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Gebet oder Anbetung?
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Der Unterschied zwischen Gebet und Anbetung ist sprachlich gesehen eher klein: Lediglich zwei Buchstaben sollen etwas fundamental anderes bedeuten? Beten soll etwas ganz anderes sein als an-beten? Im Lateinischen ist das übrigens genauso: Aus «orare» (beten) wird «ad-orare» (anbeten). Im Englischen werden dagegen zwei ganz unterschiedliche Worte verwendet: Einmal «to pray» (beten) und «to worship» (anbeten) oder auch manchmal «to adorate». Ähnlich ist es auch in anderen Sprachen, mal besteht der Unterschied nur in einer Silbe, mal werden verschiedene Wörter verwendet: span.: oracion - adoracion; ital.: preghiera - adorazione).
Im Alt-Griechischen (die Sprache des Neuen Testamentes) ist der Unterschied allerdings größer: Das Wort für Anbetung heißt «proskyneo» im Gegensatz zu «pros-euchomai» für Beten. Der Unterschied ist deshalb so groß, weil damit zwei ganz verschiedene Tätigkeiten beschrieben werden. «Proseuchomai» setzt sich aus «pros» (zu) und «eukhomai» (wünschen, bitten) zusammen und beschreibt ganz gut, was wir bisher zum Gebet gesagt haben. «Proskyneo» beschreibt dagegen das Verhalten eines Hundes («kyon»), der sich vor einem Größerem oder Stärkeren zu Boden und auf den Rücken wirft. Man könnte es mit «hündeln» übertragen. Im Laufe der Zeit wurde zwar mit dem Wort eine übliche kultische Geste bezeichnet, die auch in einer Verneigung, einer Verbeugung oder einem Kniefall bestehen kann, letztlich aber immer das «zu Boden werfen» bzw. die «Unterwerfung» mit-meinte.
Im vorchristlichen Religionen war die Proskynese, also das Niederwerfen, auch vor Menschen üblich, so vor allem vor den antiken Herrschern. Auch legen die biblischen Autoren wert darauf, dass die Proskynese, also die Anbetung, allein Gott gebührt:
In der Apostelgeschichte (Apg 10,25-26) heißt es, dass der Hauptmann Kornelius dem Apostel Petrus «zu Füßen fiel und Proskynese darbrachte». Aber diese Proskynese wird von Petrus mit folgenden Worten zurückgewiesen: «Steh auf, ich bin nur ein Mensch.»
In der Offenbarung des Johannes will der Seher Johannes zweimal vor einem Engel niederfallen (proskyneo) - (Offb 19,10 und Offb 22,8-9) -, wird aber jedesmal zurückgewiesen: «Lass sein! Ich bin dein Mitknecht ... bring Gott Proskynese dar!»
Eindeutig ist auch in Offb 5,13-14 die Anbetung Jesu bezeugt: «Und ich hörte alle Geschöpfe im Himmel und auf der Erde und unter der Erde ... sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt und dem Lamm gebührt der Lobpreis und die Ehre und die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Und die vier Wesen sprachen: Amen. Und die Ältesten fielen nieder und brachten Proskynese dar.»
Schließlich: Im Lukas-Evangelium versucht Satan Jesus (Lk 4,7.8): «Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören. Jesus antwortete ihm: In der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen (proskyneo) und ihm allein dienen.»
Dass die Anbetung Gott allein gebührt, ist gemeinsame Ansicht aller Christen und biblisch gut begründet.
Der Konflikt mit den oben genannten Kritikern eines Gebetes zu unseren Verstorbenen, den Engeln und Heiligen ergibt sich also nicht aus dem Verständnis der Anbetung, sondern aus der Frage, ob es neben der Anbetung Gottes noch so etwas wie ein Gespräch geben kann, das nicht Anbetung, aber doch Gebet ist.
Die Antwort geben wir in zwei Schritten: (1) Dürfen wir zu Gott sprechen, wie wir auch mit anderen Menschen sprechen dürfen? Ist ein Gespräch mit Gott, das wir genauso auch mit einem Menschen führen könnten, nicht eine Herabwürdigung Gottes? Eine Missachtung seiner Göttlichkeit? Eine Verweigerung von Anbetung?
Der zweite Gedankenschritt ist dann: (2) Wenn es möglich ist, mit Gott auch auf eine Weise zu sprechen, die wir ansonsten auch unter uns Menschen pflegen, dürfen wir dann auf diese Weise auch mit denen sprechen, die nicht mehr unter uns sind? Zu den Verstorbenen, von denen einige als Heilige verehrt werden?
Einigen Menschen erscheint es als Herabwürdigung Gottes, Ihn so anzureden und mit Ihm so ins Gespräch zu kommen, wie es Menschen untereinander tun. Gebet zu Gott habe sich sowohl vom Inhalt als auch von der Sprache deutlich von einem Gespräch zwischen Menschen zu unterscheiden! - Diese Haltung ist durchaus naheliegend, denn sie ergibt sich aus einer natürlichen (geschöpflichen) Reaktion auf die Begegnung mit dem Göttlichem.
Wir empfinden nämlich eine natürliche Ehrfurcht vor Gott (wenn wir Ihn als lebendig und real erkannt haben), die uns eher verstummen lässt, wenn wir Ihn erfahren. Wer sich Gott nähert, wirft sich nieder - anstatt Ihm vom letzten Einkaufsbummel zu erzählen.
Das reicht von der Erfahrung des Mose vor dem brennenden Dornbusch: (Ex 3,5) Gott rief Mose aus dem brennenden Dornbusch zu: «Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden!»
Josua begegnet ebenfalls Gott (oder einem Engel des Herrn) auf dem Weg nach Jericho: (Jos 5,13-15) «Als Josua bei Jericho war und die Augen erhob, schaute er und siehe: Ein Mann stand vor ihm, mit einem gezückten Schwert in der Hand. Josua ging auf ihn zu und fragte ihn: Gehörst du zu uns oder zu unseren Feinden? Er antwortete: Nein, ich bin der Anführer des Heeres des HERRN. Ich bin soeben gekommen. Da fiel Josua auf sein Angesicht zur Erde nieder, um ihm zu huldigen, und fragte ihn: Was befiehlt mein Herr seinem Knecht? Der Anführer des Heeres des HERRN antwortete Josua: Zieh deine Schuhe aus; denn der Ort, wo du stehst, ist heilig. Und Josua tat es.»
Auch die Engelsbegegnungen im Neuen Testament beginnen damit, dass die Eingel als erstes die Furcht von Maria und Zacharias überwinden müssen: (Lk 1, 28-30) «Der Engel trat bei ihr (Maria) ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.» und: (Lk 1, 11-13) «Da erschien dem Zacharias ein Engel des Herrn; er stand auf der rechten Seite des Rauchopferaltars. Als Zacharias ihn sah, erschrak er und es befiel ihn Furcht. Der Engel aber sagte zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet ist erhört worden.»
Ebenso reagieren Petrus, Johannes und Jakobus, als sie auf dem Berg der Verklärung die Stimme Gottes hören: (Mt 17, 5-6) «Noch während er redete, siehe, eine leuchtende Wolke überschattete sie und siehe, eine Stimme erscholl aus der Wolke: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören. Als die Jünger das hörten, warfen sie sich mit dem Gesicht zu Boden und fürchteten sich sehr.»
Deshalb ist es natürlich, dass wir uns Gott nicht anders als anbetend nähern wollen. Und dennoch ist es schließlich Gott selbst, der uns ermuntert, zwar diese Ehrfurcht zu bewahren und doch gleichzeitig in Gott einen wahren Freund und Gesprächspartner zu erkennen: «Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; euch aber habe ich Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört habe, euch kundgetan habe.» (Joh 15,15).
Auch die Botschaften des Engel werden mit «Fürchte dich nicht!» eingeleitet, weil Gott mehr als nur unsere Furcht haben möchte. Wir dürfen ihm alles geben - auch unser Klagen, Fragen, Bitten, Danken und Erzählen.
Manche Christen meinen, dass die Anbetung allein von performative Verben geprägt sein soll. Das wäre eine sehr formale Bestimmung von «Anbetung»:
Der Sprachwissenschaftler kennt neben den informativen Verben, die eine Information weitergeben wollen, die performativen Verben. (engl. to perform = ausführen). Ein Beispiel? «Ich bitte um Verzeihung!» ist nicht nur eine Information, sondern im Augenblick des Sprechens wird durch das Wort eine neue Situation herbeigeführt. Zu den performativen Verben gehören zum Beispiel auch «ich verspreche», «ich klage an», «ich willige ein» - und noch viele mehr (ankündigen, begrüßen, behaupten, beschreiben, erlauben, feststellen, fragen, gratulieren, heiraten, kündigen, raten, verleumden, vermachen, versprechen, wetten - usw.).
Schließlich: Die Bibel ist voll von Gesprächen mit Gott, die genauso auch zwischen Menschen stattfinden könnten. Was auf den ersten Blick ungebührlich erscheint (mit Gott diskutieren?!), ist letztlich eine jüdisch-christliche Besonderheit:
Besonders erwähnenswert ist die Verhandlung zwischen Abraham und Gott um die Verschonung von Sodom: «Abraham trat näher und sagte (zu Gott): Willst du auch den Gerechten mit den Ruchlosen wegraffen? Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte in der Stadt: Willst du auch sie wegraffen und nicht doch dem Ort vergeben wegen der fünfzig Gerechten in ihrer Mitte? Fern sei es von dir, so etwas zu tun: den Gerechten zusammen mit dem Frevler töten. Dann ginge es ja dem Gerechten wie dem Frevler. Das sei fern von dir. Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben? Da sprach der HERR: Wenn ich in Sodom fünfzig Gerechte in der Stadt finde, werde ich ihretwegen dem ganzen Ort vergeben.» (Das ganze Gespräch findet sich in Gen 18, 16-33.)
Das ist keine Anbetung, noch nicht einmal eine einfache Fürbitte: Abraham erinnert Gott an sein eigenes Wesen und beruft sich darauf, um den Herrn von 50 Gerechte auf schließlich zehn herunterzuhandeln, um deren willen Sodom verschont bleiben sollte.
Auch mit Jona diskutiert Gott, während Jona Ihm Vorwürfe macht (im letzten Kapitel des Buches Jona). Darüber hinaus sind Gespräche, Fürbitten, Diskussion, Klagen und Fragen zwischen Gott und Menschen so allgegenwärtig im AT, dass ich sie hier nicht alle aufführen will.
Wichtiger aber noch als die Verweise auf Gespräche mit Gott im AT ist die Erkenntnis, dass Jesus ja ebenfalls mit den Menschen gesprochen hat. Er, der menschgewordene Gott, spricht mit anderen Menschen und lässt sich anreden, ohne auf Anbetung, Anrede als Gott und Gottestitel zu bestehen. Ja, spätestens seit dem Auftreten Jesu ist die Frage, ob wir uns Gott auch mit unseren alltäglichen Sorgen und Nöten, Dank, Lob, Fragen und Klagen nähern dürfen, ein für allemal geklärt: «Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; euch aber habe ich Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört habe, euch kundgetan habe.» (Joh 15,15).
Natürlich gebührt Gott Anbetung, Lobpreis und Verherrlichung. Aber Gott will mehr als das: Er will auch mit uns ins Gespräch kommen über die geringsten Kleinigkeiten, die uns bewegen. Wenn wir nun mit Gott, der im Himmel ist, genauso reden können und sollen, wie mit dem Menschen an unserer Seite - warum sollte das dann nicht möglich sein, auch mit den Menschen, die nicht mehr bei uns auf Erden, sondern bei Gott im Himmel leben, zu reden?
Natürlich: Weder den Engeln, noch den Heiligen, Seligen und sonstigen Verstorbenen darf Anbetung entgegengebracht werden. Aber neben der Anbetung gibt es das einfache Gebet. Dieses wird in der Bibel zwar vornehmlich auch an Gott gerichtet. Aber eben nicht ausschließlich!
Mit Engeln reden nicht nur die Menschen im Alten Testament. Auch im Neuen Testament werden zwei ausführliche Gespräche mit einem Engel berichtet: Einmal zwischen Gabriel und Maria - und zwischen Gabriel und Zacharias. Es gibt keinen Grund, dieses Gespräch nicht auch Gebet zu nennen.
Ich gebe allerdings zu, dass die biblische Grundlage für eine Anrufung der Heiligen und Verstorbenen dünn ist. Für Menschen wird zwar auch in der Bibel gebetet und das fürbittende Gebet sogar empfohlen (Jak 5,6; 1 Tim 2), aber zu Menschen (Verstorbenen und Heiligen) wird erst in der frühen christlichen Kirche gebetet.
Grundlage für diese Entwicklung ist die Überzeugung, dass die Verstorbenen nicht tot sind (Markus 12,26-27): Jesus sagt: «Dass aber die Toten auferstehen, habt ihr das nicht im Buch des Mose gelesen, in der Geschichte vom Dornbusch, in der Gott zu Mose spricht: Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs? Er ist kein Gott von Toten, sondern von Lebenden. Ihr irrt euch sehr.»
Wenn wir mit anderen Menschen reden können, solange sie hier auf Erden mit uns sind - warum dann nicht mehr, wenn sie zwar für diese Welt gestorben sind, bei Gott aber leben? Wenn wir hier auf Erden andere Menschen um ihr Gebet für uns bitten können - oder um andere Zuwendungen -, warum soll das ein Ende haben, wenn der Tod doch nur ein Übergang in die nächste Welt ist?
Dabei unterscheidet sich das Gebet zu den Verstorbenen nicht vom Gebet zu den Heiligen, denn die Heiligen sind auch nur Menschen, die uns vorangegangen sind. Wenn wir mit uns vertrauten Menschen reden, die wir persönlich kennen, auch wenn sie nicht mehr in dieser Welt sind, dann auch mit Menschen, die wir erst nach ihrem Tod kennengelernt haben.Es ist eindeutig nicht gegen die Bibel, mit Engeln zu reden. Es kann also auch nicht unbiblisch sein, mit Verstorbenen und Heiligen zu sprechen. Auch wenn diese Form nicht in der Bibel vorkommt - es gibt kein Verbot, keine Warnung oder Verurteilung. Das Gebet zu den Heiligen kommt schlicht in der Heiligen Schrift nicht vor, weil zu der Zeit die ersten Heiligen noch auf Erden lebten.
Ich kann es unseren evangelikalen Freunden nicht oft genug sagen: Nur, weil etwas nicht in der Bibel erwähnt wird, ist es nicht un-biblisch (im Sinne von wider-biblisch).
Weder im Alten noch im Neuen Testament wird etwas über das Fahrradfahren gesagt. Und dennoch ist es sicherlich nicht gegen den Willen Gottes, sich auf diese Weise umweltbewusst fortzubewegen.
So, wie die Bibel sich über Fahrräder ausschweigt, weil es damals noch keine gab, spricht die Heilige Schrift auch nicht über das Gebet zu den verstorbenen Heiligen: Ein Gebet mit und zu den Verstorbenen ist auf die uns vertraute Art erst seit der Erlösung durch Jesus Christus möglich. Erst seit der Auferstehung Jesu gibt es eine neue Verbundenheit zwischen Lebenden und Verstorbenen; mit dieser neuen Verbundenheit geht auch eine neue Form des Gebets einher.
Das hat zwei Gründe: (1) Erst die Gerechten des Neuen Bundes werden durch die katholische Kirche als Heilige verehrt und so bezeichnet. Zur Zeit des AT war eine solche Verehrung nicht denkbar. Natürlich hielt man die Vorfahren in Ehren. Aber eine Kommunikation mit ihnen war nicht üblich (teilweise sogar nicht erlaubt).
Und zweitens: (2) Erst mit der Erlösung durch Jesus Christus wurde uns «der Himmel aufgetan» und die Gerechten des Alten Bundes befreit. Im Glaubensbekenntnis sprechen wir davon, dass Jesus «hinabgestiegen ist in das Reich des Todes». Erst seitdem sind die Heiligen - auch die Gerechten des Alten Bundes - bei Gott und können auch für uns bei Ihm fürbittend eintreten.
Die Verbindung mit denen, die uns vorausgegangen sind, ist sogar Teil unseres Glaubensbekenntnisses: «Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.»
Zu einer wirklichen Gemeinschaft und zu einem echten Gespräch gehört nicht nur, dass die eine Seite redet und die andere nur zuhört. Dennoch gilt es in einigen protestantischen Kreisen als ungehörig, von der Fürsprache der Heiligen für uns zu reden. Auch hier - so das Argument - gebe es keinen biblischen Beleg.
Das stimmt - bezogen auf die Heiligen, die uns in die nächste Welt vorausgegangen sind. Allerdings schreibt Jakobus (Jak 5, 16), dass die Gebete eines Gerechten sehr wirkungsvoll sind. Auch Maria legt bei Jesus schon zu Lebzeiten Fürsprache ein, als sie bei der Hochzeit zu Kana Jesus um seine Hilfe bittet. Es ist schlicht unvorstellbar, dass sie bei Gott lebendig sind - aber untätig! Das wäre kein Leben, das Gott gewährt! Ich glaube fest daran, dass Gott uns im kommenden Leben all das tun lässt, was wir jetzt schon aus Liebe tun.
Es gibt noch einen weiteren (vermutlich ausschlaggebenden) Grund, weshalb große Teile der evangelikalen, evangelischen und protestantischen Welt ein Gebet zu den Heiligen und Verstorbenen ablehnt: Sie seien angeblich gar nicht mehr existent, sondern tot. Genauer: Ganz und gar tot.
Dahinter steht die sogenannte «Ganztodtheorie», die annimmt, dass der Mensch im Tod aufhört zu existieren. Ein Weiterleben der Seele, wie es die katholische Kirche lehrt, wird abgelehnt. Der Mensch sei eine so unlösbare Einheit, das mit dem Verlust des Leibes auch die Seele aufhört zu existieren.
Dann können wir auch nicht mit unseren Verstorbenen reden. Die sind ja gar nicht mehr da. Auch keine Heiligen. Und auch keine Maria. Erst mit der Auferstehung am Ende der Zeit, so heißt es, erschaffe Gott aus Seiner Erinnerung die Menschen wieder neu. Wenn auch mit ihren Erinnerungen und Erfahrungen. Demnach ist die Auferstehung nicht die «Wiedervereinigung von Leib und Seele», wie es die katholische Kirche glaubt, sondern die Neuentstehung des Menschen.
Der Hinweis auf eventuelle Erfahrungen mit den Verstorbenen - vor allem der Hinweis auf die Marienerscheinungen - wird entweder als Einbildung, Selbstbetrug oder gar dämonischen Ursprungs abgetan. Auch Nahtoderfahrungen sind entweder Fake oder eine gefährliche Vorspiegelung des Teufels.
Deshalb hat auch Todd Burpo, der Vater des kleinen Colton, große Schwierigkeiten und Hemmungen, die Bericht seines Sohnes zu glauben. Der behauptet nämlich, während seiner Krankheit Nahtoderfahrungen gehabt zu haben. Obwohl Todd Pastor ist, tut er sich schwer. Oder besser: Weil er Pastor ist. Er und seine Gemeinde glauben nämlich an die Ganztodtheorie. Demnach kann das, was Colton erzählt, nicht wahr sein. («Den Himmel gibt's echt», als Buch, Film, DVD und Stream).
Im Buch und Film gibt es schließlich ein Happy End: Todd glaubt seinem Sohn mehr, als den seltsamen Theorien einiger Reformatoren.
Es gibt gute Gründe gegen die Ganztodtheorie. Ich habe eine ganze Katechese dazu geschrieben. Vor allem spricht unsere Erfahrung dagegen: Wir wissen, spüren und glauben daran, dass wir weiterhin mit unseren Lieben verbunden sind, auch wenn wir nicht mehr in der gleichen Welt leben. Aber auch die Bibel macht uns Hoffnung: «Gott ist ein Gott der Lebenden, nicht der Toten! Ihr irrt euch sehr!» (Lk 20,38) «Ich sage dir, noch heute wirst du mit mir im Paradies sein!» (Lk 23,43). Nicht zuletzt ist es klare Lehre der Kirche. Seit Jahrtausenden.
Während die Ganztodtheorie neueren Datums ist: Sie entstand als Theorie zwar erst im 19./20. Jahrhundert - wurde aber schon durch Martin Luther vertreten. Dieser wehrte sich mit Händen und Füßen gegen die Vorstellung, es gebe eine Kommunikation zwischen den Lebenden und den Verstorbenen.
Für uns Katholiken ist die Diskussion um Anbetung und Gebet kaum verständlich. Wir unterhalten uns wie selbstverständlich mit den Menschen, die uns hier auf Erden umgeben - und reden mit ihnen weiter, wenn sie uns im Tode vorangehen. Wir Katholiken haben zumeist von Kindesbeinen an gelernt, die Heiligen, Patrone und Namenspatrone in diese Gebets-Kommunikation mit hineinzunehmen. Ganz treu dem einfachen Gedanken von Papst Benedikts: «Gottes Freunde sind auch meine Freunde.»
Dass sich das Gebet zu Gott zwar in Teilen ähnlich gestaltet, wie das Gespräch mit unseren Lieben, aber dennoch eine zusätzliche Dimension enthält, die weit darüber hinausgeht, ist für uns Katholiken ebenfalls selbstverständlich. In der Anbetung entsteht eine Haltung des Betenden Gott gegenüber, die allein Gott vorbehalten ist. Eine Begegnung mit Gott - eine Gotteserfahrung - ist mit nichts zu vergleichen; auch nicht mit der Beziehung zu uns vertrauten Menschen.
Aber es ist gut, dass die Frage nach dem Unterschied zwischen Gebet und Anbetung gestellt wird. So können wir besser verstehen, was wir bereits empfunden und geglaubt haben.
Bleibt nur noch die Frage, worin dieses «mehr» besteht, dass die Anbetung vom allgemeinen Gebet unterscheidet.
Das möchte ich nun im vierten Teil der Gebetskatechese in den Blick nehmen.
Diese Katechese ist der dritte Teil einer vierteiligen Reihe:
-> Katechese Nr. 162: Das persönliche Gebet (1. Teil)
-> Katechese Nr. 163: Das gemeinschaftliche Gebet (2. Teil)
-> Katechese Nr. 164: Gebet und Anbetung (dieser Text)
-> Katechese Nr. 165: Die Anbetung (4. Teil)
Und als Ergänzung: