Glauben ist Beziehung - Gebet ist Beziehungspflege  | Vor Jahren, während meines Praktikums in einer Gemeinde, noch
vor meiner Diakonenweihe, bekam ich mit, wie ein Pfarrer auf die Frage:
"Warum kann eigentlich eine evangelische Krankenschwester nicht
in einem katholischen Krankenhaus arbeiten?" mit dem (ziemlich
unpassenden) Vergleich antwortete: "Eine evangelische Krankenschwester
in einem katholischem Krankenhaus - das ist wie ein Handballspieler
ohne Arme."
*Schluck* - mein Gehirn setzte für einen Moment aus. Was sollte
dieser Vergleich? Ich kam da nicht mit. Damals habe ich mir vorgenommen,
den Menschen, die mir Fragen stellen, immer klar und unmissverständlich
zu antworten. In der Theologie gibt es Begriffe, die schwer verständlich
sind, okay. Aber die Begriffe kann man erklären und mit ihrer Hilfe
Sachverhalte transparent machen. Ständig durch die Blume sprechen,
Vergleiche von Gott-weiß-woher holen schien mir nicht sonderlich
dienlich zu sein.
Im Laufe meiner Priesterjahre habe ich versucht, diesem Grundsatz treu
zu bleiben - einige der Katechesen auf dieser Site sind das Ergebnis
meiner Bemühungen, Begriffe und Inhalte ohne "Frömmeleien"
zu vermitteln. Aber in allen Katechesen und Predigten schlich sich immer
wieder ein Vergleich, der scheinbar durch keine Begriffe zu toppen war:
Der Glaube an Gott ist so ähnlich wie eine Liebesbeziehung
zwischen Menschen.
Nachdem ich zuerst versuchte, diesen Vergleich zu vermeiden, habe ich
mittlerweile erkannt, dass der Vergleich: "Glauben - das ist so
ähnlich wie Deine Beziehung zu Deinem Partner..." gar kein
Vergleich ist - beides ist tatsächlich dasselbe.
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Bändchen, mit dem hier vorliegenden Text ("Glauben ist
Beziehung - Gebet ist Beziehungspflege" - Katechese Nr. 14),
ist beim Katholikentag vorgestellt wurden. Abgesehen davon, dass die
Papierstärke doch etwas zu hoch gewählt wurde, fand vor
allem das Design großen Anklang.
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Der Glaube an Gott: Das Vorbild aller Liebesbeziehungen
Es ist schon faszinierend: Vergleicht man Glauben und Religion mit Liebe
und Beziehung, so finden sich immer wieder Anknüpfungspunkte, die plötzlich
erhellen, was zuvor recht verwirrend klang. Eine Beziehung zu einem Freund,
eine Liebesbeziehung oder eine Partnerschaft - da kann sich jeder etwas darunter
vorstellen. Jeder weiß um die Voraussetzungen, die dazu nötig sind.
Glauben und Gottesbeziehung sind uns aber in großen Teilen fremd geworden
- und so ist es durchaus hilfreich, das Zwischenmenschliche zu nehmen
um dadurch das Übernatürliche zu veranschaulichen.
Bevor ich nun ein paar der Fäden aufnehme und entwirre, muss ich allerdings
eingestehen, dass in Wirklichkeit nicht die Gottesbeziehung ein Abbild der
menschlichen Beziehung ist - es ist vielmehr umgekehrt. Die eigentliche,
ursprüngliche und intensivste Liebesbeziehung ist die göttliche.
Unsere menschlichen Beziehungen sind nur ein Bild dessen, was Gott tut (das
ist schließlich gemeint, wenn es im Schöpfungsbericht heißt:
"Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, als sein Abbild
schuf er sie").
Ich bin fest davon überzeugt, dass derjenige, der eine lebendige und
offene Beziehung zu Gott hat, dort für menschliche Partnerschaften viel
mehr lernt und begreift als jemand, für den Glauben nur eine intellektuelle
Überzeugung ist. Aber das ist nur so ein Gedanke - für das Folgende
spielt er keine große Rolle.
Liebe ist Glaube
"Wenn ich mich dazu durchringe, an Gott zu glauben - dann ist das aber
etwas ganz anderes, als einen Menschen zu lieben: Den Menschen kann ich sehen
- Gott ist unsichtbar." - Das ist korrekt. Aber einen Menschen zu lieben
setzt ebenfalls Glauben an Unsichtbares voraus.
Wenn Du von vorne herein sagst: "Es gibt keine Liebe; das sind alles
nur biochemische Vorgänge im Gehirn oder bei den Hormonen" - dann
kann Dir keine Frau, kein Mann und kein Gott beweisen, dass es wahre Liebe
gibt.
Ich habe vor einigen Jahren einige Diskussionen mit einer Schülerin
geführt - eine meiner Meinung nach hochintelligente junge Frau. Natürlich
ging es auch um Glauben, Gott und Kirche. Nach einiger Zeit teilte sie mir
mit, dass sie an diesen Gott, von dem ich erzählt habe, einfach nicht
glauben könne. Das war zwar enttäuschend für mich, aber letztlich
weiß ich, dass ich mit keinen noch so genialen Argumenten jemanden umstimmen
kann, der nicht selbst will.
Ein paar Tage später allerdings teilte mir diese Schülerin mit,
dass sie nun auch mit ihrem Freund Schluss gemacht habe. Ich war erstaunt:
"Warum das? Liebst Du ihn nicht mehr?" - Ihre Antwort war klar und
bestimmt: "Doch, natürlich - sehr sogar. Aber das sind doch alles
nur Hormone und Nervenimpulse. Liebe kann es doch nicht geben, wenn es keinen
Gott und keine Seele gibt."
Der Entschluss an die Existenz von Liebe als eine wirkliche seelische
Regung zu glauben, ist tatsächlich nichts anderes als der Glaube an Gott.
Die Liebe kann Dir keiner beweisen (wenn Du nicht glauben willst), alle Hinweise
kannst Du weg-erklären, alle Liebesbeteuerungen Deines Verehrers sind
nur Worte seines Mundes, gesteuert durch Nervenbahnen. Wer nichts anderes
als Wirklichkeit akzeptiert als das Messbare, Zählbare und Experimentelle,
der wird niemals Liebe entdecken. Er wird die Liebe sehr wohl verspüren
- aber dieses Gefühl nur als einen evolutionären Trieb begreifen;
unsterbliche Liebe gibt es für einen solchen Menschen nicht.
So ist es auch mit dem Glauben an Gott: Wer sich entscheidet, nichts anderes
gelten zu lassen, als das Materielle und das Sichtbare, wird Gott nicht finden.
Für einen Materialisten ist das natürlich der schlagende Beweis
dafür, dass es Gott nicht gibt. Kein Mensch, kein Gott kann ihm etwas
anderes beweisen - denn jeder Hinweis und jede Sehnsucht sind für diesen
Atheisten auch biologisch oder psychologisch erklärbar. Natürlich
wird er immer wieder Gott verspüren - aber dieses Gefühl
ist für ihn nichts anderes als den Rest des kindlichen Geborgenheitstriebes,
der nach einem überirdischen Vater sucht, den es nicht gibt.
Ich bete heute noch häufig für die vorhin erwähnte Schülerin
- sie war mir sehr teuer. Ich habe vor allem viel Respekt vor Ihrer Willensstärke
und Verstandeskraft: Sie hat tatsächlich recht: Wie können wir an
die Liebe glauben, wenn es keinen Gott gibt - und somit nur Materie? Aber
im Gegensatz zu ihr fehlt vielen unserer atheistischen Zeitgenossen der Mut,
die nötigen Konsequenzen daraus zu ziehen.
Auch geliebt werden heißt glauben
Aber nicht nur die Frage, ob es Liebe überhaupt gibt, ist eine Glaubensfrage.
Auch, ob Deine Liebe erwidert wird, musst Du glauben:
Denn ob Dein Traumpartner Dich auch liebt, kann er Dir niemals beweisen -
das musst Du glauben. Natürlich gibt es dafür Hinweise. Ein verliebter
Blick. Ein selbstgebasteltes Geschenk. Der Verzicht auf ein großes Ereignis,
nur um bei Dir zu sein. Und noch viel mehr. Letztlich aber sind das alles
eben nur Hinweise, Indizien. Ob dahinter Liebe steht - oder vielleicht doch
nur der Versuch, Dich auszunutzen - wird Dir niemand wirklich beweisen können.
Es gibt leider einige Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, einen solchen
Glauben an die Liebe aufzubringen. Sie sind so sehr enttäuscht worden,
dass sie nicht mehr glauben können, dass ein anderer es ernst meint mit
seiner Liebe. Oft können sie sich überhaupt nicht mehr vorstellen,
dass es so etwas wie Liebe gibt. Will nicht jeder nur an sich denken?
In direktem Zusammenhang damit steht auch die Überzeugung, selbst überhaupt
nicht liebenswert zu sein. "Der, der mir gerade seine Liebe gesteht,
kennt mich doch gar nicht. Wenn der wüsste, wer ich bin, würde er
mich mit Sicherheit meiden." Verletzungen eines Menschen, der sich einem
anderen vertrauensvoll geöffnet hat, gehen tief und haben schreckliche
Konsequenzen: Um neuen Verletzungen aus dem Weg zu gehen, verkrampfen sich
diese Menschen immer mehr und schotten sich oft gegen alles ab, was in ihnen
Liebe hervorrufen könnte.
Die gleiche Abwehrhaltung gibt es auch gegenüber Gott. Manche Menschen
sind durch religiöses Verhalten von Eltern, Freunden oder auch von Priestern
so sehr verletzt worden, dass sie sich nicht mehr vorstellen können,
dass hinter dem ganzen Gerede von Gott wirklich ein gutes, göttliches
Wesen darauf wartet, mich zu lieben. Davon zu sprechen wird zur hohlen Phrase,
verliert seine Bedeutung und erzeugt schließlich sogar Ekel.
Unmittelbar damit geht die Überzeugung einher, dass ein wirklich göttliches,
gütiges und liebevolles Wesen mich nicht lieben kann - aus dem einfachen
Grund, weil ich es nicht wert bin. Religiöse Verletzungen führen
zu Haltungsschäden: Ich schütze mich vor allem, was in mir glaubendes
Vertrauen erwecken könnte - und mich an meine alten Verletzungen erinnern
würde.
Glauben und Lieben sind Vorentscheidungen
An die Liebe zu glauben kann Dir keiner vorschreiben - und keiner ausreden.
Glauben an Gott hervorzurufen ist nicht durch Zwang und nicht durch Überredung
möglich. Weder kann ein Naturwissenschaftler Dir ausreden, Gott zu lieben
- noch kann Dir ein Biochemiker beweisen, dass Deine Liebe nur eine Folge
von zu viel Schokoladenkonsum ist.
Glauben und Lieben sind Vorentscheidungen. "Grundoptionen" sagt
der Soziologe. Und doch sind es keine Entscheidungen der Unvernunft (oder,
wie der Philosoph sagen würde, der "Vorvernunft"). Denn diese
Entscheidungen lassen sich sehr wohl überprüfen - aber erst im Nachhinein.
Denn es handelt sich ja um die Bereitschaft, Wirklichkeit wahrzunehmen. Verschließe
ich die Augen vor einem ganzem Bereich der Realität, wird sich diese
größere Welt nicht beweisen lassen. Aber wenn ich meine Vorentscheidung
ändere und (bildlich gesprochen) die Augen öffne, kann ich überprüfen,
ob diese größere Welt (des Glaubens oder der Liebe) existiert.
Dass viele behaupten, das sei ein Schritt vom (sicheren) Wissen in die Welt
des (unsicheren) Glaubens, ist natürlich Unsinn. Geglaubt haben die Atheisten
auch schon die kleine Welt.
Es handelt sich vielmehr um einen Schritt von einer Welt der begrenzten
Erkenntnis in eine Welt der weiteren Sicht. (In diesem Sinne spricht
Jesus auch gerne von Licht und Finsternis. Er hat viele Blinde geheilt - als
Beschreibung für den Vorgang der Bekehrung).
Wenn Du Dich also dazu durchgerungen hat, nicht mehr nur an biochemische
Vorgänge zu "glauben", sondern auch "Liebe" vorauszusetzen,
kann es sein, dass Du Dir dieser Liebe so sicher bist, dass Du alles andere
dafür verwetten würdest (sogar die Biochemie). Ein für die
Liebe "Blinder" wird Dich zwar für verrückt halten (und
so typische Sprüche loslassen wie "Liebe macht blind") - Du
aber weißt jetzt einfach mehr.
Das gilt auch für Gott: Wer Ihn leugnet und alles, was Gott ähnlich
sieht (also alles Geistige), der wird natürlich auch keinen Beweis für
Gottes Existenz finden. Wer aber im biblischen Sinne die Augen öffnet,
der begreift plötzlich auch den Sinn und die Bedeutung des Materiellen
- überhaupt des ganzen Seins. So kann sich jemand, der glaubt, einer
geistigen "Sache" sehr viel sicherer sein als ein Naturwissenschaftler
seiner Beweise. Allerdings weiß das der Atheist nicht im Voraus - deshalb
erscheint ihm der Glauben als ein Wagnis. Leider sind viele nicht bereit,
dieses Wagnis einzugehen. Wenn die wüssten!
Glauben und Vernunft: Schau hin, wen Du liebst!
Viel Verwirrung stiftet genau diese Behauptung von Schon-Glaubenden: "Ich
bin mir absolut sicher, dass es Gott gibt." (Ich würde diesen Satz
sofort unterschreiben). Die Antwort auf eine solche Aussage lässt nicht
lange auf sich warten: "Wie kannst Du Dir Deines Glaubens nur so sicher
sein? Heißt denn Glauben nicht eigentlich, etwas nicht sicher zu wissen?
Kann man über Glauben diskutieren? Muss nicht jeder selbst wissen, was
er glauben soll?"
An Gott zu glauben heißt, Gott zu lieben - genauso wie an die Liebe
eines Menschen zu glauben bedeutet, diesen Menschen zu lieben.
Wenn Du Dich entschließt, einen Menschen zu lieben, so ist das weder
eine reine Verstandes-Entscheidung noch reine Gefühlssache. Einen Menschen
zu lieben heißt, ihn mit allen Regungen, zu denen Du als Mensch fähig
bist, anzunehmen.
Genauso ist der Glaube an Gott keine reine Verstandes-Entscheidung, aber auch
keine reine Gefühlssache. Warte, ich will das erklären:
Auf den ersten Blick einleuchtend ist, dass eine Liebe aus reiner Berechnung
keine Liebe ist. Manchmal können diese Berechnungen auch wohlwollend
sein ("Schau, wenn Du mich liebst, dann geht es Dir in allen Belangen
besser!"), dennoch bleibt eine solche Liebe eine Vernunftliebe - ohne
Herz und ohne Gefühl. Wir sind sogar versucht, die politischen Vernunftehen
der Adeligen in den letzten Jahrhunderten als "lieblos" zu bezeichnen
- was vermutlich etwas vorschnell sein dürfte.
Das gleiche gilt natürlich auch für den Glauben: Auf Gott zu vertrauen,
weil man sich dadurch größere Chancen für das kommende Leben
ausrechnet, funktioniert nicht - das merkt jeder sofort. Sogar Fidel Castro,
der im hohen Alter noch den Papst nach Kuba eingeladen hat, um (wie er selber
sagt) noch ein paar "Pluspunkte zum Erwerb der Eintrittskarte in den
Himmel" zu sammeln, weiß vermutlich, dass das keinen Sinn macht,
wenn man nicht Gott irgendwie liebt.
Das andere - eine Liebe nur aus Gefühl - finden wir gar nicht so seltsam.
Gerade Jugendliche sind manchmal regelrecht allergisch gegen eine verstandesmäßige
Einschränkung der Liebe. Ähnlich allergisch sind sie dann auch gegen
gute Gründe, an Gott zu glauben.
Die gefühlsmäßige Liebe ohne Vernunft ist aber extrem gefährdet
(und gefährlich):
Verliebter: "Ich liebe diese Frau. Schau her, ich habe ein
Bild von ihr. Ist sie nicht schön?"
Freund: "Ja - schon. Aber das Bild ist doch schon sehr alt, oder?"
Verliebter: "Das ist mir egal. Diese Frau muss es sein."
Freund: "Ist das Foto nicht aus Bolivien?"
Verliebter: "Wahre Liebe kennt keine Grenzen".
Freund: "Die ist doch verheiratet, oder?"
Verliebter: " Meine Liebe ist größer!"
Freund: "Wurde die nicht wegen Mordes verurteilt?"
Verliebter: "Meine Liebe wird sie auf den Weg der Tugend zurückführen!"
Freund: "Wegen Mordes an ihren drei ersten Ehemännern?"
Verliebter: "Ich habe keine Angst. Ich liebe sie mehr als mein Leben!"
Freund: "Die ist doch vierzig Jahre älter als Du!"
Verliebter: "Das ist mir gleich. Wahre Schönheit altert nicht."
Freund: "Ich meine gehört zu haben, dass sie vor 5 Jahren gestorben
ist..."
Verliebter: "Meine Liebe geht über den Tod hinaus..."
Zugegeben - der Dialog ist nicht sonderlich realistisch. Aber er macht deutlich:
Liebe ohne vernünftiges Denken ist blind - extrem blind. Denken ohne
Liebe dagegen ist kalt - Gefühl oder Verstand ist rücksichtslos.
Wir können zwar nicht darüber diskutieren oder urteilen, welche
Gefühle jemand für einen anderen Menschen hat. Aber bevor aus heißen
Gefühlen eine Beziehung entsteht, müssen wir den Verstand einschalten
- sonst wird es gefährlich. Dazu kann es durchaus hilfreich sein, wenn
wir Freunde oder Freundinnen um ihre Meinung bitten - und uns auch vernünftigen
Einwänden stellen. Mit beiden Flügeln - der gefühlsmäßigen
Liebe und dem klaren Verstand - dagegen kann man in den siebten Himmel einer
Beziehung abheben.
Das Gleiche gilt nun auch für den Glauben an Gott: Wer behauptet, die
Entscheidung für oder gegen Gott sei reine Glaubenssache (damit
ist normalerweise reine Gefühlssache gemeint), der schaltet das
Denken genauso ab wie der blind Verliebte. Das ist aber gefährlich: Wenn
Glauben wirklich nichts mit Denken zu tun hat und jeder glauben kann, was
er will, dann ist kein Kraut gewachsen gegen verbrecherische Sekten, religiösen
Fanatismus und kirchlichen Dogmatismus. Glauben und Vernunft sind die beiden
Flügel, die zusammenschlagen müssen: Die Entscheidung für Gott
ist letztlich eine Liebesentscheidung und unterscheidet sich wesentlich von
einem "Glauben" an UFOs, fliegende Fettmöpse oder an das Ungeheuer
von Loch Ness.
Papst Johannes Paul II. hat in einer ziemlich philosophischen und recht schwierigen
Enzyklika davon gesprochen, dass Glaube und Vernunft die beiden Flügel
des Geistes seien. So kann man auch sagen, dass Liebe und Vernunft die beiden
Flügel der menschlichen Beziehung sind - und die Beziehung zu unserem
Schöpfer ebenfalls eine "Herzensangelegenheit" und eine "Verstandessache"
ist. Beides.
Gebet und Gespräch
»Gibt es einen Gott?«
Oft gehen wir der Frage, ob Gott wirklich existiert, rein rational an. Das
ist in Ordnung und sicher sehr sinnvoll. Aber Diskussionspartner, die nicht
an die wahre Liebe zwischen Menschen glauben, können wir rational kaum
vom Gegenteil überzeugen. Und dennoch ändern diese manchmal von
einem auf den anderen Tag ihre Grundüberzeugung: Weil sie sich verliebt
haben. Weil sie im Kontakt zu einem attraktiven Menschen erfahren haben, dass
da jemand ist, der sie liebt.
Vielleicht erkennt auch ein Atheist die Existenz Gottes ganz plötzlich
an, wenn er diesem Gott begegnet. Zum Beispiel im Gebet.
Dabei dürfen wir nicht den Fehler machen, Gebet zu Gott einfach
mit Gespräch unter Menschen gleichzusetzen. Das wäre zwar
schon sehr hilfreich: Viele Fragen zum freien Gebet, Bittgebet und betrachtenden
Gebet werden wir leicht klären können, indem wir den Vergleich mit
einem Gespräch zwischen Menschen ziehen.
Aber Gebet ist mehr als nur Gespräch - Gebet ist die gelebte,
verwirklichte Beziehung zu Gott.
Im ersten Teil unserer Katechese habe ich davon gesprochen, dass
Glauben sowohl in meiner Beziehung zu Gott eine wesentliche Rolle spielt
- ich aber ebenso glauben muss, wenn ich eine Beziehung zu einem Menschen
habe - vor allem, wenn es sich dabei um eine Liebesbeziehung handelt.
Sobald ich diese Beziehung lebe, setze ich mich in Beziehung zu anderen.
Das ist schon Gebet - nicht erst, wenn ich meinen Mund aufmache. Ja, es gilt
sogar: Schon das Suchen Gottes ist bereits Glauben und Gebet. (Das
hat vor allem der Gründer von Taizé, Frere Roger, immer wieder
betont.)
Gebet: Gott zu mögen
Alle und jede Voraussetzung zum Gebet ist es, Gott gern zu haben. Ob Du für
Deine Beziehung zu Gott das Wort "lieben" angemessener findest,
oder lieber von eher "mögen" reden willst, ist nicht so wichtig.
Hauptsache, Er gefällt Dir. Du gefällst Ihm nämlich auch -
schon von Anfang an.
Dagegen reagiert Gott für uns befremdlich, wenn wir ihn sezieren, beobachten
und auswerten wollen - anstatt ihm Zuneigung entgegenzubringen. Klar, kann
man verstehen.
Deine Freundin würde ja auch etwas pikiert reagieren, wenn Du sie -
ohne sie wirklich zu mögen oder gern zu haben - erst einmal in ein Labor
zur Untersuchung geben würdest. Wenn die Laboranten dort mit Deiner Freundin
experimentieren, ihr Blut abnehmen, sie vermessen, wiegen und klassifizieren,
wird es nicht lange dauern, und sie wird das Weite suchen.
Wundere Dich also nicht, wenn Gott das Gleiche tut. Er will nicht in Theorien
eingebaut werden, klassifiziert und begrifflich bestimmt werden - er möchte,
dass wir Ihn lieben. Kann gut sein, dass er gelegentlich das Weite
sucht.
Das ist aber nicht etwa die schrullige Eigenart eines liebeshungrigen Gottes,
der erst verlangt, dass man ihn mag, bevor er sich zeigt. Nein - es geht Ihm
schließlich darum, dass erst die Liebe uns die Augen öffnet
für das, was Gott ist - was er will - und was er tut.
Sobald Du Gott magst, Ihn gern hast oder sogar nur so etwas wie Liebe empfinden
willst (ja, der Wille dazu reicht aus!), betest Du. Ohne es zu wissen.
Denn ab diesem Augenblick öffnen sich Deine Augen.
Gebet: Gottes Nähe suchen
Bei den Schwestern der Steyler Missionare gibt es einen Ordenszweig, der
die Weltmission nur durch das Gebet unterstützt. Diese Ordensschwestern,
die nicht nur den ganzen Tag nichts wesentlich anderes tun als beten,
sondern dieses sogar ihr ganzen Leben lang, tragen ein Ordenskleid
mit einer besonderen Farbe: Es ist komplett rosa. Wir Studenten haben die
rosa Schwestern gerne "Pink Panther" genannt - und uns innerlich
immer gefragt, wie man ein solches Leben wohl aushalten könnte.
Die Antwort kam mir, als ich eine junge Frau erlebte; wie sie ganz unruhig
wurde, weil ihr Freund für eine Woche nicht in ihrer Nähe war. Nicht,
dass sie ihm misstraute. Es ging auch nicht um Langeweile oder ähnliches.
Es ging darum, dass sie seine Nähe vermisste. Wie schön war es,
als die beiden nach dieser Woche der Sehnsucht wieder vereint waren: Zunächst
wurde kein Wort gesprochen - sie vergewisserten sich gegenseitig nur der Nähe
des anderen. Und haben diese Nähe genossen.
Es ist schön, einfach nur in der Nähe Gottes sein zu dürfen.
Wir müssen dabei nicht unbedingt etwas sagen. Ist es nicht herrlich,
erschöpft und ausgelaugt zum Freund kommen zu dürfen und in seinen
Armen einschlafen zu können? Und, wenn es sein muss, nach dem Aufwachen
ohne ein Wort wieder zu gehen?
Warum glauben wir, im Gebet immer viele Worte machen zu müssen? Genießen
wir doch einfach mal die Nähe Gottes. Gönnen wir uns auch ein bisschen
Schlaf in Seiner Nähe. Ich fände es gar nicht so schlimm, wenn der
eine oder andere im Gottesdienst einschläft (ich bin Pastor - ich darf
so etwas sagen). Ich kann mir sogar gut vorstellen, dass Gott sich beim Anblick
eines eingeschlafenen Gottesdienstbesuchers dem Lied von Pur anschließt:
"Prinzessin, lass die Augen zu! Ich will ganz tief in Dich sehn... Ich
schleich mich in den Traum zu Dir - ich liebe Dich! Ich mag Dich schlafen
sehn."
Allerdings: So schön das gelegentlich ist - auf Dauer ist das natürlich
zu wenig. Eine Freundin, die immer nur zum Einschlafen zu mir kommt, und mich
- wenn auch mit liebevollen Blick - anschließend immer wortlos verlässt,
ist aufs Ganze gesehen schon eine seltsame Freundin. Zu einer echten Freundschaft
gehört natürlich auch die Kommunikation. Bevor ich allerdings davon
rede, eine wichtige Frage:
Antwortet Gott überhaupt?
Es gibt viele Menschen, die schon irgendwie an Gott glauben wollen und die
andere bewundern, die sich stundenlang dem Gebet hingeben können. "Leider",
so führen sie oft an, "antwortet Gott mir nicht. Wenn ich bete,
dann rede ich wie gegen eine Wand."
Wenn man aber konkret von Gebetserhörungen spricht, wird deutlich, wo
das eigentliche Problem liegt. Beispielsweise erzähle ich von folgendem
Erlebnis: "Ich habe im Gebet ziemlich gerungen, ob ich wieder mit meinem
zerstrittenen Nachbarn Frieden schließen soll. Mitten im Gebet klingelt
es an der Tür - und wer steht vor mir? Mein Nachbar, der sich eine Bohrmaschine
ausleihen will. So redet Gott mit mir!"
Mein sehnsüchtiger Freund, der gerne Glauben möchte, wird mir sicherlich
antworten: "Ach, das meine ich doch nicht. Das ist doch bloß Zufall.
Ich kann doch nicht in alle Zufälle sofort Gottes Stimme hineininterpretieren.
Außerdem: Wie kann ich sicher sein, dass das wirklich ein Zeichen Gottes
ist?"
Dann muss ich also wohl ein anderes Beispiel erzählen: "Ich war
im Gebet mit Gott, eigentlich ein ganz normales Gebet ohne besonderes Anliegen.
Plötzlich, mitten im Gebet, ging mir der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf:
Ruf Deine Eltern an! - Ich konnte ihn einfach nicht loswerden. Also habe ich
aufgehört zu beten und Gottes Auftrag ausgeführt - und meine Eltern
angerufen."
Wieder wird mein Freund antworten: "Aber aber, das waren doch Deine
eigenen Gedanken! Warst Du Dir denn sicher, dass Gott das von Dir wollte?
Du rennst doch Deiner eigenen Phantasie hinterher!" - In meinem Beispiel
ist es eigentlich vollkommen gleichgültig, ob ich durch den Anruf bei
meinen Eltern deren Leben gerettet oder nur ein bisschen mit ihnen geplaudert
hätte - für meinen Freund ist es so oder so klar, dass die angebliche
Antwort Gottes nur ein Gedanke meines eigenen Gehirns war.
Damit hätten wir die Katze, die sich in den Schwanz beißt, beim
Schopf gepackt: Der gute, glauben-wollende Freund erwartet, dass Gott zu ihm
spricht - dann würde er auch gerne glauben. Aber die Art und Weise, wie
Gott zu ihm redet, will er nicht Gott zuschreiben, sondern hält es für
Einbildung. Mit anderen Worten: Der Freund, der nicht glauben will, weil
Gott nicht zu ihm spricht, will vor allem nicht glauben, dass Gott
zu ihm spricht.
Aber seien wir ehrlich: Genau das Gleiche denken wir doch auch, oder?
Es wäre uns doch etwas peinlich, jemanden einzugestehen, dass
ich nun meinen Urlaub nicht mehr in Spanien, sondern in Italien verbringe,
weil ich im Gebet von Gott dazu aufgefordert worden bin. Würdest Du so
etwas eingestehen?
Aber schlimmer noch: Du würdest so etwas Abstruses nicht nur verschweigen
- Du würdest es erst gar nicht wahrhaben wollen. Da wir uns selbst
nicht für verrückt erklären wollen, leugnen wir einfach die
Einwürfe Gottes und machen weiterhin Urlaub in Spanien. Olé!
Wir sind Meister darin, Gottes Stimme zu überhören.
Aber vielleicht sind wir trotzdem bereit, als einfache Neulinge eine Lehre
zu beginnen: Das Gebet neu zu lernen.
Gebet - Zeichen sehen
Tatsächlich spricht Gott gerne in den vorhin erwähnten Zeichen
zu mir. Das tun wir Menschen ja auch: Wir lächeln dem anderen zu, halten
eine Tür auf, bezahlen die Cola, reichen jemanden die Hand, berühren
und schauen, seufzen und machen Geschenke - unsere "non-verbale Kommunikation"
kennt Schattierungen ohne Ende.
Gott ist da Experte. Seine Botschaften, Zärtlichkeiten und Gefälligkeiten
sind allerdings ungleich vielfältiger. Wir müssen nur bereit sein,
sie als solche wahrzunehmen - wir trauen uns das ja nicht so wirklich.
So ein innerer Selbstzweifel (war das jetzt ein Zeichen Gottes - oder
nicht?) unterscheidet sich in nichts von den Liebeszweifeln einer Pubertierenden:
"Hat er mich wirklich angeschaut? Nein, das kann nicht sein. Oder doch?
Was aber, wenn ich mich täusche? O Gott, wäre das peinlich. Vielleicht
meint er gar nicht mich. Vermutlich habe ich mir das nur eingebildet. Was
aber, wenn er etwas von mir will - und ich merke es nicht? Wenn ich jetzt
darauf reagiere, lachen mich bestimmt alle aus... Was soll ich nur tun?"
Die Antwort, die ich einem von pubertierenden Selbstzweifeln geplagtem Mädchen
geben würde, gebe ich auch den Auszubildenden in der Schule des Gebetes:
"Trau Dich! Mache Deine Erfahrungen - und Du wirst ziemlich schnell erkennen,
welchen Zeichen Du trauen darfst und welchen nicht. Habe keine Angst, Dich
zu blamieren - dadurch lernst Du nur schneller."
Gott spricht zu uns durch Zeichen. Vorsehung nennen das die betenden Menschen,
oder Fügung. Wenn Du nur ein wenig in den Lebensberichten großer
Christen liest, wirst Du aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Ich empfehle
Dir zum Beispiel die Erlebnisse eines Pfarrers aus meiner Heimat in Kleve
- Fritz Leinung. Oder - man will es fast nicht glauben - das kleine Büchlein
von Gereon Goldmann "Tödliche Schatten - Tröstendes Licht".
Oder die "aufrichtige Erzählung eines russischen Pilgers".
Oder...
Dazu ist allerdings Glauben notwendig - genauso wie in einer Freundschaft.
Gekaufte Rosen und den Hundeblick am Klavier kann jeder - Du musst glauben,
dass es sich dabei um Zeichen von Zuneigung handelt. Ich verstehe eigentlich
nicht, dass Menschen diesen Zeichen immer noch soviel Vertrauen entgegenbringen
(obwohl sie doch häufiger enttäuscht worden sind) - Gott aber dieses
Vertrauen versagen. Aber wer versteht schon die Menschen?
Gebet: Seine Stimme hören
Nicht-Glaubende unterschätzen diese ersten Gebetsformen - wenn sie "Gespräch
mit Gott" hören, hoffen sie auf den Austausch von Worten und
Informationen. Dabei sind die bisher geschilderten Weisen des Gebetes
keineswegs nur Vorformen - im Gegenteil: Sie sind wichtiger als das mündliche
Gebet.
Aber ich gebe zu: Auch jede menschliche Beziehung lebt vom Gespräch,
dem Austausch von Meinungen, Ansichten, Informationen, Bitten, Lob und Danken.
Und wieder ist es eine Frage des Glaubens, ob ich bereit bin, Gottes Stimme
zu hören. Denn Gott redet nicht mit menschlicher Stimme. Er ist Geist
- purer Geist - und stellt die Verbindung zu uns her über unserem Geist.
Das ist natürlich nicht so einfach zu glauben; wir sind kritisch unseren
eigenen geistigen Regungen gegenüber und skeptisch, wenn wir etwas nicht
verstehen.
Aber wer eine enge seelische Beziehung zu einem anderen Menschen hat, kennt
das vielleicht:
-
Eine Mutter wacht mitten in der Nacht auf und weiß, dass ihrem
Sohn etwas Schreckliches passiert ist.
-
Eine Bekannte von mir verließ mitten in einer Vorlesung den Saal
in der Gewissheit, sofort zuhause anrufen zu müssen - ohne zu wissen,
warum. Wie sich herausstellte, war die Großmutter gestorben.
-
Eine Frau weiß - entgegen allen Meldungen - dass ihr vermisster
Mann noch lebt.
-
Ein Kind erkennt die Mutter, obwohl es als Säugling von ihr getrennt
wurde und sie seitdem nicht mehr gesehen hatte.
Natürlich geschieht das nicht immer - aber es kommt vor, häufiger
sogar, als man glaubt. Denn wir reden nicht gerne darüber.
Es gibt also seelische Regungen, von Seele zu Seele, ohne Worte. Gedanken
schießen uns durch den Kopf und lassen uns nicht wieder los. Phantasien
entwickeln ein Eigenleben; Bilder tauchen immer wieder auf; Gefühle lassen
sich nicht abschütteln. - Was wir als seelische Regungen zwischen Menschen
kennen, ist jedoch nur ein Abbild dessen, was Gott uns im Gebet an seelischen
Geschenken zukommen lassen kann. Wenn wir es nur zulassen.
Gott ist mehr geistig und uns näher, als jede andere Seele eines Menschen.
Deshalb kann er in unserem Geist präsenter sein als jede menschliche
Seele. Es bleibt lediglich die Frage, ob wir an seine Gegenwart glauben.
Probier's doch einmal aus:
-
Suche Dir einen ruhigen Ort, am besten eine Kirche. Setze Dich, wenn
Du willst, kannst Du auch knien, und trage Gott Deine Bitten vor - Deine
Fragen oder was auch immer.
-
Dann sei aufmerksam: Frage Dich, was Gott wohl darauf antworten würde.
Der erste Gedanke, der Dir daraufhin durch den Geist geht - nimm ihn als
Antwort. Frage (noch) nicht danach, ob es nur Einbildung ist. Rätsel
nicht, ob es nur Dein eigener Geist ist. Sei ausnahmsweise nicht kritisch
und nicht skeptisch. Nimm den Gedanken so, wie er Dir kommt.
-
Frage nach - "Was meinst Du damit, Gott?" Melde Bedenken an,
bringe Einwände, führe Deine eigenen Erzählungen fort -
mit anderen Worten, beginne ein Gespräch mit Gott.
-
Lass Dich unterbrechen. Was Du am Anfang vielleicht noch für Deine
eigenen Gedanken gehalten hast, wird sich zunehmend in die Rede Gottes
verwandeln - und Dir fremd vorkommen.
Vielleicht gibt Gott Dir ungewöhnliche Ratschläge; vielleicht
lobt er Dich, obwohl Du um Verzeihung bitten wolltest; vielleicht rügt
er Dich, obwohl Du ihn lobst. Trau Dich nur erst einmal, Deine Phantasie
in den Dienst Gottes zu stellen, und Du wirst feststellen, dass er sie
gerne verwendet.
Dieses Gespräch mit Gott braucht ein wenig Übung - aber wirklich
nur ein klein wenig. Viel wichtiger ist Ruhe und Ungestörtheit; noch
wichtiger aber Vertrauen und Glauben.
Einige von Euch werden diese Art mit Gott ins Gespräch zu kommen als
Lieblingsform des Gebetes entdecken - anderen ist es zu wenig intensiv und
zu oberflächlich. Tatsächlich habe die Mystiker im Gespräch
mit Gott nicht nur Worte gewechselt - sondern Gott hat ihnen so umfassende
seelische Regungen geschenkt, dass ihnen die Worte wegblieben.
Wie dem auch sei: Gott ist Geist und schenkt uns neben so wichtigen Dingen
wie Trost, Mut, Demut, Frieden oder kreative Unruhe auch die Gnade des Gespräches.
Sehr real - für den, der glaubt.
Das freie Gebet - die Liturgie - und der Rosenkranz
Die schönste Form des Gespräches ist natürlich der Dialog.
Frei erzählen, offen bitten, einfach danken - das ist das Vorrecht der
Verliebten. In jedem Gerichtssaal muss man sich an Formen und Formeln halten
- im Gebet nicht. In jeder Behörde muss ein Antrag formgerecht sein -
im Gebet nicht. Sogar ein Brief erwartet ein Mindestmaß an Förmlichkeit
- sonst kommt er erst gar nicht an. Das Gebet kommt immer an, und wer einmal
von der Erlaubnis der Liebenden, frei miteinander zu reden, in Bezug auf Gott
Gebrauch gemacht hat, will es nicht mehr missen.
Aber es muss nicht dabei bleiben.
-
Hast Du Deiner Freundin schon einmal ein Lied gesungen? Gott hört
gerne Lieder, und er singt auch gerne mit. Und wer nur an den verliebten
Romeo unter Julias Balkon denkt, der weiß, dass ein Lied (selbst
schlecht gesungen) mehr sagt als "tausend Worte".
-
Aber auch Gedichte kann man aufsagen - selbstverfasste Liebesgedichte,
Gedichte von einem Ghostwriter oder von Goethe. Ganz egal - jedes Romantiker-Herz
wird bei einer solchen Gelegenheit höher schlagen, oder?
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Geschichten vorlesen ist total IN - nicht nur für die kleinen Kindern.
Stell Dir vor, einer von Euch beiden ist krank - der andere wacht an seinem
Bett. Für eine echte Unterhaltung fehlt die Kraft. Warum nicht etwas
Vorlesen? - Auch zum romantischem Einschlafen, zur gegenseitigen Unterhaltung
bei langen Autofahrten oder beim Frühstück aus der Zeitung vorlesen
- wer's noch kann, hat schon gewonnen.
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Am schönsten aber ist es, in den Worten des Anderen zu reden. Zum
Höhepunkt des Films "Die Braut, die sich nicht traut" gehört
es, dass Julia Roberts am Ende des Films eine Heiratsantrag macht und
dabei genau die gleichen Worte benutzt, die Richard Gere am Anfang des
Films selbst ausgesprochen hat (das Gleiche - unheimlich romantisch -
findet sich z.B. auch in "Glauben ist alles" - einer meiner
Lieblingsfilme). Natürlich nicht nachplappern oder nachäffen
- sondern sich die Worte und Gedanken des anderen selbst zu eigen machen
- das ist Liebe.
Du merkst schon, worauf ich hinaus will. Es ist nicht so, dass ein aufgesagtes
"Vaterunser" etwas für Anfänger und das frei gesprochene
Gebet etwas für Profis ist. Vielmehr kann ein Rosenkranz so eine Art
"Vorlese-Zeit" sein, ein Vaterunser eine Liebeserklärung mit
den Worten Gottes, ein altes Gebet wie ein Liebesgedicht von Goethe. Vielleicht
fühlst Du Dich im nächsten Gottesdienst, während Du Dein Lied
singst und zur Orgelbühne hochschaust, wie Romeo unter dem Balkon seiner
Julia - warum nicht?
Manchmal kommt es auf die Worte an. Manchmal aber nur auf die Haltung, die
man zum Ausdruck bringen will (wer seinen Kindern amüsante Märchen
vorliest, kann es trotzdem ernst mit ihnen meinen!). Es gibt sogar
Gelegenheiten, wo es weder auf die Worte noch auf die Haltung ankommt - sondern
vielmehr darauf, dass man überhaupt etwas sagt. Auch ein Rosenkranz kann
(wenn es sein muss) unandächtig und gedankenlos gebetet dennoch ein Gebet
sein, das Gott gefällt. Vielleicht reicht Gott ja auch schon die halbe
Stunde, die es dafür braucht, als Zeichen unserer Zuneigung.
Wie dem auch sei: Spielen wir die Formen des Gebetes nicht gegeneinander
aus. Fragen wir nicht, was wertvoller ist. Bemühen wir uns vielmehr darum,
Gott zu mögen und Ihm unsere Liebe zu zeigen - die Form, in der wir es
dann tun, ergibt sich von selbst. Nur immer schön offen bleiben!
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