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KARL-LEISNER-JUGEND |
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)
Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön – heißt
es in einem Lied.
Liebe Schwestern und Brüder,
die Jünger im Evangelium, haben zumindest eine sehr bewegte Seefahrt,
ob sie so schön war? Immer hin gerieten sie in Seenot
Wir haben da aber nicht nur einen Fall von Seenot (Seenot mit Doppel-e),
sondern es ist auch ein Fall von Seh-Not (Seh-Not mit h).
Denn um das richtige Sehen geht es hier auch. Und um die Konsequenzen daraus.
- Als die Jünger so jämmerlich schreien, weil sie annehmen, da komme
ein Gespenst auf sie zu, nähert sich Jesus auf dem See gehend. Doch ganz
offensichtlich sehen sie ihn nicht richtig vor lauter Schreckensbildern in
ihren Köpfen, vor lauter Sorgen in dem Sturm. Jesus ergreift die Initiative
und redet ihnen ruhig zu: „Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet
euch nicht!“
Wie reagieren die Jünger, die im Boot hocken und Todesangst haben, auf
die Worte Jesu? Atmen sie einmal ganz tief durch und brechen dann in Jubel
aus? Staunen sie, dass alle Macht von Wind und Wetter Jesus nichts anhaben
kann?
Nein, so ist es nicht. Sie sehen, und sie sehen doch nicht. Sie kriegen ihren
Kopf nicht frei. Die düsteren Gedanken lassen keinen klaren Blick zu.
Das kommt uns auch sehr bekannt vor. Der Ruf Jesu, Vertrauen in ihn zu haben,
prallt an Verängstigten einfach ab. Ja, die Jünger und wir heute,
wir fürchten uns in den schlimmen Stürmen, die so plötzlich
über uns hereinbrechen in unserem persönlichen Leben!
Auch über die Kirche. Wohin soll das alles noch führen, dieser Abschwung.
Einer jedoch tanzt aus der Reihe. Petrus hört und sieht den Herrn wie
alle anderen. Er hat auch Angst wie alle anderen. Aber als einziger überwindet
er seine Angst. Das zeichnet Petrus aus. Im richtigen Moment erfasst er die
Lage. Er nimmt allen Mut zusammen und ant-
wortet: „Herr, wenn du es bist, so befiehl, daß ich auf dem Wasser
zu dir komme.“
Es heißt im Originaltext sogar nicht „wenn du es bist“,
sondern „da du es bist“. Petrus hat ihn also erkannt. Als einziger.
Gleich wird er wieder etwas übermütig, wie wir das von ihm schon
kennen.
Alle Achtung! Petrus traut sich was. Er dürfte als Fischer ja am besten
wissen, dass Wasser keine Balken hat. Er wird auch schon öfter bei ungeschickten
Manövern im kalten Wasser gelandet sein. - Petrus traut sich was. Er
setzt ein Signal: Ja, ich habe verstanden, Herr, dass ich dir absolut vertrauen
kann. Wenn du das willst, kann ich sogar wie du über das Wasser gehen.
Ich tue es aber nur, wenn du es mir befiehlst!
Sprich nur ein Wort! - So wird Petrus zum Aussteiger.
Jesus hat wirklich nur ein einziges Wort gesagt, und das heißt: „Komm!“
Was für ein schönes Zeugnis gläubigen Vertrauens!
Bei dieser Übung im Sturm riskiert Petrus immerhin sein Leben. Die anderen
dagegen sitzen stumm und starr im Boot. Wir wissen nicht, was gerade genau
in ihren Köpfen vorgeht, aber solch ein Vertrauen haben sie jedenfalls
nicht. Ja, sie sehen und sehen doch nicht!
Petrus dagegen verlässt sich mit seiner ganzen Existenz darauf, dass
das Wort Jesu ihn tragen kann. Bei ihm jedenfalls hat das Brotwunder an den
5000 seinen Glauben gestärkt. Davon haben wir am letzten Sonntag gehört.
Petrus richtet seinen Blick fest auf Jesus. An ihm orientiert er sich. Jesus
ist sein Ziel. So klettert Petrus über den Bootsrand und geht los. Ganz
schön verrückt, oder?
Jesus hat schon gewusst, warum er Petrus zum Felsen machte, auf den er seine
Kirche bauen wollte. Petrus sieht jetzt nicht den Sturm und die Probleme,
sondern er sieht den Herrn. Das gibt ihm Kraft.
Petrus ist schon ganz in der Nähe Jesu und hat es fast geschafft, da bekommt er Angst vor der eigenen Courage. Plötzlich wendet er seinen Blick für einen Moment von Jesus ab und sieht die aufgepeitschten Wellen. Mit einem Schlag wird ihm bewusst, wir riskant sein Manöver ist. Es kommt, wie es kommen musste: Petrus beginnt unterzugehen.
Die Bibel beschönigt das nicht. Menschliches Versagen ist nicht nur ein Thema in den Nachrichtensendungen, sondern auch in der Bibel. Petrus soll hier nicht lächerlich gemacht werden, und die Sitzenbleiber im Boot auch nicht. Die Bibel sagt: Ja, genau so sind wir Menschen!
Irgendwie tut Petrus uns sogar leid. Fast hätte er es geschafft. Und nun diese Blamage vor seinen Leuten! So lange er nur Augen für Jesus hatte, war alles gut. Petrus hat sein Ziel kurz aus den Augen verloren, doch er hat dazugelernt. In seiner Not ruft er nicht etwa seine Kollegen um Hilfe. Petrus, der für eine Sekunde schwach geworden ist, erinnert sich an sein Ziel und ruft: “Herr, rette mich!“
Jesus packt sofort beherzt zu. Er „ergriff ihn“, heißt es. In Sekundenbruchteilen ist Petrus gerettet. Jesus hält Petrus keine Strafpredigt. Erst greift er ihm im wahrsten Sinne des Wortes unter die Arme, und dann bestätigt er Petrus nur, dass es sein mangelnder Glaube war, der ihn beinahe versinken ließ. „Du Kleingläubiger“ - so nennt ihn Jesus in diesem Moment. Wenn der Glaube das Leben tragen soll, dann darf er nicht klein sein. Kleingläubigkeit, also Glaube auf kleiner Flamme, das ist weder Fisch noch Fleisch, weder hü noch hott.
Petrus erfährt hier ganz handfest: den Glauben gibt es nur in der großen
Portion, nicht als Appetithäppchen für zwischendurch.
Wie sagt der Volksmund so treffend: Wer A sagt, der muss auch B sagen.
Also: Wer etwas beginnt, der muss es auch zu Ende bringen, wenn er Erfolg
haben will. Sonst kann er es gleich bleiben lassen. Für den Glaubensweg
des Petrus und für unseren gilt das allerdings auch. Also bitte nicht
kurz vor dem Ziel aufgeben!
Ja, der vollmundige Petrus hat für einen Moment versagt. Es ist, wie
wenn er bei einem großen Sprung gestürzt wäre. Aber dieses
Hinfallen, dieses Versinken hindert Petrus nicht, sich schnell wieder zu besinnen.
Daran erinnert auch eine bekannte Redewendung: Hinfallen ist keine Schande,
aber liegen bleiben!
Petrus bleibt nicht liegen. Er rappelt sich sofort wieder auf. Sein Hinfallen
war eine Folge seines mutigen Einsatzes; daher belächelt oder verspottet
ihn auch niemand wegen seines Reinfalls. Er ist der einzige, der mutig genug
war, alles auf eine Karte zu setzen. Jetzt ist er auch mutig genug, seine
Hilflosigkeit zuzugeben, indem er schreiend bittet: „Herr, rette mich!“
Jesus bringt Petrus sofort ins sichere Boot, und dann lässt auch schon
das Unwetter nach. Die Gefahr ist vorüber. Jesus ist da, wenn es darauf
ankommt, und die bedrohlichen Mächte sind verstummt. Petrus ist um eine
handfeste Erfahrung reicher, welche die anderen nur als Zuschauer miterleben
konnten.
Versagt haben sie auch, sogar mehr als Petrus.
Sie haben schon aufgegeben, bevor sie überhaupt angefangen haben, auf
Jesus zuzugehen. Aber ihr Versagen springt nicht so direkt in unser Auge.
Zu schnell gilt das Interesse bei vielen nur der Person des Petrus.
Zum Schluss werden auch die Sitzenbleiber im Boot munter. Sie sehen Jesus
von Angesicht zu Angesicht, und sie sind beschämt. Es heißt im
Evangelium:
„Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig,
du bist Gottes Sohn.“
Kein Wort der Kritik ist von Jesus zu hören. Er kennt seine Leute, und
sein liebendes Herz ist groß. Lange hat es gedauert, bis bei ihnen endlich
der Groschen gefallen ist. Was beim so beeindruckenden Brotwunder nicht gelang,
das gelingt am Ende einer grauenvollen Sturmnacht.
Ihnen gehen die Augen auf aus Ihrer Seh-Not:
Sie erkennen jeder für sich, wer Jesus wirklich ist.
Und sie tun das einzig Richtige, was dann zu tun ist: sie werfen sich demütig
vor ihm nieder. „Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!“ - Vergessen
wir das nicht, wenn unser persönlicher Seesturm kommt.
Liebe Schwestern und Brüder!
Unsicherheit und Zweifel gehören zum Menschen und zum
Leben hinzu. Sie bewahren mich davor, selbstherrlich und rücksichtslos
zu werden. Wenn ich mich öfter frage, ob ich wirklich
auf dem richtigen Weg bin, ob ich tatsächlich den Menschen
gerecht werden, die mir anvertraut sind, wenn ich mich immer
wieder selbst kritisch in den Blick nimmt, dann schütze
ich mich, zum Diktator oder zum selbstgerechten Herrscher
zu werden.
Keiner von uns ist durch und durch schlecht. Aber Keiner von
uns ist fehlerfrei, und die Besinnung auf die eigenen Fehler
ist wichtig für eine gesunde Selbsteinschätzung.
Wenn ich hier und da gefragt werde, ob ich mir in der Einschätzung dieser Person oder jenen Sachverhaltes wirklich sicher bin, dann kommen mir doch Zweifel, und ich überprüfe meine Haltung, ob ich nichts übersehen habe oder in der Einschätzung nicht auch eigene Vorlieben oder Verletzungen mitspielen.
Auch Petrus beginnt, als er auf dem Wasser zu Jesus hinübergeht, zu Zweifeln. Aber anstatt dass Jesus ihn lobt, ("Schön, dass Du Zweifel gehabt hast, das ist wichtig, um sich nicht selbst zu überheben"), reicht er ihm die Hand und wirft ihm Kleingläubigkeit vor. "Warum hast du gezweifelt?!"
So wichtig der Zweifel an der eigenen Vollkommenheit ist, so wenig scheint der Zweifel angebracht, wenn es sich um die Vollmacht und Wirksamkeit Gottes handelt. Gott ist der Unzweifelhafte. Ihm können wir grenzenlos vertrauen, weil er durch und durch gut ist.
Natürlich kann auch in meinem Glauben an Gott Unsicherheit
und Zweifel auftreten. Das geschieht nicht nur bei Petrus,
davon bleibt wohl kein Mensch verschont, und auch ich bin
da keine Ausnahme. Aber mit diesem Zweifel sollten wir uns
eben nicht zufrieden geben. Diesen Zweifel sollten wir, wie
Petrus, vor Gott bringen mit den Worten: "Herr, rette
mich!" Petrus war offensichtlich gar nicht begeistert,
mit seinen Zweifeln langsam zu versinken.
Wieviele aber haben sich damit arrangiert, dass sie sich im
Glauben nicht ganz so sicher sind! ("Ich stehe eher am
Rand der Kirche. Ich bin mir im Glauben nicht so sicher. Aber
mir geht's eigentlich ganz gut damit, warum sollte ich daran
etwas ändern?") Ja, für manche sind sogar die,
die zweifellos glauben, verdächtig. Intolerante Fanatiker,
Fundamentalisten.
Wir Menschen brauchen einen Halt, etwas, auf dass wir uns
verlassen können. Dieser Halt, diese Grundlage unseres
Lebens will Gott sein, weil nur er vollkommen und über
jeden Zweifel erhaben ist. "Habt Vertrauen, ich bin es,
fürchtet Euch nicht!" Zweifelt nicht an mir!
Wenn wir trotzdem Gott als Grundlage unsere Lebens ablehnen,
wir aber nicht versinken wollen, dann brauchen wir Ersatzgottheiten.
"Die Partei, die Partei, sie hat immer Recht."
Wer den Zweifel an Gott zur Gewohnheit werden lässt,
der zeigt dadurch eben keine größere Unabhängigkeit.
Wenn der Zweifel an Gott zur Pflicht gemacht wird, muss eine
andere, nicht mehr kritisierbare Einrichtung her. Die Partei,
der Guru, der Ehepartner, die Methode oder eben ich selbst.
Wer den Zweifel an Gott zur Tugend erklärt, verliert
ganz schnell den notwendigen kritischen Blick für sich
selbst.
An Gott zu zweifeln ist keine Sünde (auch, wenn es früher mal so hieß). Sich im Glauben unsicher zu sein, ist kein Verbrechen. Aber unwohl sollte uns schon dabei sein, jederzeit bereit, die ausgestreckte Hand Jesu zu ergreifen, die uns - wie die Jünger im Bott - zu er der sicheren Erkenntnis führt: Wahrhaftig, Du bist Gottes Sohn!
Amen.