Neue Site - empfehlenswert! Ein Ableger der Karl-Leisner-Jugend: aktueller, kürzer, frischer und moderner: www.gut-katholisch.de.
KARL-LEISNER-JUGEND |
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)
Ein schwieriges Evangelium, liebe Schwestern und Brüder,
das wir da gerade gehört haben.
Schwierig, aber auch erhaben. Geheimnisvoll und hymnisch.
Ganz anders als die Erzählungen von Betlehem, mit Maria und Josef, dem
Jesuskind, den Hirten.
Ja, es ist schwierig. Wahrscheinlich ist dieser Prolog, wie man den Anfang des Johannesevangeliums nennt, so sperrig weil er so grundsätzlich ist:
Im Anfang war das Wort.
Etwas Grundsätzlicheres gibt es wohl nicht als den Anfang. Es geht ja
schließlich um den Grund von allem.
Gerade über den Anfang der Welt machen sich die Menschen so einige Gedanken.
Vor allem Wissenschaftler.
Für viele von ihnen steht der Urknall, der Big Bang am Anfang von allem.
Und es gibt ja auch einige Hinweise, dass diese Theorie von einem Urknall
nicht ohne Fundament in der Realität ist.
Nur steht der Knall wirklich am Anfang?
Damit es knallt, muß ja etwas zum Knallen da sein? Nichts knallt ja
nicht! Was war denn dann vorher da?
Und wie ist dieser Prozeß in Gang gekommen? Was oder wer hat es denn
Knallen lassen?
Fragen über Fragen, die uns kein reiner Naturwissenschaftler beantworten kann. Auch wenn er noch so gelehrt, wortgewaltig und technisch ausgerüstet sein mag: Die Frage nach dem Anfang, kann er nicht vollständig beantworten. Da ist er mit seinem Latein oder Fachchinesisch am Ende.
Im Anfang war das Wort.
Die Menschheit steht staunend vor der Frage nach dem Anfang, vor dem Grund
aller Existenz.
Die Wissenschaft endecht immer wieder Neues und Großartiges. Aber jede neue Entdeckung wirft neue Fragen auf. Egal wohin sich der suchende Mensch wendet.
Die unendliche Weite des Sternenhimmels wird erforscht. Und vieles ist schon erfasst und erreicht worden. Es waren Menschen auf dem Mond und weiß Gott wie viele Satelliten schwirren um die Erde herum. Jetzt will man den Mars weiter erforschen. Auch wenn Beagle II, der auf dem Mars gelandet ist, tatsächlich doch antworten und neue Daten liefern sollte, die Fragen gehen weiter.
Die Unendlichkeit des Mikrokosmos wird erforscht.
Die Atome galten lange als kleinstes mögliche Teilchen, als a-tomos,
als unteilbar eben. Mittlerweile hat man schon das Atom gespalten, in Neutronen,
Protronen, Quarks usw.
Die Gene der Lebewesen werden entschlüsselt. Auch die Gene des Menschen
werden immer besser verstanden. Man kann sagen wo, einige Krankheiten und
Körpermerkmale ihren Sitz auf der DNA haben. Aber jede Entdeckung wirft
neue Fragen auf. Wissenschaftliche Fragen, aber auch ethische.
Im Anfang war das Wort.
Die Wissenschaft hat schon vieles entdeckt.
Aber kein Astronom kann uns die Formel liefern, mit der wir ein Weltall schaffen
können.
Und kein Mikrobiologe hat bisher eine Formel gefunden, die Leben neu schafft.
Im Anfang war das Wort.
So beginnt das Johannes Evangelium.
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
So beginnt die Bibel.
Bereschit bara elohim...heißt es da im hebräischen Urtext.
Das Wort bara, "erschaffen", wird nur Gott zugeschrieben.
Erschaffen kann nur Gott, heißt das.
Erschaffen im Sinne von etwas aus dem Nichts erschaffen. Nur ER ist im strikten
Sinne wirklich kreativ, nur er kann wirklich neues erschaffen.
Gott steht am Anfang von allem. Was Gott will, geschieht. Wenn er spricht:
"Es werde", dann wird es.
Deshalb beginnt Johannes auch mit Im Anfang war das Wort.
Gott allein ist der Schöpfer von allem. Alles andere ist Geschöpf.
Im Anfang war das Wort.
Das macht auch deutlich, das Gott nicht irgendeine Idee ist, ein numinoses
Wesen. Ein Wort wird geformt, gedacht und ausgesprochen von einer Person.
Im Anfang war das Wort.
Das heißt auch, Gott ist eine Person, ein Jemand, kein Etwas. Er ist
nicht nur da, er teilt sich mit.
Und ohne dieses Sich-Mitteilen Gottes, ohne sein lebenschaffendes Wort gibt
es nichts.
Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden
ist.
Ja, Gott teilt sich mit. Jeder, der noch nicht verlernt hat mit offenen Augen durch diese Welt zu gehen, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, und er wird ahnen, dass hinter dieser Welt nicht nur Etwas, sondern ein Jemand steckt. Vielleicht ist das Nicht-Mehr-Staunen-Können das große Problem unserer Tage. Wir sind schon so vollgepumpt mit Eindrücken, wir lassen so wenig an uns ran, wir sind schon fertig, oder meinen es immerhin schon zu sein.
Ich glaube, es war Max Planck, der große Naturwissenschaftler, der einmal so formulierte: "Sehen Sie sich das Auge einer Fliege an. Das kann kein Zufall sein." Für ihn war klar, das hinter all der Vielfalt der Schöpfung der belebten und toten der Wille es Jemand steht: Gott.
Im Anfang war das Wort.
Gott teilt sich mit durch seine Schöpfung. Die Schöpfung ist wunderbar,
unendlich groß, unfassbar.
Aber mehr noch: Gott teilt sich mit in der Schöpfung. Er tritt mit der
Schöpfung in Kontakt, wird ein Teil von ihr.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.
Gott hat die Erde nicht nur geschaffen, um sie sich dann allein zu überlassen.
Nein, er hat sich eingemischt, um sich ihr mitzuteilen, bei ihr zu sein, bei
ihr zu bleiben.
Und das ist erst recht wunderbar, unendlich groß, unfassbar.
Im Anfang war das Wort.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.
Gott steht am Anfang von allem. Weil das so ist, sind wir nicht Spielball
irgendwelcher Mächte des Schicksals, irgendwelchen Naturgesetzen unterworfen
wie Marionetten.
Der, der diese Welt geschaffen hat, ist selbst in diese Welt gekommen.
Der, der Dich erschaffen hat, ist einer geworden wie Du.
Deshalb braucht Dich diese Welt nicht zu ängstigen mit all ihren Fragen, Sorgen, Problemen. Du bist nicht verloren in den Weiten der Galaxien. Du bist mehr wert als die Summe von Aminosäuren.
Der Schöpfer ist bei seinen Geschöpfen. Gott ist bei Dir.
Auch das, ist Weihnachten. Auch das gilt für das neue Jahr.
Liebe Schwestern und Brüder,
wenn wir noch einmal einen Augenblick an die Predigt von gestern denken - das Neujahr mit Gedanken an Tod und Katastrophen zu beginnen, das war vermutlich nicht ganz das, was wir erwarteten. Eine Predigt, die uns auffordert, unerschrocken dem Leid und Tod entgegenzusehen, weil wir einen Glauben haben, der all das überwindet - das würden wir uns wohl nicht als weihnachtliche Abrundung wünschen.
Es gibt vieles, das uns am Glauben irritiert, am Gottesdienst oder an der Kirche. Einiges verstehen wir nur nicht, aber anderes entspricht nicht unserer Art des Glaubens. Wir stellen uns Gott anders vor. Immer wieder werde ich angefragt, ob das mit Gott, mit dem Leben nach dem Tod, mit den Sakramenten nicht auch anders sein könnte. Die, die mich fragen, haben da oft ganz konkrete Vorstellungen.
Genau auf eine solche Situation ist das heutige Evangelium geschrieben worden. Das Wort Gottes kam in die Welt - aber die Welt hatte anderes erwartet. Sie hatten sich andere Vorstellungen gemacht. Sie haben mit Größerem gerechnet, mit Gewaltigerem, mit Philosophischen Implikationen - aber doch nicht mit einem Kind in der Krippe...
Das Wort, das in die Welt kommt, ist uns fremd. Es bleibt uns auch fremd. Nur, weil wir Christen heißen, sind wir nicht Besitzer des Wortes und können daraus das auswählen, was wir für angemessen, erträglich halten. Das erfahren wir immer wieder, wenn sich die Weihnachtszeit paart mit Nachrichten von Tod und Leid - ob im Großen oder Kleinen. Gott lässt uns nicht einfach in Ruhe feiern. Er will immer wieder, dass wir aufschauen und nach ihm fragen; auch wenn es leidvolle Fragen sind.
Gottes Wort ist fremd, unbequem, unerbittlich und irritierend. Es stört. Wenn uns Gott also anredet, dann erkennen wir das nicht unbedingt an einem unsagbaren Glücksgefühl. Es kann genau das Gegenteil der Fall sein.
Aber es gibt auch den anderen Zug Gottes: Der Kern der Weihnachtsbotschaft
ist ja »das Wort ist Fleisch geworden und hat unter
uns gewohnt.« Gott hat sich in seinem Wort - uns fremd
und unbegreiflich - erfahrbar gemacht. Gott ist Mensch geworden,
ja, Kind in der Krippe.
Es gibt also auch diesen Weg: Der Weg über das süße
Christkind, der Kleine in der Krippe. Gott bietet uns beide
Wege an: Den Weg über das Vertraute und den Weg über
das Erschrecken.
Beides führt für den zu Gott, der sich leiten lässt. Das Vertraute lädt uns ein, uns auf den Weg zu machen und macht uns Mut. Das Fremde lässt uns aufbrechen, weil es neugierig macht, interessant ist, Widersprüche hervorruft und nach Antwort verlangt.
Aber beides kann uns auch im Dunkeln sitzen lassen - für den, der sich selbst genügt: Das Kind in der Krippe? Nix Neues, kennen wir schon, wird wohl sein wie jedes andere Kind. Gott, der Fremde, der ganz anders ist als ich? Ich bleibe bei dem, was ich kenne. Meine vertraute Welt reicht mir.
Liebe Schwestern und Brüder, Gott ist das ewige Wort und Gott ist das Kind in der Krippe. Gott ist der Mann, der gesagt hat: "Liebe Deine Feinde" und der gerufen hat: "Wehe Euch Ihr Heuchler!". Gott lässt uns nicht in Ruhe - und das ist gut so. Amen.
"Das Wort ist Fleisch geworden" - es will wohnen unter uns
Wird die christliche Frohbotschaft auch noch in Zukunft von den Menschen verstanden und geglaubt werden? Meine Patentante, mit der ich mich von Zeit zu Zeit über dieses Thema unterhalte, ist da sehr pessimistisch. Sie sagt: Die jungen Leute glauben einfach nicht mehr. Darum geht es auch mit der Kirche bergab. Wenn der Glaube fehlt, fehlt das Entscheidende.
Darin hat meine Patentante sicher recht: entscheidend ist erst einmal der Glaube. Wer Christ sein will, glaubt. Aber was sich so einfach anhört, ist in Wirklichkeit etwas komplizierter. Glaubt nicht jeder Mensch irgendetwas? Ist hier in dieser Kirche jemand zum Beispiel schon einmal in der Antarktis gewesen? Hat jemand diesen sechsten Kontinent unserer Erde mit eigenen Augen gesehen? Und doch sind wir sicher, dass es ihn gibt. Wir schenken den glaubwürdigen Berichten, die es darüber gibt, unser Vertrauen.
Oder setzt sich jemand erst dann in ein Auto, nachdem er genau studiert hat, wie die Elektronik und der Motor, wie die Bremsen und die elektrischen Anlagen konstruiert sind und wie sie funktionieren? Dann würden wohl nur noch die wenigsten Autos auf unseren Straßen unterwegs sein. Wir vertrauen den Ingenieuren und den Monteuren, und wir vertrauen sogar Leib und Leben der tadellosen Funktion unseres Fahrzeugs an.
Je vielfältiger und je komplizierter das Leben wird, desto mehr sind wir angewiesen auf Vertrauen und Zustimmung. Wir sind nicht in der Lage, alles selber zu überprüfen. In früheren Jahrhunderten gab es noch sogenannte Universalgelehrte. Die konnten von sich behaupten, alle wesentlichen Erfahrungen und Informationen, die es von allen bekannten Phänomenen dieser Welt gab, zu kennen. Heute gibt es niemand mehr, der solches auch nur annähernd von sich behaupten könnte.
Man sollte nun annehmen können, dass eine solche Entwicklung auch dem Glauben, dem Glauben an Gott, gut tut. Denn in dem Moment, wo die Wissenschaft eine Antwort gefunden hat, tun sich mindestens zehn neue Fragen und Geheimnisse auf. Was sich in unserer Zeit seit einigen Jahrzehnten abspielt, ist nichts anderes als eine ungeheure Erweiterung der Dimension des Wissens, aber diese ungeheure Ausweitung vervielfältigt in weit größerem Ausmaß unser Nichtwissen, als das mit dem tatsächlichen Wissen geschieht.
Man kann zum Beispiel mit recht großer Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass am Beginn des Universum, in der Sekunde Null, ein ungeheurer sogenannter Urknall die Materie in Bewegung gesetzt und in den Raum geschleudert hat (wenn man sich das überhaupt vorstellen kann). Aber mit dieser einen Antwort gibt es viele neue Fragen: Warum ist dieser Prozeß in Gang gekommen? Und was war eigentlich vor dieser Sekunde Null da? Gab es da auch schon etwas?
Wie gesagt: Alles das, alle diese neuen Fragen, die da auftauchen, könnten uns Menschen in die Knie gehen und ausrufen lassen: O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege! (Röm 11,33). So könnten wir, so müßten wir im Glauben ausrufen.
Doch jetzt geschieht etwas Seltsames: Statt dass mit dieser Entwicklung in unserer Zeit auch das Staunen, die Neugier und das Fragen zunimmt, und statt dass damit auch der Glaube zunimmt, dass es einen Sinn geben muss, der hinter all dem steht, gibt es eine andere Bewegung, und da hat meine Patentante vermutlich mit ihrer Meinung recht: Junge Leute, Kinder sogar, sind in unserer Kultur schon sehr schnell "fertig" mit dieser Welt. Schon nach 15, 20 Jahren haben sie alles gesehen, alles erlebt, alles gehabt. Sie sind fertig, manchmal auch schon fix und fertig. Wer aber meint, schon alles gesehen und erfahren zu haben, der ist zu. Wer aber zu ist, kann im Grunde seines Herzens nicht mehr glauben. Denn glauben bedeutet, sich zu öffnen. Glauben bedeutet, etwas zu empfangen. Glauben heißt: Ich anerkenne, dass ich jetzt nicht schon alles haben kann. Denn ich verdanke mich nicht mir selbst. Ich erwarte, dass die Augen, mit denen ich sehe, die aber jetzt noch nicht alles sehen können, das wahre Licht schauen dürfen, das Gottes Herrlichkeit mir schenken will.
Wir haben unseren Mitmenschen eine Botschaft anzubieten, die wunderbar ist. Diese Botschaft drückt Johannes, der Evangelist, in seinem Prolog, im Vorwort zu seinem Evangelium aus. Wir haben gerade diesen Prolog vom Wort, das Fleisch wird und Wohnung genommen hat unter uns Menschen, gehört.
Johannes schrieb in einer Zeit, die der unsrigen gar nicht unähnlich ist. Es war die Zeit, als sich im jungen Christentum eine ungeheure Spannung auftat und eine starke Strömung sich entwickelte, die sagte: Gott ist doch der Ferne und der Unsichtbare. Alles, was sichtbar ist, ist nicht Gott, kann nicht Gott sein. Alles Sichtbare ist schlecht oder doch völlig gleichgültig für uns. Was entscheidend ist, ist die innere Erleuchtung. Wer erleuchtet ist, der ist gerettet, der ist o.k. Für ihn ist die Welt und das irdische Leben nur ein Fetzen, ein Kleid, das man jetzt trägt, aber bald wegwirft. Wie du lebst, ist egal. Hauptsache, du hast die Erleuchtung. Mit anderen Worten: Hauptsache, du lebst, wie du es für richtig hältst.
Dem hält Johannes die ungeheuren Worte entgegen: Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit" (Joh 1,14). Was wir gesehen haben, ist wahr. Es ist das Licht, das von oben kommt. Es ist keine Täuschung, es ist wirklich der Messias, der in diese Welt gekommen ist. Dieser Heiland, der Sohn Gottes, macht es uns möglich, zu glauben. Die wahre Erleuchtung ist die, an den Sohn Gottes zu glauben. Er ist ein Mensch geworden in unserer Mitte.
Seit Christus unser Bruder geworden ist, haben wir die Gewissheit, dass unser Glaube nicht ins Leere geht. Er nimmt uns an der Hand. Er führt uns die unbekannten Wege. Wenn wir ihn aufnehmen - in unseren Glauben, in unser Leben, in unsere Dunkelheiten - dann macht er uns zu seinen Freunden und zu Kindern Gottes. Und da, finde ich, können wir etwas optimistischer sein als meine Patentante: Das ist eine Botschaft, die von allen, von Jungen wie Alten, verstanden und gelebt werden kann.
Liebe Schwestern und Brüder!
Im Anfang war das Wort - dieser bekannte Anfang des Johannesevangelium trifft einen zentralen Punkt unseres Glaubens. Denn das Christentum gründet in einem «Mitteilungsgeschehen». Der Glaube ist nicht das Ergebnis menschlicher Denkbemühungen, sondern er ist die Antwort auf den Ruf Gottes. Gott redet uns an! Auch hier, in diesem Gottesdienst.
Zum Beispiel heißt es nach jeder Lesung «Wort des lebendigen Gottes» - mit diesen Worten fordert der Lektor uns zur Danksagung auf. Und nach dem Wortgottesdienst antworten wir auf das, was wir gehört haben, mit dem Glaubensbekenntnis.
Der Glaube, liebe Schwestern und Brüder, ist eben nicht das Ergebnis eigener Denkbemühungen. Wir machen uns nicht unseren Glauben, wir haben ihn uns nicht selbstgestrickt. Der Glaube liegt außerhalb unserer Verfügung - wir können da nicht hinzufügen oder weglassen. Wir selbst sitzen, wenn wir uns auf unser eigenes Denken verlassen, im Dunkeln. Aber Gott spricht uns den Glauben zu - er bringt Licht in die Finsternis. Und jeder, der sein Wort annimmt, wird zu einem Kind des Lichtes. (Joh 1, 5.9.12)
Aber - wie kann das möglich sein: Gottes Wort in dem, was wir in der Kirche hören? Ist das denn nicht nur Menschenwort? Von Lukas, Markus, Matthäus oder Johannes verfasste Texte? Haben nicht alle biblischen Texte einen menschlichen Verfasser? Und sind nicht alle Menschen Kinder ihrer eigenen Gedanken? Sogar der, der jetzt hier gerade diese Predigt hält?
Der Zusammenhang des Evangeliums lässt allerdings eindeutig erkennen: Mit dem Wort Gottes ist hier zuallererst das fleischgewordene Wort Gottes, Jesus Christus gemeint. In einem Johannesbrief heißt es: «Wir verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns erschien. Was wir gesehen und gehört haben, künden wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.» (1 Joh 1, 2.3) Gott offenbart nicht irgendwelche Informationen über sich. Das könnte tatsächlich missverständlich werden. Nein, Gott offenbart sich selbst, er wird Mensch.
Jesus Christus ist das Wort, das Evangelium und das Neue
Testament. Die ersten Märtyrer der Kirche starben für
ihren Glauben an Jesus Christus, ohne je ein Neues Testament
in Händen gehalten zu haben.
Und so bezeichnet Paulus auch sein eigenes Wort als Gotteswort:
«Wir danken Gott unablässig dafür, dass ihr
das Wort Gottes, das ihr durch meine Verkündigung empfangen
habt, nicht als Menschenwort, sondern - was es in Wahrheit
ist - als Gottes Wort angenommen habt; und jetzt ist es in
Euch, den Gläubigen, wirksam» (1 Thess 2,13).
Liebe Schwestern und Brüder, ich bin mir meines Glaubens
sicher - anders könnte ich gar nicht leben. Oft werde
ich gefragt, wieso ich denn mit einem solchen Anspruch auftreten
könnte: Gottes Wort zu verkündigen. Ist das denn
nicht vollkommen überheblich?
In dem, was ich verkünde, bin ich auch nur ein Mensch
und auch nicht viel sicherer als andere. Ob das nun Geschichtsfragen
sind, Kommentare zu politischen Ereignissen oder Aussagen
des kirchlichen Rechts - da habe ich selbstverständlich
nur einen begrenzten Horizont. Aber in dem, den ich verkünde,
nämlich Jesus Christus, darf ich mir sicher sein. Er
hat Platz in menschlichen Worten. Auch in ihren Worten, wenn
sie von ihm erzählen und ihn verkünden. Kein Wort
ist zu klein für ihn. Immerhin hat er ja sogar in die
Krippe von Bethlehem hineingepasst.
Wenn aber das göttliche Wort Jesus Christus selbst ist, dann ist die Predigt mit Sicherheit nicht das wichtigste in diesem Gottesdienst. Denn sie erzählt ja nur von dem, was Gott uns sagt. Viel wichtiger ist das, was nach der Predigt kommt: Die Begegnung mit dem Wort, mit Jesus Christus höchstpersönlich, im zweiten Teil des Gottesdienstes.
Amen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Als Kind habe ich mit Begeisterung Karl May gelesen. Daran habe ich mich auch vor kurzem erinnert, als bekannt wurde, daß wieder ein neuer Winnetou-Film gedreht wurde. An Karl May's Romanen gibt es viel Faszinierendes; vor allem aber waren die zahlreichen Personen, die dort auftraten - Winnetou, Old Shatterhand und Santer, Tangua und Old Firehand und wie sie alle heißen - immer eindeutig gut oder eindeutig böse. Das machte die Erzählungen für mich als Kind sehr viel übersichtlicher und einfacher: Ich wußte genau, zu wem ich halten sollte.
Schwarz und Weiß - das sind zwei eindeutige Farben, zwei Extreme. Dazwischen lassen sich zwar alle andere Farben einordnen. Aber es ist einfacher, wenn wir nur in Schwarz und Weiß denken. Gut oder Böse, Freund oder Feind - entweder oder. So wie bei Karl May.
Das Johannesevangelium, das wir gerade gehört haben,
denkt auch in zwei eindeutigen Gegensätzen: Das Licht
und die Finsternis.
Mit der Geburt Jesu kam das Licht in die Welt, um allen Menschen
zu leuchten. Aber die Menschen haben dieses Licht nicht alle
aufgenommen, einige wollten lieber im Dunkeln bleiben. Die
anderen aber sind die Kinder Gottes geworden, weil sie das
Licht der Welt nicht abgewiesen haben.
Seit der Geburt Jesu teilt sich also die Menschheit in Schwarz und Weiß - in die Guten und die Bösen - in die Christen und die Nicht-Christen. Eben genauso wie bei Karl May. Und deshalb war es auch ganz wichtig, daß Winnetou, bevor er starb, noch bekannte: «Charly, ich bin ein Christ». Weil sonst hätten sich ja die Gegensätze verwischt.
Aber - das Leben ist nicht schwarz-weiß. Es ist bunt. Und die Welt ist nicht nur gut oder böse, sie ist von beiden etwas, und deshalb oft so verwirrend. Die Menschen sind nicht alle entweder Freund oder Feind - denn die Menschen ändern sich mit der Zeit, und so bleiben uns Enttäuschungen und angenehme Überraschungen nicht erspart.
Wer alles nur in zwei Gruppen einteilt, kommt letztlich doch nicht besser zurecht, weil er der Wirklichkeit nicht gerecht wird. Die Welt ist nicht nur Licht oder Finsternis. Sie ist oft genug grau in grau.
Das weiß auch der Evangelist Johannes. Aber er bleibt dabei: Mit der Geburt Jesu hat sich die Welt geändert. Denn jetzt ist sie dazu aufgerufen, das Licht der Welt anzunehmen - oder im Dunkeln zu bleiben. Jeder Mensch ist seit der Geburt Jesu dazu eingeladen, Kind Gottes zu werden.
Nur: Kein einziger Mensch ist endgültig in seiner Entscheidung, solange er lebt. Kein einziger Mensch ist vollkommen in seiner Wahl, solange er noch atmet. Kein einziger Mensch ist nicht doch fasziniert vom Licht Gottes - und trotzdem immer wieder versucht, sich im Dunkeln zu verstecken. Und solange unser Leben währt, gibt es keine schwarz-weiße Menschen, sondern nur bunte Menschen, in allen Graustufen, die immer wieder ihre Richtung ändern können.
Zweierlei gilt also: Für andere sollten wir mehr als nur ein schwarz-weiß-Raster zur Verfügung haben. Denn genauso wenig wie wir selbst ganz entschieden sind, können wir das von anderen verlangen. Die Menschen sind verwirrend bunt und liebenswert.
Aber es gilt auch: Wir selbst sollten uns schon entscheiden, zu welcher Seite wir gehören wollen. Gott verlangt Entschiedenheit von uns. Wollen wir als Kinder des Lichtes leben? Oder gehören wir zu denen, die Jesus nicht aufnehmen? Stellen wir uns ganz auf die Seite Gottes, weil Gott sich auch ganz auf unsere Seite gestellt hat? - Unentschiedenheit ist keine Tugend. Das steht auch schon bei Karl May. Amen.