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KARL-LEISNER-JUGEND |
von Manfred Stücker (erstellt: 2021)
Was bedeutet eigentlich beten?
Heute komme ich zu Ihnen nicht zuerst mit einer Botschaft, mit einer Predigt, sondern mit einer Frage.
Diese Frage wurde mir vor kurzem gestellt, und ich möchte sie heute an Sie weitergeben.
Es ist die Frage einer Mutter, die mit ihrem Kind, einem Erstkommunionkind, zu mir kam.
"Mein Kind geht gar nicht gerne in die Kirche. Was kann ich tun?"
Ehrlich gesagt, war ich erst einmal nur ratlos. Bisher dachte ich, dass doch die allermeisten Kommunionkinder gerne kommen, auch in die Kirche. Dass das nicht so ist, hätte ich mir auch denken können - nun ja.
In einem zweiten Moment dachte ich: Wie ist es denn mit Ihnen, liebe Mutter? Gehen Sie gerne in die Kirche? Geben Sie ein gutes Beispiel? Machen Sie dem Kind vor, was Ihnen wertvoll und wichtig ist?
Was würden Sie, was würdest Du antworten?
Ich glaube, die Antwort kann nur eine ganz persönliche sein! Eine Antwort, die glaubhaft ist, weil einer die Antwort nicht mit Worten allein geben kann, sondern mit seinem Glauben und mit seinem Leben.
Meine ganz persönliche Antwort knüpft an das an, was wir heute, am dritten Fastensonntag, im Evangelium hören: Jesus will, dass das Haus Gottes ein Haus des Gebetes sein soll. Nicht ein Haus, in dem Geschäfte gemacht werden. Nicht ein Haus, in dem Streit, politische Debatten oder Abstimmungen gemacht werden. Auch nicht ein Haus, wo Menschen ihre Macht, ihr Ansehen oder ihren Erfolg zur Schau stellen. - Solche Häuser haben wir überall, die hat es immer gegeben und wird es auch immer geben.
Nein, das Haus des Gebetes ist ein anderes Haus, und so setzte meine Antwort an die Mutter bei dem an, was Gebet bedeutet: In meinem Heimatdorf steht eine Kirche, die mich als Kind wohl deswegen besonders beeindruckt hat, weil es ein Haus ganz anderer Art ist, nicht nur wegen seiner Architektur, sondern wegen der für mich am Anfang rätselhaften, dann geheimnisvollen und schlieÃlich glaubensstiftenden Dinge, die dort geschahen.
So habe ich es nie als Zwang empfunden, am Sonntag in die Kirche zu gehen, sondern ein inneres Bedürfnis, ein Geschenk, eine Bereicherung.
Und als ich mich dann entschlossen hatte, den Dienst als Priester in der Kirche zu tun, war für mich auf dem Weg dahin, ein gutes Jahr vor der Priesterweihe, ein Moment ganz entscheidend wichtig: der Moment, als ich während der Weihe zum Diakon vor vielen hunderten von Menschen gefragt wurde, ob ich bereit sei, den Dienst des Gebetes, besonders des Stundengebetes der Kirche, auf mich zu nehmen.
Dass dieses Versprechen nicht einfach zu halten sei, war mir damals durchaus bewusst. Aber in dem Moment war für mich förmlich zu spüren, dass die vielen Menschen, die damals den Dom in Münster füllten, die Antwort auf diese Frage gespannt erwarteten, dass sie genau zuhörten, was wir Weihekandidaten als unsere Antwort geben würden, und dass sie mit einer Dankbarkeit und innerer Freude hörten, dass wir - 18 an der Zahl - damals mit "Ja" antworteten.
Ich muss daran zurückdenken, wenn ich heute mit einer solchen Frage konfrontiert werde, wie sie mir die Mutter mit ihrem Kind gestellt hat. Und ich kann darum von mir aus nur eine Antwort geben, die vom Gebet ausgeht und sagt: Wem das Gebet wichtig ist, dem wird es auch wichtig sein, das Haus des Gebetes aufzusuchen und da die Nähe Gottes und auch die Nähe der Menschen zu finden.
Und es wird einem dann auch wichtig sein, nicht nur für sich zu beten. Sondern auch für einen Menschen, um den man sich sorgt, den man liebt, den man kennt und der einem vielleicht genommen worden ist.
Und dann wird man auch spüren, dass Gebet nicht zuallererst bedeutet, selber zu reden, sondern still zu werden und Gott reden zu lassen. Das ist ja die groÃe Einsicht und die innere Bekehrung, die der groÃen heiligen Kirchenlehrerin Theresa von Avila geschenkt wurde, als sie schon viele Jahre im Karmel war: dass Gott anfangen kann, zu mir, zu uns, zu sprechen, mit seiner leisen und unaufdringlichen Stimme.
Theresa von Avila hat eine groÃe Reform in der Kirche des 16. Jahrhunderts angestoÃen, eine Reform von innen, durch das Gebet. Wenn wir heute die Kirche reformieren wollen, müssen wir da beginnen. Und dann kann sich jeder ganz persönlich eine Antwort überlegen auf die Frage: Was kann ich tun, damit dieses Kind gerne in die Kirche geht?
"Seine Jünger erinnerten sich an das Wort der Schrift: Der Eifer für dein Haus verzehrt mich" (Joh. 2,17). Jesus will, dass das Haus seines Vaters ein Haus des Gebetes sei, des Gebetes und nicht des Geschäfts, der Beschäftigung und des Marktes. Dafür setzt er sich ein, und dieser Einsatz hat einen solchen Eindruck hinterlassen, dass er zum Anklagepunkt in seinem Prozess wurde und dass sogar Stephanus, der erste Märtyrer, das Verhältnis Jesu zum Tempel zu einem zentralen Thema seiner Predigt machte.
Doch was bedeutet das eigentlich: "Haus des Gebetes"? Was bedeutet das eigentlich: Gebet?
Das Gebet hat ja für Jesus eine starke und besondere Bedeutung. Er stellt das Gebet in der Bergpredigt, in dem Abschnitt, den wir am Aschermittwoch gehört haben, in eine Reihe mit dem Fasten und dem Almosengeben. - Vom Fasten und Almosengeben ist in unserer Wohlstandsgesellschaft immer wieder die Rede, und viel Beifall und Zustimmung kann unser Papst Franziskus erwarten, wenn er zu einem einfachen, zu einem reduzierten Lebensstil auffordert, und wenn er an die notwendige Solidarität der reichen mit den ärmeren Ländern erinnert.
Doch wie ist es mit dem Gebet? Sollte nicht die Fastenzeit auch dadurch geprägt sein, dass wir mehr beten? Intensiver? Gläubiger?
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2006)
Liebe Mitchristen!
Seit ich die Szene von der Tempelreinigung kenne, die wir gerade im Evangelium
gehört haben, habe ich mir immer wieder die Frage gestellt: Warum
handelt Jesus hier so schroff, so unvorbereitet und unvermittelt
geradezu gewalttätig, während er doch sonst voller Güte
und Milde ist? Hätte er nicht seine Kritik am geschäftigen Treiben
im Tempel etwas diplomatischer zum Ausdruck bringen können, anstatt
sofort mit einer Geißel loszuschlagen? Mußte er so nicht auf
völliges Unverständnis und Feindlichkeit stoßen, zumal
doch der Handel im Vorhof des Tempels von der Tempelbehörde genehmigt
war, damit der vorgeschriebene Opferkult vonstatten gehen konnte?
Eine erste Antwort gibt das energische Wort Jesu: Macht das Haus
meines Vaters nicht zu einer Markthalle! Die Handelsgeschäfte
entweihen den Tempel, das Haus Gottes, das Haus des Vaters Jesu! Die Händler
und Wechsler sind wie Störenfriede, die die Aufmerksamkeit auf sich
ziehen und so dem wahren Eigentümer des Tempels, Gott, die Ehre rauben.
Das will Jesus, der ganz auf die Ehre seines Vaters bedacht ist, nicht
dulden, und so treibt er sie alle voll Zorn hinaus. Dieses eigentümlich
schroffe Vorgehen erinnert an die alten Propheten, die oft durch Zeichenhandlungen
ihre Botschaften an die Menschen unterstrichen. Jesus gibt damit zu erkennen,
daß er eine besondere göttliche Sendung hat, die ihn dazu ermächtigt,
die bestehende Tempelordnung massiv anzugreifen.
Solche prophetische Kritik fordert zur Entscheidung heraus und
genau das beabsichtigte Jesus. Es gibt manchmal festgefahrene Denkgewohnheiten
und Blickverengungen, die nur durch eine scharfe Konfrontation aufgedeckt
werden können. So war es damals mit dem Opferkult im Tempel: An sich
sollte das Lob Gottes im Vordergrund stehen, die Anbetung, der Dank und
die Bitte um Verzeihung der Sünden; stattdessen war der Kult immer
mehr veräußerlicht worden und diente nicht selten als Alibi
für den fehlenden Gehorsam gegenüber Gott. Die Geschäftemacherei
im Tempelvorhof war dabei nur der äußere Ausdruck einer inneren
Fehlhaltung vor Gott:
-
Anstatt Gottes Ehre zu suchen, suchte man die eigene.
-
Anstatt Gott mit einem reuigen und demütigen Herzen zu dienen, bot man ihm äußere Opfer an, mit denen man sich aus der Verantwortung stehlen wollte, auch innerlich umzukehren von Hochmut und Selbstsucht.
-
Der Opferkult war zum Geschäft mit Gott entartet, nicht die Liebe zu Gott und die Treue zu seinem Bund bestimmten das religiöse Leben, sondern Lippenbekenntnisse und geheuchelte Frömmigkeit.
Und für all das hatte man ein perfektes System von Gesetzen und Vorschriften parat, das die Veräußerlichung des Kultes scheinbar legitimierte, ja den Blick für das Verkehrte daran fast völlig verstellte.
Die prophetische Zeichenhandlung, die Jesus in Form der Tempelaustreibung vollzog, wirkte da wie eine Ladung Dynamit, die die engen Mauern des verkehrten Denkens erschütterte und den An-Stoß zum Umdenken gab. Jeder konnte spüren, daß Jesus sich mit Vollmacht und mit heiligem Eifer für die Rechte Gottes einsetzte. Das, was vorher fraglosselbstverständlich war, wurde plötzlich massiv in Frage gestellt, und das, was fast völlig aus dem Blick geraten war, nämlich die rechte Verehrung Gottes, rückte wieder in den Vordergrund.
Uns wird diese Episode heute erzählt, weil auch wir gleichsam bei uns aufräumen müssen. Denn wir sind selbst der Tempel Gottes. Paulus fragt: Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und daß der Geist Gottes in euch wohnt? Christ, erkenne deine Würde! Der Geist Gottes wohnt in dir! Laß diesen Tempel nicht durch äußerliche Geschäftigkeit entarten, sondern sei dir stets bewußt, daß du Kind Gottes bist und als solches eine erhabene Bestimmung trägst. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir Gesalbte des Herrn sind, Christen (so heißt das griechische Wort auf Deutsch übersetzt), geheiligte Menschen, d.h. solche, die niemals auf rein irdische Ziele festgelegt werden, geschweige denn für innerweltliche Zwecke ausgenutzt und mißbraucht werden dürfen.
Wir dürfen uns nicht unter unserer Würde verkaufen! Wir dürfen den Gott, der uns diese unvergleichliche Würde schenkt, nicht eintauschen gegen den Mammon, den Gott des Geldes! Wie oft fragen wir uns: Was bringt mir der Glaube? Was habe ich davon, zur Kirche zu gehen? Die Antwort sollte immer wieder dieselbe sein: Hier begegne ich meinem Gott, der mich annimmt, wie ich bin, der mich nicht nach dem mißt, was ich habe oder was ich leiste. Die öffentliche Meinung verweigert heute Gott die Ehre, weil man die eigene sucht, weil man nur solche Götter akzeptieren will, die Macht, Lust und Geld versprechen. Wir dürfen da nicht mitmachen! Zu früheren Zeiten gingen wir in den Gottesdienst, weil wir gesehen werden wollen. Zu diesen Zeiten gehen wir nicht, weil wir nicht gesehen werden wollen. Das ist der veräußerlichte Gottesdienst, den Jesus anprangert: es fehlt die innere Beteiligung, es ist keine wirkliche Beziehung zu Gott da.
Es ist Fastenzeit: Zeit, die Vergebung Gottes zu erbitten und Jesus neu ins Herz einzulassen. Zeit, den alten Müll herauszuwerfen, so wie Jesus den Tempel von Müll gereinigt hat, es ist Zeit zum Beichten. So wie der Leib Jesu Tempel des Heiligen Geistes war, so ist es unser Leib, denn wir sind getauft und mit Heiligem Geist beschenkt. Diesen Tempel nicht zur Räuberhöhle verkümmern zu lassen, das ist der Sinn der österlichen Bußzeit. Amen.
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)
Liebe Schwestern und Brüder!
„Wir verkündigen Christus als den Gekreuzigten.“
So faßt der Apostel Paulus im ersten Brief an die Korinther seine Verkündigung
zusammen. So läßt sich die Verkündigung der frühen Kirche
zusammenfassen: „Wir verkünden Christus als den Gekreuzigten.“
Die Botschaft vom Gekreuzigten - sie stieß damals auf Widerspruch. Denn diese Botschaft war „für Juden ein empörendes Ärgernis“. Wie konnten diese Christen einen total gescheiterten Weltverbesserer als Messias bezeichnen. Einen, dessen unpolitische, friedfertige Haltung so gar nichts mit der jüdischen Messiasvorstellung zu tun hatte. Einen, der nicht der politische, ja militärische Befreier des Volkes Israel werden wollte. Dieser gekreuzigte Jude ein Messias? - das war für viele Juden ein Stein des Anstoßes, ein Ärgernis eben.
Die Botschaft vom Gekreuzigten - sie stieß damals auf Widerstand.
Denn diese Botschaft war „für Heiden eine Torheit.“ Wie konnten
diese Christen nur einen als Schwerverbrecher gehängten Juden als ihren
Erlöser bezeichnen. Dieser Gekreuzigte war das Gegenbild des weisen Menschen,
wie ihn sich die Antike vorstellte. Ein Gegenbild des Weisen, der die Rätsel
des Lebens ergründen konnte, der mit Hilfe innerliche Übungen sein
Bewußtsein erweitern konnte, der letztlich sich selbst erlösen
konnte. Der Weg des Gekreuzigten als Weg zur Selbstfindung - das war in den
Augen der Heiden damals Unsinn, Torheit eben.
Noch heute geben die verschiedenen Darstellungen des Gekreuzigten Zeugnis vom Glauben der Kirche. Wir entdecken vielerorts noch Kreuze und Kruzifixe: in den Kirchen und Kapellen, in den Klassenzimmern und Gerichtssälen, in unseren Wohn- und Arbeitszimmern ... Jedes einzelne Kreuz soll uns als Gläubige der Kirche daran erinnern: „Wir verkünden Christus als den Gekreuzigten.“ Die Botschaft ist dieselbe wie damals, wie zu Beginn des Christentums.
Und auch heute erhebt sich Widerspruch, regt sich Widerstand gegen die Botschaft vom Gekreuzigten. Das Kreuz - noch heute erhitzt es die Gemüter, denken wir nur an die zum Teil sehr lebhaften Reaktionen auf das Kruzifixurteil des Bundesverfassungsgerichtes.
Warum ist für viele das Kreuz zum Stein des Anstoßes geworden?
Das Kreuz erregt Anstoß, weil für viele der Anblick eines halbnackten
Hingerichteten schlicht unerträglich ist.
Das Kreuz erregt Anstoß, weil viele durch das Kreuz an ihren eigenen Tod erinnert werden, sie sich aber dem eigenen Tod nicht stellen wollen. Sie werden erinnert an die Erlösung, derer wir alle bedürfen, die sie aber von sich aus und nicht durch eine Tat Gottes erreichen wollen.
Das Kreuz erregt Anstoß, weil heute vielen Menschen ein Gott widerstrebt,
der Mensch wird, um dann als Schwerverbrecher zu sterben. Für das Gefühl
ist das ein Greuel, für den Verstand eine Sinnlosigkeit. Viele können
nicht an einen Gott glauben, der seinen Sohn grausam quälen und töten
läßt, um Genugtuung für die Schuld der Menschen ihm gegenüber
zu erlangen.
Aber ist das denn das Zentrale der Botschaft vom Kreuz, daß Gott sich
nur durch Menschenopfer versöhnen läßt, daß Gott einen
„Sündenbock“ braucht, auch wenn das manche verkündet
haben sollten. Ist das etwa das Gottesbild, das die Christen, das Sie und
ich, im Zeichen des Kreuzes bekennen?
Wofür steht also das Kreuz? Warum verkündigen wir „Christus
als den Gekreuzigten?“
Bei Gott ist nichts dem Zufall überlassen. Und erst recht, wenn er sich
uns in seinem Sohn offenbaren will, ist alles, was dieser Sohn sagt und tut,
ist alles was diesem Sohn widerfährt, nicht das Produkt einer „göttlichen
Laune“. Also dürfen wir das Kreuz nicht aus dem Plan Gottes mit
uns und der Welt streichen.
Eines ist gewiß: Jesus starb am Kreuz. Sein gewaltsamer Tod war die Konsequenz seiner Botschaft, einer Botschaft, die die gestörte Beziehung, die angeschlagene Ordnung zwischen Gott und Mensch, zwischen Schöpfer und Geschöpf heilen wollte. Diese Beziehung, diese Ordnung war und ist un-heil, wo der Mensch nur auf sich schaut und dabei Gott und den Nächsten aus den Augen verliert. Un-heil ist dort, wo die Menschen ihre Freiheit, die sie von Gott ihrem Schöpfer geschenkt bekommen haben, mißbrauchen und mißverstehen. Un-heil ist dort, wo die Menschen Freiheit verwechseln mit einer ichbezogenen Eigenwilligkeit, mit der Möglichkeit egoistischer Selbstverwirklichung.
In diese Welt spricht Gott zu uns als einer von uns: in Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch. Seine Worte und Werke wollen dem auf sich fixierten Menschen den Blick weiten auf Gott und den Nächsten hin. Die Liebe zu Gott und der Dienst an den Menschen - diese befreiende, heilende Botschaft traf auf offene Ohren.. aber auch auf verhärtete Herzen, die Gottes Heils-angebot nicht verstehen konnten oder wollten, die dann unserem Herrn den Prozeß machten und ihn kreuzigen ließen.
Und nun geschieht das schier Unglaubliche: Gott zieht sich nicht beleidigt zurück, wendet sich nicht von uns ab oder vernichtet aus Zorn sogar seine Geschöpfe. Nein vielmehr liefert er sich den Menschen, uns, aus. Ja, er gibt sich den Menschen, uns, ganz hin - aus freiem Willen, aus Liebe.
Der Herr geht den Weg ans Kreuz. Er, der Gottmensch, hat wahrhaftig gelernt und durchlebt, was für uns Menschen leiden heißt, was es für uns heißt körperliche Qualen zu haben, was es für uns heißt von Freunden im Stich gelassen zu werden, mißverstanden und verspottet zu werden. Wir haben einen Gott, der das menschliche Leid kennt, und der so wirklich mit uns mitleiden kann.
Der Herr, geht den Weg ans Kreuz. Für uns Menschen, für uns alle, die wir alle miteinander verbunden sind. Die wir auch miteinander verbunden sind durch die Anfälligkeit, zu sehr auf uns zu schauen, durch die Anfälligkeit, aus Egoismus zu sündigen. Wir sind auch miteinander verbunden durch das gemeinsame Schicksal des Todes.
Für uns Menschen also wird Gott Mensch und teilt mit uns als Gekreuzigter Leid und Tod. Als Auferstander will er uns aber verbinden mit seinem Leben, das heil macht, das freimacht von der Ichbezogenheit, vom Schiksal der Sünde und des Todes, das freimacht für die Liebe zu Gott und zum Nächsten .Christus hat sich so sehr mit unserem Leben verbunden, daß er uns auch mit seinem Leben verbinden will. Deswegen ist Christus für den Kirchenvater Irenäus derjenige, „der wegen seiner unendlichen Liebe das, was wir sind, geworden ist, damit er uns vollkommen zu dem mache, was er ist.“
Christus hat sich hingegeben am Kreuz, damit wir vom Tod zum leben, vom Un-heil
zum Heil gelangen.
Wir dürfen an einen Gott glauben, der uns bis zum letzten liebt, der
für jeden einzelnen von uns sein Blut vergossen hat, damit wir heil werden.
Das ist unser Glaube. Das sagt uns das Kreuz. Das ist gemeint, wenn Paulus
sagt: „Wir verkünden Christus als den Gekreuzigten.“
Liebe Schwestern und Brüder, die Vorstellung, ein anderer könnte meine Gedanken lesen, ist uns unheimlich. Zuviel Geheimnisse, Peinlichkeiten und auch unausgegorene Gedanken schießen uns durch den Kopf. Gut, dass da keiner hineinschauen kann.
Natürlich ist die Tatsache, dass wir unserem Gegenüber nicht in den Kopf hineinschauen können, auch die Quelle aller Missverständnisse. Wir reden mit einander, aber verstehen uns oft nicht. Aber das liegt oft nicht daran, dass uns das Denken des anderen verborgen bleibt, sondern dass es uns fremd ist.
Fremd - das heißt, wir wollen es nicht verstehen. Wir wollen es noch nicht einmal wirklich wahrhaben. Es würde unsere schönen Ansichten zerstören. Wir könnten nicht mehr so leicht über andere urteilen, herziehen und uns besser dünken. Wir unterhalten uns nicht gerne mit denen, die wir abgestempelt haben. Natürlich deswegen, weil wir uns lieber mit denen abgeben, die uns sympathisch sind. Aber auch deshalb, weil wir nicht verstehen wollen - sonst müssten wir uns ja entschuldigen.
Natürlich täuschen wir uns auch manchmal in die andere Richtung: Wir halten jemanden für aufrichtig, ehrlich und selbstlos, der das gar nicht ist. Aber da sind wir nicht so schnell blauäugig: Da lassen wir uns sehr leicht eines besseren belehren - immerhin wollen wir uns ja nicht blamieren.
Es sei denn, es geht um uns selbst. Es gibt da dunkle Stellen in unseren Herzen, in unserem Verstand und Denken. Aber da schauen wir nicht so genau hin. Da sind wir froh, dass wir vergesslich sind. Und sind natürlich heilfroh, dass niemand unsere Gedanken lesen kann. Es sei denn...
"Jesus wusste, was im Menschen ist..." - Gott kennt uns. Auch unsere geheimsten Gedanken. Sogar das, was uns selbst verborgen bleibt oder schon wieder vergessen ist. Vor allem das, was wir selbst nicht wahrhaben wollen. Gott kennt uns besser als wir selbst; Jesus weiß, was im Menschen ist.
Eigentlich müssten wir jetzt hochrot anlaufen. Denn es kommt noch schlimmer: Am jüngsten Tag wird das alles offenbar werden. Alles.
Es gibt Menschen, die jetzt die Kirche verlassen würden. Die jetzt sagen: Ich habe Angst vor diesem Allwisser. Ich möchte keinen Polizistengott. Es gibt Menschen, die aus Scham Gott ablehnen, sogar beginnen, Gott zu hassen.
Aber Gott begnügt sich ja nicht nur, alles zu wissen. Er zieht seine Schlüsse daraus und handelt... und das ist schließlich das Entscheidende.
Zum einen hören wir in der Lesung: "Ich bin der Herr, der Dich befreit. Der Dich herausgeführt hat aus dem Sklavenhaus." Es geht um Befreiung: Zehn Gebote - aber keine Strafandrohung. Nur eine Verheißung. Gott zeigt uns nicht im Spiegel, wie schrecklich wir sind. Er zeigt uns einen Weg, den wir gehen können.
Gott kennt uns innerstes - aber er wendet sich nicht ab, sondern wendet sich zu und führt uns - wie das Volk Israel: Aus der Sklaverei in das gelobte Land.
Und Jesus im Evangelium? Er weiß, was im Menschen ist. Er weiß, dass unser Leib ein Tempel Gottes sein soll - und er sieht, was für eine Räuberhöle wir in Wirklichkeit sind. Aber er flieht nicht - er packt an. Er reißt ein, was an Fassaden und Versuchungen existiert, er säubert und reinigt.
Das tut weh. Das bedeutet, Liebgewordenes aufzugeben. Seine eigene Schuld
anzuschauen.
Aber erstens ist das immer noch besser, als von einem Polizistengott zur
Rechenschaft gezogen zu werden (wir würden es nicht überleben).
Und zweitens es gibt die Verheißung für den Tempel, der unser
Leib ist: "In drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten."
Lassen wir uns von Gott renovieren. Das Ergebnis wird herrlich sein. Amen.