Neue Site - empfehlenswert! Ein Ableger der Karl-Leisner-Jugend: aktueller, kürzer, frischer und moderner: www.gut-katholisch.de.
![]() |
KARL-LEISNER-JUGEND |
Komm, Du Heiland aller Welt (GL neu 225 - GL alt )
Liebe Schwestern und Brüder!
Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.
Jesus sagt von sich, dass er kommen wird. Jesus spricht dabei von seinem Advent. Er spricht von seinem zweiten Advent, von seiner Ankunft, um die Lebenden und die Toten zu richten.
Sein erster Advent, seine Ankunft im Fleische feiern wir an Weihnachten. Darauf bereiten wir uns in dieser Adventszeit vor.
Wir leben zwischen diesen beiden Ankünften Jesu in unserer Welt. Unser Leben als Christen spielt sich zwischen der Menschwerdung Gottes und der Wiederkunft Christi als Weltenrichter ab.
Wie sollen wir unser Leben ausrichten, das ausgespannt ist zwischen diesen beiden Polen.
Das Lied, das wir einstudieren (Gotteslob 225) weist uns einen Weg.
„Wir ziehen vor die Tore der Stadt!“ singen wir da. Das Leben als Christ ist ein In-Bewegung-Sein. Das Christsein spielt sich nicht in der bürgerlichen Stube ab. Nein, wir müssen raus aus einer Bequemlichkeit. Wir müssen raus aus unserer Stube und uns auf den Weg machen.
„Wir ziehen vor die Tore der Stadt!“ Das heißt auch, dass wir uns hinausbewegen aus den sicheren Stadtmauern, hinter denen wir es uns wohnlich einrichten.
Solche Mauern sind oft unsichtbar, aber dennoch wirklich:
Man kann es sich z. B. sehr gut gemütlich machen mit Vorurteilen über andere Menschen: „Ach der, der ist ja sowieso...Ach die, die kann man doch...“
Mann kann es sich gemütlich machen, indem man das tut und sagt, was die meisten machen, was die Masse für gut hält. Nur nicht auffallen, nicht anecken. Sonst wird es für mich ungemütlich.
„Wir ziehen vor die Tore der Stadt!“ Das kann dann konkret heißen:
Wie sieht das aus mit meinen Vorurteilen anderen gegenüber. Überprüfe ich die auch einmal? Hat der andere überhaupt eine Chance aus der Schublade herauszukommen, in die ich ihn gesteckt habe? Bin ich derjenigen, die ich innerlich verurteile, schon einmal wirklich begegnet? Um Menschen wirklich kennenzulernen, muss ich heraus aus den Mauern, die vorgefasste Meinungen in mir aufbauen.
Oder mache ich mit, wenn alle über die Kirche herziehen, über die Pfarrei. „Wie altmodisch, weltfremd. Die sind sowieso alle wie dieser eine Bischof... Sie wissen schon. Und auch die Pastöre, die Mitglieder des Pfarreirates oder des Kirchenvorstandes. Ach weißt Du...“ Es gibt diesen Druck gegen uns Katholiken in unserer Gesellschaft. Es gibt auch regelrechte Kampagnen gegen Kirche und Gott und Christentum. Bald ist die Gruppe der Heiden größer als die der Christen in unserem Land. Und auch unter den Getauften gibt es viele, die gegen die Kirche sind. Über 85 Prozent der Katholiken machen sich nichts aus Gottesdienst, geschweige denn aus ehrenamtlichen Engagement in der Kirche.
Sie, liebe Schwestern und Brüder, sind die Minderheit unter uns Gläubigen.
All das erzeugt auch eine Atmosphäre, die es schwer macht, sich zu Christus und seiner Kirche öffentlich zu bekennen. Da fällt es schwer aus dieser Stadtmauer heraus zur Kirche zu gehen. Man wird damit nicht beliebter, man wird eher belächelt. Das ist nicht schön, wenn man das spüren muss. Dass Sie jetzt hier sind, liebe Schwestern und Brüder, ist ein Zeichen dafür, dass sie den christlichen Mut haben, vor die Tore der Stadt zu ziehen. Das ist ein mutmachendes Zeugnis.
Aber warum sollen wir eigentlich vor die Tore der Stadt ziehen? Unser Lied gibt eine Antwort: „Er (der Herr) ruft uns vor die Tore der Welt. Denn draußen wird er sein, der draußen eine Krippe wählt und draußen stirbt auf dem Schädelfeld.“
Der Stall von Bethlehem und das Kreuz auf Kalvaria lagen vor den Toren der Stadt. Nicht in den bürgerlich sauberen und geschützten und bequemen Städten.
Die zentralen Geheimnisse unseres Glaubens – die Menschwerdung, die Kreuzigung, die Grablegung, die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu – sie haben alle vor den Toren der Stadt ihren Ort gehabt. Dort also, wo keine gesicherten Mauern schützten, wo man die Ausgestoßenen ansiedelte, wo man den Müll hinwarf.
Papst Franziskus ist sich dieser Tiefendimension unseres Glaubens bewusst. In seinem Schreiben Evangelii gaudium, das er in dieser Woche veröffentlicht hat, macht er es immer wieder deutlich: Christsein heißt Hinausgehen. Die eigenen Grenzen und die der Gesellschaft verlassen, um Christus überall hinzutragen. Kirche darf nicht für sich sein. Kirche muss das Evangelium weitertragen, hinaustragen zu allen Menschen, besonders auch zu denen, die ausgeschlossen sind vom Wohlstand, von gesellschaftlicher Anerkennung.
Der Papst warnte in einer Predigt im Mai, vor einer Kirche aus Spießbürgern, wenn er sagt:
Es gibt auch die Wohnzimmerchristen, nicht? Jene Wohlerzogenen, bei denen alles so gut ist, die es aber nicht verstehen, mit der Verkündigung und dem apostolischen Eifer Kinder für die Kirche zu zeugen. Heute können wir den Heiligen Geist bitten, dass er uns allen diesen apostolischen Eifer gebe, dass er uns auch die Gnade schenke, in den Umständen lästig zu fallen, die in der Kirche zu ruhig sind. Die Gnade, voranzugehen hin zu den existenziellen Randgebieten. Das braucht die Kirche so sehr!
„Wir ziehen vor die Tore der Stadt!“ Dieser Lied-Ruf ist Ruf zur Nachfolge. Wir folgen Christus dorthin, wohin auch er ging: heraus aus den Mauern in unseren Herzen und Köpfen, heraus aus den Mauern, die uns von den anderen trennen. Wir wollen, können keine Wohnzimmerchristen sein, wenn wir uns Christus anschließen. Denn: „Er ruft uns vor die Tore der Welt: Steht für die draußen ein!“
Ich möchte an dieser Stelle zwei Gruppen aus unserer Pfarrei unseren Dank aussprechen, die sich immer wieder herauswagen, unterwegs sind, um für Christus Zeugnis abzulegen und für die draußen einstehen. Ich denke da an die Menschen, die in diesen Tagen von Tür zu Tür gehen, um für die Caritas, unser Sozialwerk zu sammeln. Und ich danke an die Kinder, die als Sternsinger im Januar für Kinder in Not sich aufmachen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Draußen, vor den Toren der Stadt mag es nicht immer gemütlich sein. Draußen, vor den Toren der Stadt begegnen wir aber unserem Herrn. Er ist dort und will von uns dorthin getragen werden.
Wenn wir uns nur in uns und unsere kleine Welt verschließen, kann es sein, dass wir unseren Herrn verpassen. Er erinnert uns ja:
Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.
Komm, Du Heiland aller Welt (GL neu - GL alt 108)
Liebe Schwestern und Brüder, in dieser Adventszeit werden uns in den Sonntagspredigten jeweils adventliche Lieder aus dem Gotteslob begleiten. Sie wollen uns innerlich vorbereiten auf das Fest der Geburt unseres Herrn Jesus Christus. Vielleicht können die Gedanken der Predigt und das jeweilige Lied selber für Sie etwas wie ein kleiner Wegweiser für Ihr Gebet, für Ihren Alltag in der Woche sein.
Wir beginnen den kleinen Predigtzyklus mit dem Lied im Gotteslob Nummer 108. Bitte schlagen Sie das Lied doch auf, damit Sie den Text verfolgen und vor allem mitsingen können.
"Komm, Du Heiland aller Welt."
Das Wort Heiland ist der Sprache von heute nicht mehr geläufig.
Es klingt für viele Ohren altbacken, überholt und
irgendwie kitschig, so wie ein schlecht gemaltes Andachtsbild
im Nazarenerstil. Heiland - darin steckt das Wort Heil. Ebenfalls
ein aus der Mode gekommenes Wort. Aber die Sehnsucht nach
Heil, also danach, dass alles gut werde, gut ausgehen mag,
steckt in uns allen.
Wir erleben unsere Welt ja oft als heil-los zerstritten, sei es auf der globalen Ebene mit all dem Terror, den Kriegen und Feindseligkeiten, sei es im privaten Leben, wo man sich nicht mehr grün ist mit den Verwandten, Nachbarn, Arbeitskollegen.
Viele Menschen scheinen auch ein Leben zu führen, das heil-los in die Irre führt. Die Sucht nach immer neuen Nervenkitzel, die Abhängigkeit von Drogen, das Sich-Flüchten in die Arbeit, der Rausch ungezügelten Sexuallebens ohne wirkliche Liebe - all das sind nur einige Anzeichen dafür, dass die Menschen unserer Gesellschaft trotz vielfach zur Schau gestelltem Optimismus innerlich zu verzweifeln drohen. Sie suchen nach Orientierung und Halt, aber finden sie nicht. Zumindest nicht in dieser Welt.
Unser Lied weiß um die Suche der Menschen nach Heil. Und es ruft mit allen Menschen aller Zeiten nach dem Heiland, nach dem also, der das Heil zu bringen vermag. Und wer ist dieser? Der Hl. Ambrosius, der den Text des Liedes im vierten Jahrhundert verfasst hat, gibt uns die Antwort. Eine Antwort, die für viele damals wie heute unvorstellbar erscheint: Darob staune, was da lebt: Also will Gott werden Mensch.
Die Menschen auf der Erde haben sich so heil-los verrannt, dass Gott, ihr Schöpfer selbst eingreift. Aus Liebe. Vom Himmel aus. Ja, er tut dies vom Himmel aus, aber nicht von oben herab. Er neigt sich uns zu, wird einer von uns, in Jesus Christus. Dieser ist die Brücke zwischen denen, die das Heil erwarten, die des Heiles bedürfen und dem, der das Heil schenkt.
Ja, Christus ist wirklich die Brücke zwischen Menschen und Gott, zwischen Himmel und Erde. Er ist der Sohn des ewigen Gottes. Und er ist der Sohn der jungen Frau und der Jungfrau Maria.
Er ist wesenhaft ganz Gott und Mensch. In im strahlt ein neues Licht auf. Ein neuer Tag hebt an. Eine neue Epoche beginnt, ein neues Zeitalter. Hoffnung macht sich breit. Diese Atmosphäre spüren wir, wenn wir nun die Strophen 3 und 4 gemeinsam singen.
Nun obsiegt kein Dunkel mehr. Der Text spricht nicht
davon, dass es das Dunkel nicht mehr geben wird. Not, Tod,
Leiden, Elend, Hoffnungslosigkeit, Streit - all diese Unheilserfahrungen
sind nicht auf einmal fort aus dieser Welt, aus Ihrem, aus
meinem Leben. Aber das Düstere, Bedrängende hat
nicht mehr das letzte Wort, seitdem Jesus Christus es mit
uns geteilt hat.
Er war in allem uns gleich außer der Sünde. Sogar
gelitten hat er, Schmerzen ertragen müssen, Verlassenheit
gespürt. Damals am Kreuz. So wie es heute viele Menschen
spüren. Auch und gerade hier in diesem Haus. Er identifiziert
sich sogar so sehr mit uns, dass er unseren Tod stirbt. Er
hat im Grab gelegen. So wie viele vor uns. Bekannte, Verwandte,
Freunde. So wie wir einmal im Grab liegen werden.
Aber das Grab Jesu war am Ende leer. Er ist auferstanden. Das Licht himmlischen Lebens hat gesiegt, nicht das Dunkel des Todes. Das freudige Singen hat die Grabesruhe, die Totenstille besiegt. Er hat sich so sehr mit uns auf Erden verbunden, dass er mit uns auch den Himmel verkosten möchte. Seine Sehnsucht ist es, bei den Menschen, bei uns zu sein.
Das Unheile wird es weiterhin auf dieser Erde geben. Aber der Heiland, auf dessen Ankunft wir uns vorbereiten, er geht mit uns.
Mehr noch er öffnet uns die Augen für das Große, was es jeden Tag neu zu entdecken gilt, was er selbst auf Erden entdeckt hat: die Liebe und Wärme, die mir die anderen in kleinen Gestenspenden, die Freundschaften, die mein Leben tragen, die Vielfalt der Schöpfung, die von der Größe des Schöpfers spricht, die Zeit, die ich mir und Gott gönne für das Gebet, das Wort der Vergebung, das ich spreche...
In alledem gibt uns der Herr schon einen Vorgeschmack auf den Himmel, den er uns erworben hat. Die Erde ist nicht der Himmel. Und wird es auch nie werden. Aber ohne Hoffnung auf den Himmel kann man auf dieser Erde nicht leben. Ohne den festen Glauben an das endgültige Heil erdrückt uns das Unheil. Ohne Licht kann uns das Dunkel verschlingen. ...und der Glaube trägt das Licht. Gott hat uns mit Christus alles gegeben. Sich selbst. Er schenkt uns seinen Sohn, der unser Leben geteilt hat, damit wir an seinem Leben Anteil erlangen. Auf die Ankunft des Gottessohnes bereiten wir uns vor. Wir ersehnen sein Kommen. Komm, Du Heiland aller Welt
Es kommt ein Schiff geladen (GL 114)
Eine Frau steht am Hafen, am Ufer des Meeres.
Sie schaut auf die hohe See hinaus. Seit Monaten.
Seit Monaten nämlich wartet sie.
Sie wartet auf ihren Liebsten der am Bord eines Schiffes unterwegs
ist.
Sie weiß, dass er wiederkommen wird. Sie weiß
nur nicht wann.
Jeden Tag aufs neue schaut sie zum Horizont. Voll Sehnsucht.
Jeden Tag aufs neue hofft sie die Umrisse des Schiffes zu
erblicken, um dann schließlich ihren Liebsten in die
Arme schließen zu können. Welche Freude.
Liebe Schwestern und Brüder!
Sehnsucht und Freude. Diese beiden Gefühle schwingen
in der Melodie des Liedes mit, das wir heute in den Mittelpunkt
unserer Betrachtung stellen wollen: Es kommt ein Schiff geladen.
Sie finden es im Gotteslob unter der Nummer 114. Schlagen
sie es doch bitte auf, um den Text verfolgen zu können.
Sehnsucht und Freude drücken sich in der Melodie
aus.
Der erste Teil einer jeden Strophe hat eine getragene Melodie.
Man meint das leichte Schwanken eines Schiffes im ruhigen
Wellengang sehen zu können. Man hört förmlich
das Wasser seicht an die Schiffswand schlagen. Das Schiff,
das sehnsüchtig erwartet wird.
Der zweite Teil der Strophe ist hingegen eher beschwingt fröhlich gestaltet. Am Horizont erscheint die Silhouette des Schiffes. Das Herz der Matrosen an Bord, das Herz der Wartenden am Ufer schlägt höher. Das Schiff erreicht schließlich den Hafen. Wiedersehensfreude macht sich breit. Jubel, Umarmungen.
Es kommt ein Schiff geladen bis an sein höchsten
Bord.
Für ein Kirchenlied ein etwas eigenartiges Motiv. Irgendwie
geheimnisvoll. Was soll das Schiff? Was ist die Ladung, die
teure Last, wie es in der zweiten Strophe heißt? Nach
und nach gibt der Text des Liedes Antwort: Die teure Last
ist Gottes Sohn voll Gnaden, des Vater ewigs Wort.
Jesus Christus kommt also, ist an Bord, nimmt Kurs auf das
Ufer.
Die letzte Strophe bestätigt unsere Vermutung, wer mit dem Bild des Schiffes gemeint ist: Maria, die Mutter Gottes. Sie trägt den Sohn Gottes, den Heiland in ihrem Mutterschoß.
Das Schiff geht still im Triebe.
Der Herr kommt nicht mit Trara und großen Gefolge. Nein,
er hat sich entschieden sozusagen im Verborgenen, im Geheimen
zu kommen. Getragen im Schoße einer einfachen Frau.
Zu Betlehem geboren im Stall ein Kindelein. Wie es in der
vierten Strophe heißt.
Das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast.
Mit diesen Zeilen deutet das Lied die Jungfrauschaft Mariens
an. Der Hl. Geist hat sie überschattet. Sie blieb zeitlebens
Jungfrau, so lehrt es die Kirche. Und so verehrt die Kirche
die Mutter Gottes. Weil sie Jesus Christus vom Hl. Geist empfangen
und ihn der Welt geboren hat, hat Maria einen wichtigen Platz
in unserem katholischen Glauben. Sie ist Urbild der Kirche.
Wie Maria soll die Kirche Christus in die Welt tragen, ihm
sozusagen ein Gesicht, Hände und Füße geben.
Während des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde von
den Konzilsvätern diskutiert, in welches Dekret der mariologische
Teil Eingang finden solle: im Dokument über Christus,
über die Kirche, soll ein eigenes Dokument her...? Letztendlich
wurden die Aussagen des Lehramtes über Maria in das Dokument
über die Kirche in der Welt von heute eingebettet. Wie
ich finde, ein wunderbares Zeichen, eine tiefe Aussage: Maria
gehört zu uns, sie gehört in die Mitte der Kirche,
in unsere Mitte. Denn sie war ein Mensch, wie wir. Sie kennt
die Mühen des Alltags, die Sorgen um die Zukunft. Deshalb
ist sie uns Menschen auch so nahe.
Und die Menschen suchen ihre Nähe. Schauen sie sich nur
einmal in den Kirchen und Kapellen um: Wo finde ich dort Maria?
Doch in der Regel da, wo die meisten Kerzen brennen. Die Menschen
wenden sich an Maria, weil sie sich von ihr verstanden fühlen.
Vielleicht erinnern sich auch viele daran, dass sie damals
als Kind immer zur Mutter gegangen sind, wenn sie Probleme
hatte, Trost suchten und Wärme brauchten. Die Mutter
war ja immer da.
Anderen hingegen erscheint jede Marienfrömmigkeit als ein Sakrileg, als etwas, was dem Glauben an den einen Gott nicht entspricht. Zu süß, zu emotional, zu unwissenschaftlich. Sicherlich, es gibt manchmal Menschen, die Maria quasi als eine Göttin verehren. Und es mag auch teilweise eine magische Vorstellung von der Fürsprache Mariens am Throne Gottes geben. Angesichts dieser Fehlformen sollte man aber nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Die Verehrung Mariens gehört in das spirituelle Leben der Kirche hinein. Und die Kirche verfügt ja über einen reichen Schatz an Gebeten und Gebetsformen: der Engel des Herrn, die lauretanische Litanei, der Rosenkranz, das "Unter Deinem Schutz und Schirm", das Salve Regina und, und, und...
Allein diese Fülle verdeutlicht die Bedeutung Mariens für unseren Glauben und unsere Spiritualität als Katholiken. Ohne eine gesunde Verehrung der Gottesmutter fehlt etwas. Es fehlten nicht nur die Kerzenmeere vor den Bildern... So wie in der Mitte jedes "Gegrüßet seist Du, Maria" der Name Jesus ausgesprochen und angerufen wird, so führt jede gesunde Marienverehrung zur Mitte unseres Glaubens: zu Christus. Maria trug nämlich unsere Hoffnung auf Heil in ihrem Schoß und sie hat den Messias geboren. So ist sie wirklich die Gottesgebärerin, die Gottesmutter.
Maria hat geglaubt und sich dem Herrn ganz anvertraut. So ist sie auch unsere Schwester und Vorbild im Glauben. Maria hat wie kein anderer Mensch sich um Jesus gekümmert, Gemeinschaft mit ihm gehabt, mit ihm gesprochen. So ist sie auch die Meisterin des Gebetes, das ja nichts anderes ist, als Umgang mit Gott.
Der Anker haft' auf Erden, da ist das Schiff an Land.
Das Wort will Fleisch uns werden, der Sohn ist uns gesandt.
So wie die junge Frau voll Freude ihren Liebsten in den
Arm nimmt, auf den sie so lange warten mußte. Sollten
auch wir voll Freude dem Fest der Geburt Christi entgegengehen.
Mit Elisabeth sollten wir innerlich Maria, die Mutter Gottes
und Schwester der Glaubenden, lobpreisen "Wer bin ich,
das die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Selig ist die, die
geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen
ließ."
Oder mit den Worten der letzten Strophe unseres Liedes: Maria, Gottes Mutter, gelobet mußt du sein. Jesus ist unser Bruder, das liebe Kindelein.
Kündet allen in der Not (GL 106)
Liebe Schwestern und Brüder!
"Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil." so lautet der Kehrvers des Liedes aus dem Gotteslob Nr. 106.
"Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil."
Das ist das, wonach wir Menschen uns sehnen. Egal ob wir alt
oder jung, gesund oder krank, Mann oder Frau, weiß oder
schwarz sind.
Wir sehnen uns nach dem Heil, weil um uns so vieles unheil
ist: Da tobt der Krieg im Nahen Osten und in Afghanistan.
Da erkrankt ein lieber Mensch aus der Verwandtschaft oder
Bekanntschaft. Da gehen Ehen und Familien zu Bruch. Da fühlt
sich der eine oder andere innerlich leer, ausgebrannt. Da
weiß jemand nicht, warum er überhaupt noch leben
soll, da ihm alles sinnlos erscheint.
Wir sehnen uns nach dem Heil. Genauer, wir sehnen uns nach
einem, der alles heil machen kann. Nach dem, den wir mit dem
etwas aus der Mode gekommenen Wort Heiland nennen.
Die Sehnsucht, das Heil, den Heiland zu sehen, verschlug
Johannes den Täufer in die Wüste. Dort wollte er
sich ganz auf die Ankunft des Messias bereiten. Und er wollte
die Menschen wachrütteln durch seine Predigt, dass auch
sie dem Herrn den Weg bereiten. Im heutigen Evangelium hören
wir, wie der Täufer im Gefängnis Jesus fragen lässt:
Bist Du der, der kommen soll? Bist Du wirklich der Heiland?
Jesus lässt ihm ausrichten:Blinde sehen, Lahme gehen,
Aussätzige werden rein, Taube hören... Ja, ich bin
der Heiland. In meiner Gegenwart werden die Menschen gesund,
heil, an Leib und Seele.
Ist dieser Jesus wirklich der Heiland, der, der kommen soll?
Diese Frage stellen uns Christen jene Menschen, die nicht
an ihn glauben. Auch viele Christen, angefochten von einer
unheilen Welt, fragen sich das. Unser Lied antwortet auf diese
Fragen ähnlich, wie es Jesus tat.
In der 3. und 4. Strophe heißt es:
Aus Gestein und Wüstensand werden frische Wasser
fließen; Quellen tränken dürres Land, überreich
die Saaten sprießen.
Blinde schaun zum Licht empor, Stumme werden Hymnen singen,
Tauben öffnet sich das Ohr, wie ein Hirsch die Lahmen
springen.
Aber stimmt das denn? Wo sehen wir denn Quellen aus dem Wüstensand
entspringen? Wo singen denn die Stummen, wo springen denn
die Lahmen?
Es gibt solche außerordentlichen Wunder. In Lourdes
z. B. Oder bei den Heiligsprechungsprozessen werden solche
unerklärlichen Ereignisse festgestellt. Da ist Gott am
Werk. Da bricht das ewige Heil mit Macht in die unheile Gegenwart
auf der Erde. Aber es gibt auch weniger aufsehenerregende
Wunder, die deutlich machen, dass Christus wirklich der Heiland
aller Welt ist.
Ich durfte während meines Studiums in Freiburg erleben,
wie aus einem verhärteten Herzen und einer verwüsteten
Seele Ströme lebendiger Liebe flossen. Da war ein Mann,
der zwei Menschen auf dem Gewissen hatte. Mit einem Bombenanschlag
riss er zwei Ausländer aus dem Leben. Verurteilt. Lebenslänglich.
Im Gefängnis kam er mit dem katholischen Seelsorger,
bei dem ich wohnte, zusammen. Angesichts der Botschaft Jesu
erkannte er seine tiefe Schuld. Er bekehrte sich. Nicht nur,
dass er seine Schuld und seinen Glauben in Kunstwerken verarbeitete,
nein, er wurde zu der Vertrauensperson für alle im Gefängnis:
wenn es zu Streit kam, vermittelte er zwischen den Insassen,
den Wärtern, dem Anstaltsleiter.
Der Beamte, der ihn bei Freigängen begleiten musste,
wurde sein Freund.
Ich habe nie wieder jemanden gesehen, der so wie er um die
eigene Schuld wusste. Ich habe aber auch nie wieder jemanden
gesehen, dessen Augen soviel Dankbarkeit ausstrahlten, weil
er sich trotz der Schuld von Gott geliebt wusste. Aus dem
Mörder ist ein Mensch geworden, der wirklich lieben kann.
Ich weiß von einer Frau, die im sowjetischen Kommunismus
groß geworden ist. Ihre kommunistische Überzeugung
schwankte mit der Zeit. Die Welt war ihr irgendwie unheimlich
geworden. Sie suchte nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält,
nach einer Heimat. Viele Jahre trug sie diese Fragen in sich.
Blind war sie, ihre Lebenskraft wie gelähmt. Eines Tages,
als sie zufällig eine Kirche betrat, spendete der Priester
den Segen. Sie sah die knienden Gläubigen. Und wie von
selbst kniete auch sie nieder. Auf einmal fiel es ihr wie
Schuppen von den Augen: Dieser Gott war es, den sie suchte.
Mittlerweile ist sie eine bekannte Autorin christlicher Bücher.
"Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil."
Das ist die Verheißung, die wir uns gegenseitig mit
dem Lied 106 zurufen. Uns und auch den Suchenden. Vielleicht
überlegen Sie in den nächsten Tage auch einmal,
wo sie so etwas erlebt haben. Bei anderen. Bei Ihnen selbst.
Das kann eine Kraftquelle sein für ein Leben in einer
unheilen Welt: zu wissen, dass es diesen Heiland wirklich
gibt. Und dass er wirkt.
Um darüber nachzudenken, um die Gegenwart des Heilandes in der Welt zu entdecken braucht man Ruhe, eine Wüste. Wie Johannes. Versuchen Sie sich doch diesen Raum in der kommenden Woche zu erkämpfen. Trotz, gerade wegen der Hektik dieser Tage...
Macht hoch die Tür (GL 107)
Schwestern und Brüder, stellen Sie sich einmal vor,
Sie seien der Hauptverantwortliche der Bundesregierung für
die Vorbereitung und Durchführung von Staatsbesuchen.
Was ist da nicht alles zu tun, woran muss da nicht gedacht
werden?! Roter Teppich, Festbankette, Termine für Gespräche,
eine angemessene Unterkunft, Eskorten für die Staatskarossen
und, und, und...
Von den Vorbereitungen zu einer Art Staatsbesuch spricht auch
das Lied, das im Rahmen unseres kleinen Predigtzyklus, heute
im Mittelpunkt steht. Macht hoch die Tür, die Tor
macht weit. Es steht im Gotteslob unter der Nummer 107.
Vielleicht schlagen sie es auf, um den Text mit verfolgen
zu können.
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt
der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich.
Dieses sehr bekannte Lied lehnt sich an den Psalm 24, in dem
es heißt: Ihr Tore, hebt euch nach oben, hebt euch ihr
uralten Pforten, denn es kommt der König der Herrlichkeit.
Ein Staatsbesuch, ein König kommt. Die Stadt muß
die Tore öffnen. Ansonsten bliebe der König außen
vor. Ansonsten könnte sie sich nicht erfreuen an der
Anwesenheit des Königs. Ansonsten könnte sie die
Freude und Ehre, besucht zu werden, nicht verkosten.
Aber es reicht nicht, nur die Stadttore zu öffnen, um
den großen Gast zu empfangen. Auch innerhalb der Stadtmauer
gibt es viel zu tun: die Strassen wollen gesäubert, die
Gassen vom Dreck befreit sein, die Häuserfronten werden
poliert und vielleicht hängt man noch Girlanden oder
Fahnen auf. Die Stadt soll festlich sein. So empfängt
man einen hohen Gast.
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.
Unser Lied ruft uns auf, uns vorzubereiten auf einen besonderen
Staatsbesuch: Jesus Christus, der Sohn Gottes will unter uns
Gast sein. Sich auf Ihn und sein Kommen vorzubereiten, das
ist Advent. Und wir sehen die Strassen festlich geschmückt.
Lichterketten, geschmückte Bäume findet man auf
den Strassen und Plätzen.. In diesen Tagen putzt sich
so jede Stadt heraus, selbst der kleinste Ort. Und auch in
den Häusern findet man äußere Zeichen, dass
der Advent da ist, das Weihnachten kommt: Gestecke, Adventskränze,
leuchtende Kugeln und Päckchen. Und das ist gut so.
Nur: Der äußere Schmuck reicht nicht. Die "Zweiglein der Gottseligkeit" - von denen unser Lied in der vierten Strophe spricht - reichen nicht aus.
So wenig wie es der Stadt genügt, die Tore zu öffnen,
so wenig kann es uns genügen unsere Gebäude und
Wohnungen äußerlich zu schmücken. Der König
will hinein in die Stadt. Der Herr will hinein in unser Herz.
Aber ist es wirklich bereit? Sind wir überhaupt bereit,
es zu bereiten?
Kann der Herr der Herrlichkeit, der König aller Königreich,
der Heiland aller Welt zugleich einen würdigen Platz
finden in unserem Herzen?
Können wir mit dem Autor des Liedes ausrufen, womit er
die letzte Strophe beginnt: Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
meins Herzens Tür dir offen ist?
Liebe Schwestern und Brüder, Ihnen und mir möchte ich nun einige Fragen stellen, die uns helfen können, zu entdecken, wo wir in unserem Innern noch aufräumen müssen, um ganz offen zu sein für die Ankunft des Herrn. Wenn ich uns die Fragen gestellt habe, werden wir der Melodie unseres Liedes lauschen. Dabei können wir uns, jeder für sich, Rechenschaft geben, inwieweit wir schon die Tore und Türen unseres Herzens für Christus offengetan haben.
-
Achte ich darauf, mich nicht in einen Konsumrausch hineinreißen zu lassen, bewahre ich das nötige Maß im Schenken und Beschenkt-werden-wollen?
-
Wie verbringe ich meinen Tag? Nutze ich die Zeit? Bin ich dankbar und froh für jeden neuen Tag? Oder langweile ich mich innerlich? Bin ich unzufrieden, ja traurig? Woran könnte das liegen?
-
Liege ich mit jemandem im Streit? Verachte ich innerlich jemanden? Mache ich mich gerne über andere und ihre Schwächen lustig? Neige ich zu Klatsch?
-
Nehme ich mir genügend Zeit für mich? Achte ich auf meine Gesundheit?
-
Kümmere ich mich um meine Familie, um meine Freunde, Bekannte oder Verwandte oder sind sie mir z. T. gleichgültig?
-
Nehme ich mir Zeit für das Gebet, das mich mit Gott verbindet? Oder verrichte ich es schlampig, lieblos? Besuche ich regelmäßig den Sonntagsgottesdienst?
-
Habe ich mir überlegt, mich auszusprechen, mir Rat zu holen, wo der Schuh drückt? Wann war ich das letzte Mal beichten? Wäre es nicht wieder an der Zeit, oder drücke ich mich lieb
Mit Ernst, o Menschenkinder (GL 113)
Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist schon wieder Advent. Und schon wieder fragen sich viele
von uns, wie sie den Advent gestalten sollen. Einigen bangt
es davor, dass diese eigentlich besinnliche Zeit eher in besinnungslosen
Aktivitäten verstreicht. Viele haben sich sicherlich
den Vorsatz gemacht, dass es in diesem Jahr besser klappen
soll mit der persönlichen und geistlichen Vorbereitung
auf Weihnachten. Aber wie?
Die Predigten an den Adventssonntagen wollen Ihnen in diesem Jahr einige Anregungen für das persönliche Gebet und die Betrachtung des Weihnachtsgeheimnisses mit auf dem Weg geben. Dabei greifen wir auf sozusagen Altbewährtes zurück: auf Lieder, die im Advent gesungen werden. Die Texte der Lieder laden ein, darüber nachzudenken. Das Singen der Lieder im und außerhalb des Gottesdienstes erinnert uns an die Zeit im Kirchenjahr in der wir stehen.
Die Gedanken der Predigten können natürlich nur Anstöße sein, sich selber in die Tiefe der Texte und Schönheit der Melodien zu begeben. Wir hoffen, Ihnen -übrigens auch uns- mit dieser Predigtreihe helfen zu können, dass dieser Advent wirklich eine Zeit zumindest mit besinnlichen Akzenten für uns werden kann.
Ich bitte Sie nun, dass Gotteslob zur Hand zu nehmen, damit sie den Text des Liedes verfolgen und es auch mitsingen können. Am heutigen Sonntag wollen wir uns mit dem Lied im Gotteslob Nummer 113 befassen.
Advent und Weihnachten - beide Begriffe rufen in der Bevölkerung weitenteils Erinnerungen an Kindheitserlebnisse hervor, man denkt an Kerzen, Glühweinduft, Plätzchen und Gestecke. Ein Hauch von Romantik weht durch die Welt, besonders durch die Schaufenster der Geschäfte. Romantische Gefühle - darum geht es der kirchlichen Vorbereitungszeit auf Weihnachten nicht. Daran erinnert schon die erste Strophe unseres Liedes. Diese erste Strophe wollen wir nun gemeinsam singen...
Da ist vom Ernst die Rede. Wenn man so will vom Ernst der Lage: Der Grund warum Gott Mensch wird, ist nicht der, dass er uns eine Krippenromantik verschaffen möchte, an der wir unser Gemüt erbauen könnten. Nein, der Grund ist, dass wir Menschen uns verrannt haben. Als Heil der Sünder kommt Jesus Christus ins die Welt. Gott sieht all das Unerlöste auf dieser Erde, in unserem Leben: die Kriege, den Hass, den Neid, den Hunger, die Ungerechtigkeit, den Tod...
Die Lage, in der wir Menschen uns verfangen haben, ist ernst, so ernst, dass wir aus eigener Kraft nicht da herauskommen können. Wir bedürfen eines Erlösers. Deshalb ist auch die liturgische Farbe des Adventes das Violett: Farbe der Umkehr und der Buße. Angesichts der vielen vorweihnachtlichen Feiern und all des Konsumrummels ist verlorengegangen, was die Zeit des Adventes eigentlich ist: Zeit der Umkehr und Buße.
Wie die österliche Bußzeit war und ist der Advent auch eine Zeit der Vorbereitung und des Fastens. Daran erinnert uns auch unser Hl. Vater, wenn er alle Christen aufruft, den Freitag, den 14. Dezember als einen Fasttag zu gestalten (2003). Angesichts der friedlosen Lage in der Welt soll dieser Tag ein Fastenopfer für den Frieden werden. Wie in der österlichen Bußzeit gehören zum Advent die guten Werke und die persönliche Umkehr, gerade auch im Empfang der Beichte, dem Sakrament der Freude.
Von der Bereitung und der Umkehr singt auch die zweite Strophe.
Warum sollen wir uns auf Weihnachten so vorbereiten?
Und wäre Jesus tausendmal geboren, doch nicht in Dir,
so wärst Du ewiglich verloren. sagt Angelus Silesius.
Die Geburt Jesu, die Menschwerdung Gottes ist nicht etwa ein Ereignis der Vergangenheit, nein, Gott will auch in uns Mensch werden. Er will uns an seinem freimachenden Leben teilhaben lassen. Er will sein Leben in uns führen. Die Einheit mit Christus ist das Ziel christlichen Lebens. Damit Christus in uns geboren werden kann, gilt es unser Herz zu bereiten, es von all dem zu befreien, was Gott hindert in uns Raum zu finden. Zieh in mein Herz hinein vom Stall und von der Krippen - So ruft denn auch sehnsuchtsvoll die letzte Strophe unseres Liedes.
O komm, o komm, Emmanuel (GL 902 - Anhang des Bistum Münster)
O komm, o komm, Emmanuel! So, liebe Schwestern und Brüder, beginnt das Lied, das uns heute als Grundlage für die Predigt dienen soll. Sie finden es unter der Nummer 902 im Gotteslob.
O komm, o komm, Emmanuel! Emmanuel - das heißt: Gott mit uns. Einen nahen, gegenwärtigen Gott erfleht dieses Lied. Die Melodie hat etwas Sehnsüchtiges. Ja, es scheint sehr dringend, sehr notwendig zu sein, das etwas geschieht. Die Schmerzgrenze ist erreicht, vielleicht sogar überschritten.
Wer ist es denn, der hier so fleht? Und warum?
Mach frei dein armes Israel. In hartem Elend liegt es
hier, in Tränen seufzt es auf zu dir.
Es ist das Volk Gottes, das sich am Boden fühlt, niedergedrückt
ist. Elend. Tränen. Israel scheint am Ende zu sein. Die,
die Gottes Volk sind können nicht mehr. Sie fühlen
sich von Gott in Stich gelassen. Sie brauchen seine Hilfe.
Allein kommt sie nicht mehr weiter. Niedergedrückt, am
Ende, hilflos ausgeliefert, am Boden zerstört. Von Gott
verlassen.
So fühlen wir uns Menschen auch manchmal. Gerade hier
in diesem Haus erfahre ich das immer wieder. Die Krankheit
wird zu einer innerlichen Zerreißprobe. Die schlimme
Diagnose lässt eine Welt in sich zusammenbrechen. Der
Tod eines lieben Angehörigen löst tiefe Trauer aus.
Und ich glaube, ja ich weiß, dass sich viele in diesen
Momenten auch von Gott verlassen fühlen. "Wie kann
Gott das zulassen, Herr Kaplan?" "Warum ausgerechnet
ich?" "Ich kann bald nicht mehr, ich liege hier
schon so lange?"
Ja, es gibt Grund zu klagen. Ja, manchmal ist es wirklich zum Weinen. Vermutlich haben wir alle schon einmal innerlich rebelliert gegen das Elend und Unglück, das wir am eigenen Leibe erfahren oder bei anderen miterleben mussten. Vielleicht haben wir uns auch schon mal mit dem lieben Gott angelegt, ihm mal richtig deutlich unsere Meinung gesagt: "Sieh dir das doch mal an, Gott. Das darf doch wohl nicht wahr sein: Meine Krankheit ... sein Tod ...das Elend überall ... die Katastrophen im Fernsehen: Das kann doch wohl nicht wahr sein? Wie kannst du das nur zulassen?"
Schwestern und Brüder, unser Lied ermuntert uns dazu,
all den Kummer, die Sorgen, den Frust in uns ernst zu nehmen
und sozusagen herauszuschreien. Es Gott vor die Füße
zu werfen, es ihm ans Herz zu legen, es ihm hinzuhalten. Wie
immer man es auch nennen mag.
Unser Lied ermuntert uns letztlich zu beten. Mit ganzem Herzen.
Ganz ehrlich. Ohne Redeverbot. Wir brauchen vor Gott aus unserem
Herzen keine Mördergrube zu machen. Was raus muss, muss
raus. So lehrt uns auch das große Gebetbuch der Bibel,
das Buch der Psalmen mit seinen großen Klage- und Bittpsalmen.
So können wir es auch lesen, hier im Fürbittbuch
der Kapelle, wo sich immer wieder zu Herzen gehende Zeugnisse
tiefen Glaubens und echten Gebetes finden lassen.
Das Gebet ist heilsam. Es verschafft Ruhe. Und auch in der
größten Trostlosigkeit vermag es Halt und Hoffnung
zu geben. Das Gebet ist heilsam. Aber nicht, weil es ein irgendwie
gearteter psychologischer Trick ist. Es ist auch kein psychotherapeutischer
Automatismus. Nein, das Gebet ist heilsam, weil es mit dem
Heiland verbindet, mit dem Gott-mit-uns, mit dem Emmanuel.
Wer betet, wer vor Gott klagt, der rechnet noch mit Gott.
Wer sich innerlich mit Gott anlegt, ihn anklagt, der ist nicht
ungläubig, nein, der glaubt an Gott. Deswegen ruft er
ihn ja an. Auch wenn er ihn im Moment nicht versteht.
Der Glaube ist eine Beziehung. Zwischen mir und Gott. Und
so wie Menschen miteinander kommunizieren, reden müssen,
so bedarf der Glaube auch des Sprechens miteinander. Wir sprechen
zu Gott, in dem wir zu ihm beten. Nicht nur dann, wenn es
etwas zu beklagen gibt, aber auch dann.
Gott spricht zu uns durch sein Wort, durch die Feier der Sakramente
und durch die Zeichen der Zeit, durch Begegnungen in unserem
Leben.
Um für diese Sprache Gottes offen, empfänglich zu
sein, bedürfen wir auch des Gebetes.
Liebe Schwestern und Brüder, viele werden jetzt vielleicht
denken: Beten ist ja schön und gut, aber was bringt es?
Erhört Gott denn meine Bitten überhaupt?
Es ist wahr: Das Gebet heilt nicht die Krankheit, wie eine
Tablette. Das Gebet macht die unheilvolle Diagnose nicht ungeschehen.
Das Gebet gibt mir den Toten nicht zurück.
Aber das Gebet heilt den Kranken, weil er sich in der Krankheit
von Gott getragen weiß, der in seinem Sohn selber gelitten
hat. Das Gebet heilt diejenige, die eine schlimme Diagnose
erfahren hat, weil es ihr hilft, die Angst zu tragen, ohne
zu verzweifeln, so wie der Herr im Ölgarten die Angst
vor dem kommenden Tod überwunden hat. Das Gebet heilt
die Trauernden und Verstorbenen, weil durch das Gebet die
Hoffnung auf die Auferstehung Trost und Halt gibt. Das Leben
geht weiter für die Trauernden und für den Toten,
aber anders, verwandelt. - Das heißt nicht, dass wir
nicht auch um echte Wunder beten dürften. Diese geschehen
ja wirklich.
O komm, o komm, Emmanuel!
Dieser Ruf ist nichts anderes als die Sehnsucht, dass Gott
bei uns sein möge, egal, was geschieht.
Dieser Ruf ist immer ein Zeichen echten Glaubens, der vielleicht
im Moment angefochten scheint.
Dieser Ruf verbindet uns mit Gott, der die Macht hat zu heilen,
was verwundet ist.
O komm, o komm, Emmanuel!
Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht kann Sie dieser
Gebetsruf ja in der kommenden Woche begleiten. Als ein Stoßgebet,
das Sie offen macht für das Weihnachtsfest, das sie spüren
lässt, dass ER, der Emmanuel, wirklich mit Ihnen ist.