11 Predigten zur Eucharistiefeier  | Predigtreihe mit elf Predigten zur Feier der Hl. Messe und dem Verständnis der Eucharistie
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1. Predigt - Von Piloten, Kollisionskursen und Opfern
Das Wesen der Eucharistie
Liebe Schwestern und Brüder, ich möchte mit der heutigen Predigt
eine Reihe beginnen. Eine Predigtreihe beschäftigt sich Sonntag für
Sonntag mit einem Thema, auch wenn der eigentliche Anknüpfungspunkt der
Predigt, das Evangelium des Tages, dann mal etwas in den Hintergrund treten
kann.Ich möchte unseren Gottesdienst, die Eucharistiefeier, zum Thema
der Predigtreihe machen. Dabei werde ich an den kommenden Sonntagen die einzelnen
Teile des Gottesdienstes beleuchten. Ich hoffe, damit zu einem bewußteren
Mitfeiern der Gottesdienste helfen zu können. Und ich versuche, keine
hochtheologischen Vorträge zu halten.
Doch bevor ich mit den einzelnen Teilen anfange, frage ich mich heute, was
das denn ist - «Eucharistiefeier».Liebe Schwestern und Brüder,
stellen sie sich vor, ein Pilot ist mit einem Flugzeug unterwegs. Plötzlich
merkt er, dass er die Maschine nicht mehr richtig kontrollieren kann. Mit
Entsetzen stellt er fest, dass sie auf eine Schule voller Kinder zu stürzen
droht. Obwohl er damit sein Schicksal besiegelt, bleibt er bis zum Schluß
in der Maschine, um sie über die Schule hinwegzusteuern und kommt so
beim Absturz ums Leben. Er hätte noch aussteigen können, aber er
hat sein Leben geopfert, um die Menschen in der Schule zu retten.Alljährlich
begeht nun die Schule - zusammen mit dem ganzen Dorf - eine Gedächtnisfeier.
Aus dem einfachen Bedürfnis heraus, dem Piloten Ehre und Dank zu erweisen.
Wesentlich für die Gedächtnisfeier ist dabei nicht die ansprechende
Gestaltung, sondern das innere Bedürfnis, «Danke» zu sagen.
Und selbst wenn die Dorfkapelle immer nur das gleiche Lied spielt und wenn
der Bürgermeister nur ungeschickte Reden hält: Die Feier wird ergreifend
sein, wenn nur die Anwesenden wirklich danken wollen.
Für Außenstehende oder für ehemalige Schüler, die nicht
glauben wollen, dass sie ihr Leben der Tat des Piloten zu verdanken haben,
kann dagegen nichts diese Feier interessant machen. Jeder Unterhaltungswert
wird letztlich durch das ständige Gedenken an den Piloten beeinträchtigt.
Die erste Frage, die ich mir stellen sollte, ist: Ist Jesus Christus der
Pilot, der sein Leben für mich geopfert hat? Bin ich deshalb hier? Glaube
ich wirklich, dass ich seinem Leiden und Auferstehn mein Leben verdanke?Liebe
Schwestern und Brüder, ich feiere einmal im Monat im Anschluß an
die Jugendkatechese in Dülmen eine heilige Messe. Die Jugendlichen, die
dort dabei sein, schwärmen von den schönen Gottesdiensten. Tatsächlich
unterscheidet er sich in nichts, aber auch gar nichts von den Gottesdiensten
hier - außer dass die Jugendlichen dort nicht nur anwesend, sondern
Mitfeiernde sind. Wer beten kann und dies gerne tut, wird sich in keinem Gottesdienst
langweilen.Aber unser Vergleich mit dem Gedenken an den selbstlosen Piloten
reicht nicht ganz. Denn wir gedenken nicht nur des Kreuzestodes Jesu. Auf
geheimnisvolle Weise geschieht in jeder Messe diese Erlösung, die Rettung
vor dem Tod. Nicht die Predigt und auch nicht die Kommunion ist der Mittelpunkt
der Eucharistie, sondern das Erleben der Erlösung, das Opfer, das Jesus
bringt, um uns zu retten. Es ist so, dass in jeder Messe der Pilot das abstürzende
Flugzeug an uns vorbeilenkt, während wir jeden Tag durch unser Leben
wieder neu auf Kollisionskurs gehen. Wir brauchen die regelmäßige
Eucharistiefeier zum Leben.
Nun ist es nicht einfach, zu glauben, dass wir unser Leben tatsächlich
Jesu' Opfer verdanken. Noch schwerer fällt es vielen (und gelegentlich
auch mir), die Erhaltung meines Lebens in einer knapp einstündigen Feier
zu erkennen. Vielleicht spüren Sie davon nichts, vielleicht können
sie das auch nicht so recht verstehen, nicht begreifen, wie das gehen soll.
Das muß auch nicht unbedingt sein. Versuchen Sie es lediglich zu glauben,
das kann schon schwer genug sein.Die zweite und entscheidende Frage ist also:
Möchte ich das glauben? Wenn ja, o Herr, hilf meinem Unglauben!
Das Wesen der Messe ist Jesu Opfer; nicht unser Tun. Deshalb nennen wir jede
Eucharistiefeier «Sakrament». Wir danken, bitten, loben und feiern
Jesus, aber das Eigentliche tut Er. Es ist nicht nur ein «Gedenken»
an Jesu Tod, das wir so gestalten können, wie wir wollen, sondern ein
Handeln Gottes, das uns immer wieder unter dem Einsatz seines Lebens von den
fatalen Konsequenzen unseres eigenen Tuns befreit.Soviel zunächst zum
Einstieg in die Predigtreihe. Vielleicht denken Sie jetzt: Na, wenn die Predigtreihe
so weiter geht, dann komme ich erst Ostern wieder. Aber glauben Sie mir: Ohne
dieses Zentrum, das Opfer Jesu, ist alles, was ich Ihnen demnächst sagen
werde, sinnlos. Genauso wie es mein ganzes Leben wäre.
Amen.
2. Predigt - Von Teilnehmerbeiträgen, Liturgieträgern
und Eingeladenen
Gott feiert, wir sind eingeladen
Liebe Schwestern und Brüder, in der kleinen Predigtreihe zur Eucharistiefeier,
mit der ich am vergangenen Sonntag begonnen habe, möchte ich mich heute
mit dem Beginn des Gottesdienstes beschäftigen.
Da ist zunächst die interessante Frage zu klären, wer eigentlich
den Gottesdienst feiert. «Ist doch klar!» werden sie sagen, «die
Gemeinde feiert den Gottesdienst, also wir!» Aber so eindeutig ist das
gar nicht. Es noch kein halbes Jahrhundert her, da hätten Sie einen anderen
Eindruck gehabt, wenn Sie die heilige Messe besucht hätten: Da konnte
man glauben, es sei allein der Priester, der die Messe feiert. Die Gemeinde
hat dann lediglich den Gottesdienst besucht, sie war aber nicht wirklich nötig.
Der Priester feierte den Gottesdienst für die Gemeinde, nicht notwendigerweise
mit der Gemeinde.
Nun ist allerdings weder das eine noch das andere richtig: Nicht die Gemeinde
und auch nicht der Priester sind Veranstalter, sondern Gott. Er feiert diese
Messe. Deshalb sprechen wir auch manchmal von «göttlicher Liturgie».
Gott trägt das Geschehen, er feiert.
Allerdings bleibt Gott bei dieser Feier nicht für sich. Er lädt
uns ein, mitzufeiern. (Das tun wir ja auch, wenn es etwas zu feiern gibt:
Bei einer Hochzeit feiern eigentlich nur zwei, alle anderen sind eingeladen,
von ganzem Herzen mitzufeiern.) So heißt es in einem Lied ja auch: «Christus
lädt uns alle ein, wir sind seine Gäste.» Diese Einladung
haben wir erhalten, als wir getauft wurden. Seitdem gehören wir zu Familie,
sind Kinder Gottes. Deshalb beginnen wir jeden Gottesdienst mit dem Weihwasser,
das wir an der Kirchentüre nehmen, mit dem Kreuzzeichen am Anfang der
Messe und - wie heute am Fest der Taufe des Herrn - mit dem Besprengen durch
das Taufwasser.
Wir können diesen Gottesdienst nur mitfeiern, und das auch nur, weil
Gott mit uns ist. Das wünsche ich Ihnen übrigens zu Beginn jeder
Messe, in dem ich sage: «Der Herr sei mit Euch!» Sonst ginge der
ganze Gottesdienst vollkommen an Ihnen vorbei. Wäre Gott nicht in Ihren
Herzen, hätten Sie nichts zu feiern. Und Sie, liebe Schwestern und Brüder,
wünschen mir freundlicherweise genau das Gleiche. Im Englischen oder
auch im Holländischen heißt es: «Der Herr sei mit Euch! -
Und auch mit dir!» Das deutsche «und mit deinem Geiste»
meint da nichts anderes.
Ein weiteres Zeichen dafür, dass Gott der Gastgeber ist, ist das Kyrie,
das «Herr, erbarme dich». Das Kyrie ist kein Schuldbekenntnis,
sondern eine Folge von Hochrufen. Wenn der König in der Antike in eine
Stadt einzog, lief vor ihm der Hofmarschall, der die Großtaten des Königs
verkündete. Und auf jede Tat, die dort genannt wird, antwortet das Volk,
das an den Straßenrändern steht, mit «Kyrie eleison! - Herr,
erbarme dich!» Wir beginnen also den Gottesdienst wie die Bewohner einer
Stadt, die ihren König begrüßen, der bei ihnen einzieht.
Liebe Schwestern und Brüder, nicht wir sind es also, die feiern. Oder,
wie es im Fachjargon heißt, nicht die Gemeinde ist Träger der Liturgie,
und auch nicht der Priester. Gott vollzieht das Geschehen, von dem ich in
der letzten Woche gesprochen habe, und wir dürfen daran teilhaben. Dieses
Liturgieverständnis ist einmalig unter den Religionen dieser Welt und
auch einmalig innerhalb der christlichen Konfessionen. Der Gottesdienst an
sich hat seinen Wert, der nicht von meiner Beteiligung abhängt. Ich muß
mich nicht immer wieder krampfhaft zur Andacht zwingen, ich darf auch meinen
eigenen Gebetsanliegen nachhängen. Ich muß nicht jeden Gedanken,
der geäußert wird, verstehen. Soweit wie ich vermag, darf ich teilnehmen
an der göttlichen Liturgie; was mir allerdings nicht möglich ist,
brauch ich auch nicht zu tun. Davon hängt diese Feier nicht ab.
Hier vorne geschieht ohne unser Zutun das, wovon unser Heil abhängt.
Wir sind eingeladen, daran teilzunehmen. Gott freut sich über jede innere
Beteiligung, und seien es nur Augenblicke.
Es gibt allerdings solche Augenblicke, in denen das Geschehen hier vorne
kurze Zeit aussetzt und Sie zu besonderer Aktivität auffordert. Im Laufe
des Gottesdienstes werden Sie des öfteren eingeladen, zu beten. «Lasset
uns beten» sagt der Priester - und dann sagt er erst einmal nichts mehr.
In der nachfolgenden Stille, die leider immer viel zu kurz ist, kann und darf
jeder mit seinem eigenen Gebet zu Gott kommen. Einige verstehen diese Stille
als eine Panne im sonst reibungslosen Ablauf des Gottesdienstes. «Wann
geht es endlich weiter?» Dabei ist jede Stille ein Raum, den Sie selbst
füllen können. Erst im Anschluß daran faßt der Priester
mit dem Tagesgebet (der «Collectio», d.h. Zusammenfassung), dem
Gabengebet oder dem Schlußgebet Ihre Gebete zusammen.
Das, was von Ihnen tatsächlich abhängt, geschieht in der Stille.
Dort, wo Sie, die Gemeinde, zu höchster Aktivität aufgefordert wird,
geschieht nichts Sichtbares. Das soll uns aber nicht stören, denn damit
erhalten wir uns selbst in dem richtigen Verständnis von dem, was wir
feiern: Nämlich Gottes Tun.
Amen.
3. Predigt - Von Hitler auf dem Obersalzberg
Vom Gloria und der unverratenen Anbetung
Liebe Schwestern und Brüder, kennen Sie das Gloria? Meistens wird es
bei uns im Gottesdienst nur als Lied gesungen, den jahrtausendalten Text,
der den Gloria-Liedern zugrunde liegt, kennen heute nicht mehr viele; noch
weniger kennen ihn auswendig. Vielleicht liegt es daran, dass im Gloria nicht
von uns die Rede ist; von unseren Nöten, Bitten und Wünschen. Das
Gloria handelt allein von Gott., und von seiner Anbetung. Das ist natürlich
etwas langweilig.
- - - -
Adolf Hitler hatte seinen Landsitz auf dem Obersalzberg im Laufe der Jahre
zu einer Art "Tempel" eingerichtet. Normalerweise war der gesamte
Obersalzberg hermetisch abgeriegelt, wie ein "heiliger Bezirk,"
nur dem Führer und seinen Getreuen zugänglich. Aber zu bestimmten
Zeiten durfte dann das gläubige Hitler-Volk in den inneren Bereich, um
den Führer aus nächster Nähe zu erleben und ihm zu huldigen.
Waren den Pilgern sonst nur Blicke aus größerer Entfernung auf
diese kleine Heilsfigur möglich, so konnten an solchen Festtagen einige
Auserwählte sogar zum Händeschütteln zugelassen werden.
Wahrscheinlich war dieser Ritus auch mit Musik, Schmuck, Fahnen und feinster
Ausstattung geziert, so dass das fromme Nazi-Herze regelrecht in Verzückung
geraten konnte. Der kleine Adolf ließ sich großartig zum Mythos
erheben.
In der Nähe des Obersalzbergs, außerhalb dieser Kultstätte,
gab es eine kleine Kapelle, an der sich jeden Sonntag die Gemeinde der Salzbergbauern
versammelt und ihren Gottesdienst feierte. Der Pfarrer, der damals regelmäßig
zum Gottesdienst in diese kleine Kirche kam, berichtete vor einiger Zeit,
dass das Gloria, dass die Kirche seit 2000 Jahren betete, eine geradezu programmatische
Aussage bekam.
"Wir loben Dich. Wir preisen Dich. Wir beten Dich an. Wir rühmen
Dich und danken Dir, denn groß ist Deine Herrlichkeit. Herr und Gott,
König des Himmels, Herrscher über das All... Du allein bist der
Heilige, Du allein der Herr, du allein der Höchste, Jesus Christus mit
dem Heiligen Geist zu Ehre Gottes des Vaters."
Liebe Schwestern und Brüder, in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts
kam es in Mode, so genannte "politische Gottesdienste" abzuhalten,
und auch heute fragen viele, wenn sie einen Gottesdienst vorbereiten wollen
(oder sollen): "Was für ein Thema nehmen wir?" Dabei ist der
Gottesdienst gerade in seiner Ausrichtung auf Gott hoch politisch, Thema genug.
Wenn wir nur begreifen würden, was wir beten!
Vielleicht haben einige Christen in der frühen Hitler-Zeit nicht die
Große Gefahr gemerkt, die sich da zusammenbraute. Wer aber im Angesicht
der Hitler-Verehrung Gottesdienst gefeiert hat und mit Herz und Verstand für
die Texte der Messe aufgeschlossen war, dem sind vielleicht die Augen früher
aufgegangen als anderen.
So kann auch für uns Gottesdienst keine Weltflucht sein. Wer Gottesdienst
feiert, mit Sinn und Verstand, mit Herz und Seele; wer sich Zeit nimmt für
die Anbetung Gottes (kleiner Wink mit dem Zaunpfahl: Heute nachmittag ist
dazu Gelegenheit), der ist wachsamer und sehender. Und vielleicht auch mutiger,
an dieser Gesellschaft und ihren Kurs mitzuarbeiten.
Gottesdienst und Anbetung, liebe Schwestern und Brüder, sind unabdingbare
Folgen, um diese Welt zu verändern. Das zeigt uns ein Blick in die Geschichte.
Große Veränderungen gingen oft genug von großen Christen
und Betern aus.
Natürlich haben auch Männer und Frauen, die weder Gottesdienst
gefeiert noch gebetet haben, diese Welt verändert. Aber bei den meisten
wünschen wir uns heute, sie hätten es lieber nicht getan.
Amen.
4. Predigt - Von Wörtern, Worten und Botschaften
Zuhören können
Liebe Schwestern und Brüder, ob Sie die Eucharistiefeier bewußt
mitfeiern und ob damit der Gottesdienst für sie interessant oder langweilig
erscheint, hängt in einem hohen Maße davon ab, wieviel Gebetsanliegen
Sie in den Gottesdienst mitbringen. Lob und Dank, Bitte und Fürbitte,
ihre eigenen Anliegen oder die Sorgen anderer Menschen - alles hat seinen
Dreh- und Angelpunkt in der Messe.
Wenn Sie mit einer anderen Person ins Gespräch kommen wollen, dann müssen
Sie auch selbst die Initiative ergreifen. Der feste Vorsatz, aufmerksam zu
sein, nützt wenig zum Gespräch, wenn Sie kein einziges Wort sagen.
Und die Beschwerde, das Gespräch hätte Ihnen nichts gebracht, ist
nur dann berechtigt, wenn sie auch selbst den Mund aufgemacht haben.
Somit gestaltet sich gerade der Beginn eines Gottesdienstes als ein höchst
aktiver Teil: Wir wünschen uns die Nähe des Herrn; stimmen uns auf
die Begegnung mit Gott ein; bitten Gott und die Mitchristen um Verzeihung;
freuen uns über die Schönheit und Größe Gottes und loben
Ihn deswegen; und wir bringen unsere Anliegen, unsere Befindlichkeit vor Ihm
- und das alles schon in den ersten sieben Minuten. Fast so, wie auch in einem
alltäglichen Gespräch. Dann aber wird es Zeit, sich zu setzen und
einander zuzuhören.
Denn nicht nur wir haben etwas mitgebracht. Auch Gott möchte uns etwas
sagen. Dass Gott zu den Menschen spricht, ist keine Neuigkeit. Das hat er
schon immer getan, bis auf den heutigen Tag. Warum sollte er gerade bei Ihnen
eine Ausnahme machen?
Gott zuzuhören ist ganz einfach. Er überläßt uns sogar
die Art und Weise, wie wir ihm zuhören wollen.
Vielleicht haben Sie eine ganz bestimmte Frage, ein Problem, auf das Sie
eine Antwort möchten. Hören Sie gut hin, welche Antwort Gott Ihnen
gibt - in den Texten, aber vielleicht auch in den Liedern, die wir singen.
Wir sollten vor allem den Lesungen und dem Evangelium Aufmerksamkeit schenken.
Dort hat Gott schon einmal zu den Menschen gesprochen; er hat auch damals
schon uns mit dem gemeint, was er gesagt und getan hat.
Vielleicht fällt Ihnen ein bestimmter Satz auf, eine besondere Person,
ein interessanter Sachverhalt - dann lassen Sie sich ruhig von diesem kleinen
Teil anregen.
Oder Sie versuchen, sich die Situation der Lesungen im Ganzen vorzustellen:
Wie sah die Landschaft aus? Wie waren die Menschen, die genannt wurden? Lassen
Sie ihre Phantasie spielen und seien sie nicht überrascht, wenn darin
plötzlich Gott auftaucht - oder zumindest die Antwort, um die Sie Gott
gebeten haben.
Oder Sie warten auf die Predigt. Rechnen Sie nicht mit guter Unterhaltung.
Warten Sie auf einen Gedanken, der ihnen weiterhilft. Seien Sie aber auch
nicht zu voreingenommen: Manchmal passen die Antworten, die Gott Ihnen gibt,
wie die Faust aufs Auge. Aber Hauptsache, sie passen. Rechnen Sie nicht immer
mit Streicheleinheiten.
Und erwarten Sie keinen Geistesblitz. Wie der kleine Samuel in der Lesung
erfahren hat, kann Gottes Wort so einfach und banal wirken, dass wir gar nicht
auf den Gedanken kommen, dass es Gott ist, der da zu uns redet.
Alles in allem ist Zuhören etwas Aktives. Sich zurückzulehnen und
auf die Bedienung zu warten, wird nicht sehr vielversprechend sein. Dennoch
kann es Ihnen passieren, dass Sie wirklich in einen inneren Gesprächsverlauf
hineingezogen werden, der Ihnen das Heft aus der Hand nimmt. Damit müssen
Sie rechnen.
Ob Gott Ihnen etwas zu sagen hat, liebe Schwestern und Brüder, ist keine
Frage. Er versucht ja ständig, Sie zu erreichen; und obwohl meistens
besetzt ist, gibt er nicht auf.
Sie kommen Gott allerdings ein ganzes Stück entgegen, wenn Sie ihm ein
deutliches: «Gesprächsbereit!» signalisieren.
Erwarten Sie aber nicht zuviel von sich selbst: Schon im Alltag spüren
wir immer wieder, dass gutes Zuhören und echte Aufmerksamkeit gut geübt
sein will.
Amen.
5. Predigt - Vom Credo und dem Urlaub in der Karibik
Das Wort Gottes feiern und das Credo beten
Liebe Schwestern und Brüder, In der kleinen Predigtreihe zur Eucharistiefeier
sind wir inzwischen beim Evangelium angelangt, dem Zentrum des Wortgottesdienstes.
Worte werden im Gottesdienst viele gemacht, aber nicht alle haben den gleichen
Rang. Das ist genauso wie in unserem alltäglich Leben: Da gibt es das
geschriebene Wort in Form von Zeitungsmeldungen, Gebrauchsanweisungen oder
Liebesbriefen. Dass diese Worte eine vollkommen unterschiedliche Bedeutung
haben, zeigt sich darin, dass wir kaum auf den Gedanken kommen, unsere gesammelten
Gebrauchsanweisungen mit einer rosa Schleife jahrzehntelang aufzubewahren.
Und normalerweise gehen unsere Zeitungen schon am nächsten Tag auf den
Müll.
So ein Liebesbrief dagegen wird in Ehren gehalten. Dabei sind wir uns einig,
dass die Qualität der Texte nebensächlich ist - dass sie geschrieben
worden sind - aus Liebe -, beglückt uns. Sie ab und zu noch einmal zu
lesen, erinnert uns an die Zeit der großen Liebe und hält die Liebe
lebendig - trotz Rechtschreibfehler oder Schwächen im Ausdruck. Wer solche
Briefe liest oder schreibt, darf kein Lehrer sein. Er sollte verliebt sein.
(Oder zumindest ein verliebter Lehrer.)
Liebe Schwestern und Brüder, das Evangelium ist mehr als nur ein Bericht.
Es geht - wie im Liebesbrief - nicht nur um das Verstehen des Textes, nicht
nur um historische Informationen oder den Textinhalt. Der Gottesdienst ist
ja nicht in erster Linie eine Lehrveranstaltung, so wie in der evangelischen
Kirche. Dass der Pfarrer dort die Kleidung der Professoren trägt (schwarz
mit weißen Kragenbändern), zeigt, dass er nicht Priester, sondern
Lehrer ist.
Wir dagegen feiern das Wort Gottes, zelebrieren es wie einen Liebesbrief.
Allein die Tatsache, dass Gott zu uns gesprochen hat, ist ein Glücksfall
für die Menschheit. Mir ist es schon passiert, dass ich wenige Minuten
nach dem Evangelium schon vergessen hatte, was der Inhalt gewesen ist. Vielleicht
kennen Sie das auch (zu Probe: Was war das heutige Evangelium?). Das ist zwar
peinlich, aber wenn das Gefühl bleibt: «Da hat Gott gesprochen,
ist das nicht herrlich?» - dann soll das auch genügen.
Es kommt also nicht unbedingt auf die Botschaft Gottes an - von der ich in
der letzten Woche gesprochen habe. Es kann sehr anstrengend sein, im Gottesdienst
immer wieder von Gott angesprochen zu werden. Darüber sollten wir nicht
vergessen, Gott und Sein Wort einfach zu feiern, darin zu schwelgen wie in
einem Liebesbrief. Einfach nur beglückt zu sein, dass Gott uns so sehr
geliebt hat, dass er uns seinen eigenen Sohn gesandt hat, der uns vom Vater
erzählen konnte. Deshalb heißt es ja auch am Ende: «Evangelium
unseres Herrn Jesus Christus - Lob sei Dir Christus!»
Ähnliches gilt übrigens für das Glaubensbekenntnis, dass wir
im Anschluß an die Predigt sprechen. Es handelt sich dabei nicht um
ein Parteiprogramm, nicht um eine Verfassung - sondern um ein Gebet. Im Credo
komme ich allerdings persönlich nicht vor, dort sind keine Bitten formuliert,
kein Dank, kein Lob. Manche meinen deshalb, dass das kein Gebet sein kann,
sondern nur eine Aneinanderreihung von Sätzen und Dogmen. Eben ein Programm.
Liebe Schwestern und Brüder, es gibt keine bessere Erholung, keinen
besseren Urlaub, als einmal von sich selbst Abstand zu nehmen. Deswegen fahren
wir ja auch weg, wenn wir Urlaub haben wollen. Nicht im eigenen Saft zu schwimmen,
an seine eigenen Probleme und Sorgen zu denken, unserem eigenen Alltagstrott
zu entfliehen: Dafür können Sie entweder in die Karibik fliegen
- oder das Credo beten. Beim Gebet des Glaubensbekenntnis' sind sie auch weit
weg: Bei Gott. Ich halte mich gedanklich schlicht bei Gott auf, bei dem, was
er für uns getan hat. Und, das dürfen Sie mir glauben, da ist es
schöner als in der Karibik.
Amen.
6. Predigt - Hinweis zum Auffinden von Urchristen
In Fürbitte, Gabenbereitung und Kollekte geben wir
Liebe Schwestern und Brüder, Wenn wir bitten, in unserem Alltag, zum
Beispiel Behörden, Nachbarn oder Bekannte, dann haben unser Bitten fast
immer etwas gemeinsam: Wir informieren darüber, dass wir etwas brauchen.
Auch Kinder sagen ungern: «Kann ich etwas zu trinken haben?» Sondern
eher: «Ich habe Durst.» Das Wort Bitte kommt uns zwar noch leicht
über die Lippen (wenn wir gut erzogen sind); ein echte Bitte aber, in
der ich jemandem eingestehe, dass ich auf ihn angewiesen bin, fällt uns
äußerst schwer.
Es ist leichter, jemanden zu informieren, als ihn wirklich zu bitten. Wer
bittet, der bekennt, dass er abhängig ist; der gibt ein Stück seiner
Freiheit ab, weil er nun die Entscheidung über seine Not einem anderen
überläßt.
Liebe Schwestern und Brüder, wir können Gott nicht bitten, indem
wir ihn lediglich über unsere Bedürfnisse und Nöte informieren.
Das ist so überflüssig wie sonst etwas. «Euer himmlischer
Vater weiß, dass ihr das alles nötig habt», sagt Jesus selbst.
Wenn wir Gott bitten, dann bedeutet das, dass wir nun ihm die Entscheidung
darüber überlassen, wie es weitergehen soll. Bitten heißt
abgeben, sich frei machen; unsere Bitten nun in Gottes Hände zu wissen.
«Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles nötig habt.
Euch aber soll es um das Reich Gottes gehen!» Wir sollen Gott um die
Dinge bitten, die wir nicht selbst in den Händen halten, sie ihm abgeben,
damit wir uns dann den Dingen zuwenden können, die Gott wiederum uns
überläßt. Einen Wunschzettel zu schreiben macht nur einen
Sinn, wenn ich ihn auch abgebe. Und dann habe ich meine Wünsche nicht
mehr in der Hand.
Liebe Schwestern und Brüder, die Fürbitten zwischen dem Wortgottesdienst
und dem Opfergottesdienst sind relativ neu. Sie wurden vom Konzil eingeführt
als «Gebet des Volkes», als eine Gelegenheit, zwischen den beiden
Blöcken der festgelegten, heiligen Liturgie, frei unseren eigenen Gebeten
Ausdruck zu verleihen. Es muß nicht immer das Bittgebet sein. Wir könnten
auch danken oder loben. Es ist der Teil des Gottesdienstes, der ausdrücklich
der Gemeinde zur Verfügung steht. Gerade am Sonntag sind Lesungen und
Eucharistie an die kirchliche Liturgie gebunden, da kann man nicht einfach
alles Mögliche (oder Unmögliche) ändern. Das Gebet des Volkes
aber steht zur freien Gestaltung.
Dennoch haben wir uns angewöhnt, dort unsere Bitten zu formulieren.
Das liegt vermutlich daran, dass Fürbitten und Gabenbereitung ein und
dieselbe Bewegung darstellen: Wir geben. Im Bitten verzichten wir auf die
eigene Wunscherfüllung und legen unsere Nöte in Gottes Hände.
Bei der Gabenbereitung geben wir neben Brot und Wein auch alles, was wir in
der Woche getan haben. Wir geben unsere ganzen guten Werke und überlassen
es Gott, daraus Ewiges zu wirken. Wir geben all unsere Schwächen ab,
Stück für Stück, und überlassen es Gott, daraus doch noch
Gutes entstehen zu lassen. Wir befreien uns vom eigenen Stolz über unsere
Erfolge und von drückenden Selbstvorwürfen über unser Versagen
- und befreien uns davon, indem wir geben. Alles soll Gott gehören. Alles
legen wir zusammen mit den Gaben auf den Altar und vertrauen Gott, dass er
es wandelt.
Auch die Kollekte gehört in diesen Zusammenhang. Scheinbar eine Nebensache,
sammeln wir nicht nur aus praktischen Gründen. Es geht vor allem darum,
mit Seele und Leib zu geben - nicht nur mit dem Gebet, sondern auch mit dem
Portemonaie.
Vielleicht denken Sie bei der Kollekte an das, was Sie noch mit dem Geld
machen könnten, wenn Sie es nicht abgeben würden. Nachdem Sie gegeben
haben, brauchen Sie sich darüber keine Gedanken mehr zu machen. Wer gibt,
befreit sich.
Die Kollekte, liebe Schwestern und Brüder, diente viele Jahrhunderte
dazu, einen gerechten Ausgleich innerhalb der Gemeinde zu schaffen. Die, die
etwas übrig hatten, gaben Geld - oder eigentlich Lebensmittel - bei der
Gabenbereitung zum Altar, und die, die nicht genug hatten, haben sich dann
davon genommen. Falls Sie also einmal jemanden entdecken, der sich Geld aus
dem Kollektenkörbchen nimmt (anstatt etwas hineinzugeben), haben Sie
vermutlich einen frühen Urchristen entdeckt.
So oder so - der Gottesdienst, in dem Gott uns beschenken möchte, gibt
uns auch Gelegenheit, Ihm zu geben. Und wenn alles, was wir geben, bei Gott
in guten Händen ist - dann geben wir am besten alles, was wir haben,
alles was wir sind, - am besten uns selbst.
Amen.
7. Predigt - Von Orgelbühnen und Riesenrädern
Die Erhebung der Herzen: Auf zu Gott!
Liebe Schwestern und Brüder, meine Predigteihe zur Eucharistiefeiern
habe ich immer «kleine Predigtreihe» genannt. Wenn ich jetzt aber
alle Gesten, Worte und Riten, die von der Gabenbereitung bis zum Schluß
der Messe den Reichtum der Liturgie ausmachen, einzelnd erklären möchte,
wäre ich nächstes Jahr noch beschäftigt. Der Reichtum unserer
Liturgie könnte ganze Bücher füllen (und tut es ja auch gelegentlich).
Ich gestatte mir deshalb, Ihnen nur eine kleine Auswahl vorzustellen, um die
großen Bögen herauszustellen.
Liebe Schwestern und Brüder, es kommt manchmal vor, dass sich unsere
Sorgen und Beschäftigungen gegen uns verschwören. Plötzlich
sind wir umzingelt von allen möglichen Fallen, Fettnäpfchen und
Mißverständnissen. Die Dinge scheinen sich gegen uns verschworen
zu haben und umringen uns wie ein Bienenschwarm. Die Ausgänge aus diesem
Schlamassel sind verstellt, und die Umstände beginnen, den Strick langsam
zuzuziehen. Weder nach links oder nach rechts sehen wir noch einen Ausweg.
Egal, was wir tun, es macht alles nur noch schlimmer.
Vielleicht kennen Sie solche Situationen, vielleicht haben Sie gerade eine
solche erlebt. Schlechte Voraussetzungen, so könnte man meinen, um ausgerechnet
jetzt Gottesdienst zu feiern.
Und wären wir das Schuldbekenntnis sprechen, auf Gottes Wort hören
und Ihm unsere Bitten anvertrauen, mögen uns diese Gedanken an das Erlebte
noch weiter bedrängen. Aber dann heißt es, wie eine Erlösungsformel:
«Der Herr sei mit Euch: Erhebet die Herzen!»
In London ist gerade das größte Riesenrad der Welt eröffnet
worden. Der Reiz eines solchen Gerätes liegt in der «Erhebung der
Herzen»: Alles, was vorher so groß und bedeutend aussah, wird
durch diese geänderte Perspektive plötzlich wieder zurechtgerückt.
Die Relationen stimmen wieder, wir gelangen wieder zu einen Überblick,
den wir vielleicht vorher verloren haben.
Wer sich erhebt, der flieht nicht vor den Problemen, er nimmt sie immer noch
wahr. Aber er kann sie besser einordnen und ihre wahre Bedeutung erkennen.
Die Gabenbereitung, das anschließende Gebet und das Heilig sind befreiende
Gebete: Wer weder nach links oder nach rechts, weder nach vorne noch nach
hinten einen Ausweg sieht, der kann sich nun erheben. Über die alltäglichen
Sorgen, auf zu Gott! Heraus aus den immer wieder kreisenden Gedanken, den
Strudel der Überlegungen: Auf zu Gott!
Die Gaben, die wir bringen, sind ein Symbol für unsere Sorgen und Anliegen,
so habe ich letzten Sonntag gepredigt. Nun werden die Gaben erhoben, vom Priester
erhoben und mit Gebeten für Gott bestimmt. Selbst wir erheben uns, und
zu diesen äußeren Bewegungen kommt die innere Bewegung der erhobenen,
vom Alltagsstreß befreiten Herzen. Und auch das Gebet erhebt sich: Während
wir noch im Gabengebet unsere Bitten auf die Patene legen, wird in dem folgenden
Gebet (der Präfation) nur noch Gott und sein Wirken im Sohn und Heiligen
Geist gepriesen - bis im Heilig-Lied sogar die Worte selbst aus dem Mund der
Engel stammen: «Hosanna in der Höhe!» Wie ein Auf-atmen beginnt
nun der Teil der Messe, der uns befreit und erlöst - wenn wir uns erlösen
lassen wollen. Wenn wir bereit sind, Abstand zu nehmen, von dem, was uns herabzieht,
weil es zu schwer an uns haftet.
Liebe Schwestern und Brüder, unser Alltag unterscheidet sich vom Sonntag
nicht durch die Nähe Gottes, sondern dadurch, wer sich wem nähert:
Während durch die Woche Gott sich herabläßt, sich klein macht
und uns auch im Alltag nahe ist, machen wir uns am Sonntag die Freude, uns
zu Gott zu erheben. Beides führt zur gleichen Nähe Gottes; nur im
Alltag übersehen wir den zarten Gott oft durch die vielen Kleinigkeiten;
am Sonntag räumen wir den Blick frei für den herrlichen Gott, indem
wir uns aus den Verstrickungen des Alltags erheben. Vielleicht ist deshalb
auch der Platz auf der Orgelbühne so beliebt.
Hochamt, Hochgebet, ja, sogar das Wort Hochzeit zeigen, wohin es geht: Auf
zu Gott.
Amen.
8. Predigt - Vom Mahlhalten, Sattwerden und der Gemütlichkeit
Die Eucharistie als «Wegzehrung»
Liebe Schwestern und Brüder, die Eucharistiefeier, das Zentrum unseres
Glaubens, ist auch das Zentrum unserer Gemeinde. Hier treffen wir uns alle
- ob jung oder alt, ob engagiert oder distanziert, ob modern oder eher altmodisch.
Hier kommen wir zusammen, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern und Mahl zu
halten. Wir sind geladen an den Tisch des Herrn.
Nun ist es aber kein Geheimnis, dass das gemeinsame Essen nur ein sehr dürftiges
Zeichen ist: Allzuviel zu essen gibt es im Gottesdienst nicht, vom Trinken
ganz zu schweigen. Und gemeinsam tun wir es auch nicht: Alles geht hier schön
nach der Reihe. Wir stehen eher wie im Supermarkt Schlange.
Das stört vielleicht. Viele, die einen Gottesdienst vorbereiten, sind
bemüht, den Gedanken des gemeinsamen Essens, des Mahl-haltens, deutlicher
herauszuheben. Aber das stößt an seine Grenzen: Was wir hier im
Gottesdienst feiern, kann nicht an ein wirklich gemütliches Essen (beispielsweise
nebenan im Hotel Theissen) herankommen. Und ein Schnitzel mit Pommes macht
allemal eher satt als ein kleines Stückchen Brot, dem sogar noch die
Hefe fehlt.
Um dem abzuhelfen, werden hier und da Tischmessen angeboten; in kleineren
Gruppen werden manchmal zur Eucharistiefeier richtige, selbstgebackene Brote
genommen; der Tisch wird festlich gedeckt - man tut alles, um den Mahlcharakter
in den Vordergrund zu stellen und ihm gerecht zu werden.
So gutgemeint, wie diese Versuche allerdings sind: Der Mahlcharakter steht
absichtlich nicht im Vordergrund; ganz bewußt hat dieser Gottesdienst
nur nebenbei Ähnlichkeit mit einem Mahl.
Der Ursprung unseres Gottesdienstes geht ja auf das Paschamahl zurück,
kurz vor dem Auszug aus Ägypten. Da ist keine Rede von einem gemütlichem
Beisammensein: Stehend soll gegessen werden, den Mantel und Gürtel bereits
angelegt. Hastig soll gegessen werden, denn der Aufbruch ins gelobte Land
steht kurz bevor. Man sitzt nicht im Kreis: Alle sollen zur Tür hin stehen,
hintereinander, nebeneinander, denn es ist der Vorübergang des Herrn.
Was verzehrt wird, ist ungesäuertes Brot; es war keine Zeit, die Hefe
gehen zu lassen, man ist schon unterwegs.
All dieses zerstört zwar den Mahlcharakter, ist aber wesentliches Element
unserer Eucharistiefeier: Wir sind unterwegs, unser Gottesdienst dient der
Stärkung auf unserer Lebensreise. Das wirklich gemütliche Mahl mit
reich gedecktem Tisch erwartet uns im Himmel - hier müssen wir uns mit
dem dürftigen Brot zufrieden gegeben. Wir sind kein in sich abgeschlossener
Kreis, der sich um den Tisch versammelt; wir sind ein Pilgerzug auf dem Weg
ins gelobte Land - wie die Israeliten. Wir sind eben noch nicht angekommen.
Dass wir zu Kommunion gehen, einer nach dem anderen, dass das Essen selber
nur einen kurzen Augenblick dauert; dass dabei von Gemütlichkeit gar
nicht die Rede sein kann; dass das Brot, das uns gereicht wird, nur den Geist
und die Seele stärkt, den Körper aber kaum satt macht - all das
ist viel wichtiger und ursprünglicher als die Form des Festmahles mit
reich gedecktem Tisch.
Und dass die Gemeinschaft, die wir erfahren, nicht in erster Linie in der
Tischgemeinschaft, sondern in der Weggemeinschaft zum Ausdruck kommt, ist
ebenso wichtig, für die heutige Zeit vielleicht sogar noch wichtiger:
Denn noch sind wir nicht am Ziel unseres Lebens. Wir müssen uns immer
wieder daran erinnern und auch erinnern lassen, dass wir uns hier nicht zu
dauerhaft einrichten. Unsere Heimat ist im Himmel.
Deswegen hat Jesus nicht die Agapafeier, das gemütlich Ritual der Tischgemeinschaft
(mit den Sündern und Zöllnern), sondern das hastige und ungemütliche
Paschahmahl als Form für sein Andenken gewählt.
Amen.
9. Predigt: Von der Stille und davon, dass Gott kein
Mikrofon braucht
Gottes Gegenwart geniessen
Liebe Schwestern und Brüder, es gibt verschiedene Arten von Stille.
Ein Fernseher, der seinen Geist aufgegeben hat (soweit vorhanden), ist einfach
nur still und geistlos - manchmal genauso wie diejenigen, die noch immer davor
sitzen und nicht merken, dass der Fernseher gar nicht mehr läuft. Aber
der Fernseher, der nun schweigt, will uns damit nichts sagen.
Anders ist es zwischen zwei Menschen, die sich nichts mehr zu sagen haben.
Die beiden können eine sehr peinliche Stille verbreiten - weil das Gespräch,
das beide führen möchten, fehlt. Eine solche Stille ist unangenehm,
weil sie unerfüllt ist - es fehlt etwas. Beide sind zwar da, aber nicht
mehr füreinander.
Wiederum anders ist die Stille zwischen zwei Menschen, die sich nichts mehr
zu sagen brauchen, die ohne Worte auskommen. Zwei Verliebte beispielsweise,
denen es genügt, einander in die Augen zu schauen. Jedes Wort wäre
überflüssig und störend. Diese Stille ist zutiefst erfüllt,
randvoll. Die beiden, die jeweils in den Augen des anderen lesen können,
sind sich so gegenwärtig, dass sie keine Worte mehr machen brauchen.
Sie genießen einfach nur die Nähe des Anderen.
Liebe Schwestern und Bürder, auf unserem Gang durch die Eucharistiefeier
sind wir inzwischen beim Hochgebet angekommen. Wenn wir uns die ganze Messe
bisher vor Augen halten, stellen wir fest, dass wir im Laufe des Gottesdienstes
zunehmend stiller werden. Die anfängliche innere Aktivität beruhigt
sich und wendet sich ganz Gott zu. Es werden immer weniger Worte gemacht,
weil Gottes Gegenwart immer deutlicher wird.
Das Geschehen der Eucharistie beginnt, in Gottes Hände überzugehen.
Nicht mehr wir danken; Jesus beginnt, dem Vater zu danken. Spätestens
beim Hochgebet - auch Kanon genannt - gehen uns die Worte aus, es wird still
in der Kirche, während Jesus für uns das Opfer seines Lebens vollzieht.
Ein doppeltes Wunder kündet sich an: Brot und Wein verwandeln sich vollkommen
und real in den Leib und das Blut Jesu und: Der Leib Christi sieht immer noch
aus wie Brot, fühlt sich so an und schmeckt wie Brot (gleiches gilt für
den Wein). Beide Wunder sind unfaßbar.
Das eigentliche Wunder kündigt Jesus im Johannesevangelium an: «Mein
Leib ist wirklich eine Speise.» Seine Nähe, die ihren Ausdruck
im Leib findet, teilt er uns mit, indem er seinen Leib in Brot verwandelt.
Das andere Wunder, nämlich dass sich dieser in Brot verwandelte Leib
in unserer kleinen Kirche in Halverde wiederfindet, ist dann nur noch nachgeordnet.
Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir das wirklich glauben, dann ist
der Raum dieser Kirche ab diesem Augenblick randvoll mit Gottes Gegenwart.
Dann kommen wir im Gottesdienst zu einer Stelle, die keine Worte mehr braucht,
in der Gott uns so nah ist, seine Gegenwart so präsent, dass wir wie
zwei Liebende nur noch die Gegenwart Gottes genießen - und das genügt.
Das Hochgebet ist schließlich nur noch eine Zwiesprache zwischen Jesus
und dem Vater (im Heiligen Geist). Der, der redet, ist nur vordergründig
der Priester; letztlich tut er es im Auftrag Jesu und mit den Worten Jesu.
Und angesprochen wird im Hochgebet grundsätzlich immer der Vater. Diese
Zwiesprache braucht kein Mikrofon (da können wir zwischendurch ruhig
Strom sparen) und sie braucht keine Zuhörer. Es geht auch nicht darum,
das Hochgebet kreativ zu gestalten und regelmäßig auszuwechseln.
Es geht darum, diese Einmütigkeit zwischen Vater und Sohn und Geist zu
genießen, sich an der Nähe zu erfreuen.
Und das beruht auch auf Gegenseitigkeit: Gott kommt nämlich auch, um
ihre Gegenwart zu genießen. Deshalb ist er hier, deshalb geschieht dieses
Wunder. Ihretwegen.
Amen.
10. Predigt: Gute Gründe, nicht zur Kommunion zu
gehen
Die innere Bereitung, um Begegnung zu ermöglichen
Liebe Schwestern und Brüder, es gibt gute Gründe, nicht zur Kommunion
zu gehen.
«Vater unser»
Vielleicht meinen Sie: Das mit der Wandlung von Brot und Wein; das mit der
Begegnung mit Jesus und so ist nichts mehr für einen erwachsenen Menschen.
«Das kann man vielleicht noch Kindern erzählen, aber mir nicht
mehr». Gut - kein Problem. Das geht mir auch manchmal so.
Bevor wir uns also mit Jesus vereinen, degradieren wir uns. Wir erklären
uns zu Kindern - denn nur wer wie ein Kind ist, kann ins Himmelreich gelangen.
Wir beten das Vaterunser, weil unser Christsein zuerst daraus besteht, unserm
Vater im Himmel zu vertrauen und Ihm zu glauben.
«Lamm Gottes»
Oder vielleicht fragen Sie sich: «Wofür soll die Kommunion gut
sein? Weil ich etwa ohne diese Hilfe nicht zurecht kommen würde? Weil
ich es nötig habe? Weil ich allein mit meinen Fehlern nicht fertig werde?
Weil ich tauschen möchte: Meine Sünden und Schwächen gegen
die Vollkommenheit Gottes?»
Ja. Genau deshalb. Wenn das so ist, dann kommen Sie ruhig. Deshalb beten wir
ja auch zuvor zum «Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden».
«Ich bin nicht würdig»
Im Gottesdienst bin ich ein Teil der Gemeinde. Mit der Gemeinde gehe ich auch
zum Kommunionempfang nach vorne. - Aber im Augenblick der Kommunion stehe
ich allein vor Gott. Ich bin jetzt gefragt, mein Leben und mein Glaube. Bin
ich überhaupt würdig, Gott zu begegnen? Habe ich mich darauf vorbereitet?
Nun, das können wir nachholen, indem wir beten: «Herr, sprich nur
ein Wort, so wird meine Seele gesund.»
«Amen»
Und im Augenblick der Kommunion wird mir jetzt ganz persönlich das «Amen»
abverlangt. Kann ich ja sagen, zu dem, was die Kirche glaubt? Sage ich Amen
zu dem, was Gott mir geben will? Baue ich mein Leben auf die Gemeinschaft
mit Jesus? Bin ich bereit, dieses Amen auch in meinem ganzen Leben zu sagen?
Liebe Schwestern und Brüder, es gibt gute Gründe, nicht zur Kommunion
zu gehen:
- Ich glaube nicht wirklich.
- Ich will es eigentlich nicht, ich tue es nur, weil es alle tun.
- Ich fühle mich nicht würdig.
- Oder ich will keine Konsequenzen ziehen und mein Leben nicht ändern.
Liebe Schwestern und Brüder, das Schlimme ist, dass diese Vorbehalte
auch dann, wenn Sie zur Kommunion gehen, eine Begegnung mit Gott verhindern
können.
Es gibt aber auch gute Gründe, daran etwas zu ändern, sich zu einer
echten Kommunion, dh. Gemeinschaft mit Jesus durchzuringen, auch wenn das
ein Leben lang dauern kann. Es gibt mindestens drei guten Gründen, damit
heute noch zu beginnen:
1. Gott liebt Sie, trotz allem
2. Gott möchte bei Ihnen wohnen, und
3. Gott wird Sie jeden Tag vermissen, den sie noch länger zögern.
Amen.
11. Predigt: Vom Kreuz in der Kiste und Gott in unseren
Händen
Eucharistie ist das Sakrament der Erlösung und Begegnung
mit Gott
Liebe Schwestern und Brüder, ich möchte mit dieser Predigt zum
Abschluß der Predigtreihe kommen: Die Feier der Eucharistie, mit der
wir uns in den letzten Wochen beschäftigt haben, ist mehr als nur die
Feier unseres Glaubens. Sie ist Begegnung mit Jesus Christus persönlich.
Was wir feiern, ist ein Sakrament.
Wahrscheinlich haben Sie in der Schule gelernt, was ein Sakrament ist. Ich
gehe aber mal davon aus, dass Sie nicht regelmäßig vor dem Schlafengehen
in ihren alten Religionsheften lesen, und für den, der inzwischen vergessen
hat, was das nochmal war (das Sakrament), hier ein kurzer Erklärungsversuch:
Anders als ein Sakrament ist ein religiöses Zeichen - zum Beispiel das
Kreuz. Es erinnert uns an Gott, an Jesus Christus und an seinen Tod für
uns. Wir können ein solches Kreuz in Ehren halten, in unseren Wohnungen
aufhängen oder - wie zum Beispiel an Karfreitag - feierlich in der Kirche
verehren. Wie wir mit dem Kreuz umgehen, ist Zeichen und Ausdruck unseres
Glaubens.
Oder nehmen wir die Kerze. Indem sie brennt, ist sie ein Zeichen für
Gottes Wärme und Nähe; während sie brennt, verzehrt sie sich
und wird weniger: Somit kann sie ein Bild für Opferbereitschaft und Sühne
sein.
Obwohl aber die Kerze ein Bild für Gott ist, verschwindet Gott dennoch
nicht, wenn wir die Kerze auspusten. Und es hilft auch nichts, zuhause das
Kreuz in eine schalldichte Kiste zu legen, wenn wir vorhaben, mal so richtig
zu sündigen. Das liegt aber nicht an der Kiste, sondern daran, dass Kreuz
und Kerze nur Zeichen sind, nicht aber Gott selbst.
Ganz anders ist es aber beim Sakrament: Ein Sakrament ist das, was es bezeichnet.
Es macht einen Unterschied, ob ich es empfange oder nicht. Um die Kirche kann
ich einen Bogen machen - und ich mache damit einen Bogen um Gottes Gnade.
Der Gottesdienst ist ein Angebot Gottes - geknüpft an Zeit und Raum.
Ich kann Gott verschlafen oder verpassen - ich kann ihm aber auch begegnen
und ihn empfangen.
Gott ist vor Jahrhunderten einmal Mensch geworden und hat sich damit unserer
Güte und Schlechtigkeit ausgeliefert. Die Menschen haben ihn ans Kreuz
geschlagen - aber viele haben durch Ihn auch Heil und Leben empfangen. Gleichzeitig
haben viele die Fülle der Zeiten, als Gott hier auf der Erde lebte, versäumt.
Sie sind an Jesus achtlos vorbeigegangen, weil sie verlernt hatten, an mehr
zu glauben als nur an das Sichtbare.
Jesus wird auch heute Tag für Tag gegenwärtig mit Leib und Blut
- und liefert sich uns aus. Er gibt sich buchstäblich in unsere Hände
- bei der Kommunion. Wir können ihn ans Kreuz schlagen oder durch die
Begegnung mit Jesus Heil gewinnen. Oder wir können die Fülle der
Zeit versäumen, weil wir gelangweilt in unseren Bänken sitzen und
achtlos zur Kommunion gehen. Wenn wir dann wieder in der Bank sitzen, haben
wir nichts empfangen und nichts gewonnen, weil wir verlernt haben, an mehr
zu glauben als nur an das Sichtbare.
Liebe Schwestern und Brüder, Kommunion heißt Anbetung; Kommunion
heißt mit Gott eins werden; Kommunion heißt empfangen können.
Achten doch sie einmal auf ihre Handhaltung: Können Sie ihre Hände
überhaupt noch öffnen? Können sie noch empfangen?
Können wir auf die Hostie schauen, und (obwohl wir Brot sehen) Gott glauben?
Wer das glauben will und sich so beschenken läßt, der ist gesegnet.
«Gottes Segen» heißt, dass er uns Gutes wünscht, nachdem
er uns zuvor alles gegeben hat, was wir zum Glücklichsein brauchen: Sich
selbst.
Und der Schlußruf: «Gehet hin in Frieden!» ist die Bitte
Gottes an uns, davon weiterzugeben und weiterzuleben. Wir gehen verwandelt
aus dem Gottesdienst - egal wohin wir gehen - und nehmen Gottes Segen mit.
Amen.
Die Predigten wurden von Januar bis März 2000 in St. Peter und Paul,
Halverde, gehalten.