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Predigtvorschläge - 01. Sonntag der Fastenzeit (Lesejahr B)
1. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2009)

Die Sportnachrichten dieser Tage sind voll von Wintersport. Die alpinen Weltmeisterschaften sind beendet, da geht es schon mit den nordischen Disziplinen weiter. Auch die Biathleten kämpfen um Gold, Silber oder Bronze. Für diese Medaillen verlangen sich die Sportler sehr viel ab. Ohne ein hohes Maß an Selbstüberwindung und Teamgeist bleibt der erhoffte Erfolg aus. Schon lange vor der eigentlichen Saison bereiten sich die Athleten vor. Meist ziehen sie sich in Trainingslager zurück.

Häufig kämpfen die Wintersportler noch um Ehre und Preisgelder, während mit dem Aschermittwoch die Trainingszeit der Christen beginnt: die Fastenzeit. Ihr Vorbild ist die Zeit Jesu in der Wüste, sein ganz persönliches Trainingslager, wenn man so will.

Das Aschekreuz auf der Stirn ist sozusagen der Startschuss. Ziel ist es aber nicht, Ruhm oder Medaillen oder Pokale zu erringen, sondern fit für Ostern zu werden.

Wie im Trainingslager der Sportler ein genauer Plan vorliegt, was alles angegangen werden muß – Kondition, Schnelligkeit, Sprung- oder Schießtechnik – so legt das Evangelium vom Aschermittwoch (Mt 6, 1-6.16-18) die drei Bereiche fest, in welchen der Christ seine Werte verbessern möchte: Almosen, Gebet, Fasten. Und so umfasst sein Trainingsplan die drei Grundbeziehungen des Menschen: zum Nächsten, zu Gott und zu sich selbst.

Wer Almosen gibt, also etwas von dem Seinigen abgibt, der öffnet sich auf den Nächsten hin, der denkt nicht nur an sich. So wird der Christ zu einem guten Teamplayer, der nicht engstirnig auf seinen Ruhm aus ist, sondern den Erfolg der ganzen Mannschaft im Blick hat. Selbstverständlich ist er den Mitstreitern gegenüber auf Fairplay bedacht.
Almosen geben kann dann heißen, dem anderen, der in Not ist, durch eine Spende zu helfen. Oder dem anderen ein Lächeln zu gönnen, der gerade schlecht gelaunt ist. Oder ihm etwas vom Wertvollsten zu schenken, das er hat: Zeit. Gerade die österliche Bußzeit lädt uns ein, Kranke und Einsame zu besuchen, mehr Zeit mit der Familie oder Freunden zu verbringen.

Das Gebet ist – wenn man so will – das ‚mentale Training‘ des Christen. Im Fernsehen sieht man immer wieder, wie in sich versunkene Rodler im Geiste die Strecke abfahren, die vor ihnen liegt. So ist der Sportler in der Lage, die Ideallinie zu verinnerlichen. Im Gebet können wir unseren Alltag vor Gott bringen, mit ihm den besten Weg für unser konkretes Leben suchen und finden. So wie der Rodler sich die kleinsten Unebenheiten und die schwierigsten Kurven merkt, darf der Christ alles mit Gott besprechen – das Große und Kleine, das Schöne und Schwere. Eine feste Zeit und einen festen Ort für das Gebet in der Fastenzeit zu finden, ist sinnvoll. Auch der Sportler zieht sich für das mentale Training vom ganz großen Rummel um ihn herum zurück. Der Anbetungstag an diesem Sonntag ist da eine gute Gelegenheit. Aber auch einfach zwischendurch die Kirche aufzusuchen, ist da sinnvoll.

Ein Sportler kann nicht gewinnen, wenn er sich selber nicht besiegt. Ohne Selbstüberwindung geht kein Konditionstraining.

Auch dem Christen geht innerlich die Puste aus, wenn er stets nur das tut, was ihm gerade gefällt. Wer sich nur von seinen Neigungen oder Trieben bestimmen lässt, der wird träge und antriebslos. Dagegen hilft das Fasten. Wer fastet, verzichtet auf etwas, das ihm lieb geworden ist – z. B. die Flasche Bier am Abend – oder er kämpft gegen etwas, das er besser lassen sollte – das kann auch die Flasche Bier am Abend sein. Durch das Fasten werden wir wieder Herr im eigenen Hause, handeln wir, statt uns treiben zu lassen.
Sicher verlangt auch das kleinste Fastenopfer immer wieder Anstrengung. Aber sie lohnt sich. Nicht nur für den, der fastet. Das Fasten kann auch für andere fruchtbar werden: Das kleine Opfer kann ich Gott als ein Gebet für bestimmte Personen und deren Anliegen schenken.

Ohne Training kein Sieg. Sportler wissen aber auch, dass es viele andere Umstände gibt, die den Ausgang des Wettkampfs bestimmen, Dinge auf die sie keinen Einfluss haben.
Da sind die Windverhältnisse an der Sprungschanze, die Stimmung im Stadion oder an der Strecke, die Tagesform, das Material der Skier.

Auch der Christ weiß, dass er ein geistliches Leben einüben muss, damit er innerlich reifen kann. Aber das Entscheidende hat er nicht in der Hand: die Gnade Gottes.
Und das Tröstliche ist, dass die Gnade Gottes für uns beständig da ist. Sie ist nicht wechselhaft wie der Wind oder das Wetter. Als Christen leben wir immer unter den besten Bedingungen. Wir können eigentlich nicht verlieren, wenn wir wirklich trainieren, weil Jesus für uns schon alles gewonnen hat. Am Kreuz hat er uns erlöst. Sein Ostersieg ist der entscheidende für unser Leben.

Die Fastenzeit hilft uns, ihm zu folgen. Er erwartet uns schon voll Freude am Ziel. Er wird uns keinen Pokal aus Metall überreichen. Sein Siegespreis ist die Erlösung zum ewigen Leben. Sich dafür in der österlichen Bußzeit etwas ins Zeug zu legen, lohnt sich.

2. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)

Predigtvorschlag nach Mk 1, 12-15; 1 Petr 3, 18-22

Liebe Gemeinde!

Gegen die Kirche wird immer wieder der Vorwurf erhoben, sie wolle den Menschen nur ein schlechtes Gewissen einreden, damit sie sich ihrem Einfluß ausliefern und so leichter manipuliert werden können. Wie immer ist auch an diesem Vorwurf etwas dran – es hat solchen Mißbrauch gegeben und gibt ihn auch in unserer Zeit hier und dort. Aber zum einen gilt die Regel: abusus non tollit usum, der schlechte Gebrauch hebt den guten nicht auf! Und zum anderen dürfen wir auch darauf hinweisen, daß das Motiv der Erlösung von der Schuld gar nicht von den Christen erfunden wurde. Es ist viel älter und kommt besonders häufig vor in den Mythen der Menschheit sowie in vielen Märchen. Viele Märchen beginnen mit der Schilderung einer Not, und sie reden sehr oft von einem Retter, der den geheimen Fluch löst und den Menschen ein neues Leben ermöglicht. Ja, gerade auch die moderne Fantasy-Literatur ist ganz erfüllt mit solchen Motiven, und das beweist eindringlich, daß Not und Schuld einerseits und Erlösung andererseits der menschlichen Erfahrung und Sehnsucht zutiefst entsprechen.

So muß der Vorwurf an die Adresse derjenigen zurückgegeben werden, die ihn gegen uns erheben. Wer laut oder insgeheim fordert, daß von Sünde und Schuld möglichst gar nicht mehr die Rede sein soll, damit die Menschen endlich unbesorgt tun können, was ihnen gut dünkt, der verschweigt eine ganz wesentliche Wahrheit; er befreit den Menschen nicht, sondern liefert ihn einer Geistlosigkeit aus, die ihn letztlich entwürdigt. Und es ist sehr die Frage, ob besagte Geistlosigkeit den Menschen nicht erst recht anfällig macht für raffinierte Beeinflussung.

Um der Wahrheit und der Würde des Menschen willen sieht sich also die Kirche veranlaßt, weiterhin von Sünde und Erlösung zu sprechen, besonders in der Fastenzeit. Sie hält uns die biblischen Bilder vor Augen, damit wir uns darin wiederfinden. So spricht Jesus etwa vom verlorenen Schaf, das sich im Gestrüpp verfangen hat und aus eigener Kraft nicht mehr herausfindet. Dieses Schaf ist ein Bild für den Menschen, der sich durch die Sünde verirrt und verloren hat. Jesus aber vergleicht sich selbst mit dem guten Hirten, der dem Schaf nachgeht und es aus den Dornen wieder herausholt.

Dieses Bild nimmt die heutige Lesung aus dem 1. Petrusbrief auf, wenn es heißt: „Christus ist der Sünden wegen ein einziges Mal gestorben, er, der Gerechte, für die Ungerechten, um euch zu Gott hinzuführen“. (1 Petr 3,18) Entscheidend ist die Zielrichtung: „um uns hinzuführen zu Gott“. Er ist dorthin gegangen, wohin die Sünde den Menschen geführt hat, d.h. im Bilde gesagt: ins Dornengestrüpp. Er hat sich der Macht der Sünde ausgesetzt und ist das Risiko eingegangen, selber in die Bosheit der Menschen hineingezogen zu werden. Wer sein Leben für andere einsetzt, der bleibt nicht schadlos. Das erfahren schon Ärzte und Krankenpfleger, die von den Kranken angesteckt werden können, oder Polizisten, die in Ausübung ihrer Pflicht manchmal verletzt werden. Das hat Jesus erfahren, als er sich mit uns Sündern eingelassen hat.

Um uns zu Gott hinzuführen und zurückzuführen – darum ist Christus bis zum Äußersten gegangen, bis zum Tod am Kreuz. Sein Tod war die Folge seiner Bereitschaft, uns Menschen nachzugehen in alle Verirrungen hinein, uns dort herauszuholen und wieder zurückzuführen in das Reich Gottes. Er mußte sterben, nicht weil Gottes Gerechtigkeit seinen Tod gefordert hätte, sondern weil es Menschen gab, die sein Werk vereiteln wollten. Nur insofern kann man sagen, daß Jesu Tod gottgewollt war, als Gott Treue und Gehorsam verlangt, und dem hat Jesus vollauf entsprochen, er war treu und gehorsam – ohne Einschränkung, in äußerster Konsequenz – bis zum bitteren Tod.

Doch dieser Tod hat das Ziel nicht vereitelt: uns Menschen zu Gott hinzuführen. Weil Jesus ihn freiwillig angenommen hat aus Liebe zu uns, darum konnte er uns das Leben geben, das wir ohne ihn nicht hätten. Das Opfer Jesu hat dem Reich Gottes auf der Erde wieder Geltung verschafft. Nun ist dieses Reich endlich wieder nahe, ist es nicht mehr fern und unerreichbar.

Und daraus folgt der stets aktuelle programmatische Umkehrruf: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ Kehrt um von falschen Lebensgewohnheiten, die von Gott wegführen, die letztlich den Tod bringen. Wendet euch neu dem Evangelium zu, der Botschaft von der Erlösung aus Schuld und Sünde. Laßt den guten Hirten sein Werk an euch tun, bittet um Vergebung und nehmt sie an!

40 Tage Zeit sind uns nun wieder gewährt, diese innere Ausrichtung auf Gott neu zu üben. Das Fasten ist dazu eine wirksame Hilfe, die keineswegs als veraltet abgetan werden sollte. In einer Präfation heißt: „Durch das Fasten des Leibes hältst du die Sünde nieder, erhebst du den Geist, gibst du uns die Kraft und den Sieg durch unseren Herrn Jesus Christus.“ Nehmen wir diese Zeit als Chance wahr, unser Leben wieder am Hohen und Edlen auszurichten, anstatt bloßer Mittelmäßigkeit zu verfallen. Mit den Worten eines geistlichen Schriftstellers: „Dein Leben darf kein fruchtloses Leben sein. Sei nützlich. Hinterlasse eine Spur. Leuchte mit dem Licht deines Glaubens und deiner Liebe!“

Das sind wir unserer Würde als Kinder Gottes schuldig, und das sind wir Christus schuldig, der sich nicht zu schade war, den bitteren Weg der Entsagung, des Leidens und des Opfers zu gehen.

3. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

mit dem Tod von Johannes Paul II. und seiner Verabschiedung, der Wahl des neuen Papstes, der Schlagzeile der Bildzeitung "Wir sind Papst!" und schließlich des Weltjugendtag in Köln schaut alle Welt - zumindest für eine gewisse Zeit - wieder auf den katholischen Glauben. Warum eigentlich?

Was hat sich eigentlich geändert in der Kirche, dass sie so interessant geworden ist? - Offensichtlich gar nicht viel. Papst Benedikt ist nicht offener, nicht moderner und auch nicht sympathischer als sein Vorgänger; die Kirche hat ihre Grundsätze nicht geändert, ihre Moral nicht gelockert. Die Kirche ist immer noch dieselbe.

Offensichtlich hat die Welt, die jetzt hinschaut, sich verändert. Vielleicht ist es den Menschen einfach zu klein geworden in ihrer Welt der Erklärbarkeiten, der Technik und der Berechnungen. Vielleicht reicht es den Menschen einfach nicht mehr, ein möglichst langes und gut behütetes Leben zu führen - um dann für um zu verschwinden. Die Welt hat vielleicht erkannt, wie arm sie geworden ist. Früher lebten die Menschen 60, vielleicht 70 Jahre plus die Ewigkeit bei Gott. Heute liegt die Lebenserwartung nur noch bei 80-90 Jahren. Danach wird nicht mehr viel erwartet. Vielleicht hat der sterbende Papst genau diese Botschaft vermittelt: Ich habe mein Leben der Kirche geopfert, wo ihr versucht habt, möglichst viel vom Leben zu haben. Jetzt habe ich mein eigentliches Leben noch vor mit, wo ihr nur ein Ende seht. "Seid glücklich, ich bin es auch!" - Das ist eine Weite, die diese Welt nicht mehr hat.

"Katholisch" zu sein heißt, mehr zu sehen, mehr zu leben. Wir Katholiken leben in einer Welt, die nicht mit dem Tod aufhört und sich nicht auf das Sichtbare und Messbare beschränkt. Wir leben in einer größeren Wirklichkeit.

Aber diese Wirklichkeit hat ihren Ernst. Es ist nicht einfach nur ein Paradies um uns herum. Wir haben es im Evangelium gehört: Jesus in der Wüste - und mit ihm der Teufel und die Engel.

Wer sein Leben weitet und wahrnimmt, was sich in der Welt wirklich abspielt, der kommt nicht daran vorbei, von Gottes Fügung, seiner Größe und seiner Schönheit genauso zu reden wie von der Versuchung durch das Böse. Wir können einen Hitler, die Unmenschlichkeit des Balkankrieges, einen menschenverachtenden Terrorismus und das jährliche Töten von 120.000 Ungeborenen in Deutschland nicht einfach nur als menschliche Schwäche abtun. Dahinter steht eine tiefe menschliche Wahrheit: Wir sind versucht. Wir werden in Versuchung geführt mit den immer gleichen Versprechen: Macht, Luxus, Reichtum. Ein paar Menschen töten - dann geht es uns besser. Das ist perfide, das ist teuflisch - und das ist alltäglich.

Denn das Prinzip - erst durch Böses erreichen wir die Möglichkeit, Gutes zu tun - ist die Versuchung des Menschen - auch im Alltag: Nur noch eine Lüge - dann werde ich ehrlich bleiben. Nur noch der kleine Betrug - danach nie wieder. Nur noch dieses eine Mal - dann nicht mehr. Wir reden uns ein (oder wird uns eingeredet?) dass wir erst moralisch leben können, wenn wir uns ein bestimmtes Leben gesichert haben. Fasten? Nur noch dieses eine Essen - danach gerne.

Die Antwort darauf ist die Fastenzeit: Nicht noch eben schnell alles sichern, was uns lieb ist - koste es, was es wolle. Sondern erst einmal das Gute tun. Verzichten - um unseres Heiles willen. Gott an die erste Stelle setzen. Keine Kompromisse mehr. Kein Aufschub: Nicht erst morgen, jetzt ist die Zeit des Heils.

Liebe Schwestern und Brüder, alles Übel fängt klein an. Aber auch alle Heil beginnt ganz klein. Denn vergessen wir nicht: Mit Jesus war nicht der Teufel in der Wüste, der ihm das gleiche zuflüsterte wie uns. Mit ihm waren dort auch die Engel - die uns genauso dienen, helfen und bewahren. Amen.

4. Predigtvorschlag

Kommen Sie mit in die Wüste!

Das ist die Einladung an Sie, an Euch, an uns alle, in diesen kommenden 40 Tagen, in der Österlichen Bußzeit. – Kommen Sie mit in die Wüste! Aber was ist damit gemeint? Meine ich damit vielleicht so etwas wie die Rallye Paris – Dakar, wo verwegene Fahrer mit aufgemotzten Geländewagen durch den Sand preschen?

Nein, die Wüste, um die es hier geht, die ist ganz nah bei Ihnen, bei Dir, bei mir. Die Wüste, um die es hier geht, ist ein Ort, wo es still wird in uns, wo wir ganz bei uns und ganz bei Gott sind. Wo es Ausdauer braucht, einen begonnenen Weg zu zu Ende zu bringen. Wo sich unser Glaube bewähren muß. Wo wir auf die Probe gestellt werden. - Das bedeutet Wüste, das bedeutet Fastenzeit, das bedeutet Vorbereitung auf Ostern, auf das Fest des Lebens.

Jesus ist in die Wüste gegangen und ist dort vom Satan versucht worden, heißt es heute, am Ersten Fastensonntag (vgl. Mk 1,13). Heute machen wir uns auf und folgen Jesus auf seinem Weg nach. Heute und an den kommenden Sonntagen gehen wir in die Wüste, um seinem Wort und seinem Beispiel nahe zu sein. Denn das bedeutet ja Fastenzeit: dem Beispiel Jesu und seiner Weisung nahe zu sein. An Ihm Maß zu nehmen. Denn Er ist ja unsere Mitte, die Mitte seiner Kirche, die Mitte unserer Gemeinden, auch der künftigen, neuen Gemeinde, die hier, an diesem Altar, ihre Quelle und ihr Ziel feiert.

Quelle und Ziel: Wer in der Wüste leben und überleben will, muß die Quellen kennen, die es auch in der Wüste gibt. Er muß den Weg zu den Oasen finden, wo man ausruhen und neue Kraft schöpfen kann. – Wo gibt es heute diese Oasen, wo die Menschen das klare, reine Wasser finden? Inmitten der Steinwüsten, der Beziehungswüsten, der religiösen Steppe, die immer größer zu werden scheint? Machen wir uns nichts vor: wie viele Menschen gibt es, die gefangen sind in einer Wüste, in die sie durch eigene Schuld oder durch Schuld anderer geraten sind. Wie viele Menschen gibt es, die suchen inständig nach einer Oase, die ihnen neues Leben gibt!

Jesus ist in die Wüste gegangen. Dort hat er vierzig Tage gefastet. Nach seiner Erfahrung von Armut und Flucht nach seiner Geburt, nach seiner Erfahrung von Geborgenheit und Verborgenheit 30 Jahre lang in einer menschlichen Familie, nach seiner Offenbarung am Jordan als geliebter Sohn des Vaters geht er noch nicht direkt zu den Menschen. Er geht zuerst in die Wüste. Damit gibt er ein deutliches Zeichen, das jeder verstehen kann, der die Geschichte des auserwählten Volkes Israel kennt. Denn die Wüste, das ist in der Geschichte Israels der Ort der Versuchung und des Abfalls von Gott, es ist der Ort des Murrens und der Auflehnung gegen Jahwe, der sein Volk in die Freiheit geführt hat. Es ist der Ort der Entscheidung. Und zugleich ist die Wüste der Ort, an dem Gott seinem Volk die Gebote mitteilt und seine Herrlichkeit und Größe offenbart. So ist die Wüste für das Volk der Juden ein sprechendes Bild für die Beziehung zu Gott, die es immer wieder lebendig zu machen gilt.

Jesus geht den Weg seines Volkes nach. Und indem Jesus diesen Weg in die Wüste geht, macht er stellvertretend wieder gut, was vorher falsch und schlecht war. In seiner Person kommt das neue Israel zum Vorschein, das sich ganz mit Gott versöhnt hat und ganz im Einklang mit ihm und seinen Geboten lebt. In Jesus, der in der Wüste versucht wird und nicht gesündigt hat, findet Gott seinen Sohn, den er von Ewigkeit her geliebt hat und aus Liebe zu den Menschen schickt.

Wer Jesus, den Sohn Gottes, finden will, muß ihm nachfolgen in die Wüste. Diese Wüste, in die Jesus uns mitnimmt, ist alles andere als ein Ort der Gemütlichkeit. Menschen, die in der Wüste gelebt haben, können davon berichten: wie die Sinne gereizt werden. Wie man die Dinge anders sieht, anders hört. In der Wüste begegnete Israel dem lebendigen Gott. Diese Begegnung war kein Austausch von Nettigkeiten: Der Mensch, der Gott begegnet, begegnet zunächst dem ganz Anderen, dem Größeren, ja dem total Fremden. Die Propheten, die Gott begegnet sind und von ihm den Auftrag bekamen, das Volk zur Umkehr zu bewegen, waren zunächst wie betäubt und mußten dann in aller Regel feststellen, daß ihre Verkündigung auf erbitterten Widerstand stieß ... Gott begegnen, ihn finden, ihm gehorchen, das bedeutet immer, vom Bequemen und vom Oberflächlichen, vom Angepaßten und Allgemeinden Abschied zu nehmen. Es bedeutet immer, ein Stück von sich selbst aufzugeben, um wirklich frei zu werden für das Größere, das Gott dem schenkt, der ihn hören und ihm gehorchen will.
So möchte ich an den kommenden Sonntagen Sie und Euch einladen, durch diese Zeit der 40 Tage mitzugehen und Menschen zu betrachten, die Jesus in ihrem Leben gefunden haben – sei es, daß sie fasziniert sind von ihm, daß sie spüren, daß er ihnen etwas sagt und gibt, was niemand sonst vor ihm zu geben imstande war – oder daß sie Anstoß nehmen an ihm, daß sich gegen ihn wenden und sein Wort und seine Weisung nicht annehmen.

An den Sonntagen werden wir unter diesem Gesichtspunkt das jeweilige Evangelium in den Blick nehmen und uns fragen: Wo stehe ich in diesem Geschehen? Das Evangelium ist ja nicht Vergangenheit, es ist immer neue Gegenwart; es ruft immer zur Entscheidung und zur Umkehr auf.

Ein ganz großes Mißverständnis muß bei alldem auch einmal benannt werden. Ich möchte es nennen das „katholische Mißverständnis“. Es steckt schon in dem Wort „Fastenzeit“. Dieses Wort stellt in den Vordergrund, daß es um das Verzichten geht. Viele glauben, daß nur derjenige wirklich Christ ist, der auf vieles verzichtet, der es schwer hat in seinem Leben, der täglich viele große Opfer bringt und der am besten mit einer Leidensmiene durch die Gegend läuft. Aber das wäre ein großes Mißverständnis. Natürlich – zum wirklichen Glauben gehört auch das Verzichtenkönnen. So wie es auch zum gelingenden Leben dazugehört, daß ich verzichten lerne. Ein Leben lang muß ich lernen, daß ich nicht alles haben kann und daß ich auch dann wertvoll bin, wenn ich nicht dasselbe Aussehen habe oder dasselbe leiste wie die Stars und Sternchen in den Medien.

Und zum Leben gehören auch die kleinen und großen Opfer. Zu welch großen Opfern sind Menschen bereit, die sich lieben! Menschen, die sich lieben, sind zu größten Verzichten und zu Opfern bereit, die man sich kaum vorstellen kann.

Und genau das bedeutet Glauben: Es heißt, die Liebe Gottes anzunehmen und aus dieser Liebe zu leben. Gott kennt uns, er liebt uns, und um diese Wahrheit zu bezeugen, ist Jesus für uns in die Wüste und schließlich sogar ans Kreuz gegangen. – Und noch mehr: nicht nur, um diese Wahrheit zu bezeugen, hat Jesus das getan, sondern um zu zeigen, daß er selbst die Wahrheit ist. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Er hat im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Menschen wie den heiligen Antonius und den heiligen Benedikt dazu befähigt, in die Wüste zu gehen und von dort aus Heil für die Menschen ihrer Zeit zu stiften.

Haben wir keine Angst, wenn wir heute diesen inneren Weg durch die Wüste beginnen. Gott führt uns, und er hilft uns. Amen.

Fürbitten