Sind Wunder möglich?  | Wunder gehören zum Glauben an Gott und zur Religion "wie
das Ei zum Huhn"... Deshalb gehört zur Kritik an den Religionen
auch immer die Kritik am Wunderglaube: Wer den Glauben an Gott ablehnt,
muss sich früher oder später mit den wunderbaren Berichten
auseinandersetzen, die es in allen Religionen gibt.
Aber auch innerhalb der Religionen sind Wunder umstritten; der damalige
Vorsitzende der Kongegration für die Glaubenslehre in der katholischen
Kirche, Kardinal Ratzinger, meinte in einem Interview, dass der kritische
Umgang mit vielen angeblichen Wunderberichten der größte
Teil seiner Arbeit im Vatikan ausmache - früher war das nicht so.
Er fügte hinzu, dass mit der Ablehnung aller Übernatürlichkeit
in der modernen Zeit der unkontrollierte Glaube an alle möglichen
Wunder zunehme.
Die grundlegende Frage, ob es denn Wunder geben kann - oder
eben nicht - ist in vielen Diskussionen nicht geklärt, und trotzdem
gehen die Diskutanten voreilig in die zweite Runde: Ganz bestimmte (oft
biblischen) Wunderberichte werden auf den Tisch gelegt und diskutiert.
Da werden alle möglichen Theorien und Hypothesen aufgestellt: Ob
das, was da berichtet wird, denn überhaupt ein Wunder sei oder
vielleicht ganz natürlich zu erklären, ob der Wunder-Bericht
überhaupt glaubwürdig ist, ob da nicht Täuschungen und
veraltete Weltbilder hinter stehen - und so weiter. Meistens kommen
solche Diskussionen nicht weit, da die Voraussetzungen nicht geklärt
wurden.
Als logisch denkender Mensch (und eingefleischter Naturwissenschaftler)
beginne ich also mit meiner Katechese, wo sich die meisten Menschen
noch einig sind: In der Naturwissenschaft. Und, damit wir nicht mitten
im Thema anfangen, wollen wir zunächst aus naturwissenschaftlicher
Sicht klären, was denn ein Wunder überhaupt ist.
Noch eine Vorbemerkung: Das Thema "Wunder" kann theologisch
oder fundamental-theologisch behandelt werden. (Fundamentaltheologie
beschäftigt sich mit der Begründung des Glaubens - nicht so
sehr mit dem Glaubensinhalten selber.) In dieser Katechese soll auf
die fundamental-theologische Frage "Sind Wunder möglich?"
eine Antwort versucht werden.
PDF-Datei
zum Drucken oder Download dieser Katechese
Diese Katechese ist auch als gedrucktes Heft (Nr. 032) erhältlich:
Kostenlose
Bestellung
|
|
1. Was ist das überhaupt, ein Wunder?
Den Begriff «Wunder» gibt es in allen möglichen Bedeutungen.
So bezeichnen wir geniale menschliche Leistungen als Wunder («Die sieben
Weltwunder» oder «Das Wunder von Bern»), wir reden bei einem
glücklichen Ausgang einer Katastrophe vom Wunder («Das Wunder von
Lengede», oder neuerdings: «Das Wunder von Bam»); beeindruckende
Tatsachen aus Biologie («Die Wunder der Tierwelt»), Technik («Wunder
der Technik») oder Geografie («Die Wunder dieser Welt»)
werden genauso unter diesen Begriff gefasst wie ein persönliches Erlebnis,
das uns sehr beeindruckt hat («ein wunderbarer Tag»). Auch sehr
unwahrscheinliche (meist glückliche) Ereignisse bekommen schnell das
Wunder-Etikett («Kind stürzt aus dem 8. Stock und überlebt
- Ein Wunder!»).
Reden wir aber von den Wunder Jesu oder den Wundern, die auf Fürsprache
eines Heiligen geschehen, meinen wir von alledem nichts. Was aber genau solch
ein Wunder meint, ist oft nicht eindeutig geklärt. Was hältst Du
von der folgenden Definition: "Ein Wunder ist die (Unter-) Brechung
der natürlichen Kausalkette" - tolle Definition, nicht wahr?
Aber was ist damit gemeint?
Die natürliche Kausalkette
Alles, was in unserer Welt geschieht, hat eine Ursache (eine Billardkugel
rollt, normalerweise, nur dann, wenn sie angestoßen wurde). Alles, was
in dieser Welt geschieht, hat allerdings auch eine Wirkung (eine rollende
Billardkugel kann eine andere Billardkugel anstoßen - oder eine Tasse
Kaffee umstossen - oder eine unschuldige Fliege überrollen... usw.).
Aus diesem allgemeingültigen Ursache-Wirkung-Zusammenhang, in dem alle
Ereignisse dieser Welt stehen, lassen sich nun Ketten bilden bzw. entdecken:
So funktioniert ein Atomkraftwerk nur aufgrund der verketteten Reaktionen:
Ein gespaltenes Uran-Atom setzt zwei Neutronen frei, die wiederum ein Uran-Atom
spalten, die wiederum... Das ist so sehr berechenbar, das der Mensch sich
zutraut, diese Kettenreaktion sogar zu kontrollieren (hoffen wir, dass er
sich da nicht zuviel zutraut).
Wie einfach solche Ursache-Wirkung-Ketten sein können, sehen wir zum
Beispiel bei der Kettenreaktion aufwendig aufgestellter Domino-Steine - erinnerst
Du Dich noch an den DOMINO-DAY? (Übrigens beruht ein intelligentes PC-Spiel
auf diesem Prinzip: «The Incredible Machine»; dabei gilt es, Geräte
und Gegenstände so in Zusammenhang zu bringen, dass durch die vorhersehbare
Kettenreaktion ein bestimmtes Ergebnis erzielt wird).
Letztlich kann man nicht nur Ketten aufstellen, sondern alle Ereignisse dieser
Welt in einem großartigen Ursache-Wirkung-Netz miteinander verbunden
sehen. Der französische Naturwissenschaftler Laplace schloss daraus,
dass es sogar möglich sei, die gesamte Zukunft und Vergangenheit der
Welt zu berechnen, wenn für einen beliebigen Augenblick die Zustände
alle Teilchen dieser Welt exakt bestimmt sind: Dann lassen sich über
den Ursache-Wirkung-Zusammenhang alle Ereignisse zu allen Zeiten schlicht
berechnen. (Moderne Physiker sind da inzwischen etwas zurückhaltender
- aber dazu später).
Die Brechung der natürlichen Kausalkette
Ein Wunder wäre - im strengen, naturwissenschaftlichen Sinn - ein Ereignis,
von dem keine natürliche Ursache angenommen wird; also eine Wirkung,
die nicht von einer natürlichen Ursache herleitbar ist. Ein Beispiel:
Eine Billardkugel, die plötzlich anfängt zu rollen, obwohl sie zuvor
vollkommen bewegungslos war, kann durch eine natürliche Ursache dazu
angeregt worden sein (eine andere Billardkugel hat sie gestoßen, ein
Erdbeben hat den Tisch in Vibration versetzt, eine Windstoß... magnetische
Kräfte... spontan auftretende Erdanziehung... usw.) - oder durch eine
übernatürliche Ursache (durch Gedankenkraft, durch einen Geist,
durch einen Engel... usw.).
Entdecken wir eine natürliche Ursache, so ist die Behauptung, es handele
sich hierbei um ein Wunder, widerlegt. Könnten wir beweisen, dass es
sich hierbei um eine übernatürliche Ursache handelt, hätten
wir den Paradefall eines Wunders. Aber wahrscheinlich reicht auch schon der
Beweis, dass bei dem angegeben Ereignis keine natürlich Ursache vorhanden
ist.
2. Lassen sich Wunder beweisen?
Es gibt keinen "Nicht-Existenz-Beweis"
Die Naturwissenschaften kennen allerdings keinen "Nicht-Existenz-Beweis".
Mit anderen Worten: In den Naturwissenschaften kann die Existenz bestimmter
Dinge, Energien oder Objekte nachgewiesen werden - aber die Behauptung einer
bislang unbewiesenen Existenz nicht widerlegt werden.
Sollte ein Forscher behaupten, seinen Theorien zufolge müsse irgendwo
auf der Welt grüngestreifte Pinguine leben - oder rosa Eisbären
- so kann kein Kritiker ihn definitiv widerlegen. Wie sollte man auch beweisen,
dass es keine grüngestreiften Pinguine gibt? Dass sie bisher noch nicht
entdeckt sind, ist ja kein Gegenbeweis. Dass man sie nicht für lebensfähig
hält, ebenso wenig. Allerdings kann der Forscher, der die Existenz solcher
bunten Zebra-Pinguine behauptet, die Existenz sehr leicht nachweisen: Er muss
nur ein Examplar fangen und der allgemeinen Forschung zur Verfügung stellen
(wie zum Beispiel mit dem Quastenflosser oder dem Riesenpuma geschehen, nachdem
zuvor keiner an ihre Existenz geglaubt hat). Deswegen ist die Haltung der
Biologie zur Frage der Existenz von grüngestreiften Pinguinen ziemlich
neutral: Solange kein Exemplar der grünstreifigen Pinguine der Forschung
zur Verfügung steht, stellt sie lediglich fest: "Nach heutigem Stand
der Wissenschaft gibt es für die Existenz von grünstreifigen Pinguinen
keinen Anhaltspunkt." Ein Forscher, der so etwas schreibt, meint damit
nicht: "Aber wir werden noch welche finden!"; und diese "vorsichtige"
Formulierung wird auch nicht deshalb gewählt, weil sich alle noch Hoffnung
machen, grüne Pinguine zu finden. Der Satz kann nur so und nicht anders
lauten, weil grundsätzlich jeder Forscher weiß: Ein "Nicht-Existenz-Beweis"
ist nicht möglich.
Es gibt keine Untersuchung übernatürlicher
Ursachen
Natürlich kann die Naturwissenschaft nicht die übernatürliche
Ursache selbst untersuchen - einen Geist oder einen Engel oder Dämon
oder so etwas. Das liegt daran, dass die Naturwissenschaft sich - wie der
Name schon sagt - auf den natürlichen Bereich der Welt beschränkt:
Auf alles Sichtbare, Messbare oder Quantifizierbare. Es wäre natürlich
arrogant, wenn man daraus den Schluss ziehen würde, es gäbe nichts
außerhalb der Natur, denn mit dem übernatürlichen Bereich
ist ja nicht nur Gott und alles Religiöse gemeint, sondern auch die Seele
des Menschen, sein Selbstbewusstsein und seine Freiheit.
Leider gibt es solche arrogante - oder vielleicht sollte man sie eher "beschränkt"
nennen - forschen(den) Menschen. Aber nur wenige Materialisten sind bereit,
ihre Behauptung, es gäbe nichts außerhalb der Naturwissenschaften,
konsequent zu durchdenken. Denn daraus würde ja folgen, dass diese Forscher
selbst nichts anderes sind als eine gut (oder schlecht?) funktionierende biologische
Maschine, die zu einer solchen Behauptung gar nicht fähig ist...
Es gibt keine naturwissenschaftliche Beschreibung personaler
Entscheidungen
Dass ein Wunder nur in seiner "Nicht-Erklärbarkeit" von den
Naturwissenschaften erfasst werden kann, liegt aber auch daran, dass es sich
bei den übernatürlichen Ursachen um personale Wesen handeln soll.
Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse werden zum großen Teil aus
Experimenten gewonnen, die immer und überall unter den exakt beschriebenen,
gleichen Voraussetzungen wiederholt, die gleichen Ergebnisse liefern müssen.
Ein Wunder ist dadurch nicht fassbar, denn es geschieht eben nicht immer
wieder unter den gleichen Bedingungen - sonst wäre es ja kein Wunder.
Das ist ja genau das Problem, wenn ein Spukhaus auf "wissenschaftliche
Weise" untersucht wird. Denn meistens genau zu diesem Zeitpunkt hat der
"Geist" keine Lust, ist auf Urlaub oder beim Einkaufen...
... bei den Spukhäusern liegt deshalb der Verdacht nahe, dass die persönlichen
Launen des Geistes eine bloße Ausrede sind, um die wissenschaftliche
Überprüfung zu umgehen. Aber grundsätzlich ist das nichts Neues
für den Naturwissenschaftler: Eine persönliche Entscheidung ist
niemals naturwissenschaftlich fassbar - ganz gleich, ob es sich dabei
um Geister, Dämonen oder um Tante Gisela handelt. Ob Hannibal tatsächlich
über die Alpen elefantierte oder Jesus übers Wasser ging, ist allein
deswegen kein Gegenstand der Naturwissenschaften, weil es sich per se
um einmalige personale Ereignisse handelte.
Fazit: Die Untersuchung der übernatürlichen
Ursache entzieht sich also doppelt der Naturwissenschaft.
Somit kann die Naturwissenschaft auch in der Wunderfrage nur eine neutrale
Position beziehen: Ob ein Ereignis ein Wunder ist, hängt davon ab, ob
die Wissenschaft eine natürliche Ursache findet. Da grundsätzlich
nicht beweisbar ist, dass keine natürliche Ursache existiert, kann ein
Wunder auch nie endgültig "bewiesen" werden. Es bleibt immer
nur der Schluss: "Nach heutigem Stand der Wissenschaft ist das betreffende
Ereignis auf natürliche Weise nicht erklärbar." So lauten beispielsweise
die Abschlussberichte der medizinischen Kommission in Lourdes, wenn eine Heilung
als medizinisch nicht erklärbar eingestuft wird. Dass dieser Satz so
klingt, als ob es morgen schon eine Widerlegung des Wunders gibt, lässt
nicht darauf schließen, dass sich die Wissenschaftler berechtigte (oder
unberechtigte) Hoffnungen machen. Der Satz kann nur so und nicht anders lauten,
weil ein "Nicht-Existenz-Beweis" nicht möglich ist.
3. Naturgesetze und Gesetzesverstöße
Was Hannibal, Julius Caesar, Jesus oder Tante Gisela tun oder nicht tun,
ist naturwissenschaftlich weder vorhersagbar noch rekonstruierbar. Aber dennoch
setzt die Naturwissenschaft den Handlungen von Personen doch Grenzen - die
Naturgesetze, oder?
Genau genommen sind Naturgesetze keine "Gesetze", wie wir sie kennen.
Denn wenn es heißt, dass das Ball-Spielen auf den Parkwiesen verboten
ist, bedeutet das ja nicht, das es Kindern nicht möglich ist, dort einen
Ball zu bewegen - probiert's nur aus, es geht. Im Gegensatz dazu ist ein Naturgesetz
(wie z.B. das "Pauli-Verbot für Fermionen" oder das "Energie-Erhaltungsgesetz")
keine Vorschrift, sondern eine Beschreibung, wie sich die Natur tatsächlich
verhält.
Veröffentlicht ein Forscher seine Forschungsergebnisse, in denen ein
Naturgesetz verletzt wird, so werden die Kollegen ihn darauf hinweisen und
sagen: Sorry, das kann alles nicht richtig sein, denn die Natur verhält
sich, so wie wir wissen, nicht so.
In diesem Sinne verstößt ein Wunder gegen die Naturgesetze - und
zwar deshalb, weil dort etwas in der Natur geschieht, das sonst nicht geschieht.
Entweder, weil es extrem unwahrscheinlich ist, oder weil dort tatsächlich
ein Gesetz verletzt wird (beides liegt sehr nahe beieinander, wie uns die
Quantentheorie nahe legt - aber darauf will ich hier nicht näher eingehen).
Die Behauptung, dass ein Phänomen, das gegen die Naturgesetze verstößt,
nicht sein kann, ist nun wieder Ansichtssache: Wenn die Natur alles ist, was
es gibt, dann liegt es auf der Hand, dass nichts die Natur dazu bewegen kann,
sich gelegentlich anders zu verhalten als gewohnt.
Gibt es aber eine Wirklichkeit jenseits der messbaren Natur, dann spricht
auch nichts dagegen, dass diese Übernatur sich bemerkbar macht.
Genauso wenig können eindeutig belegte Wunder (wie z.B. in Lourdes,
Fatima oder Guadelupe) die Frage nach Gott klären: Für einen Atheisten
handelt es sich dabei nur um ein paar Lücken zusätzlich zu den ohnehin
vorhandenen Lücken in der wissenschaftlichen Erkenntnis.
4. Der Lückenbüßer-Gott
Somit können im naturwissenschaftlichen Sinne Wunder niemals bewiesen
werden - und auch nicht zum naturwissenschaftlichen Beweis der Existenz Gottes
herangezogen werden. Es gibt keinen naturwissenschaftlichen Beweis dafür,
dass ein Wunder geschehen ist; es gibt immer nur ein "Wir können
es nicht erklären" der Naturwissenschaftler mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit,
dass eine solche Erklärung auch niemals gefunden wird.
Wie groß allerdings die Chancen der Wissenschaften ist,
ein momentan unerklärliches Ereignis demnächst ableiten zu können,
ist schließlich wieder Ansichtssache. Im Zusammenhang mit Krebserkrankungen
gibt es das Phänomen der "Spontan-Remissionen", der plötzlichen
und unerklärlichen Rückbildungen von Krebsgeschwüren. Außerdem
gibt es das Phänomen der hysterischen Krankheiten, die manchmal spontan
und plötzlich wieder geheilt werden können.
Es wäre aber zuviel der Gutgläubgkeit, wenn daraus geschlossen
wird, dass immer und überall spontane Heilungen jeder Art auftreten
können: Nun, da wir bis heute nicht genau wissen, warum eine "normale"
Körperzelle plötzlich beginnt, sich unkontrolliert zu teilen und
ein Geschwür zu bilden (wir kennen zwar auslösende Faktoren -
wie zum Beispiel radioaktive Strahlung oder bestimmte krebserregende Stoffe
- aber wir kennen den Mechanismus nicht), ist es nicht überraschend,
dass wir den plötzlichen Abbruch des Krebs-Wachstums ebenso wenig erklären
können.
Da wir aber sehr genau wissen, wie ein Auge entsteht und ein Sehnerv funktioniert,
wie die Tuberkulose wirkt und ein Bein wächst, ist es nicht nur unwahrscheinlich,
sondern widerspricht jeder Erkenntnis, wenn ein zerstörtes Organ plötzlich
und vollständig wiederhergestellt ist.
Dabei darf der Glaube an Wunder kein Lückenbüßer für
ungeklärte Ursachenforschung sein. Wo kämen wir hin, wenn bei jeder
ungeklärten Frage der Naturwissenschaft (z.B.: «Wir wissen zur
Zeit nicht, wie das AIDS-Virus entstanden ist») sofort eine übernatürliche
Ursache angenommen wird («Dann muss Gott die Viren geschaffen haben»)?
Wir wüssten heute wahrscheinlich nicht einmal, wie Ebbe und Flut entsteht
(«Gott schaukelt das Meer hin und her») oder warum Glas durchsichtig
ist («Gott will, dass wir da hindurch schauen können»).
Nein, das leuchtet ein: Ohne einen triftigen Grund ist es unverantwortlich,
eine unbekannte Ursache im Übernatürlichen zu suchen.
Der Lückenbüßer-Gott ist der Tod jeder wissenschaftlichen
Erkenntnis; und in gelehrten kirchlichen Kreisen hat es einen solchen Gott
nie gegeben - auch nicht im Mittelalter (warum soll es eigentlich alles Schlechte
dieser Welt ausgerechnet im Mittelalter gegeben haben...? Aber das gehört
nicht hierher...). Der Lückenbüßer-Gott ist eher ein populistisches
Phänomen, also eine Reaktion der Nicht-Wissenschaftler, des "gemeinen
Volkes", die sich mit einer Wissenslücke nicht zufrieden geben wollten.
Echten Forschernaturen war eine ungeklärtes Ereignis immer Ansporn zu
weiteren Untersuchungen.
5. Triftige Gründe, ein Wunder anzunehmen
Es muss also, im Zusammenhang mit einem natürlich nicht erklärbarem
Phänomen, einen triftigen Grund geben, die Suche nach einer natürlichen
Ursache aufzugeben und eine übernatürliche Ursache anzunehmen. Ein
solch triftiger Grund ist zum Beispiel der religiöse Kontext eines
Ereignisses.
Das mag Dich vielleicht verwundern. Normalerweise vermuten wir, dass der
religiöse Kontext eines Berichtes die Glaubwürdigkeit schmälert:
«Da hat bestimmt jemand im religiösen Übereifer Halluzinationen
gehabt...!» - oder dass der religiöse Kontext eine wissenschaftliche
Untersuchung meistens verhindert. Aber nüchtern betrachtet ist das Gegenteil
der Fall:
Zum Beispiel würde ich den Bericht, unser lieber Herr Bundeskanzler
hätte am Samstag morgen von 11.23 Uhr bis 11.24 Uhr zweiundzwanzig Zentimeter
über den Boden geschwebt, als völlig abwegig abtun - warum sollte
er das tun? In diesem Bericht läge für mich nichts Glaubwürdiges.
Da jeder sinngebende Kontext fehlt, würde ich nicht nur jeden, der mir
davon erzählt, in seiner Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen. Ich
würde sogar, wenn ich es selbst gesehen hätte, mir die Augen reiben
und eher an eine Sinnestäuschung glauben. Vermutlich kein ernstzunehmender
Wissenschaftler würde daraufhin eine Untersuchung beginnen.
Wird aber von einer Wunderheilung in Lourdes berichtet, so erscheint (zumindest
mir als gläubigen Katholik) dieser Bericht keineswegs als unqualifizierte
Meldung, die in den Mülleimer gehört. Und obwohl der religiöse
Kontext das Ereignis plausibel erscheinen lässt (da anstelle einer nicht
sichtbaren natürlichen Ursache eine übernatürliche Ursache
nicht abwegig ist), wird trotzdem jeder Mediziner zu einer neutralen Untersuchung
gerne bereit sein.
Der religiöse Kontext erschließt die Glaubwürdigkeit des
Berichtes und ermöglicht oft erst eine wissenschaftliche Untersuchung.
Darin liegt auch der Unterschied der Wunder im Raum des Christlichen
zu den Berichten von Spukhäusern, Geistererscheinungen und Botschaften
aus dem Jenseits. Während im Christlichen der religiöse Rahmen bereits
feststeht und damit Kriterium für die Feststellung eines Wunders sein
kann, ist im nicht-religiösen Raum alles möglich. Kein Wunder also,
dass in gewissen nichtchristlichen Kreisen der Glaube an Wunder vollkommen
gleichberechtigt neben dem Glauben an UFOs, intelligentem Gemüse, Telekinese
und Telepathie, Mondkalender, Horoskope, Wünschelrutengängern und
Wasseradern, Erdstrahlen und der Heilkraft von Edelsteinen, der Entführung
durch Aliens, der Kornkreiszeichen und der Kultur von Atlantis steht.
Wer sich entschieden hat, die Vernunft über Bord zu werfen, wird schließlich
alles glauben.
Wer sich entschieden hat, der Welt eine religiöse Dimension zu geben,
erweitert seine Vernunft um das Kriterium des Christlichen - und wird
daher einen genaueren Begriff von Wirklichkeit entwickeln - und seine Vernunft
behalten.
6. Das Wunder als Selbstoffenbarung Gottes
Die Frage stellt sich also: Warum soll es Wunder im Raum des christlichen
Glaubens überhaupt geben?
Es war die Aufklärung (eine geistige Strömung aus dem 18. Jahrhundert
- vor allem aus Frankreich kommend), die glaubte, die gesamte Wirklichkeit
ohne ein Eingreifen Gottes erklären zu können. Alles, was geschieht,
sei vollständig auf die eigenen, innerweltlichen Gesetzmäßigkeiten
zurück zu führen - für Gott, Vorsehung und Gebetserhörungen
war in dieser Welt kein Platz mehr.
Allerdings versuchten die Denker der Aufklärung keineswegs, Gott selbst
zu widerlegen - sondern nur sein Wirken in der Natur. Das sei, so behaupteten
einige sogar, ein Gewinn für den Glauben: Die Welt, so glaubte man entdeckt
zu haben, ist wie eine riesige Maschine - zum Beispiel wie ein hoch kompliziertes
Uhrwerk. Gott, der Schöpfer der Welt, ist der Erbauer dieser Maschine
und hat alles vorausgesehen, geplant und eingebaut. So wusste er bereits vor
der Erschaffung der Welt, das zu einer bestimmten Zeit ein Mensch zu ihm beten
werden, und deshalb hat er bereits in den Lauf der Welt eingebaut, dass dieses
Gebet erhört wird (oder eben auch nicht). Was für ein genialer Gott!
(Behaupten zumindest diese Art von Philosophen, die an einen Uhrmachergott
glaubten - heute nennen wir sie "Deisten". Lamattrie schreib sogar
ein Werk mit dem Titel "L'homme machine" - Der Mensch als Maschine).
Demnach wäre ein Wunder - also ein Eingriff Gottes in die Natur, eine
Verletzung der Naturgesetze - ein peinlicher Moment in meinem Gottesglauben:
Gott hat beim Bau seiner Maschine etwas vergessen oder übersehen und
muss nun in die Welt eingreifen, damit doch noch wieder alles nach Plan läuft.
Was ist das für ein Uhrmacher, der jede Stunde seine Uhr für ein
paar Minuten anhalten muss, damit sie noch richtig tickt. Was für ein
billiger Gott!
Goethe hat deshalb auch nur ein abschätzendes Urteil für
die Wundergläubigen übrig: Wunder seien "eine Lästerung
gegen den großen Gott und seine Offenbarung in der Natur". Friedrich
Paulsen, ein Berliner Philosoph, meint sogar: "Wunder und magische Wirkungen
sind Dinge geworden, die für den Verstand etwas sehr Abstoßendes
haben"; und Max Planck fordert, man solle "ehrlich und entschlossen
dieses Hindernis (den Wunderglauben), das dem modernen Menschen den Weg zum
Christentum versperrt, aufgeben, um dadurch die Werte des Christentums für
den heutigen Menschen und damit für die abendländische Kultur zu
retten".
Also, die Frage stellt sich: Hat Gott bei der Erschaffung der Welt ein paar
Sachen falsch geplant und muss korrigierend eingreifen?
Zunächst ist die Auffassung, die Welt sei eine Maschine, längst
widerlegt und ad acta gelegt. Zumindest die Physiker wissen Bescheid - es
hat sich allerdings noch nicht in allen Bevölkerungsschichten herumgesprochen.
Dass die alte, mechanistische Vorstellung der Welt "endgültig als
Irrtum erkannt wurde - das ist der Beitrag der modernen Naturforschung zu
den Weltanschauungsfragen von heute" - schreibt der Atomphysiker Pascual
Jordan.
Zum anderen belegt ein Blick auf die Wunder, von den wir wissen, dass deren
Sinn nicht die Korrektur einer Wirklichkeit ist - sondern dem Glauben der
Menschen dienen soll. Wenn ein Wunder geschieht, dann nicht, weil Gott einsieht,
dass die Wirklichkeit korrekturbedürftig ist, sondern weil er Menschen
zum Glauben führen will, keimhaft vorhanden Glauben stärken und
festen Glauben krönen möchte.
Wunder geschehen nicht an fernen, menschenleeren Orten, in vollautomatisierten
Stellwerken oder Computerzentralen, sondern sie geschehen am Menschen. Gott
wirkt, um uns bei der Suche nach Ihm zu helfen: In seinen Wundern offenbart
er sich dem, der glauben will.
Deshalb sprechen wir bei den Wundern Gottes von "Selbstoffenbarungen":
Gott zeigt exemplarisch, wer er ist und was er tut. Das wird besonders deutlich
an den Wundern, die uns von Jesus überliefert sind:
Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden
rein, Taube hören (Mt 11, 5), Jesus heilte jegliche Krankheit und jegliches
Gebrechen (Mt 9, 35). Gott schenkt uns Licht der Erkenntnis, er öffnet
uns die Augen für das unsichtbare. Er heilt den Menschen, weil er unser
körperliches und vor allem seelisches Heil will.
Er wandelte Wasser in Wein und speiste 5000 Männer mit fünf
Broten und zwei Fischen (Mk 6, 38) - Gott erhält unser Leben und schenkt
uns die Nahrung, er ist der Gott unseres Lebens, ohne ihn verhungern wir.
Er stillt den Sturm, der die Jünger bedroht (Mt 8, 26), er gebietet
über die Kräfte der Natur und geht über den See Genesareth
(Mt 14, 25) - Gott ist der Herr der Welt, Er hat sie erschaffen und lenkt
sie. Keine Kraft der Natur kann Ihn erschüttern.
Er wusste, was die Menschen dachten, kannte ihre Gedanken und ihr Herz
(Lk 5,22) - Gott kennt unsere Gefühle, Ängste, Hoffnungen, er
hört, wenn wir zu ihm rufen.
Er erweckte Tote wieder zum Leben (Joh 11, 44) und stand nach seinem
eigenen Tod drei Tage später zu neuem Leben auf (Mt 28, 7) - Gott ist
der Herr des Lebens, nicht einmal der Tod kann uns von ihm trennen. Nach diesem
Leben ruft er uns zu einem neuen, anderen Sein.
Wohlgemerkt, Gott will mit seinem Wundern keinen, der nicht glauben möchte,
überzeugen. Im amüsanten Buch "Das Wunder des Malachias"
erzählt Chesterton die Geschichte eines fliegenden Bordells, mit dem
Pater Malachias seinen ungläubigen Mitbruder bekehren will. Leider muss
er feststellen, dass sogar di Gäste des Bordells, die Augenzeugen des
Wunders waren, nicht daran glauben wollen (und übrigens trotzdem Schadensersatz
vom armen Pater Malachias fordern). Nein, Wunder überzeugen nicht den,
der nicht glauben will. Aber sie können den, der Gott ehrlich sucht,
ergreifen. Das ist wie mit dem Blumenstrauß, den ein Mann seiner Frau
nach einem Streit schenkt: Die Blumen können die, die nicht verzeihen
will, nicht dazu bringen, an die Reue des Mannes zu glauben. Bin ich
aber bereit, zu vergeben, und suche nach einem Zeichen der Reue, dann ist
der Strauß Blumen ein eindeutiges Zeichen.
So sind die Wunder Gottes keine Korrekturen eines vergesslichen Gottes, sondern
Liebesbeweise an den, der lieben möchte.
7. Warum dann nicht noch viel mehr Wunder?
Nun, aufmerksame und kritische Leser können jetzt natürlich zu
recht fragen: Wenn Gott sich durch Wunder offenbart, damit wir glauben - na,
warum stellt er sich nicht direkt auf den Marktplatz - am besten vor laufenden
Fernsehkameras mit Live-Übertragung in alle Länder der Welt - und
führt ein Wunder nach dem anderen auf. Das wäre doch etwas handfestes!
(Dieser Vorschlag wird übrigens auch im Musical "Jesus Christ Superstar"
gemacht - bezeichnenderweise von Judas, der Jesus vorhält, alles falsch
gemacht zu haben).
Ich habe vor einiger Zeit mit meiner kleinen Nichte Verstecken gespielt.
Für mich als Verstandesmensch eine echte Herausforderung: Wie soll man
verstecken spielen mit einem Kind, das sich versteckt und noch aus seinem
Versteck heraus ruft, wo man es finden kann? Ein seltsames Verhalten. Aber
meiner Nichte kam eben es nicht auf das perfekte Versteck an. Sondern an der
Tatsache, dass ich es suche, erkennt es, dass es wichtig ist.
So ähnlich ist das auch für unseren Gott: Fordert man ihn (wie
zu einem Duell) heraus, so versteckt er sich wie ein kleines Kind. Er macht
sein Versteck sehr einfach, denn es kommt ihm darauf an, zu erkennen: Wer
sucht mich eigentlich? Wer will eigentlich wirklich eine Antwort? Will der,
der die Frage gestellt hat, nur Recht behalten und mich bloßstellen
- oder sucht er wirklich eine Antwort?
Gott befriedigt mit seinen Wundern nicht unsere Sensationslust; wer ein Wunder
fordert, bevor er glauben will, wird leicht leer ausgehen. Denn Glauben heißt
vertrauen. Und Gott will unser Vertrauen - nicht unseren Applaus: "Das
war aber ein schönes Wunder! Fein, aber - was machen wir jetzt? Gehn
wir zu McDonalds."
Rabbi Baruchs Enkel, der Knabe Jechiel, spielte einst mit einem
anderen Jungen verstecken. Er verbarg sich gut und wartete, dass ihn sein
Freund suche. Als er lange gewartet hatte, kam er aus dem Versteck, aber der
andere war nirgends zu sehen. Nun merkte Jechiel, dass jener ihn von Anfang
an nicht gesucht hatte. Darüber musste er weinen, kam weinend in die
Stube seines Großvaters gelaufen und beklagte sich über seinen
bösen Spielgenossen. Da musste auch der Rabbi weinen, er rieb sich die
Augen und sagte: "So spricht auch Gott: 'Ich verberge mich, aber keiner
will mich suchen'".
Auch heute geschehen noch Wunder
Auch heute geschehen noch Wunder, und dass nicht nur in verborgenen Kämmerchen
oder entlegenen Dörfern, weitab von allen Möglichkeiten der wissenschaftlichen
Überprüfung. Vor allem in Lourdes sind die Bedingungen für
Skeptiker ideal: Dort gibt es eine ständige Kommission unabhängiger
Ärzte, von denen immer ein großer Teil Atheisten oder zumindest
nicht kirchlich gebundene Mediziner gemeldete Heilungen unmittelbar und eigenhändig
überprüfen. Auch diese Untersuchungen kommen nicht zu dem gesicherten
Ergebnis, dass es Wunder gibt; sie erklären lediglich, dass eine Heilung
medizinisch nicht erklärbar ist. Die Kriterien zur Anerkennung einer
"wunderbaren", d.h. nicht erklärbaren Heilung sind so streng,
dass von den über tausend gemeldeten Heilungen bis heute nur 70 anerkannt
wurden.
Aus den Heiligsprechungsakten
Aber Wunder sind nicht an solch besonderen Orte gebunden. In jedem Selig-
oder Heiligsprechungsverfahren muss ein Wunder gesichert sein, damit ein Kandidat
(oder eine Kandidatin) offiziell liturgisch verehrt werden darf. Auch diese
sogenannten Wunderprozesse sind strenge Verfahren, die übrigens zu einem
großen Teil öffentlich gemacht wurden (z. B. in Wilhelm Schamonis
Werk "Wunder sind Tatsachen"). Diese Wunderverfahren sind akribisch
und umfangreich: Bei der Untersuchung der Heilung eines taubstummen Jungen
1717 wurden 129 Zeugen verhört, die Akte umfasst 2934 beidseitig beschriebene
Blätter - also fast 6000 Seiten.
In den Heiligsprechungsakten finden wir z.B.: Heilungen von verätzten
Augen (1850), von Netzhautablösungen (1890), eines ausgelaufenen Auges
(1921), weitere Blindenheilungen (1883, 1941, 1947); Heilung von verkrüppelten
oder schwer verletzten Gliedmaßen, Rachitis (1891), Subluxation (1953),
eine Verlängerung eines Beines (1710), Kinderlähmung (Poliomyelitis
- 1923), Gicht (1736); Heilungen von stummen, tauben, taubstummen (1721, 1870,
1902, 1930), Knochenfraß (1933), von verdorrten Händen (1626, 1719),
Hepatitis mit Eiteransammlung in der Gallenblase (1954), knochenlose Beine
(1737), Epilepsie (1862) - und so weiter. Das überraschendste Wunder
aber ist wohl das Wunder von Calanda - durch über 100 meist kritische
Publikationen untersucht und geprüft: Dort wuchs 1640 der Spanier Miguel
Juan Pellicer das rechte Bein nach, das ihm 1637 amputiert worden ist. Bereits
1641 erschien eine wissenschaftliche Untersuchung u.a. mit den Vernehmungsprotokoll
aller beteiligten Ärzte auf 533 Seiten.
In einer sehr amüsanten Homepage - www.dittmar-online.net
- behauptet der Verfasser, dass Wunder immer nur anerkannt werden, wenn alle
Zeugen tot sind, so dass es keine Überprüfung mehr geben kann. Genau
das Gegenteil ist wahr: Gibt es für das geforderte Wunder keine lebenden
Zeugen mehr - oder aber zu wenig - wird es nicht anerkannt.
Wer nur ein wenig in diesen Akten blättert, wird erkennen, dass die
Kirche keineswegs "wundergläubig" ist, sondern äußerst
skeptisch und kleinlich. Erst, wenn die Zeugen glaubwürdig und kompetent
sind; das beschriebene selbst gesehen bzw. erlebt haben, bei Heilungswundern
die Heilung plötzlich, vollkommen und dauerhaft ist; jede Vorteilsnahme
ausgeschlossen ist und keine Aussage aufgrund von religiösen Übereifer,
persönlicher Zuneigung, Begünstigung oder freundschaftlichen Gründen
geschieht, ebenso wenig aus Furcht oder Hass; dass nichts verschwiegen wird,
noch das etwas Falsches eingeflochten wurde... erst dann - und noch nicht
einmal immer dann - wird ein Wunder anerkannt.
...die haben wir abgelehnt
Der Glaube der Kirche begünstigt daher nicht - wie Skeptiker meinen
- die Leichtgläubigkeit der Prüfenden, sondern der christliche Glaube
ist ein Kriterium vor allem zum Ausschluss zahlreicher gut belegter, aber
unsinnigeren Wunder.
So wird in Rom die Geschichte eines Journalisten erzählt, der sich 1960
dem im Vatikan mit der Wunderuntersuchung beauftragten Sekretär gegenüber
abfällig über Wunderberichte äußerte. Wenige Tage später
überreichte der Sekretär dem Journalisten wortlos einen riesigen
Stapel von Berichten und Zeugenaussagen. Nachdem der Journalist wochenlang
diese Schriften studiert hatte, musste er dem Sekretär gegenüber
eingestehen, dass es nach menschlichem Ermessen an der Tatsächlichkeit
der dort beschriebenen Ereignisse wohl keinen Zweifel mehr geben könne.
Der Sekretär erwiderte ihm mit einem Lächeln: "...und dabei
sind die Akten, die ich ihnen gegeben haben, doch nur die, die wir als mangelhaft
abgelehnt haben."
8. Fazit
Halten wir schließlich fest: Wunder erschließen sich letztlich
nur dem, der bereit ist, eine übernatürliche Ursache zu akzeptieren.
Für einen reinen Materialisten, der nicht nur Gott, sondern jede nicht-materielle
Existenz ablehnt, sind Wunder zwar auch überprüfbar. Er wird aber
nur zu dem Schluss kommen, dass es sich bei den beschriebenen Phänomen
um nicht erklärbare Ereignisse handelt.
Erst der religiöse Kontext - die Bedeutung für den, der Glauben
will oder eine Stärkung seines Glaubens erfährt - lässt das
unerklärliche Ereignis zu einem Wunder werden. Denn nicht das Mirakulöse
ist das Vergnügen Gottes, sondern unser liebevolles Vertrauen auf SEINE
Wirk-lichkeit.