Suche: 

Neue Site - empfehlenswert! Ein Ableger der Karl-Leisner-Jugend: aktueller, kürzer, frischer und moderner: www.gut-katholisch.de.

Predigtvorschläge - 17. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C)
1. Predigtvorschlag

von Pfr. Dr. Axel Schmidt (erstellt: 2004)

Liebe Gemeinde!

„Herr, lehre uns beten!“ Ich betrachte diese Bitte der Jünger als eines der aktuellsten Anliegen der ganzen Menschheit. Herr, lehre die modernen Menschen beten, zeige ihnen, was sie gewinnen, wenn sie mit dir sprechen, und hilf ihnen, in der richtigen Weise zu beten!

Ich bin nicht der einzige, der so empfindet. In jeder Gemeinde gibt es eine gewisse Zahl von Betern, die darunter leiden, daß ihre Mitmenschen das Beten weitgehend oder ganz aufgegeben haben. Andere empfinden selbst große Schwierigkeiten beim Beten, sie können es nicht mehr und sind darüber sehr betrübt. Dann gibt es immer wieder Leute, die zu wissen meinen, warum die Menschen so wenig beten: Ihnen fehle die Erfahrung der Bedürftigkeit und der Grenze. Sie haben alles und leiden keine Not. Und so wird gern das Sprichwort bemüht: „Not lehrt beten.“

Ich gebe zu, daß ich manchmal selbst so denke. Aber immer, wenn ich tiefer darüber nachdenke, erscheint mir das Sprichwort zum einen töricht und zum andern zynisch. Gewiß, wir haben die Erfahrung unseres Angewiesenseins auf Gott nötig, denn wir sind auf ihn angewiesen, wir sind seine Geschöpfe. Es ist schlicht wahr, daß unsere Kraft begrenzt ist, daß sie nicht ausreicht, um uns gegen den Tod zu wappnen. Diese Wahrheit zu verdrängen, bedeutet maßlose Selbstüberschätzung, und die stürzt uns ins Unheil. Gegen solche Selbstüberschätzung kann in der Tat die Erfahrung der Not helfen: sie stößt uns wieder auf die Wahrheit unseres Geschöpfseins. Aber Gebet entsteht dadurch noch lange nicht. Viel wahrscheinlicher ist sogar Auflehnung und Empörung: „Wie kannst du, Gott, der du doch gut genannt wirst, diese Not, dieses Leid zulassen?“ Manche, die in ihrem Leben nicht viel über Gott nachgedacht und erst recht kaum gebetet haben, werden durch die Erfahrung des Leidens zu grimmigen Gottesleugnern. Aber auch die anderen, die nicht zu Atheisten werden, sind ratlos, wie sie ihre Not zum Gegenstand des Betens machen sollen. Sie haben es nie gelernt und nie geübt.

Nicht durch Not wird Beten gelernt, sondern durch das Vorbild anderer und dann vor allem durch das eigene Tun. Beten lernt man nur durch Beten. Die Jünger sehen Jesus zum Vater im Himmel sprechen, sie sind ergriffen von der innigen Verbundenheit ihres Meisters mit Gott und möchten dies von ihm lernen. Es mußte nicht erst die Not im Ölgarten und am Kreuz kommen, bis sie Jesus beten sahen und selber beten wollten. Eine solche Vorstellung ist nicht nur gänzlich absurd, sondern auch zynisch: so als ob das Leiden etwas Positives wäre, das man geradezu herbeisehnen müsse, damit die Menschen so endlich lernen, was ihnen wirklich guttut! Nur ein Zyniker kann einen Krieg oder eine andere Katastrophe herbeisehnen mit dem Ziel, daß die Menschen endlich aufwachen.

Warum wünsche ich mir mit etlichen anderen Christen so sehnlich, daß die Menschen wieder beten, das Beten wieder ernster nehmen und sich dafür mehr Zeit nehmen? Was gewinnen wir, wenn wir beten? Es gibt einen neuen Trend in der Theologie, er findet zunehmende Beachtung und Zustimmung und verkauft sich auch sehr gut: Da wird auf die positiven psychischen Folgen des Betens aufmerksam gemacht. Empirische Tests zeigen: „Gebete bauen Streß ab, genau wie Meditation. Sie machen innerlich stark, bringen neue Kraft.“ Solche Forschungen sind gewiß wichtig und richtig, aber sie bleiben doch an der Oberfläche und können nicht den wirklichen geistlichen Gewinn des Betens zum Vorschein bringen, im Gegenteil, sie verdecken ihn womöglich noch. Denn so betrachtet, wäre das Gebet doch nicht wirklich unterschieden von anderen Übungen und Techniken zur Lebenshilfe, es bliebe anthropozentrisch und hätte nicht Gott zum Inhalt und Ziel.

Der wahre Gewinn des Betens besteht indessen darin, daß es Ausdruck der unvergleichlichen Würde des Menschen ist, Ausdruck seiner personalen Beziehung zu Gott, seiner Gotteskindschaft und Gottesfreundschaft. Es ist ja gar nicht selbstverständlich, daß Gott mit sich reden läßt. Schließlich ist Gott der Schöpfer und Herr, und wir sind seine Geschöpfe. Was können wir ihm schon sagen, das er nicht wüßte? – Aber wenn wir da aus der Heiligen Schrift und durch das Vorbild von Betern aus den Jahrhunderten erfahren, daß Gott den Menschen würdigt, seine Anliegen zu hören und in seine Vorsehung einzubauen, dann öffnet sich für uns eine ganz neue Dimension unseres Lebens, dann fällt ein seliger Lichtstrahl aus dem Himmel auf unsere vergängliche Erde. Wer erfahren hat, daß Gott Anteil nimmt an seinen Sorgen und Mühen, an seinen Erfolgen und an seinem Scheitern, der besitzt eine Tiefe, die ihn wohltuend von der Banalität des Alltags abhebt. Ein bekanntes Kirchenlied drückt diese Erfahrung so aus: „Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken? Wem künd ich mein Entzücken, wenn freudig pocht mein Herz? Zu dir, zu dir, o Vater, komm ich in Freud und Leiden; du sendest ja die Freuden, du heilest jeden Schmerz. – Ach, wenn ich dich nicht hätte, was wär mir Erd und Himmel? Ein Bannort jede Stätte, ich selbst in Zufalls Hand. Du bist’s, der meinen Wegen ein sichres Ziel verleihet und Erd und Himmel weihet zu süßem Heimatland.“

"Herr, lehre uns beten!" Den angesprochenen Gewinn des Betens kann freilich nur derjenige erfahren, der es sich zur guten Gewohnheit gemacht hat, Gott in alle Ereignisse seines Lebens einzubeziehen. Und da, fürchte ich, haben wir einiges an Gebetserziehung aufzuholen. So wird vielen Kindern leider gesagt, sie brauchten Gott nur einfach zu bitten, dann werde er, der „liebe Gott“, schon alles tun, was man sich wünscht. Oftmals wird ihnen verschwiegen, daß das Gebet kein „Chip für einen Wunschautomat“ ist! Kein Wunder, wenn viele Kinder nach einigen scheinbar erfolglosen Versuchen das Gebet bald aufgeben. Der heilige Augustinus gibt uns da eine wichtige Weisung: „Gott hört auf dein Rufen, wenn du ihn dabei suchst. Er hört dich nicht, wenn du durch ihn anderes suchst.“ Das erste und Wichtigste beim Beten ist, daß wir dabei unsere Beziehung zu Gott verlebendigen. Das schließt auch ein, daß wir ihn um dies und das bitten, mahnt uns Jesus doch selbst dazu: „Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet.“ Gott hört uns an, auch in unseren nichtigen Anliegen. Er nimmt uns ernst und darum auch das, was wir ihm mitteilen. Kein Gebet bleibt unerhört, auch wenn Gott manche Wünsche nicht erfüllt, solche nämlich, die sie sich im Spiegel der seiner unendlichen Weisheit als nicht sinnvoll erweisen.

Stellvertretend für all die, die das Beten verweigern, bittet die heilige Theresia von Avila : „O mein wahrhaftiger Gott, um welch widersinnige Sache bitte ich dich heute: daß du den liebst, dem du gleichgültig bist, daß du dem öffnest, der nicht an deine Tür gepocht, daß du dem Heilung bringst, der krank sein möchte und alles daran setzt, es zu sein!“

2. Predigtvorschlag

zur Lesung Genesis 18,20-32

Seit meinem sechsten Lebensjahr nehme ich an der Sonntagsmesse teil. Als Kind war mir der Gang zur Kirche, meist allein, ohne die Eltern, die für sich gingen, völlig selbstverständlich. Ich hatte meinen festen Platz und bedauerte, daß die Erstkommunion erst im dritten Schuljahr möglich war. Natürlich verstand ich längst nicht immer alles, was gebetet oder gesungen wurde. Aber durch das eigene Mittun konnte sich mir nach und nach der Sinn der Gebete, der Gesänge und der heiligen Handlungen erschließen. Auch das Vaterunser habe ich zu Hause zuerst nur mitgeplappert, aber durch das ständige Wiederholen hat dieses Gebet einen festen und zentralen Platz im eigenen Gedächtnis bekommen. Ich bin davon überzeugt, daß das der normale und natürlichste Zugang zu dem ist, was wir im Glauben besitzen und bekennen. Was früh grundgelegt worden ist, kann sich mit der Zeit festigen und ausfalten.

An einige Momente in der Kirche, die ich als Kind erlebt habe, kann ich mich noch sehr gut erinnern. Zu diesen Momenten zählt auch der Vortrag der Lesung aus dem Buch Genesis, die wir gerade gehört haben. Abraham erlaubt sich, mit Gott zu reden, so wie man eine Verhandlung führt, und Gott läßt sich darauf ein. Es geht darum, daß Gott auch Richter ist und völlig souverän handelt und entscheidet. Gott ist gerecht, und seine Gerechtigkeit fordert eine Bestrafung der Städte Sodom und Gomorrha. Schon das ist für unsere neuzeitlichen Ohren ungeheuerlich. Straft Gott wirklich mit dem Tode? Ist er wirklich der Rächer? Haben wir nicht von Jesus gelernt, daß Gott der Barmherzige ist, daß er verzeiht? - Solche Fragen sind berechtigt, aber wenn wir miteinander Gottesdienst feiern, bedeutet das ja nicht zuerst, daß wir Fragen stellen, sondern daß wir Gottes Wort hören. Zuerst müssen wir uns also hier die Mühe machen, nachzusehen, worin denn die Sünde bestanden hat, die für die Städte Sodom und Gomorrha so sprichwörtlich geworden ist.

Es heißt einige Kapitel vor unserem Text: „Die Leute von Sodom aber waren sehr böse und Sünder gegen Jahwe“ (Gen 13,13). Nachdem Abraham mit Gott gesprochen hat, wird eine Erzählung geboten, die die ganze menschliche Niedertracht und Gottes Antwort darauf in sehr deutlichen Farben darstellt. Die zwei Männer, Boten Gottes, kehren als Gäste ein bei Lot und seiner Familie in der Stadt Sodom. Die Bewohner des Ortes erfahren davon und umringen zu später Abendstunde das Haus der Familie Lot. Sie verlangen: „Wo sind die Männer, die heute abend zu dir gekommen sind? Bring sie zu uns heraus ...!“ (Gen 19,5) Die Bewohner - und das ist auch für unser Verständnis blanke Gewalt und Mißachtung jeder menschlichen Würde - haben nichts anderes vor, als die Gäste Lots zu mißbrauchen und zu vergewaltigen. Das ist nicht nur aus Sicht der offenbarten Gebote Gottes ein gründlicher Verstoß gegen die Ordnung der Schöpfung und der Natur, sondern - was in der Sicht jedes Orientalen noch mindestens ebenso schlimm ist - ein besonders übler Fall von Verletzung der Gastfreundschaft. Die persönliche Unversehrtheit jedes Gastes mußte jedem Gastgeber und jeder Stadt, die Fremde beherbergt, am Herzen liegen, und schon deshalb war das Verhalten der Bewohner Sodoms unentschuldbar. Hier gab es keine Möglichkeit zur Umkehr mehr. Daß ein solches Verhalten nach dem unbestrittenen Sitten- und Glaubenskodex den Tod nach sich ziehen mußte, stand völlig außer Frage.

Jetzt können wir wenigstens in Ansätzen verstehen, was in Wirklichkeit Abraham unternahm, als er anfing, mit Gott über diesen Punkt in eine Verhandlung zu treten. Abraham stellt nicht in Abrede, daß Gott auch Richter ist. Aber er will Gottes Gerechtigkeit ganz ernst nehmen und fragt daher: Wieviele Gerechte muß es eigentlich in der Stadt geben, damit die Vernichtung abgewendet wird? Abraham setzt immer wieder von neuem an. Er läßt nicht locker. Schließlich hat er den notwendigen Anteil auf zehn Gerechte heruntergeschraubt. Nicht diese Zahl, sondern daß Gott überhaupt bereit ist, sich von einem Menschen auf eine Vereinbarung festlegen zu lassen, - das ist in meinen Augen die Wende. Nun entscheidet nicht mehr die Schuld der Vielen, sondern die stellvertretende Gerechtigkeit der Wenigen über das Geschick der Menschen und ihre Zukunft. Nun handelt die Gerechtigkeit Gottes nicht mehr danach, was sich alles an Üblem, Niederträchtigem und Bösem in aller Öffentlichkeit präsentiert, heute noch durch Medien verbreitet, sondern entscheidend ist die stellvertretende Sühne einiger Weniger. Sie haben die Aufgabe, die Wende herbeizuführen.

Unter einem anderen Blickwinkel ausgedrückt, heißt das ganz einfach: Nicht die vielen, die sich um den lieben Gott nicht scheren, die ihn einen alten Mann sein lassen und ansonsten nur sich selbst und den eigenen Vorteil kennen, können den Lauf der Welt bestimmen, sondern diejenigen, die im Vertrauen auf Ihn ihren Dienst tun, die beten, die zum Gottesdienst zusammenkommen, die bitten und auch flehen: die haben die meiste Macht und den größten Einfluß, auch wenn man das nicht sofort sieht und es auch nicht immer diesen Anschein hat. Aber es ist so. Gott selbst hat uns das gezeigt. Am Ende genügt ein Gerechter, der Gerechte schlechthin: Jesus Christus, der Sohn Gottes - um die Welt zu retten und die Menschen zu Gott zurückzuführen.

Als Kind, aber auch oft als Erwachsene verstehen wir nicht immer sofort, was Gott uns sagen will. Wir verstehen auch in der Heiligen Messe nicht immer alles. Aber in Treue bereit sein und die Saat des Gotteswortes in sich aufnehmen, das ist, glaube ich, heute wichtiger denn je, für Junge wie für Alte.

3. Predigtvorschlag

„Da hilft nur noch beten“

„Da hilft nur noch beten“: Können Sie sich noch an eine Situation erinnern, in der jemand so gesprochen hat? „Da hilft nur noch beten“? - Meistens ist es eine ausweglose Lage, ein hoffnungsloser Fall, wo man das hört.

Aber ist das schon alles, was wir über das Beten sagen können? Ist Beten nur die Rettungsleine am Notfallschirm, die dann im letzten Moment gezogen wird, wenn alle anderen Sicherungen versagt haben? Dann würde Beten heißen: Wir lassen Gott machen, wo wir selber nicht mehr weiterkönnen. Dann ist Gott der Lückenbüßer. Er muß die Lücke stopfen, die unsere Unzulänglichkeit nun mal so mit sich bringt.

Jesus hat offenbar das Gebet ganz anders verstanden. Er hat nicht gesagt: Betet, wenn ihr nicht mehr weiterwißt. Wenn ihr am Ende seid. Wenn es euch dreckig geht. - Für ihn war Beten mehr als die Rettungsleine kurz vor dem tödlichen Aufprall. - : Für Jesus ist Beten das Selbstverständlichste, weil Gott selbstverständlich für uns da ist - so wie die Luft, die uns umgibt, die wir ein- und ausatmen, über die wir meist nicht viel nachdenken ... um im Bild zu bleiben: Beten kann so etwas sein wie ein Fallschirm oder ein Gleiter, der uns wunderbar trägt und uns durch die Lüfte schweben läßt, so daß man staunen kann, wie es möglich ist, daß ein Mensch schwerelos dahingleitet.

Die Jünger hatten ihre Schwierigkeiten beim Beten. Wie sollte man das anstellen? Soll man laut schreien, oder sich mit Steinen die Brust wundschlagen, wie es früher oft der Fall war, wenn einer Buße tun wollte? Oder sollte man sich irgendwo hinstellen, wo alle Leute einen sehen können, damit sie sehen, wie ich bete? Die Jünger hatten ihre Schwierigkeiten. So wie wir unsere Schwierigkeiten mit dem Beten haben. Und wenn wir dabei sind und doch anfangen zu beten, dann haben wir unsere Schwierigkeiten beim Beten. Dann will das Beten nicht recht gelingen. Entweder haben wir zuwenig Zeit (zumindest meinen wir das, aber das ist nicht nur beim Beten so, sondern auch mit viel zu vielen anderen Dingen) oder wir werden abgelenkt oder finden das Beten langweilig oder ermüdend. - Das alles läßt uns das Beten problematisch erscheinen. - Für Jesus aber war Beten nicht ein Problem, sondern ein Die-Arme-ausbreiten nach Gott hin, zum Vater, der uns ruft. Jesus sagt: Zu Gott sollt ihr sprechen: Unser Vater.

Interessant ist also, wie Jesus Gott anspricht. Er sagt: Abba. Wollte man das möglichst wörtlich übersetzen, müßte man sagen: „Papa“ oder „Papi“: das Wort eben, das schon kleine und kleinste Kinder sprechen, die das Gesicht ihres Vaters erkennen. - Diese Anrede zeigt schon, worum es beim Beten im tiefsten geht: Um ein Sprechen mit Gott, nicht über Gott. Im Glaubensbekenntnis sagen wir: Ich glaube an Gott. Beten heißt nun, diesen Satz, diese Aussage, die ihre Wichtigkeit behält, zu einem Du-Wort, das heißt zu einem Gespräch werden zu lassen. Dann wird aus dem Satz „Ich glaube an Gott“ das Gebetswort: „Unser Vater“. Die ganz persönliche Annahme der Gerechtigkeit und Liebe Gottes formt sich zu einer Antwort, die einmündet in das Sprechen der Gemeinschaft: Es heißt dann nicht etwa: Mein Vater ... mein tägliches Brot gib mir heute ... sondern wer betet, betet als Gemeinschaft. Wer betet, ist nie allein. Wer betet, hat Unterstützung von oben - durch den Heiligen Geist - und von allen Seiten - indem die Kirche das Gebet des Einzelnen mitträgt und es dahin führt, wo es von Gott gehört und angenommen wird. - Seitdem Jesus die Worte des Vaterunser den Jüngern und damit auch uns heute vorgesprochen hat, beten wir diese Worte nicht aus eigener Kraft und eigenem Vermögen, sondern durch und mit Christus! Das sollten wir bedenken, wenn wir anfangen zu beten und wenn wir vom Gebet sprechen: Es bedeutet Gemeinsamkeit mit Jesus, der unser Mittler zum Vater ist. Er spricht für uns, wenn unsere Worte versagen. Er tritt für uns ein, wenn wir schwach und mutlos sind. Er macht gut, wo wir etwas verbaut haben. Und er beschenkt uns mit der Gewißheit, daß wir mit unserem Gebet Gott nie lästig werden. Ja, er fordert uns geradezu auf, Gott zu belästigen wie ein nächtlicher Besucher, der dem schon schlafenden Nachbarn höchst unwillkommen ist, aber der dennoch erhält, um was er bittet - nicht, weil dem Nachbar die nächtliche Störung gefallen hätte, sondern weil der Störenfried nicht locker läßt und seine Zudringlichkeit so groß ist, daß der andere keine andere Wahl hat, als ihm das Gewünschte durch die Tür zu reichen.

So, will Jesus sagen, ist Gott zu uns in seiner Güte: Er hört sich unsere armseligen Wünsche an. Er läßt sich stören von uns. Er will gesucht und gefunden werden von denen, die wissen, daß sie Bedürftige sind. „Der Mensch ist ein Armer, der Gott um alles bitten muß“, sagt der heilige Pfarrer von Ars, Johannes Maria Vianney. - Das heißt doch mit anderen Worten nichts anderes als dies: Da hilft nur noch Beten.

4. Predigtvorschlag

Gott, die Sicherheit unseres Lebens
Gott, die Sicherheit unseres Betens

Immer, wenn ich nach einigen Tagen Abwesenheit in unsere Gemeinde zurückkehre, dann freue ich mich auf das Läuten der Angelus-Glocke unserer Kirche. Dreimal am Tag lädt dieses Läuten uns ein, kurz innezuhalten und sich daran zu erinnern, wie nahe uns Gott doch gekommen ist durch die Menschwerdung seines Sohnes.

Heute morgen wurde ich enttäuscht. Die Glocke läutete nicht. Es funktionierte wohl das Anschlagen dreimal drei Mal. Das ist schon ein schönes Zeichen, ein Sinnbild für die Dreifaltigkeit Gottes, für die überströmende Liebe, die in Gott selbst ist. Doch das Geläut, das sich daran anschließen sollte, war nicht zu hören.

Man muß in den Glockenturm hinaufsteigen, dort einen alten schwarzen Sicherungskasten öffnen und sieht ein Gewirr von alten und neuen Kabeln, von Schaltern und Sicherungen, die schon eingebaut wurden, seit das erste Geläut installiert wurde, und von solchen, die angebracht worden sind, als vor einigen Jahren die große Dreifaltigkeitsglocke angebracht werden konnte. Und dann muß man in diesem bunten Allerlei ein einziges winziges Knöpfchen aus Plastik drücken, und schon läuft der Motor der Angelusglocke wieder an. Es ist eigentlich ganz einfach, wenn man es nur weiß.

Es ist ganz einfach, wenn man es nur weiß. Dieser kleine Knopf, der gedrückt werden muß, damit die Sache läuft, ist für mich so etwas wie ein Sinnbild. Er steht sozusagen für das Ganze. Die Jünger bitten Jesus: "Herr, lehre uns beten!" (Lk 11,1). In der Tat ist Beten das Größte, was wir Menschen tun können. Die Jünger haben gesehen, daß Jesus betete und wie er betete. Sie haben gesehen und erfahren, wie er es immer wieder und lange getan hat. Beten gehört zum Richtigsein des Menschen. Beten heißt nicht oder muß nicht heißen, selber viele Worte zu machen. Sondern Beten heißt, still zu werden, zu hören und Gott in sich sprechen zu lassen. Beten heißt, zu vertrauen und im Vertrauen beständig und treu, ja direkt hartnäckig zu sein, wie einer, der wieder und immer wieder um das Gleiche bittet. Beten heißt auch nicht, zu meinen, wir seien Menschen, die Gott lieben. Beten heißt vielmehr, aus dem Glauben zu leben, daß Gott mich liebt und mich immer liebt. Er liebt mich so, daß er seinen Sohn für mich hingegeben hat, schon als es mich noch gar nicht gab. Das ist das große Geschenk Gottes, daß Gott jeden Menschen von Anfang an geliebt hat und daß Jesus für alle Menschen gestorben und auferstanden ist.

Wenn so das Beten etwas Schönes und Gutes ist, warum konnte es dann so weit kommen, daß das Gebet vielfach abgestorben und aufgegeben ist? Daß - im Bild ausgesprochen - die Sicherung heraus ist und die Glocke nicht mehr läutet? Wo ist das tägliche, das gemeinsame Gebet noch etwas, das wirklich gelebt wird? Wo machen Eltern ihren Kindern noch wirklich vor, was das heißt: zu Gott zu beten, der unser guter Vater ist? Viele Kinder, die getauft sind, kennen das Vaterunser nicht mehr, nicht weil sie es nicht sprechen wollen oder weil sie zu dumm wären, es zu behalten, sondern weil sie es überhaupt nicht mehr hören. - Was ist da passiert? Ich könnte mir vorstellen, da ist das gleiche passiert wie mit unserer Angelusglocke: Die Glocke selbst ist da, sie hängt in einem wunderbaren Turm und in einem aufwendigen Glockenstuhl, aber das ganze nützt nichts, wenn da kein Strom fließt, der den Motor und die Glocke in Bewegung setzt. Erst dann kann etwas erklingen, die Melodie der Glocke, die wir weithin hören können.

Und genauso ist es auch mit uns: Erst wenn wir in uns den Strom der Gnade fließen lassen, erst wenn wir Gott an uns heranlassen, dann kommt es in uns zu einem Klang, zu einer Melodie, zu einem Gebet. Gebet ist ja nicht nur trockenes Wort, Gebet ist auch der Gesang, die Musik, die Sprache des Körpers. Ich habe in Lourdes Menschen gesehen, krank, im Rollstuhl, in sich versunken, nur mit einer brennenden Kerze in der Hand, und jeder konnte sehen: Dieser Mensch betet. Alles weist darauf hin, daß er jetzt, in diesem Moment, ganz auf Gott vertraut.

Wir haben in Lourdes viele Jugendliche gesehen, die oben im Camp des Jeunes, im Zeltlager, wohnen und unten, im heiligen Bezirk und in den Krankenstationen, Dienst tun für die Pilger und die Kranken. Diese jungen Leute sitzen oft abends zusammen, singen und erzählen, und man sieht: Das, was sie leben und tun, ist schon Gebet, ist schon Dienst am Nächsten, der unsere Hilfe braucht, und Dienst an Gott, der uns Maria geschenkt hat, die große Betende, die mit uns und für uns betet.

Und für viele wird eine solche Wallfahrt, eine solche Begegnung mit Menschen, die beten und vertrauen, wieder zu etwas, das dann den Strom wieder freigibt, so daß dann das eigene Herz wieder frei zu schwingen beginnt wie eine Glocke, die weiß, daß sie nicht für sich selbst da ist, sondern um hinzuweisen auf das Größere, auf den Größeren, der sie in seinen Dienst gerufen hat.

Hoffen wir, daß der Strom für die Angelusglocke unserer Kirche nicht allzuoft unterbrochen wird, damit sie ihren Dienst tun kann. Und hoffen wir auch, daß auch der Strom frei fließen kann, der in uns wirksam werden will, damit wir unser ganzes Leben ausrichten auf Gott und ihn immer neu erkennen als den Vater, der uns über alle Maßen liebt.

5. Predigtvorschlag

Liebe Schwestern und Brüder!

Gott kommt bei Abraham zu Besuch und erzählt, so nebenbei, dass er gerade auf dem Weg ist nach Sodom und Gomorra. Er will nachschauen, ob alles wirklich so schlimm ist, wie man sagt; und wenn es sich bestätigt - na, dann ist Feierabend in den Städten. Gott hat beschlossen, diese beiden Städte auszurotten, wenn sie nicht von ihrer Sünde lassen wollen.

Wie würden Sie reagieren, wenn ein Prophet an Ihre Haustüre klingelt und so etwas ähnliches sagt? Wahrscheinlich würden wir uns abwenden und sagen: An einen solchen Gott glaube ich nicht - ein strafender und zorniger Gott ist nichts für mich. Zu einem solchen Propheten würden wir schnell "Geh weiter" sagen - auch, wenn es Gott selbst wäre. Dieser Gott ist für mich nicht diskutabel.

Abraham mag vielleicht ebenso gedacht haben - aber er hat sich nicht abgewandt; er hat nicht gesagt: Diesen Gott kannste vergessen. Nein, er wollte glauben, er möchte diesen Gott lieben und er will nicht von ihm lassen. Deshalb, nicht weil er es besser weiß als der Herr selber, macht er ihm Vorwürfe, er handelt mit ihm und feilscht. Im Grunde handelt er nicht um das Leben der Menschen in Sodom und Gomorra, sondern er ringt um seinen Glauben: Wie verhält sich dieser Gott, wenn ich ihn bitte? Steckt vielleicht doch mehr dahinter? Was passiert wohl, wenn ich noch einmal bitte?

Liebe Schwestern und Brüder, nicht umsonst nennt die Tradition Abraham den "Vater des Glaubens". Sehr demütig hat sich nicht benommen, das mag sein. Aber er hat sich auch nicht hochmütig abgewandt. Er hat mit diesem Gott gerungen, gebetet und nicht locker gelassen. Vielleicht ist es das, was Gott von ihm erwartet hat. Vielleicht ist es das, was Gott von uns erwartet: Das wir ihn bitten, mit ihm reden, wenn uns etwas nicht passt; das wir nicht locker lassen. Nicht umsonst tut Jesus im heutigen Evangelium nichts anderes als: "Betet! Um Himmelswillen - betet doch!" zu sagen.

Warum? Warum lässt sich Gott auf den Handel mit Abraham ein? Warum will er, dass wir beten? macht er denn nicht sowieso, was er will? - Ja klar, Gott macht, was er will. Deshalb ist er ja auch Gott. Aber - was will er überhaupt?

Er will eben nicht eine Stadt zerstören. Er will nicht seine Ruhe. Er will nicht unser Leid, unseren Tod, unser Unglück. Er will auch nicht verleugnet werden, verspottet und ausgelacht. Er will nicht, dass wir uns von ihm abwenden und unsere eigene Wege gehen. Und doch passiert es immer wieder, seit jeher bis auf den heutigen Tag. Deshalb fleht er um unser Gebet: Denn er will mit uns reden; er möchte unsere Zuneigung; er möchte unser Herz. Er will uns nicht verlieren.

Sodom und Gomorra sind zerstört worden - es haben sich noch nicht einmal zehn Gerechte dort gefunden. Aber uns wird er nicht im Stich lassen, um des einen Gerechten willen: Jesus. Wenn wir uns an ihn halten - im Gebet und ihm Leben - dann sind wir sicher.

Amen.

Fürbitten