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Religionsunterricht

Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland gehört der Religionsunterricht zum festen Bestandteil auch an staatlichen Schulen - im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, in denen es eine strikte Trennung von Staat und Kirche gibt. Dort ist die Vermittlung von Glauben und Glaubenswissen alleinige Aufgabe der Kirchen und findet außerhalb der Schulzeit in kirchlichen Gebäuden statt.
Das deutsche Modell ist weltweit nahezu einmalig. Und natürlich auch mit Gefahren und Chancen, Missverständnissen und Anfragen verbunden. Eine gute Gelegenheit für uns, über das Verhältnis zwischen Kirche und Staat genauso nachzudenken wie über das Zusammenspiel von Glaubenshaltung und Glaubenswissen.


Die folgenden Überlegungen stellen keine Katechese im klassischen Sinne dar - sie sind also keine Wiedergabe der Lehre der katholischen Kirche. Dieser Text steht in der Kategorie «Meinung». Er ist also nur eine Überlegung und eine Betrachtung der aktuellen Situation in Deutschland.


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Dieser Einblick in die Situation des Religionsunterrichtes in Deutschland ist auch als gedrucktes Heft (Nr. 142) erhältlich: Kostenlose Bestellung

I. Was sich der deutsche Staat dabei gedacht hat

Das deutsche System, in dem Kirchen an staatlichen Schulen den Religionsunterricht zu verantworten haben, ist weltweit (so wie ich es sehe) einmalig. Der Staat gibt damit ein ordentliches Schulfach, in dem auch versetzungsrelevante Noten vergeben werden, in die Hände einer Religionsgemeinschaft, auf die er kaum einen direkten Einfluss hat. Ein Unding, könnte man meinen...

...wenn es nicht aufgrund der schrecklichen Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus dafür gute Gründe gab. Dass die NSDAP einen Staat formte, der damals alle gesellschaftlichen Kräfte unter seine Kontrolle bringen konnte, sollte sich nicht wiederholen. In der deutschen Verfassung von 1949, dem Grundgesetz, wurde die rechtliche Absicherung unabhängiger gesellschaftlicher Kräfte durch den Staat verankert - und zugleich dem Staat verboten, diese Unabhängigkeit auch nur ansatzweise zu beschneiden. Neben den Medien gilt das auch für die Kirchen.

Gerade weil der NS-Staat den Religionsunterricht aus der Schule verdrängte (oder verdrängen wollte), setzte man ihn wieder dort ein. Das Schulfach Religion ist das einzige in der Verfassung von NRW überhaupt genannte Fach, alle anderen kommen nicht vor.
Die Kirche in den Schulen: Ein Korrektiv zum Staat

Aus dieser Absicht heraus entstand der staatliche geschützte und garantierte Religionsunterricht - nicht in Sonntagsschulen oder in Räumen der Kirche, sondern öffentlich und transparent an den staatlichen Schulen. Mit einsehbaren Lehrplänen und allgemein zugänglichen Lehrmaterialien. Die Lehrkräfte waren zwar vom Staat bestellt, zugleich aber von der jeweiligen Kirche mit der Erteilung der Religionsunterrichtes beauftragt (wir nennen diese Beauftragung «Missio»). So wurde ein Korrektiv zum Staat in einem sehr empfindlichen Bereich - der Bildung unserer Kinder - fest installiert (im Grundgesetz - genauer in Artikel 7), um ein erneutes «außer-Kontrolle-Geraten» des Staates zu verhindern.

In dem ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg galt es als allgemein bekannt, dass vor allem die katholische Kirche die Zeit des Nationalsozialismus relativ unbeschadet überstanden hat. Sie bot sich deshalb als erstes, verlässliches Korrektiv zum Staat an. - Erst in den Sechziger Jahren kippte das Bild der unbescholtenen Kirche; es ist bis heute strittig, ob zurecht oder nur auf Grund einer veränderten Stimmung in der Gesellschaft.
Die Kirche in den Schule: transparente Religion

Bei der Verabschiedung der deutschen Verfassung hatte man noch nicht vor Augen, dass auch die Religionen unter Umständen durch den Staat davor bewahrt werden könnten, unter Ideologieverdacht zu geraten - oder tatsächlich zu einer Ideologie zu werden. Inzwischen ist das für unsere Gesellschaft von größerer Bedeutung.

Ein islamischer Religionsunterricht an staatlichen Schulen könnte islamische Gemeinden vor unberechtigten Verdächtigungen (weil der Lehrinhalt nachprüfbar ist) genauso bewahren wie auch vor der tatsächlichen Entwicklung und Verbreitung verfassungsfeindlicher Tendenzen in der Religion.
Religionsunterricht als Bekenntnisunterricht

Der Religionsunterricht in Deutschland ist zudem in der Regel «Bekenntnisunterricht», das heißt, der Unterricht wird von einem bekennenden Mitglied der Religionsgemeinschaft erteilt. Auch dadurch wird die Möglichkeit des Staates erschwert, Einfluss auf den Inhalt des Unterrichts zu nehmen und manipulativ eigene Interessen unter dem Deckmantel einer Religion zu verbreiten. Schülern mit eigener religiöser Überzeugung oder persönlichem Interesse an einer Religion will der Staat so eine möglichst authentische Vermittlung von Kenntnissen über die Religion gewährleisten.

Vorgaben des Staates

Der Inhalt des Religionsunterrichts unterliegt nicht nur den Vorgaben der jeweiligen Konfession und Kirche, sondern auch grundsätzlichen Beschränkungen, die durch Artikel 5 des Grundgesetzes auch den Religionsgemeinschaften auferlegt sind: «Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung». Aber auch das Ziel (und die Methodik) sind reglementiert: durch Artikel 2 des Grundgesetztes (Recht auf freie Entfaltung der eigenen Person) und zum Beispiel durch den «Beutelsbacher Konsens» - dazu im nächsten Abschnitt mehr. Der Religionslehrer bewertet also nicht die Überzeugung oder ein religiöses Bekenntnis der Schülers (ebensowenig wie auch andere Fächer die Überzeugung oder politische Einstellung eines Schülers benoten dürfen), sondern nur die Kenntnisse über die Religion. Ein Schüler ohne Bekenntnis oder mit einer anderen religiösen Überzeugung darf nicht benachteiligt werden.

Der Beutelsbacher Konsens

Auf einer Tagung zur Frage der Vermittlung von politischer Überzeugung im Schulunterricht wurden 1976 drei Prinzipien als Minimalkonsens festgehalten, die bis heute als Anforderung auch an andere schulischen Fächer und Bildungseinrichtungen gelten. Der Beutelsbacher Konsens (benannt nach der Stadt Beutelsbach, in der die Tagung stattfand) beinhaltet: 1. Überwältigungsverbot (keine Indoktrination); 2. Beachtung kontroverser Positionen im Unterricht und 3. Befähigung der Schüler, in politischen Situationen ihre eigenen Interessen zu analysieren.

Auf den Religionsunterricht übertragen bedeutet dies, dass der Unterricht nicht darauf abzielen darf, den Schülern eine religiöse Überzeugung zu vermitteln (Punkt 1). Die Schüler haben ein Recht darauf, den Glauben unverfälscht kennenzulernen, auch wenn Schüler oder Lehrer in einzelnen Punkten anderer Ansicht sind. Zudem muss auch Kritik an den Inhalten zur Sprache kommen (Punkt 2). Schließlich sollen die Schüler in die Lage versetzt werden, den Glauben und die daran geübte Kritik zu analysieren - und die eigene «Interessenlage» bzw. Glaubensüberzeugung zu erkennen und zu bedenken (Punkt 3). Glauben und Kritik am Glauben müssen also verstehbar sein - ein simples Auswendiglernen von Glaubenssätzen genügt diesem Anspruch also nicht.

II. Was sich die Kirche dabei denkt

Zunächst hat die katholische Kirche das Angebot des katholischen Unterrichts mit dem gefüllt, was sie schon seit vielen Jahren gut konnte und entwickelt hat: Die Vermittlung des katholischen Katechismus. In praktischen Fragen und Antworten, mit zahlreichen Schaubildern und Skizzen (im Handbuch für die Lehrer) wurde der katholische Glaube so umfassend wie möglich dargelegt.

Die Würzburger Synode

Nach dem II. Vatikanischem Konzil (1962-65) hat sich die katholische Kirche erneut ausgiebige Gedanken darüber gemacht, wie das staatliche Angebot eines Religionsunterrichtes in allen staatlichen Schule so angenommen und gestaltet werden kann, dass sowohl die Interessen des Staates als auch der Kirche gewahrt bleiben - und gleichzeitig nicht vermischt werden. So hat eine Synode der deutschen Bischöfe in Würzburg 1973 einen Text verabschiedet mit dem Titel «Der Religionsunterricht in der Schule». In den langen Beratungen (die mehr als zwei Jahre in Anspruch nahmen) wurden zwar fünf Positionen diskutiert, die aber auf zwei entgegengesetzte Ansätze reduziert werden können:

  • Ein rein schulpädagogischer Unterricht sollte nicht die Vermittlung von religiösen Inhalten zum Ziel haben, sondern zu freien Werturteilen in Bezug auf Religion, Kultur, Moral und Gesellschaft befähigen. («Ein Religionsunterricht, der vorrangig schulpädagogisch begründet ist und darauf baut, dass die Schule die Aufgabe hat, dem Kind alles zu erschließen, was zum Werden der gegenwärtigen Kultur und Gesellschaft beigetragen hat.»)

  • Dagegen stand ein reiner religionskundlicher Unterricht, der sich auf die Vermittlung von Wissen über die Religion und Kritik an dieser beschränkt. («Ein Religionsunterricht, der religiöse Vorstellungen, die dem Menschen in unserer Gesellschaft begegnen, ordnet, verständlich macht und kritisch durchleuchtet.»).

Entschieden hat sich die Synode schließlich für ein Konvergenzmodell, in dem diese beiden Aspekte zusammengesehen werden sollen; also ein Religionsunterricht, der sowohl schulpädagogische als auch theologisch-kirchliche Argumentationen zu verbinden sucht.

Zwei Pole: Glaubenshaltung und Glaubenswissen

Die Entscheidung, den Religionsunterricht nicht als reine Religionskunde zu verstehen, ist sicherlich richtig - denn sonst wäre das Anliegen des Staates nicht umgesetzt, der Gesellschaft die Sicherung eines Fundamentes zu gewährleisten, das der Staat selbst nicht legen kann und darf.
Durch die Ablehnung, den Religionsunterricht für die Verkündigung des Glaubens zu nutzen, wurde der Verbleib des Unterrichts als ordentliches Schulfach ermög-licht. Wäre das Ziel des Unterrichtes die Vermittlung von Glauben und Religiösität, könnte es dort keine Benotung und sachgerechte Bewertung von Leistung geben.
Das Gegensätzliche der beiden Pole («weder Religionskunde noch Verkündigung») wird durch die Person des Lehrers miteinander verbunden: Der Lehrende soll den Glauben aus der persönlichen Warte eines Mitglieds der Religionsgemeinschaft lehren.

  • Der Unterrichtsstoff bleibt sachgerecht und damit für Schüler jeder religiösen Überzeugung offen: Benotet wird nicht die eigene Position des Schülers, sondern das Wissen über den dargestellten Glauben (religionskundlicher Aspekt).

  • Die Darstellung des Stoffes aber geschieht aus der Position eines Glaubenden. Während in anderen Fächern an staatlichen Schulen das Offenlegen der eigenen Glaubensansicht nicht zulässig ist (genauso wenig wie die eigene parteipolitische Position), ist sie im Religionsunterricht Voraussetzung für den Unterricht. (Verkündigungsapekt).

  • Damit stehen die beiden Pole immer noch in einem Spannungsverhältnis, das überbrückt, aber nicht aufgehoben ist. Während der Lehrer zwar von seiner eigenen religiösen Überzeugung sprechen soll, darf er sie aber nicht zum Maßstab der Unterrichtsbewertung machen. Zu bewerten bleibt auch im Unterricht allein die Leistung der Schüler in Bezug auf den vermittelten Stoff. Nicht deren persönliche Religiösität.

Schwierig bleibt es, den «schulpädagogischen Aspekt» einzuordnen, der von der Würzburger Synode ebenfalls im Religionsunterricht vorgesehen ist. Wie ist der Wunsch der Synodenväter zu sehen, Werte und Haltungen wie Toleranz, Freiheit, Verantwortung, Selbstbestimmung, Empathie und gesellschaftliches Engagement als Teil des Religionsunterrichtes zu sehen?

Mehr Bescheidenheit tut Not

Die Aufgabe, den schulpädagogischen Aspekt einzuordnen, ließe sich leicht lösen, wenn wir nicht nur den Religionsunterricht, sondern auch den Unterricht in anderen Fächern in den Blick nehmen. Denn auch in anderen Fächern erschöpft sich der Unterricht ja nicht in der reinen Wissensvermittlung. Weder der Religionsunterricht noch die anderen geisteswissenschaftlichen Fächer (und auch der Sprachenunterricht und sogar der Unterricht der Naturwissenschaften) beschränkt sich auf ein dokumentarisches Vorlegen eines Wissensstoffes. Fragen, Zweifel und Lebenspraxis der Schüler müssen ebenso zu Wort kommen wie (Glaubens-)Lehre und kritische Anfragen.

Ich plädiere vehement dafür, von den Erfahrungen anderer Fächer zu profitieren - wie zum Beispiel den Geschichtswissenschaften - und dem Religionsunterricht eine Sonderrolle in dieser Hinsicht abzusprechen.

Dagegen schreibt Prof. Ludwig Volz über die Würzburger Synode: «Von drei unverzichtbaren Zielen der Schule in der Bundesrepublik Deutschland ausgehend (vgl. Deutscher Bildungsrat, Strukturplan für das Bildungswesen, Stuttgart 1970,25-39), wird festgestellt, dass diese Ziele vor allem mit Hilfe des Religionsunterrichts erreicht werden können. Ohne Religionsunterricht liegen ganze Felder dieser Zielsetzung im Bereich von Weltverstehen und Weltdeutung, von Sinn- und Identitätsfindung, von Kritikfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit brach. Die Schule braucht also den Religionsunterricht, um dem Schüler das geben zu können, was sie ihm zu geben anzielt. Pädagogische Ziele erfordern ihn.»

Die unverzichtbare Rolle des Religionsunterrichtes, so von der Würzburger Synode formuliert, ist meiner Meinung nach eine Selbstüberschätzung und Überfrachtung des Religionsunterrichts. Jedes Fach in der Schule dient auch der Vermittlung von Kompetenzen wie Kritikfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit; das gilt sogar für den Mathe- und Sportunterricht. Und selbstverständlich gehört zum Deutsch- und Geschichtsunterricht auch das Welt-verstehen und Welt-deuten.

Deshalb tut dem Religionsunterricht mehr Bescheidenheit gut. Es gilt, sich und seine Aufgabe in Anlehnung an die anderen Fächer zu begreifen: In keinem Fach an der Schule gibt es ein sauber getrenntes Nebeneinander von Inhalt und Ziel, von Wissensvermittlung auf der einen und Methodik auf der anderen Seite. Vielmehr geschieht der schul- und lebenspädagogische Lerneffekt immer in der Auseinandersetzung mit dem wissbaren Lernstoff.

Ein Beispiel: Die Frage, welche Bedeutung und Lehre die Französische Revolution für unsere moderne Welt hat, kann sinnvoll nur erläutert werden, wenn wir ein möglichst großes Wissen über die damit verbundenen Ereignisse haben - und diese verstehend nachvollziehen können.

Möglichst gut über den katholischen Glauben, das katholische Geschichts- und Menschenbild, die Bibel etc. informiert zu sein, ist Voraussetzung dafür, sich mit diesem Lernstoff kritisch und kompetent auseinanderzusetzen. Gerade im Ringen um eine den Schülern fremde Position und die Bemühungen, sie verstehbar zu machen, ergibt sich die angestrebte Einheit von Lernstoff und Religionspädagogik.

Wissen ermöglicht Verstehen, Position ermöglicht Diskussion

Es gilt also zunächst, die Lehre der katholischen Kirche möglichst authentisch (nicht im Sinne einer persönlichen, sondern einer kirchlichen Authentizität) darzustellen.

Für nicht wenige Priester, Theologen und Religionslehre stellt sich zuvor noch die nicht einfache Aufgabe, die authentische Lehre der Kirche überhaupt erst ausfindig zu machen. Kritische Auseinandersetzungen sind viel leichter zu finden als eine neutrale Darstellung dessen, womit man sich kritisch auseinandersetzt.

Dieses Wissen kann nicht erst vermittelt und dann durchdacht werden - es ist vielmehr Aufgabe des Lehrenden, das Katholische verstehbar und plausibel darzulegen. Keine einfache Kunst - aber nichts anderes erfordern ja auch die anderen Fächer wie Mathematik, Physik oder auch Ernährungswissenschaften.
Die kritische Auseinandersetzung, Überprüfung, Adaption oder Verwerfung kann erst geschehen, wenn wir verstanden haben, worum es im Katholischen eigentlich geht - eine Anforderung an den Religionslehrer im Vorfeld jeder Unterrichtsvorbereitung. Zusätzlich zur Vermittlung ist es seine Aufgabe, Auseinandersetzung und Fragen anzuregen, mögliche Antworten der Kirche einzuflechten - und die Schüler für weitergehende Gedanke und Fragen zu interessieren. Während der Vermittlung des Glaubens (durch einen konfessionell gebundenen Pädagogen) und dem Versuch, diese verstehend zu durchdringen, geschieht die so genannte «schulpädagogische Erziehung».
Es ist nicht Aufgabe des Religionslehrers, die Vermittlung von Werten, Haltungen und persönlichen Positionen der Schüler direkt anzuzielen - sei es sie zur Annahme der kirchlichen Lehre zu bewegen oder sie davon abzubringen. Es geht lediglich darum, in Auseinandersetzung mit der Lehre der Kirche das nötige Rüstzeug zu vermitteln, dass zur Entwicklung einer eigenen Position nötig ist. Aber, wohlgemerkt: Dieses Rüstzeug lernen die Schüler nicht nur im Religionsunterricht, noch nicht einmal nur in der Schule.

Erfahrungen deuten

Es ist wichtig für die Schüler, das Gelernte mit der eigenen Erfahrungswelt in Beziehung zu setzen. - Ebenso notwenig ist es jedoch auch, die eigene Erfahrungswelt angesichts des Unterrichtsstoffes kritisch zu hinterfragen. Erfahrungen zumal religionspädagogischer Art stehen niemals für sich allein.

Zum Beispiel: Wir sollten im Religionsunterricht nicht erst «Meditation» als eigene Unterrichtsreihe konzipieren und davon gelöst über das christliche Gebet sprechen. Sondern im Kennenlernen des christlichen Gebetes (insbesondere der «Betrachtung» als Gebetsform) hat auch die praktische Erprobung von Mediationen und Fantasiereisen ihren Platz, die im Hinblick auf das christliche Gebet hinterfragt und gedeutet werden müssen.
Oder: Vertrauensübungen (zum Beispiel im Hochseilgarten) ergeben erst dann einen spirituellen Sinn, wenn sie als theologische Grundhaltungen (zum Beispiel im Verhältnis von Gottvater und Jesus Christus) zuvor verstanden wurden. Ohne das Wissen um Glaubwürdigkeitskriterien sind bloße Vertrauenserfahrung trügerisch und gefährlich.
Meine Position - deine Position - katholische Position

Viele Lehrende haben ein Problem mit dem Anspruch, authentisch zu sein, wenn sie katholische Positionen vermitteln sollen, mit denen sie selbst Schwierigkeiten haben. Auch diese Spannung ist nicht allein auf den Religionsunterricht beschränkt: Auch im Geschichtsunterricht gilt es, eine historisch verortete Ansicht zunächst authentisch darzustellen und aus der Zeit heraus zu verstehen. Das gilt auch für den Relgionsunterricht - nicht nur aufgrund des Bekenntnisunterrichts, sondern schon allein aus fachlicher Redlichkeit. Darstellung einer Lehre und deren Verständnis sind der erste, notwendige Schritt - eine Position dazu entwickeln ist ein zweiter Schritt, der deutlich vom ersten getrennt werden muss.
Wenn sich der Religionslehrer bemüht, eine Position der Kirche möglichst verzerrungsfrei darzustellen und aus dem katholischem Ganzen heraus nachzuvollziehen, ist er den Schülern Vorbild und Lehrer zugleich. Wenn er dann möglich Einwände aufnimmt oder gar anregt, sie ebenfalls zu bedenken und zu diskutieren, erfüllt er seine Pflichten sowohl als konfessioneller Vertreter als auch als dem Beutelsbacher Konsens verpflichteter Staatsdiener.

Schwierigkeiten bis heute

Seit den 1970-er Jahren ist die Glaubensweitergabe allerdings grundsätzlich in eine Krise gekommen. Abgesehen von der Sakramentenkatechese für Kinder ist die Gemeindekatechese (zumindest in Deutschland) zunehmend aus den Blick geraten. Der Gedanke der Mission und Evangelisierung ist in der deutschen Kirche mit großen Unsicherheiten und Ängsten behaftet. Selbst die Ermutigung durch Papst Franziskus, der Evangelisation wieder Vorrang bei der Reform der Kirche zu gewähren, findet wenig Resonanz. Somit darf es auch nicht verwundern, wenn auch im Religionsunterricht immer wieder angefragt wird, ob man denn überhaupt den Glauben wie einen Unterrichtsstoff vermitteln darf. Muss nicht jeder selbst wissen, was er glaubt? Gibt es überhaupt einen klaren, darstellbaren katholischen Glauben? Die Kombination aus sachgerechter Vermittlung der katholischen Glaubenslehre und persönlicher Glaubensüberzeugung der Lehrenden löst sich vielerorts auf. Dafür sind verschiedene, unterschiedlich starke Strömungen verantwortlich:

  • Manchmal ist es die persönliche Überzeugungskrise der Lehrer, die ihren eigenen Glaubens nicht mehr als «kirchlichen Glauben» verstehen.

  • Manchmal wird von Eltern die Erwartung an den Unterricht herangetragen, die Kinder nicht «katholisch zu indoktrinieren» (wobei jede Glaubensdarstellung schon als Indoktrination verstanden wird).

  • Manchmal interveniert die Schulleitung aus einer Angst heraus, die Darstellung von katholischen Glaubensüberzeugung könnte den Ruf der Schule beschädigen und den Eindruck erwecken, zu konservativ zu sein.

  • Manchmal wird bereits in der Ausbildung der Religionslehrer ein Verständnis von Glauben vermittelt, das jede eindeutige Formulierung von Glaubenswahrheiten unter den Generalverdacht eines «mittelalterlichen Wahrheitsverständnisses» stellt.

Das erwünschte Gleichgewicht zwischen «religionspädagogischen Erfahrungsvermittlung» und «Auskunft über den katholischen Glauben» ist und bleibt also instabil und gefährdet.

  • Heutzutage scheint die Vermittlung der katholischen Lehre in manchen Punkten in einen Gegensatz zu schulpädagogischen Erfordernissen zu geraten.

  • Hinzu kommt eine gewisse Scheu (nicht nur bei den Religionslehrern, sondern auch bei Priestern, Katecheten und zum Teil sogar bei Bischöfen), die Lehre der Kirche so darzustellen, wie sie von der katholischen Kirche dokumentiert ist.

  • Zudem ist oft selbst für willige Lehrpersonen nicht leicht zu erarbeiten, was denn nun verbriefte katholische Lehre ist - und weshalb.

  • Nicht wenige lehrende Personen stimmen mit manchen zu vermittelnden katholischen Ansichten nicht mehr überein - und sehen im Anspruch auf unverkürzte Lehre der Kirche einen Widerspruch zur Authentizität des Unterrichts.

  • Die Gefahr ist also groß, dass der Religionsunterricht auf die überprüfbare Vermittlung des katholischen Glaubenswissen verzichtet - und schulpädagogischen Methoden zum Inhalt des Unterrichts werden lässt. Anstatt das Wissen über den katholischen Glauben auf eine Art zu vermitteln, die Toleranz, Weite, Verantwortung und Lebensperspektive berücksichtigt, wird die Vermittlung von Toleranz, Weite, Verantwortung und Lebensperspektive selbst zum Gegenstand des Religionsunterrichtes.

Banal - oder übergriffig?

Die zunehmende Vermeidung von inhaltlichen Festlegungen ist nicht nur eine Tendenz im Religionsunterricht, sondern in allen Bereichen der katholischen Lehre - vor allem auch in der Gemeindekatechese, dem Erstkommunion- und Firmunterricht. Vielleicht hat dieser Trend hier sogar seinen Ausgangspunkt. Das Problem eines inhaltlich entleerten Unterrichts mag in der Gemeinde allerdings eher die Banalität sein - im Unterricht an den Schulen erhält ein solcher Unterricht noch eine andere Brisanz: Er wird leicht übergriffig.

Ein guter Religionsunterricht zielt zunächst darauf ab, Glaubenswissen zu vermitteln. Während sich der Lehrer und die Schüler darum bemühen, werden wesentliche Werte und Charakterstärken vermittelt - während wir den Glauben kennenlernen, diskutieren und durchdringen. Ein schlechter Religionsunterricht wäre es, die Werte und Charakterstärken direkt in den Blick zu nehmen und durch Erfahrungen vermitteln zu wollen. Das ist nicht nur «schlechter Unterricht», weil er meist als langweilig und inhaltsleer empfunden wird. Das ist auch «schlechter Unterricht» im moralischen Sinne. Denn ein solcher Unterricht ist übergriffig.

Welche Werte ein Mensch sein eigen nennt, sich aneignet und zum Handlungsfaden macht, darf kein Unterrichtsinhalt sein. Vielmehr ist der Unterricht so zu gestalten, dass in der Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur (zum Beispiel im Deutschunterricht), der eigenen Vergangenheit (im Geschichtsunterricht) und eben auch dem eigenen Glauben bestimmte, als heilsam erkannte Haltungen frei angenommen werden - und andere, weniger förderliche Haltungen abgelegt werden.

Ein wenig spiegelt sich dies in der sogenannten «Methodenkompetenz» wider, die im schulischen Lehrplan einen festen Platz hat. Methoden werden zwar zumeist in Hinblick auf ein Thema und einen Inhalt erprobt, können aber auch direkt angezielt werden.
Haltungen und Werteakzeptanz dürfen und können allerdings nicht verordnet, sanktioniert und benotet werden. Sie entfalten erst ihre lebensgestaltende Rolle, wenn die Schüler sie frei annehmen.

Ein Unterricht, der als inhaltliches Ziel Toleranz, Offenheit, Verantwortung, Empathie, Hilfsbereitschaft, Selbstbestimmung, reife Persönlichkeit und so weiter hat, ist übergriffig. Ein Unterrichtskonzept, das in Auseinandersetzung mit einem fachspezifischem Thema diese Werte als hilfreich erweisen kann, ist längst der Regelfall an unseren Schulen. In allen Fächern. Nicht nur im Religionsunterricht.

Fazit

Das verfassungsmäßig garantierte Recht auf konfessionellen Religionsunterricht an staatlichen Schulen ist zugleich ein hoher Anspruch. Den lösen wir als Kirche nicht ein, wenn wir den Religionsunterricht auf die Vermittlung von pädagogische Schlüsselqualifikationen ausrichten und zudem glauben, das Religionsfach sei das einzige, das dazu im Stande sei.
Wichtiger ist es - auch im Sinne des Beutelsbacher Konsenses -, die Vermittlung katholischer Lehre (selbst in den umstrittenen Themen) in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen.

Die besondere Herausforderung an die Religionslehrer ist dabei, die innere Begründung für die katholische Lehre transparent zu machen - weil sie selbst Mitglied dieser Glaubensgemeinschaft sind. Der Bekenntnisunterricht lebt von der authentischen Innensicht des Lehrenden; selbstverständlich dürfen - davon deutlich unterschieden - in der Vertiefung des Stoffes auch Kritik und persönliche Distanz zu einzelnen Punkten der Lehre zur Sprache kommen.

Gerade dann, wenn sich Schüler mit Positionen auseinandersetzen, die ihnen sehr fremd sind, und sich um Verständnis bemühen, geschieht, was die Würzburger Synode für den Religionsunterricht gefordert hat: Die Förderung der Entwicklung hin zu einer eigenen Position in Freiheit, Selbstverantwortung und Würde.