Neue Site - empfehlenswert! Ein Ableger der Karl-Leisner-Jugend: aktueller, kürzer, frischer und moderner: www.gut-katholisch.de.
KARL-LEISNER-JUGEND |
Die 25. Stunde - oder: Hast Du Zeit für's Gebet?
|
Viel Zeit liegt vor uns. Er gibt uns diese Zeit, Hunderte
von Tagen, Tausende Stunden - allein in diesem Jahr. Wie sehr
werden wir immer wieder von Gott reich beschenkt!
Nur: Wie oft sagen wir gerade das Gegenteil: «Ich habe
zu wenig Zeit. Die Zeit ist knapp.» Oder, noch drastischer:
«Dafür habe ich leider überhaupt keine Zeit.»
Leider auch des öfteren: «Keine Zeit mehr
für Gott.»
Und so geschah eines Tages Folgendes: Besorgt meldeten die Engel dem Schöpfer, dass die Menschen fast gänzlich aufgehört hätten zu beten. Daraufhin beschloss der himmlische Rat, die Ursachen durch eine Schar von Engeln untersuchen zu lassen.
Diese berichteten folgendes: Die Menschen wissen um das Fehlen ihrer Gebete und beklagen es. Aber leider hätten sie trotz ihres guten Willens einfach keine Zeit zum Beten. Im Himmel war man verblüfft und erleichtert: Statt des befürchteten Abfalls handelte es sich also nur um ein Zeitproblem!
Die himmlischen Räte überlegten hin und her, was
zu tun sei. Einige meinten, man solle durch entsprechende
Maßnahmen das moderne, hektische Leben abschaffen. Eine
Gruppe schlug sogar eine Bestrafung des Menschengeschlechtes
vor: «Das wird schon seine Wirkung tun», sagten
sie und verwiesen auf die Sintflut.
Das Ei des Kolumbus aber fand ein junger Engel: Gott solle
den Tag verlängern! Zur Überraschung aller war dieser
einverstanden. Er schuf eine 25. Tages-Stunde.
Im Himmel herrschte Freude: «So ist Gott eben»,
sagte man, »Er hat Verständnis für seine Geschöpfe.»
Als man auf der Erde zu merken begann, dass der Tag eine
Stunde länger dauerte, waren die Menschen verblüfft
und, als sie den Grund erfuhren, von Dankbarkeit erfüllt.
Erste Reaktionen waren vielversprechend: Es werde zwar einige
Zeit dauern, so hörte man aus informierten Kreisen, bis
die Anpassung vollzogen sei, aber dann werde sich alles einspielen.
Nach einer Zeit vorsichtiger Zurückhaltung ließen
die Bischöfe verlauten, die 25. Stunde werde als «Stunde
Gottes» in das Leben der Menschen eingehen.
Im Himmel wich die anfängliche Freude bald der Ernüchterung.
Wider alle Erwartung kamen im Himmel nicht mehr Gebete an
als bisher, und so sandte man wiederum Boten zur Erde. Diese
berichteten:
Die Geschäftsleute ließen sagen, die 25. Stunde
- für die man sich durchaus zu Dank verpflichtet sehe
- habe durch die Umstellung der Organisation Kosten verursacht.
Durch erhöhten Einsatz müssten diese Kosten eingearbeitet
werden. Man bitte um Verständnis für diese Sachzwänge.
Ein anderer Engel war bei der Gewerkschaft. Erstaunt, aber
doch höflich wurde er angehört. Dann erklärte
man ihm, die neue Stunde entspreche eigentlich einer längst
überfälligen Forderung der Gewerkschaft. Im Interesse
der Arbeitnehmer müsse sie für die Erholung freigehalten
werden.
In Kreisen der Intellektuellen wurde über die neue Stunde viel diskutiert.
In einer vielbeachteten Gesprächsrunde im Fernsehen wurde vor allem darauf
hingewiesen, dass dem mündigen Bürger niemand vorschreiben könne,
was er mit dieser Stunde zu tun habe. Die Idee der Bischöfe, sie als
«Stunde Gottes» im Bewusstsein der Menschen zu verankern, müsse
als autoritäre Bevormundung zurückgewiesen werden. Im Übrigen
sei die Untersuchung darüber, wie die neue Zeiteinheit entstanden sei,
nicht abgeschlossen. Naiv-religiöse Deutungen aber könnten dem Menschen
auf keinen Fall zugemutet werden.
Dem Engel aber, der zu den kirchlichen Kreisen gesandt worden
war, wurde bedeutet, dass man ohnehin bete. Der Eingriff des
Himmels, so sagte man, dürfe auf jeden Fall nur als ein
Angebot verstanden werden, als ein Baustein der persönlichen
Gewissensentscheidung.
Einige gingen noch weiter und sagten, aus der Sicht der kirchlichen
Basis sei die ganze Angelegenheit kritisch zu bewerten: Die
Zweckbindung der 25. Stunde zugunsten des Gebets sei eng und
könne auf gar keinen Fall «von oben» verfügt
werden, d.h. ohne entsprechende Meinungsbildung «von
unten». Manche Pfarrer betonten, wie dankbar sie für
die zusätzliche Zeit seien, deren sie dringend für
ihre pastorale Arbeit bedürften. Und so hatten eigentlich
fast alle einen Grund, warum die dazugewonnene Tagesstunde
nicht dem Gebet gewidmet sein könne.
Einige Engel aber berichteten von Menschen, die die geschenkte
Zeit wie jede andere Stunde ihres Lebens aus den Händen
Gottes annahmen: Für ihre Aufgaben, für den Dienst
an den Mitmenschen, für die Teilnahme an der heiligen
Messe und - für das Gebet, für das sie jetzt noch
leichter Zeit fanden als bisher.
Darüber waren die Engel freilich auch verwundert: Diejenigen,
die die 25. Stunde tatsächlich in den Dienst Gottes stellten,
waren dieselben, die schon bisher genügend Zeit zum Beten
gehabt hatten.
So erkannte der himmlische Rat: Das Gebet ist eine Frage der Liebe. Zeit allein bringt kein Beten hervor. Diejenigen, die nicht beten wollen, werden auch mit einem längeren Tag «keine Zeit» zum Beten finden. Zeit haben, genau besehen, immer nur die Liebenden.
Daraufhin wurde beschlossen, Gott zu bitten, die 25. Stunde wieder abzuschaffen und auch die Erinnerung daran aus den Köpfen der Menschen zu löschen. Und so geschah es.
Herr, mein guter Gott, mein Erschaffer und mein Vater. Dir
gehört mein ganzes Leben. Alles was ich bin, was ich
habe und was ich fühle, hast Du gemacht. Du hast mich
erschaffen als ein Geschenk Deiner Liebe. Du hältst alles
in Händen; Du segnest mich, damit ich nicht aus dieser
Liebe falle.
Guter Vater, lass mich im kommenden Jahr immer in Dir leben.
Wenn Du es willst, dann lass mich spüren, wie sehr Du
mich liebst. Wenn Du willst, dann lass mich Deine Liebe weitertragen
an die, die sie brauchen.
Wenn Du willst, dann begnüge ich mich aber damit, Dir als liebender Gott
zu glauben und mich mit dem zufrieden zu geben, was mir geschenkt wird. Sei
gewiss, dass ich ganz Dir gehören möchte. Lass mich immer Dein Kind
bleiben. Sei Du immer mein guter Vater. Amen.