie oft haben Sie dieses Jesuswort schon gehört! Ich denke mir manchmal, dieses Wort leidet ein wenig unter Verschleiß sowie darunter, für eine billige Vertröstung mißbraucht zu werden: Wenn wir schon nicht sehen und begreifen können, dann sollen wir uns wenigstens damit trösten, daß uns die Seligkeit verheißen ist.
Ich möchte dagegen heute die Frage stellen: Besteht denn die Anfechtung gegen den Glauben vorrangig darin, daß wir keine Augenzeugen des Ostergeschehens sind und es auch nicht sein können? Fällt es uns schwer zu glauben, weil wir damals nicht dabei waren? Liegt die Schwierigkeit zu glauben nachgerade im fehlenden Wissen, oder liegt sie vielleicht ganz woanders?
Josef Pieper macht darauf aufmerksam, daß es gerade der Wissende besonders schwer hat, zu glauben. Also derjenige, der sich auskennt, der Theologe, ist ganz besonders stark angefochten von der Versuchung, den Glauben aufzugeben. Warum ist das so? Weil er sich nicht einfach vom großen Strom der Glaubenden tragen lassen und gleichsam mitschwimmen kann, sondern weil er alle Gegenargumente durchdenken muß, die im Laufe der Jahrhunderte gegen den Glauben ersonnen worden sind. Er muß sie an sich herankommen lassen und sich ihnen stellen. Insofern ist er, wie der heilige Thomas von Aquin gesagt hat, dem Martyrer zu vergleichen, der trotz aller Gewalt den Glauben nicht preisgibt. Denn auch im Inneren des Menschen spielen sich Kämpfe ab zwischen den Einsprüchen der eigenen Vernunft und dem Willen, ihnen standzuhalten. Von den Tausenden dieser vernunftgespeisten Zweifel will ich nur einen nennen: Wie kann Gott seine allumfassende Rettungsaktion der Menschheit an einen einzelnen Menschen binden, an einen Ort und einen Zeitpunkt in der Geschichte? Wie soll in einem Menschen die Universalität des Heiles begründet sein? Und wieso läßt Gott diese weltbewegende Botschaft über den dünnen Faden der geschichtlichen Überlieferung vermitteln? Oder etwas einfacher formuliert: Was haben wir Späteren mit den Osterereignissen von damals zu tun?
Joseph Ratzinger hat sich über 50 Jahre lang mit Fragen dieser Art herumgeschlagen und nun in einem ganz neuen Buch die Summe seiner theologischen Einsichten präsentiert. Ohne zu übertreiben, darf man wohl sagen, daß der heutige Papst zu den Martyrern des Glaubens im gerade dargelegten Sinne gehört: Er hat zeitlebens die teilweise überaus heftigen Gegenargumente gegen den Glauben bis auf den Grund reflektiert und ihnen mit aller Glaubenskraft standgehalten. Sein Buch über Jesus von Nazareth gibt davon Zeugnis. Es ist kein offizielles Lehrschreiben der Kirche, darum lädt der Papst ausdrücklich zu Kritik und Widerspruch ein. Es legt vielmehr dar, wie dieser große Theologe Antwort zu geben versucht auf die Haupteinwände historischer Kritik gegen die universale Bedeutung Jesu Christi. Ein gewöhnliches päpstliches Lehrschreiben würde diese Einwände einfach mit Hinweis auf die Tradition der Kirche und die entsprechenden Lehrentscheidungen zurückweisen und die nähere Begründung den Theologen überlassen man könnte auch sagen: den martyriumsbereiten Christen, die sich in die Abgründe der Zweifel zu begeben trauen, gleichsam in die Höhle des Löwen. Wer diese Auseinandersetzung überstanden hat und noch dazu als Sieger, der kann ein Buch wie das erwähnte schreiben.
Nicht für jeden Christen ist dieses Buch hilfreich und notwendig. Aber für diejenigen, die zumindest hin und wieder wie der Apostel Thomas von Zweifeln geplagt werden und sich nicht mehr so ohne weiteres dem Strom der Glaubenden anschließen können, ist dieses Buch wie ein Leuchtturm ganz ähnlich wie das unbeirrte Zeugnis der Martyrer für die Schwankenden und Entmutigten. Es zeigt, daß der Glaube trotz aller Anfechtung Bestand haben kann, und sein Autor zeigt, daß man dabei durchaus selig bleiben oder werden kann.
Um zum Anfang zurückzukommen: Das Wort Selig sind, die nicht sehen und doch glauben will uns nicht vertrösten, und noch weniger will es uns dazu anleiten, auf die Bestätigung unserer Vernunft zu verzichten nach dem Motto: Augen zu und durch! Es macht lediglich darauf aufmerksam, daß die Augenzeugenschaft auf eine kurze Phase beschränkt ist, ohne daß deshalb die späteren Gläubigen im Nachteil sind. Uns fehlt nichts nur deshalb, weil wir Ostern nicht dabei waren. Wir haben nicht größere Schwierigkeiten zu glauben als die Apostel. Aber ganz gleich, ob jemand Augenzeuge der Osterereignisse war oder nicht wer glaubt und standhaft bleibt, der wird selig sein, nicht erst in Zukunft, sondern im Akt des Glaubens. Denn darum geht es: daß ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2006)
Mein Sohn, Deine Sünden sind Dir vergeben.
Liebe Schwestern und Brüder,
das ist das eigentliche Wunder in der Heilungserzählung, die wir im Evangelium
gehört haben.
Die Heilung des Leibes kommt erst nachher. Wesentlich scheint für Jesus die Heilung der Seele zu sein, die Vergebung der Sünden.
Ich glaube an die Vergebung der Sünden. So bekennen wir.
Gott vergibt die Schuld. Das glauben wir.
Aber manchmal kommen in mir Zweifel auf.
Gerade wenn ich im Beichtstuhl sitze.
Wenn wir als katholische Christen an die Vergebung der Sünden glauben,
warum nimmt dann kaum jemand mehr das Sakrament der Vergebung wahr?
Warum sitzen Pastor Stücker und ich im Beichtstuhl und warten häufig
so lange vergeblich, daß jemand kommt?
Viele sind es nämlich nicht gerade, die kommen. Meistens ein vielleicht
mal zwei. Häufig niemand.
Die geringe Zahl derjenigen, die zur Beichte kommen, ist nicht gerade ein flammendes Zeugnis der Kirchhellener Bevölkerung für ihren Glauben an die Vergebung der Sünden.
Gut, vor Weihnachten kamen ein wenig mehr Menschen. Aber auch deren Anzahl
war so gering, daß man meinen könnte: Die Katholiken in Kirchhellen
sündigen nicht. Und mit Verlaub, das glaube ich wiederum nicht.
Vielleicht gehen die ja woanders beichten, versuche ich mich manchmal zu trösten.
Aber weder die Nachbarpfarrer noch die Pater vom Jugendkloster berichten von
Schlangen vor ihren Beichtzimmern.
Es bleibt dabei: Hier wird wenig gebeichtet. Warum ist das so?
Sicherlich, es hat schwere Fehler in der Beichtpraxis gegeben. ältere Menschen erzählen von Druck, Angst, Zwang, Herzlosigkeiten.
Mich haben andere Erfahrungen geprägt: Wenn ich an meinen Beichtunterricht
zurückdenke, und der ist nun auch schon fünfundzwanzig Jahre her,
da war nichts zu spüren von Angstmacherei usw.
Natürlich kostete mir die Beichte im Anfang Überwindung, aber letztlich
war es immer ein sehr tröstendes und schönes Erlebnis für mich.
Und die Kommunionkinder in dieser Gemeinde haben vor Weihnachten zumindest ähnlich positive Erfahrungen gemacht. Ebenso die Firmlinge vor der Firmung.
Jedenfalls meine ich das erkennen zu können in den Gesichtern der Kinder,
die zum erstenmal beichten.
Da wird im Beichtstuhl auch schon mal gelacht.
Ab und zu kommen dann Eltern und erzählen, wie schön die Erfahrung
der Beichte für die Kinder war.
Und spätestens da frage ich mich dann: Warum kommen dann so wenige aus
dieser Elterngeneration zur Beichte, wenn das doch so gut zu gehen scheint?
Brauchen denn bloß noch Kinder die Vergebung der Sünden?
Nein, wir haben sie alle nötig. Bitter nötig. Ich auch. Darum gehe ja auch ich als Priester beichten. Regelmäßig.
Und seit meiner ersten Beichte habe ich noch nie erlebt, daß ein Beichtvater
mich – entschuldigen Sie das Wort - abgesaut hat.
Im Gegenteil. Vielfach hat mich der Zuspruch des Priester aufgebaut.
Und aufgebaut hat mich auch immer die Gewißheit, daß Gott mir
vergeben hat.
So war, so ist jede Beichte für mich ein Neuanfang, ein neues Aufleben.
„Was soll ich denn beichten? Ich hab doch gar keinen umgebracht.“,
sagen viele.
Abgesehen davon, daß man einen Menschen nicht nur mit Messer oder Pistole,
sondern auch mit der Zunge oder im Gedanken umbringen kann,
geht es darum, die kleinen Lieblosigkeiten, die kleinen Vergehen gegen Gott,
gegen den Nächsten und gegen sich selbst vor Gott zu tragen, damit er
sie heilt, er sie vergibt.
Es geht in der Beichte eben auch darum, die kleinen Risse in der Staumauer
auszubessern, damit sie nicht weiter aufreißen und irgendwann die Mauer
dem Druck der Wassermassen nicht mehr standhalten kann und zusammenbricht.
Es geht darum sozusagen das Dach unserer Seele vom Schnee der Unaufmerksamkeiten
und Lieblosigkeiten zu befreien, damit es nicht einstürzt.
Die Beichte hilft so, aufmerksam zu bleiben, damit in mir irgendwann nicht
doch der Damm bricht und dann tatsächlich jemanden umbringe. Auch wenn
wir es nicht gerne hören: Jeder und jede von uns ist eigentlich zu allem
fähig.
Es gibt tiefe Abgründe im Menschen, in mir. Und daß diese mich
nicht verschlingen, dazu hilft mir das regelmäßige Bekenntnis dieser
meiner Abgründe.
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.
In der Beichte lerne ich mich besser kennen,
kann ich lernen, auch mit meinen dunklen Seiten umzugehen,
werden meine dunklen Seiten verwandelt durch die Vergebung Gottes.
In der Beichte erfahre ich: Gott schenkt mir einen neuen Anfang, ein neues
Leben.
Letztlich höre ich Jesus zu mir sprechen: Mein Sohn meine Tochter, Deine
Sünden sind Dir vergeben.
Wie gesagt: Jesus geht es im Evangelium zuerst um die Heilung der Seele, dann um die Gesundung des Körpers.
Der Gelähmte im Evangelium kann wieder laufen, nachdem Jesus ihm zuerst die Sündenvergebung zugesprochen hat.
Ich stelle immer wieder fest – egal ob ich Beichte höre oder selber
beichte – dass die Absolutionsformel „Und so spreche ich Dich
los von Deinen Sünden“ oft innerlich Gelähmten wieder neuen
Schwung verleiht,
dass die Beichte zurecht immer öfter das Sakrament der Freude genannt
wird.
Sicherlich, den Weg in den Beichtstuhl zu finden, kostet Überwindung. Aber was nehmen wir Menschen nicht oft für Opfer auf uns, um unseren Körper zu stählen, ihn gesund zu halten. Sollte unsere Seele etwa zu kurz kommen?
Mein Sohn, Deine Sünden sind Dir vergeben.
Dieses Wort Jesu wartet auf Sie und auf mich. Amen.
Übrigens an jedem Samstag von 16.00 – 16.45 Uhr besteht hier in der Kirche Gelegenheit zur Beichte. Sie können auch uns Pastöre gerne um einen anderen Termin ansprechen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)
Predigtvorschlag nach Mk 1, 12-15; 1 Petr 3, 18-22
Liebe Gemeinde!
Gegen die Kirche wird immer wieder der Vorwurf erhoben, sie wolle den Menschen nur ein schlechtes Gewissen einreden, damit sie sich ihrem Einfluß ausliefern und so leichter manipuliert werden können. Wie immer ist auch an diesem Vorwurf etwas dran es hat solchen Mißbrauch gegeben und gibt ihn auch in unserer Zeit hier und dort. Aber zum einen gilt die Regel: abusus non tollit usum, der schlechte Gebrauch hebt den guten nicht auf! Und zum anderen dürfen wir auch darauf hinweisen, daß das Motiv der Erlösung von der Schuld gar nicht von den Christen erfunden wurde. Es ist viel älter und kommt besonders häufig vor in den Mythen der Menschheit sowie in vielen Märchen. Viele Märchen beginnen mit der Schilderung einer Not, und sie reden sehr oft von einem Retter, der den geheimen Fluch löst und den Menschen ein neues Leben ermöglicht. Ja, gerade auch die moderne Fantasy-Literatur ist ganz erfüllt mit solchen Motiven, und das beweist eindringlich, daß Not und Schuld einerseits und Erlösung andererseits der menschlichen Erfahrung und Sehnsucht zutiefst entsprechen.
So muß der Vorwurf an die Adresse derjenigen zurückgegeben werden, die ihn gegen uns erheben. Wer laut oder insgeheim fordert, daß von Sünde und Schuld möglichst gar nicht mehr die Rede sein soll, damit die Menschen endlich unbesorgt tun können, was ihnen gut dünkt, der verschweigt eine ganz wesentliche Wahrheit; er befreit den Menschen nicht, sondern liefert ihn einer Geistlosigkeit aus, die ihn letztlich entwürdigt. Und es ist sehr die Frage, ob besagte Geistlosigkeit den Menschen nicht erst recht anfällig macht für raffinierte Beeinflussung.
Um der Wahrheit und der Würde des Menschen willen sieht sich also die Kirche veranlaßt, weiterhin von Sünde und Erlösung zu sprechen, besonders in der Fastenzeit. Sie hält uns die biblischen Bilder vor Augen, damit wir uns darin wiederfinden. So spricht Jesus etwa vom verlorenen Schaf, das sich im Gestrüpp verfangen hat und aus eigener Kraft nicht mehr herausfindet. Dieses Schaf ist ein Bild für den Menschen, der sich durch die Sünde verirrt und verloren hat. Jesus aber vergleicht sich selbst mit dem guten Hirten, der dem Schaf nachgeht und es aus den Dornen wieder herausholt.
Dieses Bild nimmt die heutige Lesung aus dem 1. Petrusbrief auf, wenn es heißt: Christus ist der Sünden wegen ein einziges Mal gestorben, er, der Gerechte, für die Ungerechten, um euch zu Gott hinzuführen. (1 Petr 3,18) Entscheidend ist die Zielrichtung: um uns hinzuführen zu Gott. Er ist dorthin gegangen, wohin die Sünde den Menschen geführt hat, d.h. im Bilde gesagt: ins Dornengestrüpp. Er hat sich der Macht der Sünde ausgesetzt und ist das Risiko eingegangen, selber in die Bosheit der Menschen hineingezogen zu werden. Wer sein Leben für andere einsetzt, der bleibt nicht schadlos. Das erfahren schon Ärzte und Krankenpfleger, die von den Kranken angesteckt werden können, oder Polizisten, die in Ausübung ihrer Pflicht manchmal verletzt werden. Das hat Jesus erfahren, als er sich mit uns Sündern eingelassen hat.
Um uns zu Gott hinzuführen und zurückzuführen darum ist Christus bis zum Äußersten gegangen, bis zum Tod am Kreuz. Sein Tod war die Folge seiner Bereitschaft, uns Menschen nachzugehen in alle Verirrungen hinein, uns dort herauszuholen und wieder zurückzuführen in das Reich Gottes. Er mußte sterben, nicht weil Gottes Gerechtigkeit seinen Tod gefordert hätte, sondern weil es Menschen gab, die sein Werk vereiteln wollten. Nur insofern kann man sagen, daß Jesu Tod gottgewollt war, als Gott Treue und Gehorsam verlangt, und dem hat Jesus vollauf entsprochen, er war treu und gehorsam ohne Einschränkung, in äußerster Konsequenz bis zum bitteren Tod.
Doch dieser Tod hat das Ziel nicht vereitelt: uns Menschen zu Gott hinzuführen. Weil Jesus ihn freiwillig angenommen hat aus Liebe zu uns, darum konnte er uns das Leben geben, das wir ohne ihn nicht hätten. Das Opfer Jesu hat dem Reich Gottes auf der Erde wieder Geltung verschafft. Nun ist dieses Reich endlich wieder nahe, ist es nicht mehr fern und unerreichbar.
Und daraus folgt der stets aktuelle programmatische Umkehrruf: Kehrt um, und glaubt an das Evangelium! Kehrt um von falschen Lebensgewohnheiten, die von Gott wegführen, die letztlich den Tod bringen. Wendet euch neu dem Evangelium zu, der Botschaft von der Erlösung aus Schuld und Sünde. Laßt den guten Hirten sein Werk an euch tun, bittet um Vergebung und nehmt sie an!
40 Tage Zeit sind uns nun wieder gewährt, diese innere Ausrichtung auf Gott neu zu üben. Das Fasten ist dazu eine wirksame Hilfe, die keineswegs als veraltet abgetan werden sollte. In einer Präfation heißt: Durch das Fasten des Leibes hältst du die Sünde nieder, erhebst du den Geist, gibst du uns die Kraft und den Sieg durch unseren Herrn Jesus Christus. Nehmen wir diese Zeit als Chance wahr, unser Leben wieder am Hohen und Edlen auszurichten, anstatt bloßer Mittelmäßigkeit zu verfallen. Mit den Worten eines geistlichen Schriftstellers: Dein Leben darf kein fruchtloses Leben sein. Sei nützlich. Hinterlasse eine Spur. Leuchte mit dem Licht deines Glaubens und deiner Liebe!
Das sind wir unserer Würde als Kinder Gottes schuldig, und das sind wir Christus schuldig, der sich nicht zu schade war, den bitteren Weg der Entsagung, des Leidens und des Opfers zu gehen.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2006)
Es gibt Gerüchte, die sich enorm hartnäckig halten. Ein solches Gerücht lautet: „Die Kirche ist leibfeindlich.“
Man macht das gerne an der Sexualmoral und an den Fastengeboten der Kirche
fest.
Sicherlich, es gab Menschen in der Kirche, die prüde und vertrocknet
wirkten, die durch übertriebene Kasteiungen ihrem Körper unverhältnismäßig
viel Leid zufügten.
Aber man darf von den Fehlformen nicht auf die eigentlich gültige Lehre
der Kirche schließen.
„Die Kirche ist leibfeindlich.“ - Dieser Satz kann gar nicht stimmen.
Bester Beweis dafür ist die Krippe hier in der Kirche.
Wir glauben an einen Gott, der Fleisch angenommen hat in Jesus Christus. Dieser
Gott ist in seinem Sohn leibhaftig unter uns gewesen.
Keine Religion kennt das. Die Inkarnation - die Menschwerdung Gottes - ist
und bleibt etwas zutiefst Christliches, etwas, was andere Religionen nicht
kennen und sich nicht vorstellen können.
Gott leibhaftig unter uns Menschen - Zur Zeit der ersten Christen war das
ein Skandal. Alles Körperliche, Leibliche war minderwertig gegenüber
dem Geistigen. „Seele gut, Leib schlecht“ lautete damals die Devise.
Und noch heute gibt es viele Formen der Abwertung des Leibes, gerade in esoterischen,
ostasiatisch verbrämten Meditationsformen. Die Seele soll darin vom Leib
befreit, erlöst werden.
Die Kirche hat dagegen immer die „Auferstehung des Fleisches“
gehalten.
Der Mensch wird als Ganzer erlöst, mit Leib und Seele. Der Mensch ist
schließlich Leib und Seele.
So gesehen ist die Kirche nicht leibfeindlich, sondern leibfreundlich.
Der Leib hat für uns Christen eine hohe Bedeutung, er ist etwas enorm
Kostbares. Das haben wir in der Lesung aus dem ersten Korintherbrief gehört,
in dem es heißt:
Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes
ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt?
Der Leib des Menschen - ein Tempel des Hl. Geistes, ein Tempel Gottes.
Er ist uns geschenkt worden, wir haben ihn nicht selber gemacht. Der menschliche
Leib ist eine Schöpfung Gottes. Und was für eine.
Die verschiedenen inneren Organe in ihrer ganzen Komplexität ermöglichen
erst unser Leben.
Die Sinnesorgane erlauben uns, miteinander in Kontakt zu treten.
Der Leib ermöglicht es, daß wir uns in dieser Welt bewegen, sie
gestalten und formen können.
Wir haben nicht nur einen Leib, wir sind Leib.
Wenn wir diesen Leib von Gott geschenkt bekommen haben, müssen wir auch
in irgendeiner Weise damit umgehen. Und zwar so, daß wir dem Geschenk
und dem Schenkenden gerecht werden.
In der Lesung faßt Paulus das prägnant zusammen, indem er die Korinther
damals und uns heute aufruft:
Verherrlicht Gott in eurem Leib!
Wie aber kann das konkret geschehen?
Nun, wenn der Leib wirklich Tempel Gottes also etwas Heiliges ist, dann sollten wir ihn auch heilighalten, ihn ehren, ihn pflegen.
Gott in unserem Leib verherrlichen hieße dann,
ihm die nötige Hygiene zukommen zu lassen, ihn gesund zu halten, ihm
den nötigen Schlaf zu gewähren.
Alles Maßlose sollten wir von ihm fernhalten.
Verherrlicht Gott in eurem Leib!
Dazu paßt nicht, sich unkontrolliert mit allen möglichen Speisen
oder Rauschmitteln vollzustopfen.
Dazu paßt nicht, sich jedes Wochenende volllaufen zu lassen und die
Nacht zum Tage zu machen. Das sind keine Heldentaten, mit denen man angeben
müßte.
Dazu paßt nicht, seinen Body ohne Rücksicht auf Verluste zu stählen,
mit übertriebenem Training oder Einnahme von unerlaubten Mittelchen.
Verherrlicht Gott in eurem Leib!
Dazu paßt nicht, die körperliche Unversehrtheit der anderen zu
gefährden, indem man sie z. B. im Verkehr oder am Arbeitsplatz unnötigen
Gefahren aussetzt.
Dazu paßt nicht, andere zu einem übertriebenen Konsum von Speisen,
Getränken und Drogen zu animieren.
Wer das Maß im Umgang mit seinem Leib oder dem Leib der anderen aus den Augen verliert, versündigt sich gegen Gott, versündigt sich gegen den Tempel Gottes.
Verherrlicht Gott in eurem Leib!
Der Leib hat im Christentum, in der Sicht der Kirche eine hohe Würde.
Wir sind Leib. Und alles, was den Leib und seine Regungen vom ganzen Menschsein
trennt, kann nicht richtig sein. Das gilt gerade im Bereich der Sexualität.
Aus diesem Grunde wehrt sich die Kirche vehement gegen Einflüsse, die
den Körper zu einem sexuelles Objekt degradieren.
Die körperliche Sexualität hat ihren Rahmen in der festen Liebesbindung
zweier Mensch zueinander, die sich in der Ehe zwischen Mann und Frau –
und nur zwischen Mann und Frau -verwirklicht. Alles andere ist in Wahrheit
unmenschlich, wird dem Menschen nicht gerecht.
Deshalb verurteilt die Kirche Pornographie, Prostitution und alles, was die
Trennung von Sexualität und Liebe fördert.
Dazu zählen auch künstliche Befruchtungs- und Verhütungsformen.
Dazu zählt auch das Erzählen oder Gutheißen schlüpfriger
Bemerkungen oder Zoten. Der sogenannte versaute Witz hat im Mund eines Christen
nichts zu suchen.
Verherrlicht Gott in eurem Leib!
Dieser Aufruf gilt auch jetzt im Gottesdienst.
Das Sitzen, das Knien, das Stehen sind körperliche Ausdrucksformen für
unsere innere Haltung. Der Körper hilft uns beten.
Deshalb ist es gut, uns immer wieder zu prüfen, ob und wie wir mit unserem
Leib beten.
Es geht nicht darum, sich stock und steif zu verhalten, aber die Kniebeuge
sollte auch als solche erkannt werden; und das Kreuzzeichen sollten wir nicht
so schlagen, als ob wir eine Fliege von unserem Gesicht vertreiben wollten.
Verherrlicht Gott in eurem Leib!
Wenn wir diesem Aufruf in unserem persönlichen Leben nachkommen, wird
es demnächst vielleicht in der Gerüchteküche brodeln: „Schon
gehört, die Kirche ist leibfreundlich.“
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)
Liebe Mitchristen!
Seit ich die Szene von der Tempelreinigung kenne, die wir gerade im Evangelium
gehört haben, habe ich mir immer wieder die Frage gestellt: Warum
handelt Jesus hier so schroff, so unvorbereitet und unvermittelt
geradezu gewalttätig, während er doch sonst voller Güte
und Milde ist? Hätte er nicht seine Kritik am geschäftigen Treiben
im Tempel etwas diplomatischer zum Ausdruck bringen können, anstatt
sofort mit einer Geißel loszuschlagen? Mußte er so nicht auf
völliges Unverständnis und Feindlichkeit stoßen, zumal
doch der Handel im Vorhof des Tempels von der Tempelbehörde genehmigt
war, damit der vorgeschriebene Opferkult vonstatten gehen konnte?
Eine erste Antwort gibt das energische Wort Jesu: Macht das Haus
meines Vaters nicht zu einer Markthalle! Die Handelsgeschäfte
entweihen den Tempel, das Haus Gottes, das Haus des Vaters Jesu! Die Händler
und Wechsler sind wie Störenfriede, die die Aufmerksamkeit auf sich
ziehen und so dem wahren Eigentümer des Tempels, Gott, die Ehre rauben.
Das will Jesus, der ganz auf die Ehre seines Vaters bedacht ist, nicht
dulden, und so treibt er sie alle voll Zorn hinaus. Dieses eigentümlich
schroffe Vorgehen erinnert an die alten Propheten, die oft durch Zeichenhandlungen
ihre Botschaften an die Menschen unterstrichen. Jesus gibt damit zu erkennen,
daß er eine besondere göttliche Sendung hat, die ihn dazu ermächtigt,
die bestehende Tempelordnung massiv anzugreifen.
Solche prophetische Kritik fordert zur Entscheidung heraus und
genau das beabsichtigte Jesus. Es gibt manchmal festgefahrene Denkgewohnheiten
und Blickverengungen, die nur durch eine scharfe Konfrontation aufgedeckt
werden können. So war es damals mit dem Opferkult im Tempel: An sich
sollte das Lob Gottes im Vordergrund stehen, die Anbetung, der Dank und
die Bitte um Verzeihung der Sünden; stattdessen war der Kult immer
mehr veräußerlicht worden und diente nicht selten als Alibi
für den fehlenden Gehorsam gegenüber Gott. Die Geschäftemacherei
im Tempelvorhof war dabei nur der äußere Ausdruck einer inneren
Fehlhaltung vor Gott:
-
Anstatt Gottes Ehre zu suchen, suchte man die eigene.
-
Anstatt Gott mit einem reuigen und demütigen Herzen zu dienen, bot man ihm äußere Opfer an, mit denen man sich aus der Verantwortung stehlen wollte, auch innerlich umzukehren von Hochmut und Selbstsucht.
-
Der Opferkult war zum Geschäft mit Gott entartet, nicht die Liebe zu Gott und die Treue zu seinem Bund bestimmten das religiöse Leben, sondern Lippenbekenntnisse und geheuchelte Frömmigkeit.
Und für all das hatte man ein perfektes System von Gesetzen und Vorschriften parat, das die Veräußerlichung des Kultes scheinbar legitimierte, ja den Blick für das Verkehrte daran fast völlig verstellte.
Die prophetische Zeichenhandlung, die Jesus in Form der Tempelaustreibung vollzog, wirkte da wie eine Ladung Dynamit, die die engen Mauern des verkehrten Denkens erschütterte und den An-Stoß zum Umdenken gab. Jeder konnte spüren, daß Jesus sich mit Vollmacht und mit heiligem Eifer für die Rechte Gottes einsetzte. Das, was vorher fraglosselbstverständlich war, wurde plötzlich massiv in Frage gestellt, und das, was fast völlig aus dem Blick geraten war, nämlich die rechte Verehrung Gottes, rückte wieder in den Vordergrund.
Uns wird diese Episode heute erzählt, weil auch wir gleichsam bei uns aufräumen müssen. Denn wir sind selbst der Tempel Gottes. Paulus fragt: Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und daß der Geist Gottes in euch wohnt? Christ, erkenne deine Würde! Der Geist Gottes wohnt in dir! Laß diesen Tempel nicht durch äußerliche Geschäftigkeit entarten, sondern sei dir stets bewußt, daß du Kind Gottes bist und als solches eine erhabene Bestimmung trägst. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir Gesalbte des Herrn sind, Christen (so heißt das griechische Wort auf Deutsch übersetzt), geheiligte Menschen, d.h. solche, die niemals auf rein irdische Ziele festgelegt werden, geschweige denn für innerweltliche Zwecke ausgenutzt und mißbraucht werden dürfen.
Wir dürfen uns nicht unter unserer Würde verkaufen! Wir dürfen den Gott, der uns diese unvergleichliche Würde schenkt, nicht eintauschen gegen den Mammon, den Gott des Geldes! Wie oft fragen wir uns: Was bringt mir der Glaube? Was habe ich davon, zur Kirche zu gehen? Die Antwort sollte immer wieder dieselbe sein: Hier begegne ich meinem Gott, der mich annimmt, wie ich bin, der mich nicht nach dem mißt, was ich habe oder was ich leiste. Die öffentliche Meinung verweigert heute Gott die Ehre, weil man die eigene sucht, weil man nur solche Götter akzeptieren will, die Macht, Lust und Geld versprechen. Wir dürfen da nicht mitmachen! Zu früheren Zeiten gingen wir in den Gottesdienst, weil wir gesehen werden wollen. Zu diesen Zeiten gehen wir nicht, weil wir nicht gesehen werden wollen. Das ist der veräußerlichte Gottesdienst, den Jesus anprangert: es fehlt die innere Beteiligung, es ist keine wirkliche Beziehung zu Gott da.
Es ist Fastenzeit: Zeit, die Vergebung Gottes zu erbitten und Jesus neu ins Herz einzulassen. Zeit, den alten Müll herauszuwerfen, so wie Jesus den Tempel von Müll gereinigt hat, es ist Zeit zum Beichten. So wie der Leib Jesu Tempel des Heiligen Geistes war, so ist es unser Leib, denn wir sind getauft und mit Heiligem Geist beschenkt. Diesen Tempel nicht zur Räuberhöhle verkümmern zu lassen, das ist der Sinn der österlichen Bußzeit. Amen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)
Liebe Gemeinde!
Er hat alles gut gemacht, sagen die Leute über Jesus (Mk 7,37). Er löscht den glimmenden Docht nicht aus und das geknickte Rohr zerbricht er nicht. (Jes 42,3; Mt 12,20)
Das wird uns heute an einem typischen Arbeitstag Jesu deutlich gemacht. Nach einem Aufsehen erregenden Auftritt in der Synagoge begibt sich Jesus in das Haus des Simon, wahrscheinlich, um sich auszuruhen. Aber Petrus und Andreas kommen sofort mit einem Anliegen: Ihre Mutter leidet an einem Fieber, und Jesus zögert nicht, sie zu heilen. Er ging zu ihr, faßte sie an der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber von ihr, und sie sorgte für sie. (Mk 1,31)
Jesus nimmt die Kranke bei der Hand und richtet sie auf. Diese Bewegung des Aufrichtens ist kennzeichnend für die anderen Heilungen und überhaupt für das Wirken Jesu. Jesus richtet auf, leiblich und seelisch, alle, die zu ihm kommen. Wie viele Dinge gibt es in der Welt, die uns Menschen niederdrücken und den Kopf hängen lassen! Wieviel Anlaß gibt es, zum Heiland zu gehen, um von ihm aufgerichtet zu werden. Kein Wunder also, daß Jesus am Abend umlagert wird: Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt. (Mk 1,33) Wie viele Menschen hätten wohl an der Gemeindemission teilgenommen, wenn die Patres die Gabe der Heilung gehabt hätten!?!
Sie hatten diese Gabe nicht genausowenig wie ich. Aber sie hatten andere Gaben, so wie jeder von uns mit irgend etwas begabt ist, um andere Menschen aufzurichten. Denn das ist doch der Kern von Jesu Botschaft: Das Reich Gottes ist gekommen, und damit ist die Macht der Sünde und der Dämonen gebannt. Die Wunderheilungen Jesu bezeugen das, sie sind die Zeichen für die innere Heilung und Aufrichtung, die mit Jesus gekommen ist. Aber damit ist auch sofort klar, daß Jesus nirgendwo bleiben kann; er muß vielmehr anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit er auch dort predigt; denn dazu ist er gekommen. (Mk 1,38) Wohlweislich heißt es: damit er auch dort predigt. Nicht die Heilungen stehen im Mittelpunkt, sondern die Predigt vom Reich Gottes. Keiner darf ihn für seine privaten Ziele einspannen und festhalten. Im Gegenteil: wer Jesus begegnet ist, dessen Herz soll sich weiten und für den umfassenden Horizont öffnen, vor dem Jesu Wirken allein verständlich ist: für Gottes Reich und das heißt für Gemeinschaft und Liebe, die alle partikulären Interessen aufsprengt.
Wer von Jesus aufgerichtet wurde, sei es im geistigen, sei es im seelischen oder im leiblichen Sinne, der ist selber aufgerufen, aufzurichten und aufzubauen, am Reich Gottes mitzubauen. Nicht ab, sondern aufbauen. Das Handeln des Christen ist nicht destruktiv, sondern konstruktiv. Wir bauen auf durch unser Beispiel und durch ein gutes Wort. Ein Sprichwort aus der Mongolei sagt: Ein gutes Wort ist wie drei Monate Wärme, ein böses Wort wie sechs Monate Frost. Das können wir brandaktuell am Beispiel der Karikaturen Mohammeds sehen: Die lieblose Lust am Spott und an der Destruktion der Glaubensüberzeugungen anderer läßt die Atmosphäre frostig werden und vergiftet das Klima.
Im Epheserbrief heißt es: Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt, und dem, der es hört, Nutzen bringt. (Eph 4,29) Das ist echter Dienst am anderen und an der Gesellschaft! Wenn wir Christen diesen aufbauenden Dienst nicht leisten, dann ist unser Salz schal geworden. Ignatius von Loyola sagt: Jeder gute Christ muß mehr dazu bereit sein, die Aussage des Nächsten für glaubwürdig zu halten, als sie zu verurteilen. Vermag er sie nicht zu rechtfertigen, so forsche er nach, wie jener sie versteht; versteht jener sie aber in üblem Sinn, so verbessere er ihn mit Liebe.
Liebe Mitchristen! Er hat alles gut gemacht, sagten damals die Leute über Jesus. Unsere Zeitgenossen werden zum selben Urteil nur kommen können, wenn sie sehen, daß die heutigen Jünger Jesu sich gleichfalls berufen fühlen, aufzurichten und aufzubauen in Wort und Tat.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2006)
Mein Sohn, Deine Sünden sind Dir vergeben.
Liebe Schwestern und Brüder,
das ist das eigentliche Wunder in der Heilungserzählung, die wir im Evangelium
gehört haben.
Die Heilung des Leibes kommt erst nachher. Wesentlich scheint für Jesus die Heilung der Seele zu sein, die Vergebung der Sünden.
Ich glaube an die Vergebung der Sünden. So bekennen wir.
Gott vergibt die Schuld. Das glauben wir.
Aber manchmal kommen in mir Zweifel auf.
Gerade wenn ich im Beichtstuhl sitze.
Wenn wir als katholische Christen an die Vergebung der Sünden glauben,
warum nimmt dann kaum jemand mehr das Sakrament der Vergebung wahr?
Warum sitzen Pastor Stücker und ich im Beichtstuhl und warten häufig
so lange vergeblich, daß jemand kommt?
Viele sind es nämlich nicht gerade, die kommen. Meistens ein vielleicht
mal zwei. Häufig niemand.
Die geringe Zahl derjenigen, die zur Beichte kommen, ist nicht gerade ein flammendes Zeugnis der Kirchhellener Bevölkerung für ihren Glauben an die Vergebung der Sünden.
Gut, vor Weihnachten kamen ein wenig mehr Menschen. Aber auch deren Anzahl
war so gering, daß man meinen könnte: Die Katholiken in Kirchhellen
sündigen nicht. Und mit Verlaub, das glaube ich wiederum nicht.
Vielleicht gehen die ja woanders beichten, versuche ich mich manchmal zu trösten.
Aber weder die Nachbarpfarrer noch die Pater vom Jugendkloster berichten von
Schlangen vor ihren Beichtzimmern.
Es bleibt dabei: Hier wird wenig gebeichtet. Warum ist das so?
Sicherlich, es hat schwere Fehler in der Beichtpraxis gegeben. ältere Menschen erzählen von Druck, Angst, Zwang, Herzlosigkeiten.
Mich haben andere Erfahrungen geprägt: Wenn ich an meinen Beichtunterricht
zurückdenke, und der ist nun auch schon fünfundzwanzig Jahre her,
da war nichts zu spüren von Angstmacherei usw.
Natürlich kostete mir die Beichte im Anfang Überwindung, aber letztlich
war es immer ein sehr tröstendes und schönes Erlebnis für mich.
Und die Kommunionkinder in dieser Gemeinde haben vor Weihnachten zumindest ähnlich positive Erfahrungen gemacht. Ebenso die Firmlinge vor der Firmung.
Jedenfalls meine ich das erkennen zu können in den Gesichtern der Kinder,
die zum erstenmal beichten.
Da wird im Beichtstuhl auch schon mal gelacht.
Ab und zu kommen dann Eltern und erzählen, wie schön die Erfahrung
der Beichte für die Kinder war.
Und spätestens da frage ich mich dann: Warum kommen dann so wenige aus
dieser Elterngeneration zur Beichte, wenn das doch so gut zu gehen scheint?
Brauchen denn bloß noch Kinder die Vergebung der Sünden?
Nein, wir haben sie alle nötig. Bitter nötig. Ich auch. Darum gehe ja auch ich als Priester beichten. Regelmäßig.
Und seit meiner ersten Beichte habe ich noch nie erlebt, daß ein Beichtvater
mich – entschuldigen Sie das Wort - abgesaut hat.
Im Gegenteil. Vielfach hat mich der Zuspruch des Priester aufgebaut.
Und aufgebaut hat mich auch immer die Gewißheit, daß Gott mir
vergeben hat.
So war, so ist jede Beichte für mich ein Neuanfang, ein neues Aufleben.
„Was soll ich denn beichten? Ich hab doch gar keinen umgebracht.“,
sagen viele.
Abgesehen davon, daß man einen Menschen nicht nur mit Messer oder Pistole,
sondern auch mit der Zunge oder im Gedanken umbringen kann,
geht es darum, die kleinen Lieblosigkeiten, die kleinen Vergehen gegen Gott,
gegen den Nächsten und gegen sich selbst vor Gott zu tragen, damit er
sie heilt, er sie vergibt.
Es geht in der Beichte eben auch darum, die kleinen Risse in der Staumauer
auszubessern, damit sie nicht weiter aufreißen und irgendwann die Mauer
dem Druck der Wassermassen nicht mehr standhalten kann und zusammenbricht.
Es geht darum sozusagen das Dach unserer Seele vom Schnee der Unaufmerksamkeiten
und Lieblosigkeiten zu befreien, damit es nicht einstürzt.
Die Beichte hilft so, aufmerksam zu bleiben, damit in mir irgendwann nicht
doch der Damm bricht und dann tatsächlich jemanden umbringe. Auch wenn
wir es nicht gerne hören: Jeder und jede von uns ist eigentlich zu allem
fähig.
Es gibt tiefe Abgründe im Menschen, in mir. Und daß diese mich
nicht verschlingen, dazu hilft mir das regelmäßige Bekenntnis dieser
meiner Abgründe.
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.
In der Beichte lerne ich mich besser kennen,
kann ich lernen, auch mit meinen dunklen Seiten umzugehen,
werden meine dunklen Seiten verwandelt durch die Vergebung Gottes.
In der Beichte erfahre ich: Gott schenkt mir einen neuen Anfang, ein neues
Leben.
Letztlich höre ich Jesus zu mir sprechen: Mein Sohn meine Tochter, Deine
Sünden sind Dir vergeben.
Wie gesagt: Jesus geht es im Evangelium zuerst um die Heilung der Seele, dann um die Gesundung des Körpers.
Der Gelähmte im Evangelium kann wieder laufen, nachdem Jesus ihm zuerst die Sündenvergebung zugesprochen hat.
Ich stelle immer wieder fest – egal ob ich Beichte höre oder selber beichte – dass die Absolutionsformel „Und so spreche ich Dich los von Deinen Sünden“ oft innerlich Gelähmten wieder neuen Schwung verleiht, dass die Beichte zurecht immer öfter das Sakrament der Freude genannt wird.
Sicherlich, den Weg in den Beichtstuhl zu finden, kostet Überwindung. Aber was nehmen wir Menschen nicht oft für Opfer auf uns, um unseren Körper zu stählen, ihn gesund zu halten. Sollte unsere Seele etwa zu kurz kommen?
Mein Sohn, Deine Sünden sind Dir vergeben.
Dieses Wort Jesu wartet auf Sie und auf mich. Amen.
Übrigens an jedem Samstag von 16.00 – 16.45 Uhr besteht hier in der Kirche Gelegenheit zur Beichte. Sie können auch uns Pastöre gerne um einen anderen Termin ansprechen.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)
Liebe Gemeinde!
Wir kennen alle solche Situationen, da man nicht mehr weiter weiß: Man fühlt sich wie gelähmt. Das Leben geht an einem vorbei, man sitzt nur da und wartet, daß endlich etwas passiert, das einen da herausholt. Und wenn es länger dauert und ganz schlimm wird, dann wird man depressiv: man hat an nichts mehr Freude und möchte sich nur verkriechen. Solche Situationen gibt es im Leben des Einzelnen wie auch in der Gesellschaft als ganzer. So ist unser ganzes Volk durch die Arbeitslosigkeit und die desolate Finanzlage derzeit wie gelähmt. Es wird zwar viel diskutiert, aber man scheint der Lösung nicht näher zu kommen; der eine blockiert den anderen, es geht nicht voran.
Das heutige Evangelium handelt von solcher Lähmung: von der des Kranken, aber auch von der Menge, die den Weg blockiert, und von den Schriftgelehrten, die unfähig sind, die Heilung zu akzeptieren. Die Geschichte steht wie ein Scharnier zwischen zwei Abschnitten des Markus-Evangeliums: sie schließt den Abschnitt der Heilungsberichte ab und eröffnet zugleich den Abschnitt der Streitgespräche; von beiden Literaturgattungen hat sie etwas. Das verbindende Element liegt in der Befreiung von einer Blockade. Das Reich Gottes wird nämlich zum einen blockiert von Krankheiten, Dämonen und von der Sünde. Jesus durchbricht die Blockaden mit Vollmacht und zeigt so, daß das Reich Gottes in seiner Person angebrochen ist. Zum anderen wird das Reich Gottes gleichfalls blockiert von Menschen, die Jesus, dem Messias, im Weg stehen, und zwar sowohl von den Gutwilligen als auch von so manchem Engstirnigen und Verstockten.
Zunächst die Gutwilligen: Indem sie in Scharen vor der Türe stehen, sind sie ein Hindernis für den Gelähmten, den Schwächsten; sie versperren ihm den Weg zum Leben. Nicht weil sie böse sind, sondern weil sie in ihrem eigenen Durst nach Leben und in ihrer Angst, zu kurz zu kommen, die Sensibilität für den anderen verloren haben, der noch viel schwächer ist als sie selbst. Sie sehen ihn vielleicht, aber sie erfassen nicht wirklich, wie es ihm geht, und lassen ihn nicht durchkommen. Das scheint mir ein präzises Bild für das derzeitige Massenverhalten gegenüber den Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern zu sein: Von der eigenen Angst gelähmt, benachteiligt zu werden, läßt die Solidargemeinschaft es zu, daß die Ärmsten und Schwächsten von den Quellen des Lebens abgeschnitten werden und verelenden. Mit ihnen kann man es ja machen, denn sie haben ja keinen einklagbaren Rechtstitel wie die Beamten, die Rentner und die vielen anderen, die eine mächtige Lobby hinter sich haben.
Wir müssen uns klarmachen: Auch wir sind gelähmt, wenn wir den Schwachen blockieren. Sobald wir uns dieses Verhalten bewußt machen,