Berufung - und der Sinn des Lebens  | Wenn Du Dich mit Gott anfreundest, dann wirst Du auch bald (und gerne!)
danach fragen, ob Dein Leben den Wünschen und Vorstellungen Gottes
entspricht. Nun - ein solcher Gedanke freut Gott und tut Dir gut. Wir
nennen die Antwort auf diese Frage »Moral«- die Frage nach
dem, was wir tun sollen.
Aber oft geht diese Frage »Was soll ich tun?«tiefer. Tiefer
als die Frage nach dem »richtigen Verhalten«. Aufmerksamen
und für Gott offenen Menschen stellt sich die Frage, welchen Plan
Gott für das Leben hat. Erwartet Gott, dass Du Dein Leben ganz
und gar in Seinen Dienst stellst? Sollst Du ins Kloster? Sollst Du Priester
werden? Oder Heiraten? Ab in die Mission? Anstatt am Fließband
zu arbeiten lieber im Hospiz helfen?
Solche Fragen können zur Qual werden. Vor allem dann, wenn sie
mit dem Gedanken verknüpft ist, dass Gott sich ein bestimmtes Leben
von Dir wünscht - und dass das eventuell nicht mit Deinen Plänen
übereinstimmt. Oder, noch brennender: Was ist, wenn sich nach einer
Lebensentscheidung (zum Beispiel für die Ehe) herausstellt, dass
Gott Dich eigentlich fürs Kloster haben wollte?
Allen, die sich diesen Fragen ausgesetzt sehen, ist diese Katechese
voller Zuneigung gewidmet.
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Die erste Berufung, die alles andere überragt
Wir sind alle berufen ...
...und zwar zur Heiligkeit. Bevor ich mir also Gedanken mache, was Gott konkret
in meinem Leben von mir will, stellt sich die Frage, was ich wirklich
will. Bin ich bereit, »heilig«zu werden?
Mit Heiligkeit ist dabei selbstverständlich nicht gemeint, dass Du Deine
Heiligsprechung anstreben sollst - das wäre vermutlich ziemlich kontraproduktiv.
Wer es darauf anlegt, als Heiliger verehrt zu werden, wird vermutlich beim
Heiligsprechungsverfahren als erstes aussortiert.
Nein - die erste Berufung eines jeden Menschen ist es, Gott zu lieben. Nicht
mehr - aber auch nicht weniger. Das ist Heiligkeit: dass Du Dein inneres Leuchten
von Gott empfängst. Man kann diese Berufung auch mit der Berufung zum
»Allgemeinen Priestertum«
umschreiben.
Gott zu lieben - das ist einfacher gesagt (und einfacher gedacht) als getan.
Denn das bedeutet, Dein Leben in die Hände Gottes zu legen. Dich hinzugeben
- nichts zu wünschen als Gott allein. »Gott allein genügt!«
sagte Teresa von Avila (»Solo Dio basta!«).
Das ist schwer und schön. Und das braucht lange Übung, mit vielen
Rückschlägen und Enttäuschungen, aber auch mit vielen glanzvollen
Momenten und erfüllenden Begegnungen. Gott stärkt jeden einzelnen
Schritt in die richtige Richtung mit überwältigenden Gnaden; um
so schmerzlicher erfahren wir allerdings auch, wenn wir uns der Führung
Gottes verweigern und mal wieder versuchen, selbst unseres Glückes Schmied
zu sein - ohne Gott.
Spätestens hier stellt sich aber die Frage: Was darf ich denn noch?
Welche Pläne darf ich machen, ohne dass Gott sie mir übelnimmt?
Was ist, wenn ich heiraten will, aber Gott mich gerne ins Kloster befördern
will?
Ama, et fac quod vis
»Liebe - und tu, was Du willst« (auf Latein: Ama, et fac quod
vis) ist eine der grundlegenden Erkenntnisse des Hl. Augustinus - und ein
wunderbarer Grundsatz des christlichen Lebens.
Dabei ist er weniger tauglich, wenn es um die Erkenntnis der alltäglichen
Moral geht:
Bei der Frage beispielsweise »Soll ich nun höflich sein oder lieber
die Wahrheit sagen?« hilft die Richtschnur der »Liebe» oft
nicht weiter. Denn vielleicht ist eine unangenehme Wahrheit eher ein Liebesdienst
als eine nur scheinbar liebevolle Höflichkeit. Wie die konkrete Ausformung
des liebevollen Verhaltens aussieht, sagt uns oft genug nicht unser Herz oder
unser Verstand - sondern eher die durch Lebenserfahrung angereicherte Moral.
- Einer der größten Schätze der Kirche.
Ama, et fac quod vis bedeutet: Bei der Entscheidung, welcher Berufung
ich folgen soll, gilt zunächst das Prinzip der christlichen Freiheit.
Gott hat keinen Plan für mich, der meine Freiheit beschränkt. Es
geht nicht darum, seine eigenen Pläne über Bord zu werfen und nur
noch nach dem Plan Gottes zu leben - sondern zu erkennen, dass ich zur Freiheit
berufen bin.
Die Frage nach meiner Berufung ist niemals eine Frage
nach meinem Heil!
So quälend, wie die Frage nach Deiner persönlichen Berufung auch
sein kann (das weiß ich aus eigener Erfahrung) - Gott will, dass wir
eigene Pläne machen. Unter einer einzigen Voraussetzung: Dass wir nicht
aus egoistischen Motiven nach dem Maximum irdischen Glücks suchen,
sondern - wie der Hl. Augustinus erkannt hat - nur eines möchten: In
der Liebe zu Gott wachsen. Welchen Weg wir dabei wählen, überlässt
Gott uns. Er hat Respekt vor unserer Entscheidung. Weil er uns liebt.
Gott will, dass wir Pläne machen - aber nicht ohne
ihn
Nun ist es vielleicht nicht ganz so einfach, zu erkennen, wann ich egoistischen
Gedanken und Motiven folge. Das gilt für kleine alltägliche Entscheidungen
genauso wie für die großen Lebensentscheidungen.
»Soll ich lieber abwarten und Gott machen lassen? Oder selbst tätig
werden?«
»Soll ich auf die Vorsehung Gottes vertrauen - oder planen und organisieren?«
»Soll ich mit diesem Menschen eine Liebesbeziehung beginnen? So was
muss gut geplant sein!- Oder?«
»Habe ich, wenn ich davon träume, einmal Priester zu werden,
nur den krisensicheren Job im Blick?«
»Fliehe ich, wenn ich ins Kloster gehe, vielleicht vor der komplizierten
Welt? Habe ich wirklich die Zuflucht zu Gott vor Augen?«
Noch unangenehmer scheint es, wenn ich einer Berufung ausweiche:
»Ich will lieber nicht Priester werden - ich möchte nicht gern
in eine ganz fremde Stadt - und gehorsam bin ich auch nicht gern.«
»Ich will nicht ins Kloster gehen, weil ich doch so gern ins Kino
gehe - und die vielen lockeren Freundschaften und Bekanntschaften vermissen
werde.«
»Ich weiche lieber der Ehe aus, weil ich Angst vor der Verantwortung
habe (und dann nicht mehr frei bin, die Nächte in der Kneipe zu verbringen).«
Sei ganz ruhig. Hab keine Angst vor richtigen oder falschen Gründen!
Wir entscheiden uns immer aus einem Motivationsbündel heraus -
einem bunter Strauß verschiedener Vorstellungen, Hoffnungen und Erwartungen.
Nur, weil in diesem Blumenstrauß auch ein paar nicht sonderlich langlebige
Blumen dabei sind, braucht eine Entscheidung nicht sofort hinfällig zu
sein.
Und überhaupt: Es lässt sich kaum ergrübeln, was denn richtig
und was falsch ist, solange es nicht um moralisch eindeutig Schlechtes geht.
Alle großen (und ziemlich sicher auch alle kleinen) Heiligen haben sich
im Laufe des Lebens immer belehren lassen müssen, dass sie aus falschen
Motiven heraus einen Weg gewählt haben (der manchmal dennoch gut war!)
und durch Enttäuschung lernen mussten.
Zu begreifen, wann und wie wir wirklich in der Liebe zu Gott wachsen - und
welche Wege Gott dafür bereitet hat - ist eine lebenslange, spannende
Sache. Und Gott rechnet mit unseren Fehltritten und Schwächen. Haben
wir also keine Angst, Fehler zu machen. Weder enttäuschen wir Gott (der
wird nicht» sauer«, versprochen) noch verfehlen wir deshalb unser
Lebensziel.
Solange wir unsere eigentliche Berufung im Blick behalten: Gott zu lieben
- und seine Liebe weiterzuschenken -, dürfen wir ruhig sein. Wer allerdings
beginnt, durch seine Lebensplanung z.B. die Liebe anderer Menschen zu sich
selbst zu organisieren, wird scheitern. Wer mit Gott Kompromisse schließt
(»Die kleine Lüge noch, dafür bin ich dann auch nächste Woche
in der Kirche!») - mit anderen Worten: Wer von seiner Sündhaftigkeit
nicht lassen will -, auf den kommen schwere Zeiten zu.
Die zweite, nachgeordnete Berufung: Ehe? Priester? Oder
Kloster?
Wir sind alle verheiratet
Von einem Priester sagt man gelegentlich, dass er mit Gott verheiratet sei;
eine Nonne ist im Volksmund eine »Braut Christi« bzw. ebenfalls
mit Jesus verheiratet. und Eheleute - naja, die sind nun miteinander verheiratet.
Lass Dir einen solchen Unsinn nicht einreden. Alle Menschen, ob Single, Ehemann
oder Priester, Ehefrau oder Nonne, Mönch oder Vater, »Tante auf dem Hof»
oder Mutter: Wir alle sind, wenn wir von Gott ergriffen wurden, in eine Liebesbeziehung
mit Ihm eingetreten. Die Braut Gottes - das ist die Kirche; und insoweit wir
zur Kirche gehören, sind wir alle mit Gott verbunden wie zwei Verliebte
im Ehebund.
Nein, der Unterschied zwischen »geistlicher Berufung» und »Berufung
zur Ehe« besteht nicht darin, dass der eine in Liebe zu Gott entbrannt
ist - und der andere in Liebe zum Ehepartner. Dann wäre ja die Ehe ein
Zeichen mangelnder Gottesbeziehung! Gott bewahre!
Nein: Alle so von der Liebe Gottes erfüllten und ergriffenen Menschen
wollen diese Liebe weiterschenken und zum Zeichen der Liebe werden; wir alle
werden zum Realsymbol der Liebe Gottes. Die Frage der Berufung stellt sich
erst, wenn ich mir überlege, ob ich die Liebe Gottes zur Grundlage einer
einmaligen menschlichen Beziehung mache - und zum Beispiel heirate.
Oder ob ich mich als Geliebter Gottes in den Dienst der größeren
Gemeinschaft stelle - und zum Beispiel Priester oder Ordensschwester werde
oder stellvertretend für andere ein Leben der Gottesbetrachtung (Mönch
oder Nonne) vorziehe. Immer ist es ein Leben, das aus der Liebeserfahrung
Gottes zu einem Leben für andere wird. Niemals tritt die Liebe zu Gott
in Konkurrenz zur Liebe zwischen den Menschen (es sei denn, wir setzen sie
in Konkurrenz zueinander - was aber immer ein Zeichen von Egoismus ist).
Die Ehelosigkeit des Priesters ergibt sich also nicht aus der intensiven
Liebe zu Gott - die sollte ein Verheirateter in nicht minderem Maße
empfinden. Wenn man schon vom Priester als einem »So ähnlich wie Verheirateten»
sprechen möchte, dann sollte man davon sprechen, dass der Priester mit
der Kirche verheiratet ist - und, wie der Ehemann oder die Ehefrau einander
- für sie zum Medium der Liebe Gottes werden will.
Die Berufung der Eheleute - Die Berufung des Priesters
Die Berufung der Eheleute ist somit eine ähnliche wie die des Priesters.
Der Priester dient den Christen, um ihnen »in den Himmel zu helfen».
Das gleiche gilt, ungeschmälert, auch für die Eheleute: Sie haben
ein Ziel auf Erden, nämlich einander »in den Himmel zu helfen«.
Damit ist nicht gemeint, dass das eigentliche Leben verschoben wird - anstatt
jetzt zu leben, warten wir aufs Jenseits. Sondern jetzt beginnen
wir, in eine größere Wirklichkeit hineinzuwachsen - eine Wirklichkeit,
die bereits jetzt schon Realität ist. »In den Himmel helfen«
heißt zwar auch, die ewige Seligkeit zu erlangen - aber das schließt
doch ein, dem Ehepartner (bzw. als Priester der Gemeinde) schon jetzt den
Himmel erfahrbar zu machen.
Wer heiratet, entschließt sich, sich vornehmlich und ungeteilt dem
(irdischen und ewigen) Heil seines Ehepartners zu widmen. Ihm jetzt schon
Freude, Heiligkeit, Liebe und Vertrauen zu ermöglichen - und selbst zu
schenken. Im Schenken aber vor allem Weiterschenkender zu sein - weil man
all dies von Gott bereits erhalten hat.
Wer Priester wird, der entschließt sich, sich vornehmlich und ungeteilt
dem (irdischen und ewigen) Heil seiner Gemeinde zu widmen. Ihr jetzt schon
Freude, Heiligkeit, Liebe und Vertrauen zu ermöglichen - und selbst zu
schenken. Im Schenken aber vor allem Weiterschenkender zu sein - weil man
all dies von Gott bereits erhalten hat.
Was will Gott von mir? Priester werden? Heiraten? Ins
Kloster?
Zunächst will Gott weder das eine, noch das andere von Dir. Er will
schlicht, dass Du glücklich wirst - indem Du zur Liebe bereit bist. Indem
Du Gott liebst (mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit ganzer Kraft) und
all die liebst, die ebenfalls in der Liebe zu Gott entbrannt sind.
Ich wiederhole es nochmal (zur Sicherheit):
Die Frage nach Deiner Berufung ist niemals eine Frage nach Deinem Heil!
Nicht mehr »will« Gott von Dir. Er will Dein Glück.
Aber er hat Dich natürlich auf eine bestimmte Weise erschaffen. Du hast
Fähigkeiten, Bedürfnisse, Schwächen und Stärken, natürliche
Vorlieben und Abneigungen. Das macht Dich für die eine Lebensweise besser
geeignet als für eine andere.
Das Problem ist vor allem, herauszufinden, wie Du wirklich bist. Ist Deine
Freude an der Geselligkeit in großer Runde nur eine Flucht? Eine Show?
Eine Maske? Dann wirst Du mit einer Lebensentscheidung, die darauf baut,
nicht glücklich.
Ist Deine Freude an der Stille und am Gebet echt? Oder nur der Überdruss
einer zu lauten Arbeitsstelle?
Ist Deine Sehnsucht, armen Kindern in Afrika helfen zu wollen, nur der
Wunsch nach mehr Anerkennung?
Frage Dich also, in aller Ruhe, wo Du glücklicher wirst; wo Deine Liebe
besser behütet ist, wächst und gedeiht. Wo Du Deine Lebensfreude
findest. Und sei sicher: Gott will Dich dort haben. Nirgendwo anders.
Gott will, dass Du ihm vertraust
Deine Zukunft liegt noch im Dunkel?
Du hast gerade erst eine Beziehung zu Gott aufgebaut und weißt nicht,
wohin Dich das alles noch führen wird?
Du hast Angst, dass Deine Freude an Gott Dich irgendwann weltfremd werden
lässt?
Du sperrst Dich gegen zu viel Gebet, Anbetung, Beichte und Gottesdienst -
weil Du doch so sehr an Deinen Freunden hängst, die Dich nicht verstehen?
Deine Familie kann Dir in Deinen Entscheidungen für Gott nicht folgen
- und das belastet Dich?
Sei auch hier ganz ruhig. Gott will, dass Du ihm vertraust. Glaubst
Du wirklich, dass er Dich liebt? Dass er nicht irgendeinen Weltplan verfolgt
und Dich als Bauernopfer dafür braucht - sondern dass er eher die Welt
opfern würde, als Dich zu verlieren?
Gott wird nichts von Dir verlangen, was Dich nicht glücklich macht.
Vielleicht ist das von Gott ins Auge gefasste Glück tiefer und größer
als das, woran Du Dein Glück festmachst. Kannst Du vertrauen, dass Gott
Dir das kleine Glück nimmt, weil er weiß, dass das andere für
Dich das größere Glück ist? Und wahrscheinlich anschließend
sogar das kleine Glück, von dem Du nicht lassen wolltest, noch als Bonus
hinzufügt?
Gott ist kein Sadist
Eines ist aber ganz wichtig: Vertrau darauf, dass Gott wirklich gut ist.
Er erschafft Dich nicht mit einer unbändigen Liebe zum anderen Geschlecht
und schickt Dir anschließend eine eMail, in der er Dich zum Zölibat
auffordert. Das wäre sadistisch.
Wenn Du Dir nach eifriger Prüfung (dazu weiter unten ein paar Tips)
sicher bist, dass ein bestimmtes Opfer oder eine Lebensweise Deine Kräfte
übersteigt und einfach zu viel für Dich ist - dann betrachte das
in aller Ruhe als Hinweis Gottes, davon die Finger zu lassen.
Ama, et fac quod vis: Folge Deinem Gespür, den Weg zu leben,
wo Du die Liebe am größten, schönsten und für Dich angemessensten
leben kannst.
Was ist, wenn ich mich falsch entscheide?
»Falsch« in diesem Sinne heißt eigentlich nicht, dass
Deine Entscheidung dem Willen Gottes widerspricht. Solange Du nicht sündigst
(und Dich z.B. berufen fühlst, Mafiosi oder Prostituierte zu werden),
macht sich Gott sogar Deine Entscheidung zu eigen.
»Falsch« bedeutet vielmehr, dass Du Deine eigenen Kräfte
und Begabungen falsch eingeschätzt hast. Dass Du Dich nicht nur über
ein paar Motive getäuscht hast, sondern dass das gesamte Bündel
von Motiven aus Falschgeld bestand. Das kommt vor - aber noch ist das kein
Grund, an Gott zu zweifeln.
Die Frage ist nur, was Du machst, wenn Du Dich bereits entschieden hast (z.B.
verheiratet bist - oder geweiht - oder sonst einen Weg beschreitest, auf dem
es scheinbar kein Zurück gibt).
Nun: Zunächst treu bleiben - treu Deiner Entscheidung. Denn wenn der
Weg zur Heiligkeit durch Deine falsche Entscheidung eher ein Weg des Leidens
ist und weniger ein Weg der Freude - so ist es doch immer noch ein Weg der
Heiligkeit. Außerdem bewahrt Dich die Treue davor, übereilt zu
handeln. Bedenke immer, dass unser Leben in Wellen und Wogen vonstatten geht
- vor allem, wenn es um Gefühle geht.
Aber: Auch die Treue zu einer Lebensentscheidung und das Durchleiden der
Konsequenzen einer falschen Entscheidung soll auch ein Ende haben dürfen.
Auch wenn Du darin einen Weg zur Heiligkeit erkennen kannst. Aber dazu sollte
immer eine zweite Instanz hinzugenommen werden.
So ist es immer schon möglich gewesen, sich in einer Ehe »von
Tisch und Bett» zu trennen - wenn z.B. der Pfarrer bei dieser Entscheidung
zu Rate gezogen wurde. Mit Beziehungsproblemen zu Priester gehen? Das mag
heute unangemessen klingen (»Den Pfarrer fragen? Oh Gott, wie peinlich...!«)
- aber es bewahrt vor nachträglichen Vorwürfen, sich zu schnell
getrennt zu haben.
Lebendiges und berühmtes Beispiel dafür ist Klaus von der Flüe.
Er hat seine Frau verlassen und ein Leben als Einsiedler geführt. An
ihm wird aber auch deutlich, dass man aus der übernommenen Verantwortung
niemals entlassen wird: Trennung darf nicht dazu führen, die Frau (und
Kinder) mittellos zurückzulassen - zudem sollte die Entscheidung einvernehmlich
getroffen werden.
Auch für Priester- und Ordensberufungen gibt es die »Notbremse«
- die Möglichkeit, von den Pflichten der getroffenen Entscheidung befreit
zu werden. Aber auch hier geschieht das in Absprache mit der zuständigen
Autorität.
Beruhigen sollte Dich aber weniger die Möglichkeit, Deine Berufungsentscheidung
als allerletzte Konsequenz auch wieder auszusetzen. Beruhigen sollte vor allem
die Sicherheit, auch bei einer »falschen» Entscheidung nicht an der grundlegenden
Berufung zu scheitern - der Berufung zur Liebe Gottes. Was wollen wir mehr?
Was ist mein Weg? --- Die vier Fragen der Berufung
Zur Findung Deiner eigenen Berufung braucht es erstens Zeit - zweitens
einen guten Begleiter, der Dir zuhört und die richtigen Fragen stellt
- und drittens die Aufmerksamkeit im Gebet. In dieser Zeit, in diesen
Gesprächen und im Gebet können Dir die folgenden vier Fragen helfen:
1. Was kann ich?
Wie schon vorhin gesagt, ist die erste Frage die nach Deinen Fähigkeiten
und Deinem wahren Selbst. Das klingt vielleicht banal - ist aber gar nicht
so einfach. Denn vieles haben wir uns angewöhnt und wie eine Maske aufgesetzt.
Nur, wer zur Ruhe kommt, sich über längere Zeit selbst aufmerksam
wahrnimmt, auch einmal andere Lebenssituationen ausprobiert (z.B. »Kloster
auf Zeit«, »Missionar auf Zeit«, »Exerzitien im Alltag«
- etc.) kann diese Frage annähernd beantworten.
Frage auch andere, die Dich gut kennen, was sie für Stärken und
Schwächen an Dir entdecken. Wahrscheinlich stimmt das nicht unbedingt
mit Deinen eigenen Wahrnehmungen überein - gerade dann solltest Du genau
hinhören.
Absolut sicher können allerdings weder wir noch andere sein - nur Gott
erkennt uns bis auf den tiefsten Grund und lässt sich nicht täuschen.
Deshalb gehört diese Frage ins Gebet. Frag den, der Dich erschaffen hat
- Er weiß es am besten.
2. Was will ich?
Die zweite Frage ist eine Frage, die deutlich macht, dass eine Berufung zunächst
DEINE Entscheidung ist. Es geht nicht darum, Gottes Willen unabhängig
von Deinem Willen zu entdecken (eine solche Unabhängigkeit gibt
es vielleicht gar nicht). Du darfst Dich entscheiden - ja, Gott will,
dass Du Dich selbst entscheidest.
Worauf Du Deinen Willen richtest, ist zwar nicht beliebig; denn es bleibt
hinter der Frage nach der Berufung immer noch die Frage nach der Moral - also
nach gut und böse.
Also solltest Du schon danach frage, ob das, was Du willst, GUT oder VERWERFLICH
ist.
So gibt es gelegentlich bedenkliche neue Gemeinschaften - sowohl innerhalb
als auch außerhalb der Kirche. Informiere Dich, benutze Deinen Verstand
und beziehe in Deine Überlegungen auch das Urteil der Kirche mit ein.
(Verwechsle aber nicht die Bedenken eines Priesters mit dem
Urteil der Kirche!)
Und auch bei der Berufswahl ist die Frage nach Gut und Böse von Bedeutung.
Dabei geht es natürlich nicht nur um »Berufe« wie Serienkiller,
Auftragsmörder oder Zuhälter. Auch scheinbar harmlose Berufe können
moralisch Bedenkliches mit sich bringen (wenn zum Beispiel zum Berufsbild
einer Hebamme dazu gehört, dass sie an Abtreibungen mitwirken muss).
Ähnliches gilt für die Partnerwahl: Dein Partner muss nicht perfekt
sein, Gott bewahre. Aber ob Du Dich an jemanden bindest, der auf Kosten
anderer lebt, sich keiner Lästerei enthalten kann oder zum Drogenmissbrauch
neigt, ist vor allem auch eine Frage Deiner eigenen Versuchbarkeit.
Falls Du aber sichergestellt hast, dass die in Frage kommenden Alternativen
nichts in sich Schlechtes enthalten, dann bist Du nicht verpflichtet,
den besten und edelsten Lebensweg zu gehen (vor allem, weil diese Wertung
sowieso subjektiv ist). Nein: Du darfst auch einen Lebensweg nehmen, der weniger
Opfer verlangt oder alltäglicher erscheint. Sei frei, unter den guten
Alternativen die zu wählen, die Du willst. Wenn Gott Dir diese Freiheit
lässt, darf niemand anderes sie Dir nehmen.
3. Was tue ich gern?
Jede Liebe bringt Opfer - das wird jeder der von Dir gewählten Wege
früh genug von Dir verlangen. Aber denke bei der Wahl Deiner Berufung
nicht daran, Dein Leben, Deine Vorlieben und was immer Dir Freude macht, aufzugeben.
Im Gegenteil: Wähle den Weg, der Dir am meisten Freude verspricht.
Aber, Vorsicht: Unterscheide dabei weltliche, vorübergehende und oberflächliche
Freuden von dem, was Dich Gott näher bringt. Er ist die Quelle
Deiner Freude - da kann kein Mercedes SLK oder BMW Z8 mithalten - und auch
keine Schuhe von Prada.
Was Du aber wirklich gerne tust und was Dich auch lange trägt, kannst
Du wiederum am besten in der Stille und Aufmerksamkeit Dir selbst gegenüber
klären. Welche Freuden verklingen schnell? Und was erfüllt Dich
über weite Strecken? Was hilft Dir in Zeiten der Leere?
Auch der Rat von älteren, in einem Lebensweg erfahrenen Menschen kann
Dir dabei helfen. Verachte nicht den Ratschlag anderer Menschen. Übrigens
kann auch ein in Ehren ergrauter Mönch Dir wertvolle Hinweise auf eine
gut gelebte Ehe geben! (Und umgekehrt...)
Und wiederum suche das Gebet. In der Stille vor Gott scheidet sich schnell
die Spreu vom Weizen. Manches, was Dir vor der Kirchentüre noch als Glück
auf Erden erschien, ist zwei Schritte weiter schon eine blasse Erscheinung.
Traue dem, was Dir vor Gottes Angesicht als erstrebenswert aufleuchtet.
4. Wo werde ich gebraucht?
Diese ersten drei Fragen habe ich im Laufe meiner Gedanken schon mehr oder
weniger anklingen lassen. Die vierte Frage »Wo werde ich gebraucht?» ist allerdings
jetzt neu - aber sehr wesentlich. Denn jede Berufung muss auch angenommen
werden. Ob Du Priester werden willst, ins Kloster gehen möchtest oder
vor hast, zu heiraten: Dazu gehören immer (!) zwei.
Es wäre schon seltsam, wenn Du Deinem auserwählten Ehepartner
offenbarst, dass Du Dich deutlich dazu berufen fühlst, ihn zu heiraten
- auch, wenn derjenige gar nicht will. Da nutzt auch kein Pochen auf Deine
geklärte und gereifte Berufung! Etwas stimmt nicht mit Deinen Gedankengängen,
wenn Deine Wahl nicht angenommen wird.
Das gleiche gilt auch für die Priesterberufung. Wenn der Bischof Dich
ablehnt, dann sollte das für Dich nicht ein Zeichen dafür sein,
dass der Bischof leider den Anruf Gottes nicht gehört hat - sondern
eine ernste Anfrage an Deine Berufung.
Natürlich - es gibt andere Bischöfe, und es gibt auch die Möglichkeit,
dem Bischof in einem Gespräch von der Ernsthaftigkeit Deiner Entscheidung
zu überzeugen. Das gilt ja auch für die Absicht, zu heiraten.
Kämpfe um Deine Berufung (ob um Deinen Bischof oder um Deinen Ehepartner
in spe). Aber bedenke immer: Es gibt keine echte Berufung ohne die
Demut, Deine Berufung von der Entscheidung der zuständigen Autoritäten
abhängig zu machen.
Es gibt auch die Gefahr, in Berufungsfragen hochmütig zu werden. Dass
Dein Lebensweg in Kirche, Ehe oder Kloster abhängig ist von der Annahme
durch den Bischof, den Ehepartner oder den Ordensoberen, ist kein Manko, sondern
ein wichtiger Baustein der Demut.
Das gilt natürlich auch für die Berufswahl. Neben Deinen Fähigkeiten,
ein guter Jurist oder Mediziner zu werden, spielt natürlich auch die
Wahrscheinlichkeit eine Rolle, als Anwalt oder Arzt eine Stelle zu finden.
Was nützt die sicherste Berufung, wenn Du keine Chance hast, sie zu leben?
Träme Dein Leben --- dann lebe Deinen Traum
Und ein letzter Tipp, Deine Berufung zu finden: Träume Dein Leben!
Nimm Dir Zeit. Suche Dir einen ruhigen Ort, an dem Du sicher ungestört
bist (Kirchen haben sich hier bewährt - aber bitte nicht den Kölner
Dom zur Hauptbesuchszeit!). Versetz Dich in die Gegenwart Gottes, ein kleines
Gebet der liebenden Aufmerksamkeit, einmal tief Durchatmen - und dann, beginn
zu träumen.
- Angenommen, Du schwankst zwischen der Entscheidung, eine Familie zu gründen
oder in die Mission zu gehen. Nun, so träume Dir den ersten Weg. Male
ihn Dir aus - in Deinen buntesten Farben. Vermeide negative Einschläge
- sei optimistisch. Gehe alle möglichen wunderschönen Situationen
durch (z.B. Hochzeit - romantische Abende - Geburt der Kinder - Familienurlaube
- etc. bis hin zum Lebensrückblick bei Deiner Goldhochzeit). Bedanke
Dich bei Gott für diese Zeit, schließe mit einem Gebet und gehe
ohne zu grübeln durch den Rest Deines Tages.
- Am nächsten Tag (oder auch mit einem größeren Abstand)
nimm Dir wieder die Zeit - gleicher Ort, gleiche Umstände. Diesmal
aber träume den zweiten Weg. Male ihn Dir wieder aus, versuch wieder,
nur die schönen Seiten zu sehen (z.B. die Menschen in der Mission,
wunderschöne Landschaften, Dankbarkeit, Feste und Gespräche, kleine
Abenteuer und große Erfolge - bis hin zu einem Lebensrückblick
als Ruheständler). Schließe diese Zeit wieder - ohne zu interpretieren
und zu werten.
- Erst am dritten Tag nimm Dir Zeit, wieder in der Ruhe und im Angesicht
Gottes. Stelle Dir aufrichtig und ehrlich die Frage: In welchem Traum bist
Du glücklicher gewesen? Was hat Dich mehr erfüllt? Wo kamen Deine
Fähigkeiten zu einem sinnvolleren und frohmachenderen Einsatz?
- Und vor allem: Welcher von beiden Lebensrückblicken hat Dich mehr
beglückt? Welches Glück hielt in Deinem Herzen länger an?
Vorsicht: Verwechsle bitte das rosige Bild in Deinen Träumen
nicht mit der Wirklichkeit. Es geht hier um die Findung der Berufung - nicht
um einen Blick auf das Leben, das Dich tatsächlich erwartet. Aber Gott
will, dass wir den Weg wählen, der uns das größte Glück
verspricht - und nicht den Weg mit den geringsten Risiken.
Die dritte Berufung: Der Beruf - und der Sinn des Lebens
Der Sinn des Lebens
Es mag fast wie Hohn klingen, in einem kleinen Kapitel mal eben nebenbei
den Sinn des Lebens zu klären. Aber für gläubige Katholiken
war das jahrhundertelang kein Problem, denn im katholischen Schulkatechismus
war das die allererste Frage, die ganz vorne im Buch stand und in einem Satz
beantwortet wurde: »Was ist der Sinn des Lebens?« - »Gott
zu lieben, ihn zu erkennen und dadurch die ewige Seligkeit zu erlangen».
Immerhin hat Jesus die gleiche Frage fast im Wortlaut so beantwortet (Joh
17,3). Dass diese Frage uns ungenügend beantwortet erscheint, liegt daran,
das wir mit dieser Frage nach dem Sinn unseres Lebens fragen. Worin
liegt der Sinn all dessen, was ICH tue, erlebe und erleide? Und wir verbinden
mit der Frage die Hoffnung, einen Ausblick auf die Zukunft unseres Lebens
zu erhalten: Was wird aus all dem, was ich tue?
Nun, die Antwort bleibt die gleiche: Der Sinn des Lebens liegt tatsächlich
darin, Gott zu lieben - in der Liebe zu ihm zu wachsen. Und - natürlich
- in der Liebe zu allen anderen geliebten Geschöpfen und Kindern Gottes.
Mein persönlicher Auftrag, den Gott mit meinem Leben verbindet, lautet
daher schlicht: »Wachse in der Liebe zu mir! Und ermögliche anderen
Menschen ebenfalls diese Liebe!«
Und das ist auch der Himmel (Joh 17,3): In alle Ewigkeit lieben zu können
- ohne Missverständnisse, ohne Einschränkungen, ohne Hindernisse.
Die Berufsfrage: Jurist oder Florist?
Und daraus ergibt sich dann auch der ganz konkrete Sinn des alltäglichen
Tuns: Alles, was wir tun, soll der Liebe dienen. Meiner Liebe zu Gott - und
der Ermöglichung der Liebe anderer zu Gott. Und deshalb werden wir Jurist
- oder Florist.
Jeder Beruf hat somit auch eine Bedeutung für Gott - egal zunächst,
welchen Beruf wir wählen:
- Als Jurist bemühen wir uns um zunehmende Gerechtigkeit in
der Welt, damit die schwachen Menschen, denen Unrecht widerfährt, nicht
die Liebe verlernen und den Hass lernen. Und damit die starken und bevorzugten
Menschen ihre Stellung nicht ausnutzen und den Erfolg mehr suchen als die
Liebe.
- Als Arzt bemühen wir uns, das körperliche Leid zu mindern,
damit die Menschen in Not und Krankheit nicht verzweifeln, ihr Leben verfluchen
und wieder einen klaren Kopf bekommen für das, was ihnen geschenkt
wird.
- Als Florist öffnen wir den Menschen die Augen für die
Schönheit der (floralen) Schöpfung - und geben ihnen Möglichkeiten,
einander die Liebe durch Blumen zu zeigen.
- Als Landwirt schaffen wir die Möglichkeit, Hunger zu stillen
und zu sättigen, damit keiner über den anderen herfallen muss
und wir die Angst vergessen können, morgen nicht genug zum Leben zu
haben.
- Als Priester heilen wir die Seele und stärken wir die Liebe
zu Gott.
- Als Maler zeigen wir Schönheit - aber auch die Not der Welt
und der Menschen; wir öffnen Augen und weiten den Blick für das
Gute; bzw. rütteln auf für das Leid der Menschen.
- ...um nur eine kleine Auswahl zu treffen - Du kannst Dir denken, wie sich
das auf alle anderen Berufe übertragen lässt.
Natürlich kann jeder Beruf auch pervertiert werden - so dass die falsche
Ausübung des Berufes den Hass fördert und die Liebe erstickt. Der
Beruf selber ist nur die Möglichkeit, Gott zu dienen - erst durch
unsere konkrete Gestaltung, der Liebe zu dienen, folgen wir unserer Berufung.
Diese Frage - wie soll ich nach meiner ersten Berufung (Gott zu lieben),
meiner zweiten Berufung (Priester, Kloster oder Ehe...?) meinen ganz konkreten
Lebensweg gestalten - stellt sich übrigens jedem Menschen. Auch der Priester
darf überlegen, ob er promoviert, eine kleine Dorfgemeinde oder eine
Stelle in der Bistumsverwaltung anstrebt - genauso, wie andere nach ihrem
Beruf fragen. Auch im Kloster stehen ähnliche Entscheidungen an. Allerdings
sind Priester, Mönche und Nonnen in ihrer Entscheidung nicht mehr ganz
frei - sie stehen ja im Gehorsam dem Bischof oder Ordensoberen gegenüber.
Aber das gilt ja auch für die Eheleute: Auch sie sind in ihrer Berufswahl
und den Berufsentscheidungen an die vorhergehende Berufung gebunden - im Gehorsam
ihrem Ehepartner und der Familie gegenüber. Mit anderen Worten: Karrieredenken
oder Faulheit auf Kosten der Ehe sind genauso tabu, wie ein Ordensbruder,
der Autohändler werden will.
Möchtest Du mir schreiben? Für diese Anmerkungen
ist
Peter verantwortlich.