Suche: 

Neue Site - empfehlenswert! Ein Ableger der Karl-Leisner-Jugend: aktueller, kürzer, frischer und moderner: www.gut-katholisch.de.

Grundkurs des Glaubens - Die Annahme der Erlösung: Die Konfessionen

Der wesentliche Unterschied der christlichen Konfessionen zeigt sich deutlich in der Beschreibung, wie die von Christus erworbene Erlösung dem Menschen zuteil wird. Die Frage, wie der Mensch vor Gott Rechtfertigung erlangt, ist zumindest der psychologische und historische Ausgangspunkt für die Reformation; die Antwort der katholischen Kirche und der Reformatoren war nahezu gegensätzlich. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Konfessionen in dieser Ursprungsfrage aufeinander zubewegt - im Gegensatz zu zahlreichen anderen Streitpunkten, die sich erst im Laufe der Zeit ergeben haben.

zurück

PDF-Datei zum Drucken oder Download

2. Abend zur Soteriologie: Die Annahme der Erlösung: Die Konfessionen

I. Unterschiedliche Akzente
1. Die bleibende Bindung Gottes an seine Schöpfung
2. Grundsätzliche Konsequenzen dieser Vorentscheidung
a. »Sola« - »et-et«
b. Ausdruck oder Komplementarität
c. Tendenzen
3. Ausformungen der Vorentscheidung
a. Die Ehe
b. Amt, Hierarchie, Weihe, Papst
c. Sakramentalien

II. Praktische Konsequenzen
1. Theologische Verwirrungen
a. Prädestination / Vorherbestimmung
b. Authentizität
c. Heilsgewissheit
2. Verschiedene protestantische Gemeinschaften
a. Anglikaner
b. Reformatorische Gemeinschaften
c. Nichtchristliche Gemeinschaften
3. Einzelfragen

III. Ausblick: Ökumene

I. Unterschiedliche Akzente
1. Die bleibende Bindung Gottes an seine Schöpfung

Oft wird die Herleitung der unterschiedlichen Akzente mit einem historischen Aufriss des Reformationsgeschehens begonnen; auch eine Grundlegung in der Psychologie Martin Luthers begegnet hier und da (und mag durchaus erhellend sein). Um aber dem aktuellen evangelischem Akzent zu beschreiben, genügt es vollkommen, ihn einfach zu benennen - denn dieser Akzent liegt durchaus gut begründet im christlichen Glauben und hat sogar seine Wurzeln schon im jüdischen Denken:

Denn das, was Luther damals bewegte, war vor allem eine veränderte theologische Option. Die Fragen, die wir häufig im Zusammenhang mit dem Reformationsgeschehen stellen (»Wollte Luther eine neue Kirche - oder nur die alte erneuern?« - »Ging es ihm um die Abschaffung der Missstände oder um eine Abschaffung des Papstes?« - »War Luther ein Reformator (ein Erneuerer) oder ein Schismatiker (ein Kirchenspalter) oder gar ein Häretiker (ein Irrlehrer)?«) lassen sich nur klären, wenn wir begreifen, was reformatorische und was katholische Theologie ist.

Gehen wir direkt also direkt in medias res: Im Grunde unterscheiden sich evangelisch-protestantische Theologie und katholische Lehre nur in einer Vorentscheidung: Hat Gott sein Heilswirken an Menschen (und menschliche Institution) verbindlich weitergegeben? Wirkt der Mansch an der Annahme der (durch Jesus Christus erworbenen) Erlösung aktiv mit? Ist eine dauerhafte Bindung Gottes an menschliches Wirken nicht eine Eingrenzung seiner Allmacht und Freiheit? Den evangelischen Akzent können wir als »Wahrung der Herrlichkeit Gottes und Seiner unbedingten Freiheit« beschreiben.

»Hat Gott sein Heilswirken an Menschen (und menschliche Institution) verbindlich weitergegeben?« Die katholische Kirche beantwortet diese Frage mit »Ja« - Gott hat sich in die Hände des Menschen gegeben: »Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat.« (Lk 10,16); »Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.« (Mt 16,19) oder auch: »Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.« (Joh 20, 23)

Die protestantischen Kirchen weisen diesen Anspruch empört zurück: Kann Gott daran gebunden sein, was Menschen tun? Sich regelrecht davon abhängig machen? Niemals! »Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus« (1 Tim 2,5). Nur einer, Jesus Christus, und kein weiterer Mensch.

Damit es keine Missverständnisse gibt: Selbstverständlich kennt die protestantische Theologie Fälle, in denen Gott Menschen zu seinen Mitarbeitern erwählt und sie in seinen Heilsplan integriert. Es gibt Propheten, Evangelisten, Apostel und aufrichtige Christen, die Gottes Willen tun und in seinem Namen handeln. Die Frage, die die beiden Konfessionen so unterschiedlich beantworten, ist allerdings nicht, ob das gelegentlich oder häufig vorkommt, sondern ob Gott sich an das menschliche Handeln unwiderruflich gebunden hat.

Das wird zum Beispiel auch in der Mariologie deutlich: Die Rolle und Aufgabe Mariens in Bezug auf Menschwerdung und Erlösung sieht zunächst im evangelischen Denken nicht sehr viel anders aus als in der katholischen Theologie (auch im evangelischen Glaubensbekenntnis ist Maria jungfräuliche Mutter). Allerdings hat Maria keine bleibende Sonderstellung (zum Beispiel als Mutter der Kirche oder Königin der Apostel). Darin liegt der große Unterschied in Theologie und Frömmigkeit.

Luther hat diese Frage klar beantwortet: In Bezug auf sein Heil kann der Mensch nichts wirken - in Bezug auf sein Heil ist der Mensch unfrei und unfähig zur Mitwirkung. Er ist gänzlich darauf ausgerichtet, Erlösung und Heil von Gott in Christus zu empfangen.

2. Grundsätzliche Konsequenzen dieser Vorentscheidung

a. »Sola« - »Et-et«. — Aus dieser Vorentscheidung: »Der Mensch ist zur Mit-Erlösung nicht in der Lage« und der Folgerung: »Gott würde sein Wirken niemals an menschliche Institutionen oder Ämter binden« folgen Zug um Zug die großen und kleinen Differenzen der Konfessionen. Diese Vorentscheidung führt aber auch, wenn sie grundlegend bedacht wird, zu einer Ablehnung einer jeden Mitwirkung des Menschen an der Erlösung. So entstanden aus der theologischen Reflexion der Nicht-Wirkung des Menschen die »großen reformatorischen Prinzipien« sola fide (allein der Glaube), sola scriptura (allein die Schrift), sola gratia (allein die Gnade); zusammengefasst in solus Christus. Die katholische Kirche hat dagegen immer an dem Prinzip der Komplementarität festgehalten und gegenüber dem »sola« der Reformatoren das »et-et« (sowohl-als auch) betont.

Dieser Unterschied ist tiefgreifender, als wir auf den ersten Blick meinen. Denn Vorbild des katholischen »et-et« ist letztlich die Leib-Seele-Einheit. Demnach ist der Leib nicht nur Ausdruck der Seele (ich sehe an der Mimik eines Menschen, wie es ihm seelisch geht), sondern auch Medium zur Gestaltung der Seele.

Blaise Pascal wurde einmal gefragt, wie man zum Glauben finden könne, und er antwortet: »Beuge deine Knie und bewege deine Lippen im Gebet, und der Glaube wird in dir Aufsteigen«. Ähnlich formulierte es auch Paul Newmann im Hollywood-Film »Das Verdikt«: «Handle so, als hättest du Glauben, und er wird dir gegeben werden.« - Für wahre Protestanten ein Unding.

Die evangelische Haltung legt vielmehr Wert darauf, dass wir aus dem Glauben heraus handeln; alles menschliche Tun ist nur Ausdruck der göttlichen Gnade, die dem Menschen in seine Seele eingegossen wurde. Ein Tun, dass nicht dieser Gnade entspricht, ist verwerflich; der Glaube, ein Tun des Menschen könne diese Gnade vertiefen oder vermehren, ist vermessen.

b. Ausdruck oder Komplementarität. — Diese grundlegende Vorentscheidung findet sich nun in fast allen Bereichen der ökumenischen Differenzen wieder: Glaube-Werke, Schrift-Tradition, göttliche Gnade-menschliches Tun. Während die katholische Kirche diese Begriffe für komplementär hält, sehen die Protestanten jeweils einen Begriff als primär - und den anderen als reine Folge an.


Bild A: Der Glaube an Gott ist primär. Daraus folgen die guten Werke. (Protestantisches Modell)

Nach katholischem Modell ist die Frucht des Glaubens das gute Werk; aber die Verwirklichung des Glaubens in Werken stärkt wiederum den Glauben und die Liebe zu Gott - so dass eine Art »Regelkreis« entsteht. Im Idealfall lässt sich diese Wechselwirkung mit einer Wendel oder Schraube vergleichen, die sich durch gegenseitige Stärkung und Ergänzung (Komplementarität) aufwärts bewegt.


Bild B: Der Glaube und das Tun der Werke ist komplementär. (Katholisches Modell)

Vieles (vielleicht sogar alles…?) in unserem Leben ist komplementär; so zum Beispiel auch die Liebe und die Erkenntnis: Beides ist nicht identisch, aber eine größere Erkenntnis meiner Freundin führt dazu, dass ich sie mehr Liebe; je mehr ich sie liebe, um so mehr verstehe und erkenne ich sie auch; desto mehr liebe ich sie… etc.

Papst Johannes Paul II. nannte zum Beispiel die Komplementarität von Glauben und Vernunft die »zwei Flügel des Geistes«. Ein schönes Bild: Vielleicht sind Liebe und Erkenntnis die zwei Flügel der Beziehung?

Die katholische Kirche lebt und lehrt diese Komplementarität in vielfacher Hinsicht:

Wenn unsere protestantischen Freunde nun diese Begriffe nicht als komplementär betrachten (das katholische »et-et«), sondern immer nur einen der Begriffe als wesentlich (»sola«) ansehen, führt das (fast immer) dazu, dass sie den zweiten Begriff vernachlässigen oder gar als abträglich ansehen. Das geschieht zum Beispiel augenfällig mit der Tradition der Kirche, der mündlichen-gelebten Überlieferung, und dem Empfang der Sakramente. Oft führt das auch zur Vernachlässigung des leibhaften Tuns (Wallfahrten, Fasten, Knien) oder der Geringschätzung der menschlichen Vernunft (natürlich nicht immer - wohlgemerkt!). Wenn sich auf diese Weise die Protestanten eines der beiden Flügel der Seele berauben, so fällt ihnen der Aufschwung zu Gott offensichtlich schwerer.

Alles, was zum Heil absolut notwendig ist, finden wir auch in den protestantischen Gemeinschaften: Die Taufe, der Glaube an Jesus Christus und seine Erlösung durch den Kreuzestod. Wir glauben gemeinsam an die Menschwerdung Jesu und unsere Rettung durch Seine Auferstehung. Das steht aber nicht im Gegensatz zu der Behauptung, dass »außerhalb der katholischen Kirche keine Wahrheit und kein Heil zu finden« sei. Vielmehr glauben wir Katholiken, dass es nur die eine wahre und allumfassende Kirche Jesu Christi gibt, die im Protestantismus unvollständig verwirklicht wird.

Wenn wir die Kirchen des Protestantismus als »unvollständig« ansehen, dann ist damit nicht gemeint, dass die Evangelischen »nicht genug glauben« oder »einen reduzierten Glauben haben«. Wir halten es nicht für relevant, »wer mehr Glaubenssätze für wahr hält« oder mehr »Seiten im Katechismus« hat. Die Unvollständigkeit, die wir in der evangelischen Kirche sehen, bezieht sich vielmehr auf die fehlenden Hilfsmittel zum Heil (die nicht einfach nur fehlen, sondern ja auch ausdrücklich abgelehnt werden). Machen wir uns nichts vor: Auch wir Katholiken vernachlässigen oft genug den einen oder anderen Flügel, der ihnen angeboten wird - deshalb wollen wir keinen Vergleich über die jeweiligen Mitglieder anstellen.

Selbstverständlich gibt es auch Lehr-Unterschiede zwischen der katholischen Kirche und den protestantischen Kirchen. Nicht nur das Gottesbild, sondern auch das Menschenbild erfährt hier und dort sogar sehr weitreichende Akzentuierungen.
Aber dennoch möchten wir an der Aussage festhalten, dass wir im Grund einen gemeinsamen Glauben haben (der sich ja auch im gemeinsamen Glaubensbekenntnis niederschlägt); die grundlegende Verschiedenheit rührt zu Luthers Zeiten und auch bis heute vor allem von einer unterschiedlichen Gewichtung bzw. Ablehnung der Heilsmittel her.

Für uns Katholiken ist nun einmal der Empfang des Leibes Christi in der sonntäglichen Eucharistiefeier und der Empfang des Beichtsakramentes eine unverzichtbare Stütze zur Erhaltung der Taufgnade und damit unserer Erlösung. Wenn die katholische Kirche nun ihre eigenen Mitglieder dringend zum Empfang dieser Sakrament ermahnt - um ihres Heiles willen! -, schauen wir natürlich schon besorgt auf die Christen anderer kirchlichen Gemeinschaften, wenn dort entweder diese Sakramente fehlen oder nicht geschätzt werden.

Besorgt - das ist vielleicht der richtige Ausdruck und die richtige Motivation für ein Gespräch zwischen den Konfessionen. Es geht nicht um Verdammung oder Rechthaberei; nicht um ein zahlenmäßiges Mehr oder Weniger - und auch nicht um Macht und Einfluss. Oberster Grundsatz allen kirchlichen Handelns ist die Sorge um das Heil der Seelen. Aller Menschen.

c. Tendenzen. — Grundsätzlich sollten wir uns immer in Erinnerung rufen, dass die Ablehnung der Komplementarität aus einer guten Intention heraus geschieht: Die Herrlichkeit Gottes soll nicht durch die Kleinheit der menschlichen Regungen verdunkelt werden. Tatsächlich gibt es eine Tendenz des Menschen, die Komplementarität in einen der beiden Pole aufzulösen. Würden wir »Liebe« nur noch in den äußeren Handlungen des Menschen oder gar in der rein körperlichen Sexualität erkennen, hätten wir das Wesen der Liebe nicht nur reduziert, sondern aufgehoben. Ebenso ist ein Mensch, der sich rein-äußerlich an die Gesetze hält, noch lange kein guter Mensch. Die Versuchung, lediglich auf Äußerlichkeiten zu achten und jede Innerlichkeit zu vernachlässigen oder gar zu leugnen, ist allgegenwärtig: Zu allen Zeiten und in allen Kulturen, in jeder menschlichen Beziehung und jeder Religion.

Ebenso allgegenwärtig ist die Tendenz, dieser Versuchung zur Oberflächlichkeit zu widerstehen. Solange diese Reinigungsbestrebungen oder erneuerte Spiritualitäten für eine Rückbesinnung auf die bedrohte Innerlichkeit sorgen, sind sie in der Kirche hochwillkommen: Ecclesia semper reformanda - die Kirche muss sich immer erneuern. Aber es gab auch zu allen Zeiten Erneuerungsbewegungen, die nicht für eine Wiederherstellung der Balance zwischen Innerlichkeit und Äußerlichkeit eintrat, sondern jedes äußerliche Tun verwarf. Für die in kirchlicher Geschichte bewanderten brauche ich nur die Manichäer, die Gnosis oder die Katharer erwähnen: Alles Grenzerfahrungen des »sola«, der Verabsolutierung der Innerlichkeit und der Verneinung der Komplementarität. Es gab immer schon Versuche, das Leibliche, Körperliche und Irdische abzuwerten und das rein Geistige zu betonen.

Die Ablehnung der äußerlichen Werke ist nicht nur eine Verneinung der Leiblichkeit des Menschen und damit eine Reduzierung der gottgewollten Wirklichkeit. Es gibt eine viel dringlichere Gefahr, die sich in allen geschichtlichen Ausformungen (auch in der evangelischen Kirche) zeigte: Nämlich dem Mechanismus, dass eine Ablehnung der Leiblichkeit und eine Verabsolutierung der Innerlichkeit leicht ins Gegenteil führt. Wir sehen es zum Beispiel an zahlreichen gnostischen Gruppierungen, die zunächst das »geistige Erkennen« auf Kosten des leiblichen Tuns Betonen, deshalb alles Leibliche meiden bzw. zur Abtötung des Leiblichen aufrufen. Irgendwann führt allerdings die Betonung der geistigen Erkenntnis zur Ignoranz des Leiblichen - und schließlich zur Beliebigkeit des Leiblichen.

So dürfen wir, ohne unseren evangelischen Mitbrüdern zu nahe zu treten, durchaus eine Verbindung von der übertriebenen puritanischen Leibverachtung des 19. Jahrhunderts zur moralischen Indifferenz in der Sexualmoral der heutigen Zeit ziehen - beides Phänomene in den evangelischen Kirchen.

Vor den Tendenzen zur Einseitigkeit und vor der aus der Einseitigkeit zur Beliebigkeit führenden Tendenz bewahrt uns letztlich nur die Komplementarität. Ohne das immer neu auszutarierende »et-et« verlieren wir die Menschlichkeit der Erlösung aus den Augen.

Für den später noch zu entfaltenden Ansatz für die Ökumene ist es schon wichtig festzuhalten: Der evangelische Ansatz steht nicht grundsätzlich im Gegensatz zur katholischen Theologie. Selbstverständlich ist es wichtig, den Vorrang des Geistigen zu bewahren: Gott ist Geist. Aber wir Menschen sind Leib-Seele-Einheiten; und unsere Erlösung geht daran nicht vorbei.

3. Ausformungen der Vorentscheidung

a. Die Ehe. — In vielen Bereichen des christlichen Lebens finden sich die Ausformungen der grundsätzlichen Vorentscheidungen (»keine Heilsvermittlung durch irdische Wirklichkeiten!«) wieder. Ein wichtiges Beispiel wäre das Eheverständnis der Konfessionen. So sieht die evangelische Tradition die Ehe als »ein weltlich Ding« (so M. Luther) an. Tatsächlich ist in der evangelischen Kirche die Ehe weder ein Sakrament, noch wird in evangelischen Gottesdiensten tatsächlich eine Ehe geschlossen. Nach protestantischem Verständnis wird die Ehe vor den staatlichen Behörden geschlossen und im evangelischen Gottesdienst nur gesegnet. Nach katholischem Verständnis ist jedoch die Ehe nicht nur ein Sakrament, weil sie in der Kirche »sakramental« geschlossen wird - die Ehe ist tatsächlich ein »Heilsweg«; d.h. im Hören und Geben, im Schenken und Nehmen der Eheleute wächst die Gnade der Beziehungsfähigkeit und damit der Heiligkeit. Die Ehe als ein »aneinander und miteinander Wachsen« ist also nicht nur im Traugottesdienst, sondern in ihrem Vollzug ein Sakrament.

b. Amt, Hierarchie, Weihe, Papst. — Während das unterschiedliche Eheverständnis in der öffentlichen Wahrnehmung kaum bekannt ist, treten die Unterschiede bei kirchlicher Hierarchie und Weiheamt besonders deutlich zutage. Für das protestantische Kirchenverständnis ist jede kirchliche Gemeinschaft nur Ausdruck des Geistigen; jedes Amt nur Bild oder Ausdruck (so auch H. Vorgrimlers Deutung des Papstamtes als »Stellvertreter« im Sinne des Platzhalters, der an das Eigentliche erinnert - darüberhinaus aber keine eigene Vollmacht hat). In der katholischen Kirche ist das Amt jedoch mehr: Es ist Erinnerung an das Priesteramt Jesu und zugleich Verwirklichung, Vergegenwärtigung und Realpräsenz (nicht nur Real-Präsentation). Damit beschäftigen wir uns in der Ekklesiologie ausführlicher.

c. Sakramentalien. — Zeichen sind für unsere evangelischen Mitchristen immer nur Ausdruck innerer Regungen; also können Zeichen auch weggelassen werden. Ja, Zeichen können auch ablenken und schädlich sein:

Kerze entzünden: (evgl.:) Ausdruck meines Gebetes; (kath.:) Nicht nur Ausdruck, sondern auch Vertiefung des Gottvertrauens; Gefahr: »Hauptsache, die Kerze brennt.«

Aschekreuz: (evgl.:) Ausdruck meines Willens zur Geringachtung von irdischen Werten; (kath.:) Nicht nur Ausdruck, sondern ich gebe mich in eine Bußhaltung hinein; Gefahr: »Seht, wie demütig ich bin!«

Medaillen, Kreuze, Figuren: (evgl.:) Ausdruck eines Erinnerungswertes; (kath.:) Nicht nur Ausdruck: Erinnerung, Hilfe beim Beten; Gefahr: Bild wird mit dem Dargestellten identifiziert, Magie

Segen (Blasius-Segen): (evgl.:) Ausdruck des Wohlwollens Gottes; (kath.:) Nicht nur Ausdruck: Ich gestehe Gott auch die Macht über meine Gesundheit zu; Gefahr: Magie; Medizin-Ersatz

Die Reihe dieser Beispiele könnten wir beliebig ergänzen: Knie beugen, Weihwasser nehmen, Wallfahren, liturgische Kleidung usw. Interessant ist allerdings: Obwohl es bei den Evangelischen allein auf das Innere ankommt und deshalb der äußere »Tand« weggelassen wird, führen die katholischen Gottesdienste trotz (oder aufgrund?) ihres Formenreichtums auch bei vielen Evangelischen oft zu einer größeren Innerlichkeit.

Fazit

Der Unterschied zwischen der katholischen Kirche und den evangelischen Konfessionen besteht nicht in einer Anzahl von veränderten äußeren Formen. Die Art, wie der Mensch die Erlösung Jesu Christi annimmt und sich zu eigen macht, ist Kernpunkt der Differenz: Wirkt der Mensch an dieser Annahme mit (katholisch) - oder ist er rein passiver Empfänger der Gnade (evangelisch)?

II. Praktische Konsequenzen
1. Theologische Verwirrungen

Die Ablehnung einer Mitwirkung an der Annahme der Erlösung mag auf den ersten Blick nur ein Detail sein - in der alleinigen Erlösung durch Jesus Christus sind die Konfessionen sich ja zunächst einig. Ist es denn wirklich so zentral, ob der Mensch nun passiv erlöst wird oder in einem Wechselspiel von Gnade und aktiver Mitwirkung die Erlösung annimmt? Verblüffenderweise ist diese reformatorische Vorentscheidung mehr als zentral - was vermutlich daran liegt, dass der ganze christliche Glaube ein so organisches Ganzes bildet, dass es nicht möglich ist, folgenlos einen einzelnen Punkt zu verändern.

Wer die Mitwirkung des Menschen an seinem Heil verneint, der erklärt Gott zum alleinig Handelnden. Nicht der Mensch entscheidet sich angesichts Gottes für Himmel und Hölle - sondern Gott rettet oder verdammt. Die Reich-Gottes-Botschaft besteht nicht in einem längeren wechselwirkendem Geschehen, sondern wartet auf den apokalyptisch eingreifenden Richter. Die Gebote sind keine Handlungsanweisungen, um der Gnade Raum zu schaffen, sondern Erkenntnisquelle der Erlösungsbedürftigkeit. Die Kirche ist nicht Gottes auserwähltes Volk und unsichtbare Gegenwart Christi, sondern Raum für gemeinschaftlichen Lobpreis… und so weiter. Hier nur drei Aspekte:

a. Prädestination / Vorherbestimmung. — Ein großes logisch-theologisches Problem vor allem bei den Reformierten und Calvinisten, selten auch bei den Evangelikalen, ist die Frage nach der Vorherbestimmung des Menschen für Himmel und Hölle. Wenn der Mensch keine Mitwirkung am Heil und keine Freiheit hat und damit auch keine Entscheidung für oder gegen Gott treffen kann, muss Gott derjenige sein, der bereits mit Erschaffung des Menschen diesen für die ewige Seligkeit vorherbestimmt. Letztlich ist die Konsequenz zwar logisch naheliegend, widerspricht aber so ziemlich jeder Selbsterfahrung des Menschen - auch in seiner Beziehung zu Gott.

b. Authentizität. — Wenn der gelebte Glaube zwar nicht heilsrelevant sei, aber doch zumindest Ausdruck echter innerer Regungen sein soll, ergibt sich ein neues Problem: Kaum ein Mensch befindet sich in einem eindeutigen menschlichen Zustand. Der Mensch ist ein Konglomerat; er ist nicht nur eine Intention, eine Absicht oder ein Wille. In jedem Menschen leben immer verschiedenen Strebungen, die unterschiedlich gewichtet sein können und je nach körperlicher oder geistiger Verfassung mal unsichtbar, mal alles bestimmend sind. Welcher Regung im Menschen kommt das Recht zu, sich authentisch auszudrücken? Ist nicht angesichts einer erlittenen Ungerechtigkeit die gewährte Vergebung ebenso authentisch (weil ethisch gewollt) wie der Gedanke an Rache (weil spontan gewollt) und zugleich der Wunsch, im Boden zu versinken (angesichts der zu erwartenden Mitleidsbekundungen)? Wenn es aber keinen eindeutigen authentischen Ausdruck gibt, ist dann nicht die gewählte Handlung auch eine Entscheidung, nur einer bestimmten Innerlichkeit die Verwirklichung zu gewähren? Dann wären wir aber von der Handlung als reine Ausdrucksfunktion abgerückt.

Ein alter Indianer erzählt seinem Enkel: In meiner Brust wohnen zwei Wölfe. Einer davon ist der Wolf der Dunkelheit, des Neides, der Verzweiflung, der Angst, und des Misstrauens. Der andere ist der Wolf des Lichtes, der Liebe, der Lust und der Lebensfreude. Fragt der Enkel: Und welcher der Beiden wird gewinnen? Der alte Indianer antwortet daraufhin: Der, den ich füttere.

Nur nebenbei: Wenn sich in das Motivationsgemisch des Menschen auch nur ein bisschen Eigenwillen mischt, verneint Luther sofort jede Heilsrelevanz: Also immer. (»Die verheerende Wirkung des Minuszeichens«)

c. Heilsgewissheit. — Der Mensch ist nicht einfach - und auch nicht fertig; jeder Mensch ist vielmehr im Werden begriffen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt können wir also nur eine Momentaufnahme der Seele erkennen, die eine ganz andere Bedeutung bekommt, wenn wir langfristige Entwicklungstendenzen berücksichtigen (So ist ein Mafioso, der nach und nach zur Moral findet, nicht aufgrund eines momentanen Zustandes, sondern nur in Anbetracht seiner Entwicklung gerecht einzuschätzen) Für die evangelische, vor allem die evangelikale Theologie ist die Bekehrung das Schlüsselerlebnis des Menschen, ein Wachsen in der Gnade gibt es nicht. Die Bekehrung ist aber nur eine Momentaufnahme - und natürlich mit Mängeln verbunden.

Wenn es aber keine Entwicklung gibt, dann auch keinen Abfall vom Glauben - daraus folgern einige Gruppierungen vor allem in der evangelikalen Richtung die Heilsgewissheit. Manchmal wird sie zwar nur als »momentane Heilsgewissheit« verstanden (»Ich bin mir nicht sicher, wie und was ich in 10 Jahren glauben werde; aber mein momentaner Glaubenszustand ist sicher ausreichend!«); bei einigen Evangelikalen aber auch als permanente Heilsgewissheit (»Ich weiß, dass ich in den Himmel kommen werde - denn meinen Glauben werde ich niemals verlieren!«). Das ist zwar wiederum theologisch-logisch konsequent gedacht: Denn wenn ich nichts dafür kann, dass ich den Glauben gefunden habe (»Nicht ich habe mich bekehrt: Gott hat mich bekehrt!«), dann kann ich auch nicht verursachen, ihn wieder zu verlieren. Da Gott treu ist, werde ich ihn auch nicht verlieren. Aus katholischer Sicht ist das schwierig und führt zu großen Paradoxien.

2. Verschiedene protestantische Gemeinschaften

Entgegen der Erwartungen eines Deutschen, der meistens nur ein oder zwei protestantische Gemeinschaften kennt (in den USA hat dagegen jede Kleinstadt mehrere Kirchen unterschiedlichster Konfessionen), ist die Landschaft der selbstständigen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die sich seit der Reformation entwickelt haben, sehr weit gefächert. Anstatt einer Genealogie der Gemeinschaften hier eine kurzgefasste Übersicht:

a. Anglikaner. — Grundsätzlich müssen wir zwischen den Gemeinschaften der Reformation und denen des anglikanischen Schismas unterscheiden. Die Anglikaner sind vom Ursprung her keine Kirche der Reformation und standen im schärfsten Gegensatz zu Luther. Inzwischen haben sich aber die Anglikaner in vielerlei Hinsicht lutherische Theologie zu eigen gemacht. Als Oberbegriff für Anglikaner und reformatorische Kirchen kann der Begriff Protestanten verwendet werden.

b. Reformatorische Gemeinschaften. — Die Gemeinschaften der Reformation wiederum können wir in drei Gruppen einteilen, zum einen in die Landeskirchen (so in Deutschland) oder die Episkopalen (z.B. in Amerika); dazu gehören die Lutheraner, die Reformierten (Calvinisten) und die Unierten.

Zur zweiten Gruppe gehören die Freikirchen (so in Deutschland) bzw. die Evangelikalen (z.B. in Amerika). In dieser Gruppe versteht sich jede Gemeinde als eigenständig und keinem weiteren Zusammenschluss zugehörig, daher auch die Selbstbezeichnung »Freikirche«. Einige Freikirchen haben sich in der EFG (Evangelische Freikirchliche Gemeinden), andere in der FEG (Bund Freier evangelischer Gemeinden) organisiert (wohlgemerkt: ohne eine Unterordnung anzuerkennen!), in Amerika werden diese meistens als Baptisten bezeichnet. Zu diesen Gruppierungen gehören auch zahlreiche größere, ältere, kleinere und jüngere Bewegungen, so die Methodisten, Mennoniten, Adventisten, Pfingstler, Täuferbewegungen, Zwinglianer, Brüdergemeinden usw.

Von den protestantischen Konfessionen zu unterscheiden ist die dritte Gruppe - die Bewegungen, wie z.B. der Pietismus, die Pfingstbewegung, die Charismatische Bewegung sowie der Evangelikalismus (wobei dieser in weiten Teilen auch als – freilich inoffizielle – „Dachbewegung“ der beiden Erstgenannten gelten kann).

Unklar ist, ob die Altkatholiken, die sich erst im 19. Jahrhundert nach der Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas von der Katholischen Kirche getrennt haben, zu den Evangelischen gezählt werden sollten: Vom Ursprung her sind sie es nicht; inhaltlich unterscheiden sie sich allerdings kaum noch von der Evangelischen Kirche.

Interessant - als Nebenbemerkung - ist der Versuch der zahlreichen auseinander driftenden Freikirchen, sich auf gemeinsame Grundsätze zu einigen. Die ersten Zusammenschlüsse nannten sich selbst »Fundamentalisten« (ab 1920), weil man sich auf »Five Fundamentals« geeinigt hatte. Die ersten Five Fundamentals lauteten: 1. The inspiration and inerrancy of Scripture, 2. The deity of Jesus Christ, 3. The virgin birth of Christ, 4. The substitutionary, atoning work of Christ on the cross, 5. The physical resurrection and the personal bodily return of Christ to the earth.
Allerdings blieb es nicht lange bei der einen Einheitsbewegung - es kamen andere Gemeinden zu anderen Zusammenschlüssen und abweichenden Prinzipien: 1. The Trinity: God is one »What« and three »Whos« with each »Who« possessing all the attributes of Deity and personality; 2. The Person of Jesus Christ: Jesus is 100% God and 100% man for all eternity; 3. The Second Coming: Jesus Christ is coming bodily to earth to rule and judge; 4. Salvation: It is by grace alone through faith alone in Christ alone; 5. The Scripture: It is entirely inerrant and sufficient for all Christian life.
Eine dritte Zusammenstellung zählt auf: 1. The inerrancy of the Bible; 2. The virgin birth of Christ; 3. Christ’s substitutionary atonement; 4. Christ’s bodily resurrection; 5. The authenticity of Christ’s miracles.

c. Nichtchristliche Gemeinschaften. — Nicht zu den christlichen Gemeinschaften zählen die Zeugen Jehovas und die Mormonen; auch wenn sie aus christlichen Bewegungen (die Zeugen Jehovas z.B. aus der sogenannten Miller-Bewegung) hervorgegangen sind. Letztlich ist die Ablehnung der Göttlichkeit Christi hier Ausschlusskriterium. Unklar in der Einordnung ist die Neu-Apostolische Kirche, ebenfalls bewegen sich einzelne Evangelikale, Adventisten und Pfingstler (vor allem in Südamerika) im Grenzbereich zu nicht-christlichen Sekten.

3. Einzelfragen

Neben den bekannten Unterschieden im Amtsverständnis, Sakramentenverständnis (vor allem der Eucharistie) und der Akzeptanz der kirchlichen Tradition gibt es noch einzelne, oft nicht bekannte Differenzen:

Bücher der Bibel: In der protestantischen Bibel sind die Bücher Tobit, Judith, die beiden Makkabäerbücher, das Buch der Weisheit, das Buch Jesus Sirach und der Prophet Baruch nicht enthalten. Es fehlen außerdem Teile des Buches Daniel und Ester. - Das evangelische Alte Testament enthält somit 39 Bücher; das katholische AT 46. Während die katholische Kirche die nicht in die Bibel aufgenommenen Bücher (wie z.B. das Thomas-Evangelium) als apokryph bezeichnet, nennen die Protestanten sie pseudepigraph; die Bücher der katholischen Bibel, die in der protestantischen Bibel fehlen, werden von der evangelischen Theologie als »Apokryphe«, von den Katholiken als »deuterokanonische Bücher« bezeichnet.

Zählung der Gebote: In bestimmten evangelischen Kirchen und Gemeinschaften werden die Gebote anders gezählt; das erste Gebot wird dann in zwei Gebote aufgeteilt: 1. keine anderen Götter, 2. Bilderverbot, 3. Namen ehren, 4. Sabbat halten…, dafür die letzten beiden Gebote zu einem zusammengefasst: 10. Begehre nicht das Nächsten Frau, Hab und Gut. In der Bibel selbst findet sich keine verbindliche Zählweise. - Sowohl die Juden, als auch die Anglikaner (zusammen mit vielen Freikirchlern und Evangelikalen), die Lutheraner, die Katholiken und auch die orthodoxe Kirche haben eine voneinander abweichende Zählweise.

Anzahl Sakramente: Meist gibt es in den lutherischen Denominationen nur zwei Sakramente: Taufe und Abendmahl; bei den Reformierten oft nur die Taufe.

(Marien-) Erscheinungen, Wallfahrtsorte, Privatoffenbarungen: Nicht nur aufgrund der grundsätzlichen Ablehnung der Heiligenverehrung, sondern zunehmend auch durch die Verbreitung der Ganztodtheorie sind Phänomene wie z.B. die Marienerscheinung sehr angstbehaftet: Wenn es keine Heiligen gibt, muss der »Engel des Lichts« (Teufel) der Urheber sein. Ebenso können evangelische Gruppierungen, die die Ganztodtheorie akzeptiert haben, mit Nahtoderfahrungen und Berichten aus dem Jenseits überhaupt nichts anfangen (so z.B. im Buch und Film »Den Himmel gibt’s echt«.)
Ein Unterschied, der sich erst im Laufe der Zeit schwerpunktmäßig zwischen katholischer und evangelischer Theologie entwickelt hat, findet sich in der Theologie der Letzten Dinge (Eschatologie). Wir kommen zu diesem Unterschied und der in der evangelischen Kirche weit verbreiteten Ganztodtheorie an den Abenden, die sich mit der Eschatologie beschäftigen.

Fazit

Aus der Kernfrage, ob Gott sich in seinem (erlösenden) Handeln der menschlichen Mitwirkung bedient (zum Beispiel bei der Vermittlung von Gnade durch den Priester), erklären sich die zahlreichen Unterschiede in Liturgie, Lehre und Leben der beiden Konfessionen. Letztlich verzichtet die evangelischen Kirche auf all das, was unter dem Verdacht steht, die Freiheit und Jenseitigkeit Gottes zu beeinträchtigen.

III. Ausblick: Ökumene

Ein Wettstreit der Begeisterung

Ich träume von einer Ökumene, in der es möglich ist, dass ein evangelischer Pfarrer in der katholischen Kirche voller Begeisterung von seiner Liebe zur Heiligen Schrift erzählen kann. Ich träume von einer Ökumene, in der es genauso möglich ist, dass ein katholischer Priester in der evangelischen Kirche von seiner Liebe zum Heiligen Vater spricht und von der Gnade, die dieses Amt für die Kirche bedeutet.

Ich träume von einer Ökumene, in der der evangelische Christ in der katholischen Kirche von seiner Christusbeziehung voller Herzenswärme spricht und der katholische Christ in der evangelischen Kirche von seinem Weg mit den Heiligen zu Gott.

Ich träume von einer Ökumene, in der der evangelische Christ in der katholischen Kirche von seinen schönsten Erfahrungen mit Predigten, Bibelworten und Jahreslosungen genauso erzählt wie der katholische Christ in der evangelischen Kirche von seinen Erfahrungen mit Sakramenten, Aschenkreuz und Fronleichnamsprozessionen.

Vielleicht scheitern diese Träume zur Zeit noch an einer mangelnden Offenheit für die Begeisterung des Anderen - oder an einer mangelnden Begeisterung der Christen überhaupt. Aber:

Eine Ökumene hat erst dann Aussicht auf Erfolge, wenn wir mit Begeisterung unseren eigenen Glauben in die Ökumene einbringen dürfen - ohne Abstriche machen zu müssen, ohne etwas zu verschweigen von dem, was uns lieb und teuer ist. Eine Ökumene hat erst dann eine Aussicht, wenn wir nicht von dem Reden, was uns trennt und von dem Schweigen, was uns verletzt, sondern wenn wir verkünden, was uns ergriffen hat: Gott. Er selbst.