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Predigtvorschläge - 05. Sonntag der Fastenzeit (Lesejahr C)
1. Predigtvorschlag

von Manfred Josef Stücker (erstellt: 2022)

Terra terram accusat

Was hat Jesus damals geschrieben, als er, wie das Johannesevangelium bezeugt, in den Sand einige Worte gezeichnet hat? - Das Evangelium sagt nur: Er "schrieb mit dem Finger auf die Erde" (Joh 8,6).

Vielleicht kennen Sie in Kevelaer die Kirchentür, auf der diese Szene dargestellt ist: Die Frau, die des Ehebruchs angeklagt ist, steht vor Jesus, und Jesus, ganz in sich gekehrt und zugleich ganz die Situation beherrschend, schreibt die folgenden Worte in den Sand: "Terra terram accusat" - "Die Erde klagt die Erde an".

Worauf spielt das an? - In der Osternacht hören wir nach dem Einzug mit der Osterkerze in die dunkle Kirche und nach dem österlichen Lobgesang, dem Exultet, zuerst die Schöpfungsgeschichte. Sie beginnt mit den Worten: "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die Erde aber war wüst und wirr ..." (Gen 1,1-2). - Später, im zweiten Schöpfungsbericht, wird gesagt, daß Gott den Menschen "aus Erde vom Ackerboden" geformt und ihm seinen "Lebensatem" eingehaucht habe (Gen 2,7). Die Erde ist also als Schöpfung beschrieben, als total von Gott stammend und total von ihm abhängig. Erst durch den lebendigen Atem Gottes wird alles lebendig, auch der Mensch.

Die Schriftgelehrten und die Pharisäer bringen eine Frau zu Jesus, die nach dem mosaischen Gesetz den Tod verdient hat. Wir kennen das Wort "pharisäerhaft", wenn wir jemand beschreiben wollen, der in unseren Augen scheinheilig, selbstgerecht, unbarmherzig ist. - Damit tun wir aber den Pharisäern zur Zeit Jesu wenigstens zu einem Teil Unrecht.

Die Pharisäer, denen Jesus begegnete, waren nicht unbedingt die alten Männer, die ohne Rücksicht am Buchstaben toter Gesetze klebten und ihre Mitmenschen mit ihrer rigiden Moral knechteten. - Dass Jesus sich immer wieder mit ihnen auseinandersetzte und sie als Gesprächspartner außerordentlich ernst nahm, hatte einen ganz bestimmten Grund: Für sie war das Wort und das Gesetz Gottes heilig, sie nahmen es als ernsten Anspruch und als Weisung in ihr Leben hinein, sie brachten persönlich große Opfer, sie kümmerten sich um Arme, Witwen und Waisen; kurz: sie waren Menschen, die an sich selbst, aber auch an ihre Umgebung hohe sittliche Ansprüche stellten!

Darum nimmt Jesus sie ernst. Er weiß, dass sie im Recht sind. Vordergründig besehen. Doch was tut er, als sie zu ihm kommen mit der Frau? Er ignoriert sie. Er schreibt in den Sand. "Terra terram accusat" - die Erde klagt die Erde an.

Nicht dass die Pharisäer und die Schriftgelehrten fromm und gottgefällig leben wollen, macht Jesus ihnen zum Vorwurf. Nicht dass sie sich bemühen, Unrecht zu ahnden und die Menschen an das Gesetz zu erinnern, ohne das das jüdische Volk und seine Religion in Zeiten der Besatzung verloren wäre. - Alles das macht Jesus ihnen nicht zum Vorwurf.

Was er ihnen zum Vorwurf macht, ist dies: dass sie nicht erkannt haben, wer sie selber sind.

Sie haben nicht erkannt, dass sie selber „Erde“ sind, geschaffen und gerufen von Gott, aber nicht, um wie Gott zu sein, nicht, um das zu tun, was allein Gott zukommt. Nicht, um zu richten.

Wenn sie richten, schwingen sie sich an die Stelle Gottes auf. Wenn sie richten und urteilen, setzen sie sich selbst an die Stelle dessen, dem allein das Urteil und der Richterspruch zukommt.

Was sollen die Pharisäer und die Schriftgelehrten denn nun tun? Etwa gar nichts mehr? Sollen sie dem Recht und dem Gesetz, das sie Moses verdanken, nicht treu sein und zum Durchbruch verhelfen?

"Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie" sagt Jesus (Joh 8,7). Damit sagt er: Keiner ist ohne Sünde. Keiner steht ohne Schuld da vor Gott. Keiner? Absolut keiner.

Jesus ist sich der Wirkung seiner Worte so sicher, dass er sich nicht weiter um die Kläger kümmert, sondern sich wieder bückt und auf der Erde weiter in den Sand schreibt: Terra terram accusat - die Erde klagt die Erde an.

Das Entscheidende geschieht jetzt. Die Kläger wenden ihren Blick, den inneren Blick der Anklage, weg von der Frau und hin auf sich selbst. Es kann so leicht sein, den anderen anzuklagen und ihn zu verurteilen. Sich selbst an die Brust zu klopfen, ist eine Übung, die so schwer sein kann. Aber diese Übung gelingt den Klägern - diesmal. Sie wenden sich ab. Sie lassen ihre Steine fallen. Sie gehen weg.

Diesmal lassen sie die Anklage fallen. Schon kurze Zeit später lassen sie sich nicht mehr darauf ein, was Jesus ihnen ins Gewissen spricht. Schon kurze Zeit später werden sie nicht mehr diese oder jene Frau anklagen, jemanden aus ihrer eigenen Mitte, sondern Jesus selbst. Jesus, der jetzt noch im Staub kniet: ein Bild seiner Demut, ein Bild seiner Erniedrigung in den Staub der Menschen. Er selbst hat diese Erniedrigung gewählt und gewollt.

Bis dahin, dass er ja sagt zum Leiden und zum Kreuz. Er, der die Macht gehabt hätte, die Frau zu verurteilen, verzichtet darauf. Weil er will, dass die Frau lebt. Weil er will, dass die Frau geht und nicht mehr weitersündigt.

So ist Jesus zu uns Menschen. Er verzeiht, er richtet auf, er öffnet einen neuen Weg.

Ach ja, was ich noch vergessen habe: Zu sagen, wo die Tür in Kevelaer zu finden ist, auf der wir dieses Bild von Jesus mit der Ehebrecherin finden:

Es ist die Eingangstür zur Beichtkapelle.

Weil wir in der Beichte, dem Sakrament der Versöhnung und Verzeihung, die Steine abgeben, die uns selbst belasten und die uns in Versuchung führen, sie auf andere zu werfen.

Wir alle haben die Chance, in einer guten Osterbeichte den Weg der Versöhnung zu gehen.

Wir alle haben die Chance, uns von Jesus selbst aufrichten und mit neuem Leben beschenken zu lassen.

2. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

Die Begebenheit, die wir gerade im Evangelium gehört haben, läßt zwei Eigenschaften Jesu deutlich werden: zum einen seine staunenswerte Fähigkeit, den hinterlistigen Fallen seiner Gegner zu entgehen, und zum anderen seine göttliche Weise, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zu einem Ausgleich zu bringen. Für die Sünderin tröstlich, für die Ankläger beschämend, findet er den einzigen Ausweg aus dem Dilemma: sich entweder gegen das Gott gegebene Gesetz zu stellen oder seine Predigt von der Barmherzigkeit Gottes zu verraten. „Wer ohne Sünde ist, werde den ersten Stein!“ Die Ankläger verstehen: Auch sie sind Sünder, sie haben kein Recht, die Frau zu verurteilen, und so gehen sie nacheinander weg. Die Gerechtigkeit, die sie eingeklagt haben, trifft sie selbst und entlarvt sie als schuldig, das Wort der Barmherzigkeit dagegen hören sie nicht mehr, nur die Frau: „Auch ich verurteile dich nicht.“

Gerechtigkeit und Barmherzigkeit: Gott vereinigt beides in sich. Wir dürfen beide nicht voneinander trennen und der Gefahr nicht erliegen, die Spannung nach der einen oder anderen Seite aufzulösen. Diese Gefahr besteht nach beiden Richtungen.

Da sind zum einen diejenigen, die auf die Gerechtigkeit pochen. Sie teilen die Menschheit auf in Gute und Böse und zählen sich selbst natürlich zu den Guten. Sie denken wie damals der Pharisäer: „Ich danke dir, Gott, daß ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher...“ Ich bring ja keinen um und überfalle auch keine Bank. Und ich zahle ja auch meine Kirchensteuer... – Am letzten Sonntag habe ich schon über diesen Menschentyp gesprochen, der im älteren Sohn gezeichnet wird, der schön brav zu Hause bleibt. Die bürgerliche Bravheit entartet leider oft zur Mißgunst und zur allergischen Wut gegen diejenigen, die vom Pfad der Tugend abweichen, was wohl daher kommt, daß die Selbstgerechten ihr eigenes Tugendleben als großes Opfer verstehen und selbst wenig Freude daran haben. Freudlos, aber wenigstens gerecht – so definieren sie sich. Und weil ihre Gerechtigkeit so wenig mit Liebe zu tun hat, darum haben sie auch keinen Funken Barmherzigkeit in sich. Die Schuldigen mit Steinen zu bewerfen – darin besteht die einzige Freude, die sie sich verschaffen können.

Und dann sind da zum andern die, die die Barmherzigkeit Gottes einseitig auslegen, weil sie die Gebote Gottes nicht ernst nehmen wollen. Sie hängen einfach die Latte tiefer und denken: „Gott wird schon nicht so streng sein. Warum sollte er mir diese Freude nicht gönnen und mir jene Schwäche nicht verzeihen?“

Aber so geht es nicht! Sünde bleibt Sünde, und eine Freude, die z.B. mit Untreue erkauft ist, kann auf Dauer nicht Bestand haben, weil sie aus dem Egoismus geboren ist. Jesus sagt denn ja auch zu der Ehebrecherin: „Geh und sündige fortan nicht mehr.“ – Kann ich mich demgegenüber auf meine Schwäche berufen? „Ich kann ja nichts dafür. Ich bin so schwach.“ Gewiß! Wir können Gott unsere Schwäche hinhalten und ihn bitten: „Gott sei mir Sünder gnädig!“ Dann gestehen wir ja unsere Schwäche ein und appellieren an Gottes Barmherzigkeit, und ein solches Gebet wird sicher Erhörung finden.

Wir müssen aber aufpassen, daß sich so ein Gebet nicht unter der Hand in das eines Pharisäers verwandelt: „Ich danke dir, Gott, daß ich nicht so selbstgerecht bin wie die bösen und hartherzigen Kirchenleute, die ständig von Sünde reden und den Menschen Lasten auflegen, die sie nicht tragen können.“ Dann leugnen wir ja, daß die Schwäche, für die wir Verständnis und Barmherzigkeit erbitten, wirklich eine Schwäche, also eine Unvollkommenheit, ein Mangel ist. Von dieser Geistesart sind heute fast alle Fernsehsendungen: Sie tragen moralische Unordnung in jeder Form in unsere Häuser und werben geradezu dafür, es den dargestellten lasterhaften Personen gleichzutun, ihr Tun zumindest nicht zu verurteilen. Die dahinter stehenden Macher treten schon lange nicht mehr als Bittende auf, sondern als Fordernde: Die Hüter des Moralgesetzes sollen endlich zum Schweigen gebracht werden, damit jeder ungeniert tun kann, wozu es ihn gerade neigt und drängt. Von der Demut des Zöllners oder der Ehebrecherin des heutigen Evangeliums ist diese Geistesart meilenweit entfernt!

Niemals dürfen wir die Barmherzigkeit Gottes als etwas auffassen, das gleichsam der Job Gottes wäre. Sie ist immer ein Geschenk, das er den Demütigen gewährt, während er es den Hochmütigen verweigert. Die Barmherzigkeit hebt nicht die Geltung der Gebote auf. Es ist ein leider weit verbreitetes Mißverständnis, daß Gott seine eigene Gebote nicht ernst nimmt. Oder wie man es heutzutage immer wieder hört: „Die Zeiten haben sich eben geändert.“ Jesus sagt: „Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen... Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich.“

Liebe Schwestern und Brüder! Ich habe mich oft gefragt, welche Sünde schlimmer ist: die Umbarmherzigkeit der Pharisäer oder die Treulosigkeit etwa eines Ehebrechers bzw. allgemein die Verfallenheit an ein irgendein Laster. Das ist vermutlich nicht allgemein zu entscheiden, sondern von Fall zu Fall anders. Die Unbarmherzigkeit ist gegen das Leben gerichtet, ihre Steine treffen zu allen Zeiten den in Schande geratenen Menschen, wenn da nicht ein Mutiger mit dem Finger in den Staub schreibt und an das Wort aus dem Propheten Jeremia erinnert: „Alle, die dich verlassen, werden zuschanden, die von dir sich wenden, werden in den Staub geschrieben“ (Jer 17,13), was soviel heißt, daß Gott der Richter ist, dessen Urteil alle trifft, die sich von ihm und seiner Barmherzigkeit abwenden. An solchen Mutigen, die das Leben auch der Gestrauchelten verteidigen, mangelt es leider, ebenso wie an prophetischen Existenzen, die glaubhaft aufzeigen, daß unsere Gesellschaft sich durch den krassen Libertinismus langfristig selbst zerstört.

Jesus Christus hat den doppelten Mut bewiesen und sich nicht in das Dilemma führen lassen, entweder die Barmherzigkeit oder die Gesetzestreue zu verraten. Seine Botschaft in Wort und Tat ist die einzige, die zum Leben führt, Leben in Fülle spendet, weil sein Urteil freispricht und neue Möglichkeiten für die Liebe öffnet. Lassen wir uns von dieser Liebe ergreifen und zu größerer Barmherzigkeit und gleichzeitig größerer Gesetzestreue führen!

3. Predigtvorschlag

von Pfarrer Klaus Klein-Schmeink (erstellt: 1997)

Sünde – liebe Schwestern und Brüder,
Sünde – dieses Wort scheint es nicht mehr zu geben.
Man sündigt allerhöchstens noch, wenn man gegen die selbstauferlegte Diät verstößt.
Aber wer benutzt dieses Wort eigentlich noch?

Sünde – das scheint auch keine Bedeutung mehr im Leben der Katholiken zu haben. Wenn man bedenkt, dass es gerade mal 15% der Katholiken in unserem Bistum sind, die sonntags zur Kirche gehen, dann sind es vielleicht gerade mal 2%, die noch zur Beichte gehen. "Herr Kaplan, ich hab doch keinen umgebracht."

Sünde – liebe Schwestern und Brüder, ist aber einer der zentralen Begriffe unseres Glaubens. Allein in der Hl. Schrift findet sich 277 mal das Wort Sünde.

Auch heute, im Evangelium begegnen wir der Realität der Sünde. Eine Ehebrecherin soll gesteinigt werden. Jesus rettet sie vor dieser schmachvollen Bestrafung mit den Worten an die Umstehenden:
Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.
Beschämt geht einer nach dem anderen weg.
Und Jesus entlässt die Frau mit den Worten:
Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.

Schauen wir uns diese beiden Sätze genauer an.
Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.
Alle gehen weg. Damals jedenfalls schien sich jeder, jede bewusst geworden zu sein, dass alle Sünder sind. Du, mein Nachbar und ich – Sünder.

Was ist denn eigentlich die Sünde?
Ein Handeln gegen die Gebote Gottes. Du sollst nicht die Ehe brechen z. B. Die Gebote Gottes – die Zehn Gebote – sind Wege zu einem gelungenen Leben. Die ersten drei Gebote beziehen sich auf mein Verhalten Gott gegenüber, keine Götzen anzubeten, seinen Namen nicht zu missbrauchen, den Sabbat bzw. den Sonntag zu heiligen. Die restlichen Gebote ordnen das Leben der Menschen untereinander.
Wer gegen diese Gebote verstößt, schadet sich selbst und den anderen. Er verlässt die sichere Straße, an deren Rand diese Gebote wie Leitplanken stehen, und steuert ins ewige Verderben, statt in das Leben in Fülle.

Diese Gebote enthalten aber einen Geist, der über die eigentlichen Verstöße hinausgeht.
Es sündigt der, der jemanden ermordet. Es sündigt aber auch die, die durch Klatsch und Tratsch so etwas wie Rufmord begeht.
Es sündigt der, der mit einer anderen die Ehe bricht. Es sündigt aber auch die, die den Partner lediglich körperlich gebraucht.
Und so weiter. Dazu finden sich gute Gewissensspiegel im Gotteslob ab Nummer 60.

Wer gegen den Geist der Liebe und Achtung vor Gott, dem Nächsten und sich selbst verstößt, der nähert sich gefährlich den Leitplanken der Gebote und droht darüber hinauszuschießen.
Eine Kurskorrektur ist angesagt. Dazu hilft die Beichte, die nach wie vor von der Kirche zu Ostern sehr empfohlen wird, im Falle einer schweren Sünde sogar verpflichtend ist.
Ich möchte Sie alle nur dazu ermuntern, dieses Sakrament in Anspruch zu nehmen. Am Karfreitag wird hier in der Prosperkapelle die Möglichkeit dazu bestehen.

Was geschieht in der Beichte? Wenn Sie so wollen hören Sie aus dem Munde des Priesters die Worte, die Jesus zu der Sünderin gesprochen hat:
Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.

Die Sünde wird nicht totgeschwiegen, aber sie wird vergeben. So erhält der Sünder, die Sünderin die Chance von neuem anzufangen. Nichts ist verloren. Alles kann neu beginnen.
"Die Heiligen haben eine Geschichte. Die Sünder eine Zukunft." So hat es der verstorbene vietnamesische Kardinal van Thuan einmal wunderbar ausgedrückt.

"Die Heiligen haben eine Geschichte. Die Sünder eine Zukunft." Die Beichte, die reuige Umkehr eröffnet neue Wege. Und wer will sich schon die Zukunft verbauen?

"Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes."
"Versöhne uns mit deinem Sohne, empfiehl uns deinem Sohne, stelle uns vor deinem Sohne."
"Zu dir komme ich, vor dir stehe ich als Sünder."

Liebe Schwestern und Brüder,
diese Zitate aus drei marianischen Gebeten, stellen uns Maria als unsere Fürsprecherin vor. Maria wollen wir heute auf dem Kreuzweg begegnen, und damit unsere kleine Predigtreihe beenden.

Wie sehr hat sich Jesus wohl danach gesehnt, seine Mutter auf diesem Weg zu sehen? Wie schwer mag es Maria gefallen sein, den geliebten Sohn das Kreuz schleppen, ja an diesem Holz sterben, besser: verrecken zu sehen?

Jesus wird großen Trost gefunden haben, als er sah, dass die Liebe der Mutter größer ist als die Angst.
Und weil er vollkommen Mensch ist, wird Jesus aus Dankbarkeit seiner Mutter kaum etwas abschlagen können.

Deshalb rufen die Christen seit fast zwei Jahrtausenden die Fürbitte Mariens an. Sie möge für uns eintreten vor ihrem Sohn. Maria ist ein Mensch wie wir. Sie weiß um unsere Schwachheit. Weil sie ein Mensch ist, ist sie uns so nah. Und wie früher, als wir kleine Kinder waren, gehen wir zur Mutter, um getröstet zu werden, wenn uns Böses widerfahren ist,
gehen wir zuerst zur Mutter, wenn wir etwas ausgefressen haben,
gehen wir zur Mutter, wenn wir uns nach etwas sehnen.

Die Marienverehrung ist deshalb etwas ganz natürliches. Wie alle Gebetsformen kann auch sie deformiert werden. Aber ohne sie, wäre unser Gebetsleben ärmer, kälter.

Empfehlen wir uns in diesen letzten Tagen der Mutter Gottes, sie hat unter dem Kreuz ausgehalten. Wir rufen sie an als "Refugium peccatorum", als Zuflucht der Sünder. Bitten wir sie in diesen letzten Tagen vor Ostern um die Gnade der Bekehrung, echter Reue. Vielleicht sind wir sogar so kühn, sie um eine gute Beichte zu bitten. Denn wir wissen:
"Die Heiligen haben eine Geschichte. Die Sünder eine Zukunft."

4. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

im alten Testament gibt es eine Geschichte, die dem heutigen Evangelium sehr ähnelt: Da wird auch eine Frau vor Gericht gezerrt, Susanna. Ihr wird ebenfalls Ehebruch vorgeworfen, und ihr droht die Steinigung. Aber damals haben sie fromme Männer, die Richter des Volkes, gegen sie verschworen: In Wirklichkeit war sie unschuldig.

Gottseidank wird der Komplott aufgedeckt und Susanna freigesprochen.

Hier aber liegt der Fall anders. Ob wir heute Ehebruch noch als strafwürdiges Vergehen betrachten, mag unterschiedlich gesehen werden. Aber wenn die Schuld einwandfrei feststeht - dann wird das Urteil gesprochen und vollzogen. Das ist doch in Ordnung, oder?

Das Gesetz ist dafür da, die Rechte der Menschen zu schützen. Wer sich an den Rechten eines anderen schuldig macht, muss die Konsequenzen tragen. Wo kämen wir denn hin, wenn es keine Gesetze und keine Strafe mehr gäbe? Das reinste Chaos bräche aus!

Und dennoch stellt sich Jesus vor diese Frau. Er verteidigt sie nicht. Er hinterfragt nicht den Prozess. Er diskutiert nicht, ob das Gesetz sinnvoll ist und die Strafe - der Tod - angemessen. Er macht nichts von alledem. Er fordert sogar noch auf, die Steine zu werfen; allerdings solle der damit beginnen, der keine Sünde hat.

Genau genommen ist das unerhört. Denn der Ehebruch dieser Frau richtet sich ja vermutlich gegen einen Ehemann - der muss doch verzeihen. Und hätte der nicht als erster das Recht gehabt, einen Stein zu werfen?

Jesus fragt nicht nach Recht. Er schaut nicht zurück: Was war? Wer hat's gesehen? Wer kann etwas bezeugen? Wer ist geschädigt? Wer hat Ansprüche? - Er fragt nach der Zukunft. Er will nicht den Tod der Frau, weil er noch einen anderen Sinn im Gesetz sieht: Die Menschen zu Gott zu führen. Zu heilen.

Der Ehemann mag geschädigt sein und auf Genugtuung sinnen. Jesus aber erweist sich als derjenige, der die Frau mehr liebt als der Ehemann. Er fragt nicht nach seinem eigenen Wohl, er fragt: Wie kann ich der Frau helfen? Wie kann ich sie für das Leben zurückgewinnen?

Jesus ist Gott. Auch Gott kennt Gesetze, Verbote und Gebote. Aber sie alle dienen nur einem Zweck: Die Menschen zur Liebe zu befreien. Sie mit Gott zu versöhnen. Einen Ausweg aus dem Hass und der Rache zu finden.

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus ist kein Anwalt, der dem Unschuldigen zu seinen Recht verhilft. Er ist auch kein Anwalt, der für den Schuldigen eine möglichst milde Strafe herausholt.

Jesus ist Gott - und Gott verzeiht. Das größte Geschenk, dem alles dienen soll, in der Kirche, im Staat, in den Vereinen und Familien, ist: Gott lieben zu dürfen.

Lassen sie sich mit Gott versöhnen. Geben sie alles, was rückwärts gerichtet ist, ab. Jede Beichte bietet dazu eine gute Gelegenheit. Und dann schauen Sie nach vorn: Gott wartet. Voller Sehnsucht und Liebe.

Amen.

5. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder, obwohl Jesus die Ehebrecherin nicht verurteilen will (immerhin sagt er es ja ausdrücklich: "Auch ich verurteile Dich nicht!"), nennt er sie eine Sünderin. Damit macht er doch ganz klar, dass diese Frau das ist, wofür sie die Leute halten: Eine Ehebrecherin.

Ist das nicht inkonsequent? Zuerst schweigen, die anderen düpieren und dann selbst dieser Frau in Gesicht sagen: "Geh! Und sündige jetzt nicht mehr!" - ?

Nicht den ersten Stein zu werfen, nicht zu verurteilen und nicht herabzuschauen, das lehnt Jesus ab. Aber er scheut er sich nicht, die Pharisäer zu beschimpfen: "Ihr Natternbrut!" - "Ihr Heuchler!" Er bezeichnet die Pharisäer sogar als "weißgestrichene Gräber, außen schön und innen voller Gestank".

Wenn das nicht unehrlich ist! Ist Jesus etwa ein doppelbödiger Pharisäer, der auf der einen Seite das Verurteilen verbietet, auf der anderen Seite selbst über andere richtet?

Liebe Schwestern und Brüder, auch wenn wir dieses Gleichnis oft so verstehen: Es geht hierbei nicht darum, das Urteilen zu verbieten. Es geht darum, dass wir gerne andere niedermachen, damit wir nicht an unsere eigene Brust schlagen müssen. Kaum werden wir angegriffen, finden wir doch immer noch einen anderen, der noch schlimmer ist. Die Kinder machen es uns doch vor: "...und was ist mit dem da? Der hat doch noch viel mehr gelogen als ich!" - Als ob dadurch unsere Sünde kleiner würde, wenn andere mehr Dreck am Stecken haben!

Ja, wir glauben, wir seien doch noch ganz gut dabei, weil wir uns besser dünken als die Mehrheit, als der Schnitt. Um uns selbst zu rechtfertigen, zeigen wir mit Fingern auf die anderen: "Und was ist mit denen? Die sind doch noch viel schlechter! Die hinterziehen noch viel mehr Steuern! Was mein Nachbar letztens bei der Versicherung rausgeschlagen hat! Und so regelmäßig wie ich ist doch kaum einer in meinem Alter in der Kirche! Also, ich gebe mein Geld wenigstens nicht für so einen Schwachsinn aus wie alle anderen in meinem Freundeskreis..." und so weiter. Man könnte fast glauben, es stände in der Bibel nur ein einziges Gebot: "Seid besser als die anderen." Aber, liebe Schwestern und Brüder, das habe ich nirgendwo gefunden.

Viel mehr steht in der Bibel: "Seid gut!" Von besser sein, vom vergleichen steht dort nichts. Was uns interessieren sollte, ist nicht, was andere tun, sondern was Gott möchte. Und dahinter bleiben wir all derbe zurück. Da haben wir alle, ohne Ausnahme, Dreck am Stecken. Wir sind Sünder, daran ist nichts zu deuteln. Das ist nicht schön, weiß Gott nicht. Aber das Schlimmste wäre es, nun mit Steinen auf andere zu werfen, in der Hoffnung, dass es dann nicht aufallen würde.

Dagegen wehrt sich Jesus. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Das heißt soviel wie: Lenkt nicht ab!

Mit dem, was Jesus dann der Sünderin sagt, macht er auch uns Mut: "Ihr braucht Eure Sünden gar nicht zu verstecken. Ihr braucht keinen Sündenbock. Ihr braucht von Euren Sünden nicht abzulenken. Sagt mir einfach, was ihr getan habt, ich werde Euch verzeihen! Dafür bin ich doch Mensch geworden! Wenn Ihr mich nur ein klein wenig liebt, nicht viel, nur ein bisschen, dann kommt zu mir und empfangt meine Verzeihung! Dafür bin ich doch auf die Welt gekommen, danach sehne ich mich!"

Die Sünderin ist nicht freiwillig gekommen, sie ist von den Pharisäern und Schriftgelehrten zu Jesus geprügelt worden. Wir dagegen haben die freie Einladung.

Schade, dass wir davon keinen Gebrauch machen.

6. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Armut ist keine Schande, so heißt es im Sprichwort. Aber Hand aufs Herz: Meinen Sie nicht doch insgeheim, dass ein großer Teil der Armen dieser Welt an seiner Armut immer auch ein bisschen selbst schuld ist? In einem Brief einer Ärztin, die viel mit Asylbewerbern zu tun hatte, heißt es: «Wenn ich die Afrikaner so vor mir sehe, verspielt, oberflächlich, wie Kinder, dann kann ich mir kaum vorstellen, dass sie in ihrer Heimat richtig arbeiten können; und dann verstehe ich, dass es in Afrika soviel Armut gibt.» Soweit die Ärztin.
Solche Vorurteile und Pauschalurteile sind schlimm. Sie tun denen, die ohne ihre Schuld in bitterer Armut hineingeboren sind, unrecht. Jesus warnt heute im Evangelium eindringlich davor, solche Urteile zu fällen: Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Wie sehe es wohl in Deutschland aus, wenn die westliche Welt nach dem zweiten Weltkrieg - wohl auch zurecht - gesagt hätte: «Die Deutschen sind selbst Schuld an diesem Krieg. Was sollen wir ihnen noch Geld und Pakete schicken? Die Deutschen müssen am eigenen Leib lernen, was es heißt, andere Völker in Not und Hunger, in Krieg und Elend zu stürzen.»

Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein, hat Jesus gesagt, und damit eine einzelne Frau vor der Rachsucht eines Volkes gerettet. Ihm war es wichtiger, zu helfen, als anzuklagen. Mag sein, dass die Frau wirklich gesündigt hatte. Aber wichtiger ist es, ihr einen neuen Anfang zu ermöglichen.

Mag sein, dass vieles in Afrika und in den anderen Entwicklungsländern selbst verschuldet ist. Aber wichtiger, als die Frage, wer woran Schuld ist oder nicht, ist die christliche Aufgabe, anderen eine neue Chance zu geben.

Armut ist keine Schande für die Armen. Aber für die Reichen, für uns, ist sie eine Schande, wenn wir nichts gegen die Armut unternehmen und hochmütig auf die Armen herabsehen.

Die Sünde der Ehebrecherin ist ihr vergeben worden. Gedemütigt aber wurden die, die sie steinigen wollten. Was haben wir in der Hand, wenn es um die Armen der Welt geht? Den Stein, den wir werfen wollen, weil sie nicht so wie wir Profit erwirtschaften? Oder das Brot, das wir ihnen reichen, damit sie einen neuen Anfang wagen können?

Papst Johannes-Paul II. hat bei einem Besuch in der Sahel-Zone gesagt: «Wie würde die Geschichte über eine Generation urteilen, die alle Mittel besitzt, um die Bevölkerung des ganzen Planeten zu ernähren, sich aber in mörderischer Blindheit weigert, dies zu tun? Was für eine Wüste würde eine Welt sein, auf der das Elend nicht der Liebe begegnet, die Leben spendet?»

Es ist erwiesen, dass die gesamte Menschheit allein von der Welt-Getreide-Ernte hätte ernährt werden können, ja, es könnten sogar noch eine halbe Milliarde mehr Menschen ernährt werden, als auf der Welt leben. Und neben der Welt-Getreide-Ernte gibt es auch noch eine Welt-Kartoffelernte und Welt-Gemüse-Ernten und so weiter. Es gibt beispielsweise genügend Erdbeeren auf der Welt, um damit jeden Menschen jeden Tag 100 Gramm Erdbeeren zukommen zu lassen!

Das Bild, das wir eingeblendet haben, macht dieses Problem deutlich: Es gibt genug. Aber es gibt viel zu wenig Gerechtigkeit. Die Waage klagt uns an.

Was hier auf dem Spiel steht, ist nicht die Würde der Armen. Es ist unsere Würde, die wir verlieren, weil wir sagen, wir können nichts tun. Und wenn Armut eine Schande ist, dann ist es eine Schande für uns.

Jesus hat uns klar gemacht, worin unsere Würde besteht: In der Vergebung und in der Bereitschaft, anderen aufzuhelfen, nicht nur einmal, sondern immer wieder. Und wir brauchen diese Hilfe genauso, wie alle anderen Menschen dieser Welt. Amen.

Fürbitten