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KARL-LEISNER-JUGEND |
Der eheliche Akt - der natürliche Ehegrund
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Ich bitte alle Nicht-Theologen um Entschuldigung, dass wir Theologen mal wieder eine eigene Sprache pflegen. Wir reden nicht vom Geschlechtsverkehr, vom «Sex» oder Beischlaf, um die körperliche Vereinigung von Mann und Frau zu beschreiben, sondern vom «ehelichen Akt». Nicht, weil wir eine Insidersprache pflegen wollen, sondern weil dieser Ausdruck einfach besser beschreibt, was da zwei Menschen tun. Zumindest was das «ehelich» betrifft.
«Akt» leitet sich vom lateinischen actus ab - und bezeichnet eine Handlung. Damit ist also nicht die künstlerische Nacktdarstellung (wie in «Aktgemälde») gemeint.
Denn wenn wir vom «ehelichen Akt» sprechen (also der «ehelichen Handlung»), dann ist damit nicht nur irgendeine Handlung gemeint, die man aus Gründen von Tradition, Sitte und Anstand gefälligst nur in der Ehe vollziehen sollte. Sondern ehelicher Akt bezeichnet das, was eine Ehe begründet.
Auch das Wort begründen muss an dieser Stelle erklärt werden. Wir verwenden eine Begründung zum Beispiel in Diskussionen und meinen damit ein Argument, dass zur Rechtfertigung («Begründung») einer These geeignet ist. Das ist aber nicht gemeint, wenn wir davon sprechen, dass der eheliche Akt die Ehe begründet.
Mit «Begründung» ist hier eher die «Gründung» gemeint, so wie ein Verein gegründet wird durch einen bestimmten Rechtsakt (da, schon wieder das Wort «-akt», diesmal ist eine «Rechts-Handlung» gemeint). Die Behauptung ist also, dass der eheliche Akt nicht eine beliebige Handlung ist, deren Sinn noch ausgehandelt werden muss - sondern dass dadurch eine Ehe gegründet wird, also nichts anderes als die Eheschließung vollzogen wird. Im Wort begründen steckt allerdings auch, dass im Leben der Ehe der eheliche Akt den Grund, auf den die Ehe aufbaut, erneuert und festigt. Wenn wir den Grund einer Ehe mit Liebe, Hingabe und Entscheidung beschreiben, festigt also der Geschlechtsverkehr diese eheliche Liebe und Hingabe.
So ist mit der Formulierung «Der eheliche Akt begründet die Ehe» schon ein ziemlicher großer Bogen geschlagen worden. Nicht nur die Eheschließung, sondern auch die Festigung und ständige Erneuerung des Ehegrundes geschieht durch eine körperliche Handlung; wobei der Geschlechtsverkehr nicht der Grund der Ehe ist - diesen Grund aber ständig aktualisiert.
Bevor ich diese steile These zu belegen versuche, möchte ich ein wenig ausholen, indem ich grundsätzliche Überlegung zur Bedeutung von Handlungen mache. Bitte nicht einfach überspringen! (Auch nicht das Kleingedruckte!) Alle diese Überlegungen brauchen wir am Ende, um wirklich zu verstehen, was die kirchliche Haltung zum ehelichen Akt bedeutet - und vor allem, was nicht dazu gehört. Versprochen: Nach unserem Umweg geht die Anwendung auf die Sexualität dann recht zügig.
Jede Handlung hat Konsequenzen (sonst wäre es keine Handlung), meisten sowohl materieller als auch geistiger Art. Beides gehört bei wichtigen menschlichen Handlungen zusammen: So ist der physische Vorgang, bei dem unter einem Vertrag eine Unterschrift gesetzt wird, zwar entscheidend für das Zustandekommen des Vertrags. Aber die Unterschrift allein besagt noch nichts, sie ist lediglich materieller Ausdruck der geistigen Entscheidung, dem Vertrag zuzustimmen.
So ist es bei fast allen Handlungen des Menschen: Sie bringen einen inneren Willen (oder eine innere Wirklichkeit) zum äußeren Ausdruck. Die innere Absicht (wir sprechen von Intention) wird erst sichtbar und damit real, wenn sie durch eine leiblicheHandlung ausgedrückt wird. Ohne diese Handlung verwirklicht sich die Absicht oder Entscheidung nicht. Sie bleibt nicht nur unsichtbar, sondern auch unreal. Eben eine reine Absicht.
Eine Handlung aber hat nicht immer die gleiche Bedeutung. Die «pure Aktion» erhält ihre Bedeutung durch die Umstände und den Handelnden. Es können z. B. vielfältige Situationen gedacht werden, die eine Handlung «entleeren». Also Umstände, die die Bedeutung zerstören, die der Handlung eigentlich innewohnen.
So kann die Unterschrift unter einem Vertrag erzwungen worden sein (mit vorgehaltener Pistole); eventuell wurde der Unterschreibende seines Willens beraubt (durch Alkohol oder Drogen). Vielleicht wurde die Unterschrift gefälscht, oder der Unterschreibende glaubte, einen anderen Vertrag zu unterschreiben oder war über bestimmte Inhalte des Vertrags getäuscht worden oder über Zusätze (Klauseln) nicht informiert.
Auch das ist wichtig: Klauseln, die eine Vertragsunterzeichnung ungültig machen, müssen künstliche Zusätze sein. Wenn sie sich aus dem bekannten und gewollten Vertragsinhalt natürlich ergeben, kann sich keiner damit herausreden, er habe das doch gar nicht gewollt. - Ein Beispiel: Wenn jemand sein Auto verkauft und sich dann anschließend beschwert, er habe ja nicht wissen können, dass er es jetzt nicht mehr benutzen kann, so ist das albern. Wer so argumentiert, hat sein Auto gar nicht verkaufen wollen.
Wenn der Vertrag aber eine Klausel enthält, die den Verkäufer weiterhin haftbar macht für die Schäden, die auch nach dem Verkauf mit dem Auto verursacht werden, so ist das keine natürliche, sondern eine künstliche, zusätzliche Klausel. Darüber sollte der Unterzeichner ausdrücklich Bescheid wissen. Sonst ist der Vertrag unwirksam.
Noch etwas: Bestimmten Menschen ist es nicht möglich, ihre Unterschrift unter einen Vertrag setzen (weil sie z. B. gelähmt sind oder nicht schreiben können). Dann kann die Zustimmung zum Vertragsinhalt auch durch ein anderes Zeichen ausgedrückt werden (zum Beispiel durch einen Fingerabdruck). Schließlich geht es ja primär um die Zustimmung. Natürlich bedarf es dazu einer zusätzlichen Vereinbarung, denn eine Verweigerung der Unterschrift ohne weitere Begründung steht für die Ablehnung des Vertragsinhaltes.
Handlungen entfalten immer irgendwelche Folgen, die sich oft allein schon aus den physikalischen Gesetzen ergeben. Wer einen Stein über einem freien Abgrund loslässt, verursacht damit immer, dass der Stein fällt. Egal, ob er das will, dazu gezwungen wurde oder über den Fall des Steines belogen oder getäuscht wurde. Aber ob der fallende Stein Ausdruck seines Willens und Folge seiner Entscheidung ist (und er deshalb auch die moralischen Folgen zu tragen hat), ist nicht alleine eine Frage der Handlung an sich.
Jemand, der glaubt, dass bestimmte Handlungen immer - aber auch wirklich immer - ganz bestimmte geistige, moralische oder soziale Folgen haben, steht an der Grenze zur Magie. Nach magischer Auffassung bewirkt auch ein unwissentlich ausgesprochener Zauberspruch eine magische Wirkung. Auch ein Zauberspruch, der erzwungen wurde, erpresst oder erschlichen, hat (angeblich) den gleichen Effekt. Magie - so könnte man sagen - ist die Vorstellung, der Zusammenhang zwischen materieller und geistiger Welt gehorche den gleichen Gesetzen wie in der Mechanik. Drückt man nur auf die richtigen Knöpfe, gibt es immer die gleichen geistigen und seelischen Resultate.
Dieses magische Denken lehnen wir Christen ab - es gibt schlicht keine Magie. Wir glauben, dass nichts in der Welt so funktioniert. Die geistige und seelische Wirklichkeit hat gegenüber der leiblichen Welt immer eine unverlierbare Freiheit. Deshalb können wir niemals mit einer puren Handlung notwendig eine immer gleiche seelische Wirkung erreichen. Deshalb ist auch der Rückschluss aus einer konkreten Handlung auf die Bedeutung, die der Handelnde damit beabsichtigt, nicht mathematisch-exakt bestimmbar.
Anders als eine magische Handlung, die ihre Bedeutung allein durch den Vollzug der Tätigkeit entfaltet, sind die meisten menschlichen Handlungen Ausdruck der menschlichen Freiheit. Dabei unterscheiden wir zwischen Zeichenhandlungen (die immer erklärt werden müssen) und Symbolhandlungen (die eine innere Verbindung zum Inhalt haben).
Ein Verkehrszeichen ist selten ein Symbol: Wer das Zeichen nicht erklärt bekommt, kann sich dessen Bedeutung nicht erschließen. Nur wenig Verkehrszeichen sind selbsterklärend und deshalb eher symbolischer Natur.
Eine Symbolhandlung braucht man normalerweise nicht zu erklären. Auch ist es schwierig, ihre innewohnende Bedeutung nur durch eine Erklärung zu ändern.
Es wird schwierig, jemanden in den Magen zu boxen und dem Geschlagenen das als Beweis meines Respekts und meiner Hochachtung zu verkaufen. - Ebenso wenig kann man ein feierliches Essen, das man miteinander teilt, als ein Angriff auf die eigene Integrität umdeuten.
Natürlich gibt es hier Grauzonen. Wer meint, in seiner Kultur etablierte Zeichen seien allgemeingültige Symbole, kann manchmal in peinliche Situationen geraten.
Wenn zum Beispiel in «Dune - Der Wüstenplanet» ein Mitglied des Volkes der Fremen vor jemandem ausspuckt, so ist das kein Grund, zu den Waffen zu greifen, sondern ein Zeichen seines Wohlwollens: «Vielen Dank für das Geschenk des Wassers aus deinem Körper!»
Und umgekehrt kann es zu eklatanten Missverständnissen kommen, wenn Kulturen Symbole umdeuten, obwohl deren innerer Gehalt für alle außerhalb der Kultur unzweifelhaft ist. Denn immer dann, wenn wir aufgrund eines bewusst platzierten Symbols, das einen inneren Zusammenhang zwischen der äußeren Handlung und der inneren Absicht besitzt, in die Irre geführt werden, werten wir das als Lüge.
Wer einem anderen die Hand reicht - vielleicht sogar dabei lächelt - um ihn dann in den Dreck zu ziehen, wird als «hinterhältig» eingestuft werden. Es gehört schon viel Überredungskunst dazu, ein solches Verhalten als kulturelle Eigenart rechtfertigen zu wollen.
Ebenso dürfte das Niederwerfen oder Knien vor anderen ein allgemein-menschliches Symbol sein, das vermutlich schon in der Evolution angelegt wurde. Wer vor einem anderen kniet, sich aber einredet, er würde ihn dadurch beleidigen, belügt zwar den anderen - aber noch mehr sich selbst.
Allgemein-menschliche Symbole bewusst umzudeuten, ist zumeist eine Form von Betrug. Manchmal auch ein Selbstbetrug.
Scheinbar hat das katholische Sakramentenverständnis ein gewisse Nähe zur Magie: Wichtig für die Gültigkeit ist, dass die Riten korrekt vollzogen und die richtigen Worte gesprochen werden. An diesem Eindruck ist korrekt, dass die Sakramente tatsächlich ihre Wirkung dadurch entfalten, dass sie vollzogen werden. Sakramente sind also keine reinen Zeichenhandlungen (wie zum Beispiel das Schenken von Blumen), die nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sich Spender und Empfänger (des Sakramentes oder der Blumen) über die Bedeutung dieser Handlung verständigt haben. Nein, Sakramente leben nicht nur durch eine Vereinbarung der Handelnden.
Sakramente sind aber dennoch keine Magie. Ihre Wirkung hängt eben nicht nur davon ab, dass ein Ritus vollzogen und eine Abfolge von Worten korrekt gesprochen wurde. Es gehört unverzichtbar auch die «richtige Intention» dazu, also die Absicht, ein Sakrament zu spenden.
Dabei ist es nicht wichtig, die Wirkungsweisen des Sakramentes im Einzelnen zu kennen und zu bejahen. Ein Muslim, der um eine Taufe gebeten wird, tauft auch dann gültig, wenn er gar keine Ahnung hat, was eine Taufe genau bedeutet. Er tauft sogar auch dann gültig, wenn er der Meinung ist, dass eine Taufe eine Beleidigung Gottes sei. Er tauft allein dadurch gültig, weil er das tun will, was die Kirche tut, wenn sie tauft. Diese Absicht - seine Intention - ist unverzichtbar.
Die richtige Intention unterscheidet ein Sakrament von Magie. Wer auf der Theaterbühne eine Taufe spielt, hat keine Absicht, ein Sakrament zu spenden - deshalb ist es auch kein Sakrament. Das gilt auch für Priester, die in einem Seminar die Spendung von Sakramenten üben: Sie haben in diesem Moment keine Absicht, ein Sakrament zu spenden.
Ganz anders die magische Vorstellung: Wer (angeblich) im Theater, Kino oder im Scherz einen magischen Spruch korrekt ausspricht, muss auch dann mit einer entsprechenden Wirkung rechnen, wenn er gar nicht zaubern wollte. Behaupten die Anhänger einer magischen Sichtweise.
Warum wir hier den Unterschied zwischen Magie und Sakrament so deutlich herausstellen? Dazu kommen wir gleich. Nur so viel: Dieser Unterschied ist wichtig. Ihn zu vergessen, kann dramatische Folgen haben. Auch außerhalb der katholischen Kirche. Vor allem da.
Wenn wir nun die Elemente der Eheschließung zusammenfügen, können wir auf das soeben Festgehaltene zurückgreifen: Unverzichtbar für die Eheschließung ist die innere Absicht, eine Ehe zu schließen- und das äußere Zeichen, das diesen Willen verwirklicht.
Selbstverständlich ist es unverzichtbar, dass beide Ehepartner in dieser inneren Entscheidung übereinstimmen (von Theologen auch der Ehe-Konsens genannt). Niemand kann eine andere Person gegen ihren Willen heiraten, eine erzwungene Heirat begründet niemals eine Ehe.
Zum Ehewillen gehört (wie schon im Beispiel mit dem Auto-Kaufvertrag) die Bejahung sämtlicher wesentlicher Eheeigenschaften dazu; also aller Eigenschaften, die sich aus dem Wesen der Ehe ergeben. Für die katholische Kirche sind das zunächst vier Wesenseigenschaften (Wille zur Treue, Unauflöslichkeit, wohl-wollende Liebe und Bejahung von Nachkommenschaft), aber auch die Lebensgemeinschaft, Freiheit der Entscheidung, Bedingungslosigkeit, persönliche Reife und Ehrlichkeit. Vermutlich könnte man noch zahlreiche weitere Elemente einer Ehe nennen, die mit ihr untrennbar verbunden sind.
Wer zwar eine Ehe schließen will, diese Wesensbestandteile aber ablehnt, der will eigentlich keine Ehe (wie im obigen Beispiel, in dem jemand sein Auto verkauft, aber nicht will, dass es dann von anderen gefahren wird).
Der Ehewille allein begründet aber noch keine Ehe, sondern erst, wenn die innere Absicht in einer äußeren Handlung verwirklicht wird. Für viele Zeitgenossen ist das die Eheschließungszeremonie in der Kirche oder auf dem Standesamt. Wer sich allerdings in den Kulturen dieser Welt und deren Riten und Bräuche umschaut (und auch die katholischen Eheschließungsbräuche des ersten Jahrtausend anschaut), wird feststellen, dass diese Zeremonie nur als Zeichen angesehen wurden - die eigentliche Eheschließung geschieht durch ein Symbol - den ehelichen Akt.
Es gab Zeiten, in denen der eheliche Akt vor Zeugen vollzogen werden musste, damit die Eheschließung als gesichert galt. Unsere Verwunderung darüber erklärt, warum anstelle des vor Zeugen vollzogenen Geschlechtsverkehrs ein Zeichen tritt: Zur Wahrung von Intimsphäre und Respekt.
Die Zeichen der Eheschließung ersetzten nicht den ehelichen Akt, sondern galten als öffentlicher Ausdruck für eine private Wirklichkeit. (Verwechsle bitte privat nicht mit innerlich: Die Ehe wird nicht auf rein geistige-innerliche Weise geschlossen, sondern durch den geistig-leiblichen [zugleich privaten] ehelichen Akt geschlossen, der dennoch öffentliche Bedeutung hatte.)
Während in der westlichen, weltlichen Kultur das sich gegenseitige Anstecken der Ringe zum Zeichen wurde, war für die Kirche vor allem das Wort wichtig, das dabei gesprochen wurde. Denn jedes Zeichen braucht eine Verständigung über deren Bedeutung. Der eheliche Akt dagegen ist kein Zeichen, sondern ein Symbol oder Ausdruck - und bedarf deshalb auch keiner zusätzlichen Erklärung.
Jetzt wird auch deutlich, warum ich vorhin den Unterschied zwischen Magie und Sakrament als lebenswichtig bezeichnet habe: Wer glaubt, dass der eheliche Akt so etwas wie eine magische Handlung sei, betrachtet nach erfolgtem Geschlechtsverkehr die beiden Beteiligten automatisch als Ehepartner. Ganz unabhängig, ob die beiden Beteiligten überhaupt eine Ehe schließen wollten.
Das eigentlich Dramatische ist, dass es auch heute noch Kulturen gibt, die in diesem magischen Denken verhaftet sind - und von einer vergewaltigten Frau erwarten, dass sie nun die durch magische Handlung bereits zustande gekommene Ehe mit ihrem Peiniger auch äußerlich eingeht. Es gibt leider Hinweise, dass dieses (letztlich menschenverachtende) magische Denken auch in christlichen Gemeinschaften oft nicht ganz ausgemerzt wurde und in der Vergangenheit hier und dort überhand genommen hat. Schrecklich.
Jetzt wird vielleicht auch klar, warum ich vorhin die Beispiele erwähnt, in denen Vertragsunterzeichnungen ungültig sind, wenn sie erzwungen wurden. Wobei wichtig zu ergänzen ist, dass erzwungener (oder durch Drogen etc. erschlichener) Geschlechtsverkehr nicht nur keine eheliche Wirkung entfaltet, sondern ein abscheuliches Verbrechen ist.
Dagegen ist die katholische Theologie klar: Jede Magie und jedes magische Denken ist als unmenschlich abzulehnen. Nicht die Handlung allein ist alles-entscheidend. Es ist unverzichtbar, dass beide Beteiligten den Geschlechtsverkehr als freien Ausdruck einer ebenso freien inneren Entscheidung vollziehen.
Wenn wir also das magische Denken ablehnen, das konkreten Handlungen keine automatisch-mechanische geistige Wirkung zuspricht, dann heißt das nicht, dass die Sexualität offen für jede Bedeutung ist. «Sex» kann nicht nach Absprache mal als Ehe-begründend und dann wieder als bedeutungsloses Freizeitvergnügen definiert werden. Wie viele andere menschliche Handlungen, die tief angelegt sind in der Evolution und Geschichte des Menschen, ist der Geschlechtsverkehr in seiner Bedeutung eindeutig.
Der erzwungene Geschlechtsverkehr ist immer Ausdruck von Macht, Unterwerfung und Herrschaft ist (daran zu rütteln ist, wie schon bemerkt, kriminell und entwürdigend), weil er eine vollkommene Hingabe erzwingen will - und gleichzeitig eine eigene Entscheidung zerstört. Dass dieser Charakter einer Vergewaltigung nicht umdeutbar ist, liegt daran, dass Geschlechtsverkehr ein Symbol der Hingabe und Entscheidung ist und sein sollte.
Der Geschlechtsverkehr ist nicht umdeutbar (weder im Nachgang einer Vergewaltigung noch für zwei wohlmeinende Partner mit reiner Vergnügungsabsicht). Wenn der Beischlaf frei, selbstbestimmt und in Übereinstimmung beider geschieht, hat er immer einen klaren Inhalt: Liebe, Hingabe und Entscheidung. Mit anderem Worten: Es handelt sich um den ehelichen Akt.
Nun ist jemand, der den Beischlaf erzwingt, ein Verbrecher. Zwei dagegen, die sich in gemeinsamer Freude darauf einigen, das geplante sexuelle Vergnügen nicht als ehebegründend zu sehen, sind weit davon entfernt, sich gesetzeswidrig zu verhalten.
Es gab allerdings Zeiten, in denen Sex außerhalb der Ehe ebenfalls als Verbrechen eingestuft wurde - vor allem dann, wenn einer der beiden freiwilligen Sexualpartner schon mit jemand anderem verheiratet war. - Wir kennen die Bibelstelle mit Jesus und der Ehebrecherin, die gesteinigt werden soll. Jesus verhindert zwar ihre Steinigung, leugnet aber nicht die Verwerflichkeit ihrer Tat. Dabei ist noch nicht einmal klar, ob die Beteiligten anderweitig verheiratet waren.
Auch, wenn heute in unserer Gesellschaft außerehelichen Sex nicht mehr als verfolgungswürdiges Verbrechen angesehen wird, würden wir einen Ehebruch dennoch nicht leichtfertig als erstrebenswert oder als Tugend bezeichnen. Warum? Weil außerehelicher Geschlechtsverkehr im Kern immer eine Lüge bleiben wird.
Schlimm, wenn dadurch andere betrogen werden. Aber auch durch sexueller Selbstbetrug entsteht ein nicht unerheblicher Schaden. Nichts anderes aber ist der Versuch, den ehelichen Aktes als eine Handlung zu vollziehen, die kein ehelicher Akt sein soll.
Wenn zwei Menschen sich einander im ehelichen Akt schenken, begründet das die Ehe zwischen ihnen. Dabei ist es (wie gesagt) unverzichtbar, dass innerlich und äußerlich frei sind; dass sie die entsprechende Reife haben; keine Bedingungen stellen und auch die anderen Bedeutungen, die in ihrem leiblichem Tun innewohnen, nicht leugnen.
Deshalb wird vor der kichlichen Eheschließung im sogenannten «Ehevorbereitungsprotokoll» festgehalten, dass die Brautleute keinen der Kernbereiche der Ehe ausschließen: Weder die Unauflöslichkeit, noch die Einheit (also den Willen zur Treue), noch die Hinordnung auf das beiderseitige Wohl und die Bejahung der Nachkommenschaft.
Ebenso wird festgehalten, dass beide frei, ungezwungen, ohne inneren oder äußeren Druck, bedingungslos und ehrlich diese Ehe eingehen wollen.
Aus Gründen des Anstandes geschieht der Vollzug des ehelichen Aktes aber nicht öffentlich, obwohl ihm eine nach außen hin verbindliche Wirkung innewohnt. Stattdessen wird der eheliche Akt durch ein öffentliches Zeichen ersetzt, das mit geeigneten Worten verbindlich gedeutet wird. In unserem Kulturkreis ist es der Austausch von Ringen und das Ja-Wort (oder auch ein Vermählungsspruch).
Übrigens: Es gibt Menschen, denen der eheliche Akt nicht möglich nicht (aus Gründen einer körperlichen Lähmung oder aus anderen medizinischen oder psychischen Gründen). Dann ist es durchaus möglich, einen anderen Ausdruck für den Ehekonsens zu vereinbaren. Das entwertet nicht den ehelichen Akt (dieser bleibt in seiner inneren Aussagekraft davon ja unberührt), sondern betont noch einmal, dass es primär um die innere Haltung geht. Einen anderen Ausdruck für die eheliche Liebe, Hingabe und Entscheidung zu finden, bedarf zwar eines schwerwiegenden und gerechten Grundes, ist aber möglich.
Nach kirchlicher Auffassung wird von den Brautleuten, wenn sie getauft sind, in diesem Augenblick auch das Sakrament der Ehe einander gespendet. So, wie das Zustandekommen der natürlichen Ehe (also eine nicht religiös gedeutete und motivierte Ehe) voraussetzt, dass die Ehe-Wesenseigenschaften mitgewollt werden, so setzt die Spendung des Ehe-Sakramentes ebenfalls voraus, dass die übernatürlichen Ehe-Eigenschaften ebenso mitgewollt und nicht ausgeschlossen werden.
Übernatürliche Eheeigenschaften? Dazu gibt es zahlreiche eigenständige Katechesen - nicht nur auf der Seite der Karl-Leisner-Jugend. Um eine große Sache kurz darzustellen: Übernatürliche Eheeigeneschaft sind die Ebenbildlichkeit von Mann und Frau, die im Ehebund Gottes Liebe zu den Menschen erfahrbar machen; ebenso der Glaube, dass Gott der Dritte im Bunde ist, die Liebe der Eheleute heiligt, sie vervollkommnet und die Brautleute befähigen, einander zu einer noch größere und tieferen Ebenbildlichkeit zu führen. - So ungefähr.
Ob die Eheleute, die eine kirchliche Eheschließung ablehnen, obwohl sie getauft sind, auch tatsächlich alle der Ehe innewohnenden Eigenschaften (auch die sakramentalen) bejahen, ist zweifelhaft. Deshalb sind normalerweise Eheschließung von Katholiken ungültig, wenn sie eine andere Form als die kirchliche Eheschließungsform wählen. Die bewusste Ablehnung einer religiösen Eheschließung kann so gedeutet werden, dass der für eine sakramentale Eheschließung nötig Glaube nicht vorhanden ist. Dann könnte auch eine (nicht-religiöse) Eheschließung unter Getauften als nicht-sakramental gewertet werden.
Noch ist das nur ein Vorschlag (vor allem von Philipp Peters in seiner Dissertation «Was macht eine Ehe zum Sakrament?») und nicht offizielle kirchliche Position. Aber sowohl Papst Benedikt als auch Papst Franziskus haben die Theologie aufgefordert, darüber nachzudenken, ob die Sakramentalität einer Ehe unter Getauften nicht auch noch von deren Glauben abhängig ist.
Was in dieser Katechese gesagt wurde, kann man als eine Rechtfertigung der kirchlichen Lehre über Ehe und Sexualität missverstehen. Aber damit wird man weder meiner Absicht gerecht - noch der Intention der Kirche. Wir Christen sind vor allem und zuerst der ehelichen Beziehung verpflichtet - indem wir jedem Ehepaar helfen und beistehen, eine Ehe gut und freudig zu führen.
Aber auch im Vorfeld, noch ehe eine Ehe geschlossen wird, sind wir alle verpflichtet, alle Elemente der Ehe (die natürlich und die übernatürlichen) zu verkünden, deren Schönheit im Bewusstsein der Menschen wachzuhalten und Freude daran wecken, diese zu leben. Dazu gehört auch, die Sexualität in ihrer ganzen Bedeutungsfülle wahrzunehmen.
Der Sinngehalt dessen, was dem ehelichen Akt innewohnt, wird durch die kirchliche Ehelehre gewahrt und vor Missbrauch geschützt. Die Kirche ist Anwalt der Ehe (oder sollte es zumindest sein!), der versucht, alle Elemente der natürlichen und sakramentalen Ehe gleichermaßen zu verkünden und zu empfehlen. Immer dann, wenn die Kirche deswegen angefeindet wird, sollten wir uns zu ihr bekennen. Zur Kirche und zur Fülle der Ehelehre!
Wenn wir den ehelichen Akt vor Missbrauch oder Entleerung zu schützen, schützen wir letztlich auch die Würde des Menschen.