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Grundkurs des Glaubens - Glauben und Naturwissenschaften

Wie schon in der Vorbemerkung zum ersten Abend erwähnt, sind die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften für viele Menschen eines der größten Hindernisse, sich überhaupt mit religiösen Erkenntnissen auseinanderzusetzen. Dabei gibt es sowohl im religiösen als auch im Naturwissenschaftlichen eine Tendenz zum Fundamentalismus, der die eigenen Erkenntnisse absolut setzt und sich für die andere Seite einfach nicht mehr interessiert. Wir sollten aber versuchen, Religion und Naturwissenschaften miteinander ins Gespräch zu bringen. Wenn wir dabei sauber und ordentlich unsere Begriffe und Vorentscheidungen mit bedenken, können wir die meisten Konflikte als Missverständnisse entlarven - auch dank der modernen Naturwissenschaften selbst.

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2. Abend zur Fundamentaltheologie: Glauben und Naturwissenschaften: Übersicht

I. Drei Konfliktfelder
1. Leib-Seele; Freiheit des Menschen
2. Schöpfung, Urknall und Evolution
3. Naturgesetze und das Wirken Gottes in der Welt

II. Drei Lösungsversuche
1. Fundamentalismus
2. Materialismus
3. Vollständige Disjunktion

III. Drei Lösungsstrategien
1. Die Quantenphysik
2. Angemessene Textinterpretation
3. Unterscheidung der Wirklichkeitsebenen

I. Drei Konfliktfelder

Heutzutage sehen viele moderne Menschen einen Konflikt zwischen Glauben und Naturwissenschaft, der zwei Grundlagen hat: Zum einen gibt es einen grundsätzlichen Konflikt zwischen Theisten und Materialisten; zum anderen wird ein zweiter Konflikt um die biblischen Berichte gesehen, vor allem dem Schöpfungsbericht und den Wunderberichten.

1. Nur Körper - oder Leib und Seele?

Der christliche Glaube sieht den Menschen aus Leib und Seele zusammengesetzt. Die Seele bedient sich des Leibes, steuert ihn und benutzt ihn als Ausdrucksmittel. Eigentlicher Träger der Identität ist aber die Seele. - Die Naturwissenschaft (insbesondere die Biologie und Neurophysiologie) findet keine Anhaltspunkte für eine außerkörperliche Steuerung. Das Gehirn wird als Sitz des Bewusstseins identifiziert (»Mind = Brain«), der Körper bildet insgesamt ein naturgesetzlich geschlossenes Ganzes.

Einen zweiten Aspekt des gleichen Phänomens betont die Frage nach der menschlichen Freiheit. Die Religion betrachtet den Menschen als frei, d.h. er hat zu einem großen Teil seiner Aktionen eine Alternative. Er ist verantwortlich dafür, dass er eine der sich bietenden Handlungsmöglichkeiten umsetzt und andere ignoriert. - Die Naturwissenschaften sehen im Verhalten des Menschen komplizierte, aber naturgesetzlich determinierte Mechanismen. Aufgrund seiner Programmierung durch Erziehung, Umwelt, Erfahrung und genetischen Veranlagungen bietet sich immer nur eine Handlungsmöglichkeit, von Freiheit allerdings kann keine Rede sein. Der Mensch ist letztlich eine hochkomplexe Maschine (»L’homme machine«).

2. Die Entstehung der Welt und des menschlichen Lebens

Auch hier lassen sich zwei, miteinander verwandte Aspekt unterscheiden. Zunächst die Entstehung des Weltalls, also des Universums als solches: Nach christlich-jüdischer Auffassung ist der Urheber des gesamten Universums Gott, der die Welt in einzelnen Schöpfungsschritten erschaffen hat. Nach naturwissenschaftlicher Auffassung ist die Welt mit dem Urknall ins Dasein getreten und hat sich seitdem den Gesetzen der Physik und Chemie entsprechend entwickelt zu dem heutigen Erscheinungsbild von Galaxien, Sternen, Planeten und kosmischen Elementen.

Der zweite Aspekt betrifft die Erschaffung des Lebens bzw. die Entstehung durch Evolution. Nach biblischer Vorstellung ist das Leben auf der Erde und vor allem das Auftreten des ersten Menschen direkt auf einen Schöpfungsakt Gottes zurückzuführen Nach naturwissenschaftlicher Anschauung hat sich das Leben aus der unbelebten Natur selbst gebildet und durch die Mechanismen von Mutation und Selektion bis zum menschlichen Leben höher entwickelt.

3. Die Bestimmtheit aller Naturvorgänge und das Wirken Gottes in der Welt

Christen beten um göttlichen Beistand, den sie in konkreten Ereignissen verwirklicht sehen. Die Ereignisse selbst sind zwar auf innerweltliche Ursachen zurückzuführen (wie z.B. das Wetter), aber das Auftreten des Ereignisses im Kontext von Gebet und Umständen wird als »Fügung«, als Antwort Gottes gedeutet. Die Naturwissenschaften gehen von einem durch die Naturgesetze bestimmten Ablauf der natürlichen Ereignisse aus, die prinzipiell jedes Ereignis erklären und vorausberechnen können. Dass Ereignisse in einem auffallenden Kontext als sinnbehaftet erscheinen, ist eine Deutung des Menschen (Sinn bedeutet »Sinn für jemanden«), die Natur an sich kennt eine solche Sinnzuweisung nicht.

Besonders fragwürdig erscheint die Behauptung, es gäbe Wunder - hier steht ein Eingreifen Gottes entgegen der Annahme von der Geschlossenheit der naturgesetzlichen Welt. Gelegentlich, so glaubt der religiöse Mensch, greift Gott in die Natur ein und erzeugt Ereignisse und natürliche Ursache. Er setzt dabei vorübergehend die Naturgesetze außer Kraft, um Vorgänge Wirklichkeit werden zu lassen, die ohne Gottes Tun nicht passiert wären. Die Naturgesetze sind für den Naturwissenschaftler immer und überall gültig; es gibt keine Ausnahmen. Für einen Naturwissenschaftler ist eine übernatürliche Ursache eines natürlichen Ereignisses nicht fassbar.

II. Drei Lösungsversuche
1. Der Fundamentalismus

Wenn von christlichem Fundamentalismus geredet wird, ist im allgemeinen der protestantische Fundamentalismus gemeint, der eine bibeltreue Theologie mit biblisch begründeter Wertordnung, Gottesdienstform und Kirchenorganisation vertritt. Wesentliches Merkmal des heutigen protestantischen Fundamentalismus die absolute Autorität der wörtlich ausgelegten Bibel (Fundamentalistisches Schriftverständnis). Jede Form der Bibelkritik wird als Angriff auf den christlichen Glauben angesehen. Für die protestantischen Fundamentalisten ist die wörtliche Irrtumslosigkeit der Bibel nicht nur in religiösen, sondern auch in geschichtlichen und naturwissenschaftlichen Belangen eine wesentliche und unverzichtbare Glaubensgrundlage.

Vor allem zum zweiten Konfliktfeld äußert sich der Fundamentalismus gerne und tritt als Kreationismus auf. Kreationisten (creatio, lat. = Schöpfung) vertreten die genaue Gegenposition zur Evolutionstheorie und halten sich exakt an den biblisch bildhaft beschriebenen Ablauf: Alles ist von Gott direkt erschaffen. Für die »Kurzzeit-Kreationisten«, die an eine Erschaffung der Welt und des Lebens innerhalb der biblischen sechs Tage glauben, fehlt für eine Entwicklung des Kosmos oder des Lebens schlicht die notwendige Zeit - die Welt ist insgesamt nicht älter als ungefähr 7500 Jahre. Das Gegenargument: »Aber die Welt ist doch viel älter, es gibt doch Fossilien und uralte Sterne!« wird oft mit einer kurzen Antwort entkräftet: »Als Gott Adam erschaffen hat, war dieser auch kein Baby mehr. Er wurde bereits mit einem Alter von vielleicht 30 Jahren erschaffen. Das gleiche hat Gott auch mit dem Kosmos getan: Obwohl keine 10.000 Jahre alt, sieht er aus wie ein Milliarden Jahre alter Weltraum. Die Fossilien sind von Gott ebenso erschaffen, wie das das Licht der Sterne, das bis auf dem Weg zur Erde mehr Zeit gebraucht hätte, als das Universum alt ist.«

Diese Position lässt sich kaum widerlegen. Durch das letzte Argument hat sie sich »immunisiert« - sämtliche Erkenntnisse der Naturwissenschaft werden bedeutungslos, ja, jede Forschung verliert überhaupt ihren Sinn: Die Kurzzeit-Kreationisten wissen es einfach besser.

Ich denke, diese beiden Positionen brauchen wir nicht ausführlich zu diskutieren: Gegen die Immunisierung lässt sich nichts machen - wie schon das Wort »Immunisierung« nahelegt. Außerdem deckt sie sich ganz und gar nicht mit der katholischen, positiven Sicht der Schöpfung: Gott täuscht nicht; vielmehr hat er uns die Möglichkeit der (wissenschaftlichen) Erkenntnis gegeben, die der Offenbarung nicht widerspricht. Mit anderen Worten: Der Kurz-Zeit-Kreationismus passt nicht zum katholischen Glauben.

Fazit

Der Fundamentalismus, der den Konflikt mit den Naturwissenschaften zu lösen sucht, indem er der Bibel grundsätzlich eine höhere Autorität zugesteht als jeder menschlichen Wissenschaft, steht im Konflikt zur katholischen Lehre.

2. Der (theologische) Materialismus

Dem Materialismus zufolge kann es ein Wirken Gottes in der Welt nicht geben; entweder handelt es sich um Fehlinterpretation, Wahrnehmungsstörungen, Halluzinationen oder bewusste Falschinformationen. So weit, so konsequent. Inzwischen (also seit der naturwissenschaftlichen »Aufklärung«) hat es sich jedoch auch in der Theologie, im Religionsunterricht und in der Verkündigung durch Predigt und Schriften eingebürgert, den Materialisten keinen Anlass zum Widerspruch und Spott zu bieten und die übernatürlichen Phänomene unseres Glaubens zu glätten.

So schreibt beispielsweise Rudolf Bultmann: »Natürlich gibt es noch viel Aberglauben unter den modernen Menschen, aber das sind Ausnahmen oder gar Abnormitäten. Der Mensch von heute baut darauf auf, dass der Lauf der Natur und Geschichte, wie sein eigenes Innenleben und sein praktisches Leben, nirgends vom Einwirken übernatürlicher Kräfte durchbrochen wird.«
»Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen … und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.«

Und ein mir befreundeter Priester schreibt:

»Unsere moderne Welt wird zunehmend von den Erfolgen der Naturwissenschaften und ihrer Technik bestimmt. Das Wissen der Menschheit vergrößert sich von Jahr zu Jahr immer schneller, so dass der Eindruck entsteht, es sei nur eine Frage der Zeit, bis schließlich alle Wissenslücken geschlossen sein würden. Gleichzeitig wächst bei vielen Zeitgenossen der Verdacht, dass damit auch Glaube und Religion im Rückzug begriffen seien. Wo man früher göttliche Mächte am Werk sah – z.B. beim Gewitter, bei kosmischen Himmelserscheinungen, bei der Geburt und beim Wachstum neuen Lebens –, da sehen wir heute ganz nüchtern das Walten der verschiedenen Naturgesetze, die eben immer besser bekannt werden und zur Erklärung der besagten Phänomene völlig ausreichen. So sagte schon der Physiker Pierre Simon de Laplace auf die Frage Napoleons, wo denn in seiner kosmologischen Theorie Gott vorkomme: »Ich bedarf der Hypothese Gott nicht.«
Dies war zur Zeit der Aufklärung nur eine Einschätzung der Intellektuellen, heute ist sie in allen Schichten verbreitet. Nicht wenige Lehrer und Schüler halten den religiösen Glauben durch den Fortschritt der Wissenschaft für überholt. Wer nur ein wenig auf seine Bildung zugute hält, der rühmt sich zugleich, wenn nicht Atheist, dann doch jedenfalls ein Skeptiker zu sein. So erinnere ich mich, wie mich einmal auf einer Feier ein etwas jüngerer Schüler (ich war damals etwa 17 Jahre alt) gefragt hat: »Du glaubst doch bestimmt nicht an Gott; du kennst dich ja so gut in Mathe und Physik aus.««

Die Darstellung unseres Glaubens, als gäbe es keine übernatürlichen Phänomene, zur Vermeidung der Konflikte mit der scheinbar übermächtigen Naturwissenschaft treibt immer neue Stilblüten, die uns als solche gar nicht mehr auffallen. So interpretiert Rudolf Otto Wiemeler das Wunder der Brotvermehrung in seinem Lied »Als Jesus in der Wüste war« als »Teilungswunder«: Jesus hat kein Brot vermehrt, sondern die Menschen nur dazu bewegt, ihre geheimen Vorräte miteinander zu teilen. Hubertus Halbfas beschreibt in seinen Religionsbücher z.B. den Gang Jesu über das Wasser als »Ostergeschichte«.

»Die Erzählung setzt also den Glauben an den Auferstandenen voraus. Das zeigt sich auch im Motiv des Wandelns über Wasser. Das Wasser füllt hier den Abgrund der Meerestiefe. Es ist ein Grab, das die Menschen in sich hineinverschlingen kann. Wenn nun in dieser Geschichte Jesus »über das Wasser geht«, das heißt, über die in den Tod verschlingenden Abgründe, so stehen wir damit nicht vor einem Naturereignis, sondern vor der Osterbotschaft: Er ist jener, der den Tod über­wunden hat. Er lebt. Er wurde von Gott aufer­weckt. Er ist der Christus, der euch, wenn ihr zu versinken droht, an seine Hand nimmt.« (Hubertus Halbfas, Religionsbuch für das 5./6. Schuljahr, Patmos-Verlag Düsseldorf 1989, Seite 154)

Weiter schreibt Halbfas zu den Berichten von Totenerweckungen im Neuen Testament:

»Alle diese Überlieferungen finden sehr unter­schiedliche Deutungen. Mal werden die Darstel­lungen als historisch glaubwürdig genommen, mal werden sie symbolisch verstanden, mal glaubt ­man, das Wissen um den Eintritt des Todes sei nicht immer gegeben gewesen, so dass man mit Scheintodfällen rechnen müsse.
Die heutige Theologie geht überwiegend sehr behutsam und kritisch mit den biblischen Erweckungsgeschichten um. Man hat festgestellt: »Allen biblischen Berichten und den meisten anderen Texten liegen Volkserzählungen zugrunde.« Diese Volkserzählungen seien aber nicht aufgegriffen worden, um einen historischen Vorgang zu überliefern, sondern um die todesüberwindende Macht Gottes zu veranschaulichen. Doch »aus dem gesamten Quellenmaterial« gehe nicht mit genügender Sicherheit hervor, »dass auch nur in ­einem einzigen Fall ein wirklich Toter in das irdische Leben zurückgekehrt ist«. (Halbfas, Seite 152)

Allen diesen Versuchen, die Konflikte zwischen Glauben und Naturwissenschaften zu entkräften, ist gemeinsam, dass die Theologie sich zu ändern hat, um den Aussagen der Naturwissenschaften nicht zu widersprechen. Seitdem verbiegen Theologen und Religionspädagogen nicht nur die Sprache, in der sie den theologischen Materialismus packen, sondern auch den christlichen Glauben selbst.

Fazit

Der Materialismus, der grundsätzlich jede Erkenntnis der Naturwissenschaften auch als theologische Abwertung versteht, ist ebenso unkritisch wie der Fundamentalismus - auch wenn er als »theologischer Materialismus« verkleidet ist.

3. Die vollständige Disjunktion

Von »vollständiger Disjunktion« spricht die Philosophie, wenn die Wirklichkeit in zwei vollkommen getrennte Bereiche gespalten wird, z.B. in den Bereich der wissenschaftlichen und der religiösen Erkenntnis. Die Naturwissenschaft beschreibt demnach alles Äußere der sinnenhaften Welt exakt und vollständig, während die Theologie allein für die Innerlichkeit oder für das Existentielle zuständig ist, insbesondere für Fragen der Ethik.

Dieser Ansatz wird von Dawkins in seinem Buch »Gotteswahn« als »NOMA« bezeichnet: Non-Overlapping Magisteria, also »nicht überlappende Lehrgebiete«. An anderer Stelle verwendet Dawkins den Vergleich mit der Appeasement-Politik Chamberlains - NOMA wird also mit einem »Nicht-einmischungs-Pakt« verglichen.

Auf diese Weise soll ein Gentlemans Agreement zwischen Theologie und Wissenschaft, zwischen Glaube und Wissen abgeschlossen werden, damit beide friedlich nebeneinander koexistieren können. So schließen viele Theologen, dass es keinen Widerspruch zwischen Theologie und Naturwissenschaft geben kann, weil sich beide Disziplinen in ihren Aussagen auf eine jeweils andere Ebene beziehen. »Ein Text, der beschreibt, was etwas ist, kann nicht im Widerspruch stehen zu einer Wissenschaft, die erkennt, wie etwas ist.«

Wir sollten also unterscheiden, ob vor uns ein lyrisches Gedicht über eine Rose liegt, oder ein biologischer Text. Im Gedicht darf die Rose als »Königin« bezeichnet werden, vielleicht sogar als »unsterblich«. Für die Biologie machen diese Aussagen keinen Sinn: Sie sind schlichtweg falsch. Aber bedenken wir die Aussageabsicht und Methode des Textes, klärt sich der Widerspruch als Missverständnis auf.

Aber auf der anderen Seite kann man Theologie und Naturwissenschaft eben nicht gegeneinander immunisieren: Denn das würde bedeuten, dass die Naturwissenschaft unabhängig von der Theologie alles mögliche entdecken kann und die Theologie dazu nur die Achseln zuckt - und umgekehrt die Theologie sich nicht um die Erkenntnisse der Naturwissenschaft kümmern braucht, weil sie ja doch einen anderen Blickwinkel hat. Ein berühmter deutsche Theologe hat diese gegenseitige »Nicht-Einmischung« folgendermaßen umschrieben: »Theologie und Naturwissenschaft können grundsätzlich nicht in einen Widerspruch untereinander geraten, weil beide sich von vornherein in ihrem Gegenstandsbereich und ihrer Methode unterscheiden.« (Karl Rahner)

Eine solche vollständige Disjunktion der Methoden übersieht, dass beide (Theologie und Naturwissenschaft) eben doch die gleiche Wirklichkeit beschreiben. (Im Rosen-Gedicht-Beispiel gilt ja auch: Ein Gedicht, das von der Rose als »Pflanze der Wüste« spricht - oder von »der Königin, die nur des nächtens blüht« - oder »der ersten Botin des Frühlings, schon blühend in des Eises Winter« redet, erzählt Unsinn. Wenn das Gedicht über die Rose sämtliche Erkenntnisse der Rosen-Biologie ignoriert, dann stimmt entweder mit dem Gedicht oder mit der Biologie etwas nicht!). Dieser Trick der Theologen (Immunisierung durch vollständige Disjunktion der Methoden) ist letztlich ein Ausweichmanöver, das unsere Wirklichkeit verkürzt.

Fazit

Der Versuch, Aussagen der Naturwissenschaften und des Glaubens in ihrer Wirklichkeitsbeschreibung vollständig zu unterscheiden, so dass sie überhaupt nicht miteinander in Konflikt geraten zu lassen, zerteilt die Realität in von einander gelöste Bereiche.

III. Drei Lösungen

Natürlich sind diese Konflikte nicht vollständig gelöst - zudem tauchen immer weitere auf. Aber es gibt drei sehr erfolgreiche tatsächliche Lösungen, die unter aufgeschlossenen Theologen und Naturwissenschaftler zunehmende Akzeptanz erfahren.

1. Die Quantenphysik

Die Quantentheorie bietet uns einen Ausweg aus einigen der o.g. Konflikte, denn sie erklärt, dass unser Körper (ja, sogar die gesamte Wirklichkeit) gar keine Maschine ist – nicht deshalb, weil er aus einem anderen Stoff ist als die übrigen Dinge der Welt, sondern weil es im strengen Sinne überhaupt keine Maschinen gibt. Das klingt vielleicht übertrieben, denn selbstverständlich gibt es Maschinen. Wir müssen uns aber nur fragen, was denn das Wesentliche an einer Maschine ist. Was macht eine Maschine aus? Dann können wir nach kurzem Nachdenken feststellen, dass es die strenge und unfehlbare Funktionalität ist, welche die Maschine dank gewisser mechanischer Gesetze ausübt. Kurz: wenn die Gesetze der Natur mechanischer Art sind, kann der Mensch sie sich zunutze machen, indem er Maschinen baut. Sind die Gesetze der Natur indessen nicht mechanisch, dann kann es keine Maschinen geben, jedenfalls keine zuverlässig funktionierenden.

Man könnte auch sagen: In dem Maße, in dem die Natur mechanisch verfasst ist, in dem Maße kann sie der Mensch am Modell einer Maschine erklären und entsprechende maschinelle Artefakte konstruieren. Die Quantentheorie gibt uns nun eine Art Maßstab an die Hand, der uns zeigt, bis zu welchem Grad die Natur tatsächlich so beschrieben werden kann wie eine Maschine und wo eine solche Betrachtung unangemessen oder nachgerade falsch wird. Im Bereich des Mikrogeschehens zeigt sich, dass die Natur keine rein mechanischen Bewegungen, sondern gleichsam Sprünge macht. Dieser Bereich ist nicht durch streng deterministische Kausalität geregelt, hier können zukünftige Zustände nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden. Hier ist Raum für alternatives Verhalten, das man nicht ausschließen und insofern auch technisch nicht beherrschen kann. Zu diesem Bereich gehören, wie wir heute wissen, auch die kleinsten Bestandteile unseres Gehirns. Und weil unser Organismus hierarchisch vollkommen durchstrukturiert ist, weil die kleinsten Zustandsänderungen im Gehirn bis ins Makroskopische verstärkt werden, gehört in gewisser Weise unser ganzer Körper zu diesem Bereich – er ist keine Maschine, jedenfalls nicht in jeder Hinsicht.

Die theologische Relevanz dieser inzwischen schon nicht mehr ganz neuen Erkenntnis besteht freilich nicht in der Annahme, die Freiheit des Menschen ließe sich nun endlich auch materiell identifizieren, nämlich in Form der unvorhersehbaren Neuronenaktivität im Gehirn. Das wäre allzu verkürzt gedacht, und wer es so darstellt, der macht sich unnötig lächerlich. Die Freiheit ist selbstverständlich eine geistige und keine materielle Eigenschaft. Nur Menschen sind frei, nicht aber Atome, Moleküle oder Organteile. Aber wir üben gleichwohl unsere Freiheit nicht im rein geistigen Raum aus, sondern in der Welt. Und wir sind keine Engel, die womöglich auf eine uns unbekannte Weise die materiellen Dinge beeinflussen können, sondern wir haben einen Körper, mit dem wir auf die Dinge der materiellen Welt physisch einwirken. Diese Einwirkung stellt kein Problem dar, sie lässt sich ganz und gar mit der klassischen Physik erklären. Das Rätsel liegt einen Schritt davor: Auf welche Weise bewegen wir unseren Körper, wie drücken wir uns in ihm aus? Wenn der Körper eine Maschine wäre, dann bliebe für unseren Geist in der Tat nur eine Existenzart übrig, die der eines Gespenstes ähnelte: Er stünde der in sich geschlossenen Mechanik gegenüber, isoliert und ohne Möglichkeit, einzugreifen.

Durch die Quantentheorie ändert sich jedoch genau diese Prämisse: Der Körper und das Gehirn sind keine Maschinen; also muss man Körper und Geist nicht voneinander isoliert, sondern kann sie innig miteinander verbunden denken. Die Freiheit des Geistes ist dem Gehirn nicht äußerlich, sondern innerlich. Anders gesagt: Unsere seelischen Vorgänge drücken sich unmittelbar in gewissen neuronalen Vorgängen aus, und diese können ihrerseits eine seelische Korrespondenz auslösen. Das aristotelische Modell von der Seele als der Form des Leibes, das auch kirchlicherseits höchste Anerkennung gefunden hat, kann auf diese Weise wieder mit Bezug auf die Physik plausibel gemacht werden.

Somit lösen sich die meisten Schwierigkeiten der o.g. Konfliktfelder auf:
(a) Wunder und Naturgesetze. — Im allgemeinen versteht man Naturgesetze als unabänderliche Regeln, die auch für Gott gelten. Dabei wissen die Physiker inzwischen, dass die Naturgesetze gar nicht so absolut gelten: Im Mikro-Kosmos haben sie nur statistische Bedeutung. Aber selbst für einen klassischen Physiker gilt: Wenn Gott die Welt erschaffen hat, dann kann er auch darin Wirken; wer die Regeln macht, steht über den Regeln.
(b) Vorsehung und Gebet. — Wer betet, bittet oft um Erfüllung bestimmter Wünsche bzw. Veränderung der Gegebenheiten. Für einen klassischen Physiker macht das keinen Sinn: Die Welt ist durch das Kausalitätsprinzip für alle Zeiten festgelegt - man könne die Zukunft theoretisch berechnen, wenn man genügend Daten erheben könnte. Die moderne Physik hat diese starre Weltsicht aufgelöst: Festgelegt ist nur die Vergangenheit; was sich im nächsten Augenblick ergeben wird, ist nicht festgelegt: Das Kausalitätsprinzip hat nur statistische Bedeutung. Eine Ursache kann immer mehrere mögliche Wirkungen haben, die sich zufällig konkretisieren. Es ist keine Schwierigkeit, darin eine Wirkungsmöglichkeit Gottes zu sehen, der die Dinge fügt, ohne dass er Naturgesetze außer kraft setzen muss.
(c) Freiheit und Determinismus. — Im Weltbild der klassischen Physik gab es keine Möglichkeit, dem menschlichen Handeln einen Freiheitsgrad zuzuordnen: Auch das Gehirn unterliegt dem Kausalitätsprinzip; es ist nicht mehr als eine Maschine mit sehr hoher Komplexität. Die moderne Physik hat nun erkannt, dass gerade für das Gehirn die quantenmechanische Einschränkung gilt: Das Gehirn ist ein »quantenmechanischer Verstärker«, der zufällige Ereignisse auf kleinster Ebene in wahrnehmbare Reaktionen umsetzt. Somit ist der Mensch nicht determiniert, sondern unterliegt nur statistischen Regeln. Sein Handeln ist physikalisch betrachtet unbestimmt. Zusammen mit der Annahme einer Seele, die diese unbestimmte Wirkungen in bewusste Handlungen überführt, stellt die Behauptung der Freiheit des Menschen kein Problem im Zusammenspiel der Naturwissenschaften mit dem Glauben mehr da.
(d) Körper-Seele-Problem. — Im engen Zusammenhang mit der Frage, ob der Mensch frei handeln kann (oder zumindest frei denken kann), wenn der Körper doch naturwissenschaftlich bestimmt ist, steht die Frage, ob der Mensch eine Seele haben kann, wenn für ein Zusammenspiel der Seele mit dem Körper kein Raum denkbar ist. Seit die moderne Physik die Offenheit der Gehirnfunktionen für eine Einsteuerung von außen entdeckt hat, stellt diese Frage auch kein echtes Problem mehr da: Da vor allem die Entstehung, Weiterleitung und Unterdrückung von elektrischen Gehirnimpulsen statistischen Gesetzen folgt, ist die Annahme, dass eine Einsteuerung der Seele (vor allem im Gehirn) stattfindet, kein Widerspruch zur Naturwissenschaft.

Fazit

Noch haben nicht alle Naturwissenschaftler erkannt, was die Ergebnisse der Quantenforschung für ihr jeweiliges Spezialgebiet bedeuten. Berücksichtigt man aber die Erkenntnisse und deren Anwendung auf die Problemfelder, so lösen sich die Gegensätze schnell auf. Die Felder, in denen sich Glaube und Naturwissenschaften unversöhnlich gegenüberstanden, werden so zu Feldern, in denen sie sich gegenseitig Wesentliches zu sagen haben und einander bereichern.

2. Angemessenes Textverständnis

Gelegentlich bitte ich meine Schüler, einen kleinen Aufsatz zu verfassen mit dem Auftrag, eine Rose zu beschreiben. Ein Teil der Schüler soll sich dabei der Methoden der Physik bedienen, andere Schüler dagegen die Rose aus einer anderen Sicht untersuchen: der Biologie, der Theologie, der Poesie, der Betriebswissenschaften (Gärtnereiwesen) oder der darstellenden Kunst.

Konflikte zwischen den Disziplinen entstehen, wenn Aussagen, die mit einer bestimmten Methode gewonnen wurden, mit den Mitteln einer anderen Methode überprüft werden. Daher liegt die Vermutung nahe, dass sich auch scheinbare Widersprüche zwischen den Naturwissenschaften und dem Glauben auf eine unterschiedliche Sprechweise bzw. Methode zurückführen lassen.

Für zahlreiche Auseinandersetzungen führt dieser Ansatz tatsächlich zu einer Lösung - einer Lösung, die die katholische Kirche im II. Vatikanischen Konzil ausdrücklich gutheißt. Dort heißt es, dass die Bibel zwar unfehlbar die Heilsgeschichte verkündet und ankündet - aber dass sie keine naturwissenschaftliche Publikation sein will.

Führen wir diese Art der Konfliktlösung einmal am Schöpfungsbericht durch: Im ersten Kapitel des Buches Genesis sind die heilsbedeutsamen Aussagen für uns eher auf den zweiten Blick erkennbar:

Der Verfasser des Genesis-Erzählung wendet sich gegen den Glauben der Nachbarvölker, die in den Sternen, vor allem in der Sonne und dem Mond, Götter sahen. Der Schöpfungsbericht macht diesen Glauben zunichte: Dort am Himmel sind keine Himmelsgewalten, sondern nur »Lichter«, die Gott gemacht und dort »befestigt« hat.

Ebenso schließt sich nun ein astrologischer Schicksalsglauben aus. Der Glaube, unser Leben sei durch den Einfluss der Sterne vorherbestimmt, wird verneint: Die »Lichter am Himmel« dienen dazu, Zeit und Jahreszeit zu bestimmen. Mehr nicht.

Auch andere Natur-Vergötterungen von Flüssen, Bergen, Pflanzen und Tieren werden ausgeschlossen: Alles und jedes ist durch Gott geschaffen.

Die gesamte Schöpfung wird als »gut« charakterisiert; es gibt also kein dualistisches Gegeneinander von Gut und Böse in der Schöpfung; kein Geschöpf ist ursprünglich schlecht.

Außerdem werden entscheidende Aussagen über den Menschen gemacht:
Gott erschuf ihn nach seinem Bilde - geistbegabt, frei in seiner Entscheidung und fähig zur Liebe.
Er erschuf ihn als Mann und Frau - weder der Mann noch die Frau ist der bessere Mensch (eine solche Aussage zur Gleichberechtigung war für den Orient vor 3500 Jahren revolutionär).
Der Mensch ist (wie alle Tiere) zunächst Vegetarier: Die Lebewesen sollen nicht über einander herfallen; das ursprüngliche und somit ideale Zusammenleben ist friedlich.
Der Schöpfungsauftrag Gottes: »Seid fruchtbar und mehret Euch« betrachtet die Sexualität ausdrücklich als von Gott gewollt.

Noch mehr wesentliche Aussagen finden wir im 2. Schöpfungsbericht (Genesis, Kapitel 2):
Gott haucht Adam SEINEN Atem ein: Der göttliche Ursprung der menschlichen Seele wird betont.
Eva entsteht aus der SEITE Adams: Beide sind ein Fleisch und auf »gleicher Augenhöhe«.
Der Mann wird sich an seine Frau binden: Die eheliche Liebe ist ausdrücklich gottgewollt und gut.

Fazit

Beachten wir, dass es sich bei dem Schöpfungsbericht um einen theologischen Text handelt und akzeptieren wir die Textgattung, die Methode und Aussageabsicht, so können wir feststellen, dass der Schöpfungsbericht theologische Aussagen machen wollte - und nicht auf die naturwissenschaftliche Frage eingeht, auf welche Weise die Welt entstand.

3. Materielles und geistiges Wirken Gottes

Die Vermutung, die Theorie vom Urknall hätte den Glauben an einen Schöpfergott überflüssig gemacht, entspricht nicht dem wissenschaftlichen Stand: Der Urknall erklärt nicht, wie das Universum entstand, sondern nur, wie es sich (explosionsartig) entwickelte, nachdem es entstanden ist.

Als Martin Ryle 1961 die Urknalltheorie (gegen das Steady-State-Modell) mit seinen Beobachtungen (über die Verteilung der Radiogalaxien im Universum) stützte, verkündeten die Zeitung binnen weniger Stunden: »Die Bibel hat recht!« (Quelle: Simon Singh, Big Bang, S. 426) - Während bis in die 70-er Jahre hinein die Urknalltheorie als Beweis für den Schöpfungsglauben gesehen wurde, hat sich die öffentliche Meinung (nicht die Naturwissenschaft) komplett gewandelt.
Die Erkenntnis, dass das Universum einen naturwissenschaftlich fassbaren Anfang hat, spricht zunächst nämlich für den christlichen Schöpfungsglauben: Während der Physiker zuvor von einem ewig-existierenden, unabänderlichen Universum ausgingen und die Bibel mit ihrem Schöpfungsmythos deshalb für überflüssig und widerlegt hielten, war der Gedanke, dass die Welt einen Anfang habe, zunächst eine Bestätigung des jüdisch-christlichen Glaubens. Sogar Papst Pius XII. bedankte sich für diese Entdeckung und sah in dieser Urknall- und Evolutions-Theorie einen Beweis für die Existenz Gottes (so in seinem Vortrag vor der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 22. November 1951 - zu einer Zeit, als die Urknalltheorie lediglich eine noch unbestätigte Theorie darstellte!). Lemaître - der Astronom und Priester war - bat den Papst, sich in seinem Enthusiasmus doch etwas mehr zurückzuhalten.

Noch können die Naturwissenschaften allerdings keine schlüssige Theorie vorlegen, nach der die Entstehung des Lebens (in der Ursuppe?) plausibel erklärt wird. Dennoch hat die katholische Kirche hier keine grundlegenden Bedenken - solange bei der Entstehung des Lebens ein Mitwirken Gottes nicht explizit ausgeschlossen wird; denn nach christlicher Überzeugung ist das Charakteristikum des Lebens die Seele, die nicht aus der Materie hervorgehen kann, sondern von Gott erschaffen wird.

Konkret zu modernen wissenschaftlichen Theorien zur Entwicklung des Lebens äußerte sich erstmals Papst Pius XII. 1950 in der Enzyklika Humani Generis. Diese Enzyklika wurde 1996 von Johannes Paul II. aufgegriffen, Evolution und Schöpfung wurden als miteinander vereinbar eingeschätzt.

Entscheidend ist, dass sowohl die Theologie als auch die Biologie in der Frage nach dem Entstehen des Lebens und des Menschen ihre eigenen Grenzen anerkennen: Die Biologie beschreibt lediglich, wie sich die Abfolge von Strukturen darstellt und welche Mechanismen gewirkt haben; die Theologie anerkennt, dass die Entstehung von Leben und von Geist sich nicht aus diesen Strukturen ableiten lässt. Oder, wie es Papst Johannes Paul formuliert: Er habe keine Schwierigkeiten damit, dass die Biologie die Entwicklung des Leibes beschreibt, während die Theologie die Schöpfung des dahinter wirkenden Geistes postuliert.

Oder, um es noch etwas bildlicher zu formulieren: Es kann durch aus sein, dass irgendein »Mama-Affe» eines vorsintflutlichen Tages ein geistbegabtes »Menschen-Baby» zur Welt brachte. Die Biologie betrachtet allein die materielle Dimension bei der Stammbaumfrage, der Theologe kann ohne Widerspruch in diesem Moment das Schöpfungswirken Gottes annehmen.

Das Problemfeld der biologischen Evolution bedarf noch weiterer Klärung - hier sind noch nicht alle Widersprüche ausgeräumt. Auch im Bereich der Gehirnforschung stehen sich verschiedene Schulen kritisch gegenüber. Aber - jede Wissenschaft lebt von der Auseinandersetzung.

Fazit

Wenn die Theologie eine Aussage über Gottes Wirken macht, ist damit nicht automatisch ein Wunder gemeint - also ein vorübergehendes Aussetzen der Naturgesetzlichkeiten. Aussagen über Weltwerdung (Urknall), Entstehung des Leben und des Menschen sind keine Verneinungen der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse - sondern deren immateriellen Ergänzungen.