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KARL-LEISNER-JUGEND |
Grundkurs des Glaubens - Glauben, Wissen und Beweise
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I. Was heißt Glauben? | ||
 | 1. Glauben und Wissen | |
 | 2. Drei verschiedene Bedeutungen des Wortes »Glauben« | |
 | 3. Glauben heißt »Lesen« (Interpretieren) | |
 |  | a. Wir interpretieren immer |
 |  | b. Interpretation und Beweisbarkeit |
 |  | c. Was ist nun »Glauben«? |
II. Glauben und Vernunft | ||
 | 1. Glauben ist vernünftig | |
 | 2. Glauben ist intuitiv | |
 | 3. Glauben ist beides (»fides et ratio«) | |
III. Die Erkenntnis Gottes - Gottesbeweise | ||
 | 1. Drei Beweis-Kategorien | |
 |  | a. Mathematisch (logisch) |
 |  | b. Naturwissenschaftlich |
 |  | c. Historisch / juristisch |
 | 2. Drei Gottesbeweis-Kategorien | |
 |  | a. Anselm von Canterburys Onotologischer Beweis |
 |  | b. Thomas von Aquins Wege der Gotteserkenntnis |
 |  | c. Biografien und Zeugnisse |
Im Alltagsgebrauch werden die Begriffe »Wissen« und »Glauben« nicht in einem eindeutigen Sinne verwandt - ein ganz selbstverständliches Vorrecht der alltäglichen Sprache. Daher kommt es in der Bedeutung der beiden Begriffe oft zu Überschneidungen, die scheinbare Gegensätze produzieren. Während wir davon sprechen, dass wir wissen, dass es einen Berg namens »K2« gibt (obwohl keiner von uns diesen Berg jemals mit eigenen Augen gesehen hat), verweisen wir die Behauptung von Menschen, die von einem Ufo entführt worden sind, in das Reich des Glaubens - obwohl dort doch Augenzeugen das Gegenteil behaupten.
Offensichtlich ist es nötig, die verschiedenen Verwendungen der Begriffe näher zu umreißen, um dann exakter bestimmen zu können, was wir wissen, und was wir glauben.
a. Glauben. â Vom Glauben sprechen wir, wenn wir eine Information nicht selbst erheben (bspw. durch Beobachtung), sondern durch Bericht erhalten. Dem Überbringer der Informationen glauben wir im Sinne von »für wahr halten« und »als zutreffend annehmen« und »zu eigen machen«.
Es gibt aber in den Naturwissenschaften eine Form des »Glaubens«: Wissenschaftler sprechen von einer Theorie, die unabhängige Daten in einen Sinnzusammenhang stellen, von einer glaubwürdigen oder unglaubwürdigen Hypothese. Neue Theorien in den Naturwissenschaften setzten sich oft nur langsam durch, weil ein solcher Paradigmenwechsel geglaubt werden müsste. Wissenschaftlicher Glaube bedeutet inhaltlich, eine Theorie als plausibel, einleuchtend und naheliegend zu erachten.
Desweiteren kann nicht als gewusst bezeichnet werden, was wir lediglich als Definition akzeptieren. Ob »Belgien« existiert oder nicht, ist keine Frage der Beobachtung - in der Natur finden wir keine Ländergrenzen; Staaten werden festgelegt und benannt. Die Frage nach der Existenz einer Definition ist die Frage danach, ob diese Definition anerkannt ist.
So gilt, dass jedwede weitere reine Etikettierung, bspw. in der Biologie oder Chemie, weder eine Frage das Glaubens noch eine Frage des Wissens ist - sondern seine Legitimation durch Übereinstimmung in der Begriffsbildung erhält.
b. Wissen. â Scheiden wir diese Bedeutungen für den Begriff »Wissen« aus, so kann nur das als gewusst bezeichnet werden, was ich aus eigener Anschauung erfahren habe, selbst erlebt oder gesehen, selbst vermessen oder gespürt, durch Experiment oder Beobachtung eigens überprüft habe. Allen anderen, die eine solche Erfahrung unmittelbar nicht gemacht haben, bleibt nur der Glaube, dass unser Bericht darüber gewissenhaft ist. Wir wissen außerdem rein logische Folgerungen aus hypothetischen Annahmen (zum Beispiel in der Mathematik), leisten aber damit keine Wirklichkeitsbeschreibung und verbleiben im Raum der Hypothese.
Damit erfährt der Begriff in Bezug auf seine Alltagsverwendung eine Verkehrung in das Gegenteil: Im alltäglichen Gebrauch wird der Begriff Wissen über die Welt in unmittelbarer Nähe zu Objektivität, Allgemeinverbindlichkeit und grundsätzlicher Anerkennung gebracht - nach unserem Ausschluss ist Wissen nichts anderes als rein subjektives Erkennen (zudem behaftet mit dem Makel der möglichen Sinnestäuschung, fehlerhaften Erinnerung und interessengeleiteten Interpretation).
Somit ist zunächst der Schluss erlaubt, dass es Wissen in seiner alltäglichen Verwendung als untrügliches Erkennen nicht gibt; Wissen ist vielmehr ein Erkennen, dass sich durch nichts vom Glauben (in seinen unterschiedlichen Bedeutungen) und dem Anwenden von Definitionen unterscheidet.
Wissen und Glauben unterscheiden sich also nicht in einem absoluten, gegensätzlichen Sinne; vielmehr bezeichnen wir Erkenntnisse mit einer höheren Verlässlichkeit und allgemeineren Akzeptanz als gewusste Sachverhalte, dagegen sprechen wir von Glauben, wenn es sich um unsichere Erkenntnisse oder um persönliche, nicht objektivierbare Entscheidungen handelt.
c. Meinen. â Immanuel Kant war ein kluger Mensch und ein hochgeachteter Philosoph, aber Philosophen reden oft so unverständliches Zeug. Kann Kant uns weiterhelfen (immerhin ist er schon lange tot!)? Ja, er kann. Er hat nämlich etwas zu diesem Thema gesagt, was relativ einfach, klar und verständlich ist. Kant unterschied nicht nur Glauben und Wissen - sondern fügte noch ein Drittes hinzu: Das Meinen.
Kant schreibt: Das Fürwahrhalten, oder die objektive Gültigkeit des Urteils, in Beziehung auf die Überzeugung (welche zugleich objektiv gilt), hat folgende Stufen: Meinen, Glauben und Wissen. Meinen ist ein mit Bewusstsein sowohl subjektiv als objektiv unzureichendes Fürwahrhalten. Ist das letztere nur subjektiv zureichend und wird zugleich für objektiv unzureichend gehalten, so heißt es Glauben. Endlich heißt das sowohl subjektiv als objektiv zuriechende Fürwahrhalten das Wissen. Die subjektive Zulänglichkeit heißt Überzeugung (für mich selbst), die objektive Gewissheit (für jedermann).« (KrV B 850)
Mit anderen Worten: Meinen (im Sinne von »Vermuten«) ist nach Kant ein Fürwahrhalten, das sowohl subjektiv als auch objektiv unsicher ist. Wir sind genauso bereit, unsere Meinung aufzugeben, wenn uns jemand dazu Anlass gibt, als auch unsere Meinung in ein Glauben oder Wissen zu überführen (indem wir z.B. triftige Gründe für unsere Meinung entdecken, die uns zuvor unbekannt waren).
Eine Meinung ist zum Beispiel »Bayern wird Deutscher Meister« - das mag zwar der Wunsch einiger (aus meiner Sicht seltsamer) Zeitgenossen sein, aber es ist eine unsichere Prognose - jedes Jahr wieder, zumindest am Anfang der Saison.
Glauben ist nach Kant etwas, dass man zwar subjektiv sicher festhält, aber das ich nicht objektiv als solches erweisen kann. Während ich zum Beispiel ganz sicher weiß, was ich letzte Nacht geträumt habe, ist es mir definitiv unmöglich, darüber einen Beweis anzutreten - und somit ist jedes persönliche Ereignis, das nur im Verborgenen meines Subjektes geschieht, ein Gegenstand des Glaubens - nicht des Wissens.
Beispiel: Ich weiß persönlich (subjektiv) sehr wohl, was mir meine beste Freundin unter dem Siegel der Verschwiegenheit ins Ohr geflüstert hat. Da ich aber die einzige Person bin, die das Geflüsterte verstehen konnte, kann ich es niemanden aufweisen oder beweisen. Ich glaube meiner eigenen Erfahrung - kann aber keinen Anspruch auf Wissen erheben.
Wissen dagegen ist etwas, dass sowohl subjektiv sicher - als auch objektiv gesichert ist. Das ist - so gibt sogar Kant selbst zu - allerdings in ständigem Wandel, denn was als objektiv gesichert gilt, hängt von der Gesellschaft und der vorherrschenden Philosophie genauso ab wie von meinem eigenen Standpunkt in Politik, Religion und Welt.
Beispiel: Heutzutage gilt die Existenz des Elektrons als eine gesicherte (und somit objektive) Erkenntnis. Wenn ich auch persönlich von der Existenz dieses negativ geladenen Elementarteilchens überzeugt bin, dann verdient diese persönliche Überzeugung das Etikett Wissen. Noch vor 150 Jahren wäre die Überzeugung, es gäbe ein Elektron, lediglich als Glaube bezeichnet worden.
Will man Kants Definition von Meinen, Glauben und Wissen grafisch veranschaulichen, hilft vielleicht die folgende Tabelle:
 | ...subjektiv... | ...objektiv... |
Meinen ist... | ...nicht sicher | ...nicht sicher |
Glauben ist... | ...sicher | ...nicht sicher |
Wissen ist... | ...sicher | ...sicher |
Bisher war die entscheidende Frage, inwiefern sich »Glauben« von »Wissen« unterscheidet. Nun - der Übergang von Glauben und Wissen liegt nach Kant im objektiven, also nicht im persönlichen, subjektiven und von Vorlieben geprägten Bereich. Aber das macht die praktische Unterscheidung, was denn nun konkret lediglich Glauben und was bereits Wissen ist, nicht einfacher. Und das wusste auch schon Kant: Nach Kant können wir lediglich das logisch-mathematische als Gewissheit bezeichnen (und, so fügt der kluge Kopf hinzu, ebenfalls das Sittengesetz. Aber das ist hier nicht unser Thema). Mit anderen Worten:
Was als »objektiv« gesichert gilt, ist letztlich eine Frage der Konvention. Früher war für eine Gesellschaft das Wissen sehr viel weiter gefasst: Die Überzeugung z.B., dass es einen Gott gibt, war selbstverständlicher Bestandteil der meisten Gesellschaften. Heute gilt oft nur noch das naturwissenschaftliche Überprüfbare als objektiv gesichert. Aber selbst wenn für jeden einzelnen Menschen die Konvention der Gesellschaft ein gewichtiger Grund sein mag, sich selbst einer Sache sicher zu sein - es wird dennoch im Leben eines jeden Menschen immer eine subjektive Sicherheit über Dinge geben, die sich objektiv nicht beweisen lassen.
Ob Tante Gisela die Socken, die sie mir geschenkt hat, wirklich selber gestrickt hat, wird sich nicht objektiv beweisen lassen (vor allem, wenn Tante Gisela - Gott hab sie selig - schon von uns gegangen sein sollte). Das wird aber an meiner subjektiven Gewissheit nichts ändern.
Ob ich also im Kant'schen Sinne etwas weiß oder nur glaube, spielt für meine Überzeugung eine untergeordnete Rolle. Wenn wir Kants Definition zugrunde legen, unterscheidet sich für jeden Menschen persönlich vor allem das Meinen vom Glauben/Wissen. Denn der entscheidende Schritt wird vom unsicheren Fürwahrhalten (Meinen) zum sicheren Fürwahrhalten (Glauben bzw. Wissen) vollzogen. Ob ich das, was ich persönlich sicher weiß, auch noch für andere beweisen kann, dürfte für die eigene Überzeugung gar keine so große Rolle mehr spielen.
Tatsächlich können Überzeugungen, die subjektiv sicher sind, unter Umständen niemals bewiesen werden (wie z.B. meine Träume, Gefühle oder persönlichen Erfahrungen); andere subjektiv gewusste Überzeugungen kann ich vielleicht nur deshalb nicht beweisen, weil mir die Bildung, die sprachlichen Voraussetzungen oder einfach nur die Gelegenheit fehlt.
Wenn aber die Rechtfertigung meiner Überzeugung nur von Zufälligkeiten abhängt, spielen diese Umstände für meinen Überzeugungssicherheit keine entscheidende Rolle.
Daher ist es sehr viel angemessener, den Glauben nicht als »Nicht-Wissen«, sondern viel zutreffender als »Nicht-mehr-nur-Meinen« zu bezeichnen. Ob ich allerdings etwas nur vermute (»meine «) - oder ob ich überzeugt bin (»glaube«), ist ein himmelweiter Unterschied. Aber dieser Unterschied ist fließender, als es zunächst scheint. Wann habe ich eine feste Überzeugung - und wann nur eine vorübergehende, im Grunde beliebige? Kant hat sich auch darüber wieder Gedanken gemacht - und wieder ziemlich praktische Konsequenzen gezogen. Demnach ist der Prüfstein zwischen Meinen und Glauben die Wette. Jemand, der etwas nur meint, wird mit Sicherheit nichts oder nur Unbedeutendes auf seine Meinung wetten - im Gegensatz zu jemandem, der glaubt. In dieser Hinsicht gibt es innerhalb des Glaubens selbst graduelle, fließende Unterschiede. Je nachdem, wieviel ich bereit bin auf meine Überzeugung zu wetten, kann man vom stärkeren oder schwächeren Glauben sprechen.
Dabei muss es nicht unbedingt die klassische Wette mit Wetteinsatz sein. Denn wirkliche Überzeugungen führen zu Entscheidungen und zu daraus folgenden Handlungen. Wenn ich bereit bin, schwerwiegende Entscheidungen und Handlungen mit größerer Tragweite auf meiner Überzeugung zu gründen, so kann sicherlich nicht mehr nur noch von Meinen, sondern muss auf jeden Fall von Glauben oder sogar festem Glauben gesprochen werden.
So kann es passieren, dass ich von einer Sache nicht so ganz fest überzeugt bin - sie aber von der Gesellschaft, in der ich leben, als gesichert angesehen wird - und man deshalb von Wissen sprechen sollte. Eine andere Überzeugung, die mir subjektiv sehr viel gewisser ist, mag aber von der Gesellschaft nicht unwidersprochen übernommen werden - und verdient daher nur die Bezeichnung Glaube.
Fassen wir Kant zusammen: Glauben und Wissen unterscheiden sich nicht durch die persönliche Stärke der Überzeugung, sondern darin, ob die Überzeugung auch objektiv erwiesen werden kann oder als gesichert gilt. Demnach kann in besonderen Fällen der Glaube sogar subjektiv erlässlicher sein als das Wissen. Auch wenn Glauben und Wissen in diesem Sinne unterschieden wird, ist eine eindeutige Zuordnung von Inhalten nicht möglich: Dazu ändern sich die Gewissheiten von Gesellschaft zu Gesellschaft, von Epoche zu Epoche, ja, sogar von Verein und Partei und Religion so stark, dass eine logisch einwandfreie Klärung nicht möglich ist. Wesentlicher und klarer ist allerdings die Unterscheidung zwischen Meinen und Glauben. Während eine Person nicht bereit ist, auf seine Meinung zu wetten und darauf keine Entscheidungen zu gründen, ist der Glaube von Überzeugung gekennzeichnet - und kann Teile meines Lebens, ja, sogar mein ganzes Leben prägen - auch, wenn diese Überzeugung keine objektive Gewissheit erlangen kann.
»Glauben« heißt nicht »vermuten« oder »nicht sicher wissen«. Glauben steht nicht im Gegensatz zum Wissen, sondern im Gegensatz zu »Meinen«: Wer glaubt, ist sich subjektiv sicher. Ganz unabhängig davon, ob er das, was er glaubt, auch anderen beweisen kann.
Zusätzlich zur Unterscheidung zwischen »glauben«, »wissen« und »meinen« gibt es noch eine andere Hinsicht, in der wir im Alltäglichen das Wort Glauben unterschiedlichen verwenden. Neben der Frage, wie sicher eine Überzeugung ist, unterscheiden wir nämlich auch, wie bedeutsam das, was wir glauben, für mich persönlich ist:
a. »Ich glaube, dass⦫ â¦heißt, ich halte einen bestimmten Sachverhalt für (wahrscheinlich) zutreffend. Ich gehe davon aus, dass entsprechend der geprüften Glaubwürdigkeitskriterien (Autorität, Kohärenz, Erfahrung) die Aussage über den Sachverhalt mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
Beispiel: Ein unbekannter Mitreisender im Zugabteil erklärt anhand zahlreicher Belege, dass die letzte Wahl in Timbuktu manipuliert war. - Beispiel: Nach dem ich den Spielfilm »JFK« gesehen haben,bin ich davon überzeugt, dass das Attentat auf Kennedy nicht vom vermeintlichen Attentäter Oswald verübt worden ist.b. »Ich glaube jemandem⦫ â¦heißt, das für wahr zu halten, was mir der Betreffende sagt. Ich vertraue dem Inhalt seiner Rede, weil der Inhalt den Glaubwürdigkeitskriterien entspricht.
Beispiel: Ein Schüler wird vom Lehrer darüber aufgeklärt, dass ein Quadratmeter 10.000 cm² beinhaltet. Er hatte bis jetzt immer geglaubt, es seien nur 100 cm². - Beispiel: Ein Besucher einer Rennbahn erfährt von einem Insider, dass das Pferd mit der Nummer 7 das Rennen nicht gewinnen wird, weil es eine leichte Verletzung hat.c. »Ich glaube an jemanden⦫ â¦heißt, sich von einer Person (in bestimmter Hinsicht) abhängig zu machen. Ich vertraue dem Betreffenden meine eigene Person (in bestimmter Hinsicht) an, weil der Betreffende den Glaubwürdigkeitskriterien entspricht.
Beispiel: Ein Kind vertraut dem Vater, der ein guter Zirkusartist ist, dass er bei der Übung am Trapez das Kind sicher auffangen wird. - Beispiel: Ein Mädchen erfährt von ihren Freundinnen, dass ihr Freund sie betrügt. Es besteht aber darauf, dass es ihm das nicht zutraut und weiterhin zu ihm hält.»Ich glaube, dass Gott existiert⦫ heißt: ich halte die Existenz Gottes für (wahrscheinlich) zutreffend. Ich gehe davon aus, dass entsprechend der geprüften Glaubwürdigkeitskriterien (Autorität, Kohärenz, Erfahrung) Gott in der Wirklichkeit existiert. »Ich glaube Gott⦫ heißt also auch, das für wahr zu halten, was mir Gott mitteilt (evtl. vermittelt durch die Bibel oder die Kirche). Ich vertraue seiner Rede, weil sie vernünftig und weil Gott gut ist. »Ich glaube an Gott⦫ heißt darüber hinaus: ich mache mich (in einer bestimmten Hinsicht) von Gott abhängig. Ich vertraue ihm meine eigene Person (in bestimmter Hinsicht) an, weil Gott gut und allmächtig und deshalb vertrauenswürdig ist.
»Glauben« bedeutet nicht nur einen bestimmten Grad an Wahrheit. »Glauben« wird im Alltag in drei unterschiedlichen Bedeutungen benutzt: »Glauben an«, »glauben dass« und »jemandem glauben«.
a. Wir interpretieren immer. â Religiösen Menschen wird oft vorgeworfen, sie würden Ereignisse in ihrem Leben als Zeichen für eine größere Wirklichkeit interpretieren, dabei seien diese Gegebenheiten entweder nur Zufall oder ein Produkt von Naturgesetzlichkeiten. Man bezichtigt religiöse Menschen, anstatt die Dinge zu nehmen, wie sie sind - eben als Dinge ohne jede Bedeutung oder Botschaft -, in die Wirklichkeit scheinbare Bedeutungen hineinzuinterpretieren. Besser sei es - so wird oft vorgeschlagen - einfach zu leben und zu genießen, anstatt einen Sinn zu suchen und angeblich zu finden, den es doch gar nicht gibt.
Das Faszinierende ist allerdings, dass das gar nicht geht. Der Mensch ist Mensch, weil er alles, was er wahrnimmt, deutet. Ein Mensch, der lächelt, wird nicht nur als ein Muskel-Knochen-Paket wahrgenommen, dessen Mundwinkel durch eine vollkommen bedeutungslose Neuronenaktivität nach oben gezogen werden. Wir sehen kein Muskelspiel, sondern einen lächelnden Menschen. Wir sehen Leid, und nicht nur Abweichungen vom Normbefinden. Wir sehen Menschen in die Augen, und nicht nur in deren Lichtwahrnehmungsorgane.
Wir Menschen nehmen so automatisch eine immaterielle Realität in der materiellen Schicht wahr, dass wir uns dessen meist überhaupt nicht bewusst sind. So wird ein eingefleischter Leugner einer geistigen Realität diesen Satz lesen und gar nicht merken, dass er schon dadurch widerlegt ist: Er nimmt nicht nur schwarz-weiße Muster auf dem Papier (oder Monitor) wahr, sondern er sieht Buchstaben, die Worte und Sätze bilden und über die materiellen Möglichkeiten von Papier und Monitor weit hinaus einen geistigen Inhalt haben - in diesem Fall die Behauptung, es gäbe so etwas wie »Geistigkeit«. Aber selbst, wenn er behauptet, dass es eine solche Wirklichkeit nicht gäbe, benutzt er die Materie (zum Beispiel die Luft als Schallträger, wenn er spricht), um Nicht-materielles auszudrücken.
Ein Redner, der gegen die Existenz jedes Geistigen spricht, widerlegt sich schon durch diese Tätigkeit selbst: Er stellt Behauptungen auf. Er wird zudem auf die Reaktion seines Publikums warten, die wiederum geistiger Natur ist (zum Beispiel Zustimmung, Ablehnung, Ironie oder Langeweile) und die er nur erkennt, indem er Gesichtszüge, Gestik und Körperhaltungen der anwesenden Bioformen interpretiert.
Das Aufstöbern von Realitäten in und hinter den Dingen, die wir wahrnehmen, ist unsere Natur. Die Behauptung, es gebe nur die materielle Oberfläche, aber darin keine immaterielle Wirklichkeit, ist im Grunde so absurd, dass es eigentlich eine philosophische Peinlichkeit ist, so etwas nur zu behaupten oder gar zu diskutieren.
b. Interpretation und Beweisbarkeit. â Nun gibt es innerhalb der materiellen Ordnung Gesetzmäßigkeiten, die gelegentlich Voraussagen auf zukünftige Ereignisse möglich machen. Von einem fallenden Apfel wissen wir zu Beispiel, dass er auch in naher Zukunft weiterfallen wird - und zwar in Richtung Erdmittelpunkt, bis er zum Beispiel durch die Erdoberfläche daran gehindert wird.
Mit dieser systematischen Durchdringung einer Wirklichkeitsebene kommen wir zu ziemlich sicheren Erkenntnissen (wir nennen diese Systematik zumeist »Naturwissenschaften«); niemals aber können wir mit der gleichen Sicherheit auf die Existenz einer tieferliegenden Wirklichkeit schließen. Ob der fallende Apfel ein Angriff des Baumes auf mich ist, ist ebenso eine Deutung wie die Vermutung, der Ball, der sich gerade auf mich zubewegt und der wenige Sekunden zuvor eine menschliche Hand verlassen hat, sei mir zugeworfen worden. Weder die eine noch die andere These lassen sich aus der materiellen Ebene heraus beweisen. Wer weiß - vielleicht ist der geworfene Ball doch nur ein Zufallswurf in meine Richtung? Und wer will auf der rein materiellen Ebene definitiv ausschließen, dass der Baum mich nicht doch mit Fallobst attackieren will? Keine physikalische Untersuchung kann eine dieser Thesen beweisen oder widerlegen. Sie sind schlicht keine physikalische Realität, obwohl sie eine physikalische Realität voraussetzen.
Sie sind Behauptungen über eine physikalische Wirklichkeit und zugleich über eine tieferliegende Realität: Das materielle Geschehen wird interpretiert auf eine tiefere Bedeutungsebene hin. Innerhalb einer Ebene (ob physikalisch oder geistig) können wir sauber argumentieren und Gesetzmäßigkeiten entdecken - und zum Beispiel zu der klaren Erkenntnis kommen, dass Bäume kein Obst willentlich fallen lassen, dass geworfene Bälle aber zumeist eine Aufforderung zum Fangen darstellen. Ja, wir können am Kontext des Ballwurfes (fand er im Stadion, in einer Turnhalle, im Klassenraum oder auf offener Straße statt?), an dessen Flugbahn und Geschwindigkeit eine ganze Menge weiterer Dinge erkennen (zum Beispiel, ob der Ball mich treffen oder gar verletzen sollte). Alles das ist - wie gesagt - zwar physikalisch-materiell fassbar, aber beinhaltet zugleich eine Bedeutungsebene, zu der wir nicht durch Verlängerung von Prozessen, sondern durch Interpretation Zugang finden.
c. Was ist nun »Glauben«? â Wenn wir nun einen religiösen Menschen betrachten, stellen wir fest, dass er in Bezug auf Gott nichts wesentlich anderes tut. »Glauben« ist keine neue, abstrakte und dem Menschen fremde Tätigkeit. Der Mensch, der zu dem Schluss kommt, dass Gott existiert, hat nicht eine Grenze der Rationalität überschritten, sondern bleibt in dem, was er tut, ganz und gar Mensch. Die beim Betrachten eines menschlichen Gesichtes schließt der religiöse Mensch auch außerhalb der von Menschen gestalteten Wirklichkeit von der (materiellen) Oberfläche auf eine darinliegende (geistige) Sinnebene.
Im Grunde ist der glaubende Mensch nur ehrlicher als die sogenannten Materialisten. Denn auch diese interpretieren die Wirklichkeit (immer und überall) - wenn auch als sinnlos und rein stofflich; während der Glaubende erkennt, dass vieles auf der materiellen Ebene sinnvoller Ausdruck einer tieferliegenden Ebene ist. Wir alle (!) suchen nach diesen Elementen, die nicht allein den Gesetzlichkeiten der Natur unterliegen, sondern zugleich Zeichen, Botschaften, Hinweise, klare Signale oder sogar Ansprache eines vernunftbegabten Geistes sind, der hinter allem steht. Auch wenn der eine oder andere behauptet, diese Suche sei erfolglos und vergeblich - sie halten dennoch danach Ausschau.
Der Mensch kann gar nicht anders als die Wahrnehmung zu deuten. Jemand, der glaubt, tut nichts anderes als auch der Atheist. Nur nimmt der Glaubende einen tieferen Sinn wahr, während der Atheist einen letzten Sinn ablehnt.
An Gott zu glauben heißt, Gott zu lieben - genauso wie an die Liebe eines Menschen zu glauben bedeutet, diesen Menschen zu lieben. Wenn du dich entschließt, einen Menschen zu lieben, so ist das weder eine reine Verstandes-Entscheidung noch reine Gefühlssache. Einen Menschen zu lieben heißt, ihn mit allen Regungen, zu denen du als Mensch fähig bist, anzunehmen. Genauso ist der Glaube an Gott keine reine Verstandes-Entscheidung, aber auch keine reine Gefühlssache.
Auf den ersten Blick einleuchtend ist, dass eine Liebe aus reiner Berechnung keine Liebe ist. Manchmal können diese Berechnungen auch wohlwollend sein (»Schau, wenn du mich liebst, dann geht es dir in allen Belangen besser!«), dennoch bleibt eine solche Liebe eine Vernunftliebe - ohne Herz und ohne Gefühl. Wir sind sogar versucht, die politischen Vernunftehen der Adeligen in den letzten Jahrhunderten als »lieblos« zu bezeichnen - was vermutlich etwas vorschnell sein dürfte. Das gleiche gilt natürlich auch für den Glauben: Auf Gott zu vertrauen, weil man sich dadurch größere Chancen für des kommende Leben ausrechnet, funktioniert nicht - das merkt ein jeder sofort. Sogar Fidel Castro, der im hohen Alter noch den Papst nach Kuba eingeladen hat, um (wie er selber sagt) noch ein paar »Pluspunkte zum Erwerb der Eintrittskarte in den Himmel« zu sammeln, weiß vermutlich, dass das keinen Sinn macht, wenn man nicht Gott irgendwie liebt.
Das andere - eine Liebe nur aus Gefühl - finden wir gar nicht so seltsam. Gerade Jugendliche sind manchmal regelrecht allergisch gegen eine verstandesmäßige Einschränkung der Liebe. Ähnlich allergisch sind sie dann auch gegen gute Gründe, an Gott zu glauben.
Die gefühlsmäßige Liebe ohne Vernunft ist extrem gefährdet (und gefährlich):
Verliebter: »Ich liebe diese Frau. Schau her, ich habe ein Bild von ihr. Ist sie nicht schön?«
Freund: »Ja - schon. Aber das Bild ist doch schon sehr alt, oder?«
Verliebter: »Das ist mir egal. Diese Frau muss es sein.«
Freund: »Ist das Foto nicht aus Bolivien?«
Verliebter: »Wahre Liebe kennt keine Grenzen«.
Freund: »Die ist doch verheiratet, oder?«
Verliebter: » Meine Liebe ist größer!«
Freund: »Wurde die nicht wegen Mordes verurteilt?«
Verliebter: »Meine Liebe wird sie auf den Weg der Tugend zurückführen!«
Freund: »Wegen Mordes an ihren drei ersten Ehemännern?«
Verliebter: »Ich habe keine Angst. Ich liebe sie mehr als mein Leben!«
Freund: »Die ist doch vierzig Jahre älter als Du!«
Verliebter: »Das ist mir gleich. Wahre Schönheit altert nicht.«
Freund: »Ich meine gehört zu haben, dass sie vor 5 Jahren gestorben ist.«
Verliebter: »Meine Liebe geht über den Tod hinausâ¦!«
Zugegeben - der Dialog ist nicht sonderlich realistisch. Aber er macht deutlich: Liebe ohne vernünftiges Denken ist blind - extrem blind. Denken ohne Liebe dagegen ist kalt - Gefühl ohne Verstand ist rücksichtslos.
Wir können zwar nicht darüber diskutieren oder urteilen, welche Gefühle jemand für einen anderen Menschen hat. Aber bevor aus heißen Gefühlen eine Beziehung entsteht, müssen wir den Verstand einschalten - sonst wird es gefährlich. Dazu kann es durchaus hilfreich sein, wenn wir Freunde oder Freundinnen um ihre Meinung bitten - und uns auch vernünftigen Einwänden stellen. Mit beiden Flügeln - der gefühlsmäßigen Liebe und dem klaren Verstand - dagegen kann man in den siebten Himmel einer Beziehung abheben.
Das Gleiche gilt nun auch für den Glauben an Gott: Wer behauptet, die Entscheidung für oder gegen Gott sei reine Glaubenssache (damit ist normalerweise reine Gefühlssache gemeint), der schaltet das Denken genauso ab wie der blind Verliebte. Das ist aber gefährlich: Wenn Glauben wirklich nichts mit Denken zu tun hat und jeder glauben kann, was er will, dann ist kein Kraut gewachsen gegen verbrecherische Sekten, religiösen Fanatismus und kirchlichen Dogmatismus. Glauben und Vernunft sind die beiden Flügel, die zusammenschlagen müssen: Die Entscheidung für Gott ist letztlich eine Liebesentscheidung und unterscheidet sich wesentlich von einem »Glauben« an die Existenz von UFOs, fliegende Fettmöpse oder des Ungeheuers von Loch Ness.
Papst Johannes Paul II. hat in einer ziemlich philosophischen und recht schwierigen Enzyklika davon gesprochen, dass Glaube und Vernunft die beiden Flügel des Geistes sind (Enzyklika »Fides et ratio«). So kann man auch sagen, dass Liebe und Vernunft die beiden Flügel der menschlichen Beziehung sind - und die Beziehung zu unserem Schöpfer ebenfalls eine »Herzensangelegenheit« und eine »Verstandessache« ist. Beides.
Der Glaube an Gott ist mehr als nur Erkenntnis: Glauben heißt Beziehung. Wie in jeder Beziehung spielen Verstand und Herz (Vernunft und Intuition) eine zwar unterschiedliche Rolle, beide sind aber unverzichtbar.
Im Grunde gibt es drei Arten von Beweisen: Den naturwissenschaftlichen (oder physikalischen, von »Physis - die Natur«) Beweis, den mathematischen und den historischen (oder juristischen) Beweis. Der historische Beweis untersucht einmalige Ereignisse; der physikalische Beweis fußt auf empirische Daten und sucht nach allgemeinen Gesetzen, die diese Daten verbinden; der mathematische Beweis ist rein geistiger Natur.
a. Der mathematische Beweis. â Einen zwingenden Beweis gibt es nur in der Mathematik. Dort ist die Sprache, in der diskutiert wird, hoch formalisiert; die (fünf) Grundannahmen der Mathematik sind allgemein und offensichtlich. Wenn festgestellt wird, dass ein neuer Beweis fehlerfrei ist, dann gibt es dahinter kein Zurück mehr: Nun gehört das neue Wissen zum mathematischen Bestand, ein Widerspruch ist nur noch möglich, wenn auf versteckte Fehler in der Beweisführung Bezug genommen wird.
Ein solcher Beweis wäre natürlich als Gottesbeweis ideal. Keiner würde mehr über Gottes Existenz diskutieren, die Frage wäre nur noch, ob ich ihn mag oder nicht. Aber: Die Mathematik beschreibt nicht die Wirklichkeit. Sie entwickelt nach streng logischen und formalen Regeln aus den Grundannahmen eine in sich stehende Wissenschaft - eine Geisteswissenschaft in reinster Form. Die Mathematik ist gültig, unabhängig davon, ob sie mit der Wirklichkeit übereinstimmt oder nicht.
Albert Einstein fragte einmal: »Wie kann es sein, dass ein Produkt des menschlichen Geistes, das von keinerlei Erfahrung abhängt, so wunderbar dazu eignet, Objekte der realen Welt zu beschreiben?«
In dem Augenblick, in dem wir die uneingeschränkt gültigen Aussagen der Mathematik auf die reale Welt anwenden, verliert die Mathematik allerdings ihren allgemeingültigen Wahrheitsanspruch: Denn als angewandte Mathematik unterliegt sie jetzt dem Anspruch, die Realität angemessen zu beschreiben - oder nicht.
b. Der physikalische Beweis. â Der naturwissenschaftliche Beweis ist tatsächlich weniger zwingend, als im allgemeinen angenommen. Das einzige, was in der Naturwissenschaft möglichst exakt erhoben wird, sind Daten. Alles andere, vor allem die daraus abgeleiteten Theorien, sind Vermutungen.
1. Schritt: Die Daten werden gesammelt. â Es gilt bei der Beobachtung, mögliche Ungenauigkeiten, Täuschungen oder Fehlmessungen zu vermeiden und oder gar ganz auszuschließen, so dass die Daten unter exakt beschriebenen Umständen jederzeit und jederorts identisch erhoben werden können.â¦und wo ist da jetzt der Beweis? â Was allgemein als Beweis angesehen wird, ist nichts anderes als eine erneute Gewinnung von Daten, die eine bestimmte Theorie erhärten. Aber das schließt niemals aus, dass die vorhandenen und neugewonnenen Daten nicht auch durch eine andere Theorie erklärt werden können - oder dass Daten gefunden werden, die die bisher anerkannte Theorie hinfällig werden lassen.
2. Schritt: Die Hypothesen verbinden Daten. â Die Daten werden durch Überlegungen miteinander in Beziehung gesetzt. Es wird nach allgemeinen, möglichst einfachen Erklärungen gesucht, warum die Daten genauso beschaffen sind und welche Mechanismen im Hintergrund wirksam sind. Eine Hypothese, die diesen Anforderungen entspricht, wird nun verallgemeinert: Einmal angenommen, diese Hypothese wäre korrekt - welche Vorhersagen für bisher noch nicht erhobene Daten können gemacht werden? Was folgt daraus für weitere Versuche, Experimente oder Beobachtungen?
3. Schritt: Experimente bestätigen Hypothesen. â Diese Vorhersagen werden nun gezielt überprüft. Erst, wenn die Theorie durch die neuen Experimente bestätigt wird, kann man von einer wissenschaftlichen Anerkennung sprechen.
Für Physiker ist das Hypothetische ihrer Arbeit eine Selbstverständlichkeit: Max Planck, der Begründer der Quantentheorie, sagte einmal: »Über den Toren des Tempels der Wissenschaft stehen die Worte geschrieben: Du musst glauben.«
c. Der historische Beweis. â Gegenstand der Geschichtsforschung oder von juristischen Ermittlungen sind Dinge, die nur einmal passierten und nicht in einem Experiment nachgewiesen werden können. Für diese Ereignisse haben wir also nur Zeugen und »Zeugnisse« (in schriftlicher oder archäologischer Form). Bei der historischen und juristischen Wahrheitsfindung geht es im Grunde darum, nach der Glaubwürdigkeit eines Ereignisses und dessen Bezeugung zu fragen. Auch wenn sich diese Beweise auf einer anderen Ebene abspielen als die physikalischen oder mathematischen, so ist die Beweiskraft deswegen nicht geringer - nur die Methoden sind andere.
Es gibt mindestens drei unterschiedliche Erkenntniswege, die jeweils einen anderen Begriff von »Beweis« haben: Der logische Beweis ist zwingend (aber unwirklich), der naturwissenschaftliche Beweis ist überzeugend (aber unpersönlich), der historische Beweis ist Ansichtssache (aber persönlich hochbedeutsam).
In der Philosophie wurden in allen drei Kategorien Beweise der Existenz Gottes versucht: Der ontologische Gottesbeweis des Anselm von Canterbury ist ein rein logischer Beweis; die Wege der Gotteserkenntnisse des Thomas von Aquin (fünf Gottesbeweise des Aquinaten) sind physikalische Gottesbeweise; Zeugnisse und Erfahrungen (z.B. der Heiligen) sind Gottesbeweise der dritten Kategorie.
a. Der mathematische Gottesbeweis. â Einen Gottesbeweis, zwingend wie in der Mathematik, gibt es in der realen Welt nicht. Einen Entwurf eines mathematischen (zwingenden) Gottesbeweises hat Anselm von Canterbury mit seinem ontologischen Gottesbeweis versucht. Darin geht Anselm von den Begriffen und deren Implikationen aus - und nicht von Beobachtungen oder Wahrnehmungen.
Der ontologische Gottesbeweis: Anselm stellt fest, dass der Begriff von Gott beinhaltet, dass »Gott das Größte ist, über das hinaus nicht Größeres gedacht werden kann«. Etwas, das aber nur in Gedanken existiert, aber nicht zugleich in der Realität, könne größer gedacht werden (nämlich als real existierend). So muss das Größte, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, auch real existierend sein - sonst wäre es nicht das denkbar Größte. Also - so folgert Anselm - beinhaltet der Begriff von Gott zugleich seine Existenz.
Vermutlich krankt dieser Beweis an der gleichen Beschränkung, die auch der Mathematik zueigen ist: Es gelingt nicht, die Brücke in die Wirklichkeit zu schlagen, ohne die Allgemeingültigkeit des Beweises zu verlieren. Das ist für den Theologen nicht weiter schlimm, da es grundsätzlich keinen mathematischen Beweis in der realen Welt gibt - auch nicht in den Naturwissenschaften. Da Gott als etwas Reales erwiesen werden soll, müssen wir auf einen logischen und zwingenden - aber eben rein geistigen - Beweis verzichten.
b. Der physikalische Gottesbeweis. â Ein Gottesbeweis im Range eines physikalischen Beweises ist ohne Probleme möglich. Wenn ich bestimmte Daten am einfachsten erklären kann, indem ich die Existenz eines Gottes annehme, so bin ich allemal auf dem Erkenntnisniveau der Naturwissenschaften. Von den klassischen Gottesbeweisen gehören die »Fünf Wege der Gotteserkenntnis« des Thomas von Aquin in diesen Bereich. Ausgehend von realen Beobachtungen (Bewegung, Zielgerichtetheit, Ursache-Wirkungâ¦) schließt er auf etwas, das er »Gott« nennt.
Der erste Weg der Erkenntnis Gottes (nach Thomas von Aquin). â Alles, was sich bewegt, hat diese Bewegung nicht aus sich heraus, sondern weil es durch etwas anderes Bewegtes angestoßen wurde (Thomas versteht unter Bewegung soviel wie Veränderung). Dieses erhält seine Bewegung wiederum von einem anderen bewegten Beweger - und so fort. Wenn es eine unendliche Reihe gebe ohne einen ersten Beweger, so gebe es überhaupt keine Bewegung. Also muss ein erster, unbewegter Beweger existieren - und diesen nennen wir Gott.
Anmerkung: Damit meint Thomas nicht nur eine Kette von Beweger-Bewegten, die zurück in die Vergangenheit reicht (wie zum Beispiel bei Billardkugeln, deren Bewegung auf der vorangehenden Bewegung der anderen Kugeln zurückzuführen ist), sondern eine Wirkungskette, die zeitgleich existiert; ähnlich der Kette »Kraftwerk-Turbine-Strom-Glühbirne-Licht«. Die Glühbirne leuchtet nur, wenn es (zeitgleich) eine erste Quelle der Bewegung gibt.
Auf der Ebene der Naturwissenschaften ist eine Erkenntnis, dass es so etwas wie ein geistiges Prinzip geben muss (das wir Christen dann Gott nennen), durchaus möglich. Wir sprechen deshalb von einer natürlichen Erkennbarkeit Gottes (oder, korrekter, von der natürlichen Offenbarung).
c. Der historische Gottesbeweis. â Aber selbst die mathematischen und physikalischen Gottesbeweise, mögen sie noch so einleuchtend sein, bleiben uns innerlich sehr fern. Was wirklich von Bedeutung in unserem Leben ist, fußt fast ausschließlich auf der Ebene der historischen und juristischen Beweise: Nämlich das, was andere Menschen tun, denken und fühlen. Alles, was
geschichtlich konkret getan und einmalig ist.
Eine viel größere Bedeutung auch für unseren Glauben spielen die einmaligen, nicht wiederholbaren und nicht experimentell überprüfbaren Ereignisse, Beweisstücke oder Zeugenaussagen, die für mich die Existenz eines Gottes plausibel machen - oder einfach nur glaubhaft erscheinen lassen. Von all den genannten Gedankengängen ist - logisch gesehen - der historische Gottes-Beweis der »schwächste«; er lässt sich selten verallgemeinern, ist leicht zu kritisieren und ergibt fast nie einen zwingenden Schluss. Aber dennoch ist er realer:
Ein gehauchtes Liebesgeständnis hat objektiv gesehen nur eine geringe Beweiskraft: In meine Augen zu sehen und »ich liebe Dich« zu sagen, ist nun wirklich ein schwacher Beweis; das kann schließlich jede schauspielerisch begabte Frau. Aber für mich (und ebenso für jede andere verliebte Person) sind die kleinen Zeichen der Aufmerksamkeit (z.B. ein verlegenes Lächeln - Rosen als Geschenk - Gedichte - Warten im Regen) von größerer Aussagekraft als jede Argumentation.
Und deshalb hat Gott diesen Weg gewählt, um sich selbst zu offenbaren: Nicht in der Mathematik und nicht in der Physik, sondern in der Geschichte. In Menschen, die mit ihm einmalige Erfahrungen gemacht haben. Die übernatürliche Offenbarung ist historisch - nicht naturwissenschaftlich und nicht logisch.
Dennoch darf man von einem echten Beweis sprechen - wie es die Juristen und Historiker ja auch tun. Ein sauberer historischer Beweis ist nicht weniger stichhaltig - nur seine Methoden sind andere.
Gott hat für seine Offenbarung vor allem den historischen Beweis gewählt: Denn er ist kein logisches Prinzip und auch keine naturgesetzliche Kraft - er ist ein geistiges, liebendes Wesen. Alles andere als eine historische Offenbarung wäre Gott unangemessen.
Es gibt drei verschiedene Beweisarten und somit auch drei Arten von Gottesbeweisen. Am persönlichsten und berührendsten ist der »historische« Gottesbeweis, der nicht durch Logik, sondern durch Glaubwürdigkeit überzeugt.