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KARL-LEISNER-JUGEND |
Filme in der Jugendarbeit
Man muss nicht einen Spielfilm diskutieren, analysieren und sezieren, damit er wirkt. Gute Filme sind halt deshalb gut, weil sie ihre eigene Sprache sprechen und darüber (oft) mehr transportieren, als durch eine nachträgliche Analyse. Aber welche Filme sind wirklich gut? Am besten, Du entscheidest selbst. Vielleicht kann Dir diese Seite unserer Homepage etwas behilflich sein: José García, anerkannter Filmkritiker mit einer eigenen Site ( www.textezumfilm.de) hat uns freundlicherweise erlaubt, einige seiner Besprechung hier zu veröffentlichen, die anderen stammen von Stefan Rottbeck, einem engagierten Jugendlichen. Für "Kritik an unserer Kritik" oder sonstige Anregungen sind wir immer dankbar; schreib einfach an den webmaster. Theologische Rezension: Life of Pi hier. Empfehlungen 2013 hier. Empfehlungen 2011 hier. Empfehlungen 2010 hier.
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Wertung: 5.0 von max. 5 Sternen |
Manche Filme kränkeln an technischen, handwerklichen oder schauspielerischen Mängeln - obwohl ihre Grundaussage eine -aus christlicher Sicht- durchaus wertvolle sein kann. Ja, manchmal überwiegt eine solche Botschaft sogar die Nachteile eines Films.
Auch handwerklich sehr gute Filme können mit ihren Schauwerten verdecken, dass sie eine Aussage transportieren wollen, deren Entdeckung, Wahrnehmung und Diskussion sich lohnt. Eine Standard-Rezension würde diese Botschaft nur am Rande erwähnen, mit einer "theologischen Rezension" soll sie dagegen in den Mittelpunkt gerückt werden.
"Life of Pi" erzählt eine Geschichte aus einer Rahmenhandlung heraus. Ein ausgebrannter Schriftsteller (Rafael Spell) wird -von dessem Onkel- zu "Pi" (Irrfan Khan) geschickt, weil Pi eine Geschichte zu erzählen habe, die nicht nur Anregung und Inspiration sein kann, sondern sogar in der Lage sein soll, dem desillusionierten Schriftsteller "den Glauben an Gott wiederzugeben". Pi erzählt nun seine Geschichte, die dann in den Mittelpunkt des Interesses gerückt wird. Erst im abschließenden Gespräch - wieder zwischen Pi und dem Schriftsteller -, wird deutlich, auf welche Weise der Glaube an Gott mit der Geschichte zusammenhängt.
Vorsicht: Spoiler! (Das heißt, ein (in diesem Fall nicht entscheidender) Clou des Film wird im folgenden Text vorweggenommen. Wer sich zunächst vom Film überraschen lassen will, sollte hier nicht weiterlesen!).
Die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird zunächst auf die Ereignisse vor und nach dem Schiffbruch gelenkt. Vor allem die frühen religiösen Interessen des jungen Pi (Suraj Sharma)scheinen von Bedeutung zu sein, ebenso die nach dem Schiffbruch eingestreuten Fragen und Anklagen an Gott, bzw. die aus dem Off gesprochenen Dankesgebete. Aber der Drehbuchautor (David Magee nach einem Roman von Yann Martel) hat die Gottbezogenheit der Geschichte nicht IN der Gesichte selbst angesiedelt, sondern auf einer Meta-Ebene:
Nach der überlebten Odyssee wird Pi von zwei Japanern zum Hergang des Schiffbruches befragt (die beiden Japaner treten im Film als Repräsentanten der Rationalität auf), beide sind mit der von Pi erzählten Geschichte mehr als unzufrieden. "Sie wünschen eine andere Geschichte? Eine, in der nichts vorkommt, das sie nicht kennen?" fragt Pi und erzählt eine neue, andere Geschichte - ohne Tiger, dafür aber mit menschlichen Grausamkeiten. Damit geben sich die Japaner zufrieden.
Der ausgebrannte namenlose Schriftsteller entdeckt aber in beiden Geschichten das gleiche Muster und weist Pi darauf hin. Pi stimmt dem zu und fragt: "Welche Geschichte hat ihnen besser gefallen?"; der Schriftsteller antwortet lächelnd: "Die mit dem Tiger.". Worauf Pi entgegnet: "Sehen Sie, so ist es auch mit Gott." Der Schriftsteller lächelt und versteht.
Der filmischen Umsetzung entkleidet lautet die Botschaft: Eine Wirklichkeit mit Gott ist letztlich schöner als eine Wirklichkeit ohne Gott. Überraschend.
Auf den ersten Blick eine tunlichst zu vermeidende Begründung des Glaubens: Eine Welt ohne Gott ist mir zu "langweilig", "trostlos" oder "kalt": Deshalb glaube ich lieber an Gott. Sofort klingelt die Projektionstheorie von Ludwig Feuerbach im Ohr: Gott wurde nur von den Menschen erfunden, weil sie sich eine Welt mit Gott wünschen.
Doch die Botschaft des Films - und auch die daraus abgeleitete theologische These - ist nur auf den ersten Blick unlogisches Wunschdenken. C.S.Lewis hat in seinem Kinderbuch "Der silberne Sessel" eine ähnliche Szene kreiert: Die grüne Hexe versucht durch Magie und Argumentation, ihre unterirdisch gefangen gehaltenen Zuhörer (Eustachius, Jill und den Moorwackler) davon zu überzeugen, dass kein Aslan, keine Sonne und keine Oberwelt existiert. "Alles nur Märchen, alles nur Wunschdenken." Bis dann (ausgerechnet der Moorwackler namens Trauerpfützler) beschließt: "Selbst, wenn Sie recht haben und Aslan, die Sonne und die Oberwelt nicht existieren - und diese Unterwelt alles ist, was real ist -, dann will ich doch lieber ein Leben mit dem Glauben an die Sonne führen als hier in der Unterwelt ein Leben ohne Hoffnung zu führen." (sinngemäßes Zitat)
Und das ist tatsächlich ein Argument: Ob es einen Gott gibt, die Welt einen Sinn hat und es über diese Welt hinaus eine größere Welt gibt, mag nicht immer und für jeden rational und logisch erweisbar sein. Aber der Mensch braucht einen Grund, um zu leben. Wenn ihm aber eine möglicherweise sinnlose, geistlose und hoffnungslose Welt keinen solchen Grund gibt, ist der Entschluss: "Wenn ich schon leben will, dann wenigstens unter der Annahme, dass mein Leben auch Sinn und Bedeutung hat!" die legitime Wahl einer Alternative.
Welches Leben findest Du schöner - das Leben mit Gott (und alles hat schließlich einen Sinn)? Oder das Leben in einer Welt ohne Gott (in der selbst die größten Freuden nur Illusionen sind, weil alles sinnlos und vergeblich bleibt)?
Genau diese Frage stellt der Film - und gibt nicht nur im Schriftsteller die Antwort "Die Geschichte mit Tiger gefällt mir besser", sondern auch in der erzählten Geschichte von Pi selbst; denn immer wieder bezieht sich der Erzähler (fragend, klagend und erkennend) auf den Sinn, den alle Erlebnisse haben.
Mit "Life of Pi - Schiffbruch mit Tiger" findet sich eine sehr christliche Aussage in einem filmischen Meisterwerk wieder. Es geht also nicht darum, die Botschaft in einem ansonsten trashigen Spielfilm zu retten, sondern in diesem Fall hinter den zahlreichen Schauwerten (sehr beeindruckend sowohl die schauspielerische Leistung von Suraj Sharma als auch von "Richard Parker") die Aussage nicht zu übersehen.
Ein in mehrfacher Hinsicht sehr sehenswerter und bedenkenswerter Film!
(Kritik: Peter van Briel)