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Predigtvorschläge - 32. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A)
1. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2005)

Liebe Gemeinde!

Wann ist ein Mensch klug, wann ist er töricht? Nach weit verbreiteter Auffassung ist derjenige klug, der sich überall die besten Vorteile zu verschaffen versteht, dumm und töricht dagegen derjenige, der sein Leben nicht selbst in die Hand nimmt und günstige Gelegenheiten entweder nicht erkennt oder sie ungenutzt verstreichen läßt. Gegen solche Unklugheit ertönt seit neuestem der Werbeslogan „Alles mitnehmen!“

Doch die Klugheit war in der Tradition immer als eine moralische Tugend, ja sogar als Kardinaltugend, angesehen worden, und so wird das Wort auch im heutigen Evangelium gebraucht. Zur Klugheit gehört nicht nur der Einsatz des eigenen Verstandes, sondern mehr noch: das Sehen der Verantwortung und die Wahl der rechten Mittel, um die Verantwortung wahrzunehmen. Klugheit ist mehr als bloße Schlauheit, mehr als das Wissen darum, wie man sein Selbstinteresse am besten durchsetzt. Verantwortung heißt, zur Antwort bereit zu sein, einem anderen Rede und Antwort stehen. Dieser andere ist jeder Mensch, auch der heute noch nicht Geborene, und vor allem Gott, der uns anspricht und auf Antwort wartet. Klug ist, wer zu dieser Antwort stets bereit ist (im Bild gesagt: wer genug Öl dabei hat), töricht ist, wer nur an sich selbst und den jeweiligen Augenblick denkt, wer alles mitnehmen will – auch auf Kosten der künftigen Generationen.

Von anderen Menschen, besonders von den Politikern erwarten wir, daß sie verantwortlich handeln. Das ist zwar berechtigt, greift aber zu kurz. Heimlich schleicht sich dabei nämlich oft eine Haltung ein, die geradezu das Gegenteil von echter Verantwortung bedeutet: Die anderen, d.h. der Staat oder die Gesellschaft, sollen mir meine Verantwortung abnehmen: Andere sollen meine Kinder erziehen und ihnen Freizeitangebote schaffen, andere sollen meinen Dreck wegmachen, für mein Unglück bezahlen, meine Fehler wiedergutmachen, mein kinder- und sorgenloses Leben durch eine gute Rente absichern und später meine Pflege garantieren. Kurz: Andere sollen ihr sauer erarbeitetes und erspartes Öl abgeben, damit ich „alles mitnehmen“ kann, ohne eine Katastrophe für die Zukunft fürchten zu müssen!

Ich gebe zu, daß mir manchmal die Wut hochkommt, wenn ich gewisse Leute von Verantwortung reden höre, die ständig von anderen etwas fordern, ohne bereit zu sein, selbst etwas zu tun. Aber zurück zum Evangelium!

Klug sind die fünf Jungfrauen unseres Evangeliums, weil sie sich erstens bewußt sind, daß sie dem Ziel ihres Lebens entgegen wachen und weil sie zweitens die Mittel zur Erreichung des Ziels bereit haben. Das Öl im Gleichnis versinnbildlicht die Ernsthaftigkeit ihres Wartens, die verbietet, einfach tatenlos die Zeit totzuschlagen. Töricht dagegen sind die anderen, die sich zwar wünschen, bei der Hochzeit dabei zu sein, die sich aber kein Öl besorgen, d.h. die beim bloßen Wünschen bleiben und nicht zu einem echten Wollen übergehen. Wer nämlich wirklich etwas will, der ergreift auch die nötigen Mittel. Die Fünf sind töricht, weil sie sich auf die Hochzeit nur halbherzig vorbereiten, weil sie kraftlos und gleichgültig sind.

Wir kennen diesen Unterschied in der Einstellung und im Verhalten durchaus. Wie viele Menschen wünschen sich eine Welt, die auch der nachkommenden Generation Wohlstand und Schönheit bietet, eine saubere Umwelt, genügend Trinkwasser und Rohstoffe. Aber wie oft bleibt es bei diesem unbestimmten Wunsch, mit dem sich dann doch der egoistische Wille leicht verbindet, sich möglichst viele Vorteile zu verschaffen – auch auf Kosten der Erben! So wird zwar viel über die Politiker geschimpft, aber das eigene Verhalten wird nicht geändert. Ja, wenn unsere Regierung tatsächlich den Mut finden sollte, endlich einmal den Haushalt zu konsolidieren und die unsäglichen Schulden abzubauen – das tut natürlich ein bißchen weh! –, dann kann man leicht das allgemeine Gejammere voraussehen! Hier liegt ein kraftloses und gänzlich unentschiedenes Wünschen vor, das vielleicht im Märchen, wenn man einer guten Fee begegnet, zum Erfolg führt, das im Licht des Evangeliums aber nur als töricht bezeichnet werden kann.

Warum reicht der fromme Wunsch nicht aus? Weil Gott sich nicht wie eine gute Fee verhält, die uns einfach so unsere Wünsche erfüllt. Gott nimmt unsere Freiheit absolut ernst, er nimmt uns wirklich in Verantwortung. Und diese Verantwortung haben wir in einer Welt, in der die Ressourcen endlich und begrenzt sind, die darüber hinaus sogar von zahlreichen Übeln durchkreuzt ist. In dieser Welt, in der wir leben, ist es nötig, sich für das Gute wirksam zu entscheiden, und das geht nur dadurch, daß man sich auch nachhaltig gegen anderes stellt, das diesem Gut entgegensteht.

Bitten wir Gott um die Klugheit, daß wir nicht zu spät zur Einsicht kommen und unsere Verantwortung wahrnehmen!

2. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!
Im Kreuzgang des Hohen Domes zu Münster findet sich eine Skulpturengruppe.
Sehr anschaulich bringt sie dem Betrachter das Evangelium von den zehn Jungfrauen nahe.

Auf der linken Seite stehen fünf Frauengestalten.
Ihre Gesichter strahlen vor Freude. In ihren Händen halten sie fest und sicher die Lampen und Ölgefäße.
Sie sind im Aufbruch. Dem Herrn entgegen. Aufrecht gehen sie auf IHN zu.

Auf der anderen Seite ein ganz anderes Szenario:
Fünf Frauen mit traurigen, entgeisterten Gesichtsausdrücken.
Ihre ganze Gestalt wirkt kraft- und saftlos. Schlaff lassen sie die leeren Ölgefäße nach unten hängen.
Sie stehen bedröppelt da. Sozusagen mit "hangende Poten".
Keine Aufbruchsstimmung wie bei den anderen Frauen. Eher Weltuntergangsstimmung. Nur Enttäuschung.

Wenn Sie, liebe Schwestern und Brüder, einmal in Münster sind, schauen Sie sich diese Skulpturen einmal an.
Und wenn, Sie sie genug betrachtet haben, dann fragen Sie sich einmal:
Welche der Frauengestalten gleicht mir momentan am meisten?
Gehe ich froh dem Herrn entgegen wie die klugen Jungfrauen?
Oder stehe auch ich eher mit "hangenden Poten" da? Bin ich traurig, resigniert in meinem Christsein?

Wenn ich vor diesen Bildnissen stehe, dann fällt es mir gar nicht so leicht, mich eindeutig einer Gruppe zuzuordnen.
Denn ich kenne beides in mir:
Momente der Freude, als Christ, als Priester zu leben.
Und auch Augenblicke, wo ich den Mut sinken lassen möchte, wo sich Traurigkeit in mir breitmacht.

Wie kommt das?

"Herr, mach uns auf!" rufen die törichten Jungfrauen am Ende des Evangeliums.
"Ich kenne euch nicht!" lautet die harte Antwort des Herrn hinter der Tür.

Die Traurigkeit ergreift uns, wenn etwas zwischen Gott und uns steht,
wenn wir uns irgendwie von IHM gelöst haben, von IHM, der unsere Seele erfreut.

Die törichten Jungfrauen waren vom Herrn getrennt, weil sie kein Öl für ihre Lampen bei sich trugen.
Sie hatten zwar wunderschöne Lampen, aber eben kein Öl.

Von außen gesehen waren sie zwar komplett ausgestattet, um ihrem Bräutigam, unserem Herrn entgegenzugehen.
Es fehlte ihnen am Inneren.
Sie hielten zwar die Lampen des Christseins, des Katholischseins allen entgegen, aber es fehlte ihnen das Öl der Innerlichkeit.
Das Öl des ehrlichen, inneren Gebetes, das nicht nur mechanisch mündliches Gebet auf mündliches Gebet abspult, sondern das durchtränkt ist von aufrichtiger Sehnsucht und Liebe zum Herrn.

Daß Sie mich bitte nicht falsch verstehen, Schwestern und Brüder:
Die mündlichen Gebete sind gut und wohl. Ich selber habe ein recht großes Kontingent davon.

Die mündlichen Gebete aber allein haben die Gefahr in sich, eine Mauer zwischen mir und Gott aufzubauen, wenn ich mich in diesen Gebeten nicht selber vor Gott trage, wenn ich selber in meinem Gebet nicht vorkomme.

Deswegen ist es wichtig, daß wir uns Zeiten nehmen für das persönliche, freie Gebet, für die stille Anbetung, die Betrachtung.
Das richtige, gesunde Gleichgewicht zwischen mündlich-gemeinschaftlichem und persönlich-stillem Gebet sollten wir suchen.

Möglicherweise fehlte den törichten Jungfrauen aber auch ein anderes Öl: das Öl der Kirchlichkeit.
Vielleicht war die eine oder andere zu sehr mit sich selbst oder mit ihrer ganz persönlichen Lampe beschäftigt.
Vielleicht sogar mit einer Begründung, die man immer wieder hört und die auch durch häufiges Wiederholen nicht richtiger wird. Ich meine den Satz, den auch getaufte Christen sprechen:
"Wenn ich beten will, gehe ich in den Wald. Wozu brauche ich die Kirche. Ich glaub auch so an Gott!"

Tatsache aber ist: Ein Christ ist kein Christ!
Der Herr hat uns in die Gemeinschaft der Kirche berufen und nicht einzeln in den Wald geschickt.

Wir brauchen den Glauben der anderen.
Den Glauben derer, die vor uns geglaubt haben, und derer, die mit uns glauben.
Wir bedürfen der Wegweisung durch den Glauben der Kirche. Nur sie ist die authentische Lehrerin des Glaubens. Durch die Schrift, die Tradition und das Lehramt.
Wer meint, außerhalb der Kirche glauben zu können, gerät in Gefahr nur noch das zu glauben, was er glauben will. Basta.
So aber wird häufig der eigene Vogel zum Hl. Geist erklärt.
Und das kann und darf nicht sein.
Die törichten Jungfrauen führen uns plastisch vor Augen:
Das Leben ohne Gott führt in die Depression, in tiefe Traurigkeit.

Ein Leben der Freude - diesen Weg vermitteln uns die klugen Jungfrauen.
Sie nehmen teil am Hochzeitsfest mit dem Herrn.
Sie haben Gemeinschaft mit IHM, keine Tür, keine Mauer trennt sie voneinander.

Sie hatten das Öl der Innerlichkeit bei sich. Ihre Lampen brannten voll Sehnsucht und Liebe dem göttlichen Bräutigam entgegen.

Auch verwandten sie das Öl der Kirchlichkeit.
Die Lampe, gefüllt mit diesem Öl, zeigte ihnen den richtigen Weg
Gemeinsam waren sie auf dem Weg. Sie halfen einander durch ihr Gebet füreinander. Sie stützten und motivierten einander, wenn eine von ihnen der Weg zum Hochzeitsmahl zu beschwerlich wurde.

Das gemeinsame Ziel, die gemeinsame Sehnsucht verband sie untereinander, auch wenn sie das Öl von je unterschiedlichen Händlern hatten:
Die eine hat ihr Öl vielleicht bei einer der marianischen Bewegungen gekauft, die andere bei Kolping, der KAB, die andere fand das Öl bei Freunden in der Pfarrgemeinde. Andere wiederum finden ihr Öl bei den Charismatikern oder sonstwo in der Kirche.

Die klugen Jungfrauen lehren uns, daß alle in der Kirche miteinander dem Herrn entgegengehen, daß sie dabei alle ihren je eigenen Weg der Spiritualität gehen sollen.

So werden wir alle den klugen Jungfrauen ähnlicher, die im Kreuzgang des Domes hängen. Mit freudigen Gesichtern und frohem Mut. Und nicht mit hangenden Poten.

3. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Während unserer Priesterausbildung empfahl uns ein erfahrener Priester (in Anlehnung an Gedanken von Bischof Hemmerle) das dreifache Morgengebet. Ich bin so frei, es Ihnen weiterzuempfehlen.

Sie werden vermutlich innerlich schon wieder etwas stöhnen und denken, dass Sie noch nicht einmal jeden Tag zum einfachen Morgengebet Zeit haben. Aber hören Sie einmal zu, das dreifache Morgengebet ist einfacher, als es sich zuerst anhört.

Ihr persönliches Morgengebet können sie natürlich halten, wie sie es möchten - vielleicht sogar noch im Bett liegend und mit geschlossen Augen. Ein kleines "Danke" dafür, dass Sie noch leben und nichts Außergewöhnliches weh tut, ist immer angebracht. Der erste Teil des dreifachen Morgengebets beginnt allerdings erst vor dem Spiegel. Schauen Sie sich kurz in die Augen. Gott hat Ihnen Fähigkeiten, Charakter und ein Gesicht geschenkt, dass anderen Menschen Mut machen soll. Sie sind verantwortlich für Ihr Gesicht und für das, was es anderen sagt. Danken Sie Gott - und bitten Sie um die Gabe, mit diesen Augen, diesem Mund und diesen Gesichtsausdruck Gott zu verherrlichen.

Das war schon der erste Teil des Morgengebetes. Der zweite Teil ist dann beim Frühstückstisch - beim Blick in die Zeitung.

Schauen Sie in die Zeitung! Machen Sie sich die Sorgen und Entwicklungen in dieser Welt vertraut! Leben Sie nicht in ihrer kleinen Welt, sondern nehmen Sie Anteil an der großen Welt. Und vor allem: Beten Sie - für die Politiker auf Seite eins, die Fußballstars und Sportler, die Opfer von Gewalt und Verbrechen. Beten Sie für die Kinder in den Geburtsanzeigen, trauern Sie mit den Angehörigen, die in den Sterbeanzeigen genannt werden. Seien Sie ein Zeitgenosse.

Und dann, der Dritte Teil des Morgengebetes: Schauen sie aus dem Fenster. Das Wetter können Sie nicht ändern - aber es wartet da draußen eine Welt auf Sie, die Veränderung braucht. Nehmen Sie sich vor, am Abend dieses Tages diese Welt ein kleines Stückchen näher zu Gott geführt zu haben.

Liebe Schwestern und Brüder, das Öl in den Lampen der Jungfrauen, von denen wir gehört haben, ist das Öl der Aufmerksamkeit, der Wachsamkeit. Dabei geht es nicht nur darum, die Augen irgendwie offen zu halten. Dieses Öl hat - so wie das Morgengebet - eine dreifach Wirkung: Es stärkt die Selbstwahrnehmung - es öffnet den Blick für die Welt - es macht Mut zu Verändern.

Viele Zeitgenossen sind gar nicht so begierig auf eine erhöhte Aufmerksamkeit, aus Angst, es könnte ihnen die gute Laune verderben. In den Augen der Welt ist eine solche Aufmerksamkeit töricht: Wer sich zu lange mit sich selbst beschäftigt, frustriert sich nur: Wir sind nunmal, wie wir sind, basta. Wer zuviel in die Zeitung schaut, bekommt Depressionen, die Welt ist ja nur schlecht. Und wer daran auch noch etwas ändern will, ist vollend verrückt - Weltverbesserer sind alle gescheitert.

Liebe Schwestern und Brüder, wir Christen sollten keine "gute Laune" haben, sondern echte Freude. Echte Freude, die sich aus dem Hinschauen ergibt (wer das Böse nicht sehen will, hat auch keine Augen für das Gute und Schöne!), aus der Anteilnahme, der Mit-Trauer und der Mit-Freude. Leben wir mit den Menschen, die uns begegnen - nicht nur neben ihnen oder an ihnen vorbei.

Das geht nur, wenn wir beten. Ein einfaches menschliches Interesse erlahmt immer irgendwann. Wenn wir aber betend aufstehen, betend in den Spiegel und die Zeitung schauen, betend aus dem Fenster sehen und schließlich das Haus verlassen - dann sind wir nicht töricht, sondern klug.

Und sollte uns das Öl wirklich ausgehen, unser Beten müde werden und unser Blick trüb: Hier, bei Gott, werden wir wieder wie neu.

Amen.

4. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Einer meiner Professoren in Münster behauptete einmal in einer seiner Vorlesungen, dass wir auf dem besten Wege sind, zu neuen Biedermeier zu werden.

Biedermeier, das war die Zeit um 1820 und später, in der sich die Menschen, zunächst große Hoffnungen auf eine neue, freiheitliche Ordnung in Europa gemacht hatte, und dann - als alles wieder genauso schlimm wurde wie vorher - enttäuscht von der großen Politik, zurückgezogen haben. Was dann zählte, war in den eigenen vier Wänden eine heile Welt zu erleben. Man kümmerte sich nicht mehr um das, was in der Welt passierte - das bringt ja doch alles nichts mehr. Man wagte sich nicht mehr nach draußen; sowohl im tatsächlichen Sinne, als auch im politischen Sinne: Keiner wollte seinen Kopf hinhalten.

Die Biedermeier, das sind die klassischen törichten Jungfrauen. Sie begnügen sich mit dem, was im Moment reicht. Sie suchen das kleine Glück - nicht für andere, sondern für sich, für die Familie. Hauptsache, ein schönes Haus. Hauptsache einen Wagen ohne Kratzer. Und geht's der Katze gut, freut sich der Mensch.

Nun behauptet dieser Professor, wir stehen in einer neuen Biedermeier-Zeit. Einer Zeit, in der die großen politischen Hoffnungen verfliegen und jeder nur noch im Horizont seiner eigenen vier Wände denkt.

So ganz stimmt das natürlich nicht. Es gibt noch genügend engagierte Christen. Christen, die nicht einfach resignieren, die auch bereit sind, sich unbeliebt zu machen. Aber die allgemeine Müdigkeit, was die großen Veränderungen angeht, greift weiter um sich.

Seid wachsam! Heißt es dagegen im heutigen Evangelium. Seid wachsam und findet Euch nicht mit den Umständen ab! Seid bereit, Euch auch gegen die schlafende Mehrheit zu engagieren! Seid aufmerksam und bleibt aktiv, auch wenn andere Euch belächeln oder daran erinnern, dass wir sowieso nichts daran ändern können.

Liebe Schwestern und Brüder,
im Europarat wurde eine Bioethik-Konvention beschlossen, die Experimente auch an Personen erlaubt, die nicht zustimmen können: An Behinderten, an Menschen, die im Koma liegen, und an Säuglingen. Mit dieser Konvention sind grundsätzlich auch genetische Experimente am Menschen erlaubt. Genetische Information über zu erwartende Erbkrankheiten dürfen auch an die Arbeitgeber weitergegeben werden. Alle 39 Länder haben zugestimmt, nur allein Deutschland hat sein Veto eingelegt.

Seien Sie wachsam! Die Welt wird nicht dadurch besser, wenn wir unser eigenes Licht unter den Scheffel stellen. Wer glaubt, dass das, was zählt, nur das traute Heim mit Sonnenbank und Sauna ist, der hat keinen einzigen Tropfen Öl mehr, wenn es darauf ankommt.

Seien Sie wachsam! Zu schnell gewöhnen wir uns an die größten Ungerechtigkeiten und Skandale. Oder haben Sie sich noch nicht an die hohen Abtreibungszahlen hier bei uns gewöhnt? Schätzungsweise 150 000 Abtreibungen jedes Jahr allein in Deutschland! Was sind Sie bereit, zu tun?

Ich will hier jetzt keinen Rundumschlag machen. Belassen wir es bei diesen beiden Beispiele. Sie finden selber bestimmt noch zahlreiche andere. Ich möchte sie nur zur Aufmerksamkeit ermuntern. Christsein hat immer schon bedeutet, auch gegen den Strom zu schwimmen. Sich auch einmal zum Fenster hinauszulehnen. Christen sind keine Biedermeier, und wenn sie zu welchen werden, dann sind es schlechte Christen.

Was sind Sie bereit, zu tun?

5. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder,

Musicals sind zur Zeit absolut „in". Sicherlich haben Sie schon einmal etwas über Cats oder Das Phantom der Oper gehört. Wir sind am letzten Sonntag mit 24 überwiegend jungen Leuten aus unserer Gemeinde in solch einem Musical gewesen, welches sich allerdings von der vorherigen etwas unterscheidet. Wir waren in Duisburg in „Les Misérables". Dieses Musical behandelt das Thema Gerechtigkeit. Die Wurzeln dieses Musicals liegen dabei im Christentum. Dies ist besonders dann zu spüren, wenn Solostücke immer wieder als ein Gebet formuliert werden. Da wir besonders gute Plätze haben wollten, mußten wir ein halbes Jahr auf unsere Karten warten. Nicht „Genuß sofort", sondern sich gedulden, warten.

Die Menschen unserer Gesellschaft können das oft gar nicht mehr: Warten. Da steht der Tannenbaum lieber schon heute als morgen. Im letzten Jahr standen schon einige Wochen vor Weihnachten, weil es sich ja sonst „gar nicht mehr lohnt". Da ist kein Warten mehr, das warten haben viele von uns verlernt. Dabei kann man das Warten füllen. Advent bedeutet ja nicht „Wartezeit", sondern „Vorbereitungszeit".

Worauf vorbereiten? Im Advent ist es klar: Auf das Kommen des Herrn. Aber nicht nur im Advent! Das heutige Evangelium erzählt mit den zehn Jungfrauen auch ein Gleichnis übers warten. Und es will sicherlich nicht die Nähe zum Advent ausdrücken, sondern es macht deutlich: Warten betrifft unser ganzes Leben. Wie die 10 Jungfauen warten wir auf das Kommen des Bräutigams, daß Christus wiederkommt. Im Gleichnis bleiben 5 Jungfrauen außen vor. Sie hatten nicht genug Öl, sie waren nicht vorbereitet. Sie haben einfach nur abgewartet, die Wartezeit nicht zur Vorbereitung auf das Kommen Gottes genutzt. Das ist der Sinn dieses Gleichnisses: wir sollen die Zeit auf Erden nutzen, nicht einfach auf Gottes Kommen warten, sondern sich vorbereiten.

Wie? Die Lesung gibt eine Antwort darauf. Ich soll mich auf die Suche machen: „Wer die Weisheit sucht, wird sie finden." Und sie ist gar nicht so weit weg: er findet sie vor seiner Haustür sitzen": Die Weisheit Gottes ist zum greifen nah. Gott selbst sitzt vor meiner Tür, und wartet darauf, daß ich ihn erblicke, daß ich nach ihm Ausschau halte.

Aber auch das klingt noch nicht so konkret. Wie soll ich die Weisheit Gottes suchen, wie Gott vor meiner Tür finden?

In dem Musical, welches ich anfangs erwähnte, suchen die Menschen Gott im Gebet. Die verschiedenen Rollen nehmen ihre Nöte, ihren ganz konkreten Alltag, ihre Sorgen ins Gebet hinein. Sie ringen mit Ihm, suchen Ihn, suchen nach der Weisheit, nach seinem Weg in Ihrem Leben. Valjean, ein Vorbestrafter singt: „Was ist mit mir? Herr Jesus, was ist mit mir? Ist für mich alles zu spät? Hab ich den Teufel im Blut?" Mit diesen Fragen trifft er sicherlich auch oftmals unsere Situation, wenn wir meinen, alles verkehrt zu machen. „Was ist mit mir? Ist für mich alles zu spät?"

Oder Fantine, eine junge Frau, die Enttäuschung erlebt. „Ich hab geträumt vor langer Zeit, von einem Leben, das sich lohnte. Von Liebe und Unsterblichkeit. Vom guten Gott, der mich verschonte. ... Doch Gott gibt den Wünschen keinen Raum. Nichts bleibt mir mehr von meinem Traum." Wie oft erleben wir, daß unsere Träume nicht in Erfüllung gehen, daß wir Leid erleben, von Gott enttäuscht sind? Fantine betet, sie gibt den Glauben nicht auf, und ihre größte Sorge, die Sorge um ihr Kind wird erhört. Valjean, der Vorbestrafte nimmt sich ihrer Tochter an mit den Worten: „Er ruft mich. Ich werde nach ihr seh'n. Sein Werk soll gescheh'n. Sein Werk soll gescheh'n." Valjean erkennt in den ganz konkreten Aufgaben, die ihm vor die Füße fallen, Gottes Willen. Dort kann er helfen. Er setzt sich dort für Gottes Gerechtigkeit ein, wo er Unrecht sieht, dort findet er Gott vor seiner Tür, wie es die Lesung gesagt hat.

Das Musical birgt noch viele solcher Wahrheiten, viele schöne Gebete. Ich habe so einige hier in der Kirche an die Pfeiler gehängt, sie können nach der Messe ja 'mal herumschauen, wenn Sie mögen. Viele Rollen in diesem Stück bieten an, sich darin wieder zu finden, und Anregungen zu bekommen für das eigene Leben mit Gott. In der zweitletzten Szene wird es noch einmal deutlich auf den Punkt gebracht, wie wir Gottes Weisheit finden können: „die Wahrheit steht geschrieben - zu lieben einen Menschen heißt: Das Antlitz Gottes seh'n." In der letzten Szene folgt dann der Aufruf von dem ganzen Ensemble an den Zuschauer, selber so, mit diesem Vorsatz, Gottes Antlitz im Nächsten zu suchen, so in den Garten unterwegs zu sein. Es ist der Garten Eden gemeint, das Paradies, wo der Herr mit uns das Hochzeitsmahl feiern möchte.

Fürbitten