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KARL-LEISNER-JUGEND |
von Manfred Josef Stücker (erstellt: 2022)
Was ist die gröÃte Lüge?
Darf ein Pastor lügen? - Wenn Sie jetzt denken: Nein, natürlich nicht! Auf gar keinen Fall!, dann sind wir (wieder einmal) einer Meinung.
Denn ich versuche auch dann nicht zu lügen, wenn mich Leute aus der Gemeinde fragen: "Wie geht es Ihnen denn so? Sie haben doch bestimmt viel zu tun, gerade jetzt vor Ostern, gerade jetzt vor Weihnachten!"
Ich darf in diesem Moment nicht lügen. Und ich bemühe mich, eine ehrliche, ernsthafte Antwort zu geben. Die dann meistens so ausfällt: Mir geht es wirklich gut. Ich kann mich wirklich nicht beklagen. Und ich habe auch nicht wirklich viel zu tun.
Normalerweise wäre es ja - besonders vor Ostern, besonders vor den hohen Festen - so: Als Priester bin ich da, um die Sakramente zu feiern und zu spenden. Das bedeutet gut besuchte Gottesdienste, auch an den Werktagen. Da gibt es Kreuzwegandachten und den Wunsch vieler Leute, daà die Kranken zu Hause besucht werden und die Schwerkranken die heilige Salbung empfangen. Und bis kurz vor dem Osterfest würde die Reihe der Menschen nicht abreiÃen, die sich vornehmen, nicht nur den Frühjahrsputz zu Hause über die Bühne zu bringen - was schon etwas Ãberwindung kostet - sondern auch, im Wochenendhäuschen des Priesters, den Frühjahrsputz der Seele zu halten, was vielleicht noch gröÃere Ãberwindung kostet.
Die Wirklichkeit sieht ein bisschen anders aus, denn wenn ich wirklich meine Ruhe haben will, gehe ich in das Wochenendhäuschen, sprich Beichtstuhl - jetzt in der Coronazeit in die Kirchenbank - und habe viel Zeit zum Lesen und zum Beten.
Ãrgere ich mich darüber? Rege ich mich darüber auf? - Auch auf diese Frage muss ich eine ehrliche Antwort geben: Ich denke schon darüber nach. Ich frage: Was hat dazu geführt, dass ein Zustand erreicht ist, an dem ich selbst vor hohen Feiertagen wenig zu tun und viel Zeit habe? - Nur ein ganz schwacher Trost ist, dass es anderswo, wie es scheint, auch nicht besser ist.
Ich denke also darüber nach und denke zurück an das Evangelium vom vergangenen Sonntag, wo von der Umkehr zum Leben die Rede war und das die Botschaft enthielt: Fang bei dir selber an! Klage nicht über das Verhalten anderer, und versuche nicht, die anderen zu ändern oder mit Fingern auf sie zu zeigen, sondern beginne bei dir selber, in deinem eigenen Leben!
Das muss sich natürlich auch der Priester sagen lassen. Auch er ist ein Mensch mit Fehlern und Macken, mit Grenzen und Versuchungen. Und auch er kann sich das Wort der Versöhnung nicht selber sagen, er kann es sich nur sagen lassen.
Und dann sind wir im Nachdenken auch schon mitten in dem wunderbaren Gleichnis, das nicht allein den verlorenen Sohn und den wiedergefundenen, barmherzigen Vater darstellt, sondern auch, sozusagen als roten Faden, eine Wirklichkeit, die im Leben des Glaubens, aber auch im Leben als Menschen ganz wichtig ist: die Freiheit.
Der Vater im Gleichnis lässt seinen Sohn fortziehen und gibt ihm sogar das Erbe mit. Er schenkt ihm also die Freiheit, das zu tun, was er, der Sohn, für richtig hält. Das ist nicht das Gleiche wie das, wovon der Vater im Innersten seines Herzens überzeugt ist.
Diese Freiheit führt in die Konsequenz, daà der Weg auch in die Irre und ins Elend führen kann. So kommt es dann auch. Der Sohn verliert alles und landet schlieÃlich bei den Schweinen. Er hat nichts mehr.
Aber das stimmt nicht ganz. Er hat immer noch - auÃer, dass er lebt - etwas ganz Kostbares: er hat seine Freiheit. In dieser Freiheit kann er entscheiden, was seinem Leben eine neue Wendung gibt: die Heimkehr zum Vater.
Man könnte sagen: diese Freiheit, die er jetzt immer noch hat, zeigt, dass er den Kontakt zum Vater nie ganz verloren hat! - Oder anders gesagt: In dem MaÃ, wie er seine Freiheit dazu genutzt oder miÃbraucht hat, sich vom Vater zu entfernen, in dem Maà verliert er nach und nach nicht nur seinen Besitz, sondern noch viel mehr: er verliert das kostbarste Geschenk der Freiheit, seine Würde.
Das meint Jesus in diesem Gleichnis ja sicher auch: Das Erbe, das der Sohn da mitnimmt, das ist nichts anderes als die Würde, Kind dieses Vaters zu sein! An diese Würde, an die Schönheit dieser Bestimmung erinnert sich der Sohn in seiner tiefen Erniedrigung, und er kommt - in der Weise der Freiheit - zu dem Entschluss, dass es gut wäre, wenn er denn schon diese Würde verspielt hat, doch wenigstens wieder in die Nähe seines Vaters zu kommen, um so, wenn schon nicht als Kind, sondern nur als Knecht, in der Gegenwart des Vaters nach und nach wieder aufzuleben.
Diese Freiheit zu gebrauchen, bedeutet, nicht zu lügen, sondern die Wahrheit anzunehmen und die Wahrheit zu verwirklichen. Mit dem ehrlichen Blick auf sich selbst und seine Situation hat der Sohn seine Freiheit in vollkommener Weise verwirklicht.
Umgekehrt heiÃt das, hätte sich der Sohn selbst belogen, hätte er sich vorgemacht, sein Zustand sei doch eigentlich gut, er sei doch unabhängig, er wäre doch seinen eigenen Weg gegangen usw. - dann hätte er mit dieser Lüge auch seine eigene Freiheit verworfen und verwirkt.
Noch einmal die Frage von vorhin: Darf ein Pastor lügen? - Natürlich nicht, er muss die Wahrheit sagen: Die Wahrheit über dieses Gleichnis, die Wahrheit, die darin besteht, dass der Mensch groà ist, weil Gott ihm eine wunderbare Würde schenkt, die Würde als Kind und als Erbe.
Und auch die Wahrheit über die Vergebung, die Gott schenkt und die wir im Sakrament der Versöhnung, in der heiligen Beichte, feiern dürfen. Die Beichte ist überhaupt das österliche Sakrament, denn hier dürfen wir an uns selber erfahren, was über den verlorenen Sohn gesagt wurde: "Dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden." (Lk 15,32)
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2007)
Liebe Gemeinde!
Angesichts des großartigen Gleichnisses von heute könnten wir uns einmal die Frage stellen: Wem gleiche ich zur Zeit am meisten: dem Vater, dem jüngeren oder dem älteren Sohn? Oder wir können auch umgekehrt fragen: Wem dieser drei bin ich am wenigsten ähnlich, mit welcher Verhaltensweise habe ich die größten Schwierigkeiten?
Ich schlage diese kleine Besinnungsübung vor im Hinblick auf die Ausstrahlung unserer Gemeinde nach außen. Gewiß hat dieses Gleichnis Jesu auf die Hörer aller Zeiten eine ungeheure Anziehungskraft ausgeübt, die hier erzählte Barmherzigkeit des Vaters zieht fast jeden unwiderstehlich an. Umgekehrt stößt die Hartherzigkeit und Sturheit des älteren Sohnes ab. Vermutlich war die Erfahrung solchen Verhaltens von seiten der führenden Juden für Jesus überhaupt der Anstoß, dieses Gleichnis zu erfinden. Er war traurig und enttäuscht, statt Begeisterung vorwiegend Empörung über seine Predigt zu erfahren. Man ließ ihn unmißverständlich wissen, daß man auf ihn und seine Botschaft gut verzichten konnte.
Auf diesen Punkt kommt es mir heute an. Genau dasselbe erleben wir Christen heute nämlich auch: daß man uns nicht hören will, daß man gut auf unsere Botschaft verzichten und ohne sie ganz gut leben kann. Was aber ist der Grund, daß wir diese Ablehnung erfahren? Es gibt hier nämlich die drei Möglichkeiten: weil die Mehrzahl der Christen sich so wie Jesus verhält und sich darum bei den Mächtigen, besonders den Ausbeutern und Kapitalisten verhaßt macht; oder weil sie sich wie der jüngere Sohn verhält und durch moralischen Tiefstand abstößt; oder weil sie sich wie der ältere Sohn verhält und ein Bild der Umbarmherzigkeit abgibt.
Vielleicht denken Sie jetzt, es gibt auch noch viele ganz andere Gründe, die in meiner Aufzählung nicht vorkommen, z.B. daß die Leute ganz einfach desinteressiert sind an religiösen Fragen, ohne daß dies mit dem Verhalten der Christenheit zusammenhängen muß. Das will ich nicht bestreiten, denn es gibt Zeiten in der Geschichte, da ist in der Tat weniger Offenheit für die Religion gegeben als zu anderen Zeiten. Das haben wir auch nicht in der Hand. Aber das soll uns nicht von der grundsätzlichen Prüfung unserer Frage abhalten, zumal es durchaus Anzeichen dafür gibt, daß wir derzeit vor einer Wende hin zu mehr religiösem Interesse stehen. Gerade dann aber ist es von um so größerer Wichtigkeit, daß wir Christen ein Bild nach außen abgeben, das einlädt und nicht vor den Kopf stößt.
Um es einmal so zu sagen: das Scheitern, das Jesus erleben mußte, hatte einen edlen Hintergrund und letztlich hatte es die besten Folgen. Denn das Kreuz ist Zeichen des Sieges, das Blut der Martyrer ist der Same für neue Christen . Wer bei seinen Mitmenschen nicht ankommt, weil er Zeuge der Barmherzigkeit des Vaters ist, der ist auf der besten Seite und muß sich keine Vorwürfe machen. Dieses Zeugnis ist heute gewiß nicht leicht, leben wir doch in einer Gesellschaft, die den Menschen immer mehr nach seiner Leistungsfähigkeit beurteilt, in der den Müttern empfohlen wird, ihr Kind in eine Krippe zu geben, damit sie bald wieder arbeiten gehen können, während andererseits vielen Arbeitswilligen die Türen verschlossen werden. Geld regiert die Welt, für Barmherzigkeit ist nicht einmal mehr im Raum der Kirche Platz. Da klingen sehr schnell die biblischen Worte wie hohle Phrasen, vor allem in den Ohren der Verlierer. Aber auch diejenigen, die auf der Gewinnerseite stehen, sind von Angst um ihren momentanen Vorteil besetzt und von daher kaum imstande, sich den Verlierern in wirklicher Barmherzigkeit zuzuwenden.
Die schwache Ausstrahlung unseres Glaubens nach außen kann also damit zusammenhängen, daß die Mehrzahl der Christen dem Vater in unserem Gleichnis zu unähnlich ist bzw. daß es zu wenige Vorbilder der Barmherzigkeit gibt. Sie kann freilich auch darin ihren Grund haben, daß in unseren Reihen zu viele verlorene Söhne und Töchter sind, die bei den Außenstehenden das Urteil aufkommen lassen: Die sind ja auch nicht besser! Und schließlich könnte es sein, daß ein Großteil von uns mit der Zeit selbstgerecht und hartherzig geworden ist wie der ältere Sohn. Ganz gleich wie ein jeder diese Besinnungsfrage für sich beantwortet, das heutige Gleichnis gibt uns den entscheidenden Anstoß für eine Vertiefung unserer Praxis als Christgläubige: Wir alle leben von der Barmherzigkeit und brauchen sie wie die Luft, die wir atmen. Nichts zieht den Menschen mehr zur christlichen Botschaft als die Güte und Barmherzigkeit Gottes. Sie schenkt uns Wert und Würde, die heute so sehr angegriffen und mit Füßen getreten werden. In unserer Gesellschaft leiden so viele unter dem Gefühl, wertlos zu sein oder ihre Würde verloren zu haben: z.B. Frauen, die nicht arbeiten können, genauso auch solche, die arbeiten müssen und ihr Kind in staatliche Obhut geben; unglücklich Verheiratete, die sich scheiden lassen, wie auch solche, die zusammenbleiben. Jeder sieht sich kollektiver Kritik und Abwertung ausgesetzt, kaum einer hört ein aufrichtendes und ermutigendes Wort. Sollte da unser Evangelium nicht aktuell sein?
Eine Welt ohne Barmherzigkeit ist ein kalter Ort. Sie allein hilft uns, unser Leben zu bejahen, gerade wenn es gebrochen oder von Unzulänglichkeit und Scheitern gezeichnet ist. Gott sagt sein JA zu uns und schenkt uns damit eine unverlierbare Würde. Seine Barmherzigkeit zieht uns an. Möge sie auch andere anziehen, weil sie sie an uns und durch uns erfahren!
von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 2004)
Liebe Schwestern und Brüder!
Geht es Ihnen manchmal auch so? Denken Sie auch schon mal bei sich:„Also,
lieber Gott, wenn Du jetzt ein richtiges Wunder machen würdest, dann
könnte ich richtig glauben. Irgendeine mächtige Tat von Dir, die
alle sehen, und alle könnten gar nicht anders als an Dich glauben.“
Ja, das wär’s doch: So ein richtiges Wunder, vor aller Augen.
Nun, dieses Experiment hat Gott schon mehrmals durchgeführt. Er hat
schon vor aller Augen Wunder gewirkt. Er hat immer wieder in das Leben der
Menschen, in das Weltgeschehen eingegriffen. Nur blieb der Erfolg leider aus.
Schauen wir nur auf das Evangelium von heute.
Da heilt Jesus einen Blindgeborenen. Einer, der nie sehen konnte, kann durch das Wirken Jesu auf einmal sehen. Ein Wunder. Ein wirkliches Wunder. Da müssten doch die Umstehenden zum Glauben kommen. Von Wegen.
Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet, blindgeboren zu sein, überhaupt blind war.
Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet sehend geworden zu sein, auch der ist, der am Straßenrand saß und bettelte, oder ob es sich lediglich um einen Doppelgänger handele.
Da wird gezweifelt ob derjenige, der behauptet, blindgeboren und geheilt worden zu sein, ein zuverlässiger Zeuge in eigener Sache sein kann, schließlich war die Blindheit in den Augen der Menschen damals eine göttliche Strafe für Sünder. Und kann man Sündern vertrauen? Erst recht Asozialen und Bettlern?
Da wird gezweifelt, ob derjenige, der behauptet blindgeboren und geheilt worden zu sein, überhaupt sagen kann, was und wie es geschehen ist. Er war doch blind. Er hat den Heilenden ja nicht einmal gesehen.
Da wird gezweifelt, dass eine Heilung an diesem Tage habe stattfinden können, wo doch am Sabbat verboten ist, sich die Hände durch einen Teig schmutzig zu machen.
Das Experiment mit dem Wunder ist gescheitert. Jedenfalls bei einem Großteil der Menschen. Gut, der Blindgeborene selbst und vielleicht einige wenige andere, aber sonst...?
Woran ist dieses Experiment gescheitert? Am Wunder selbst kann es nicht gelegen haben. Das war eindeutig, zwingend.
Nun das Experiment mit dem Wunder ist an denen gescheitert, die aufgrund des Wunders hätten zum Glauben finden können.
Sie waren nicht bereit, ein Wunder anzunehmen.
Sie konnten sich nicht vorstellen, dass Gott seine Macht ausgerechnet so demonstrieren
wollte. An einem Sabbat, an einem Bettler, so ganz ohne Glanz und Gloria...
Wunder? Ja! Aber bitte nach unseren Kriterien und Vorstellungen.
Vielleicht hatten die Menschen damals auch verlernt, mit Wundern zu rechnen? Vielleicht war ihnen der Gedanke, dass Gott in unser Leben, in das Weltgeschehen eingreifen könnte, gänzlich verlorengegangen? Und weil sie mit dem Eingreifen Gottes nicht mehr rechneten, merkten sie es auch nicht mehr.
Wir merken, liebe Schwestern und Brüder, mit dem Wunder allein ist es nicht getan. Wir müssen schon bereit sein, Wunder sehen und anerkennen zu wollen.
Gott will niemanden zum Glauben zwingen. Das kann er auch nicht. Denn Glauben
verlangt Freiheit.
Gott greift aber in unser Leben ein durch Wunder und wunderbare Fügungen.
Das muss keine Heilung von Blindheit sein. Es genügt manchmal schon,
dass mir gerade derjenige über den Weg läuft, der mir in dieser
Situation helfen kann. Es liegt an uns, ob wir offen dafür sind. Es liegt
an uns, ob wir sie wahrhaben wollen.
Simon von Cyrene war auf kein Wunder aus. Er wollte kein Wunder sehen. Diesem
Simon wollen wir in der heutigen Predigt ein wenig begegnen.
Vielleicht wollte er damals nur nach Hause gehen. Und da passierte es:
Einen Mann, der gerade vom Feld kam, Simon von Cyrene, den Vater des Alexander
und des Rufus, zwangen sie, sein Kreuz zu tragen.
Sein Kreuz – damit ist das Kreuz Jesu gemeint.
Simon wird gezwungen, das Kreuz eines anderen zu tragen. Welch eine Demütigung.
Unter den gaffenden Blicken der Menge einem helfen müssen, der als Schwerverbrecher
verurteilt worden ist.
"Was habe ich mit dem Kerl zu tun? Was soll das? Ich will so schnell
wie möglich raus aus dieser Situation!" So oder so ähnlich
werden die Gedanken bei Simon gewesen sein.
Und diese Gedanken wird man auch in seinem Gesicht hat ablesen können.
Augen sprechen ja.
Irgendwann werden sich die Augen Jesu von Nazareth und die Augen des Simon von Cyrene getroffen haben.
Und vielleicht da ist ein Wunder geschehen.
Nicht ein Wunder, das irgendwie spektakulär gewesen wäre, für
die anderen sichtbar, wie die Heilung eines Blindgeborenen.
Nein, dieses Wunder hat sich im Inneren des Simon ereignet.
Dieses Wunder nennen wir heute: Bekehrung.
Derjenige, der mit Jesus, mit diesem Kreuz, mit all dem überhaupt nichts
zu tun haben wollte,
eben dieser Mann, wurde ein Jünger Jesu. Und mit ihm seine beiden Söhne,
Alexander und Rufus. So sagt es die Hl. Schrift.
Simon war nicht blind für Jesus, so wie die Schriftgelehrten und Pharisäer, die einfach nicht wahrhaben konnten oder wollten, wer dieser Jesus ist.
Gott hat in das Leben des Simon eingegriffen. Und er hat es gemerkt. Jesus
trat in sein Leben. Ganz unverhofft.
Und sein Leben hat sich verändert. Von Grund auf.
Am Anfang dieses Weges, dieses neuen Lebens steht die Begegnung mit Jesus
und mit seinem Kreuz.
Bitten wir in dieser Hl. Messe darum, dass wir nicht mit Blindheit geschlagen sind, wenn der Herr an uns vorüberzieht...vielleicht mit dem Kreuz.
Nein, wir wollen nicht blind sein, für die Wunder, die der Herr mit uns und in uns vorhat.
von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)
Liebe Gemeinde!
Nur im Lukas-Evangelium finden sich die beiden Gleichnisse vom verlorenen Schaf und von der verlorenen Drachme sowie das sich unmittelbar anschließende Gleichnis vom verlorenen Sohn. Es sind wahre Goldkörner im Neuen Testament, und nicht zuletzt ihretwegen hat man das Lukas-Evangelium auch das Evangelium von der Barmherzigkeit genannt. Obwohl die Gleichnisse leicht zu verstehen sind, ist es doch immer wieder nötig, sich ihren Sinn neu bewußt zu machen, damit wir Christen heute nicht verlernen, uns über das Wunder der Barmherzigkeit Gottes Tag für Tag zu freuen.
Die Zuhörer Jesu waren einesteils Zöllner und Sünder und andernteils Pharisäer und Schriftgelehrte. Jesus verkündet ihnen die Barmherzigkeit Gottes in Wort und Tat. Aber das Seltsame passiert: nicht die Frommen und Gerechten nehmen diese Verkündigung an und freuen sich darüber, sondern ausgerechnet die Gottfernen und Verbrecher. (Natürlich waren in Wirklichkeit die Gegensätze nicht so eindeutig verteilt: es gab auch Pharisäer, die Jesu Botschaft angenommen haben, und sicher auch viele Sünder, die sich nicht bekehrt haben. Der Evangelist zeichnet Pharisäer und Sünder absichtlich so klischeehaft, um deutlich zu machen:) Wer ganz unten steht, sich verloren und unwürdig vor Gott fühlt, dem liegt es näher, nach Gnade und Barmherzigkeit zu dürsten, und der spürt die ganze Erleichterung, die Freude und den Trost, die Jesu Frohe Botschaft schenkt. Wer hingegen von seiner eigenen moralischen Tadellosigkeit und Ehrsamkeit überzeugt ist, wer sich für gerecht und fromm hält, der empfindet keine Freude über Gottes Barmherzigkeit, denn er braucht sie ja angeblich nicht. Ja, es kann sogar so weit kommen, daß er sie auch denen nicht gönnt, die sie seiner Meinung nach gar nicht verdienen. Doch dazu sagt Jesus: Im Himmel herrscht mehr Freude über einen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben.
Doch sehen wir noch einmal genau zu, was Jesus im Gleichnis sagt: Da ist der jüngere Sohn, der von zu Hause weggeht und sich ins pralle Leben stürzt, um es soweit es geht auszukosten. Das ist eine Handlungsweise, die immer wieder geschieht. Dieser junge Mann merkt zuerst gar nicht, welche Folgen sein Tun hat, er hat seinen Vater, d.h. Gott vergessen und sieht nur die Oberfläche des Lebens, das Materielle, die scheinbaren Freundschaften, die seichten Ablenkungen u.ä. Er kommt erst zur Besinnung, als sein Geld verbraucht ist und er bei den Schweinen gelandet ist. Innere Leere und Ekel packen ihn, plötzlich wird ihm bewußt, was ihm die ganze Zeit gefehlt hat: sein Vater, die gute Beziehung zu Gott, die er wegen angeblich viel schönerer Dinge abgebrochen hat. Wohlgemerkt: Diese Erfahrung ist eine Gnade. Lange nicht alle Menschen sind so weit gekommen. Es geht uns zu gut, sagen alte Leute manchmal und treffen damit den Nagel auf den Kopf. Erst wenn wieder schlechtere Zeiten kommen, vergeht die falsche Euphorie und wird die Lebenslüge entlarvt.
Da ging er in sich. Das ist die entscheidende Wendung. Er erschrickt über sich selbst, erinnert sich an seine Vergangenheit und bereut von Herzen seine Irrwege. Das In-sich-gehen ist eine Rückkehr, ein erneutes Zu-sich-selbst-finden, dorthin, wo Gott wartet. Denn so bekennt Augustinus Du warst drinnen in mir, während ich draußen umherschweifte, wie ein Schemen meiner selbst.
Der Sohn kehrt zum Vater zurück, zum Vater aller Väter, der die Liebe ist. Dazu gehört Mut, freilich nicht gar soviel, wie der Sohn sich im vorhinein gedacht hat, denn der Vater geht ihm schon entgegen, umarmt und küßt ihn, lädt ihn ein zum Freudenfest. Kein Vorwurf, keine Anklage, keine Strafe! Die Selbstanklage des Sohnes genügt. Unter das Gewesene ist ein Schlußstrich gezogen ein für allemal! Welche Freude muß im Herzen des Sohnes aufgestiegen sein, er war doch schon wie tot, und nun lebt er wieder, er war verloren und ist wiedergefunden worden!
Und dann ist da noch der ältere Bruder. So wie das Gleichnis ihn schildert, ist er ebenso verloren wie der jüngere, aber es wird noch nicht einmal erzählt, ob auch er sich wieder-finden läßt. Er bricht die Beziehung zu seinem Bruder ab und nennt ihn nur noch abschätzig den da, deinen Sohn! und will mit ihm nichts zu tun haben. Er ist so stolz auf sein anständiges Betragen, daß er nicht wahrnimmt, wie sehr auch er aus der Liebe seines Vaters lebt, und so selbstgerecht, daß er keine Barmherzigkeit üben will. Ganz offensichtlich ist dieser Sohn ein Bild für die gesetzestreuen Pharisäer. Gott hat es mit ihnen noch schwerer als mit den Sündern, denn scheinbar haben sie ja niemandes Barmherzigkeit nötig. Wenn sie selbst Gott wären (was sie sich sicher manchmal gut vorstellen können), dann würden sie schon aufräumen mit all den Lumpen, den Unwürdigen und Ungerechten! Im Vor- und Aufrechnen sind sie ja gut, auch im Nachhalten und Nachkarten. Sie würden schon dafür sorgen, daß die Mastkälber gerecht verteilt werden, und während sie so für sich selbst sorgen, würden sie unmerklich aus der Liebe herausfallen, immer weiter, bis sie nicht einmal mehr merken würden, sie hohl und aufgesetzt, ja wie verlogen ihre ganze zur Schau gestellte Gerechtigkeit ist!
Liebe Gemeinde! Wir haben Aufbruch und Befreiung als Thema für die diesjährige Fastenzeit gewählt. Am heutigen Sonntag LAETARE fällt schon das erste Freudenlicht von Ostern durch die Gitterstäbe unseres Kerkers. Das Evangelium will uns jedenfalls diese Freude vermitteln. Darum abschließend eine Gewissensfrage: Bedrückt mich meine Schuld, in die ich mich verstrickt habe, und freue ich mich wirklich über die heutige Botschaft, weil sie mir den Ausweg zeigt? Falls nicht, dann sollte ich mich ernsthaft mit der Möglichkeit auseinandersetzen, daß mit dem älteren Sohn ich selbst gemeint bin. Dieser hatte sein ganzes Leben das Licht der Liebe vor Augen und ging doch nicht hinaus ins Freie, sondern blieb in den Mauern seines Ich, verbissen darum besorgt, sich keine Blöße zu geben, nicht einmal die, ein unverdientes Geschenk anzunehmen, geschweige denn selbst etwas oder gar sich selbst zu verschenken.
Liebe Schwestern und Brüder,
Jesus erzählt das Gleichnis vom verlorenen Sohn hier
den Pharisäern und Schriftgelehrten, und zwar so, dass
diese sich leicht wieder erkennen können:
Da ist der abtrünnige Sohn, der sich nun wirklich schäbig
benimmt und restlos herunterkommt - der noch der tiefer sinkt
als die Schweine, die er hüten muss. Für die Juden,
die die Schweine als unreine Tiere angesehen haben, war klar:
Tiefer kann keiner sinken. Unschwer erkennen die biblischen
Zuhörer darin ganz klar die Sünder und vor allem
die Zöllner, die ja das eigene Volk ausbeuten und den
Römern dienen.
Und auf der anderen Seite steht der zweite Sohn, von dem der
Vater sagt, dass sie alles gemeinsam haben, der ihn sein Kind
nennt und ihm nichts vorzuwerfen hat. Darin dürften die
Pharisäer unschwer sich selbst erkannt haben.
Jesus kritisiert nicht die Pharisäer, die das Volk in
die Gerechten und in die Sünder einteilten. Er leugnet
nicht, dass die Zöllner Sünder sind. Und er behauptet
auch nicht, dass die Pharisäer nicht wirklich oft heiligmäßige
Menschen gewesen sind.
Aber er legt Wert darauf - und damit wendet er sich gegen
die Pharisäer - dass kein Mensch festgelegt werden darf,
sondern dass jedem die Gelegenheit zur Umkehr gewährt
werden muss.
Damit sind auch wir gemeint. Vielleicht könnte ich jetzt darüber predigen, wenn wir, als moderne Pharisäer, so alles ausgrenzen: Die Obdachlosen, Drogenabhängige, Asoziale, die Fremden und Kriminelle - die modernen Sünder und Zöllner, denen wir oft genug und trotzdem immer wieder den Stempel aufdrücken: Umkehr zwecklos.
Und vielleicht hätten wir es auch nötig, dass wir uns darüber Gedanken machen, denn wir Menschen stehen immer in der Gefahr, für andere zum Pharisäer zu werden.
Aber es gibt einen anderen Punkt, der mir wichtiger erscheint: Die Tatsache, dass wir uns selber abstempeln mit der Aufschrift: Umkehr zwecklos.
Wie oft entschuldigen wir unsere eigene Ungeduld, wenn wir
anderen wieder über den Mund gefahren sind, wenn wir
einen Schritt zu weit gegangen sind, mit einem Achselzucken
und der Bemerkung: «So bin ich eben.»
Wie oft bemerken wir an unserem eigenen Charakter einen dunklen
Fleck: Die Bequemlichkeit, auf etwas Luxus nicht verzichten
zu wollen, gerade, wenn wir jemand uns braucht. «Tut
mir leid, aber das brauche ich nun einmal.»
Oder, wenn wir uns nur noch Witze erzählen, die unter
die Gürtellinie gehen: «So ist nunmal mein Humor.»
Oder, wenn wir unser lasterhaftes Gerede nicht unter Kontrolle
halten können: «Da kann ich nichts dran ändern.»
Oder, wenn wir uns im Gebet nicht zurechtfinden wollen, es
uns überhaupt sehr schwer fällt, etwas Religiöses
zu tun: «Ich bin nun mal kein Heiliger.»
Vielleicht fallen ihnen noch mehr Beispiele ein. Alle diese Gedanken sind Gedanken der Pharisäer, der Pharisäer in uns, die uns Sündern die Umkehr verweigern wollen. Die uns einreden, dass es da nichts mehr zu ändern gibt. Und - noch schlimmer - die uns einreden wollen, dass das eigentlich gar keine Sünde mehr ist, sondern eine Charaktereigenschaft, die zu meiner Person gehört. Und Gott liebt mich doch so, wie ich bin - oder?
Der verlorene Sohn wurde auch von seinem Vater geliebt, als er Schweine hütete. Aber hat er sich deshalb in den Trog gesetzt und gesagt: Was will ich mehr, mein Vater liebt mich, wie ich bin?
Paulus schreibt heute an uns: «Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!» Bleibt nicht so, wie ihr seid. Jeder hat die Möglichkeit, umzukehren, keiner hat das recht, sich selbst abzustempeln, weder mit dem Stempel: «Umkehr vergeblich» noch mit dem Stempel «Umkehr nicht nötig».
Denken Sie daran: Gott wartet nicht nur auf, er bittet sie selbst, die Umkehr zu versuchen. Enttäuschen sie ihn nicht. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder,
im Priesterseminar, vor der Priesterweihe, musste jeder Seminarist einen der Morgengottesdienste halten. Mittwochs war dazu der Domchordirektor Freimuth anwesend, der anschließend mit uns liturgischen Gesang übte. Freimuth bemerkte einmal, dass er unsere Predigten viel zu lieb empfand, er vermisse schon seit längerem mal wieder so eine richtige Höllenpredigt.
Nun, liebe Schwestern und Brüder, möchte ich Ihnen keine "Höllenpredigt" halten. Aber im Rahmen der Fastenzeit ist es durchaus angebracht, ein paar Worte der Mahnung zu sagen und damit nicht erst bis zur Bußandacht zu warten. Auch wenn es im Evangelium vom verlorenen Sohn heute um die liebevolle Aufnahme des verlorenen Sohnes geht, setzt das doch eine Umkehr voraus. Aber, liebe Schwestern und Brüder, sind sie überhaupt bereit, umzukehren? An der Anzahl der Beichten seit Weihnachten könnte man eher das Gegenteil ablesen. Oder glauben sie etwa, nicht umkehren zu müssen, weil sie alle schon so heilig sind?
Unser Leben ist doch gekennzeichnet von einer gut versteckten Doppelbödigkeit. Wir beklagen den allgemeinen Niedergang der Religion - und sind doch selber mitverantwortlich dafür. Es geht nicht nur darum, regelmäßig zu beichten. Vielmehr sollten sie sich die Frage stellen, wann Sie das letzte Mal mit Begeisterung von der Herrlichkeit des Beichtsakramentes gesprochen haben? Aber wie sollten sie das, wenn sie dieses Gnadenangebot Gottes für nebensächlich halten? Haben Sie jemals, jemals nur irgendeinem anderen mit Freude in den Augen von der Herrlichkeit des Gebetes berichtet? Dass sie gerne beten? Dass sie die Nähe Gottes suchen, im Alltag. Dass sie gerne Gott besuchen, hier in der Kirche? Wie könnten Sie davon sprechen, wenn sie es nicht tun?
Wofür, glauben sie, feiern wir durch die Woche Dienstags,
Mittwochs und Freitags eine Heilige Messe? Als Beschäftigungstherapie
für Messdiener und Küster? Warum kommt da nur 1
(!) Prozent der Gemeinde? Haben sie alle etwas Besseres vor?
Bitte schön: Was ist denn Ihrer Meinung nach besser als
die Messe?
Warum verschwinden sie immer sofort am Ende der Messe aus
der Kirche? Sagt denn keiner von ihnen Gott noch ein Dankeschön
für das Wunder, dass er an Ihnen vollzogen hat? Glauben
sie denn überhaupt noch, das Gott in jeder Messe für
sie stirbt und aufersteht?
Haben Sie jemals schon irgendwem von der Freude erzählt, die sie empfinden, weil sie zur Kirche gehören dürfen? Sind Sie etwa nicht begeistert, katholisch sein zu können? Wieviele Menschen haben Ihr Blut vergossen, um Ihrem Glauben treu zu bleiben, und Sie freuen sich nicht darüber? Vergleichen sie mal die Zeit, die sie mit Klagen über Papst, Tradition und Bürokratie verbringen mit der Zeit, in der sie über die Schönheit Ihres Glaubens gesprochen haben? Wir hätten sofort die Gemeinden wieder zu blühendem Leben gebracht, wenn nur jeder von ihnen einen Neuen mit zu den Gottesdiensten bringen würde. Aber vermutlich haben sie Probleme genug damit, sich selbst zu den Gottesdiensten zu bewegen.
Vielleicht denken Sie, dass ich jetzt nur von Gottesdienste und Kirchbesuche erzähle, dass Christentum aber doch viel mehr ist. Selbstverständlich, da haben sie recht. Aber wie wollen sie denn als Christ leben, wenn sie Christus nicht feiern? Das sind doch oft genug faule Ausreden: Ich kann ein guter Christ sein, auch wenn ich nicht jeden Sonntag in der Kirche bin. Das stimm nicht! Dann sind sie vielleicht ein guter Mensch, aber ein schlechter Christ.
Aber wo wir gerade bei Leben sind: Wie oft sagen sie eigentlich die Unwahrheit? Absichtlich, nur um ihr Gesicht zu wahren? Wie reden sie sich vor Gott damit heraus, dass es eine Notlüge gewesen ist, wobei die einzige Not doch nur die gewesen ist, eine Peinlichkeit zu vermeiden? Und kommen trotzdem nicht auf die Idee, zu beichten?
Haben Sie schon jemand von den Neuzugezogenen besucht, Hilfe angeboten, zur Teilnahme am Vereinsleben eingeladen? Vom Glauben erzählt?
Glauben Sie eigentlich, die nächste Generation wird
von allein christlich? Glauben Sie, Ihre Kinder, Ihre Nachbarn
oder Ihre Freunde werden auch ohne Ihre gelebte Verkündigung
zum Glauben kommen? Was tun Sie eigentlich?
Liebe Schwestern und Brüder, ich bin nicht plötzlich
Pessimist geworden. Im Gegenteil, ich glaube fest daran, dass
wir Menschen und ändern und bessern können. Davon
spricht das heutige Evangelium. Seien sie also nicht verärgert;
ich habe gelegentlich genauso eine Mahnpredigt verdient wie
Sie. Amen.