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Predigtvorschläge - 05. Sonntag der Osterzeit (Lesejahr A)
1. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2008)

Liebe Schwestern und Brüder,

immer wieder gibt es Diskussionen über den Glauben – sei es in der Familie, in der Schule, unter Freunden, unter Gelehrten.
Die Argumente werden hin und her geschoben, reflektiert und hoffentlich auch ernst genommen. Nur ein Argument wird oft gar nicht angehört oder sogar es wird angefeindet. Das Argument „Ich glaube, weil es die Kirche so sagt. Ich gehorche, weil es die Kirche so sagt.“ Da wird derjenige, der dieses Argument vertritt entweder mitleidig oder vorwurfsvoll angeschaut. Gehorsam! So was.

"Gehorsam" hat so einen Beigeschmack von Militär und Sekte: Da werden Anweisungen erteilt, die ich auszuführen habe, egal ob das vernünftig ist oder nicht. "Gehorsam" klingt immer ein bisschen nach "blind gehorchen"; so als wenn man sein eigenes Gehirn ausschaltet. Manche werfen der Kirche vor, es gehe in ihr um Kadavergehorsam. Nur: Kadaver können nicht gehorchen – die sind schon tot.

Und doch wünschen wir uns Gehorsam.
Kinder zum Beispiel überblicken noch nicht die ganze Wirklichkeit und sämtliche Folgen ihres Tuns. Deshalb muss jemand, der einen besseren Überblick hat, für sie vorausschauen und ihnen bestimmte Dinge verbieten und zu anderen Dingen auffordern. Kinder gehorchen (wenn sie gehorchen), weil sie guten Grund haben, ihren Eltern zu vertrauen.

Sobald wir aber meinen, selbst alles zu überblicken, lehnen wir es ab, dass jemand für uns vorausschaut - und verweigern den Gehorsam. Man sieht es auch bei den Jugendlichen, die darauf bestehen, keine Kinder mehr zu sein: Gehorsam zu sein ist ein Zeichen von Unmündigkeit. Selbst zu entscheiden, ist ein Zeichen für Unabhängigkeit und Erwachsensein.

Dabei ist es uns dann manchmal egal, ob wir die Wirklichkeit tatsächlich so gut überblicken, dass wir allein zurecht kommen. Lieber fallen wir ab und zu mal kräftig auf die Nase, als dass wir unsere Unabhängigkeit wieder an den Nagel hängen und Gehorsam üben.

Im Grunde ist das ja auch gut so. Nicht erwachsen werden und das Denken und die Verantwortung lieber anderen zu überlassen, ist gefährlich. In dieser Welt ist es eine unausweichliche Pflicht, Erwachsen zu werden.

In Gottes Welt allerdings gelten andere Maßstäbe. In der Lesung aus der Apostelgeschichte heißt es ganz am Schluss: «Auch eine große Anzahl von Priestern nahm gehorsam den Glauben an». Und Jesus selbst hat gesagt: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder!» Und Paulus sagt es einmal „Der Glaube kommt vom Hören“ also vom Hinhorchen, Gehorchen, das Gehörte annehmen.

Dabei geht es nicht in erster Linie darum, unsere eigene Ansicht aufzugeben und - weil Gott es uns sagt - einfach anderer Meinung zu sein. Kind Gottes zu sein, heißt ja nicht, das wir aufhören sollen zu denken. Das haben die Priester in der Lesung ja auch nicht getan.

Sondern dass wir begreifen, dass unser Denken eben nicht alles umfasst, dass vieles noch außerhalb unseres Horizontes liegt. Es geht darum, dass wir durch den Gehorsam lernen, uns mit Leib und Seele (und unserem Denken und Erkennen) auf den zu verlassen, der eine größere Sicht auf diese Welt halt.

Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, dass diese Welt gottlos und unerlöst ist. Im Irak werden wahllos Menschen getötet, und in Deutschland legen Politiker einfach ein Verfallsdatum für die Menschenwürde fest (Nichts anderes ist letztlich bei dem Stammzellengesetz passiert). Der Papst klagt über die Kinderschändungen in Amerika und klagt auch Glieder der Kirche an.
Hat Gott versagt? Ist die Osterbotschaft vom Sieg über den Tod nicht widerlegt?

«Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!» sagt Jesus. Es ist gerade ein Zeichen unserer Kindschaft und unseres kindlichen Gehorsams, dass wir dieses Wort nicht nur hören, sondern daran unseren Glauben festmachen. Euer Herz lasse sich nicht verwirren! Ganz einfach deshalb, weil Gott es gesagt hat; auch wenn die Welt ganz anders aussieht. Einfach glauben, dass Jesus selbst das Leben ist. Einfach Gott zu vertrauen - genauso wie ein Kind: «Papa hat gesagt, alles wird wieder gut.»

Gehorsam sein heißt nicht, seinen Verstand ausschalten, sondern Gott zu vertrauen. Wir haben keine andere Garantie als seine Zusage, sein Wort. Dort, wo wir nicht mehr weiter wissen oder aller Anschein gegen das Gute spricht, Gott zu vertrauen - das ist guter, kindlicher Gehorsam.

Liebe Schwestern und Brüder, echter und guter Gehorsam gehört zum Glauben dazu; aber er ist keine Last oder eine Einschränkung. Es ist die Freiheit der Kinder Gottes. Und Kinder Gottes sind wir seit der Taufe. Und das feiern wir gerade auch in der österlichen Zeit.

Amen.

2. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2008)

Liebe Gemeinde!

Das heutige Evangelium gehört zu den sogenannten Abschiedsreden Jesu kurz vor seinem schweren Leidensweg. Jesus lässt sich tief ins eigene Herz schauen. Philippus bittet ihn: „Herr, zeige uns den Vater¸ das genügt uns.“ Es ist die Sehnsucht nach Gott, die in diesem Wort anklingt. Philippus nennt Gott den Vater, weil Jesus ihn so genannt hat. Gott ist der Vater! Gott liebt uns, wie ein Vater seine Kinder liebt. Gott ist nicht ein abstraktes Prinzip, sondern er ist eine Person, die liebt – und zwar in unendlicher Intensität. – Jesus antwortet: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ (Joh 14,9) Das ist eine wirklich überraschende Aussage: Gott hat in Jesus ein menschliches Gesicht bekommen, in den Worten, in den Gesten und in den Taten Jesu wird Gott selbst ansichtig. Denn – so führt Jesus weiter aus: „Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist?“ Weil Jesus wirklich der Sohn Gottes ist, darum ist er in seiner menschlichen Natur auch das lebendige Bild Gottes, darum strahlt auf seinem menschlichen Antlitz der göttliche Glanz wider. Wer Jesus hat, der hat Gott, und wer Gott hat, der hat alles.

Aber nun geht Jesus weg, er verlässt die Seinen, indem er sich dem Tod ausliefert. Wird ihnen damit auch Gott genommen, sind sie anschließend wieder allein, auf sich gestellt, in Gottesfinsternis? – Das ist die immer neue Anfechtung für die Gläubigen in der Kirche, die große Herausforderung unseres Glaubens, die uns glücklicherweise schon hier – in der allerersten Zeit der Kirche bereits – bewusst gemacht wird. Aber nicht nur das, wir erhalten auch die Antwort auf diese Anfechtung, wieder eine äußerst überraschende Antwort. Zunächst der Zweifel, den der skeptische Thomas äußert: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst; wie sollen wir dann den Weg kennen?“ – Wenn Jesus tot sein wird, dann lebt er vielleicht in der jenseitigen Welt weiter – das glauben seine Jünger schon ohne weiteres. Aber wo ist die Verbindung dieser Welt mit der unsrigen? Welcher Weg führt uns dorthin? Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken? An wen soll ich mich halten, wenn derjenige, an den ich mich bisher gehalten habe, aus meinem Gesichtskreis gerückt ist?

Jesus antwortet nicht, indem er sagt: „Ich zeige euch den Weg. Ihr müsst da und da lang gehen.“ Jesus erteilt dem Thomas nicht eine Lehre, die dann aufgeschrieben wird, damit sie späteren Generationen weiter verkündet wird – jedenfalls ist das nicht seine erste Absicht. Er antwortet vielmehr: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (Joh 14,6) Das heißt, er wirft seine ganze Person in die Waagschale. Nicht irgendeine Lehre führt hin zum Vater, sondern Jesus selbst, Jesus in Person. Christliches Leben ist nicht in erster Linie ein Leben, das sich an einer bestimmten Lehre ausrichtet, es bedeutet vielmehr: mit Jesus Christus auf dem Weg sein.

Das schließt ein, was Jesus an anderer Stelle ausführt: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20) Jesus bleibt in seiner Kirche gegenwärtig, er bleibt bei uns, gerade dann, wenn es Abend, wenn es dunkel wird. Er geht nicht weg, sondern er kommt wieder, um die Seinen zu sich zu holen, damit auch sie dort sind, wo er jetzt ist. – Wenn wir das hören, denken wir vielleicht zuerst an das Leben nach dem Tod: Jesus holt die Verstorbenen zu sich in die himmlischen Wohnungen. Das ist sicher richtig und ein großer Trost für alle, die um einen lieben Verstorbenen trauern oder die Angst vor dem eigenen Tod haben. – Aber Jesus meint auch, dass er die Seinen auch schon im irdischen Leben nicht allein lässt. Wir müssen nicht erst sterben, um Jesus zu begegnen. Nein! Schon in diesem Leben ist Jesus bei uns, er schenkt uns seine Gemeinschaft – und zwar zuerst und vor allem in der Eucharistie, im Brot, das lebt und Leben spendet.

Gestern habe ich mit einer Frau gesprochen, die das nicht glauben kann und die insofern dem Apostel Thomas ähnlich ist, der auch immer zuerst sagt: „Wie soll das möglich sein? Das kann doch gar nicht sein! Das glaube ich nicht.“ – „Das ist doch nur Brot! Wie kann das der Leib Jesu sein?“ – Darauf habe ich geantwortet: Sehen Sie hier meine Hand. Sie könnten auch sagen: »Das ist doch nur Fleisch, das ist nur Physik und Chemie. Wie können Sie sagen, das sei Ihre Hand?« Aber das sagen Sie nicht, denn dieses Geheimnis macht Ihnen keine Schwierigkeit, dass ein Stück Materie zugleich die Erscheinungsform einer Person ist. – Und doch ist die Eucharistie etwas ganz Ähnliches: Ein Stück Materie ist verwandelt und dadurch zur Erscheinungsform der Person Jesu Christi geworden. Er präsentiert sich uns Menschen in dieser Gestalt. Wo liegt da die Schwierigkeit? – In der Verwandlung? Aber bei der Auferstehung wurde doch auch Materie verwandelt: der Leichnam Jesu nämlich wurde auferweckt und verklärt in eine himmlische Wirklichkeit, die nicht von dieser Welt ist und doch in dieser Welt erscheinen konnte. Wenn Gott ein solches Wunder möglich ist, dann muss man ihm auch zugestehen, das andere Wunder wirken zu können: die Wandlung von Brotmaterie in eine himmlische Wirklichkeit, in der uns Jesus höchstpersönlich begegnen kann, ja, in der er sich uns hingibt und schenkt.

"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben", sagt Jesus. Seine Worte sind Licht und Wahrheit, sie künden uns den einzigen Weg zum Heil, den Weg, der Jesus selber ist, den Weg, der zum Leben führt – schon heute, jeden Tag und in Ewigkeit.

3. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Das heutige Evangelium enthält fast alle Schlüsselwörter, die Johannes, dem Evangelisten, wichtig sind: Glauben, Sehen, Erkennen; ferner Wahrheit und Leben; schließlich auch das Ineinandersein von Vater und Sohn, das sich fortsetzen soll im Ineinander von Christus und den Christen, wie Jesus besonders am Weinstockgleichnis deutlich macht. „Ich in ihnen [den Christen] und du [Vater] in mir“ (Joh 17,23), betet Jesus.

Dieses Ineinander ist das Wesen und Ziel der Liebe. Wer den anderen liebt, der strebt danach, mit ihm EINS zu sein. Der himmlische Vater liebt seinen menschgewordenen Sohn so innig und dieser liebt seinen Vater ebenso, daß Jesus sagen kann: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. … Glaubst du nicht, (Philippus,) daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist?“ (Joh 14,9f)

Jesus ist das Bild des Vaters, seit Ewigkeit ruht er am Herzen des Vaters und ist darum der einzige, der den Vater gesehen und nun von ihm Kunde gebracht hat. (Joh 1,18) An Jesus können wir leibhaftig anschauen, wer Gott ist und wie er handelt; daß Gott die Liebe selbst ist (1 Joh 4,8.16).

„Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“, schreibt Johannes in seinem ersten Brief (1 Joh 4,10) und reflektiert so das Kommen Jesu in unsere Welt. Und er zieht sofort die Schlußfolgerung: „Liebe Brüder, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben.“ (1 Joh 4,11)

Das ist ein Gebot, aber zuerst einmal ist es ein Geschenk: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,5) Die Liebe ist Gabe und Aufgabe. Sie ist Gabe, weil Gott uns zuerst geliebt und dadurch zur Liebe allererst fähig gemacht hat. Und sie ist Aufgabe, weil sie Sache des freien Willens ist und nicht ein automatisches oder magisches Geschehen in uns. Weil sie beides ist: freies Verhalten und göttliche Gabe, darum ist sie eine göttliche Tugend, und zwar die erste und ranghöchste.

Als freie Zuwendung zum anderen ist die Liebe etwas Urmenschliches und jedermann Bekanntes, nichts Neues. Insofern ist das Gebot der Liebe altbekannt. Andererseits ist die Liebe, die Gott uns erwiesen und zu der er uns erwählt hat, etwas bis dahin Unerhörtes, schlechthin Überraschendes, etwas, das den sog. „alten Menschen“ völlig überfordert. Darum schreibt Johannes: „Liebe Brüder, ich schreibe euch kein neues Gebot, sondern ein altes Gebot, das ihr von Anfang an hattet. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt. Und doch schreibe ich euch ein neues Gebot, etwas, das in ihm und in euch verwirklicht ist; denn die Finsternis geht vorüber, und schon leuchtet das wahre Licht.“ (1 Joh 2,7f)

Was ist so neu an der Liebe, von der das Neue Testament insgesamt mit 320 Wortvorkommnissen spricht? Es sind vor allem zwei Aspekte, die die Liebe als ein neues Gebot erscheinen lassen: 1. Die von Jesus verkündete, gelebte und geforderte Liebe kennt keine Grenze, sie grenzt keinen Menschen aus, sie überwindet selbst das Freund-Feind-Gegensatz. In diesem Sinne sagt Jesus in der Bergpredigt: „Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er läßt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner?“ (Mt 5,43-46)

Der alte, d.h. der egoistische Mensch erschrickt angesichts dieser Worte, sie erscheinen ihm als Zumutung. Doch Jesus ist den Weg dieser Liebe bis zur Vollendung gegangen: „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung.“ (Joh 13,1) Und „Vollendung“ heißt hier Tod, Selbstaufopferung. Jesus erklärt die Grenzenlosigkeit seiner Liebeshingabe mit folgenden Worten: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13) Und zu diesen Freunden zählt Jesus nicht nur diejenigen, die treu zu ihm halten, sondern auch noch Judas, den er ausdrücklich noch „Freund“ nennt, als dieser ihn verriet (Mt 26,50), ja im Grunde auch seine Peiniger, für die er sterbend betet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34)

Die grenzenlose Liebe ist bereit zur Vergebung und kennt auch darin kein endliches Maß, kein „Jetzt ist es aber genug!“ Als Petrus fragt, „Herr, wie oft muß ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal?“, da antwortet ihm Jesus: „Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal.“ (Mt 18,21f) Das heißt: immer und unbegrenzt oft.

Wieder erschrickt der alte Mensch in uns: Wer soll denn dazu fähig sein? Wie schwer fällt es uns, auch nur ein einziges Mal zu vergeben, wenn wir tief verletzt worden sind! Ein Vertrauensbruch z.B. kann eine Beziehung zerstören, weil die Kraft zur Vergebung fehlt. Müssen wir also folgern, daß die Beziehung von Anfang gar keine Liebe gewesen ist? Denn die Liebe ist nach den Worten des Apostels Paulus doch langmütig und gütig (1 Kor 13,4), „sie erträgt alles“ (1 Kor 13,7) und „trägt das Böse nicht nach“ (1 Kor 13,6). Ja, wenn ein Mensch dazu nicht mehr fähig ist, dann muß er sich fragen, ob seine Liebe erkaltet ist, ob er sie womöglich verlassen hat (vgl. Offb 2,4).

Wenn wir bei solchen Betrachtungen stehenbleiben, könnten wir entmutigt werden oder – was noch schlimmer wäre – trotzig aufbegehren und denken: „Wenn das so ist, dann will ich vom Neuen Testament gar nichts mehr hören!“ Darum sollten wir das bereits zitierte Wort aus dem 1. Johannesbrief noch einmal hören und bedenken: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat.“ Hier kommt der 2. Aspekt zum Ausdruck, an dem die Neuheit der christlichen Botschaft von der Liebe aufscheint: Die Liebe ist kein Werk des Menschen, sondern Frucht des Heiligen Geistes (Gal 5,22).

Das Werk der Liebe ist bereits vollbracht und seine Frucht uns geschenkt – das ist die Frohe Botschaft, die uns keiner nehmen und ausreden kann! Darum kann Jesus sagen: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Jesus zeigt nicht nur den Weg zum Vater so wie ein Morallehrer, er selbst ist der Weg und die Brücke zum Vater. Jesus sagt nicht nur die Wahrheit, eine Wahrheit, die kalt und hart wäre, er ist die Wahrheit in Person, die im Fleisch erschienene Liebe Gottes: voller Wärme und Anziehungskraft. Jesus redet nicht nur vom Leben, er selbst ist das Leben und ist gekommen, damit auch wir das Leben in Fülle haben. (Joh 10,10)

Worauf es allein ankommt, ist, mit Jesus zum Vater zu gehen (vgl. Joh 14,12), uns immer mehr von Jesus umgestalten zu lassen, bis wir selbst so voll strahlender Liebe sind wie er. Solange wir auf der Erde leben, ist dieser Weg mühsam, steinig, ein Weg, den wir im Glauben und in der Hoffnung gehen; dereinst sind wir am Ziel, und was bleibt, ist die Liebe.
„Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ (1 Kor 13,13)

4. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

morgen (heute) um 10.00 Uhr wird in Rom der neue Papst Benedikt XVI. in sein Amt eingeführt. Dabei dürfen wir Deutschen uns besonders freuen, denn der neue Papst stammt aus unserem Land.

Doch Vorsicht: Wir freuen uns besonders, ja - aber nicht etwa, weil - wie die Bildzeitung titelte - WIR PAPST SIND. Das Papstamt kennt keine Nationalität. Die katholische Kirche ist immer international - wenn es dort eine Staatsbürgerschaft gibt, dann ist es die der Kinder Gottes.
Wir freuen uns nicht, weil wir nun also "Rom übernommen haben". Wir freuen uns, weil die Wahl eines Deutschen ein Zeichen an uns Deutsche ist: Wir, die Kardinäle aller Welt, trauen Euch.

Wir trauen Euch Deutschen. Nach all dem Terror und Tod, der von Deutschland ausgehend die Welt vergiftet hat - wir trauen den Deutschen. Umso schöner ist die Antwort, die Kardinal Ratzinger mit der Wahl seines Namens getroffen hat: Benedikt. Der letzte Papst Benedikt hat erlebt, wie der erste Weltkrieg aus Deutschland kommend die Welt überzog. Jetzt knüpft Ratzinger daran an und macht deutlich: Ich führe die Friedensbemühungen des letzten Benedikts, der an den Deutschen scheiterte, weiter.

Und damit führt Benedikt XVI. nicht nur das weiter, was der letzte Papst vor den Weltkriegen begonnen hat. Er knüpft auch am Vertrauen seines unmittelbaren Vorgängers, Johannes Paul II. an: Dieser Papst aus Polen hat schon, bevor er Papst wurde, die Versöhnung mit den Deutschen vorangetrieben - auch gegen den erbitterten Widerstand seiner eigenen Landsleute.

Doch nicht genug: Papst Johannes Paul glaubte nicht nur an die "Normalität" der Deutschen. Er hatte die Vision, dass von diesem unserem Volk, von dem soviel Leid ausgegangen ist, auch eine neue Welle der Evangelisation, der inneren Erneuerung der Kirche ausgehen wird. Bis vor wenigen Tagen sah es nicht danach aus - Häme und Arroganz überzogen in den Fernsehtalkshows mit ungewohnter Taktlosigkeit den toten Papst, noch bevor er beigesetzt wurde. Aber vielleicht war das nur das letzte Zucken eines im Grunde schon toten Geistes. Etwas Neues bricht nun an in unserem Land.

Ich habe die Hoffnung, dass mit Benedikt XVI. eine neue Verbundenheit mit der Weltkirche unsere Gemeinden ergreift.

Ich habe die Hoffnung, dass mit Benedikt XVI. und dem Wirken des Geistes die junge Kirche in unserem Land bricht mit der unbeweglichen, ewig gestrigen Kirchenkritik.

Ich habe die unglaubliche Hoffnung, dass wir Zeugen sind einer neuen Morgenröte, einer Morgenröte einer erneuerten Liebe zu dem dreifaltigen Gott. Papst Johannes Paul II. hat diese neu aufgehende Sonne schon lange angekündigt - aufgrund seiner inneren Größe konnte er weiter blicken als die vielen kleinen Geister.

Ich habe diese Hoffnung, obwohl jede Soziologie, jede Erfahrung und jede finanzielle Expertise dagegen spricht. Ja, vielleicht habe ich gerade deshalb diese Hoffnung: Der Geist, der weht wo er will, bedient sich gerne der schwächsten Glieder. Und - darin dürften wir uns einig sein - unser Land ist eindeutig das Schlusslicht gewesen.

Kardinal Meisner hat nach der Wahl des Papstes gesagt: "Unsere Jugendlichen verstehen ja die Nachhut des vergangenen Jahrunderts - Drewermann und Küng usw. - nicht mehr. Darüber lachen sie oder schütteln den Kopf. Die Jugend weiß wieder, worauf es ankommt und braucht eine Vergewisserung ihres Christusglaubens. Bei der Vorstellung des neuen Papstes am Dienstag war der Petersplatz brechend voll - bis in die Via Conciliazione. Es waren zu achtzig Prozent Jugendliche." Und der Kardinal fügt hinzu: "Lasst uns jetzt diesem Papst, der unser Landsmann ist, so den Rücken stärken, wie das die Polen mit ihrem Landsmann Karol Wojtyla auf dem päpstlichen Thron getan haben."

Amen.

5. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, vor ein paar Tagen haben ich mich mit einigen Lehrern der Fürstenbergschule getroffen, um uns über unseren Glauben auszutauschen. Immer, wenn der eine oder die andere eine bestimmte Meinung vertrat, versuchten wir nach Gründen für oder gegen diese Ansicht zu suchen - eine Diskussion, ganz wie sie sein sollte. Leider gab es ein Argument, dass als Begründung nicht gern akzeptiert wurde: Das Gehorsams-Argument, "Ich glaube das, weil es die Kirche so sagt".

"Gehorsam" hat so einen Beigeschmack von Militär und Sekte: Da werden Anweisungen erteilt, die ich auszuführen habe, egal ob das vernünftig ist oder nicht. "Gehorsam" klingt immer ein bisschen nach "blind gehorchen"; so als wenn man sein eigenes Gehirn ausschaltet.

Kinder zum Beispiel überblicken noch nicht die ganze Wirklichkeit und sämtlich Folgen ihres Tuns. Deshalb muss jemand, der einen besseren Überblick hat, für sie vorausschauen und ihnen bestimmte Dinge verbieten und zu anderen Dingen auffordern. Kinder gehorchen (wenn sie gehorchen), weil sie guten Grund haben, ihren Eltern zu vertrauen.

Sobald wir aber meinen, selbst alles zu überblicken, lehnen wir es ab, dass jemand für uns vorausschaut - und verweigern den Gehorsam. Man sieht es auch bei den Jugendlichen, die darauf bestehen, keine Kinder mehr zu sein: Gehorsam zu sein ist ein Zeichen von Unmündigkeit. Selbst zu entscheiden, ist ein Zeichen für Unabhängigkeit und Erwachsensein.

Dabei ist es uns dann manchmal egal, ob wir die Wirklichkeit tatsächlich so gut überblicken, dass wir allein zurecht kommen. Lieber fallen wir ab und zu mal kräftig auf die Nase, als dass wir unsere Unabhängigkeit wieder an den Nagel hängen und Gehorsam üben.
Im Grunde ist das ja auch gut so. Nicht erwachsen werden und das Denken und die Verantwortung lieber anderen zu überlassen, ist gefährlich. In dieser Welt ist es eine unausweichliche Pflicht, Erwachsen zu werden.
In Gottes Welt allerdings gelten andere Maßstäbe. In der Lesung aus der Apostelgeschichte heißt es ganz am Schluss: «Auch eine große Anzahl von Priestern nahm gehorsam den Glauben an». Und Jesus selbst hat gesagt: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder!»
Dabei geht es nicht in erster Linie darum, unsere eigene Ansicht aufzugeben und - weil Gott es uns sagt - einfach anderer Meinung zu sein. Kind Gottes zu sein, heißt ja nicht, das wir aufhören sollen zu denken. Das haben die Priester in der Lesung ja auch nicht getan. Sondern dass wir begreifen, dass unser Denken eben nicht alles umfasst, dass vieles noch außerhalb unseres Horizontes liegt. Es geht darum, dass wir durch den Gehorsam lernen, uns mit Leib und Seele (und unserem Denken und Erkennen) auf den zu verlassen, der eine größere Sicht auf diese Welt halt.

Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, dass diese Welt gottlos und unerlöst ist. In Israel werden wahllos Menschen getötet, und in Deutschland wurden an einer Schule 17 Menschen ebenso wahllos umgebracht, weil bei einem Jugendlichen sämtliche Sicherungen durchgebrannt sind. Hat Gott versagt? Ist die Osterbotschaft vom Sieg über den Tod nicht widerlegt?

«Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!» sagt Jesus. Es ist gerade ein Zeichen unserer Kindschaft und unseres kindlichen Gehorsams, dass wir dieses Wort nicht nur hören, sondern daran unseren Glauben festmachen. Euer Herz lasse sich nicht verwirren! Ganz einfach deshalb, weil Gott es gesagt hat; auch wenn die Welt ganz anders aussieht. Einfach glauben, dass Jesus selbst das Leben ist. Einfach Gott zu vertrauen - genauso wie ein Kind: «Papa hat gesagt, alles wird wieder gut.»

Gehorsam sein heißt nicht, seinen Verstand ausschalten, sondern Gott zu vertrauen. Wir haben keine andere Garantie als seine Zusage, sein Wort. Dort, wo wir nicht mehr weiter wissen oder aller Anschein gegen das Gute spricht, Gott zu vertrauen - das ist guter, kindlicher Gehorsam.

Liebe Schwestern und Brüder, echter und guter Gehorsam gehört zum Glauben dazu; aber er ist keine Last und eine Einschränkung. Wie wohltuend ist es auch für uns, wenn wir über unseren Gott sagen: «Papa hat gesagt, es wird alles wieder gut.» Amen.

Fürbitten